Von Matthias Klaus

Beziehungen zwischen blinden und sehenden Menschen sind nicht immer so ganz einfach. Es gibt Missverständnisse, falsche Erwartungen, Machtgefälle, Abhängigkeiten und viel Unausgesprochenes. Manchmal ist es allerdings auch nur großartig, Menschen finden sich und passen einfach gut zusammen.

Erfahrungen mit Beziehungen und Kontakt werden regelmäßig in den entsprechenden Gruppen auf Social Media diskutiert. Grund genug für uns, dort mal nachzufragen, wie es denn so ist mit Freundschaften, Kontakt und Beziehungen, wenn der Sehsinn fehlt oder eingeschränkt ist.

Hier drei Statements, eingesammelt in verschiedenen Facebook-Gruppen zu Blindheit und Sehbehinderung.

Daniel Dudek schreibt:

Ich bin 33, geburtsblind und wohne in Osnabrück.

In meiner Kindheit und Jugend war ich sehr viel in Internaten, hatte demzufolge mehr Kontakt zu blinden und sehbehinderten Menschen. Dies war auch nicht schlimm, da die meisten mich verstanden haben, wenn ich zum Beispiel Probleme in Bezug auf meine Blindheit hatte.

Leider verlaufen bei mir viele Freundschaften im Sande, was ich sehr schade finde. Aber ich habe auch einen besten Freund, dieser ist auch blind und wir kennen uns schon seit der Schulzeit.

Ich habe auch versucht, in einem Jugendchor Kontakt zu Sehenden aufzubauen, aber dies hat leider nicht so gut geklappt. Als ich dann vor fünf Jahren umgezogen bin, habe ich dann mal mein Glück bei Ebay Kleinanzeigen versucht. Dort ist nur eine richtige Freundschaft entstanden, die anderen waren alle sehr oberflächlich, oder hatten sich nach dem ersten Treffen erledigt. Eine Person meinte sogar mal zu mir, dass sie sich keine Freundschaft mit mir vorstellen könne, da sie ja immer auf mich aufpassen müsse. Fand ich schon ziemlich komisch, diese Aussage.

Mein Fazit: Ich finde, Freundschaften zu blinden oder sehbehinderten Menschen sind schon viel wert, da man eine "Sprache" spricht. Nichtsdestotrotz möchte ich aber auch weiterhin versuchen, Freundschaften zu sehenden Menschen aufzubauen, da ich ein sehr kontaktfreudiger Mensch bin.

Andrea Eberl hat nicht nur gute Erfahrungen gemacht:

Ich bin von Geburt an blind. Ich habe mir als Kind oder Jugendliche nie darüber Gedanken gemacht, dass meine Blindheit für mich ein Hindernis in Beziehungen darstellen könnte.

Mit 23 Jahren wurde ich allerdings eines Besseren belehrt. Ich hatte mich in einen jungen Mann verknallt, und es schien mir, dass auch er sich in mich verknallt hatte. Es machte mich aber stutzig, dass er mich immer nur dann besuchte, wenn kein Fußballmatch im Fernsehen war, und dass er mich nie zu sich nachhause einlud. Eines Tages trafen wir uns in einer Kneipe, und ich konfrontierte ihn mit meinen Gedanken dazu. Es stellte sich heraus, dass er sich für meine Blindheit schämte und sich nicht getraut hatte, seinen Eltern und Freunden zu erzählen, dass er eine blinde Freundin hat. Er nahm mich dann mit nachhause, und wir hatten deshalb einen Streit, worauf er die Tür abschloss, sodass ich ihm nicht mehr entfliehen konnte. Ich brüllte ihn an, er solle mir sofort ein Taxi rufen. Er tat es. Als ich ins Taxi einstieg, wollte er mitfahren, obwohl klar war, dass ich das nicht wollte. Dann klingelte er mich nächtelang immer wieder aus dem Bett, bis ich ihn ein einziges Mal rein ließ. Als er neben mir auf der Bank in meinem Wohnzimmer saß, blieb mir nichts anderes übrig als ihn zu demütigen, um ein für alle Mal meine Ruhe zu haben. Dieser Mann konnte mit der Niederlage nicht umgehen, die er selbst verursacht hatte.

Daniela Wallace hat lange gesucht, dann kam die Rettung aus dem Weltall.

Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Von der Vorschule an war ich im Internat untergebracht, nur einen Tag in der Woche zuhause bei den Eltern. Wenn ich dann draußen zum Spielen war, waren die Kinder sehr brutal zu mir, da sie sofort spitzbekommen haben, dass ich schlecht sehen kann. Sie verarschten mich nach Strich und Faden. Der Regelfall war, dass ich dann heulend wieder zu meinen Eltern gegangen bin. In meinem letzten Grundschuljahr zogen meine Eltern nach Weimar, um dort wegen einem Ausreiseantrag näher an der Behörde zu sein. Ich war also "Stadtkind", bin jeden Tag nach Hause gefahren. Hier war es mitunter noch heftiger, dass ich täglich Probleme mit brutalen Kindern hatte. Es war in diesem Sinne keine schöne Kindheit. Mein Kontakt beschränkte sich auf andere schlecht sehende Mitmenschen, Freundschaften gab es zwar, da man aber an verschiedenen Orten wohnte, konnten diese nicht wirklich gut gepflegt werden.

1989 bin ich kurz vor der Grenzöffnung mit meinen Eltern in den Westen gezogen. Ich war dann ein halbes Jahr auf einer normalen Grundschule, was für mich der blanke Horror war. Ständiges Mobbing, Schikanen am laufenden Band, auch mit direkten Nachbarn im Mehrfamilienhaus, in dem wir lebten. Es war nicht schön und ging so weit, dass mich die Nachbarskinder regelmäßig verängstigten, belagerten, belästigten. Opfer! Es ging dann bis zur Klage, dass sie sich mir nicht mehr nähern durften. Zum 2. Halbjahr der vierten Klasse wechselte ich dann auf die Sehbehindertenschule in Köln, die ich bis zur 10. Klasse besuchte. Kontakt mit "normalen" Menschen hatte ich so gut wie keinen, da auch der Konflikt mit den Nachbarskindern alles im Ort sehr schwierig machte. Viele Freundschaften konnten auch hier nicht entstehen, da wir alle mit Taxiunternehmen zur Schule gebracht wurden. Ich hatte zwar Freundinnen, aber eher selten besuchte man sich gegenseitig.

Nach der Hauptschule begann ich dann ein Förderjahr und eine dreijährige Ausbildung zur Bürokraft im BBW Soest. Auch hier wieder war ich nur am Wochenende bei meinen Eltern und hatte nur Kontakt mit Menschen, die sehbehindert oder blind waren. Zwar gab es durch das Internat und später die Hausgemeinschaften auch mehr Kontakt zu "normalen" Menschen, aber nur sporadisch. Auch hier wurde ich oft hintergangen, belogen, getäuscht, und man machte sich über mich lustig. Opfer. Weiterhin. Als ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, war ich ein gutes Jahr arbeitslos. Ich verfiel in eine Chatsucht und Internetsucht und verlor mich in Rollenspielen. Dort konnte ich sein, wer ich wollte, Menschen akzeptierten mich so wie ich war.

2001 nahm ich dann ein Bewerbungsgespräch wahr, was eigentlich unweigerlich zur Absage hätte führen müssen. Doch da ich ehrlich war, weil ich mich nicht darauf vorbereitet habe und dies eingestand, gab man mir die Stelle. Seitdem arbeite ich beim Finanzamt, und inzwischen habe ich sogar die Hausmeisterwohnung. Ich fühle mich unter den Kollegen wohl und werde akzeptiert.

Der "Kosmos" der normalen Welt wurde mir jedoch eigentlich auf eine andere Weise eröffnet.

Frisch im Westen, 1989, verliebte ich mich unsterblich in Pille McCoy vom Raumschiff Enterprise. Ich verschlang jede Episode und wurde ein Fan der Serie Star Trek. Da ich aber noch nie viel davon gesehen hatte, war ich der Idee aufgesessen, dass ich den ersten Fanclub der Welt eröffnen wollte. Doch da war so viel mehr! Plötzlich, ich weiß nicht wie, entdeckte ich, dass es in Köln ein Trek Dinner gab. Und da brachten mich meine Eltern dann auch hin. Das erste Mal in meinem Leben wurde ich freundlich begrüßt, in den Arm genommen, ernst genommen, offen und ehrlich behandelt. Ohne Hintergedanken, ohne Ärger, ohne irgendeinen negativen Beigeschmack. Und ich fühlte mich so wohl.

Natürlich haben Trekkies, also Star Trek Fans, einen besonderen Bezug zu Menschen mit Beeinträchtigungen, da Geordi LaForge, der Chefingenieur der USS Enterprise D, ein blinder schwarzer Mann ist. Von daher war es für keinen ein Problem, dass ich schlecht sehen konnte.

Seit dem Besuch des Trek Dinner habe ich auch andere Kontakte mit Fans. Ich gehöre einem Fanclub an, dem Khemorex Klinzhai, treffe regelmäßig Freunde und wir haben schöne Erlebnisse. Gut, auch hier sind wir teilweise weit auseinander, aber wir sehen uns auch online und haben Spaß. Ich habe seitdem viele Conventions besucht, und meine Sehbehinderung ist kein Problem.

Wonach suchen Sie?