Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze geben den Grad einer Behinderung (GdS) an. Der GdS wird von 0 bis 100 jeweils in Zehnerschritten benannt, also z. B. 10, 20, 30 usw. (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchstabe e) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze).
Teil B der Grundsätze enthält eine GdS-Tabelle, in welcher zahlreiche Behinderungen und der im Regelfall anzuerkennende GdS aufgeführt sind. Das Sehorgan wird unter Nr. 4 behandelt. Dort heißt es:
"Die Sehbehinderung umfasst alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung ist in erster Linie die korrigierte Sehschärfe maßgebend; daneben sind u. a. Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen.
Die Sehschärfe ist grundsätzlich entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) nach DIN 58220 zu prüfen; Abweichungen hiervon sind nur in Ausnahmefällen zulässig (z. B. bei Bettlägerigkeit oder Kleinkindern). Die übrigen Partialfunktionen des Sehvermögens sind nur mit Geräten und Methoden zu prüfen, die den Richtlinien der DOG entsprechend eine gutachtenrelevante einwandfreie Beurteilung erlauben. Bei Nystagmus richtet sich der GdS nach der Sehschärfe, die bei einer Lesezeit von maximal einer Sekunde pro Landolt-Ring festgestellt wird. Hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet dies, dass nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 verwertet werden dürfen. Bei der Beurteilung von Störungen des Sehvermögens ist darauf zu achten, dass der morphologische Befund die Sehstörungen erklärt. Die Grundlage für die GdS-Beurteilung bei Herabsetzung der Sehschärfe bildet die "MdE-Tabelle der DOG".
In Teil B Nrn. 4.1 ff. der Grundsätze werden folgende Werte angegeben:
4.1 Verlust eines Auges mit dauernder, einer Behandlung nicht zugänglichen Eiterung der Augenhöhle: 40
4.2 Linsenverlust eines Auges (korrigiert durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse)
- Sehschärfe 0,4 und mehr: 10
- Sehschärfe 0,1 bis weniger als 0,4: 20
- Sehschärfe weniger als 0,1: 25 - 30
beider Augen.
Der sich aus der Sehschärfe für beide Augen ergebende GdS ist um 10 zu erhöhen.
Die GdS-Werte setzen die Verträglichkeit der Linsen voraus. Maßgebend ist der objektive Befund. Bei Unkorrigierbarkeit richtet sich der GdS nach der Restsehschärfe. Bei Versorgung mit Starbrille ist der aus der Sehschärfe für beide Augen sich ergebende GdS um 10 zu erhöhen, bei Blindheit oder Verlust des anderen Auges um 20.
4.3 Die augenärztliche Untersuchung umfasst die Prüfung der einäugigen und beidäugigen Sehschärfe. Sind die Ergebnisse beider Prüfungsarten unterschiedlich, so ist bei der Bewertung die beidäugige Sehschärfe als Sehschärfewert des besseren Auges anzusetzen.
4.4 Augenmuskellähmungen, Strabismus, wenn ein Auge wegen der Doppelbilder vom Sehen ausgeschlossen werden muss: 30.
Bei Doppelbildern nur in einigen Blickfeldbereichen bei sonst normalem Binokularsehen ergibt sich der GdS aus dem nachstehenden Schema von Haase und Steinhorst:
- bei einseitiger Bildunterdrückung durch Gewöhnung (Exklusion) und entsprechendem Verschwinden der Doppelbilder: 10
- Einschränkungen der Sehschärfe (z. B. Amblyopie) oder eine erheblich entstellende Wirkung sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Lähmung des Oberlides mit nicht korrigierbarem, vollständigem Verschluss des Auges: 30
- Sonst: 10 - 20
- Fehlstellungen der Lider, Verlegung der Tränenwege mit Tränenträufeln
- Einseitig: 0 - 10
- Beidseitig: 10 - 20
4.5 Gesichtsfeldausfälle
- Vollständige Halbseiten- und Quadrantenausfälle
- Homonyme Hemianopsie: 40
- Bitemporale Hemianopsie: 30
- Binasale Hemianopsie
- bei beidäugigem Sehen: 10
- bei Verlust des beidäugigen Sehens: 30
- Homonymer Quadrant oben: 20
- Homonymer Quadrant unten: 30
- Vollständiger Ausfall beider unterer Gesichtsfeldhälften: 60
- Ausfall einer Gesichtsfeldhälfte bei Verlust oder Blindheit des anderen Auges
- nasal: 60
- temporal: 70
Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen ist der GdS entsprechend niedriger anzusetzen.
- Gesichtsfeldeinengungen
- Allseitige Einengung bei normalem Gesichtsfeld des anderen Auges
- auf 10° Abstand vom Zentrum: 10
- auf 5° Abstand vom Zentrum: 25
- Allseitige Einengung binokular
- auf 50° Abstand vom Zentrum: 10
- auf 30° Abstand vom Zentrum: 30
- auf 10° Abstand vom Zentrum: 70
- auf 5° Abstand vom Zentrum: 100
- Allseitige Einengung bei Fehlen des anderen Auges
- auf 50° Abstand vom Zentrum: 40
- auf 30° Abstand vom Zentrum: 60
- auf 10° Abstand vom Zentrum: 90
- auf 5° Abstand vom Zentrum: 100
- Unregelmäßige Gesichtsfeldausfälle, Skotome im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians, binokular
- mindestens 1/3 ausgefallene Fläche: 20
- mindestens 2/3 ausgefallene Fläche: 50
- Allseitige Einengung bei normalem Gesichtsfeld des anderen Auges
Bei Fehlen eines Auges sind die Skotome entsprechend höher zu bewerten.
4.6 Ausfall des Farbensinns: 0
Einschränkung der Dunkeladaptation (Nachtblindheit) oder des Dämmerungssehens: 0 - 10
4.7 Nach Hornhauttransplantationen richtet sich der GdS allein nach dem Sehvermögen.
4.8 Nach Entfernung eines malignen Augentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
- bei Tumorbegrenzung auf den Augapfel (auch bei Augapfelentfernung): 50
- Sonst wenigstens: 80
Wenn nach der GdS-Tabelle mehrere Behinderungen vorliegen, werden die für die einzelnen Behinderungen ermittelten GdS-Werte nicht einfach addiert. Vielmehr wird ein Gesamt-GdS aufgrund der Auswirkungen in ihrer Gesamtheit festgestellt (§ 69 Abs. 3 SGB IX). Detaillierte Hinweise für die Bildung des Gesamt-GdS enthält Teil A Nr. 3 der Grundsätze (vgl. oben 2.6).
Für die Bildung eines solchen "Gesamt-GdS" kann von folgender Faustregel ausgegangen werden: Die schwerste Behinderung wird - entsprechend dem Tabellenwert in Teil B der Grundsätze - mit dem vollen Grad bewertet (z.B. mit einem GdS von 50), die zweitschwerste Behinderung mit 1/2 des GdS (z.B. mit 1/2 von 40 GdS = 20 GdS), die drittschwerste Behinderung mit 1/3 des GdS (z.B. 1/3 von 30 GdS = 10 GdS). Das ergibt einen Gesamt-GdS von 50 + 20 + 10 = 80. Allerdings kommt es auf die Auswirkung zusätzlicher Behinderungen auf die anderen vorhandenen Behinderungen an. So wird eine Hörbeeinträchtigung, die mit einer Sehbehinderung zusammentrifft, stärker zu berücksichtigen sein, als dies nach dieser Faustregel der Fall sein würde.