In den Landesblindengeldgesetzen wird alternativ zum Wohnsitz an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. In den meisten wird sogar nur der "gewöhnliche Aufenthalt" gefordert.
Nach der Legaldefinition in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, "wo er sich u. U. aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt".
Für den gewöhnlichen Aufenthalt ist keine stets verfügbare Wohnung, wohl aber eine Unterkunft erforderlich. Der Gegensatz zum gewöhnlichen Aufenthalt ist der vorübergehende Aufenthalt. Damit tritt der Zweck des Verweilens in den Vordergrund; denn ob sich jemand gewöhnlich oder nur vorübergehend in einem Gebiet aufhält, lässt sich nur "im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise" entscheiden. Bei dieser Prognose müssen alle bei Beginn des zu beurteilenden Zeitraumes erkennbaren Umstände berücksichtigt werden. Vorübergehend ist ein Aufenthalt, wenn und solange den gesamten Umständen nach anzunehmen ist, dass er beschränkt sein soll. Maßgebend dafür, ob ein dauernder (gewöhnlicher) oder ein vorübergehender Aufenthalt vorliegt, sind damit zunächst die Motive, die den Einzelnen leiten und sein Wille (BSG Urteil vom 24.05.1967, Az. 4 RJ 201/66, in BSGE 26, 277, 278). Die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dürfen diesem Willen aber nicht entgegenstehen (BSG Urteil vom 31.01.1980, Az. 8 b RKg 4/79, in BSGE 49, 254, 256). Es müssen objektive Momente vorliegen, die auf ein längeres Verweilen schließen lassen. Auf eine bestimmte Zeitdauer, z. B. mindestens sechs Monate, kommt es nicht an. Das ergibt sich daraus, dass, obwohl § 30 SGB I dem Steuerrecht nachgebildet wurde, die entsprechende Bestimmung aus § 9 AO nicht übernommen worden ist. Der Wille, auf längere Dauer an einem Ort zu verweilen, kann ein, den gewöhnlichen Aufenthalt begründendes Element sein, wenn der Realisierbarkeit keine Hindernisse im Wege stehen. Bei einer längeren tatsächlichen Verweildauer ist regelmäßig ein gewöhnlicher Aufenthalt gegeben, wenn nicht der Wille zu nur vorübergehendem Verbleib an diesem Ort besteht und deshalb der gewöhnliche Aufenthalt an einem anderen Ort nicht aufgegeben worden ist. Ist das Ende des Aufenthalts bereits konkret absehbar, spricht dies gegen einen dauernden Aufenthalt. Der gewöhnliche Aufenthalt ist nämlich nicht gleichbedeutend mit "niemals abwesend sein". Auch eine Abwesenheit von längerer Dauer hebt dann den gewöhnlichen Aufenthalt nicht auf, wenn die Absicht oder Wahrscheinlichkeit besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren und wenn gefestigte Beziehungen zu diesem früheren Aufenthaltsort aufrechterhalten bleiben. Das BSG hat zur Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes ein Dreistufenschema entwickelt. Es prüft: 1. den tatsächlichen Aufenthalt, 2. die Umstände des Aufenthalts und nimmt 3. eine Würdigung der Umstände vor, wobei es insbesondere ermittelt, ob der Betroffene am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt, wo er sozusagen seinen Lebensmittelpunkt hat.
Der Lebensmittelpunkt bleibt erhalten, wenn am Heimatort eine Unterkunft verfügbar ist und wenn der auswärtige Aufenthalt von seiner Zweckbestimmung her auf den vorhandenen Rückkehrwillen schließen lässt. Das ist z. B. in folgenden Fällen anzunehmen:
- Von vornherein befristeter Arbeitsvertrag z. B. Saisonarbeit.
- Besuch einer auswärtigen Internatsschule, wenn die familiären Beziehungen bestehen bleiben, wofür Wochenendheimfahrten und Ferienaufenthalte bei den Eltern ein Indiz sind.
- Berufsausbildung oder Berufsumschulung in einem anderen Land, insbesondere, wenn diese Ausbildung oder Umschulung in einem Berufsbildungs- bzw. Berufsförderungswerk oder anderem Rehabilitationszentrum absolviert wird. Rehabilitationsmaßnahmen sind stets befristet.
- Auswärtiger Studienaufenthalt, soweit die familiären Bindungen bestehen bleiben und die Rückkehr an den Heimatort nicht nur rein besuchsmäßigen Charakter hat.
Vgl. dazu Urteil des BSG SozR 7833, § 1 Nr. 1; Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26.03.1992 - L 7 V 757/91 (hier wurde die Beibehaltung des heimatlichen gewöhnlichen Aufenthaltes in Baden-Württemberg für einen Rehabilitanden, der sich zunächst für ein Jahr im Berufsförderungswerk Veitshöchheim und dann für ein weiteres halbes Jahr zur Absolvierung einer Masseurausbildung, ebenfalls in Veitshöchheim, aufhielt, angenommen); Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.06.1997 - L 4 V 14/97; Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.02.1994 - L 4 V 76/93 = Behindertenrecht 1994, S. 134 ff. (Auch nach dieser Entscheidung wird durch die Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme mit internatsmäßiger Unterbringung in einem Berufsförderungswerk (Berufsförderungswerk Veitshöchheim) unter Beibehaltung der bisherigen Wohnung am Heimatort am Ort des Berufsförderungswerkes kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des SGB I, § 30 Abs. 3 begründet. Mit dieser Entscheidung wurde gleichzeitig die Rechtsprechung des LSG für Rheinland-Pfalz in den Entscheidungen des 2. Senats, Urteil vom 25.02.1991 - L 2 P 2/92 und - L 2 P 5/90 aufgegeben).
Bei Ausländern ergibt sich der Zweck des Aufenthalts, der für die Beurteilung als vorübergehend oder dauernd maßgebend ist, oft aus der ausländerrechtlichen Behandlung der Einreise (Sichtvermerk).