Bevor eine letztwillige Verfügung getroffen wird, ist als erstes stets zu überlegen, ob die gesetzliche Erbfolge zur gewünschten Lösung führt.

Wenn keine oder eine ungültige letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorhanden ist, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Gesetzliche Erben sind Verwandte des Erblassers, die Ehegatten und wenn weder Verwandte noch Ehegatten zum Zeitpunkt des Todes vorhanden sind, der Staat. Die Vererbung erfolgt unter Verwandten nach Ordnungen und Stämmen. Abkömmlinge, also Kinder, Enkel usw. sind gesetzliche Erben der ersten Ordnung (§ 1924 BGB). Kinder erben zu gleichen Teilen. Ist ein Kind beim Erbfall bereits verstorben, treten an seine Stelle seine Kinder zu gleichen Teilen (Erbfolge nach Stämmen).

Verstirbt ein Elternteil und haben die Eltern im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt (das ist die Regel), erbt der überlebende Elternteil neben den Kindern die Hälfte (§§ 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB). Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten beträgt nach § 1931 Abs. 1 BGB nämlich neben Erben der ersten Ordnung ein Viertel. Dieser Erbanteil erhöht sich im Falle des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft nach § 1371 Abs. 1 BGB um ein Viertel, also auf ein Halb.

Damit unsere Ausführungen leichter verständlich und anschaulich werden, gehen wir von folgenden Ausgangsfällen aus:

Fall 1: Ein Ehepaar hat ein Kind (B), das schwerstbehindert ist

Zum Vermögen der Eltern gehört ein Einfamilienhaus (angenommener Wert 200.000,00 Euro) und Sparvermögen von 100.000,00 Euro. Das Gesamtvermögen der Eltern beträgt somit 300.000,00 Euro. Es muss erwartet werden, dass das schwerbehinderte Kind im Erwachsenenalter in einer Spezialeinrichtung betreut wird. Die Kostensätze für derartige Einrichtungen sind so hoch, dass sie zumindest teilweise aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden müssen.

Fall 2: Das Ehepaar hat ein nichtbehindertes Kind (A) und ein schwerstbehindertes Kind (B). 

Die Vermögensverhältnisse sind im Übrigen gleich wie im Fall 1.

In unseren Ausgangsfällen wirkt sich die gesetzliche Erbfolge folgendermaßen aus:

Zu Fall 1:

Die Eltern haben ein schwerstbehindertes Kind:

Wenn die Eltern z.B. durch einen Unfall gleichzeitig versterben, wird das schwerstbehinderte Kind Alleinerbe. Nach den §§ 82 ff. SGB XII müssen die Erträgnisse der Erbschaft zur Bestreitung der für die notwendige Hilfe entstehenden Kosten eingesetzt werden. Die Freibeträge nach §§ 85 und 86 SGB XII können abgezogen werden. Solche Erträgnisse könnten hier durch die Vermietung des Hauses und durch Zinseinnahmen entstehen. Reichen die Einnahmen nicht aus, muss auch das Vermögen eingesetzt werden. In § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII sind Vermögenswerte genannt, die der Sozialhilfeträger nicht verwerten darf. Man spricht vom "Schonvermögen".

Dazu gehören u. a.: ein angemessener Hausrat (§ 90 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII), Gegenstände, die der geistigen Betätigung dienen, wie Phonogeräte, Tonträger und Bücher (§ 90 Abs. 2 Nr. 7 SGB XII), ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Hilfesuchenden oder Angehörigen bewohnt wird (§ 90 Abs. 2 Nr. 8 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII) bzw. Sparbeträge, die nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines entsprechenden Hausgrundstückes bestimmt sind (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, als Hausgrundstück gilt selbstverständlich auch eine Eigentumswohnung) sowie kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Die Höhe dieser Beträge wird gemäß § 96 Abs. 2 SGB XII durch eine Rechtsverordnung festgesetzt.

Der kleine Barbetrag beläuft sich derzeit bei der Hilfe zum Lebensunterhalt auf 1.279,00 Euro, jedoch auf 2.301,00 Euro bei Hilfesuchenden, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, sowie bei voll Erwerbsgeminderten im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung und den diesem Personenkreis vergleichbaren Invalidenrentnern (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII), bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen im Regelfall auf 2.301,00 Euro (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Dazu kommen gegebenenfalls noch Familienzuschläge.

