Nach ständiger Rechtsprechung des BSG zur Hilfsmittelversorgung durch die gesetzliche Krankenkasse (GKV) ist für den Leistungsanspruch entscheidend, ob das Hilfsmittel dem unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich dient. Im Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, das zum Anspruch auf die Versorgung mit Hörgeräten durch die GKV ergangen ist, heißt es dazu in Rn. 15:
"a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Insoweit hat der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB IX SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion (z. B. das Hören oder das Sehen) selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist."
Solche die Behinderung unmittelbar ausgleichenden Hilfsmittel sind z. B. Hörgeräte, weil sie das beeinträchtigte Hörvermögen verbessern sollen. Zum Anspruch auf Ausstattung mit Hörgeräten vgl. näher 6.4.6.
Hilfsmittel, die dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen, sind z. B. Braillezeilen oder Lesesprechgeräte. Zu den Hilfsmitteln, die dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen stellt das BSG in Rn. 16 des Urteils vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - fest:
"b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1Nr. 1 iVm § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums."
Das Grundbedürfnis eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums umfasst auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung und das Erlernen von Schulwissen bzw. die Herstellung der Schulfähigkeit (durch Ausstattung mit einem Hilfsmittel) im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (vgl. Urteil des BSG vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 13/03 R -); nicht zu den Grundbedürfnissen in diesem Sinne gehört nach diesem Urteil jedoch die über die elementare Schulausbildung hinausgehende Ausbildung zur Ausübung qualifizierter Berufe und die Herstellung der Studierfähigkeit durch den über die Schulpflicht hinausgehenden Besuch einer weiterführenden Schule (vgl. auch Urteil des BSG vom 30.01.2001 - B 3 KR 10/00 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 40). In diesem Urteil hat das BSG die Ausstattung eines Behinderten mit einem Notebook einschließlich behindertengerechter Software für Studienzwecke abgelehnt, weil sie nicht der Befriedigung eines Grundbedürfnisses diene. Zu bemerken ist, dass der blinde Student von der Krankenkasse mit einem Lese-Sprechgerät ausgestattet worden war und das beantragte Hilfsmittel alleine für Studienzwecke benötigt hätte. In solchen Fällen kommt aber, worauf das BSG hinweist, die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Eingliederungshilfe in Frage (vgl. Heft 04 der Schriftenreihe). In dem Urteil des BSG vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 13/03 R - kommt eine einschränkende Tendenz des BSG bei der Bestimmung der Grenzen des "geistigen Freiraums" zum Vorschein. Diese Entwicklung ist bedenklich. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird für behinderte Menschen eingeschränkt. Zur Kritik dieser Entscheidung vgl. auch unten.