Wenn ein blinder Mensch in einer vollstationären Einrichtung lebt, und die Kosten ganz oder teilweise von einem Kostenträger getragen werden, erfolgt sowohl nach den Landesblindengeldgesetzen als auch nach § 72 SGB XII (Blindenhilfe) eine Kürzung des Blindengeldes, weil in vollstationären Einrichtungen in aller Regel Leistungen geboten werden, die den vom Blinden zu tragenden blindheitsbedingten Mehraufwand verringern. Verlangt wird, dass die in der Einrichtung gebotene Betreuung zu einer erheblichen Verringerung der blindheitsbedingten Aufwendungen führt. Weil der Grund für diese Kürzung die in der Einrichtung geleistete Betreuung ist, kommen nur solche Leistungen öffentlich-rechtlicher Träger in Frage, die für den Aufenthalt in der Einrichtung zweckbestimmt sind. Die Zweckbestimmung muss sich auf die Betreuung in der Einrichtung beziehen.

Beispiele für Leistungen öffentlicher Träger, die den Zweck haben, der Betreuung in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung zu dienen und die deshalb zur Kürzung führen, sind:

  • im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Krankenbehandlung (§ 39 SGB V) und Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation in vollstationären Rehabilitationseinrichtungen (§ 40 Abs. 2 SGB V);
  • Leistungen der Rentenversicherungsträger zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn diese Maßnahmen in vollstationären Einrichtungen durchgeführt werden (§§ 9 ff. SGB VI);
  • in der gesetzlichen Unfallversicherung Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft und bei Pflegebedürftigkeit, wenn diese Maßnahmen in vollstationären Einrichtungen durchgeführt werden (§§ 26 ff. SGB VII);
  • im Versorgungsrecht nach dem BVG entsprechende Leistungen auch im Rahmen der Kriegsopferfürsorge (§ 10 ff. bzw. §§ 25b ff. BVG);
  • im Bereich der Arbeitsförderung Leistungen der besonderen Förderung für Behinderte zur Eingliederung in das Berufsleben (§§ 102, 103 SGB III).
  • im Sozialhilferecht mit einer Unterbringung verbundene Eingliederungsmaßnahmen nach §§ 54 ff. SGB XII.

Als Leistungen öffentlicher Leistungsträger kommen ferner Maßnahmen zur stationären Pflege in Betracht, also insbesondere:

  • die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach § 43 SGB XI;
  • entsprechende Leistungen der stationären Pflege der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 44 SGB VII;
  • Leistungen zur Pflege im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach § 25b Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 26c BVG sowie
  • Leistungen zur stationären Pflege nach § 61 ff. SGB XII und
  • Beihilfen des Dienstherrn bzw. des Trägers der Versorgungslast für stationäre Betreuung nach beamtenrechtlichen Vorschriften, und zwar sowohl für den Beihilfeberechtigten selbst als auch für dessen Angehörige.

Die Regelungen in den Blindengeldgesetzen bzw. Pflegegeldgesetzen der Länder:

Die Leistungseinschränkungen erstrecken sich vom vollständigen Ausschluss des Blindengeldanspruches bis zur Kürzung auf 50 % des Blindengeldes. Es gelten folgende sehr unterschiedliche Regelungen:

