Ohne Tiere möchte ich nicht leben!
Von Mirjam Herrmann
Mein Name ist Mirjam Herrmann, wohnhaft in Neustadt an der Weinstraße in der schönen Pfalz, auch „Die Toskana Deutschlands“ genannt. Geboren bin ich im Jahr 1964, und im Jahr 1967 erblindet aufgrund eines Geburtsfehlers.
Seit ich denken kann, begleiten Tiere, insbesondere Hunde und Pferde, mein Leben. Dies begann im frühesten Kindesalter mit den Tieren meiner Großeltern, die ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft, Weinbau und Viehwirtschaft verdienten. Die Arbeitspferde waren dabei meine erklärten Lieblinge. Das „Pferdevirus“ hat mich seither nicht mehr verlassen. Insbesondere als meine Schwester ein eigenes Reitpferd bekam, auf dem ich ab und zu auch einmal sitzen durfte, löcherte ich meine Eltern, dass ich ebenfalls gerne reiten wollte. Ab und an durfte ich dann in Begleitung meiner Eltern auf einem Ponyhof in unserer Nähe in den Sattel steigen.
Während eines Urlaubs meiner Mutter und Schwester ergriff mein Vater die Gelegenheit beim Schopf und fuhr eines Sonntags im April 1974 mit mir zu dem erwähnten Ponyhof, um ein geeignetes Pony für mich zu kaufen. Man wurde schnell einig und zwei Tage später stand das Pony bei mir im Stall. Ich war stolz wie Oskar!
Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub staunte meine Mutter nicht schlecht, als sie den schwarzen Ponykopf aus der Stalltür lugen sah!J Sie hat dann aber ziemlich schnell ihre Bedenken gegen meine Pferde- und Reitbegeisterung sowie gegen das Pony abgelegt.
Vier Jahre später begann die Ära der Großpferde, da ich für das Pony zu groß geworden war. Über einen Zeitraum von fast 51 Jahren hatte ich elf Pferde/Ponys. Aktuell habe ich einen englischen Vollblut-Wallach sowie eine betagte Welsh-Ponystute im Stall.
Das Reiten lehrte mich meine Cousine, die damals schon Turnierreiterin war. Sie vermittelte mir die Grundlagen der Reiterei, d. h. Reiten in der Bahn (einfache Dressurlektionen sowie das Springen über Kavalettis und kleinere Hindernisse, welche rings um die Bahn aufgestellt wurden). Schöne Ausritte ins Gelände gehörten natürlich auch dazu. Zunächst erfolgten diese mit meinem Vater auf dem Fahrrad und mir auf dem Pony. Später ritt ich mit meinen Cousinen oder Freunden selbständig und ohne einen Führstrick ins Gelände über Stock und Stein.
In den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ich eines meiner Pferde in Marburg im Reitverein eingestellt, wo ich auch weiteren Reitunterricht nahm. Schöne Ausritte gehörten auch in der Umgebung von Marburg-Wehrda wieder dazu. Auch nahm ich an Dressurprüfungen bei verschiedenen Reitturnieren im Landkreis Marburg-Biedenkopf teil und absolvierte bei meinem Reitverein das bronzene Reitabzeichen, wobei ich eine Dressuraufgabe reiten sowie theoretische Fragen zu Pferdehaltung und -sport beantworten musste.
Nach dem Abschluss meiner Ausbildung zur DV-Kauffrau verließ ich Marburg wieder und zog wieder in mein Elternhaus ein, wo ich meine Pferde einstellen konnte.
Um die Tiere kümmere ich mich weitgehend allein. Ausnahme war früher natürlich die Schulzeit, während deren meine Pferde von meiner Familie betreut wurden.
Da es sich bei meinem Zuhause um ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen handelt, mit Stallgebäude und Scheune, kann ich mein Hobby weitgehend autark ausüben, d. h. es gibt auch einen Reitplatz sowie einen großen Paddock mit entsprechender Umzäunung.
Die tägliche Arbeit im Stall umfasst das Füttern der Pferde morgens und abends, die Pflege sowie das Ausmisten der Pferdeboxen. Bei gutem Wetter bringe ich die Pferde auf den Paddock, wo sie sich den ganzen Tag aufhalten. Dies geschieht, bevor ich zur Arbeit fahre, d. h. natürlich früh raus aus den Federn!
Das Bewegen oder Reiten ist nach meiner beruflichen Tätigkeit am Nachmittag oder am Abend bzw. am Wochenende angesagt. Entweder werden die Pferde longiert bzw. im Freilauf bewegt oder ich Schwinge mich in den Sattel! :-)
Die Besuche des Hufschmieds sowie von Tierärzten manage ich ebenfalls ohne Hilfe. Genau genommen benötige ich nur Hilfe beim jährlichen Einfahren von Heu und Stroh in die Scheune sowie beim Pflegen des Reitplatzes mittels meines kleinen Oldtimer Weinbergtraktors, den ich ja leider nicht fahren darf (die Umzäunung wäre dann doch wohl zu sehr gefährdet!).
Der direkte Umgang mit meinen Pferden seit nunmehr über 50 Jahren bedeutet für mich Lebensglück. Dabei steht mittlerweile die Fürsorge für die Vierbeiner im Vordergrund. Der tägliche Umgang mit den Tieren erfüllt mich mit Freude und ist nebenbei auch entspannend. Das Reiten steht dabei nicht mehr so im Vordergrund wie in meinen jüngeren Jahren. Mich erfüllt das Miteinander mit den Pferden und das Vertrauen, welches sie mir entgegenbringen. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich blind bin. Alle Pferde, die ich bis heute betreut habe, stellten sich in kürzester Zeit auf mich ein, z. B. lernen sie relativ schnell, dass ich nicht gezielt an das Stallhalfter greifen kann, da ich ja nicht genau abschätzen kann, wie hoch das Pferd gerade seinen Kopf hält oder wo es aktuell hinschaut. Die Pferde haben immer schnell begriffen, dass sie mit ihren Nüstern meine Hand berühren müssen.
Neben den Pferden gab es auch immer andere Tiere. Die Bandbreite reichte von Kanarienvögeln, Enten und Hühnern über Meerschweinchen und Kaninchen bis zu Katzen und natürlich mehreren Hunden. Aktuell besitze ich zwei ehemalige Straßenhunde aus Spanien.
Ich kann sagen, Tiere, insbesondere Pferde und Hunde, bedeuten mein Leben, und damit schlage ich den Bogen zum Beginn meines Beitrags:
„Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos!“
Bild: Winny, ein dunkler Vollblut-Wallach mit einem hellen Keilstern im Gesicht, schnuppert vorsichtig am Arm von Mirjam Herrmann, während sie ihn bürstet. Beide schauen sich an. Mirjam Herrmann trägt ein blaues, langärmeliges Arbeitshemd mit weißen Längsstreifen und hat ihr hellblondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Foto: privat