Ziel des Gesetzes ist nach § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Der Begriff "Behinderung" ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht rein medizinisch, sondern medizinisch/sozial auszulegen (EuGH NZA 06, 639). Erfasst werden Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind und ein Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben bilden oder, soweit es um die Anwendung im Zivilrecht geht, die Teilhabe am Zivilverkehr erschweren. Einschränkungen sind nur dann Behinderungen, wenn es sich um Abweichungen von den für das Lebensalter typischen Zustand handelt und es wahrscheinlich ist, dass sie von langer Dauer sind (EuGH aaO, Palandt RN 6 zu § 1 AGG). Nicht erforderlich ist ein bestimmter Grad der Behinderung. Für Schwerbehinderte im Sinn von § 2 Abs. 2 SGB IX besteht im Arbeitsleben zusätzlich zu den Regelungen im AGG der Schutz nach § 81 SGB IX (Palandt RZ. 7 zu § 1 AGG). In § 81 Abs. 2 SGB IX wird auf das AGG verwiesen. § 81 Abs. 4 SGB IX enthält für schwerbehinderte Arbeitnehmer zusätzlich zum Diskriminierungsverbot Ansprüche auf besondere Maßnahmen.
Der Anwendungsbereich des AGG ist § 2 zu entnehmen. Zu unterscheiden sind der arbeitsrechtliche Anwendungsbereich mit der Kernregelung in Abs. 1 Nr. 2 und den Regelungen in den Nrn. 1, 3 und 4 und der zivilrechtliche Bereich mit der Kernregelung in Abs. 1 Nr. 8 und den Regelungen in den Nummern 5 bis 7. Er bezieht sich somit vor allem auf Benachteiligungen im Berufsleben und im Zivilrechtsverkehr beim Zugang zu sowie bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen einschließlich Wohnraum, also auf Massengeschäfte. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt in seinem arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6-18) für Arbeitnehmer und Auszubildende der Privatwirtschaft, und zwar auch für Stellenbewerber. Für Beamte, Richter und Beschäftigte des Bundes und der Länder findet es im Dienstrecht entsprechende Anwendung (§ 24 AGG). Im Zivilrecht gilt es für bestimmte Bereiche des privaten Vertragsrechts (§§ 19-21 AGG), nämlich Massengeschäfte und für das Versicherungsvertragsrecht.
Für behinderte Menschen erweitert sich damit der schon bislang im Arbeitsrecht (für schwerbehinderte Menschen) bestehende Diskriminierungsschutz (näher vgl. 7.3.1). Zusätzliche Bedeutung hat das AGG für behinderte Menschen im Bereich des Zivilrechts unter bestimmten Voraussetzungen für Geschäfte, die generell mit jedermann abgeschlossen werden, wie sie im Tourismus, im Gastgewerbe und im übrigen Dienstleistungsbereich vorkommen sowie für private Verträge einschließlich Versicherungs- und Mietverträgen (näher dazu unter 7.3.2).
Begriffsbestimmungen zu den Handlungen, die eine Diskriminierung darstellen, enthält § 3 AGG:
Eine unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
Eine unmittelbare Benachteiligung kann z.B. in der Ablehnung eines Vertragsschlusses, im Abschluss nur zu ungünstigeren Vertragsbedingungen, in der Benachteiligung bei der Durchführung des Vertrages oder in der Kündigung bestehen, wenn der Grund eine Behinderung ist.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Absatz 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren angewandt werden, die neutral erscheinen, bei denen aber durch § 1 AGG geschützte Personen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Eine mittelbare Benachteiligung ist z.B. gegeben, wenn in einer Stellenausschreibung ein Führerschein verlangt wird, obwohl er für diesen Arbeitsplatz überhaupt nicht gebraucht wird. Dadurch würden Blinde und Sehbehinderte ohne sachlichen Grund von vornherein ausgegrenzt.
Eine Belästigung ist nach § Abs. 3 AGG eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Geringfügige oder einmalige Taktlosigkeiten fallen nicht unter diese Bestimmung, da dadurch noch kein "feindliches Umfeld" geschaffen wird (Palandt RZ. 5 zu § 3 AGG).
Eine sexuelle Belästigung ist, wie es in § 3 Abs. 4 AGG heißt: "eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird." Wegen der Verweisung auf § 2 Nrn. 1 bis 4 AGG wird nur der arbeitsrechtliche Bereich betroffen.
Nach § 3 Abs. 5 gilt als Benachteiligung auch die Anweisung einer anderen Person zur Benachteiligung einer unter den Schutz des AGG fallenden Person aus einem in § 1 genannten Grund. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, also im arbeitsrechtlichen Bereich, insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.
Denkbar ist, dass in einem konkreten Fall eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt. In diesem Fall kann diese unterschiedliche Behandlung gemäß § 4 AGG "nach den §§ 8 bis 10 und 20 nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt." Liegt z.B. eine Benachteiligung wegen einer Behinderung und eine Benachteiligung auf Grund des Alters vor und ist z.B. die Benachteiligung wegen der Behinderung nach §§ 8 bis 10 oder 20 AGG gerechtfertigt, ist es möglich, dass für die Benachteiligung auf Grund des Alters keine Rechtfertigung gegeben ist. Dann liegt eine ungerechtfertigte Benachteiligung vor und die sich daraus ergebenden Ansprüche können geltend gemacht werden. Deshalb ist stets zu prüfen, ob z.B. neben der Benachteiligung wegen einer Behinderung auch eine Benachteiligung aus einem anderen der nach § 1 geschützten Merkmale gegeben ist.
Wenn eine Benachteiligung auf Grund von Merkmalen des § 1 AGG erfolgt, ist stets auch zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung auf Grund von geeigneten und angemessenen Maßnahmen, welche einen Ausgleich schaffen sollen, zulässig ist. Das ergibt sich aus § 5 AGG.