  1. In den Ländern Brandenburg (§ 4 Abs. 1) Ausschluss des Blindengeldanspruches; Rheinland-Pfalz (§ 3 Abs. 1 S. 1) Ruhen des Anspruchs wird kein Blindengeld gewährt. Nach beiden Gesetzen kommt es nicht darauf an, wer die Kosten trägt, es werden auch Selbstzahler betroffen. Auf den Unterschied der Regelungen in diesen Gesetzen wird unten, im Abschnitt "Auswirkung des Beginns des Aufenthalts" eingegangen.
  2. Niedersachsen (§ 2 Abs. 2) Blindengeld in Höhe von 100,00 Euro monatlich und Thüringen (§ 2 Abs. 2) Blindengeld in Höhe von 50 Euro: Auch hier kommt es nicht darauf an, wer die Kosten trägt.
  3. In den Ländern Bremen (§ 2 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2); Hamburg (§ 2 Abs. 2); Nordrhein-Westfalen (§ 2 Abs. 2); Saarland (§ 4 S. 1); Sachsen (§ 4 Abs. 2); und Schleswig-Holstein (§ 5 S. 1): Bei öffentlich-rechtlichen Kostenträgern oder Leistung einer privaten Pflegeversicherung im Sinn des SGB XI Kürzung um die Leistung des Kostenträgers, jedoch höchstens auf 50 %, für Sachsen gilt das nur, wenn die Kosten aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen werden (§ 4 Abs. 2 Landesblindengeldgesetz). Bei Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 43 SGB XI (vollstationäre Pflege) erfolgt dagegen eine Kürzung auf 50 % (§ 4 Abs. 1 Landesblindengeldgesetz).
  4. In den Ländern Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 2); Bayern (Art. 2 Abs. 2); Berlin (§ 4 Abs. 1 S. 2); Hessen (§ 2 Abs. 2); Mecklenburg-Vorpommern (§ 3 Abs. 1, wobei hier nicht der Prozentsatz angegeben, sondern die Beträge genannt werden) und Sachsen-Anhalt (§ 3) Kürzung auf 50 % des Blindengeldes, wenn die Kosten von einem öffentlich- rechtlichen Leistungsträger oder einer privaten Pflegeversicherung im Sinn des SGB XI getragen werden. Wenn diese zur Kürzung auf die Hälfte führende Leistung niedriger als das halbe Blindengeld ist, was in der Praxis kaum der Fall sein dürfte, kann der Betroffene auf sie verzichten, die Heimkosten als Selbstzahler tragen und das volle Blindengeld in Anspruch Ein Rechtsmissbrauch kann ihm in diesem Fall nicht vorgeworfen werden.
  5. Bei der Blindenhilfe § 72 Abs. 3 SGB XII: Kürzung um die Leistung des öffentlich-rechtlichen Kostenträgers, höchstens bis auf 50 % der Blindenhilfe.

Wenn das Blindengeld bei einem Heimaufenthalt niedriger ist oder, wie in Brandenburg und Rheinland-Pfalz, völlig entfällt, kommt auch hier ein (ergänzender) Anspruch auf Blindenhilfe in Frage, sofern die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.

Auf den Grund der Heimbetreuung kommt es nicht an. Sie kann z. B. im Rahmen der Schulbildung, der Berufsausbildung, der Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen, der Krankenbehandlung oder der Pflege in einer vollstationären Einrichtung erfolgen. Für den Sonderfall der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI vgl. oben 7.3.4.

Der Begriff der Einrichtungen

Die Landesblindengeldgesetze enthalten keine Definition des Begriffes einer Einrichtung. Sie sprechen von "Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen". Auch wenn nicht auf § 13 SGB XII, welcher den Begriff der "stationären Einrichtung" für das Sozialhilferecht definiert, verwiesen wird, ist im Interesse einer Rechtseinheit auf die dort enthaltene Definition, die ja auch für die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII maßgebend ist, zurückzugreifen. Stationäre Einrichtungen sind nach § 13 Abs. 1 S. 2 SGB XII Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten. Es muss sich also nicht um Pflegeheime im Sinn von § 43 SGB XI handeln. Zum Begriff der vollstationären Einrichtungen und zu Abgrenzungsfragen vgl. 6.4.4. Hier sei nur nochmals hervorgehoben, dass z. B. nicht zu den Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen reine Wohnheime, Wohnheime für Studenten und Berufstätige, Frauenhäuser, Asylbewerberheime, Spätaussiedlerheime, Jugendherbergen, Übernachtungsstätten für Wohnungslose zählen. Auch Wohngemeinschaften sind keine Heime, wenn sie nicht in eine Organisation eines Heimes eingebunden sind und die notwendigen Hilfen von den Teilnehmern der Wohngemeinschaft selbst organisiert werden.

