horus 3/2022
Schwerpunktthema: "IT - Digitale Herausforderungen"

Titelbild horus;

Titelbild: Collage dreier Fotos: Ein blinder Redakteur arbeitet im Homeoffice an der Computertastatur mit Braillezeile. Er hat einen grauen, kurz geschnittenen Haarkranz, trägt eine dunkel getönte Brille, Kopfhörer und lächelt (Foto links: privat). Eine blinde Frau mit dunklem, lockigem Haar spricht lächelnd Richtung iPhone, das sie in der linken Hand hält. (Foto rechts oben: privat). Ein sehbehinderter Projektmitarbeiter blickt im Büro von seinem Computerarbeitsplatz mit großem Bildschirm auf und lächelt, im Hintergrund lehnt sein weißer Langstock an der Wand. (Foto rechts unten: DVBS.


Inhalt

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Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser,

Digitales ist in unser Leben eingedrungen und aus ihm nicht mehr wegzudenken. Viele Programme und Geräte bringen uns die Welt näher, machen sie verstehbarer. In einigen Bereichen überfordern sie uns aber auch mit ihrem enormen Tempo. Zeit zur kreativen Reflexion wird dabei rar, wenn wir sie uns nicht ganz bewusst nehmen. Reflektieren kann man sinnvoll aber nur das, was man verstanden hat. Deshalb ist es wichtig, sich Entstehung und Hintergründe von Digitalisierung bewusst zu machen.

Das gilt auch beim Thema digitale Barrierefreiheit, das den Schwerpunkt des vorliegenden Heftes bildet (siehe etwa den Beitrag von Andreas Carstens, der uns die Normen und Standards näher bringt, die dabei zu beachten sind). Dass auch das nicht immer genügt, um unsere Arbeit effektiv und für uns selbst zufriedenstellend zu gestalten, macht Matthias Klaus in seinem Stoßseufzer deutlich, dem viele von uns, gerade wenn sie intensiv mit digitalen Medien arbeiten müssen, sicher zustimmen werden. Für den Bereich der Schulbildung zeigt der Beitrag von Flach u. a. auf, wie es gelingen kann, digitale mit förderpädagogischen Anforderungen zu kombinieren, wenn nicht in Einklang zu bringen.

Wir können heute noch nicht abschätzen, wie sich die Arbeitsbedingungen in Deutschland in den kommenden Jahren entwickeln und ob sie im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich inklusiv sein werden. Was wir aber wissen, ist, dass ein Ausschluss von Information und Kommunikation, ständige Arbeitsplatzunsicherheit, Armut durch Arbeitslosigkeit und geringere Bildungs- und Fortbildungschancen für sehbehinderte und blinde Menschen nichts mit inklusiver Teilhabe zu tun haben. Ähnliche Forderungen sind aber auch im Reproduktionssektor von erheblicher Bedeutung, sei es im Bereich der Finanzdienstleistungen, der Buchproduktion, der Medien ganz allgemein oder der privaten Kommunikation, um nur einige Sektoren herauszugreifen.

Insgesamt müssen wir nach Lösungen suchen und sie finden, um nicht beim Konkurrenzkampf um attraktive Arbeits- und Ausbildungsplätze stets den Kürzeren zu ziehen. Das Erkämpfen digitaler Barrierefreiheit wird immer wieder diese und neue Herausforderungen an die Selbsthilfe stellen. Barrierefreiheit zu erreichen, zu gewährleisten und zu verstetigen bleibt eine wesentliche Zielvorgabe unserer Organisationen und Institutionen, soll gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen erreicht werden.

Abschließend noch ein Wort für meinen Co-Autor in dieser Rubrik, Claus Duncker, mit dem ich mir die Aufgabe, Sie und Euch ein wenig in das jeweilige Heft des horus einzuführen, nun 15 Jahre geteilt habe. Wie in dieser Ausgabe zu lesen ist, wurde er bei einer schwungvollen Feierstunde am 29. Juni in den Ruhestand verabschiedet. Die Zusammenarbeit für den horus hat mit Claus immer zuverlässig geklappt, und ich habe seine Einführungen ins jeweilige Heft immer gern gelesen. Ich bin sicher, dass das auch mit dem neuen Chef der blista, Patrick Temmesfeld, ähnlich gut funktionieren wird. Freuen wir uns gemeinsam auf weitere spannende Hefte des horus und danken wir Claus Duncker für seine auch auf diesem Gebiet geleistete vorbildliche Arbeit.

Das wünscht sich

Ihr und Euer

Uwe Boysen

Bild: Uwe Boysen trägt einen roten Pullover und eine dunkle Brille, sein Haar ist weiß. Das Sonnenlicht wirft gerade Flächen von Licht und Schatten an die Wand, auf Uwe Boysen fällt Licht. Er lächelt. Foto: DVBS

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Aus der Redaktion

Medien-Power

Vor einem Jahr hatte die horus-Redaktion an dieser Stelle nach neuen Team-Kolleginnen oder Kollegen gesucht, die ihre Erfahrungen aus der Öffentlichkeits- oder Verbandsarbeit in die Redaktion einbringen möchten. Unsere Suche war erfolgreich, denn für horus 1/2022 stießen Peter Beck und Matthias Klaus zu uns. Nun gibt es noch eine gute Nachricht: Seit dieser Ausgabe arbeitet auch DVBS-Vorstandsmitglied Nina Odenius aktiv am horus mit. Die 32-Jährige ist das jüngste Redaktionsmitglied und bringt viel Medien-Power mit ein, denn sie ist ausgebildete Journalistin und arbeitet als Redakteurin in Köln und Düsseldorf, unter anderem für den multimedialen Sender DOMRADIO.DE.

"Die Arbeit in der horus-Redaktion ist für mich sehr spannend, und ich freue mich darauf, viele neue Dinge zu lernen und bereits vorhandenes Wissen anwenden zu können", so Nina Odenius über ihr neues Aufgabengebiet. Darüber hinaus wird sie gemeinsam mit Medien-Profi Matthias Klaus sowie mit Autor und Podcaster Uwe Boysen den DVBS-Podcast betreuen. Herzlich willkommen!

Diese horus-Ausgabe wurde aber auch von Uwe Boysen tatkräftig unterstützt - obwohl er sich im Januar letzten Jahres nach gut zehn Jahren Redaktionsmitgliedschaft vorgenommen hatte, horus nur noch von der "Seitenlinie" aus zu beobachten. Das liegt wohl daran, dass er das Schwerpunkt-Thema "IT - Digitale Herausforderungen" vorgeschlagen hatte und Schreiben irgendwie süchtig macht. Gut für diese Ausgabe, denn so ist horus 3/2022 der Beweis, dass durch die Zusammenarbeit kreativer Köpfe aus einem Thema, das vielen Menschen zunächst sperrig erscheint und im Alltag gerne als Aufreger dient, ein gut lesbares Heft wird. Urteilen Sie selbst!

In horus 4/2022 wird es dann um das Thema Gesundheit gehen. Von Ressourcen und Resilienz, Gesundheit und Wohlfühlen wird die Rede sein und von vielem mehr - geplant ist eineAusgabe mit Anregungen, durch die das Leben an Qualität gewinnt. Wenn Sie uns einen Beitrag senden möchten, dann gerne bis zum 26. September an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Die Redaktion freut sich darauf.

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Schwerpunkt: "IT - Digitale Herausforderungen"

Blick in alle Richtungen - Die Herausforderungen digitaler Barrierefreiheit für die Selbsthilfe

Von Uwe Boysen

Zur Erinnerung

2016 veranstaltete der DVBS im Rahmen der Feierlichkeiten zu seinem 100-jährigen Geburtstag die mit über 130 Teilnehmenden sehr gut besuchte Fachtagung "Megatrend Digitalisierung".

