Durch das Blindengeldrecht werden blinde Menschen in besonderer Weise gefördert. Sie erhalten zum Ausgleich ihres Mehrbedarfs und ihrer Benachteiligung pauschalierte Sozialleistungen, und zwar nach den Landesgesetzen ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen, nach § 72 BSHG subsidiär unter Berücksichtigung von Einkommens- und Vermögensgrenzen. Auf den Nachweis eines konkreten Bedarfs kommt es nicht an.

Im Rahmen der Blindengeldgesetze erhalten hochgradig Sehbehinderte und Gehörlose nur nach folgenden Gesetzen entsprechende, allerdings niedrigere Leistungen:

Hochgradig Sehbehinderte nach den Landesgesetzen von Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Gehörlose erhalten Leistungen in folgenden Ländern: Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Weitere Schwerstbehinderte erhalten Leistungen nach den Blindengeld- bzw. Pflegegeldgesetzen von Brandenburg, Bremen und Sachsen (nur bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) sowie nach Besitzstandsregelungen in Berlin und nach dem Pflegegeldgesetz für Rheinland-Pfalz.

Weil andere Behindertengruppen im Übrigen keine entsprechenden Leistungen erhalten, muss die Vereinbarkeit des Blindengeldrechts mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG betrachtet werden (vgl. Haufe Onlinekommentar zu SGB XII RN. 2 zu § 72 zitiert unter 14.1).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beschränkt sich der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf ein reines Willkürverbot. Vielmehr wird ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch angenommen, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Gruppen anders behandelt wird, obwohl kein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. Der Gleichheitssatz verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter, dass für die ungleiche oder gleiche Behandlung von Sachverhalten und die Auswahl der Anknüpfungskriterien - bezogen auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ... und unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung - vernünftige, einleuchtende Gründe bestehen (BVerfGE, Bd. 97, S. 271; Bd. 94, 241).

Aus der Zweckbestimmung der Blindengeldleistungen, einen Ausgleich für die blindheitsbedingten Mehraufwendungen und Nachteile zu gewähren, um den Betroffenen die Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen, ist klar ersichtlich, dass die Blindengeldleistungen keine willkürliche Begünstigung darstellen, sondern sachlich begründet sind.

Bei der Gewährung von Sozialleistungen steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Es bleibt ihm überlassen, wie er soziale Probleme löst. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist bei gewährender Sozialpolitik größer als bei einschränkenden Maßnahmen (BVerfGE Bd. 17, 210-216; Bd. 29, 221-235; BD. 44,70-89).

Dass der Gesetzgeber mit den Leistungen für Blinde nach den Blindengeldgesetzen nicht willkürlich gehandelt hat, zeigt sich auch daraus, dass behinderte und kranke Menschen, die pflegebedürftig im Sinne von § 14 SGB XI sind, Ausgleichsleistungen nach dem SGB XI, und zwar ebenfalls ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen, erhalten. Soweit solche Ansprüche nicht zustehen, weil es an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt, greift die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII ein. Es steht somit für pflegebedürftige Menschen, zu welchen Schwerstbehinderte häufig zählen, ein ihren Bedürfnissen entsprechendes dem Blindengeldrecht vergleichbares System zur Verfügung.

Außerdem kann niemand allein daraus, dass einer Gruppe aus besonderem Anlass besondere Vergünstigungen zugestanden werden, für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, genau dieselben Vorteile in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfGE, Bd. 49, S. 142-208).

Die Blindengeldgesetze stehen deshalb nicht im Widerspruch zum allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3. Abs. 1 GG. Diese Feststellungen besagen nicht, dass es politisch nicht wünschenswert wäre, auch für andere Behindertengruppen einen den jeweiligen Bedürfnissen entsprechenden gesetzlichen Nachteilsausgleich zu schaffen.

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