Die gewährte Betreuung des Blinden muss zu einer erheblichen Entlastung von blindheitsbedingten Mehraufwendungen führen (BSG, Urteil vom 5.12.2001 - B 7/1 SF 1/00 R zum Landesblindengeldgesetz von Niedersachsen). Das gilt aber auch für die Blindenhilfe. Es muss sich um Einrichtungen handeln, die neben Unterkunft und Verpflegung auch persönliche Betreuungsleistungen bieten. Maßgebend ist, ob der Aufenthalt im Heim zu geringeren Aufwendungen führt, als sie Blinde in ihrer häuslichen Umgebung haben. Nur dann entstehen geringere blindheitsbedingte Mehraufwendungen, die eine Kürzung überhaupt rechtfertigen. Diese Forderung ergibt sich aus der Zweckbestimmung des Blindengeldes. Die Prüfung muss aber nicht konkret für den Einzelfall, sondern kann abstrakt erfolgen, D. h. entscheidend ist allein, ob die neben Unterkunft und Verpflegung angebotenen Betreuungsleistungen grundsätzlich geeignet sind, beim Aufenthalt außerhalb der Einrichtung möglicherweise anfallende spezifisch blindheitsbedingte Mehraufwendungen zu ersetzen (Bayer. LSG-Urteil vom 16.07.2002, Az. L 15 BL 6/01).

Als Betreuungsleistungen kommen z.B. in Betracht:

  • Rufbereitschaft in der Nacht,
  • vorübergehende Pflege im Krankheitsfall,
  • Begleitung innerhalb des Hauses zum Speisesaal oder Garten,
  • gelegentliches Vorlesen von Post und Erledigung von Schreibarbeiten,
  • soziale Beratung

Es ist nicht entscheidend, ob der Blinde die Betreuungsangebote auch tatsächlich nutzt. Die Betreuungsleistungen müssen in den Heimkosten enthalten sein.

Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, inwieweit Rehabilitationseinrichtungen, wie Berufsbildungswerke oder Berufsförderungswerke Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinn der Blindengeldgesetze sind. Sie erfüllen dann die Voraussetzungen eines Heimes oder einer gleichartigen Einrichtung, wenn über Unterkunft und Verpflegung hinaus Betreuungsleistungen angeboten werden, was jeweils im Einzelfall zu klären ist. Die Voraussetzungen können sich z. B. durch Veränderungen in der Organisation ändern. Zum Problem wird auf folgende Urteile hingewiesen:

Das Sozialgericht Nürnberg hat in seinem Urteil vom 09.11.2000 - S 16 BL 4/00 - die Eigenschaft des BFW Würzburg (früher Veitshöchheim) als "Heim oder gleichartige Einrichtung" verneint und dem Kläger das volle Blindengeld nach dem bayerischen Blindengeldgesetz zuerkannt. Das SG Nürnberg hat seine Entscheidung damit begründet, dass im BFW Würzburg neben blinden und sehbehinderten Rehabilitanden auch andere Rehabilitanden aufgenommen werden und im Internat für Blinde keine besonderen Betreuungsleistungen angeboten würden. Ein Indiz dafür sei, dass die Internatskosten für alle Rehabilitanden gleich hoch sind. Dass im Ausbildungs- und Beratungsbereich im Gegensatz zum Wohnbereich Betreuungsleistungen erbracht werden, ändere den Charakter der Einrichtung deshalb nicht, weil die für diesen Bereich entstehenden Kosten gesondert von den Internatskosten in Rechnung gestellt werden und die Kurse auch von Pendlern besucht werden können, welchen die Betreuungsangebote ebenfalls zur Verfügung stehen.

Demgegenüber hat der VGH Mannheim mit Urteil vom 06.04.2000 - 7 S 1967/98 (= fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte, Heft 4/2001, S. 159 ff.) zum Berufsförderungswerk in Düren entschieden, dass dieses eine gleichartige Einrichtung im Sinn von § 2 Abs. 2 Landesblindenhilfegesetz von Baden-Württemberg sei, weil die Betreuung in dieser Einrichtung, wenn sie auch nicht als volle Betreuung anzusehen sei, einen großen Teil der blindheitsbedingten Mehraufwendungen abnehme.