Viele der in der Abschlussresolution enthaltenen Forderungen sind nach wie vor aktuell, weshalb ich hier einige zur Erinnerung wiedergeben möchte:

"Die öffentliche Verwaltung muss die gesetzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung ihrer digitalen Angebote einhalten. Wo eine solche Verpflichtung noch nicht besteht, muss sie geschaffen werden. (...)

Öffentliche und private digitale Bildungsangebote - einschließlich abzulegender Prüfungen und zu erbringender Leistungsnachweise - müssen barrierefrei sein. Dazu gehört auch die barrierefreie Zugänglichkeit elektronisch publizierter Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ebenso wie die ungehinderte grenzüberschreitende Nutzung von für sehbehinderte und blinde Menschen adaptierter Literatur (...).

Barrierefreiheit muss schon bei der Entwicklung digitaler Angebote durch geeignete Vorkehrungen hergestellt sowie bei deren Veränderungen berücksichtigt werden. Die dazu vorhandenen Standards sind einzuhalten und dürfen nicht verwässert werden. (...)

Menschen mit Behinderungen müssen im Rahmen der Teilhabeforschung an der Entwicklung barrierefreier digitaler Produkte entscheidend mitwirken. Ihre Qualifizierung ist entsprechend zu fördern." (1)

Thema der vorliegenden Abhandlung soll aber in erster Linie sein, was seither im Bereich digitaler Barrierefreiheit von Seiten des DVBS geschehen ist, und das ist nicht wenig.

Internetseiten und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen

Die erste Herausforderung, die seit 2017 auf der Tagesordnung stand, war die Umsetzung der EU-Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit von Internetseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. In ihr sind umfangreiche Vorkehrungen zur Durchsetzung dieses Prinzips enthalten, wie Carstens in diesem Heft darstellt.

Hier will ich beschreiben, wie wir versucht haben, die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht in Bund und Ländern zu begleiten, bzw. soweit möglich zu beeinflussen.

Die Richtlinie, veröffentlicht im Amtsblatt der EU am 2.12.2016, musste von den Mitgliedstaaten bis 23.9.2018 in nationales Recht umgesetzt werden. Das war ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren. Wiederholt hat der DVBS die Verantwortlichen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf diese Frist hingewiesen, jedoch nur mit sehr mäßigem Erfolg; denn erst im Februar 2018 ging uns ein erster Entwurf mit einer Stellungnahmefrist von sage und schreibe knapp einer Woche zu, unseres Erachtens ein klarer Verstoß gegen die Beteiligungspflicht von Selbsthilfeverbänden, wie sie sich in Art. 4 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention findet.

Da waren wir längst selbst aktiv geworden und hatten im Oktober 2017 in Frankfurt eine Tagung zum Thema für DVBS-Mitglieder und befreundete Interessierte durchgeführt, um uns Klarheit über die Reichweite der Richtlinie und ihre Umsetzung zu verschaffen. Das führte in der Folge zu einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin, bei der wir über 80 Teilnehmende, unter anderem aus Ministerien und Verwaltungen, über die rechtlichen Rahmenbedingungen und technischen Voraussetzungen digitaler Barrierefreiheit informieren konnten.

Dabei kam erstmals der schon erwähnte Entwurf eines Umsetzungsgesetzes auf den Tisch, der nach unserer Auffassung viele Lücken enthielt und bei uns erhebliche Kritik auslöste. Gleichwohl ging der Galopp weiter, angeblich getrieben von der Angst der Bundesregierung, bei nicht rechtzeitiger Umsetzung ein sog. Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik zu gewärtigen, mit der Folge, von der EU-Kommission zu Strafgeldern herangezogen zu werden. Diese Angst machte eine tiefergehende Diskussion mit dem BMAS fast unmöglich. Wenngleich von uns unter immensem Zeitdruck noch eine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb der Frist verfasst wurde (man bedenke, dass das alles auf ehrenamtlicher Basis geschieht!), verhallten unsere Anregungen und Präzisierungen zunächst ungehört.(2) Kurioserweise war ursprünglich nicht einmal der Gesetzentwurf, wie er dann im März 2018 dem Bundesrat zugeleitet wurde, für uns barrierefrei verfügbar.

Im parlamentarischen Verfahren nahmen wir erneut Stellung, waren durch zwei Personen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vertreten, konnten jedoch nur noch wenige positive Veränderungen in den dann verabschiedeten §§ 12a-12f BGG 2018 erreichen.(3)

Unsere Hauptkritikpunkte bezogen sich auf die zunächst gestrichene Erwähnung grafischer Benutzeroberflächen, auf die mangelhafte Präzisierung unzumutbarer Belastungen als Grund, keine Barrierefreiheit zu schaffen, sowie auf die fehlende Erwähnung einer Verletzung der Verpflichtung aus § 12 b des Entwurfs, d.h. der Erklärung zur Barrierefreiheit, in den Klagemöglichkeiten von §§ 14, 15 BGG.(4)

Aus zwei Gründen verfolgten wir diese Ziele mit besonderer Beharrlichkeit, zum einen natürlich, um gute Regelungen auf Bundesebene zu realisieren, zum anderen aber auch, weil die Richtlinie ebenso die Bundesländer zu ihrer Umsetzung verpflichtet und wir mit Recht davon ausgehen durften, dass die neu geschaffenen Normen des BGG auf die Aktivitäten in den Ländern ausstrahlen würden. Deshalb bemühten wir uns in der Folge, auch hier Einfluss zu nehmen. Das gelang unterschiedlich gut. So waren viele Länder nicht in der Lage, die Umsetzungsfrist einzuhalten und kamen auch dadurch zu qualitativ sehr unterschiedlichen Ergebnissen, die hier nicht im Einzelnen dargestellt werden sollen. Hervorzuheben ist jedoch, dass insbesondere die Vorschriften im Bremischen Behindertengleichstellungsgesetz vom 18. Dezember 2018 (BremBGG) sich positiv gegenüber den anderen Ländergesetzen abheben, z.B. was die Präzisierung einer unzumutbaren Belastung oder die Pflicht zu einer schnellen Reaktion auf Beschwerden von Nutzern betrifft. Kurze Wege zu Entscheidungsträgern, die uns hier zur Verfügung standen, lohnen sich eben!

Digitale Barrierefreiheit muss kritisch begleitet werden

Die Arbeit zur Verwirklichung von digitaler Barrierefreiheit ist damit aber bei Weitem nicht abgeschlossen. So bemüht sich die Selbsthilfe, auch die Implementation der jetzt erlassenen Vorschriften kritisch zu begleiten. Das ist ohne verlässliche Finanzierung von Hauptamtlichkeit allerdings nur mit enormem persönlichen Engagement Einzelner möglich. Und auch dann können wir nicht alle inzwischen zahlreichen Aktivitäten und Gremien, die sich nunmehr erfreulicherweise die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit zur Aufgabe gemacht haben, mit unserem erheblichen Sachverstand sowohl auf juristischem als auch auf technischem Gebiet angemessen begleiten und beeinflussen. Von der öffentlichen Hand geförderte Projekte der Selbsthilfe, so sinnvoll sie auch sein mögen, sind kein adäquater Ersatz für die Schaffung verlässlicher und das heißt auf Dauer angelegter Strukturen, für die auch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen müssen. Das gilt umso mehr, als nunmehr der European Accessibility Act (EAA) mit seinen Anforderungen an digitale Barrierefreiheit von ausgewählten Produkten und Dienstleistungen für private Unternehmen mit Hilfe des 2021 verabschiedeten Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) in innerstaatliches Recht umgesetzt werden musste. Durch seine Vorschriften kommen nicht nur erhebliche Herausforderungen auf die betroffenen Unternehmen zu, sondern auch neue Aufgaben auf Bund und Länder. Sie müssen in diesem Bereich eine effektive Marktüberwachung organisieren, ohne die die Anforderungen des BFSG möglicherweise leerlaufen werden.

