Die Frage ist, inwieweit das Blindengeld bei der Festsetzung von Krankenkassenbeiträgen für freiwillig Versicherte als beitragspflichtige Einnahme nach § 240 SGB V berücksichtigt werden darf, wie dies bis zum 31.12.2008 von einigen Krankenkassen vertreten wurde und gegenwärtig vom nunmehr seit 01.01.2009 zuständigen Spitzenverband Bund der Krankenkassen vertreten wird.

Die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder wird nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V seit dem 01.01.2009 einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitgliedes berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Das Gesetz überlässt damit für freiwillige Mitglieder die Bestimmung der in der Krankenversicherung beitragspflichtigen Einnahmen grundsätzlich der Bestimmung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (früher der Satzung der Krankenkassen vgl. BSG, Urt. v. 19.12.2000 - B 12 KR 1/00 R.)

Der Spitzenverband Bund hat am 27.10.2008 in der Form von Richtlinien einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) beschlossen. Die Grundsätze beschreiben nicht im Einzelnen, sondern in den §§ 3 und 4 in allgemeiner, generalklauselartiger Form, welche Einnahmen zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind. Die bisher maßgebliche Rechtsprechung ist dabei weiterhin zu beachten (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 240 SGB V).

Eine rein pauschale Zurechnung des Blindengeldes oder der Blindenhilfe zu den berücksichtigungsfähigen beitragspflichtigen Einnahmen durch die Satzung einer gesetzlichen Krankenkasse war nicht rechtens (SG. Lübeck Urteil vom 20.12.2007 AZ.: S 14 KR 466/07). Sie ist auch mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" nicht vereinbar.

Diese Rechtsprechung wird im Urteil des BSG vom 24.01.2007 - B 12 KR 28/05 R -, welches zur Grundrente nach § 31 BVG ergangen ist, ausführlich dargestellt. Daraus ergibt sich folgendes:

Zwar findet eine Beschränkung der Beitragspflicht auf bestimmte Einkunftsarten nicht statt, ebenso wenig eine einnahmenmindernde Berücksichtigung des Zwecks der Leistung. Das heißt: Die "gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" wird von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds bestimmt. Das BSG hat deshalb "die Beitragsfreiheit auch bei zweckgerichteten Sozialleistungen bislang nur für die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG (Urteil vom 23.11.1992, 12 RK 29/92, BSGE 71, 237 = SozR 3-2500 § 240 Nr. 12 S 48) angenommen".

Dieses Zitat ist andererseits aber auch so zu verstehen, dass das BSG weiterhin an der Entscheidung vom 23.11.1992 festhält, und daraus ergibt sich, dass auch noch nach heutiger Sicht die Blindenhilfe nach dem früheren § 67 BSHG, die zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen gehörte, beitragsfrei gestellt werden müsste. Die Konsequenz: Da sich mit der Übernahme der Blindenhilfe-Regelung in § 72 SGB XII am Charakter der Leistung nichts geändert hat, kann für sie im Hinblick auf die Frage der Beitragsfreiheit auch heute nichts anderes gelten. Dasselbe galt und gilt dann aber auch für das Landesblindengeld, das sich von der sozialhilferechtlichen Blindenhilfe nur dadurch unterscheidet, dass es die (allein blindheitsbedingte) Leistungsbedürftigkeit des Leistungsempfängers unabhängig von dessen Einkommen und Vermögen anerkennt.

Weiter führt das BSG im Urteil vom 24.01.2007 aus, dass wegen des weit auszulegenden Begriffs der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" das Wohngeld und die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht länger freigestellt werden konnten.

Auch hieraus ergibt sich aber keine andere Bewertung für das Blindengeld. Das Blindengeld ist nicht dem Wohngeld gleichzustellen. Das Wohngeld wird nach § 1 Abs. 1 WoGG "zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnraums als Miet- oder Lastenzuschuss zu den Aufwendungen für den Wohnraum" geleistet und dient damit der Sicherstellung allgemeiner Grundbedürfnisse. Blindengeld dient hingegen speziell dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen und führt nicht zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ebenso wenig kann das Blindengeld der Verletztenrente gleichgestellt werden, die eindeutig eine Einkommensersatzfunktion hat. Diese hat das Blindengeld gerade nicht.