Für das Berufsförderungswerk Düren hat auch das Landessozialgericht Niedersachsen mit Urteil vom 28.01.2000 - L 9 Bl 97/98 -, ergangen zu § 2 Abs. 2 S. 1 Landesblindengeldgesetz für Niedersachsen, angenommen, dass es sich um eine gleichartige Einrichtung handle, die eine Kürzung des Blindengeldes rechtfertige. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass den Kursteilnehmern neben Vollverpflegung und Zimmerreinigung auch Freizeit- und Betreuungsangebote zur Verfügung stünden.

Auf die Revision der Klägerin hin wurde dieses Urteil durch Urteil des 7. Senats des BSG vom 05.12.2001 - B 7/1 SF 1/00 R - (SozR 3-5922 § 1 Nr. 1) aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen zurückverwiesen. Das BSG fordert ebenfalls, dass Blinde durch die in der Einrichtung gewährten Betreuungsleistungen von blindheitsbedingten Mehraufwendungen nicht unerheblich entlastet werden. In diesem Zusammenhang sei der Zweck des Blindengeldes besonders zu beachten. Das BSG hielt die bisher erfolgte Sachaufklärung insoweit nicht für ausreichend. Das BSG stellt zu den Anforderungen an eine Einrichtung fest, dass die bloße Gewährung von Unterkunft und Verpflegung (hier: Unterkunft mit Zimmerreinigung, Vollverpflegung) allein nicht ausreichen kann, "um von einer blindheitsbedingte Mehraufwendungen mindernden Betreuung in einem erheblichen Umfang auszugehen."

Auswirkung von Beginn, Unterbrechung und Ende des Aufenthalts in einer Einrichtung auf die Höhe des Blindengeldes:

Auswirkung des Beginns des Aufenthalts:

In sämtlichen Landesblindengeldgesetzen sowie in § 72 SGB XII tritt die Kürzung bzw. Einstellung oder das Ruhen des Blindengeldanspruches nicht sofort mit dem Eintritt in die Einrichtung ein. Dadurch soll die Kürzung oder der Verlust des Blindengeldanspruches bei kurz dauerndem Aufenthalt in einer Einrichtung, z. B. in einem Krankenhaus oder in einer Rehabilitationseinrichtung vermieden werden. Ferner wird berücksichtigt, dass mit der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung eine Umstellung auf eine neue Umgebung erfolgt. Die Eingewöhnungsphase kann sogar zu erhöhten Mehraufwendungen führen.

Nach den Regelungen in den Gesetzen der 5 Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt beginnt die Kürzung ab dem 1. des auf den Eintritt folgenden Monats. Das kann je nach dem Termin des Eintritts zu einer Gewährung des ungekürzten Blindengeldes von einem Monat bis zu nur einem Tag führen. Erfolgt z. B. der Eintritt am 1. März, so tritt die Kürzung ab 1. April ein. Erfolgt der Eintritt am 31. März, tritt die Kürzung ebenfalls schon ab 1. April ein. Im Einzelnen:

Für Berlin ergibt sich aus § 4 Abs. 1 S. 1 des Pflegegeldgesetzes, dass der Anspruch auf das volle Blindengeld mit Ablauf des Monats der Aufnahme in die Einrichtung ruht, wenn sich der Berechtigte länger als einen Monat in einer Einrichtung befindet und die Kosten des Aufenthalts oder der Pflege und Betreuung ganz oder teilweise von einem öffentlich-rechtlichen Kostenträger oder einem Pflegeversicherung betreibenden Versicherungsunternehmen nach den Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch getragen werden. Wenn der Aufenthalt länger als einen Monat dauert, ist mit Beginn des auf die Aufnahme folgenden Monats das um die Hälfte gekürzte Blindengeld zu gewähren (§ 4 Abs. 4 S. 2).