Weiterbildung zu Expert*innen in eigener Sache als Hilfe zur Selbsthilfe

Eine weitere Säule der Arbeit von Selbsthilfeorganisationen ist die Weiterbildung unserer Mitgliedschaft zu Expert*innen in eigener Sache, ganz im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Auch dazu gab es in den vergangenen knapp sechs Jahren erhebliche Aktivitäten des DVBS. Zu nennen sind hier neben den bereits erwähnten Tagungen von Oktober 2017 und Februar 2018 zum einen ein weiteres Seminar vom 31. August / 1. September 2019 in Frankfurt, bei dem es um die Anforderungen ging, die Ausschreibungen für IT-Projekte im Rahmen des sog. Vergaberechts enthalten müssen,(5) und zum anderen die Initiierung einer kleinen Expertendigitalarbeitsgruppe seit Ende 2019, die ein DVBS-Webinar zum Thema "Barrieren erfolgreich melden" plante und dann am 26. Juni 2021 mit ca. 60 Teilnehmenden durchführte. Daraus ist inzwischen eine Mailingliste entstanden, in der das wichtige Thema weiterverfolgt wird.

Die Mitglieder der Digitalarbeitsgruppe beteiligten sich weiter am Auswahlprozess zur Testung von Webseiten öffentlicher Stellen für den ersten deutschen Bericht zur Umsetzung der EU-Richtlinie zu digitalen Webseiten und mobilen Anwendungen. Außerdem erstellten sie eine Handreichung mit dem Ziel, sehbehinderten und blinden Nutzer*innen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten Sie nunmehr haben und nutzen sollten, Barrierefreiheit mitzugestalten und voranzubringen. Darin sind - möglichst einfach - wichtige Prinzipien zu digitaler Barrierefreiheit beschrieben.(6)

Derzeit liegt dem DVBS-Vorstand ein Antrag vor, innerhalb des DVBS eine - inzwischen satzungsmäßig mögliche - Interessengruppe zu schaffen. Deren Ziele werden dort wie folgt beschrieben: Digitalisierung ist "auch für den DVBS eine Querschnittsaufgabe, die in all seinen Gliederungen auf unterschiedliche Weise diskutiert wird. Diese Diskussion auf breiterer Basis und nicht bloß bezogen auf einzelne Gruppen vernetzt zu führen, ist Ziel der Gründung der von uns vorgeschlagenen Interessengruppe. Sie kann und soll künftig eine Plattform bieten, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten voranzubringen, damit Motor für Veränderungen im Auftritt des DVBS nach innen wie nach außen sein, Weiterbildungen organisieren und Zielvorgaben für das Selbstverständnis des Vereins im digitalen Wandel formulieren."

Blick nach vorn

Der gesellschaftliche Wandel durch Digitalisierung geht mit ungebremster Intensität weiter. Er erfasst Ausbildung an Schulen, Hochschulen und Universitäten ebenso wie die Arbeitswelt mit ihren ständig steigenden Anforderungen an IT-Kompetenz, aber selbst - scheinbar - rein private Bereiche unseres täglichen Lebens wie Mobilität sowie gesellschaftliche und politische Partizipation sind unmittelbar betroffen.

Auch wenn die vollmundigen Versprechen von einer ultimativen staatlichen Digitalisierungsstrategie und die Horrorszenarien einer "entmenschlichten" Gesellschaft lange eher publizistische Blütenträume bleiben dürften, so müssen wir die Entwicklungen, z. B. im Bereich "Virtual Reality", bei Spracherkennung und -synthese oder bei fortschreitender Implementierung von Chips als Ersatzkörperteilen, aufmerksam verfolgen und uns, wo es Not tut, zu gegebener Zeit einmischen.

Verwaltung, Rechtsprechung, wirtschaftliche Aktivitäten und vieles mehr ohne digitale Barrierefreiheit darf es zukünftig nicht mehr geben. Das ist die Erfahrung, die die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe in den letzten 25 Jahren, in denen sie sich auf diesem Gebiet engagiert hat, sammeln konnte, und diese Forderung muss sie auch weiter auf den verschiedensten Plattformen der Informationsgesellschaft erheben, damit wir nicht die Hinterbliebenen der Digitalisierung werden.

Anmerkungen

(1) Die Tagung "Megatrend Digitalisierung" einschließlich der Referate, der Impulse aus den Workshops sowie der Abschlusserklärung ist dokumentiert in horus spezial Bd. VIII: Digitalisierung und Teilhabe, abrufbar unter https://dvbs-online.de/index.php/publikationen-2/horus-spezial/horus-spezial-8-2017. Siehe auch horus 4/2016.zurück zum Text

(2) Stellungnahmen zu den einschlägigen Gesetz- und Verordnungsentwürfen von Seiten des DVBS und teilweise des DBSV finden sich unter https://dvbs-online.de/index.php/aktuelles/stellungnahmen. Siehe auch Boysen, EU-Richtlinie zu barrierefreien Websites und mobilen Anwendungen - Rückenwind für Barrierefreiheit oder nur laues Lüftchen? in: horus 2/2018.

(3) Siehe - durchaus polemisch - Boysen, Verwunderte Gedanken beim Lauschen einer Bundestagsdebatte, in: horus 3/2018.

(4) Siehe dazu das Wortprotokoll der 10. Sitzung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales am 11.6.2018, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2018/kw24-pa-arbeit-soziales-556706

(5) Dazu Boysen, Erfolgreicher Workshop zu digitaler Barrierefreiheit im Vergabeverfahren, in: horus 4/2019.

(6) Diese Handreichung kann in der Geschäftsstelle des DVBS angefordert werden.

Bild: Haupt- und Ehrenamtliche des DVBS setzen sich beharrlich für digitale Barrierefreiheit auf allen Ebenen ein - z. B. durch das Projekt agnes@work, für das Savo Ivanic arbeitet. Er selbst ist sehbehindert und arbeitet nah am großen PC-Bildschirm, Kopfhörer und Mikro hängen um seinen Hals. Er blickt von seiner Arbeit auf und lächelt. Foto: DVBS

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Barrierefreiheit ist längst nicht alles

Da kämpfen wir nun seit Jahrzehnten für Barrierefreiheit in der Informationstechnologie und sehen allmählich Fortschritte, doch plötzlich stehen wir vor völlig neuen Problemen im Job. Und schon wieder sind wir nicht so schnell und effektiv wie die anderen. Ein leicht verzweifelter Zwischenruf.

Von Matthias Klaus

Seit knapp zehn Jahren weht bei Microsoft ein anderer Geist. Früher ging man dort immer davon aus, dass für die Barrierefreiheit die Hersteller von Drittsoftware zuständig sind. Es war vollkommen normal, dass man einen Screenreader oder eine Vergrößerungssoftware braucht, um die klassischen Büroprodukte überhaupt benutzen zu können.

