Die Einführung eines auf Bundesrecht basierenden Blindengeldanspruches durch § 11f RGR wirkte sich auf die bestehenden Landesregelungen in unterschiedlicher Weise aus.
Soweit die Gültigkeit in den Rechtsnormen ausdrücklich bis zum Erlass eines Bundesgesetzes beschränkt war, wurden sie ungültig, ohne dass es einer Aufhebung bedurfte. An ihre Stelle trat das Blindengeld in der in § 11f RGR bestimmten Höhe und unter den dort festgesetzten Voraussetzungen.
Das galt für die Blindengelderlasse von Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen (Ziff. 10 der Richtlinien), Nordrhein-Westfalen (§ 1 des Runderlasses des Sozialministers über Blindenpflegegeld vom 21.04.1951). Es galt auch für Rheinland-Pfalz, weil das dortige Landesgesetz über die Gewährung von Blindenpflegegeld an Zivilblinde vom 12.05.1953 gemäß § 14 mit dem Inkrafttreten von § 11f RGR seine Gültigkeit verlor.
In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein bestanden vor Inkrafttreten von § 11f RGR keine speziellen Landesregelungen.
Das hessische Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Zivilblinde vom 19.07.1950 (GVBl. S. 149) enthielt keine Bestimmung darüber, dass es nur bis zur Einführung einer bundesrechtlichen Blindengeldregelung gelten sollte. In der Gesetzesbegründung war allerdings auf den vorläufigen Charakter dieses Gesetzes hingewiesen worden. Der Gesetzgeber hielt das Gesetz nach Inkrafttreten des § 11f RGR für überflüssig und hob es durch das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Gewährung von Pflegegeld an Zivilblinde vom 12.04.1954 (GVBl. S. 75) mit Ablauf des 31.05.1954 auf.
Die weitere Entwicklung in den Ländern war davon beeinflusst, dass sich bald Mängel bei der Anwendung des § 11f RGR zeigten. Die laufende Überprüfung des Einkommens und Vermögens führte zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand. Härten ergaben sich vor allem bei verheirateten Blinden infolge der Anrechnung des Einkommens und Vermögens des Ehegatten.
Die Blindenselbsthilfeorganisationen hielten die Forderung nach einem Blindengeld ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen aufrecht. Sie strebten zunächst vor allem Landesgesetze nach dem Vorbild des bayerischen Zivilblindenpflegegeldgesetzes vom 19.06.1953 (GVBl. S. 177) an.
Ein landesrechtliches Blindengeld, das über die Leistungen nach § 11f RGR hinausging, war rechtlich möglich, es konnte als eine Sozialleistung sui generis unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt werden. Grundlage konnten aber auch fürsorgerechtliche Blindengelderlasse sein. Diese Befugnis ergab sich aus § 35 RGR, wonach die Länder nicht gehindert waren, den Hilfsbedürftigen über die in den Reichsgrundsätzen festgelegten Hilfen hinaus Leistungen zu gewähren. Insbesondere war es dadurch möglich, höhere Grenzen für das Einkommen, welches bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt werden sollte, festzulegen.
In der Folgezeit wurden in den Ländern beide Wege beschritten. Es ergingen sowohl gesetzliche Regelungen als auch Erlasse, wie sie nach § 35 GRG zulässig waren.
Das bayerische Blindenpflegegeldgesetz blieb erhalten. Es wurde in der Folgezeit geändert und verbessert und am 22.05.1958 in einer Neufassung bekannt gemacht.
Am 04.08.1954 hat das Abgeordnetenhaus für Westberlin als erstes Bundesland nach Einführung des Blindengeldes gemäß § 11f RGR ein Gesetz über die Gewährung von Blindenpflegegeld erlassen. Ebenso wie in Bayern erhielten damit die Blinden in Westberlin ein Blindenpflegegeld unabhängig von Einkommen und Vermögen (§ 2 Abs. 2). Anspruchsberechtigt waren nicht nur Blinde, sondern auch hochgradig in ihrer Sehkraft Beeinträchtigte, die ihren dauernden Wohnsitz und Aufenthalt im Lande Berlin hatten. Die Leistung wurde ab Vollendung des 16. Lebensjahres gewährt (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes). Das Gesetz ist am 01.09.1954 in Kraft getreten. Das Blindengeld betrug zunächst 90,00 DM. Es wurde ab 1.8.1957 durch das erste Änderungsgesetz auf 150,00 DM erhöht und entsprach damit der Pflegezulage der Kriegsblinden nach § 35 BVG.
Im Saarland wurde das Gesetz Nr. 188 über die Gewährung einer Blindheitshilfe an Zivilblinde vom 22.06.1950 (ABl. S. 750) im Zuge der bevorstehenden Rechtsangleichung des saarländischen Rechtes an dasjenige der Bundesrepublik Deutschland geändert. Die Leistung wurde zwar herabgesetzt, blieb aber ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen erhalten.
Die übrigen Länder machten von der Möglichkeit des § 35 RGR Gebrauch. Sie gewährten Blinden, zum Teil auch hochgradig Sehbehinderten, durch Landesblindengelderlasse gegenüber § 11f RGR weitergehende Leistungen.
Solche Erlasse ergingen in
- Nordrhein-Westfalen am 25.03.54,
- Rheinland-Pfalz, ab 01.01.1955 durch Erlass vom 15.02.1955,
- Baden-Württemberg ab 01.04.1958 durch Erlass vom 27.05.1958,
- Niedersachsen am 19.08.1958,
- Hessen am 28.11.1960, in Kraft ab. 01.01.1961,
- Hamburg am 27.12.1960, in Kraft ab 01.01.1961,
- Bremen mit Wirkung ab 01.04.1961 und
- Schleswig-Holstein mit Wirkung ab 01.08.1961.
Mit Ausnahme von Hessen waren die Leistungen an Einkommens- und Vermögensgrenzen gebunden, die jedoch höher als nach § 11f RGR lagen.