In diesem Kapitel sollen vor allem Eltern, die schwerstbehinderte Kinder haben, auf für sie wichtige erbrechtliche Probleme hingewiesen werden. Dadurch kann jedoch eine eingehende rechtliche Beratung durch einen auf diesem Gebiet erfahrenen Notar oder Rechtsanwalt im Einzelfall nicht ersetzt werden, weil die besondere Situation jeweils berücksichtigt werden muss und das Erbrecht bzw. das Recht der Schenkungen unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt.
Eltern, die ein mehrfachbehindertes Kind haben, das auch im Erwachsenenalter auf eine Betreuung durch eine Sondereinrichtung (Heim, Werkstätte bzw. Förderstätte für Behinderte oder beides) oder, weil es den eigenen Lebensunterhalt nicht erwerben kann, auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist, haben verständlicherweise den Wunsch, eine gute Betreuung, die über das Maß dessen, was die Sozialhilfe gewährleistet, hinausgeht, auch für die Zeit nach ihrem Tod sicherzustellen. Sie wollen, dass die Sozialhilfe, die in aller Regel die Kosten der Sondereinrichtung ganz oder teilweise trägt, bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt leisten muss, auf ein dem behinderten Kind vererbtes Vermögen nicht zugreifen kann. Vielfach haben die Eltern den Wunsch, dass das dem behinderten Kind als Erbschaft zugeflossene Vermögen, soweit es bei dessen Ableben noch vorhanden ist, in der Familie verbleibt, also z.B. auf überlebende Geschwister übergeht, oder dem Träger der Sondereinrichtung, die ihr behindertes Kind betreut hat, zugute kommt.
Es stellt sich die Frage,
- in welchem Umfang der Sozialhilfeträger im Erbfall auf das dem behinderten Kind zugegangene Vermögen zugreifen kann,
- inwieweit durch eine erbrechtliche Verfügung (z.B. Testament oder Erbvertrag) bzw. durch Schenkungen eine dem Willen der Eltern entsprechende Regelung möglich ist, bei welcher der Zugriff des Sozialhilfeträgers eingeschränkt oder ausgeschlossen wird und
- ob eine solche Regelung, die das Vermögen dem Zugriff der Sozialhilfe entzieht, gegen die guten Sitten verstößt und deshalb ungültig ist.
In den folgenden Abschnitten werden wir diese Probleme behandeln.
Wenn das behinderte Kind in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu erwerben, weil es z. B. einer Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann, müssen keine besonderen erbrechtlichen Vorkehrungen getroffen werden. Das wird häufig auf blinde oder sehbehinderte Kinder zutreffen, die keine weiteren Behinderungen haben. Die erbrechtlichen Angelegenheiten können dann also so geregelt werden, wie wenn das Kind nichtbehindert wäre.
Wenn das behinderte Kind auf Sozialhilfe angewiesen ist, werden die Eltern während ihrer Lebenszeit dafür sorgen, ihrem behinderten Kind über die Sozialhilfeleistungen hinausgehende Annehmlichkeiten zu verschaffen. Ziel der hier vorgestellten erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sollte sein, dafür zu sorgen, dass das behinderte Kind auch nach dem Tod der Eltern durch die Erbschaft über die Grundversorgung hinausgehende Mittel für seine Lebensgestaltung zur Verfügung hat.