Das ist inzwischen anders. Microsoft, und die sind es nun mal, mit denen man beim Arbeiten am meisten zu tun hat, legt inzwischen großen Wert auf Barrierefreiheit. Es gibt sogar eigene Screenreader und Bildschirmvergrößerung, die nichts extra kostet. Die anderen Player stehen eigentlich auch gut da, wie wir Smartphone-Nutzenden durchaus zu schätzen wissen.

Wahrscheinlich sind die bei Microsoft, Apple und Google wirklich stolz auf sich, was sie schon alles geschafft haben. Sogar Libre Office ist inzwischen nutzbar.

Dann sollten wir doch jetzt endlich im beruflichen Gleichberechtigungshimmel angekommen sein.

Sind wir aber nicht. Barrierefrei ist schon eine Menge und dennoch, wir sind immer noch nicht konkurrenzfähig. Heute übliche Arbeitsmethoden lassen uns blinde und sehbehinderte Menschen auf ganz andere Art alt aussehen.

Da kann die Software noch so tolle Punktzahlen im BITV-Test erreichen.

Seit der Pandemie, aber eigentlich schon viel früher, wird in vielen Unternehmen auf eine Art gearbeitet, die ohne Sehen, sagen wir mal: arg herausfordernd ist. Da sitze ich in einem virtuellen Meeting und möchte gerne der Besprechung folgen. Doch was bekomme ich alle zwei Minuten: Chatnachrichten, die meine Braillezeile belagern, und die z.B. auf einen Artikel hinweisen, den jemand gelesen hat.

Wenn dann die entsprechenden Links noch aus einem wirren Gemisch von Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen bestehen, kann es schon mal sein, dass ich allein, um mir das anzuhören, 20 Sekunden des Gesprächs nicht mitbekomme.

Damit geht es aber erst los. Denn jetzt klicken die Kolleg*innen vielleicht den Link an, schauen sich den entsprechenden Artikel kurz an, und kommentieren das Ganze dann auch prompt.

Das alles, während das Meeting normal weiterläuft. Ich versuche, mich derweil auf das Gespräch zu konzentrieren, und fühle mich abgehängt. Ja, ja, man kann diese Meldungen abschalten, doch dann bekommt man auch die wichtigen Dinge nicht mehr mit.

Überhaupt der Chat nebenbei: Vieles wird gar nicht mehr gesagt, sondern nur noch geschrieben. Das zu lesen, während man mit jemandem redet, finde ich im höchsten Maße schwierig.

Anderes Thema:

Bis vor einigen Jahren gab es so etwas wie Software-Versionen. Kann sich noch jemand dran erinnern? Man wusste, wie etwas funktioniert, weil man es gelernt hatte. Ich kannte meine Menüs, meine Tastenkürzel und kam ganz gut zurecht.

Das ist inzwischen anders. Es gibt nur noch eine Version des Produkts, sagen wir mal Word, und die wird ständig aktualisiert. Manchmal tauchen neue Menüpunkte einfach auf, ohne dass man überhaupt davon erfährt. Das mag für sehende Nutzende kein Problem sein, doch ich bin manchmal ziemlich am Suchen, wenn ich die neuen Funktionen überhaupt finde.

Die Schwierigkeit ist dabei nicht die Barrierefreiheit im engeren Sinne, also erreichbar ist alles irgendwie, sondern dieses ständige Neu, Neu, Neu, ohne das wohl heute keine Software mehr auskommt.

Leider kann man in so einem Fall auch niemanden fragen. Die Kolleg*innen sagen vielleicht, da rechts oben ist so ein neues Icon, oder: "Klick mal in den leeren Bereich neben dem Hauptmenü."

Hilft also gar nichts. Im Unternehmen weiß sowieso niemand Bescheid, wie man das alles mit Screenreader macht, und zur Krönung: Die Hilfsmittelanbieter und ihr Schulungspersonal kommen, freundlich ausgedrückt, auch nicht mehr so ganz mit.

Und von den rein technischen Herausforderungen hab' ich ja noch gar nicht angefangen.

Mal vorgestellt, ich sitze im Home-Office, arbeite mit einem doch ziemlich guten Rechner und den neuesten Software-Versionen, doch der VPN-Zugang ist mal wieder nicht der schnellste. Das ist vielleicht für sehende Menschen auch nicht schön, aber die können meistens damit umgehen. Wenn ich einen Screenreader laufen habe, vielleicht noch mit paralleler Vergrößerung - Gruß an alle Fusion-Nutzer -, braucht es schon mal drei Sekunden, bis ein Buchstabe, den ich getippt habe, auch zu hören ist.

Kinder, so kann ich nicht arbeiten!

Wo ich schon mal am Schimpfen bin: Natürlich bekommen wir alle paar Monate neue Kooperationstools oder digitale Terminplaner, von denen es dann heißt: "Die benutzen wir ab sofort. Die erklären sich von selbst." Dass sie das mitnichten tun, ist soweit bekannt. Dann sucht man sich jemanden, der einem die Sache beibringt, wofür man schonmal Finanzierungsanträge stellen muss, die natürlich auch ihre Zeit brauchen.

Wenn ich dann endlich die Schulung gemacht habe und mit der neuen schicken Software halbwegs klarkomme, heißt es: "Wir haben jetzt ein neues Tool, das Vorige hat sich nicht bewährt."

Ich möchte übrigens gar nicht wissen, wieviel Geld schon in JAWS-Anpassungen geflossen ist, die obsolet waren, kurz nachdem das Inklusionsamt die Rechnung beglichen hat.

Mit Jahrgang 64 bin ich vielleicht schon etwas älter, und auch Menschen ohne Seheinschränkung kommen mit der Digitalisierung nicht klar. Doch egal sein kann mir das alles nicht. Schließlich verbringe ich ein Drittel des Tages an meinem Arbeitsplatz, und der ist nun mal digital.

Wenn also hier jemand eine Idee hat, wie man mit diesen ständigen Änderungen, mit diesem Hochgeschwindigkeitskommunizieren und mit diesem ganzen optischen Gedöns klarkommt, ohne in Frustration zu versinken, dann immer her mit den Tipps.

Ich will einfach noch nicht einsehen, dass ich ein alter Mann bin, der mit der neuen Zeit nicht mehr zurechtkommt.

Bild: Matthias Klaus arbeitet im Homeoffice am Rechner mit Braillezeile, großem Mikrofon und Keyboard. Er trägt eine dunkelgetönte Brille und einen On-Ear-Kopfhörer. Foto: privat

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Von 0 auf 1 - Chancen und Barrieren von Digitalisierung in der Schule am Beispiel digitaler Tafeln

Von Jens Flach, Knut Büttner und Tobias Mahnke

Digitale Systeme kennen nur zwei Zustände: 1 und 0, an und aus, "Geht!" und "Geht nicht!". Die Digitalisierung der Lernumgebung für Lernende mit Blindheit oder Sehbehinderung ist hingegen geprägt von einer Vielzahl von individuellen Bedarfen, technischen Anpassungen und persönlichen Nutzungsstrategien auf der einen, sowie den oftmals ungeklärten Fragen nach personellen Ressourcen, der Finanzierung, Kompatibilität und Datenschutzkonformität der notwendigen Technologien auf der anderen Seite. Binäres Denken hilft hier nicht weiter.

