In aller Regel haben Blindengeld und Kindergeld nichts miteinander zu tun, weil es beim Kindergeld nicht auf das Einkommen ankommt und deshalb die Frage nicht auftaucht, ob das Blindengeld hier als Einkommen zu berücksichtigen ist. Auch beim einkommensabhängigen Kinderzuschlag, mit dem das Kindergeld aufgestockt werden kann, spielt der Bezug von Blindengeld keine Rolle, denn § 6a BKGG verweist im Hinblick auf den Begriff des Einkommens auf § 11 SGB II. Dessen Abs. 3 Nr. 1 ist so auszulegen, dass Blindengeld nicht als "Einkommen" zu berücksichtigen ist. Vgl. auch oben, 9.1.2.

Etwas ganz anderes gilt jedoch, wenn das behinderte Kind eigentlich kein Kind mehr ist, sondern die Grenze zum 25. Lebensjahr überschritten hat. In diesem Fall bleibt die Kindergeldberechtigung für das Kind erhalten, wenn "es (...) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist." Für den Nachweis der Behinderung reicht in der Regel die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen H. Für den Nachweis des Merkmals "außerstande, sich selbst zu unterhalten" wird darüber hinaus geprüft, welche "Einkünfte und Bezüge" das Kind hat. Und zu diesen "Bezügen" gehört auch der Bezug des Blindengeldes! Überschreiten besagte "Einkünfte und Bezüge" eine bestimmte Grenze, so wird das Tatbestandsmerkmal "außerstande sich selbst zu unterhalten" verneint und das Kindergeld wird verweigert.

Diese Grenze bestimmt sich nach dem in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannten Grundbetrag (von z. Z. 7.680,00 Euro im Jahr) plus einem Erhöhungsbetrag, der im Einzelfall aufgrund der eingereichten Belege für den behinderungsbedingten Mehrbedarf anerkannt wird. Auf diese Belege wird jedoch verzichtet, wenn als Erhöhungsbetrag ausschließlich der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 EStG geltend gemacht wird. Ist das behinderte Kind pflegebedürftig und zahlt die Pflegeversicherung ein Pflegegeld, so wird - aus systematischen Gründen - der Pauschbetrag nicht erhöht oder ergänzt, es wird jedoch vermutet, dass beim Bezug des Pflegegeldes ein entsprechender Bedarf an Pflege vorhanden ist, und dieser vermutete Bedarf wird an Stelle des Pauschbetrages berücksichtigt. Dies wurde vom Bundesfinanzhof bereits in einem früheren Urteil anerkannt. In einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31.8.2006 - III R 71/05 – (Anmerkung: Das vollständige Urteil ist im Internet zu finden unter: http://www.bundesfinanzhof.de/www/entscheidungen/2006.11.08/3R7105.html)

Es wird anerkannt, dass dieselbe Vermutung auch für den Bezug von Blindengeld gilt. In der Begründung des Urteils heißt es dazu:

"Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs bei Zahlung von Pflegegeld gelten ebenso bei der Zahlung von Blindengeld. Daher ist auch beim Blindengeld zu vermuten, dass ein behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe des tatsächlich gezahlten Blindengeldes besteht. (...) Das bedeutet, dass das Blindengeld zwar bei den Bezügen zu erfassen ist, weil es sich (...) um finanzielle Mittel des Kindes zur Bestreitung seines Lebensunterhalts handelt. Ist das Blindengeld höher als der Behinderten-Pauschbetrag, ist es jedoch anstelle des Behinderten-Pauschbetrages als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusetzen."

Wie aber lässt sich diese Vermutung rechtfertigen? Wie hoch ist der blindheitsbedingte Mehraufwand wirklich? Lässt sich das an Hand des Blindengeldbetrages sagen, der in jedem Bundesland verschieden ist? Der BFH räumt die sich daraus ergebenden Bedenken des Finanzgerichts Thüringen wie folgt aus:

"Der Vermutung des tatsächlichen behinderungsbedingten Mehrbedarfs in Höhe des Blindengeldes steht nicht entgegen, dass in den einzelnen Bundesländern Blindengeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Denn die unterschiedliche Höhe des Blindengeldes lässt sich nicht nur mit der Haushaltslage der einzelnen Bundesländer erklären, sondern auch mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten. Daher ist die Annahme des FG, alle Blinden hätten in allen Bundesländern einen gleich hohen behinderungsbedingten Bedarf, unzutreffend. Es ist gerichtsbekannt, dass die Lebenshaltungskosten z. B. in den vom FG genannten Ländern Hamburg und Brandenburg wesentlich voneinander abweichen.

Entgegen der Auffassung des FG führt die Vermutung, dass das jeweilige Blindengeld dem tatsächlichen Mehrbedarf entspricht, nicht zu einer Ungleichbehandlung von Blindengeldempfängern hinsichtlich des Kindergeldes. Denn bei den Empfängern von niedrigerem Blindengeld wäre einerseits auch nur ein entsprechend geringerer Betrag i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu erfassen. Andererseits wäre als Mindestbetrag bei dem behinderungsbedingten Mehrbedarf stets der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG zu berücksichtigen, wenn das ausbezahlte Blindengeld tatsächlich unter diesem Betrag läge. Anderenfalls bliebe vom Gesetzgeber pauschal angenommener behinderungsbedingter Mehraufwand zu Unrecht außer Betracht."

Zu diesem Urteil ist zu bemerken: Die Entscheidung des BFH erscheint logisch, allerdings nur deshalb, weil § 32 Abs. 4 EStG von einem weitem Begriff des "Lebensunterhalts" ausgeht bzw. von "Lebenshaltungskosten", in denen die behinderungsbedingten Mehraufwendungen mit enthalten sind. Das Urteil führt zu einem praxisgerechten Ergebnis.

Wonach suchen Sie?