Die Orientierung erfordert die Feststellung des eigenen Standorts zur Umwelt. Zur Orientierung und Mobilität gehört die Möglichkeit, vom eigenen Standort aus ein vorgegebenes Ziel zu erreichen. Die Erlangung eines so bestimmten körperlichen Freiraums ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Diese Orientierung können Navigationssysteme, die mit Hilfe von GPS und unter Verwendung digitalen Kartenmaterials arbeiten, ermöglichen.

Solche speziell für die Bedürfnisse blinder Menschen entwickelte Hilfsmittel sind der KaptenMobility und Trekker Breeze. Sie sagen den aktuellen Standort an, sie geben während des Gehens auch Informationen darüber, welche Querstraßen und Kreuzungen auf dem Weg sind und helfen somit bei der Orientierung. Eine Navigation zu einer bestimmten vorher per Sprache oder über eine Tastatur eingegebene Adresse ist ebenfalls möglich. Danach wird der Nutzer über die ermittelte Route "dirigiert". Markante Punkte, z. B. der Eingang zu einer Arztpraxis, lassen sich festlegen und werden beim Passieren dieser Stelle angesagt (vgl. Werner Krauße in Horus Heft 6/2004 S. 257 f).

Dieses Hilfsmittel ist noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V aufgeführt. Das steht aber einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V nicht im Wege (vgl. BSG Urteile zum Lese-Sprech-Gerät vom 23.08.1995 - 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 16 - sowie Entscheidung zum Farberkennungsgerät vom 17.01.1996 - 3 RK 38/94 = SozR 3-2500 § 33 Nr. 18).

Die Frage ist, ob es sich bei diesen Navigationsgeräten um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Dann bestünde keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen (§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB V). Es kommt darauf an, ob dieses Hilfsmittel speziell für die Benützung durch Behinderte bestimmt ist (vgl. Urteil des BSG vom 16.09.1999 - B 3 RK 1/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 33). Navigationssysteme werden heute vielfach, so auch durch Kraftfahrer eingesetzt. Die genannten Navigationsgeräte sind aber auf die speziellen Bedürfnisse blinder Menschen ausgerichtet. Die Eingabe von Begriffen kann über Sprache oder Brailleschrift erfolgen. Das Kartenmaterial muss entsprechend aufbereitet werden. Da diese Hilfsmittel zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses dienen, ist die Leistungspflicht der Krankenkassen zu bejahen, wenn damit die Orientierung im Nahbereich angestrebt und nicht bereits durch andere Hilfsmittel ermöglicht wird.

Das LSG Mecklenburg-Vorpommern bejaht in seinem Urteil vom 30.05.2007 - L 6 KR 4/06 - die Hilfsmitteleigenschaft für das GPS-gestützte Navigationssystem vom Typ "Victor Trekker", weil dieses durch eine Eingabetastatur für Brailleschrift und eine auf die Bedürfnisse blinder Menschen abgestimmte Software speziell auf den Gebrauch durch blinde Menschen abgestimmt sei. Deshalb handle es sich auch nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens wie bei handelsüblichen GPS-Navigationssystemen, wie sie inzwischen, insbesondere in Kraftfahrzeugen weit verbreitet sind.

Trotzdem lehnt das LSG Mecklenburg-Vorpommern in diesem Urteil die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ab, ohne das näher zu begründen. Es schließt sich offensichtlich der Begründung des in der ersten Instanz ergangenen Urteils des SG Neubrandenburg vom 24.11.2005 - S 4 KR 91/04 - an. Nach diesem Urteil sei in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Ausstattung mit dem GPS-gestützten Navigationssystem nicht erforderlich, weil es über einen Basisausgleich hinausgehe und der Kläger bereits mit einem Langstock und einem Blindenführhund ausgestattet sei, so dass er sich im Nahbereich ausreichend orientieren könne.

Die Revision gegen das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 30.05.2007 - L 6 KR 4/06 wurde vom BSG in seinem Urteil vom 25. Juni 2009 - B 3 KR 4/08 R - )SozR 4-2500 § 33 Nr. 26) als unbegründet zurückgewiesen. Das BSG hat in diesem Urteil zwar folgende Leitsätze aufgestellt:

  1. Ein GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen kann als Teilhabeleistung zu gewähren sein, wenn dies zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Einzelfall erforderlich ist.
  2. In der GKV besteht Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System, wenn sich ein blinder oder erheblich sehbehinderter Versicherter ohne diese Unterstützung im Nahbereich um die eigene Wohnung nicht zumutbar orientieren kann.

Es hat die Anspruchsvoraussetzungen im konkreten Fall aber als nicht gegeben erachtet.

Da der Kläger im vorliegenden Fall mit einem Langstock und einem Blindenführhund ausgestattet war, liegen diese im Leitsatz 2 geforderten Voraussetzungen für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse nicht vor.