Für Brandenburg ergibt sich aus § 8 Abs. 2 des Pflegegeldgesetzes, dass die sich aus § 4 Abs. 1 ergebende Einstellung des Pflegegeldes vom 1. des Monats an wirksam wird, der auf den Aufnahmemonat folgt.

Für Hamburg ergibt sich aus § 6 Abs. 2 S. 2, dass bei Aufnahme in eine Einrichtung die Herabsetzung des Blindengeldes gemäß § 2 Abs. 2 vom 1. des Monats ab bewirkt wird, der auf den Aufnahmemonat folgt; denn es wird monatlich im Voraus gewährt.

Für Sachsen bestimmt § 4 Abs. 3 S. 2, dass die Kürzung für jeden vollen Kalendermonat gilt. Sie gilt nach § 4. Abs. 3 S. 3 ab dem ersten Tag des Folgemonats, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt.

Für Sachsen-Anhalt bestimmt § 3 Abs. 1 S. 2, dass die Kürzung des Blindengeldes bei Heimaufenthalt für jeden ganzen Kalendermonat gilt. Nach § 3 Abs. 1 S. 3 gilt die Kürzung ab dem ersten Tag des Folgemonats, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt.

Eine abweichende Regelung gilt in Rheinland-Pfalz. § 3 Abs. 1 S. 2 bestimmt, dass das Ruhen des Blindengeldanspruches nicht eintritt, wenn der Aufenthalt in einer Einrichtung nicht länger als vier Wochen dauert. Befindet sich der Blinde länger als vier Wochen in einer Einrichtung, so tritt das Ruhen nach § 3 Abs. 2 S. 1 am ersten Tag der fünften Woche ein. Das bewirkt, dass für die ersten vier Wochen einer vollstationären Betreuung in einer Einrichtung stets der volle Blindengeldanspruch bestehen bleibt. Auf den Termin des Eintritts kommt es nicht an. Erfolgt der Eintritt z. B. am 31. März, so tritt das Ruhen des Blindengeldanspruches am 28. April ein.

Nach den übrigen 10 Landesgesetzen und nach § 72 SGB XII erfolgt die Kürzung des Blindengeldes bzw. der Blindenhilfe erst vom ersten Tag des zweiten Monats an, der auf die Aufnahme erfolgt. Vgl. die Landesgesetze von Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 2 S. 1), Bayern (Art. 2 Abs. 2 S. 2), Bremen (§ 7 Abs. 2 S. 1), Hessen (§ 2 Abs. 2 S. 1), Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 Abs. 1 S. 3), Niedersachsen (§ 2 Abs. 2 S. 3), Nordrhein-Westfalen (§ 2 Abs. 2 S. 1, Halbsatz 2), Saarland (§ 4 S. 1, Halbsatz 2), Schleswig-Holstein (§ 5 S. 2) und Thüringen (§ 2 Abs. 2). Für Thüringen bestimmt zwar § 9 Abs. 3 S. 1, dass eine Änderung der Tatsachen, die eine Herabsetzung oder eine Einstellung des Blindengeldes bewirken, vom 1. des Monats an zu berücksichtigen ist, der auf den Monat folgt, in welchem die Tatsachen sich geändert haben. In § 9 Abs. 3 S. 2 wird aber bestimmt, dass § 2 Abs. 2 unberührt bleibt. § 2 Abs. 2 verweist auf § 72 Abs. 3 SGB XII. In § 72 Abs. 3 S. 2 wird für die Blindenhilfe bestimmt, dass die Kürzung mit dem 1. des zweiten, auf den Eintritt erfolgenden Monats beginnt.

Erfolgt in diesen Ländern z. B. der Eintritt am 31. März, so erfolgt die Kürzung erst ab dem 1. Mai. Aber auch wenn der Eintritt am 1. März erfolgt, beginnt die Kürzung erst am 1. Mai.

