Für Blinde Menschen, die keine Ansprüche nach den unter 2.1, 2.1.1 und 2.1.2 angeführten speziellen und damit vorrangigen Versorgungs- bzw. Entschädigungssystemen haben, hat sich ein einzigartiges System, bestehend aus den Landesblindengeldgesetzen und der - ergänzenden - Blindenhilfe nach § 72 SGB XII, entwickelt. Für die meisten blinden Menschen sind die Leistungen nach diesen Gesetzen maßgebend. Deshalb werden sie in diesem Heft vorwiegend behandelt. Dass dieses besondere System von Blindengeldgesetzen entstanden ist und kein alleiniges Bundesgesetz besteht, hängt mit dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik und den damit zusammenhängenden Gesetzgebungskompetenzen sowie der historischen Entwicklung zusammen. Vgl. dazu näher 3.2.2.1 und 3.2.2.2.

Landesblindengeldgesetze bestehen in allen Ländern. Es sind dies:

  • Baden-Württemberg: Gesetz über die Landesblindenhilfe vom 08.02.1972 (GBl. S. 56), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469),
  • Bayern: Bayerisches Blindengeldgesetz vom 07.04.1995 (GVBl. S. 150), geändert durch Gesetz vom 24.3.2004 (GVBl. S. 84),
  • Berlin: Landespflegegeldgesetz vom 17.12.2003 (GVBl S. 606),
  • Brandenburg: Gesetz über die Leistung von Pflegegeld an Schwerbehinderte vom 17.12.1996 (GVBl. S.358), geändert durch Gesetz vom 22.4.2003 (GVBl. I. S. 119),
  • Bremen: Bremisches Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Blinde und Schwerstbehinderte i.d.F. vom 27.04.1984 (Brem. GBl. S.111), geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (Brem. GBl. S. 413),
  • Hamburg: Gesetz über die Gewährung von Blindengeld vom 19.2.1971 (Hamb. GVBl. S.29), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.9.2008 - Hamb. GVBl S.328),
  • Hessen: Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde vom 25.10.1977 (GVBl. I S.414), geändert durch Gesetz vom 20.12.2004 (GVBl. 488),
  • Mecklenburg-Vorpommern: Gesetz über die Gewährung von Landesblindengeld vom 12.3.2009 (GS S.278),
  • Niedersachsen: Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde vom 18.1.1993 (GVBl. S.25), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.3.2009 (GVBl S. 115),
  • Nordrhein-Westfalen: Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose, Art. 5 des Gesetzes vom 25.11.1997 (GVBl. S. 430), geändert durch Gesetz vom 5.4.2005 (GVBl. S.332),
  • Rheinland-Pfalz: Landesblindengeldgesetz (Art. 2 des Landesgesetzes zur Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 28.3.1995 GVBl. S.55), geändert am 10.4.2003 (GVBl. S. 55),
  • Saarland: Gesetz in der Fassung vom 19.12.1995 (Amtsbl S. 58, geändert durch Gesetz vom 21.6.2006 (Amtsbl S. 930),
  • Sachsen: Gesetz über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche vom 14.12.2001 (GVBl. S.714), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.7.2005 (GVBl S. 175),
  • Sachsen-Anhalt: Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt vom 19.6.1992 (GVBl. S.565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.2.2003 (GVBl. S. 22),
  • Schleswig-Holstein: Gesetz über Landesblindengeld i.d.F. der Bekanntmachung vom 12.05.1997 (GVOBl.S.313), geändert am 15.12.2005 (GVOBl S.568) und
  • Thüringen: Thüringer Gesetz über das Blindengeld in der Fassung vom 5.2.2009 (GVBl S. 37).

Nach den Landesblindengeldgesetzen erhalten blinde Menschen und in einigen Bundesländern auch hochgradig sehbehinderte Menschen unabhängig von Einkommen und Vermögen zum Ausgleich der blindheitsbedingten Nachteile und Mehraufwendungen ein Blindengeld. Nachrangig wird für denselben Zweck nach § 72 SGB XII Blindenhilfe in den Fällen gewährt, in welchen kein Anspruch auf ein Landesblindengeld besteht bzw. dieses niedriger als die Blindenhilfe ist.

Von der Sozialhilfe unterscheidet sich das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen dadurch, dass es nicht von wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit abhängig ist und vorrangig gewährt wird. Zwar dient das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen ebenso wie die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII als Sozialhilfeleistung der Führung eines menschenwürdigen Lebens (§ 1 SGB XII). Sozialhilfe erhält nach § 2 SGB XII aber nicht, "wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält." Das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen wird ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen gewährt. Der Grund dafür liegt darin, dass der Hilfebedarf stets auch unabhängig von der wirtschaftlichen Situation besteht und Chancengleichheit mit Menschen ohne Sehverlust gewährleistet werden soll. Es handelt sich um eine Leistung der sozialen Förderung. Dazu vgl. 4.1.

Während der Blindheitsbegriff in allen Landesgesetzen und auch in § 72 SGB XII übereinstimmend definiert wird, ergeben sich bei den übrigen Regelungen erhebliche Unterschiede. Insbesondere die Höhe der Leistung weicht stark voneinander ab. Eine aktuelle Übersicht über die Leistungen wird jährlich vom DBSV herausgegeben.

Insgesamt liegen die Leistungen nach allen Landesblindengeldgesetzen unter, ja größtenteils weit unter dem Satz der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII.

In den meisten Ländern ist keine Dynamisierung der Beträge vorgesehen.

Die Blindenhilfe nach § 72 Abs. 2 S. 1 SGB XII beträgt für volljährige blinde Menschen 608,96 Euro, für minderjährige 297,82 Euro monatlich (Stand Juli 2009). Die Leistung ist jedoch von Einkommens- und Vermögensgrenzen abhängig. Die Blindenhilfe ist dynamisiert. Die Anpassung erfolgt nach § 72 Abs. 2 S. 2 SGB XII gemäß der Veränderung des aktuellen Rentenwerts.

Blinde, deren Einkommen und Vermögen die im SGB XII vorgesehenen Grenzen nicht übersteigt, können die Differenz zwischen dem Landesblindengeld und der Blindenhilfe als "ergänzende Blindenhilfe" beanspruchen.

Die Entwicklung des Blindengeldrechts ist sehr bewegt verlaufen und wohl noch zu keinem Abschluss gekommen. Sie wird im nächsten Abschnitt dargestellt.

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