Festbeträge
Der Kostendämpfung, und damit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB V). dient die Festsetzung von Festbeträgen. In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es Festbetragsregelungen für Arzneimittel und für Hilfsmittel. Sie sollen eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Therapie gewährleisten und die Versichertengemeinschaft vor überhöhten Preisen schützen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 35 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) und § 36 SGB V (Hilfsmittel).
Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag nach § 36 festgesetzt, trägt die Krankenkasse die Kosten nur bis zur Höhe dieses Betrags (§ 33 Abs. 7 S. 2 SGB V). Trotzdem handelt es sich um eine Leistung im Rahmen des Sachleistungsprinzips; denn der Leistungsanspruch ist grundsätzlich im Wege der Sachleistung zu erfüllen (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V). Die Krankenkasse erfüllt ihre Leistungspflicht mit der Übernahme des Festbetrags (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der Festbetrag stellt also die Obergrenze des Leistungsanspruchs des Versicherten dar. Wählt der Versicherte ein teureres Hilfsmittel, muss er die Differenz selbst tragen.
Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - (SozR 3-2500 § 35 Nr. 2) entschieden, dass die Einführung von Festbeträgen zulässig ist und nicht gegen das Sachleistungsprintzip verstößt. Bei der Festsetzung von Festbeträgen handelt es sich um Allgemeinverfügungen, für die die Ermächtigung in den §§ 35 und 36 SGB V genügt.
Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen.
Festbeträge werden in einem zweistufigen Verfahren festgelegt.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt in der ersten Stufe gem. § 35 Abs. 1 S. 1 SGB V Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. Dabei sollen unter Berücksichtigung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V in ihrer Funktion gleichartige und gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst und die Einzelheiten der Versorgung festgelegt werden. Den Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer ist unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
In der zweiten Stufe setzt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für die Versorgung mit den nach Absatz 1 bestimmten Hilfsmitteln einheitliche Festbeträge fest.
Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt allerdings die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn die unter die Festbetragsregelung fallenden Hilfsmittel für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreichen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 29/95 und 30/95). Sollte also der erforderliche Ausgleich des beeinträchtigten Sehvermögens nur mit einem Hilfsmittel, für welches kein Festpreis festgesetzt ist, erreichbar sein, so besteht Anspruch auf Versorgung mit dieser Sehhilfe.
Verträge und Vertragspreise
Für Hilfsmittel, für welche keine Festbeträge festgesetzt sind, sind die Preise, wie sie in den nach § 127 SGB V abzuschließenden Verträgen vereinbart sind, maßgebend.
Die Lieferberechtigung in der Hilfsmittelversorgung ist durch die Neufassung der §§ 126 und 127 SGB V mit Wirkung zum 01.04.2007 an das Vorhandensein eines Vertrages geknüpft worden, der zwischen der Krankenkassenseite und dem Leistungserbringer geschlossen wird.
Zu unterscheiden sind Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1, Rahmenverträge nach § 127 Abs. 2 SGB V und Vereinbarungen, die nach § 127 Abs. 3 SGB V im Einzelfall mit einem Leistungserbringer abgeschlossen werden, wenn für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach § 127 Abs. 1 oder 2 SGB V mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist.
Nach § 127 Abs. 1 SGB V können die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften, soweit dies zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist, im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen. Dabei haben sie die Qualität der Hilfsmittel sowie die notwendige Beratung der Versicherten und sonstige erforderliche Dienstleistungen sicherzustellen und für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte sind zu beachten. Für Hilfsmittel, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden, oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil sind Ausschreibungen in der Regel nicht zweckmäßig.
Die Ausschreibung nach § 127 Abs. 1 SGB V steht nach dem Gesetzesaufbau im Vordergrund. Wer aufgrund der Ausschreibung den Zuschlag bekommt, ist Vertragspartner und als solcher berechtigt, die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mit den in den Ausschreibungsvorgaben enthaltenen Hilfsmitteln zu versorgen.