Würde das behinderte Kind z.B. in dem vorhandenen Haus wohnen und dort betreut werden, so fiele dieses unter das Schonvermögen.

Lebt das behinderte Kind im Wohnheim, so müsste sein ganzer Erbanteil, bis auf das Schonvermögen in Höhe von 2.301,00 Euro, eingesetzt werden.

Ein Elternteil verstirbt: Das behinderte Kind und der überlebende Elternteil werden Erben zu je 1/2. Für den Einsatz des Einkommens und des Vermögens gilt das oben Ausgeführte. Einkommen und Vermögen des behinderten Kindes müssen eingesetzt werden. Wohnt z.B. der überlebende Elternteil allein in dem Haus, so besteht die Gefahr, dass vom Sozialhilfeträger Erbauseinandersetzung verlangt wird. Das könnte dazu führen, dass wegen des Miteigentumsanteils des behinderten Kindes das Hausgrundstück veräußert oder mit Hypotheken belastet werden muss.

Zu Fall 2:

Die Eltern haben ein nichtbehindertes und ein behindertes Kind:

Sterben beide Eltern gleichzeitig, so sind die beiden Kinder Erben zu gleichen Teilen (§ 1924 Abs. 4 BGB). Sie sind also Miteigentümer des Hauses und des Barvermögens. Für den Einsatz des Einkommens und Vermögens des behinderten Kindes gilt das oben Ausgeführte. Das nichtbehinderte Kind ist gegenüber dem behinderten nicht unterhaltspflichtig. Auf sein Einkommen und Vermögen kann nicht zurückgegriffen werden. Wenn das Haus nicht vom behinderten Kind bewohnt wird, weil es z.B. in einem Heim untergebracht wird, muss es auch seinen Miteigentumsanteil einsetzen. Das kann dazu führen, dass die Erbengemeinschaft aufgelöst und das Haus verkauft werden muss.

Ein Elternteil verstirbt: Der überlebende Elternteil wird Erbe zu 1/2, die beiden Kinder je zu 1/4. Geht man davon aus, dass jedem der Ehegatten ein halber Miteigentumsanteil am Grundstück gehörte, womit diese Hälfte nicht in den Nachlass fällt, so hat das in unserem Beispielsfall zur Folge, dass der überlebende Ehegatte am Haus zu 3/4, die Kinder je zu 1/8 beteiligt sind. Fiel auch von dem vorhandenen Barvermögen von 100.000,00 Euro nur die Hälfte in den Nachlass, so beläuft sich der Anteil der beiden Kinder je auf 12.500,00 Euro. Wird das behinderte Kind in einem Wohnheim betreut, müssten wegen der Schongrenze von 2.301,00 Euro 10.199,00 Euro eingesetzt werden. Wenn das Haus nicht zum Schonvermögen gehört, weil es z.B. vom überlebenden Elternteil und den Kindern nicht selbst bewohnt wird, besteht die Gefahr, dass es verkauft werden muss, weil der Miteigentumsanteil des behinderten Kindes dann ebenfalls zur Deckung der Kosten durch den Sozialhilfeträger herangezogen werden kann.

Eine wesentliche Änderung zu Gunsten Behinderter, die auf Leistungen der Eingliederungshilfe, also auch auf die Beschäftigung in einer Werkstätte für behinderte Menschen angewiesen sind, ist seit 1. Januar 2005 mit dem Inkrafttreten des SGB XII eingetreten. Zu den Leistungen gehört nach § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 41 SGB IX auch die Beschäftigung in einer Behindertenwerkstätte. Nach § 92 Abs. 2 S. 2 SGB XII sind die Leistungen des Sozialhilfeträgers ohne Rücksicht auf vorhandenes Vermögen zu erbringen. Damit ist künftig der Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Vermögen erheblich eingeschränkt. Das gilt aber nicht für andere Hilfearten, insbesondere nicht für die Hilfe zum Lebensunterhalt oder die Hilfe zur Pflege.

Die oben dargestellten Beispiele zeigen, dass bei der gesetzlichen Erbfolge das dem behinderten Kind zufallende Vermögen zum großen Teil vom Sozialhilfeträger in Anspruch genommen werden kann.

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