Für die Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen und ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in unserer Rechtsordnung ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) von großer Bedeutung.

Grundlage sind zwei Völkerrechtsverträge, nämlich die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung "Behindertenrechtskonvention" (UN-BRK) und das Fakultativprotokoll, beide vom 13. Dezember 2006. Sie wurden vom Deutschen Bundestag am 24. Februar 2009 ratifiziert und sind seit 26. März 2009 in Deutschland geltendes Recht.

Nach Art. 1 Satz 1 UN-BRK ist ihr Ziel, "den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern".

Tragende Grundsätze der BRK sind die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gemeinschaft und die Achtung IHRER Würde. Diese Grundsätze finden in Art. 3 UN-BRK Ausdruck.

Dem Ziel, behinderten Menschen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, dient das Prinzip der Inklusion, das die gesamte BRK prägt. Das Lebensumfeld soll so gestaltet sein, dass es für alle Menschen geeignet ist. Voraussetzungen dafür sind die barrierefreie Zugänglichkeit der physischen Umwelt, der Transportmittel und der Information und Kommunikation sowie die Bereitstellung erforderlicher Hilfsmittel, Assistenzleistungen und Hilfsdienste (Art. 9 BRK). Dem Abbau von Barrieren und damit der Inklusion dienen auch Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung für die belange behinderter Menschen (Art. 8 BRK). Das Übereinkommen verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen (Art. 5 BRK).

Damit ein behinderter Mensch in einer inklusiv gestalteten Umwelt ein selbstbestimmtes und möglichst eigenständiges Leben führen kann, muss er dazu befähigt werden, z.B. durch Mobilitätsschulung, Unterweisung in lebenspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, in der Brailleschrift, in Kommunikationstechniken und im Gebrauch von Hilfsmitteln. Dem dienen Bildung, lebenslanges Lernen (Art. 24 BRK) sowie Habilitation und Rehabilitation (Art. 26 BRK).

Die UN-BRK ist als geltendes Recht zu beachten. Verpflichtet zur Umsetzung sind gem. Art. 4 UN-BRK die Vertragsstaaten, und zwar einschließlich ihrer Untergliederungen und damit auch die Länder und Kommunen (Art. 4 Abs. 5 UN-BRK).

Damit die UN-BRK wirksam werden kann, muss sie durch die Gesetzgebung umgesetzt werden, soweit nicht völkerrechtliche Grundsätze unmittelbar gelten. Auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Umsetzung muss sie beim Erlass von Gesetzen berücksichtigt werden.

Wie die BRK umzusetzen ist, hat der gemäß Art. 34 UN-BRK von der UN eingesetzte Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung im Hinblick auf die Forderung nach Zugänglichkeit (Art. 9 BRK) in einem "General Comment" konkret beschrieben. Erforderlich sind kurz gefasst:

Erlass und Überwachung von nationalen Standards, deren Verbindlichkeit aufgrund gesetzlicher Spezialnormen, Beteiligung der betroffenen behinderten Menschen und ihrer Organisationen, Androhung von Sanktionen bei Nichtbefolgung. Behinderte Menschen, denen die Zugänglichkeit verwehrt wird, müssen sich auf dem innerstaatlichen Rechtsweg dagegen wehren können. Die UN-BRK als solche eröffnet selbst nicht einen solchen innerstaatlichen Rechtsweg. Wenn der Betroffene mit allem ihm zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfen sich gegen die Rechtsverletzung vergeblich gewehrt hat, können die Betroffenen sich direkt an den genannten UN-Ausschuss wenden, welcher dann den Fall begutachtet und Lösungsvorschläge unterbreitet. Einzelheiten sind im Fakultativprotokoll zur BRK geregelt.

Die UN-BRK muss auch zur Auslegung des geltenden Rechts herangezogen werden. Da es sich bei ihr um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, muss die Auslegung völkerrechtskonform erfolgen (Art. 25 GG).

Insbesondere die Beachtung der nach dem Völkerrecht unmittelbar wirksamen Menschenrechte, das Diskriminierungsverbot und das Inklusionsprinzip müssen von den Gerichten bei der Rechtsfindung beachtet werden. Diese Auffassung hat sich im Gegensatz zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche stets eine Transformation der BRK in deutsches Recht verlangt, in der Sozialgerichtsbarkeit durchgesetzt (Vgl. dazu näher Aichele, Institut für Menschenrechte, Monitoring-Stelle, "Die UN-Behindertenrechtskonvention in der Rechtsprechung" in Anwbl 2011, 727). Dass menschenrechtliche Normen selbst als Auslegungshilfe für die Grundrechte des Grundgesetzes dienen, hat das BVerfG mit dem Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 - nunmehr ausdrücklich bestätigt.

In den einzelnen Heften der Schriftenreihe werden wir jeweils auf die UN-BRK eingehen.

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