Soweit Ausschreibungen nach § 127 Abs. 1 SGB V nicht durchgeführt werden, schließen die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften gem. § 127 Abs. 2 SGB V Verträge mit Leistungserbringern oder Landesverbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Es handelt sich um Rahmenverträge. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist in geeigneter Weise öffentlich bekannt zu machen. Über die Inhalte abgeschlossener Verträge sind andere Leistungserbringer auf Nachfrage unverzüglich zu informieren. Den Verträgen nach § 127 Abs. 2 S. 1 SGB V können Leistungserbringer zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten (§ 127 Abs. 2a SGB V). Verträgen, die mit Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer abgeschlossen wurden, können auch Verbände und sonstige Zusammenschlüsse der Leistungserbringer beitreten.
Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach § 127 Abs. 1 und 2 SGB V mit Leistungserbringern bestehen oder trotz solcher Verträge eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise durch Vertragspartner nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse gem. § 127 Abs. 3 SGB V eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer.
Wenn für Hilfsmittel ein Festbetrag gem. § 36 SGB V festgesetzt wurde, können in den Verträgen nach § 127 SGB V Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden (§ 127 Abs. 4 SGB V).
Festbeträge bestehen u.a. für Sehhilfen und Hörhilfen. Jeweils zu Jahresbeginn und zur Jahresmitte werden die für diese Hilfsmittel festgesetzten Festbeträge überprüft und im Bundesanzeiger bekannt gegeben.
Die Krankenkassen gehen z.Z. unterschiedliche Wege bei der Hilfsmittelversorgung. Einige Krankenkassen kaufen keine Hilfsmittel mehr, sondern mieten sie und haben für verschiedene Gruppen von Hilfsmitteln einen pauschalierten Mietzins - die "Versorgungspauschale" - vereinbart, deren Höhe sich ggf. an den Festbeträgen orientiert.
Die Versicherten haben ein Recht auf Information durch die Krankenkassen. Nach § 127 Abs. 5 SGB V haben die Krankenkassen ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und auf Nachfrage über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Die Vorschrift korrespondiert mit § 33 Abs. 6 SGB V, wonach die Krankenkasse dem Versicherten den aufgrund des Ausschreibungsinstruments bestimmten Vertragspartner für die Hilfsmittelversorgung zu benennen hat. Die Krankenkassen sind im Hilfsmittelbereich zwar Hauptkostenträger, dürfen aber nur einen begrenzten Einfluss auf die Hilfsmittellieferung ausüben, weil die Wahl des Leistungserbringers des Hilfsmittels grundsätzlich dem Versicherten und nicht der Krankenkasse oder dem verordnenden Vertragsarzt zusteht. Deshalb müssen die Versicherten vor ihrer Wahl wissen, welcher Leistungserbringer zu den Vertragspartnern gehört und wer nicht bzw. bei wem sie u.U. mit den sich aus § 33 Abs. 7 SGB V ergebenden finanziellen Nachteilen (Tragung der Mehrkosten) rechnen müssen (Haufe, Onlinekommentar RZ. 14 zu § 127 SGB V). Vgl. dazu auch 3.2.1.2.1.10 "Wahlrecht des Versicherten".
Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen.
Es ist zweckmäßig, sich vor der Ausstattung mit einem Hilfsmittel bei der Krankenkasse oder dem vom Versicherten gewünschten Leistungserbringer zu erkundigen, ob und welche Verträge bestehen sowie welche Preise vereinbart worden sind.
In den Verträgen können weitere Einzelheiten über die Versorgung mit Hilfsmitteln und deren Wiedereinsatz vereinbart werden.
Von den Verträgen nach § 127 SGB V, welche die vertragliche Grundlage für die Leistung bilden, ist der bei der Ausstattung mit einem Hilfsmittel im konkreten Einzelfall zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer abzuschließende Vertrag zu unterscheiden. Hier kann es sich z. B. um einen Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) handeln. Aus diesem Vertrag ergeben sich die Leistungspflichten im Einzelfall und die Rechte bei Leistungsstörungen, also z. B. bei Mängeln (§§ 437 ff. BGB).
Zuständig für Streitigkeiten aus all den Verträgen, auch soweit Beziehungen zu Dritten betroffen sind, sind gemäß § 51 SGG die Sozialgerichte.