Mit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Deutschland als Staat verpflichtet, die Regelschule für alle behinderten Kinder zugänglich zu machen und dort die Voraussetzungen für eine inklusive Beschulung zu schaffen. Diese Verpflichtung allein bedeutet aber noch nicht, dass für das konkret betroffene Kind ein insoweit einklagbarer Rechtsanspruch besteht; diese Frage hängt vielmehr vom jeweiligen Landesrecht ab. Nach Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz (GG) steht das gesamte Schulwesen "unter der Aufsicht des Staates." Nach Art. 30 GG ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben "Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt." Die Zuständigkeit der Länder für die Schulgesetzgebung ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Danach haben die Länder "das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht."

Bei der Auslegung und Anwendung der Landesgesetze müssen die Länder die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) beachten.

Die BRK vom 13. Dezember 2006 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der seit 26. März 2009 in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht ist. Damit die BRK wirksam werden kann, muss sie durch die Gesetzgebung umgesetzt werden, soweit nicht völkerrechtliche Grundsätze unmittelbar gelten. Sie muss aber bei der Auslegung und Anwendung des geltenden Rechts in jedem Fall berücksichtigt werden.

Für das Recht auf Bildung ohne Diskriminierung mit dem Ziel, Chancengleichheit zu erreichen ergibt sich aus Art. 24 BRK für die Vertragsstaaten die Verpflichtung, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu gewährleisten. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Kinder mit Behinderungen dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom kostenlosen und verpflichtenden Besuch von Grund- und weiterführenden Schulen ausgeschlossen werden. Menschen mit Behinderungen müssen gleichberechtigt mit anderen Zugang zu inklusiver, hochwertiger, kostenloser Grundschul- und weiterführender Bildung in den Gemeinden, in denen sie leben, erhalten.

Das besagt aber nicht, dass spezielle Bildungseinrichtungen, wie die Blinden-und Sehbehindertenschulen in diesem Bildungssystem nicht mehr sinnvoll und möglich sind. Das ergibt sich aus Art. 24 Art. 3 BRK. Dieser lautet:

"3. Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen lebenspraktische Fertigkeiten und Fähigkeiten zur sozialen Entwicklung erlernen, um ihnen eine volle und gleiche Teilhabe an der Bildung und als Angehörige der Gemeinschaft zu ermöglichen. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, um u.a.:

  1. das Erlernen von Braille, alternativer Schrift, verstärkenden und alternativen Kommunikationsformen, -mitteln und -formaten, von Orientierungs- und Mobilitätsfertigkeiten sowie Unterstützung und Mentoring durch Angehörige der Peergruppe zu ermöglichen;
  2. das Erlernen der Gebärdensprache sowie die Förderung der sprachlichen Identität der Gemeinschaft der Gehörlosen zu ermöglichen;
  3. sicherzustellen, dass die Erziehung von Personen, insbesondere Kindern, die blind, gehörlos oder blind/gehörlos sind, in den für den einzelnen am besten geeigneten Sprachen und Kommunikationsformen und -mitteln sowie in einem Umfeld erfolgt, das die größtmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet."

Für die Entscheidung, welcher Lernort für das einzelne blinde oder sehbehinderte Kind der richtige ist, muss vom Kindeswohl ausgegangen werden. Sichergestellt muss sein, dass es die erforderlichen Unterweisungen in lebenspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, eine gute Mobilitätsschulungh erhält und insbesondere in den erforderlichen Kulturtechniken z.B. erlernen der Brailleschrift, Erwerb einer guten Lesefähigkeit in Brailleschrift und Umgang mit speziellen Hilfsmitteln geschult wird. Bedacht muss werden, dass bei der Vermittlung des Unterrichtsstoffes die visuelle Wahrnehmung ausscheidet, so dass für die Veranschaulichung andere Methoden eingesetzt werden müssen.

