Die Leistungen der Pflegeversicherung werden auf Antrag gewährt (§ 33 Abs. 1 SGB XI). Das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist in § 18 SGB XI geregelt. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben die Pflegekassen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Beim Prüfungsauftrag sind die PflegebedürftigkeitsRichtlinien nach § 17 SGB XI und die BegutachtungsRichtlinien (BRi) zu beachten. Im Rahmen dieser Prüfungen hat der Medizinische Dienst durch eine Untersuchung des Antragstellers die Einschränkungen bei den Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 4 SGB XI zu ermitteln sowie Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und gegebenenfalls das Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI festzustellen. Letzteres weil in diesem Fall auch ohne Pflegebedürftigkeit nach Stufe I (§ 15 SGB XI)Leistungen nach § 45b gewährt werden können. Darüber hinaus sind auch Feststellungen darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind; insoweit haben Versicherte einen Anspruch gegen den zuständigen Rehabilitationsträger auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Durch § 18 Abs. 6 Satz 1 SGB XI wird der MDK verpflichtet, in jedem Gutachten darüber Aussagen zu treffen, ob und welche angemessenen Maßnahmen zur Prävention und Rehabilitation geboten sind.

Die Untersuchung durch den medizinischen Dienst muss im Wohnbereich des Versicherten durchgeführt werden (§ 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). Wohnbereich kann z.B. auch eine Wohngemeinschaft oder eine stationäre Einrichtung sein. Wenn zu dieser Untersuchung im Wohnbereich das erforderliche Einverständnis verweigert wird, kann die Pflegekasse die beantragten Leistungen verweigern (§ 18 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Die Untersuchung im Wohnbereich des Pflegebedürftigen kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht (§ 18 Abs. 2 Satz 4 SGB XI).

§ 18 Abs. 3 SGB XI dient der Beschleunigung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und zur Feststellung der Pflegestufe. Dem Antragsteller soll nach Abs. 3 Satz 2 spätestens fünf Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitgeteilt werden. Besonders kurze Fristen gelten, wenn der Antragsteller bereits stationär versorgt wird. Wenn sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung befindet und wenn Hinweise vorliegen, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich ist, oder wenn die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt wurde, ist die Begutachtung dort unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen. Die verkürzte Begutachtungsfrist gilt auch dann, wenn der Antragsteller sich in einem Hospiz befindet oder ambulant palliativ versorgt wird. Befindet sich der Antragsteller in häuslicher Umgebung, ohne palliativ versorgt zu werden, und wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt, ist eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen und der Antragsteller seitens des Medizinischen Dienstes unverzüglich schriftlich darüber zu informieren, welche Empfehlung der Medizinische Dienst an die Pflegekasse weiterleitet.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung hat nach § 18 Abs. 6 SGB XI der Pflegekasse das Ergebnis seiner Prüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit unverzüglich zu übermitteln. In seiner Stellungnahme hat der Medizinische Dienst auch das Ergebnis der Prüfung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen der Prävention und der medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind, mitzuteilen und Art und Umfang von Pflegeleistungen sowie einen individuellen Pflegeplan zu empfehlen. Wenn der Pflegebedürftige Pflegegeld beantragt, hat sich die Stellungnahme auch darauf zu erstrecken, ob die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist. Die Pflegekasse hat das Ergebnis der Prüfung dem Pflegebedürftigen und mit seiner Zustimmung dem zuständigen Rehabilitationsträger und dem behandelnden Arzt sofort bekanntzugeben (§ 31 Abs. 3 SGB XI). Die mit Einwilligung des Versicherten an den zuständigen rehabilitationsträger weitergeleitete Mitteilung gilt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB XI als Antragstellung für das Verfahren zur Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX.

Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes werden durch Ärzte in enger Zusammenarbeit mit Pflegefachkräften und anderen geeigneten Fachkräften wahrgenommen (§ 18 Abs. 7 Satz 1 SGB XI).

Auf Grund der Begutachtung hat die Pflegekasse die Entscheidung über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit als Versicherungsfall und die Zuordnung der Pflegestufe zu treffen. Sie entscheidet über die zu erbringenden Leistungen durch Verwaltungsakt (§ 31 SGB X). Die Zuordnung zu einer Pflegestufe, die Anerkennung als Härtefall sowie die Bewilligung von Leistungen können nach § 33 Abs. 1 Satz 4 SGB XI befristet werden und enden mit Ablauf der Frist. Die Befristung erfolgt, wenn und soweit eine Verringerung des Hilfebedarfs nach der Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erwarten ist. Das kann z.B. die Folge von Rehabilitationsmaßnahmen sein. Die Befristung kann wiederholt werden. Durch die Befristung werden Änderungen bei der Zuordnung zu einer Pflegestufe, bei der Anerkennung als Härtefall sowie bei bewilligten Leistungen im Befristungszeitraum nicht ausgeschlossen, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB XI). Der Befristungszeitraum darf insgesamt die Dauer von drei Jahren nicht überschreiten. Um eine nahtlose Leistungsgewährung sicherzustellen, hat die Pflegekasse vor Ablauf einer Befristung rechtzeitig zu prüfen und dem Pflegebedürftigen sowie der ihn betreuenden Pflegeeinrichtung mitzuteilen, ob Pflegeleistungen weiterhin bewilligt werden und welcher Pflegestufe der Pflegebedürftige zuzuordnen ist. Vor Ablauf der Befristung hat die Pflegekasse von Amts wegen tätig zu werden. Sie hat die Möglichkeit einer nahtlosen Fortsetzung der Pflegeleistungen sicherzustellen, ohne dass der Pflegebedürftige einen Antrag stellen muss. Diese Regelungen unterstreichen die Bedeutung von Prävention und Rehabilitation. Insbesondere in den Fällen, in denen der Medizinische Dienst der Krankenversicherung aufgrund der Verpflichtung nach § 18 Abs. 6 SGB XI ein Rehabilitationspotential bei dem Versicherten feststellt, wird durch die nur befristete Leistungsbewilligung ein negativer Anreiz vermieden, sich der notwendigen Rehabilitation zu versagen (vgl. amtliche Begründung in BT-Drs. 16/7439 S. 54).

