Das Vorliegen einer Behinderung sowie der Grad der Behinderung wird nur auf Antrag des Betroffenen festgestellt (§ 69 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Die Vorschrift regelt das Verfahren zur Feststellung der Behinderung. Zuständig sind die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden (Versorgungsämter). Die Zuständigkeit kann durch Landesgesetz abweichend geregelt werden (§ 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX).

Wenn Erwerbstätige die Anerkennung als Schwerbehinderte im Sinn von § 2 Abs. 2 SGB IX beantragen (MdS von 50), muss wegen der im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Fragen, wie dem Zusatzurlaub oder dem besonderen Kündigungsschutz, über den Antrag innerhalb der Fristen von § 14 Abs. 2 S. 2 und 4 sowie Abs. 5 S. 2 und 5 SGB IX, also längstens innerhalb von sieben Wochen, entschieden werden (§ 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX).

Von anderen Behörden, z.B. den Sozialhilfebehörden kann im Wege der Mitwirkungspflicht (§§ 60 ff. SGB I) die Stellung eines solchen Antrags verlangt werden, um durch die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen Sozialhilfeleistungen zu ersparen.

Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden als Grad der Behinderung (GdS) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von insgesamt wenigstens 20 vorliegt (SGB 9 § 69 Abs. 1 S. 3 SGB IX).

Diese Feststellung setzt medizinische Beurteilungen voraus. Diese hängen von Ärzten, medizinischen Sachverständigen und Gutachtern ab. Für die anzuwendenden Maßstäbe verweist § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX auf § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und die auf Grund des § 30 Abs. 17 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung, also auf die Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Die Beurteilung richtet sich damit nach der Anlage zu § 2 Vers.MedV. Das sind die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (dazu vgl. oben Nr. 2 mit Unterpunkten, insbesondere 2.1 und 2.6).

Ab einem Grad der Behinderung von 50 wird auf Antrag ein Behindertenausweis ausgestellt (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Die Beantragung ist zu empfehlen; denn der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 des SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 69 Abs. 5 S. 2 SGB IX).

Die Statusentscheidung des Versorgungsamtes oder der nach Landesrecht sonst zuständigen Behörde erspart wegen ihrer Bindungswirkung Feststellungen durch andere Behörden. Über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch hat nämlich an erster Stelle und im Zweifel das Versorgungsamt oder die nach Landesrecht zuständige Behörde zu entscheiden. Deren Statusentscheidungen erstrecken sich nicht nur auf den Grad der Behinderung, sondern auch auf die gesundheitlichen Merkmale für Nachteilsausgleiche (§ 69 Abs. 1, 4 und 5 SGB IX). Sie sind für andere Verwaltungsbehörden bindend, sofern der nach einem anderen Gesetz zu beurteilende Tatbestand von inhaltsgleichen Voraussetzungen abhängt. Vgl. dazu die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - 5 C 48/88 -, BVerwGE 90, 65-72 mit zahlreichen Hinweisen auf einschlägige Rechtsprechung, insbes. BVerwGE 66,315 [320]; BSGE 52,168 [174]; BSG SozR 3100 § 35 Nr. 16; u.a. BFHE 164,198 (200]). Das Versorgungsamt hatte durch Bescheid eine Blindheit mit einer GdB (seinerzeit noch MdE) von 100 und dem Merkzeichen "Bl" anerkannt. Nunmehr ging es um den Anspruch auf ein landesrechtliches Blindenpflegegeld. In diesem Verfahren konnte jedoch aus medizinischen Gründen eine Blindheit nicht festgestellt werden. Deshalb wurde der Antrag auf Blindengeld abgelehnt. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Argument, dass die Feststellung des Versorgungsamtes für die Blindengeldstelle bindend sei. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihr recht. Ausschlaggebend war, dass im Schwerbehindertengesetz und in dem für den Rechtsstreit maßgebenden Blindengeldgesetz der gleiche Blindheitsbegriff galt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das BVerwG im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG und des BFH festgestellt, dass es nach dem Sinn und Zweck der Statusentscheidung den Schwerbehinderten erspart bleiben soll, stets wieder aufs Neue ihre Behinderung und die damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen untersuchen und beurteilen lassen zu müssen. Dieses Ziel wird durch die Konzentration der Statusentscheidungen bei den Versorgungsbehörden und durch eine umfassende Nachweisfunktion des von diesen ausgestellten Ausweises erreicht.

Hat umgekehrt eine andere Stelle, z. B. eine Berufsgenossenschaft bereits in einem Verwaltungsbescheid oder ein Sozialgericht in einem Urteil eine Behinderung und den Grad einer auf ihr beruhenden Erwerbsminderung, also die MdE, festgestellt, bedarf es grundsätzlich keiner zusätzlichen Entscheidung des Versorgungsamtes (§ 69 Abs. 2 SGB IX). Sie wird nur dann notwendig, wenn die andere Stelle nicht die gesamte Behinderung berücksichtigen konnte und der Behinderte ein Interesse an einer Feststellung durch die Versorgungsverwaltung glaubhaft macht (§ 69 Abs. 2 SGB IX). Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn Behinderungen vorliegen, die in einem Bescheid des Unfallversicherungsträgers nicht berücksichtigt wurden und über die in dem Becheid festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit hinausgehen, so dass sie bei der Bewertung des Grades der Behinderung zu einem höheren Wert führen können.

Für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen erkennt demgemäß das Versorgungsamt Rentenbescheide, Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen ohne weiteres an, in anderen Fällen überprüft es die vorgelegten ärztlichen Befunde anhand der Versorgungsmedizinischen Grundsätze bzw. veranlasst eine ärztliche Begutachtung.

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