Viele Barrieren bei der Teilhabe an Schulunterricht von Lernenden mit Blindheit oder Sehbehinderung scheinen auf den ersten Blick durch das Voranschreiten der Digitalisierung beseitigt: Computer geben den Bildschirminhalt in Braille-Schrift und über den Sprachsynthesizer wieder und machen somit Schulmaterialien zugänglich. Tablets und Smartphones sind allgegenwärtige sprechende Helferlein, die beispielsweise das Nachschlagen in Wörterbüchern oder ganz allgemein Online-Recherchen ermöglichen. Nicht zuletzt produzieren 3D-Drucker kostengünstige Modelle und versprechen damit einen weitverbreiteten Einsatz von taktilen Lernmitteln. Insgesamt ist dies freilich eine begrüßenswerte Entwicklung. Dass eine gelingende Teilhabe am Schulunterricht aber nicht allein dadurch gewährleistet ist, dass die neuesten digitalen Medien im Klassenraum installiert und auf den Arbeitsplatz von Lernenden mit Blindheit oder Sehbehinderung gestellt werden, ist jedoch Teil der Realität. Wie wir diese Herausforderungen meistern können, möchten wir in diesem Beitrag am Beispiel von digitalen Tafeln zeigen.

Einsatzmöglichkeiten digitaler Tafeln

Digitale Tafeln oder Smartboards lassen sich anschaulich als tafelgroße Tablets beschreiben. Durch Berührung mit den Fingern oder Spezialstiften kann wie auf einer herkömmlichen Kreidetafel geschrieben werden. Dass hier das allgemeinpädagogische Potenzial dieser Geräte aber erst beginnt, liegt auf der Hand: Die vorinstallierte Software erlaubt das Einbinden von Grafiken und Videos in das Tafelbild, Schrift und Grafikobjekte können durch einfache Gesten quasi im Handumdrehen neu arrangiert und vergrößert werden, und zahlreiche Lern-Apps warten auf den Einsatz, um Unterricht abwechslungsreich und interaktiv zu gestalten. Das Speichern einzelner Tafelbilder kann überdies dazu genutzt werden, diese zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufzurufen und sie sogar an die Lernenden als Datei weiterzugeben.

Selbstverständlich ist dies nur ein grober Abriss der mannigfaltigen Funktionalität, die zudem von Modell zu Modell variiert. Einige Vorteile für den Einsatz im Unterricht mit Lernenden, die nicht auf die Nutzung von Screenreadern angewiesen sind, lassen sich aber bereits erahnen. So können Kontraste und Helligkeit angepasst werden oder spontane Vergrößerungen sind ohne Zeitverlust in guter Qualität möglich, und sogar Audioelemente können unterstützend eingebunden werden. Insgesamt bieten digitale Tafeln im Einsatz mit der Zielgruppe der Nicht-Screenreader-Nutzenden eine Reihe von Möglichkeiten, Unterricht inklusiv zu gestalten, und die Zahl der konkreten Anwendungsbeispiele wird durch vermehrte und kontinuierliche Unterrichtspraxis sicher steigen. Damit letztlich jedoch alle Lernenden - ob an Regel- oder Förderschulen -davon profitieren können, sollte ein einrichtungsübergreifender Austausch angeregt werden, um die entstehende Expertise im Sinne der Lernenden zu teilen.

Digitale Tafeln und Screenreader - eine Symbiose?

Wie aber kann das digitale Tafelbild für Lernende mit Blindheit zugänglich gemacht werden? Können wir uns hier nicht den Umstand zunutze machen, dass die meisten Hilfsmittel heutzutage ohnehin digital sind? Eben an diesem Punkt kommt das binäre Denken "Geht!" oder "Geht nicht!" an seine Grenzen. Viele Lösungen, die auf den ersten Blick vielversprechend erscheinen, scheitern an technischen Gegebenheiten, für die Behelfslösungen entwickelt werden müssen. Des Weiteren dürfen förderpädagogische Prinzipien nicht einfach über Bord geworfen werden, nur weil die digitalen Verlockungen der neuen Technologie übermächtig werden.

Exemplarisch ist hier die Möglichkeit der Speicherung der Tafelbilder zu nennen, da hier sowohl technische Hürden zu nehmen sind als auch förderpädagogische Prinzipien in Gefahr geraten. In punkto Technik ist dazu festzuhalten, dass digitale Tafeln den Bildschirminhalt als Grafikdateien speichern, was ein direktes Auslesen mit Hilfe eines Screenreaders nicht erlaubt. Hier ist also zunächst die Texterkennung durch eine OCR-Software nötig. Diese funktioniert (insbesondere bei Handschriften) nicht immer fehlerfrei und verändert bisweilen auch die eigentliche Struktur des Originaltextes. Zudem werden Grafiken nicht erkannt, geschweige denn beschrieben. So ist eine händische Nachbearbeitung unumgänglich, um den Output der Tafel für Lernende mit Blindheit zugänglich zu machen. Auf der förderpädagogischen Ebene kommt hinzu, dass ein Nachreichen des Tafelbildes als Datei die betreffenden Lernenden vom Erarbeitungsprozess ausschließt. Während alle anderen die Entstehung des fertigen Produkts in Echtzeit verfolgen oder sich sogar aktiv beteiligen können, erhalten Screenreader-Nutzende, sofern ihnen nicht von Mitlernenden, der Lehrkraft oder einer Assistenz geholfen wird, nicht die Gelegenheit, im gleichen Maße an dieser Unterrichtsphase teilzuhaben, und müssen das Verpasste anhand des gespeicherten Tafelbildes nacharbeiten. Sollte dieses aufgrund der oben skizzierten technischen Umwandlung fehlerhaft sein oder Informationen vorenthalten, werden die Chancen auf den Lernerfolg weiter gemindert.

Digitale Tafeln und Screenreader - eine Annäherung

Sicher ist dies trotz aller Bedenken mehr als das, was die alte Kreidetafel für Lernende mit Blindheit jemals leisten konnte; zufriedengeben dürfen wir uns damit jedoch nicht. Daher erproben wir an der blista derzeit technische Umgebungen, die es allen Lernenden ermöglichen, vom Einsatz digitaler Tafeln zu profitieren. Auch hier muss wieder zwischen technischen und förderpädagogischen Aspekten unterschieden werden, auch wenn diese sich bisweilen wechselseitig bedingen.

In technischer Hinsicht ist für uns die Loslösung von der OnBoard-Software der Tafeln zentral, um eine Schnittstelle zu schaffen, die Endgeräte der einzelnen Lernenden direkt und stets aktuell mit dem Bildschirminhalt der Tafeln zu versorgen. Es ist wichtig, dass die Inhalte dabei nicht einfach nur gespiegelt werden, sondern der Screen-Reader am Einzelarbeitsplatz tatsächlich Zugriff auf die Daten hat, um sie auslesen zu können. Aus diesem Grund ist es eine Lösung, ein Ether-Pad zu verwenden. Dabei handelt es sich um einen webbasierten Texteditor, der sowohl von allen Arbeitsplätzen als auch von der Tafel aus genutzt werden kann. Da er den Text in Echtzeit aktualisiert, können alle Lernenden jederzeit mitlesen und sogar selbst Text eingeben, der dann an der Tafel erscheint. Die Lehrkraft muss dabei auch nicht auf das gewohnte Anschreiben an der Tafel verzichten, denn die Eingabe mit einem speziellen Stift ist auch hier möglich und sogar Texterfassung per gesprochener Sprache wird unterstützt. Natürlich ist die Steuerung auch über den angeschlossenen Desktop-PC möglich, wodurch auch Lehrkräfte mit Blindheit oder Sehbehinderung die digitalen Tafeln als Unterrichtsmedium verwenden können. Optimal ist die Ether-Pad-Lösung beispielsweise für mathematische Formeln, Vokabelsammlungen oder ein gemeinsames Brainstorming.

