Ausgleichsleistungen bei einer Sehschädigung werden im Versorgungsrecht namentlich für Kriegsopfer mit Rücksicht auf das erbrachte Sonderopfer und im Bereich der sozialen Unfallversicherung bzw. des Dienstunfallrechts für Beamte und Richter nach dem Beamtenversorgungsgesetz wegen der mit den versicherten Tätigkeiten verbundenen Gefahren gewährt. Im Versorgungs- oder Entschädigungsrecht steht der Gedanke des Schadensersatzes und der Wiedergutmachung im Vordergrund. Der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Dienstunfallrecht liegt der Gedanke der Haftpflicht des Unternehmers bzw. Dienstherrn für die aus der Tätigkeit erwachsenden Gefahren zu Grunde.

Die Erblindung oder der Sehverlust muss in all diesen Fällen durch das schädigende Ereignis verursacht sein. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der im Sozialrecht für diese Bereiche einheitlich herrschenden, von der Rechtsprechung entwickelten Theorie der wesentlichen Bedingung. Zwischen dem zum Schaden führenden Ereignis und der Schädigung muss haftungsbegründende und zwischen der Verletzung und dem Schaden haftungsausfüllende Kausalität bestehen. Sie unterscheidet sich von der im Strafrecht herrschenden Äquivalenztheorie, nach welcher die zum Schaden führende Handlung, z. B. bei einer Körperverletzung der Schlag, nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg entfiele (conditio sine qua non) und der im Schadensersatzrecht herrschenden Adäquanztheorie, wonach für die Haftung für einen Schaden ausgehend von der Äquivalenztheorie eine Einschränkung auf solche Ursachen erfolgt, die bei objektiver Betrachtung und den dem Schädiger bekannten Umständen generell geeignet sind, den Schaden herbeizuführen. Nach der sozialrechtlichen Kausalitätslehre genügt ein Ereignis, das für die daraus resultierenden Folgen eine wesentliche Bedingung setzt. Es muss sich somit nicht um die alleinige Bedingung handeln. Dadurch soll eine Abgrenzung zu reinen Gelegenheitsbedingungen erfolgen. Bei der Frage, was wesentliche Bedingung ist, handelt es sich um ein Werturteil. In diesem Bereich gibt es eine besonders umfangreiche Rechtsprechung. Ein großes Problem stellt hier die Behandlung des Vor- und Nachschadens und der mittelbaren Schädigungsfolgen dar. Wenn z. B. ein Betroffener bereits auf einem Auge blind ist und er erblindet auf dem anderen Auge durch einen Arbeitsunfall, stellt sich die Frage, ob trotz dieses "Vorschadens" die nunmehr eingetretene vollständige Erblindung als unfallbedingt anerkannt werden kann. Der schädigungsbedingte Verlust des zweiten Auges hat erst die Erblindung bewirkt. Das schädigende Ereignis ist dafür wesentliche Ursache (BSGE, Bd. 24, S. 275, 276).

Abweichend von den Fällen des Vorschadens wird der Nachschaden beurteilt. Ein Nachschaden liegt vor, wenn die Erblindung auf einem Auge durch einen Arbeitsunfall oder versorgungsrechtlichen Schadensfall eingetreten war und das andere Auge aus einem anderen Grund, z. B. einer Starerkrankung, erblindet ist. Dieses zweite Ereignis wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht mehr von der Ursächlichkeit für die Schädigung des ersten Auges als "wesentliche Bedingung" erfasst. "Mit dem Ende des schädigenden Vorgangs ist zugleich die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette abgeschlossen." Der spätere Verlust des zweiten Auges liege "außerhalb der rechtserheblichen Einflusssphäre des entschädigungspflichtigen". Das BSG hat an dieser Rechtsprechung trotz der Kritik im Schrifttum festgehalten. Der für die Unfallversicherung zuständige Senat hat sich der zur Kriegsopferversorgung ergangenen ständigen Rechtsprechung angeschlossen. Für das Dienstunfallrecht der Beamten hat das Bundesverwaltungsgericht die gleiche Auffassung vertreten. Vgl. BSGE, Bd. 41, S. 70; BSGE, Bd. 41, S. 70; BSGE, Bd. 17, S. 99; Bd. 17, S. 144; Bd. 19, S. 201; Bd. 23, S. 188; Bd. 27, S. 142 (145); Bd. 41, S. 70; BSGE, Bd. 43, S. 208 = SozR 2200, § 581 Nr. 10; BVerwGE, Bd. 32, S. 110 (116).

Trotz dieser Rechtsprechung wird jedoch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Fälle des Nachschadens eine Erhöhung der MdE wegen beruflichen Schadens, Berufsschadensausgleich und Pflegezulage nach § 35 BVG bzw. in der Unfallversicherung Hilfe zur Pflege nach § 44 SGB VII anerkannt. In dieser Beziehung wird der Nachschaden als ein Zwischenglied in der zur Hilflosigkeit oder zum beruflichen Einkommensausfall führenden Kausalreihe als wesentliche Bedingung bejaht. Die Folge ist: Auch soweit die Blindheit auf einem Nachschaden beruht, erhält der Betroffene zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen oder Nachteile andere Leistungen nach dem BVG bzw. nach dem SGB VII, also gegenüber dem Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen oder § 72 SGB XII vorrangige Leistungen. Vgl. dazu: BSGE, Bd. 41, S. 80 = SozR 3100, § 35 Nr. 2; BSGE, Bd. 48, S. 225 = SozR 3100, § 35 Nr. 11; BSG, Urteil vom 20.05.1992 - 9a RV 24/91 - = SozR 3-3642, § 8 Nr. 3; BSG, Urteil vom 10.05.1994 - 9 RV 14/93 -. = SozR 3-3100 § 30 Nr. 10.

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