Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur individuellen Förderung ergibt sich insbesondere aus § 81 Abs. 4 SGB IX.
Danach haben die schwerbehinderten Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf:
- Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,
- bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
- Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
- behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr und
- Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung.
Bei der Durchführung der Maßnahmen nach den Nummern 1, 4 und 5 unterstützen
die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften der schwerbehinderten Menschen. Diese Unterstützung kann in der Beratung durch die technischen Fachdienste der Agenturen für Arbeit und der Integrationsämter, aber auch der Erbringung finanzieller Leistungen zur behinderungsgerechten
Ausstattung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Rahmen der begleitenden Hilfe bestehen (vgl. dazu 5.3 Begleitende Hilfen im Arbeitsleben).
Ein Anspruch besteht allerdings nicht, soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. So ist eine völlige Umorganisation des Betriebes nicht zumutbar. Für den Arbeitgeber besteht allerdings nach § 81 Abs. 3 die Verpflichtung, seinen Betrieb oder seine Dienststelle so zu organisieren, dass wenigstens die nach § 71 SGB IX vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen in dem Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigt werden kann. Auch diese Verpflichtung ist durch die Verweisung in Abs. 3 S. 2 auf Abs. 4 Satz 3 in der Weise eingeschränkt, dass sie zumutbar sein muss und nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Die Bemühungen werden allerdings in der Regel insoweit zuzumuten sein, als es um die Erfüllung der Beschäftigungspflicht geht, weil der Gesetzgeber bei der Auferlegung der Beschäftigungspflicht davon ausgegangen ist, dass jeder Arbeitgeber diese Pflicht ungeachtet betrieblicher Besonderheiten erfüllen kann und ihn hierbei die Agenturen für Arbeit und die Integrationsämter unterstützen (Abs. 4 Satz 2).
Zu den einzelnen Nummern in § 81 Abs. 1 S. 1 gilt folgendes:
Zu Nr. 1. (Verpflichtung zur Beschäftigung, bei der schwerbehinderte Menschen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können):
Daraus ergibt sich kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder darauf, seinen Neigungen und Wünschen entsprechend beschäftigt zu werden. Allerdings muss das Benachteiligungsverbot nach § 81 Abs. 2 beachtet werden (vgl. 5.2.3). Aus dem Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung ergibt sich die Verpflichtung des Arbeitgebers, die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und damit seine behindertengerechten Einsatzmöglichkeiten feststellen zu lassen, es sei denn insoweit bestehen keinerlei Unklarheiten. Der Arbeitgeber muss versuchen, den Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine behindertengerechte Beschäftigung ggf. auch durch Umorganisation zu erfüllen. Insoweit kann der Arbeitgeber auch verpflichtet sein, durch Umorganisation in den zumutbaren Grenzen einen behindertengerechten Arbeitsplatz zu schaffen, an dem der vertragliche Beschäftigungsanspruch erfüllt werden kann (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 3. Kammer Urteil vom 8. Juni 2005, Az: 3 Sa 30/05, NZA-RR 2005, 510-514; BAG vom 29.1.1997 - 2 AZR 9/96 - AP Nr. 32 zu § 1 KSchG 1969). Eine völlige Umorganisation des Betriebes ist aber nicht zumutbar. Zur Beweislast hat das BAG mit Urteil vom 10. Mai 2005, Az: 9 AZR 230/04 - AP 00 Nr. 8 zu § 81 SGB IX mit Bezug auf den Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung festgestellt:
"Zur Begründung dieses Anspruchs hat er (der schwerbehinderte Mensch) regelmäßig bereits dann schlüssig vorgetragen, wenn er Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigt, die seinem infolge der Behinderung eingeschränkten Leistungsvermögen und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen. Der Arbeitgeber hat sich hierauf substantiiert (d. h. mit konkreten Angaben) einzulassen und die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass solche behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bestehen oder deren Zuweisung ihm unzumutbar ist. Hierzu gehört auch die Darlegung, dass kein entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist und auch nicht durch Versetzung freigemacht werden kann. Es obliegt dann dem Arbeitnehmer der Nachweis, dass entgegen der Behauptung des Arbeitgebers ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder vom Arbeitgeber frei gemacht werden kann. Eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber sowohl darzulegen als auch zu beweisen."
Zu Nr. 2 (bevorzugte Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens):
Dieser Anspruch besteht als Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an innerbetrieblichen Maßnahmen. Er besteht aber nur insoweit, als der schwerbehinderte Mensch die Voraussetzungen zur Teilnahme an solchen Maßnahmen erfüllt. Aus dem Anspruch kann nicht abgeleitet werden, dass für den schwerbehinderten Menschen Erleichterungen in der Form geschaffen werden müssen, dass zu seinen Gunsten auf bestimmte Zugangs- oder Zulassungsvoraussetzungen verzichtet werden muss.
Zu Nr. 3 (Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung):
Solche Erleichterungen können in der Freistellung von der Arbeit bestehen, aber auch in der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kosten ganz oder teilweise zu übernehmen, soweit sie nicht von einem Rehabilitationsträger oder den Integrationsämtern im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 24 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung) getragen werden.
Zu Nr. 4 (behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätte einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr):
Dieser Anspruch ergibt sich aus der erhöhten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen.
Zu Nr. 5(Ausstattung des Arbeitsplatzes schwerbehinderter Menschen mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung):
Auch diese Verpflichtung ergibt sich aus der gesteigerten Fürsorgepflicht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Hilfen durch die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter.
Zur Durchsetzung der Rechtsansprüche können die schwerbehinderten Menschen die betrieblichen Interessenvertretungen und die Schwerbehindertenvertretungen einschalten, denn die Überwachung der Erfüllung der Verpflichtungen nach § 81 SGB IX ist ausdrücklich deren Aufgabe (§ 93 und § 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX).