Die Anrechnungsregeln sind in § 72 Abs. 1 S. 2 und 3 enthalten. Diese lauten:
"Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, mit 70 vom Hundert des Pflegegeldes der Pflegestufe I und bei Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III mit 50 vom Hundert des Pflegegeldes der Pflegestufe II, höchstens jedoch mit 50 vom Hundert des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften."
Die Vorschrift ist ähnlich gestaltet wie die Regelungen in den Landesgesetzen der ersten Ländergruppe. Die Bestimmung, dass die Anrechnung "höchstens jedoch mit 50 vom Hundert des Betrages nach Absatz 2" erfolgen darf, besagt, dass 50 % der Blindenhilfe verbleiben müssen, denn in Abs. 2 wird die Höhe der Blindenhilfe festgelegt.
Da in aller Regel Anspruch auf Blindengeld nach einem Landesblindengeldgesetz (ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen) und, sofern die Einkommens- und Vermögensgrenzen nicht überschritten werden, ein Anspruch auf ergänzende Blindenhilfe besteht, ist die Frage, wie in diesem Fall bei Pflegebedürftigkeit die Anrechnungsregeln anzuwenden sind.
Es ist in drei Schritten vorzugehen:
Erster Schritt: Zunächst ist die Kürzung des Landesblindengeldes nach den für dieses geltenden Regelungen vorzunehmen und so die Höhe des Landesblindengeldes zu ermitteln.
Zweiter Schritt: Danach ist die Höhe der Blindenhilfe zu bestimmen, so als gäbe es das Landesblindengeld nicht. Die Kürzungsregelung für die volle Blindenhilfe nach § 72 Abs. 1 S. 2 ist anzuwenden.
Dritter Schritt: Von der so errechneten Blindenhilfe ist das gewährte Landesblindengeld abzuziehen. Die Differenz zwischen dem gekürzten Landesblindengeld und der gekürzten Blindenhilfe ergibt die ergänzende Blindenhilfe.
Beispiel nach dem Stand ab 01.012010:
Der volljährige blinde A. aus Baden-Württemberg ist pflegebedürftig nach Pflegestufe I. Einschlägig sind die §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 2 des Landesblindenhilfegesetzes Baden-Württemberg.
Das Landesblindengeld beträgt 409,00 Euro abzüglich eines Betrages in Höhe von 60 % des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI, = 60 % von 225 = 135,00 Euro. Das Landesblindengeld beträgt somit 274,00 Euro.
Die Blindenhilfe nach § 72 Abs. 2 beträgt 609 Euro abzüglich 70 % von 225,00 Euro = 157,50 Euro = 451,50 Euro.
Die ergänzende Blindenhilfe beträgt somit 451,50 Euro minus 274,00 Euro = 177,50 Euro.
Anrechnung des Blindengeldes und der Blindenhilfe auf Leistungen der Hilfe zur Pflege (§§ 64 und 66 SGB XII):
Von der Kürzung der Blindenhilfe wegen der Leistungen bei häuslicher Pflege durch die soziale Pflegeversicherung ist der Fall zu unterscheiden, in welchem Pflegegeld nach § 64 SGB XII im Rahmen der Pflegehilfe vom Sozialhilfeträger gewährt wird. Diese Situation besteht für Personen, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung (oder ersatzweise in einer privaten Pflegeversicherung) nicht versichert sind und die deshalb auf die von der Sozialhilfe zu gewährende "Hilfe zur Pflege" angewiesen sind. Diese "Hilfe zur Pflege" wurde zwar inhaltlich an die Regelungen des SGB XI angepasst; rechtssystematisch gehört sie jedoch zum Sozialhilferecht. Die Normen, wie sie bereits im BSHG (Vorläufer des SGB XII) galten, wurden in die §§ 61 ff. SGB XII, in welchen die Hilfe zur Pflege geregelt ist, übernommen. Folge: Das Blindengeld nach einem Landesblindengeldgesetz und die Blindenhilfe bleiben unangetastet. Die Anrechnung erfolgt hier genau umgekehrt. Gekürzt wird in diesem Fall das nach § 64 SGB XII gewährte Pflegegeld, indem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Blindengeld oder Blindenhilfe jeweils zu 70 % auf das Pflegegeld angerechnet werden. Dass dies so ist, wird in einem beachtenswerten Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21.9.2006 - L 7 SO 5514/05 - bestätigt. Eine doppelte Anrechnung, nämlich die fälschliche Anrechnung der Pflegeleistung auf das Blindengeld und des Blindengeldes auf das nach § 64 SGB XII gewährte Pflegegeld, wie das in dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsstreit erfolgt war, ist unzulässig.