Einbindung von Grafiken

Da die grafischen Gestaltungsmöglichkeiten eines Ether-Pads jedoch begrenzt sind, ist auch der Einsatz von Microsoft Whiteboard denkbar. Dieses stellt derzeit unter den zahlreichen Angeboten auf dem Markt die barriereärmste Tafel-Software dar. Auch hier wird der Bildschirminhalt in Echtzeit auf allen verbundenen Geräten aktualisiert. Es lassen sich aber verschiedene optisch ansprechende Elemente (wie z. B. Post-Its, Diagramme, Fotos) einbinden und frei anordnen. Auch Freihandzeichnungen sind möglich. Um die grafischen Objekte auch für Lernende mit Blindheit erfahrbar zu machen, können diese immer mit einem Alternativtext versehen werden. Man muss aber stets im Hinterkopf behalten, dass die flächige Gestaltung auf der Tafel durch den Screenreader nur linear ausgegeben wird. Aspekte, die nur durch strukturelle Beziehungen zutage treten, bedürfen also ebenfalls einer alternativen Vermittlung.

An dieser Stelle werden auch die förderpädagogischen Implikationen deutlich: Zunächst sollte man sich immer wieder klarmachen, dass eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Tafelbildes über Screenreader in den meisten Fällen nicht möglich ist. Wie man ein Tafelbild gestaltet, hat somit direkte Auswirkungen darauf, was Lernende mit Blindheit aus dem Unterricht mitnehmen können. Unumgänglich sind Alternativtexte für jegliche Elemente, die vom Screen-Reader nicht erkannt werden. Bei der Strukturierung des Tafelbildes sollte ferner berücksichtigt werden, dass es auch bei der Wiedergabe auf der Braille-Zeile oder durch die Sprachausgabe nicht an Sinn und Zusammenhang verliert. Auch hier ist es angezeigt, dass Best-Practice-Beispiele erstellt und unter Lehrkräften geteilt werden, um den Ertrag für alle Beteiligten zu erhöhen.

Um Grafiken zugänglich einzubinden, gibt es noch weitere vielversprechende Ansätze, an denen wir arbeiten. So ist auch das gemeinschaftliche und gleichzeitige Arbeiten an einem im Web freigegebenen Office-Dokument zu nennen. Außerdem lassen die Bestrebungen der visuellen Kollaborationsplattform Miro, ihr Angebot barrierefrei zu gestalten, erwartungsvoll in die Zukunft blicken.

Differenzierung durch digitale Tafeln

Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass digitale Tafeln als Differenzierungsmedium verwendet werden können, um der Lehrkraft die zeitliche Möglichkeit zu eröffnen, sich intensiv um die individuellen Belange von Lernenden mit Blindheit kümmern zu können. Gemeint ist hiermit, dass es Situationen gibt, in denen die beste technische Anpassung nicht so fruchtbar ist wie der Einsatz von bewährten Materialien aus der Pädagogik bei Blindheit oder Sehbehinderung. So kann man beispielsweise im Erdkundeunterricht eine stumme Karte an die Tafel projizieren und diese von den Lernenden, die dies mit Hilfe des Tafelstifts tun können, ausfüllen lassen. Als Lehrkraft kann man sich nun die Zeit nehmen, taktile Karten mit den Lernenden mit Blindheit in Ruhe zu erarbeiten.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass digitale Tafeln auch für Lernende mit Blindheit oder Sehbehinderung Vorteile mit sich bringen. Je nach individuellem Bedarf können diese mehr oder weniger gewinnbringend ausgeschöpft werden. Es liegt also stets in der planerischen Kompetenz der Lehrkraft, das Lernarrangement so auszugestalten, dass es von Allen bestmöglich genutzt werden kann. Unterricht sollte nicht tafelzentriert geplant werden, sondern spezifische Bedarfe in den Fokus nehmen. Zur Etablierung dieses Mindsets, aber auch um die technischen Skills zu vermitteln, erachten wir kollegialen Austausch und regelmäßige Schulungen als essenziell. Auch darf nicht vergessen werden, dass Zeit aufgewendet werden muss, den Lernenden die zusätzlichen Fähigkeiten zu vermitteln, die sie benötigen, um die tafelspezifischen Anwendungen sicher bedienen zu können.

Wie eingangs erwähnt, beziehen sich die in diesem Beitrag vorgestellten Chancen und Herausforderungen in erster Linie auf den Einsatz digitaler Tafeln. Sie können jedoch Pate stehen für alle digitalen Medien, die in Kombination mit assistiven Technologien im Unterricht mit Lernenden mit Blindheit oder Sehbehinderung eingesetzt werden sollen. Ein hastig aus dem Internet downgeloadetes PDF-Dokument ist nicht unbedingt mit Screenreader lesbar, mitunter sind nicht alle Funktionen des webbasierten Schulportals zugänglich oder die Untertitel des Lehrfilms werden einfach nicht auf der Braille-Zeile angezeigt. Sicher werden zukünftig einige der heutigen Probleme durch neue technische Errungenschaften gelöst, im Zusammenspiel mit spezifischen Hilfsmitteln ist aber auch immer wieder mit daraus resultierenden Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen. Dennoch sagen wir: "Geht nicht - gibt's nicht!" Mit der stetigen Weiterentwicklung von technischen und förderpädagogischen Konzepten, dem übergreifenden Austausch unter Fachleuten und der kontinuierlichen Schulung aller Beteiligten drehen wir die Digitalisierung in inklusiven Klassenzimmern graduell von 0 auf 1.

Zu den Autoren

Jens Flach ist seit 2011 Lehrer für Englisch und Ethik an der blista und war dort zuvor selbst Schüler. Neben der Leitung des sprachlich-literarisch-künstlerischen Aufgabenfeldes engagiert er sich in der Schulentwicklung für Belange der Förderpädagogik und assistiver Technologien.

Knut Büttner ist seit 2013 Lehrer für Mathematik und Informatik an der blista. Als IT-Beauftragter der Carl-Strehl-Schule entwickelt und betreut er u.a. Digitalisierungsprozesse und entwickelt taktile Medien.

Dr. Tobias Mahnke ist diplomierter und promovierter Chemiker und arbeitet seit 2013 als Lehrer an der blista. Als Leiter des dortigen Medienzentrums entwickelt er Materialien und Konzepte für inklusiven Unterricht.

Bild: Jens Flach lächelt. Er hat schwarze Augen und schwarzes, kurzgeschnittenes Haar. Foto: privat

Bild: Knut Büttner hat dunkelblaue Augen, hellbraunes, feines Haar und trägt eine Brille. Er lächelt. Foto: privat

Bild: Dr. Mahnke hat dunkle Augen und trägt sein braunes Haar kurz. Lächelnd hält er ein 3D-Orbitalmodell in der rechten Hand. Foto: privat

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Mein Kumpel VoiceOver und meine Freundin Siri

Wie mir als Späterblindetem mein iPhone hilft, mich in meiner Umwelt zu orientieren

Von Frank Mehler

Als ich mich vor einem Jahr mit meiner Freundin Jutta traf, um über Gefahren der künstlichen Intelligenz zu diskutieren, habe ich ihr erklärt, wie ich als Blinder meinen Alltag mit Unterstützung durch künstliche Intelligenz bewältige. Mein iPhone hilft mir immer wieder, schriftliche Informationen zugänglich zu machen, mit anderen zu kommunizieren und mich in der Welt zu orientieren und zu bewegen.

