Nach § 30 Abs. 3 S. 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, "wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird." Dieser Wohnsitzbegriff ist nicht identisch mit dem Wohnsitzbegriff der §§ 7 ff. BGB. Die Begriffe "Wohnsitz" und "gewöhnlicher Aufenthalt" nach § 30 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB I sind dem Steuerrecht nachgebildet (vgl. §§ 8 und 9 Abgabenordnung). Der sozialrechtliche Wohnsitzbegriff weicht von dem zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 BGB insoweit ab, als zu seiner Bestimmung nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen, sondern auf objektive Merkmale abgestellt wird. § 30 Abs. 3 SGB I soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, dass durch die rein formelle Begründung eines Wohnsitzes Sozialleistungen erlangt werden können. Entscheidend ist, dass der Mittelpunkt der Lebensführung an diesem Ort besteht.

Die Unterhaltung eines Wohnsitzes erfordert ein reales Verhalten im Bezug auf einen Lebensmittelpunkt. Es muss ein realisierbarer Wille zur Begründung und Aufrechterhaltung des Wohnsitzes vorhanden sein. Auf die polizeiliche Meldung kommt es nicht an. Die Begründung oder Beibehaltung eines Wohnsitzes ist keine geschäftsähnliche Handlung, die einen entsprechenden Domizilwillen voraussetzt. Anders als im BGB können Minderjährige ohne, ja sogar gegen den Willen ihres gesetzlichen Vertreters einen sozialrechtlichen Wohnsitz begründen. Eine Wohnung muss vorhanden sein. Bei der Wohnung muss es sich um Räumlichkeiten handeln, die als ständiges Heim geeignet sind. Ausstattung und sonstige Gegebenheiten müssen auf eine - zumindest regelmäßige - Benutzung hinweisen. Nicht erforderlich ist allerdings eine ständige, ununterbrochene Anwesenheit. So geht der Wohnsitz selbst dann nicht verloren, wenn sich der Inhaber zu Studien- oder Ausbildungszwecken bzw. zur Schulausbildung oder zur vorübergehenden Berufsausbildung längere Zeit in einem anderen Bundesland, ja selbst im Ausland aufhält, wenn die Wohnung jederzeit zur Benutzung zur Verfügung steht und der Berechtigte nicht die Absicht hat, sich auf unabsehbare Zeit in einem anderen Bundesland oder im Ausland aufzuhalten und seiner Rückkehr keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen. Ein vorübergehender auswärtiger Aufenthalt bis zu zwei Jahre wird in der Regel für unschädlich gehalten. Zu den Anforderungen an die Wohnung am Heimatort bei Auslandsstudium vgl. BSG Urteil vom 28.05.1997 - 14/10 RKg 14/94 .

Eine Person kann mehrere Wohnsitze nebeneinander, und damit auch in verschiedenen Bundesländern oder im Inland und Ausland, haben. Die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu den verschiedenen Wohnsitzen dürfen sich ihrer Intensität nach jedoch nicht wesentlich unterscheiden.

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