Wie sich aus Leitsatz 1 ergibt, kann ein Anspruch auf Ausstattung mit einem speziellen Navigationssystem für blinde Menschen beim Vorliegen der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen nicht nur im Rahmen der medizinischen Rehabilitation, sondern auch zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bestehen, wenn sie im Einzelfall erforderlich ist. Zur Leistung verpflichtet ist dann der jeweils zuständige Leistungsträger.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 25.06.2009, Aktenzeichen: B 3 KR 4/08 R Hat das SG Marburg in seinem Urteil vom 29. Mai 2013 - S 6 KR 38/12 -, juris den Anspruch eines blinden Klägers auf Ausstattung mit einem Trekker bejaht. Der Orientierungssatz lautet:

"Die Kosten zur Anschaffung eines Navigationssystem für Blinde mit GPS und Sprachausgabe als Hilfsmittel zum Ausgleich direkter oder indirekter Folgen einer Behinderung sind jedenfalls dann von der gesetzlichen Krankenkasse zu übernehmen, wenn sich der Versicherte ohne dieses Hilfsmittel im Nahbereich um die eigene Wohnung tatsächlich nicht zumutbar orientieren kann. Allein das Vorhandensein eines Blindenlangstocks sichert dabei noch nicht die Orientierung im Nahbereich.

In diesem Urteil wird ausgeführt:

"Ziel der Versorgung mit einem GPS-System ist die Milderung von Folgen des Ausfalls oder der wesentlichen Beeinträchtigung des Sehvermögens und damit der Ausgleich mittelbarer Behinderungsfolgen. Hierfür hat die GKV nach den dargelegten Maßstäben nur aufzukommen, soweit es der Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse dient. Das beurteilt sich bei Mobilitätseinschränkungen infolge von Blindheit oder Sehbehinderung nicht anders als bei Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates; in beiden Fällen erstreckt sich die Ausgleichsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von dem Grund der Beeinträchtigung räumlich nur auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht, und dem Gegenstand nach auf diejenigen Mittel, die für diesen Nachteilsausgleich funktionell erforderlich sind.

Hiervon ausgehend besteht Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen durch die GKV, wenn sich der Versicherte nach den Umständen des Einzelfalls ohne diese Unterstützung im Nahbereich um die eigene Wohnung nicht zumutbar orientieren kann und das GPS-System deshalb einen wesentlichen Gebrauchsvorteil im dargelegten Sinne bietet. Das ist nicht der Fall, wenn dem Versicherten die Orientierung im Umfeld um die Wohnung trotz Blindheit oder Sehbehinderung aus eigenem Vermögen oder mit anderen Hilfsmitteln - insbesondere einem Blindenführhund - vertraut ist und Orientierungsdefizite insoweit nicht bestehen (BSG, Urteil vom 25.06.2009, Aktenzeichen: B 3 KR 4/08 R).

Der Kläger verfügt ausschließlich zu seiner Orientierung über Blindenlangstöcke und kann gerade nicht auf die Fähigkeiten eines Blindenführhundes zu seiner Orientierung zurückgreifen. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass eine Orientierung in dem vom BSG definierten Nahbereich - nämlich dem Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß zu erreichen vermag - nur mit der Hilfe von Blindenlangstöcken nur höchst eingeschränkt, nämlich ausschließlich auf geübten und bekannten Wegen, möglich ist. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es im Sinne des mittelbaren Behinderungsausgleichs auch gewährleistet sein muss, dass im Wohnungsumfeld Wege unternommen werden können, um so einen körperlichen und geistigen Freiraum zu erschließen. Dabei gehört es auch zur Erschließung dieses Freiraums, nicht auf einige wenige bekannte Wege im Sinne einer körperlichen Betätigung verwiesen zu werden, sondern im Sinne der Erschließung eines geistigen Freiraums, auch die Möglichkeit zu haben, sich bisher unbekannte Wege, Lokalitäten, Geschäfte etc. im Nahbereich zu erschließen, was für jeden Sehenden eine Selbstverständlichkeit ist. Bei weitem geht es dabei nicht darum, ein Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Sehenden zu erreichen, sondern auch um die absolute Basisversorgung."

Blinde Benutzer von Smartphones und Tablets können mit Hilfe von Apps zur Navigation ihren Standort ermitteln und beim Zurücklegen von Wegen Informationen z.B. über Querstraßen erhalten. Bei Smartphones und Tablets handelt es sich um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Für die Ausstattung mit diesen Geräten besteht deshalb kein Anspruch gegenüber der Krankenkasse. Ein Anspruch wäre allenfalls für die Ausstattung mit speziell für Blinde konzipierte Apps zur Navigation denkbar.

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