Unter dem Begriff „rentenrechtliche Zeiten" werden alle Zeiten zusammengefasst, die sich auf den Rentenanspruch auswirken.
54 Abs. 1 SGB VI zählt die rentenrechtlichen Zeiten auf. Es sind dies:
- Beitragszeiten,a) als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen,b) als beitragsgeminderte Zeiten,
- beitragsfreie Zeiten und
- Berücksichtigungszeiten.
54 Abs. 2 bis 4 SGB VI geben Legaldefinitionen der einzelnen Zeiten. Sie sind von Bedeutung, weil die Vorschriften des SGB VI immer wieder auf sie zurückgreifen, wobei die Zeiten im Einzelnen von unterschiedlicher Relevanz sein können. Auch können für denselben Zeitraum verschiedene rentenrechtliche Zeiten gleichzeitig anerkannt werden.
Die Wirkung der Zeiten im Einzelnen ist unterschiedlich. Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) und wegen nichterwerbsmäßiger Pflege in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995 (§ 249b SGB VI) haben nur mittelbaren Einfluss auf die Rentenhöhe durch Verbesserung des Gesamtleistungswertes der beitragsfreien Zeiten (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 54 SGB VI).
Verschiedene rentenrechtliche Zeiten können parallel zueinander liegen. Für die Berechnung von rentenrechtlichen Zeiten gilt nach § 122 Abs. 1 SGB VI, dass ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als voller Monat zählt.
Der Begriff „Beitragszeiten" ergibt sich nicht aus § 54 SGB VI, sondern aus § 55 SGB VI (s. auch §§ 247, 248 SGB VI).
Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Beiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Eine fiktive Beitragszahlung hat die gleiche Wirkung wie die tatsächlich gezahlten Beiträge. Bei den Beitragszeiten wird unterschieden zwischen Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und beitragsgeminderten Zeiten. Diese Unterscheidung ist für die einzelnen Berechnungsgänge innerhalb der Rentenberechnung erforderlich. Beispielsweise nehmen nur vollwertige Pflichtbeiträge an der Berechnung der Rente nach Mindesteinkommen (Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt § 262 SGB VI) und der Vergleichsbewertung bei der Ermittlung des Gesamtleistungswertes (§ 73 SGB VI) teil.
Um eine beitragsgeminderte Zeit handelt es sich, wenn in einem Kalendermonat Beitragszeiten mit Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI), einer Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) oder Ersatzzeiten (§ 250 SGB VI) zusammentreffen. Ein Kalendermonat, der nur teilweise mit Beiträgen belegt ist, und in dem keine beitragsfreien Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 4 SGB VI, also Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten oder Ersatzzeiten enthalten sind, ist als Kalendermonat mit vollwertigen Beiträgen zu rechnen (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Was eine Zeit mit vollwertigen Beiträgen ist bzw. als eine solche Zeit gilt, ist im Einzelnen bei Haufe Onlinekommentar RZ. 6a zu § 54 SGB VI aufgelistet.
Beitragsgeminderte Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB VI sind gem. § 54 Abs. 3 SGB VI Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit beitragsfreien Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 4 SGB VI (Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten, Ersatzzeiten) belegt sind. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Beitragszeit und die beitragsfreie Zeit im jeweiligen Kalendermonat zeitlich zusammentreffen, sich überschneiden oder aufeinander folgen. Die Bedeutung der beitragsgeminderten Zeiten ergibt sich aus der Einbeziehung in die Gesamtleistungsbewertung. Die beitragsgeminderten Zeiten werden mit den für die beitragsfreien Zeiten ermittelten Entgeltpunkten bewertet, wenn es für die Versicherten günstiger ist. Insoweit ist sichergestellt, dass sich ein schlechter Beitragswert im selben Kalendermonat nicht nachteilig auswirkt (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 54 SGB VI).
Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind. Wurden für Kalendermonate mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten auch Beiträge (wenn auch nur für einen Tag) gezahlt oder gelten dafür Beiträge als entrichtet, handelt es sich um beitragsgeminderte Zeiten.
Sofern die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine beitragsfreie Zeit erfüllt sind, werden sie rentensteigernd berücksichtigt, und zwar im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 54 SGB VI).
Die Anrechnungszeiten sind in §§ 58, 252, 252a, 253 SGB VI geregelt. Für
Anrechnungszeiten erhält der Versicherte über die Gesamtleistungsbewertung entsprechend seinen Beiträgen während des Gesamtleistungszeitraums individuelle Entgeltpunkte. Anrechnungszeiten sind z.B. Zeiten, in denen Versicherte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben (§ 58 Abs. 1 Nr. 1) oder nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI).
Als Zurechnungszeit wird für die Berechnung der Rentenhöhe nach §§ 59 Abs. 1, 253a SGB VI die Zeit des Eintritts der Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres berücksichtigt, wenn der Versicherte beim Eintritt der Erwerbsminderung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dadurch sollen zu niedrige Renten vermieden werden. Die Bewertung der Zurechnungszeit erfolgt mit dem individuellen Gesamtleistungswert.
Ersatzzeiten (§ 250 SGB VI) zählen zu den beitragsfreien Zeiten. Bei den beitragsfreien Zeiten generell und somit auch bei der Ersatzzeit unterblieb aufgrund besonderer Umstände die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Da auch Ersatzzeiten zur Begründung von Rentenansprüchen führen können, spielen diese Zeiten eine bedeutende Rolle; denn sie zählen in allen Fällen von Rentenleistungen (wie Altersrente, Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente) anwartschaftserhöhend mit. Ersatzzeiten sind Zeiten vor dem 1.1.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und der Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr einem der Tatbestände nach § 250 Abs. 1 SGB VI unterworfen war. Es handelt sich um Zeiten mit Entschädigungscharakter, da in diesen Zeiten Beitragszahlungen aus Gründen unterblieben, die der Versicherte nicht zu vertreten hat. Hierzu zählen u.a.:
- Kriegsdienst im 2. Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft und damaliger Wehrdienst und Reichsarbeitsdienst,
- Zeiten der Verfolgung durch den Nationalsozialismus,
- Zeiten der Vertreibung oder Flucht, Internierung, Verschleppung und des Festgehaltenwerdens von Deutschen infolge des 2. Weltkrieges,
- Haftzeiten im Gebiet der DDR in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 30. Juni 1990, soweit der Versicherte rehabilitiert oder das Strafurteil aufgehoben worden ist.
Zum Teil zählen auch an diese Zeiten anschließende Krankheits- und Arbeitslosigkeitszeiten als Ersatzzeiten.
Ersatzzeiten sind auf Zeiten bis zum 31. Dezember 1991 begrenzt. Sie zählen bei allen Rentenfällen ohne weitere Voraussetzungen sowohl bei der Wartezeit (vgl. 5.1.2) als auch bei der Rentenberechnung (vgl. 5.1.3) mit. Als sog. pauschale Ersatzzeit wird die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 für Personen, welche den Bundesvertriebenenausweis A oder B nach dem Bundesvertriebenengesetz besitzen, bezeichnet.
Ersatzzeiten werden allerdings nur berücksichtigt, solange kein Ausschlussgrund i.S.d. § 250 Abs. 2 SGB VI vorgelegen hat. Das sind u.a. Zeiten, für die eine Nachversicherung durchgeführt worden ist oder für die eine Nachversicherung mangels Antragstellung ausgeblieben ist. Ersatzzeiten werden mit dem individuellen Gesamtleistungswert entschädigt.
Berücksichtigungszeit (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI) ist gemäß § 57 SGB VI die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit (§ 56 SGB VI) auch in dieser Zeit vorliegen. Weiterhin gab es im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1992 und dem 31. März 1995 Berücksichtigungszeiten bei nichterwerbsmäßiger Pflege eines Pflegebedürftigen (Pflegeberücksichtigungszeit). Letztere wurde 1995 mit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung und der damit verbundenen Pflichtversicherung für Pflegepersonen (§ 3 Nr. 1a SGB VI) wieder abgeschafft (§ 249b SGB VI). Die Pflegeversicherungszeiten spielen deshalb heutzutage kaum noch eine Rolle.