Schließlich bejaht das BSG im Urteil vom 24.01.2007 die Beitragsfreiheit für die Grundrente nach § 31 BVG und führt dafür zwei Gründe an: Erstens sei diese Leistung "insoweit privilegiert, als sie nahezu überall nicht als Einkommen gewertet wird, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Insbesondere im Sozialrecht wird sie bei einkommensabhängigen Leistungen nicht berücksichtigt...". Zweitens habe die Grundrente den "wesentlichen Zweck", "einen ideellen Ausgleich zu schaffen für ein vom Einzelnen erbrachtes gesundheitliches Opfer, für das die staatliche Gemeinschaft verantwortlich ist."

Das Blindengeld ist zwar keine der Grundrente nach § 31 BVG gleichzusetzende Leistung. Gleichzusetzen ist es aber mit der Pflegezulage nach § 35 BVG, soweit diese gemäß § 35 Abs. 1 Satz 5 BVG typisierend den Blinden gewährt wird. Die Pflegezulage ist unbestritten als "gleichartige Leistung" auf das Blindengeld anzurechnen; es gab sogar vorübergehend Zeiten, in denen die Höhe des Blindengeldes an § 35 BVG gekoppelt war. Dass es bisher noch kein BSG-Urteil zur Beitragsfreistellung der Pflegezulage gibt, braucht nicht zu verwundern: Der Gedanke, dass die Pflegezulage die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsberechtigten erhöht, wäre absurd. Dass das BSG hingegen über die Grundrente entscheiden musste, liegt in der Besonderheit dieser Leistung begründet, dass sie wesentlich einem ideellen Ausgleich dient und deshalb "privilegiert" ist. Das Blindengeld kann ein vergleichbares "Privileg" zwar nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Gesetzgeber hat jedoch im Interesse der Blindengeldempfänger, die über die Leistung frei verfügen können und frei verfügen sollen, besondere Sicherungen zum Schutz der Leistung vor Zugriffen Dritter geschaffen:

Für das Blindengeld gilt - ebenso wie für die Grundrente und für die Pflegezulage -, dass es im Sozialrecht bei einkommensabhängigen Leistungen nirgendwo als Einkommen berücksichtigt wird. Kann der Blindengeldempfänger über das Blindengeld ganz oder teilweise nicht mehr bestimmungsgemäß verfügen, so kann der Leistungsträger (so ist es in einigen Landesblindengeldgesetzen geregelt) die Leistung entsprechend kürzen. Allgemein aber gelten für das Blindengeld besondere Abtretungs- und Verpfändungsverbote (in allen Landesblindengeldgesetzen enthalten) und die Regelung in § 850a Nr. 8 ZPO. Diese Schutzbestimmungen erstrecken sich nach der Rechtsprechung auch auf den "mittelbaren" Zugriff auf das Blindengeld (wenn z.B. Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze mit dem Hinweis auf den Blindengeldbezug gepfändet werden soll). Der Blindengeldempfänger kann demnach auch nicht darauf verwiesen werden, er könne ja die wegen des Blindengeldbezugs erhöhten Krankenversicherungsbeiträge gegebenenfalls auch aus seiner Rente bezahlen. In diesem Falle würde der Betreffende als Blindengeldempfänger und somit als Blinder gegenüber dem nicht blinden Versicherten benachteiligt. Dies aber wäre ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und in § 33c SGB I.

Einnahmen, die einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken sollen, gehören nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen (Haufe Onlinekommentar RZ. 28 zu § 240 SGB V). Das muss entgegen der vom Sozialgericht Köln in seinem Urteil vom 01.04.2009 AZ.: S 9 KR 327/08 auch für die seit 01.01.2009 geänderte Rechtslage gelten. Das Gericht übersieht, dass der Gesetzgeber mit der Verlagerung der Regelungszuständigkeit auf den GKV-Bundesverband den Regelungsrahmen nicht ausweiten wollte.

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