In Deutschland wird der Anspruch behinderter Schüler auf inklusive Schulbildung im Sinn von Art. 24 BRK durch das Schulrecht der einzelnen Bundesländer näher ausgestaltet. Wie die inklusive Beschulung im Einzelfall tatsächlich verwirklicht ist, d. h. insbesondere welche Unterstützung blinden und sehbehinderten Schülern tatsächlich angeboten wird, ist in den einzelnen Bundesländern aktuell höchst unterschiedlich ausgestaltet und für die Betroffenen nicht immer befriedigend. Häufig liegt die Problematik weniger darin begründet, dass es an rechtlichen Regelungen fehlen würde, als darin, dass sich zahlreiche praktische Hürden ergeben. Dazu gehören die häufig undurchsichtige Aufgabenverteilung der einzelnen Kostenträger, die die erforderliche zusätzliche Unterstützung erbringen, lange und oft zermürbende Rechtsstreitigkeiten mit Kostenträgern über die Auslegung des Rechts, eine unzureichende Anzahl an Sonderpädagogen mit dem Förderschwerpunkt "Sehen" sowie nicht zuletzt noch immer zahlreiche Vorurteile und mangelnde Kooperationsbereitschaft der an der Förderung des Kindes Beteiligten.

Sofern die Beschulung an der Regelschule am Wohnort erfolgen soll, muss sichergestellt werden, dass mobile sonderpädagogische Dienste vorhanden sind und durch deren Blinden- und Sehbehindertenpädagogen die sonderpädagogische Förderung im erforderlichen Umfang erfolgt.

Auch die speziellen Bildungseinrichtungen für behinderte Kinder sind den sich aus der BRK ergebenden Zielen, Kinder zu einem gleichberechtigten und selbstbestimmten Leben zu erziehen und zu befähigen, verpflichtet.

Es kann durchaus sinnvoll sein, im Laufe der Schullaufbahn zeitweise zwischen der "allgemeinen Schule" am Wohnort und einer "Spezialeinrichtung" zu wechseln. Es ist allerdings zu beobachten, dass für einen späteren Wechsel von der Regelschule auf eine Sonderschule sehr schwerwiegende pädagogische oder gesundheitliche Gründe vorliegen müssen.

Auf die einzelnen Schulgesetze der Länder kann hier zwar nicht eingegangen werden. Einige Hinweise sind aber möglich:

In den Landesschulgesetzen ist durchweg geregelt, dass behinderte Kinder vorrangig die Regelschule am Wohnort besuchen sollen, soweit sie den gestellten Anforderungen gerecht werden können und in der Lage sind, am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule aktiv teilzunehmen und die Aufwendungen für den Schulaufwandsträger nicht unverhältnismäßig hoch sind. Die Schulgesetze sehen für Fälle, in denen dem sonderpädagogischen Förderbedarf in der Regelschule nicht entsprochen werden kann, aber auch Schulen für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf vor. Sie werden als Förderzentrum, Förderschule oder Schule mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt bezeichnet und sind in den Gesetzen ihrer Zielgruppe entsprechend aufgelistet. Genannt werden u.A.: Schulen für Blinde, Sehbehinderte, Hörbehinderte, Taubblinde, Körperbehinderte und Geistigbehinderte. Andere Bezeichnungen sind: Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen (Blinde und Sehbehinderte), dem Förderschwerpunkt Hören, dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung usw.

In den Schulgesetzen wird weiter das Verfahren geregelt, in welchem von der Schulaufsichtsbehörde entschieden wird, ob die Beschulung an der Regelschule oder an der für das betreffende Kind geeigneten Sonderschule erfolgen soll. Vor der Entscheidung sind von der Schulaufsichtsbehörde in der Regel die Zustimmung des Schulträgers, ein sonderpädagogisches Gutachten sowie ein Gutachten des Gesundheitsamtes einzuholen. Geregelt wird in den Landesschulgesetzen auch, in welcher Weise die Erziehungsberechtigten oder volljährigen Schüler einzubeziehen sind, ob sie ein Wahlrecht oder ein Antragsrecht haben, ob die Entscheidung im Einvernehmen mit ihnen getroffen wird oder sie nur gehört werden müssen. Auf jeden Fall aber können sich die Erziehungsberechtigten auf die sich aus Artikel 24 BRK ergebenden Mitwirkungsrechte berufen. Sie sollten auch unbedingt vor jeder Entscheidung eine eingehende, möglichst unabhängige Beratung in Anspruch nehmen.

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