Nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ab aufgehoben werden, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die meisten Landesblindengeldgesetze enthalten Bestimmungen über Mitteilungspflichten. Zum Teil werden die sich aus der Verletzung dieser Pflichten ergebenden Folgen unmittelbar in dem Landesgesetz geregelt.
Für die Länder, in deren Gesetze keine spezielle Regelung enthalten ist, ergibt sich die Mitteilungspflicht aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I.
Nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 soll die Änderung bzw. Aufhebung dann mit Rückwirkung erfolgen, wenn der Betroffene hinsichtlich seiner weiteren Leistungsberechtigung bösgläubig war. Die Bösgläubigkeit muss also nicht bereits im Zeitpunkt der wesentlichen Änderung vorliegen. Die Rückwirkung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Bösgläubigkeit. Dieser Zeitpunkt hängt z.B. davon ab, wann die Behörde den Betroffenen aufgeklärt hat.
Eine rückwirkende Aufhebung ist in den genannten Fällen infolge der in § 48 Abs. 4 enthaltenen Verweisung allerdings nur unter Berücksichtigung der in § 45 Abs. 3 S. 3 - 5 und Abs. 4 S. 2 SGB X genannten Fristen möglich. Der Grund für diese Regelung besteht darin, dass der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt zu dem Zeitpunkt der Änderung rechtswidrig geworden ist und in diesen Fällen kein Vertrauensschutz geboten ist. Wird in einem dieser Fälle aufgrund besonderer Umstände oder weil die Fristen nach § 45 Abs. 3 S. 3 - 5 und Abs. 4 S. 2 überschritten sind, der Verwaltungsakt nicht rückwirkend aufgehoben oder abgeändert, muss dies mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Die Verweisung auf § 45 Abs. 3 S. 3 bedeutet lediglich, dass 10 Jahre nach der wesentlichen Änderung eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen ist, wenn sich das zu Ungunsten des Berechtigten auswirkt. Entsprechend der Regelung in § 45 Abs. 3 S. 4 kann der Verwaltungsakt, weil es sich beim Blindengeld um Geldleistungen handelt, in diesen Fällen der Pflichtverletzung auch nach dem Ablauf der 10-Jahresfrist rückwirkend zurückgenommen werden, wenn die Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens, in welchem über die Aufhebung entschieden wird, geleistet worden ist. War die 10-Jahresfrist am 15.04.1998 bereits abgelaufen, kann der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden (§ 45 Abs. 3 S. 5). Aus der Verweisung in § 48 Abs. 4 auf § 45 Abs. 4 S. 2 ergibt sich, dass die Behörde innerhalb eines Jahres, seit sie Kenntnis über die Tatsachen hat, entscheiden muss, ob die Aufhebung in den Fällen des § 48 Abs. 1 S. 2 rückwirkend erfolgen soll oder nicht.
Wenn diese Jahresfrist versäumt wird, ist eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft trotzdem möglich, ja sie muss, weil insoweit kein Ermessen besteht, erfolgen.
Dass in den Fällen, in welchen eine rückwirkende Aufhebung nicht mehr möglich ist, die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft erfolgen muss und die Leistung nicht nur gemäß § 48 Abs. 3 eingefroren wird, ergibt sich daraus, dass diese Bestimmung auf ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakte nicht anwendbar ist. § 48 Abs. 3 bezieht sich ausdrücklich auf rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand zu § 45. Der wesentliche Unterschied zu den Fällen des § 45 ist darin zu sehen, dass bei ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsakten die Behörde Gelegenheit hatte, im Verwaltungsverfahren die Rechtmäßigkeit zu prüfen. Das ist in den Fällen des § 48 Abs. 1 S. 2 nicht der Fall.
Beispielfälle: A. erfährt bei einer Untersuchung im Januar 1996, dass die Sehkraft auf dem besseren Auge 1/20 beträgt. Er wird vom Augenarzt auch darüber informiert, dass der Anspruch auf Blindengeld nicht mehr besteht.
Hier liegt der Fall des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 vor. Ab Januar 1996 wusste A., dass ihm der Anspruch nicht mehr zusteht. Selbst wenn hinsichtlich des früheren Zeitraums keine grobe Fahrlässigkeit bestand, kann nunmehr die Gewährung des Blindengeldes mit Wirkung vom 01.02.1996 aufgehoben werden.
Bei A., der im Januar 1996 mit Wirkung vom 01.01.1996 Blindengeld nach dem bayerischen Blindengeldgesetz erhielt, ergibt sich im Januar 1999 bei einer Untersuchung, dass das Sehvermögen sich gegenüber den damaligen Befunden (Sehvermögen 1/50) verbessert hat, und zwar auf 1/20. Medizinisch kann nicht abgeklärt werden, ob die dem Bescheid von 1996 zu Grunde liegenden Befunde unrichtig waren und damals das Sehvermögen schon mehr als 1/50 betrug, oder ob infolge von Therapiemaßnahmen, denen sich A. zwischenzeitlich unterzogen hat, eine Verbesserung des Sehvermögens eingetreten ist. In ersterem Fall wäre der Blindengeldbescheid von Anfang an rechtswidrig gewesen (Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Blindengeldgesetz). Im zweiten Fall wäre der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtmäßig gewesen.
Die Frage ist also, ob der Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 3 SGB X oder nach § 48 Abs. 1 aufzuheben ist. Selbst wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist hier, weil dies nicht nachgewiesen werden kann, § 48 Abs. 1 SGB X anzuwenden.
Bei der Aufhebung von ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakten infolge wesentlicher Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ist die Bindungswirkung der Statusfeststellungen der Versorgungsverwaltung nach §§ 68 und 69 SGB IX ebenfalls zu beachten. Vor der Änderung des Blindengeldbescheides muss die Änderung des Feststellungsbescheides durch die Versorgungsverwaltung erfolgen.
Wenn sich die tatsächlichen Voraussetzungen geändert haben, gilt für die Entziehung des Merkzeichens "Bl" das gleiche, was oben für die Aufhebung des Blindengeldbescheides gesagt worden ist. In der Praxis dürften sich deshalb hier keine Probleme ergeben.