Rechtsquellen für die hier zu behandelnden Ansprüche sind: die Landesblindengeldgesetze (siehe dazu die Übersicht unter 2.2.) und - soweit es um die nachrangige Blindenhilfe geht - der § 72 SGB XII. Nachfolgend wird unter 5.1 ihre rechtssystematische Einordnung vorgenommen. Sodann werden unter 5.2 und den Unterabschnitten die Tatbestandsmerkmale des Blindengeld- oder Blindenhilfeanspruchs im Einzelnen behandelt und verglichen. Hinzuweisen ist zum Verständnis auch auf die Ausführungen unter 2.2. "Leistungen in den übrigen Fällen nach dem SGB XII und den Landesblindengeldgesetzen".
Die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII und die Landesblindengeldgesetze stehen in enger Beziehung zueinander. Wegen des im Sozialhilferecht nach § 2 SGB XII bestehenden Nachrangprinzips kommt Blindenhilfe nach § 72 SGB XII nur in soweit in Frage, als der Betroffene die erforderliche Leistung nicht von einem anderen Sozialleistungsträger erhält. Wer Leistungen nach einem Landesblindengeldgesetz bekommt, hat deshalb im Umfang dieser Leistungen keinen Anspruch auf Blindenhilfe. Da die Leistungen nach den Landesblindengeldgesetzen in aller Regel niedriger als die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII sind, besteht insoweit ein Anspruch auf den Differenzbetrag als ergänzende Blindenhilfe. Dieser Anspruch ist jedoch wiederum auf Grund des Subsidiaritätsprinzips (§ 2 SGB XII) ausgeschlossen, wenn das Einkommen oder Vermögen über den Einkommensgrenzen (SGB XII §§ 85 ff.) oder Vermögensgrenzen (SGB XII §§ 90 ff.) liegt.
Die rechtssystematische Einordnung der Blindengeldgesetze ist für die Auslegung der Rechtsnormen und für die Anwendung der richtigen Rechtsprinzipien maßgeblich.
Bei der Blindenhilfe handelt es sich schon nach dem formalen Sozialrechtsbegriff um Sozialrecht; denn das SGB XII, das das Sozialhilferecht enthält, ist Bestandteil des Sozialgesetzbuches.
Aber auch die Landesblindengeldgesetze sind sozialrecht, zwar nicht nach dem formellen Sozialrechtsbegriff, aber sehr wohl nach dem materiellrechtlichen Sozialrechtsbegriff (auch als funktioneller Sozialrechtsbegriff bezeichnet). Sie haben eine eindeutig sozialrechtliche Ausrichtung, weil sie einen Ausgleich für auf der Blindheit beruhende Nachteile und damit dem Ausgleich von Belastungen des Lebens zum Ziel haben und der freien Entfaltung der Persönlichkeit dienen (vgl. dazu § 1 SGB I). Die Landesblindengeldgesetze mit Ausnahme derjenigen von Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen erklären überdies das SGB I (allgemeiner Teil) und X (Verfahrensrecht) für entsprechend anwendbar.
Die Landesblindengeldgesetze sind innerhalb der Bereiche des Sozialrechts - Recht der sozialen Versicherung, der sozialen Entschädigung, der sozialen Fürsorge und der sozialen Förderung - der sozialen Förderung zuzurechnen. Als Leistungen der sozialen Förderung werden solche verstanden, welche dem Ausgleich unverschuldeter, die Chancengleichheit beeinträchtigender Einbußen dienen. Die Leistungen der sozialen Förderung sind rein "sozialstaatlich motiviert". Sie sind vorleistungsunabhängig. Ihnen liegt auch kein einen Entschädigungsanspruch auslösendes Sonderopfer zu Grunde. Deshalb sind sie final ausgestaltet. Typisch für die Maßnahmen der sozialen Förderung ist, dass der Ausgleich sozialer Defizite erstrebt und gesellschaftspolitisch steuernd eingegriffen wird, ohne dass individuelle Bedürftigkeit gegeben sein muss.