Auswirkung einer Unterbrechung des Aufenthalts:

Sowohl § 72 Abs. 3 S. 3 SGB XII für die Blindenhilfe als auch die Landesgesetze, mit Ausnahme der Gesetze von Brandenburg und Hamburg, enthalten Regelungen für die vorübergehende Abwesenheit aus der Einrichtung. Sinn dieser Bestimmungen ist es, den Blinden für Ferien- oder Urlaubszeiten das ungekürzte Blindengeld zu gewähren, weil in dieser Zeit ihr blindheitsbedingter Mehraufwand nicht durch die Heimbetreuung reduziert ist.

§ 72 Abs. 3 S. 2 lautet: "Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Abs. 2 (ungekürztes Blindengeld) gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach S. 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt." Der 2. Halbsatz stellt klar, dass das Blindengeld von 1/30 des ungekürzten Blindengeldes nicht zusätzlich zum gekürzten Blindengeld gewährt wird.

Die in § 72 Abs. 3 S. 2 getroffene Regelung gilt aufgrund der Verweisung auch für das Pflegegeldgesetz für Berlin (§ 2 Abs. 1) und Thüringen (§ 2 Abs. 2).

Ausdrücklich dieser Regelung entsprechende Bestimmungen finden sich in den Landesgesetzen für Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 2 S. 2), Bayern (Art. 2 Abs. 3), Bremen (§ 7 Abs. 2 S. 2), Hessen (§ 2 Abs. 2 S. 2 und 3), Mecklenburg Vorpommern (§ 4 Abs. 1 S. 4), Niedersachsen (§ 2 Abs. 2 S. 3), Nordrhein-Westfalen (§ 2 Abs. 2 S. 2), wobei in Nordrhein-Westfalen für Blinde vor Vollendung des 18. Lebensjahres die Besonderheit gilt, dass sie 1/30 des vollen Blindengeldes bereits dann erhalten, wenn die Abwesenheit nicht sechs, sondern nur einen vollen Tag beträgt, Saarland (§ 4 S. 3), Sachsen (§ 2 Abs. 2 S. 4), Sachsen-Anhalt (§ 3 Abs.2) und Schleswig-Holstein (§ 5 S. 3).

Zur Beurteilung, wann eine Unterbrechung des Aufenthalts mehr als sechs zusammenhängende Tage beträgt, vgl. Urteil des Bayerischen LSG vom 20.01.2009 AZ.: L 15 BL 7/08. Danach genügt es, wenn dem Abreisetag sechs zusammenhängende Tage der Abwesenheit folgen oder wenn sechs zusammenhängenden Tagen der Abwesenheit der Rückreisetag folgt. Die Klägerin ist in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall vom 12.10.2005 (15.00 Uhr) bis einschließlich 19.10.2005 (09.15 Uhr) von dem Internat, das sie besucht, abwesend gewesen. Es muss also über die sechs vollen Abwesenheitstage hinaus nicht nochmals ein voller Tag der Abwesenheit vorliegen, damit das Tatbestandsmerkmal "länger als sechs volle zusammenhängende Tage" erfüllt ist.

Keine Regelung für den Fall der vorübergehenden Abwesenheit von einer Einrichtung enthalten die Blindengeldgesetze von Brandenburg und Hamburg. Für das Blindengeldgesetz von Hamburg ist die Frage, ob hier § 72 Abs. 3 SGB XII im Wege der ergänzenden Gesetzesauslegung herangezogen werden kann. Früher galt diese Regelung auf Grund der Bezugnahme in § 2 auf die Höhe der Blindenhilfe. Bei der Neuregelung und dem Wegfall dieser Verweisung durch die Gesetzesänderung vom 28.12.2004 wurde offensichtlich übersehen, eine entsprechende Regelung in das Blindengeldgesetz von Hamburg aufzunehmen.