Ich bin erst vor fünf Jahren erblindet und habe mich dann sehr schnell in die Benutzung des iPhones eingearbeitet. Bereits als sehbehinderter Berufsschullehrer hatte ich mich mit Computern vertraut gemacht. Zunächst konnte ich noch mit meiner Lupenbrille lesen und brauchte keine weiteren Hilfsmittel. Die Bedenken einiger Bekannter, dass mein Sehen sich durch die Arbeit mit dem Computer verschlechtern könnte, wurden von meinen Augenärzten ausgeräumt. Für alle ophthalmologisch interessierten Leser und Leserinnen sei hier kurz angemerkt, dass ich seit meiner Geburt an einem chronischen juvenilen Glaukom leide und es der Fachkompetenz unterschiedlicher Augenärzte zu verdanken habe, dass ich nicht schon viel eher erblindet bin.

Ich habe mich also trotz Sehbehinderung schon früh mit dem Internet und der digitalen Kommunikation beschäftigt. Ein erstes Nokia-Handy habe ich mir als passionierter Finnland-Fan 1997 gekauft. Mit meiner Lupenbrille gelang es mir einigermaßen, die kleinen Zeichen auf dem Display des Handys zu entziffern.Da die Handys damals noch nicht sprechen konnten, konnte es allerdings schon mal vorkommen, dass ich zu Ostern die Botschaft "Droge Ostern!" versandte.

In meinem Unterricht habe ich meinen Schülerinnen sogar den Umgang mit dem Computer vermittelt. Zwar war ich durch mein eingeschränktes Blickfeld in der Handhabung der Maus immer etwas langsamer als die anderen Lehrkräfte. Abermeine Schülerinnen behaupteten, durch meine verlangsamte Präsentation am Bildschirm könnten sie meinen Erklärungen besser folgen als denen anderer Lehrkräfte.

Ich hatte also bis zur Erblindung vor fünf Jahren als sehbehinderter Lehrer schon viele Erfahrungen im Umgang mit digitalen Medien gesammelt. Dies schuf sicherlich eine gute Grundlage für die Nutzung digitaler Medien als Blinder. Als mein Sehen sich vor zehn Jahren immer mehr zu verschlechtern begann, half mir fünf Jahre noch ein iPad, mit dem ich für mich zu klein gestaltete Texte vergrößern konnte. Als ich nach meiner Pensionierung vor sechs Jahren auf dem Bildschirm nichts mehr erkennen konnte, half mir auch das iPad nicht mehr.

Als Blinder habe ich dann öfter und intensiver das iPhone benutzt und viele neue Möglichkeiten entdeckt. Den Umgang mit digitalen Hilfsmitteln am PC habe ich nicht mehr erlernt, da ich alle Aufgaben in der realen und virtuellen Welt mit dem iPhone gut bewältigen kann. Für den Umgang mit dem iPhone habe ich nie eine individuelle Schulung erhalten. Ich habe mir alle Informationen aus dem Internet besorgt und konnte mich bei speziellen Fragen an kompetente blinde iPhone-Experten wenden. Inzwischen leite ich beim DVBS die "iPhones-Sprechstunde für die etwas ältere Generation" und moderiere mit einem Kollegen den Technikgesprächskreis in Hannover.

Das sprechende iPhone und die Apps

Ich will jetzt kurz darstellen, in welcher vielfältigen Art und Weise ich mein iPhone verwende. Damit blinde und sehbehinderte Menschen iPhones und andere Apple-Geräte überhaupt nutzen können, war die Entwicklung des Screenreaders "VoiceOver" vor mehr als zehn Jahren eine notwendige Voraussetzung. Diese Software, die allen Apple-Geräten kostenlos mitgeliefert wird, ermöglicht es, viele Dinge, die man auf dem Bildschirm nur sehen kann, in gesprochene Sprache zu übertragen. Außerdem lässt sich das iPhone so auch durch spezielle Gesten bedienen. Schließlich ist noch Siri im Spiel, eine Apple-Software, die gesprochene Sprache erkennt und der man Anweisungen geben kann, die sie umsetzt.

Natürlich verwende ich mein iPhone zum Telefonieren und kann über meine gesammelten Kontakte einen Anruf über einen Sprachbefehl ausführen. Als digitale Kommunikationsmittel versende und empfange ich SMS-Nachrichten, E-Mails und WhatsApps.

Mit dem Ausbruch der Pandemie mussten wir alle schnell lernen, mit Telefonkonferenzen umzugehen. Als nächster Schritt folgte die Teilnahme an Videokonferenzen. Anfangs nahm ich nur an Videokonferenzen in der Blind Community teil. Inzwischen beteilige ich mich auch an Zoom-Konferenzen mit mehr als zweitausend sehenden Teilnehmern und Teilnehmerinnen innen in englischer Sprache. Auch an den Wahlen des DVBS habe ich nach einer guten Schulung mit meinem iPhone teilgenommen.

Die Informationsrecherche im Internet musste ich schon ein bisschen üben, aber inzwischen kann ich alle wichtigen Informationen im Netz finden und, falls notwendig, in meinen Texten verwenden.

Schon kurz vor der Pandemie hatte ich damit begonnen, einmal pro Woche über die Rewe-App einzukaufen. Ich vermisse es nicht, dass ich den Supermarkt um die Ecke nur selten besuche, denn schon als Sehbehinderter bin ich nicht gern dort hingegangen, denn nach jeder Umstellung von Produkten im Supermarkt brauchte ich immer viel Zeit, meine gewünschten Lebensmittel wieder zu finden. Frische Lebensmittel lasse ich mir von meinem Sohn oder Nachbarinnen, die ich über eine WhatsApp-Gruppe gut erreichen kann, mitbringen.

Meine Reiseplanung erledige ich mit der App DB-Navigator. Ich suche mir die gewünschte Verbindung aus, reserviere und kaufe telefonisch die Fahrkarten und bespreche, an welchen Orten meiner Reise ich eine Assistenz benötige. Nach dem Telefonat bekomme ich meine Tickets, Platzreservierungen und verabredeten Hilfestellungen durch den Mobilitäts-Service per E-Mail zugesandt. Als registrierter Bahnkunde zahle ich die Kosten für das Bahnticket per Bankeinzug. Falls ich meine Fahrkarte nicht vor Fahrtantritt kaufen kann, kann ich sie als Blinder ohne Zuschlag im Zug erwerben. Ab 2023 soll sich dies leider ändern, und man muss die Fahrkarte, wenn man sie nicht rechtzeitig bei der Mobilitätszentrale erworben hat, vor Fahrtantritt entweder am Schalter oder als registrierter Kunde mit der DB-Navigator-App erwerben.

Fast alle Hörbücher erhalte ich über die App dzb lesen. Es ist nicht mehr nötig, sich CDs per Post zusenden zu lassen. Die Auswahl an Hörbüchern ist bei der dzb lesen und den Bibliotheken für Sehbehinderte und Blinde in Hamburg oder Marburg sehr groß. Wenn ich nicht warten will, bis die dzb lesen ein aktuelles Hörbuch in seinen Bestand aufgenommen hat, bestelle ich mir ab und zu ein Hörbuch kostenpflichtig über die Audible-App. Im Radio werden aktuelle Bücher und Klassiker der Weltliteratur oft vorgelesen, und ich kann fast alle Radiosendungen zu einer mir passenden Zeit als Podcasts in unterschiedlichen Mediatheken, wie z.B. Der ARD- oder DLF-Audiothek, nachhören. Im letzten Jahr habe ich mich auf die "Suche nach der verlorenen Zeit" gemacht. Fast jeden Tag konnte man eine halbe Stunde aus Prousts mehrbändigem Romanzyklus hören. Irgendwann habe ich dann den Anschluss verloren. Unterhaltsamer und nicht ganz so anstrengend ist da schon, mit sehenden Bekannten gemeinsam ins Kino zu gehen und einen Spielfilm zu genießen. Für viele Filme kann ich mir mit der Greta-App die Hörfilmspur vor dem Kinobesuch auf mein iPhone herunterladen und sie während der Vorstellung über einen Kopfhörer abspielen.