Die Pflegebedürftigkeit nach dem sozialen Pflegeversicherungsgesetz ist in § 14 SGB XI definiert. Pflegebedürftig sind danach Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 14 Abs. 1).

Krankheiten oder Behinderungen im Sinne von § 14 Abs. 1 sind gemäß § 14 Abs. 2:

  1. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat,
  2. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane,
  3. Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen.

In § 14 Abs. 4 wird erschöpfend beschrieben, was im Einzelnen zu den "gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen" gehört. Die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen werden vier Bereichen, nämlich dem Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung, zugeordnet. Die ersten drei Bereiche umfassen die Grundpflege. Zur Grundpflege gehören in Abgrenzung zur Rehabilitation, welche den Eintritt der Pflegebedürftigkeit verhindern soll, die Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB V).

Zum Bereich der Körperpflege zählen: das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren sowie die Darm- oder Blasenentleerung.

Zum Bereich der Ernährung gehört das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung.

Zum Bereich der Mobilität zählt das selbständige Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.

Die hauswirtschaftliche Versorgung umfasst das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung sowie das Beheizen der Wohnung.

Zwischen Krankheit oder Behinderung und dem Hilfebedarf muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Es muss sich bei der Krankheit oder Behinderung um die rechtlich wesentliche Bedingung für die Hilfsbedürftigkeit handeln.

Der Pflegebedarf setzt einen tatsächlichen Funktionsausfall voraus, aufgrund dessen "die Fähigkeit, bestimmte Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auszuüben", aktuell eingeschränkt oder nicht vorhanden ist. Entscheidend sind nicht Art und Schwere der Krankheit oder Behinderung und die durch sie gegebenenfalls bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der Grad der Behinderung, sondern das Ausmaß der durch sie verursachten Funktionsdefizite.

Die drei Pflegestufen, denen die Pflegebedürftigen nach dem Ausmaß, in welchem sie der Hilfe bedürfen, zuzuordnen sind, werden in § 15 SGB XI wie folgt beschrieben:

  1. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen.
  2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Hier wird ein Zeitaufwand von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich verlangt. Auf die Grundpflege müssen mindestens zwei Stunden entfallen.
  3. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der durchschnittliche Zeitaufwand muss täglich mindestens fünf Stunden betragen. Hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen.

Bei Kindern ist wegen des in den ersten Lebensjahren ohnehin vorhandenen Pflege- und Betreuungsbedarfs für die Zuordnung zu einer der Pflegestufen der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend (§ 15 Abs. 2 SGB XI).

Der oben für die Pflegestufen angegebene erforderliche Zeitaufwand ist § 15. Abs. 3 SGB XI zu entnehmen.

Zusätzlich zu den im Gesetz bereits in einem außergewöhnlichen Maße vorgenommenen Detailregelungen verpflichtet § 17 SGB XI den Spitzenverband Bund der Pflegekassen mit dem Ziel, eine einheitliche Rechtsanwendung zu fördern, unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen Richtlinien zur näheren Abgrenzung der in § 14 genannten Merkmale der Pflegebedürftigkeit, der Pflegestufen nach § 15 und zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu erlassen. Dementsprechend sind folgende Richtlinien erlassen worden:

  • Richtlinien über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit v. 7.11.1994 i.d.F. v. 22.8.2001, zuletzt geändert am 11.05.2005 (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien - PflRi) und
  • Richtlinien zur Anwendung der Härtefallregelungen v. 10.7.1995 i.d.F. v. 28.10.2005 (Härtefall-Richtlinien) und
  • Richtlinien zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit v. 08.06.2009 (Begutachtungs-Richtlinien - BRi) aufgrund des § 53a SGB XI.

Bei der Auslegung und Abgrenzung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, z. B. des Begriffs der Pflegebedürftigkeit, sind die Gerichte nicht an den Inhalt dieser Richtlinien gebunden. Sie haben keine Rechtsnormqualität, weil es dafür an der erforderlichen Ermächtigung insbesondere zum Erlass von Rechtsnormen mit Außenwirkung gegenüber den Versicherten fehlt. Rechtswirkungen im Außenverhältnis kommen den Richtlinien allein über Art. 3 GG zu, weil sich die Verwaltungspraxis an ihnen orientiert. Soweit sich die Richtlinien innerhalb des durch Gesetz und Verfassung vorgegebenen Rahmens halten, sind sie als Konkretisierung zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten (vgl. BSG, Urteil v. 19.2.1998, B 3 P 7/97 R, SozR 3-3300 § 15 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 53 Nr. 5). Vgl. zum Begriff der Pflegebedürftigkeit Hennies "Der Blinde im geltenden Recht" S. 133 ff. und 137 ff.

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