Eine abweichende Regelung gilt in Rheinland-Pfalz. Nach § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 des Landesblindengeldgesetzes für Rheinland-Pfalz erhalten Blinde, die sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung aufhalten, für jeden Tag der vorübergehenden Abwesenheit Blindengeld in Höhe von 1/30 des vollen Betrages. Eine Beschränkung dahingehend, dass diese Leistung nur gewährt wird, wenn die Abwesenheit länger als sechs zusammenhängende volle Tage beträgt, enthält das Gesetz nicht. Hintergrund der Regelung ist, dass für die Zeit des Aufenthaltes in einer Einrichtung nach dem Landesblindengeldgesetz von Rheinland-Pfalz der Blindengeldanspruch gemäß § 3 Abs. 1 nicht ausgeschlossen ist, sondern nur ruht.

Das Pflegegeldgesetz für Brandenburg enthält keine Regelung für den Fall der vorübergehenden Abwesenheit. Nach § 4 Abs. 1 besteht beim Aufenthalt in einer Einrichtung kein Anspruch auf Blindengeld. Das gilt auch für eine vorübergehende Abwesenheit. Soweit in Einrichtungen Betreute wegen des Fehlens eines Anspruches nach dem Pflegegeldgesetz von Brandenburg Blindenhilfe nach § 72 SGB XII erhalten, bekommen sie nach § 72 Abs. 3 S. 3 für die Abwesenheit von mehr als sechs vollen zusammenhängenden Tagen 1/30 der Blindenhilfe.

Auswirkung der Beendigung des Aufenthalts:

Das Wiederaufleben des vollen Blindengeldanspruches beim Austritt aus einer Einrichtung ist unterschiedlich geregelt.

Wenn die Kürzung nur für volle Monate des Aufenthalts eintritt und der Austritt im Laufe eines Monats erfolgt, besteht ab dem 1. des Austrittmonats wieder der Anspruch auf das volle Blindengeld. Das gilt für die meisten Landesblindengeldgesetze und für die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII. Erfolgt also z. B. der Austritt am 15. April, so besteht ab 1. April wieder der Anspruch auf das volle Blindengeld.

Das ist nach folgenden Blindengeldgesetzen der Fall:

Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 2 S. 2), Bayern (Art. 2 Abs. 2 S. 2), Bremen (§ 7 Abs. 2 S. 1), Hessen (§ 2 Abs. 2 S. 2), Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 Abs. 1 S. 3), Nordrhein-Westfalen (§ 2 Abs. 2 S. 2), Saarland (§ 4 S. 2), Sachsen (§ 4 Abs. 2 S. 2) Sachsen-Anhalt (§ 3 Abs. 1 S. 2), Schleswig-Holstein (§ 5 S. 2) und Thüringen (§ 2 Abs. 2 durch Verweisung auf § 72 Abs. 3 SGB XII).

Dasselbe gilt auf Grund ausdrücklicher Regelung auch in folgenden Ländern:

Berlin (§ 4 Abs. 2 S. 2) und Niedersachsen (§ 2 Abs. 2 S. 4).

Das Pflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz von Brandenburg ist ebenfalls ab dem 1. des Austrittsmonats zu gewähren, wenn der Austritt vor Monatsende erfolgt und gemäß § 7 Abs. 1 ein Antrag gestellt wird. Das ergibt sich daraus, dass nach § 4 Abs. 1 Blinde in Einrichtungen keinen Anspruch auf Blindengeld haben, dass aber nach § 8 Abs. 1 S. 1 die Gewährung des Pflegegeldes mit dem Ersten des Monats beginnt, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens aber mit dem Ersten des Antragsmonats.

In Rheinland-Pfalz gilt eine abweichende Regelung. Dort wird das volle Blindengeld ab dem auf den Austritt folgenden Tag gewährt. Das wird in § 3 Abs. 2 S. 1 des Landesblindengeldgesetzes ausdrücklich geregelt. Soweit das Blindengeld für den Rest eines Monats nach Tagessätzen zu gewähren ist, beträgt es für jeden Tag 1/30 des Monatsbetrages.

Für die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII ergibt sich aus Abs. 3 S. 2, dass beim Austritt aus einer Einrichtung ab dem 1. des Austrittsmonats wieder der volle Betrag zu zahlen ist; denn die Kürzung auf die Hälfte tritt nur für volle Monate des Aufenthalts ein.

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