Wenn es ein für mich interessantes Buch nicht als Hörbuch gibt, kann ich es auch über die App Bücher oder Kindle als eBook kaufen. Wenn es beides nicht gibt, habe ich gute Erfahrungen damit gemacht und die Verlage gefragt, ob sie mir als Blindem ein Buch im PDF-Format zur Verfügung stellen könnten. Auch Zeitungsartikel erhält man fast immer im PDF-Format. Bei der Erfassung von PDF-Formaten gibt es immer dann Probleme, wenn die Datei nicht nur aus Text, sondern auch aus Bildern besteht. In dem Fall benötige ich zur Entschlüsselung spezielle Apps, wie z.B. Envision, Seeing AI oder Voice Dream Reader. Diese Apps benötige ich auch, um von gedruckten Dokumenten Scans zu erstellen. Am einfachsten lassen sich aber Textdateien im TXT-, RTF- oder DOC-Format für uns in gesprochene Sprache verwandeln.

Kurze Texte in E-Mails oder anderen Textnachrichten diktiere ich. Längere Texte, wie zum Beispiel diesen Artikel, schreibe ich mit dem Schreibprogramm Pages von Apple. Die Texteingabe erfolgt über eine kabellose Bluetooth-Tastatur. Mit ihr kann ich mich in einem Text genauso bewegen wie mit einer Tastatur am PC oder Laptop. Das Programm Pages bietet die Möglichkeit, die geschriebenen Texte im Word- oder PDF-Format zu speichern und an Personen zu versenden, die keine Apple-Geräte benutzen.

Knopf im Ohr

Meine Umwelt kann ich verblüffen, wenn ich mich in ein Café setze, das iPhone in der Tasche lasse, die Verbindung zu einem Miniohrstecker über Bluetooth herstelle und vor mir auf dem Tisch die drahtlose Bluetooth-Tastatur verwende, um einen Text zu schreiben. Der Text wird mir für andere nicht hörbar ins Ohr geflüstert.

In meinem Spanisch-Konversationskurs erhalte ich Texte in spanischer Sprache und erledige meine Hausaufgaben in spanischer Sprache. Ich muss dafür die ausgegebene Sprache von Deutsch auf Spanisch umschalten und für die Texteingabe die spanische Tastatur auswählen.

Die Navigation mit dem iPhone in der Stadt und in der freien Natur stellt schon eine besondere Herausforderung dar. Es gibt dafür inzwischen unterschiedliche Apps. Ich verwende für die Navigation hauptsächlich die Apps MyWay und BlindSquare. Wichtig ist vor allem, dass man die Navigation zunächst in seiner bekannten Umgebung übt, Manchmal ist das GPS-Signal in Hannover so schwach, dass mir nicht die Straße angesagt wird, in der ich mich gerade bewege, sondern eine Parallel- oder Querstraße in der Nähe. In guten Navigations-Apps kann ich erfragen, wie verlässlich die Standortgenauigkeit ist. Auf jeden Fall habe ich meinen weißen Langstock immer dabei, um zur Not auch ohne iPhone zurechtzukommen. Gerade für die Navigation gilt, wie bei allen zuvor dargestellten Verfahren, das Prinzip "Üben, üben, üben!". Hier ist es allerdings besonders wichtig, da Fehler schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen können.

Für die digitale Erkundung fremder Umgebungen, die Sehende mit einem kurzen Blick wahrnehmen können, bieten die Apps Envision oder Seeing AI interessante Möglichkeiten, Räume in Gebäuden oder auch Umgebungen im Freien digital zu erfassen. Als in der Rezeption eines Hotels einmal niemand Zeit hatte, mir die Einrichtung meines Hotelzimmers zu beschreiben, half mir die Envision-App, mein Hotelzimmer digital zu erkunden, indem sie mir die Positionen unterschiedlicher Gegenstände im Zimmer nannte. Aber auch hier sollte man erst mal in der eigenen Wohnung üben. Fehlermeldungen lassen sich dort schnell erkennen.

Durch meine Schilderungen ist vermutlich deutlich geworden, dass für mich das iPhone eine zentrale Rolle spielt, wenn es um die Wahrnehmung meiner Umwelt und um die Kommunikation mit anderen Personen geht. Sicherlich fiel es mir als Späterblindetem leichter, das iPhone zu nutzen, da ich bereits als Sehbehinderter unterschiedliche digitale Medien genutzt hatte. Ich ermutige alle Blinden, digitale Hilfsmittel für die Orientierung und Kommunikation zu nutzen. Es muss nicht unbedingt ein iPhone sein, denn die Android Smartphones bieten inzwischen auch gute Möglichkeiten an. Wer nicht so viele Erfahrungen mit digitalen Medien erwerben konnte wie ich, dem empfehle ich eine individuelle Schulung. Gute Schulungen werden zum Beispiel vom "Apfel-Fleger" (Jürgen Fleger) angeboten.

... wenn der Strom ausfällt

Manchmal denke ich darüber nach, was für Konsequenzen es für mich hätte, wenn plötzlich der Strom und alle digitalen Netzwerke für längere Zeit ausfielen. Das ist während der Pandemie nie der Fall gewesen. Die neuen digitalen und alten Medien, wie das Telefon, haben vielen - Blinden und Sehenden - geholfen, sie besser zu bewältigen. Der amerikanische Autor Don DeLillo hat in seinem neuen Buch "Die Stille" ein Szenario entwickelt, in dem im Jahr 2022 in New York nichts mehr geht: kein Strom und kein Internet. Fünf Personen, die gemeinsam das Endspiel der amerikanischen Football-League ansehen wollen, sitzen vor schwarzen Bildschirmen. Fahrstühle und Rolltreppen funktionieren nicht mehr. Im Krankenhaus beleuchtet nur noch eine Notbeleuchtung die dunklen Gänge. Eine Mitarbeiterin in der Verwaltung muss die Patienten ohne das hausinterne Computernetzwerk mit handgeschriebenen Zetteln zu den hoffentlich richtigen Ärzten schicken.

Mir als Blindem stellen sich bei einem längeren Strom- und Netzausfall dieselben Probleme wie den Sehenden. Aber: ihnen kann ich mit meinem weißen Langstock helfen, ihr Ziel im Dunkeln zu erreichen. Da ich vor fünf Jahren noch die Brailleschrift erlernt habe, kann ich auf Bücher in Brailleschrift zurückgreifen. Da ich inzwischen Gitarre und Klavier im Dunkeln spielen kann, könnte ich auch in dunklen Zeiten musizieren. Ich hoffe allerdings, dass dieses dunkle Szenario nicht zur Realität wird und ich mich weiterhin mit digitalen Hilfsmitteln etwas leichter durch die für mich nicht sichtbare Welt bewegen kann.

Zum Autor

Frank Mehler, Jahrgang 1951, war von Kindheit an sehbehindert. Er studierte Pädagogik und Soziologie in Göttingen. Beruflich war er zunächst in der Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung tätig. Später arbeitete er als Lehrer für Pädagogik und Psychologie an der Fachschule für Sozialpädagogik in Celle. Nach seiner völligen Erblindung und Pensionierung engagiert sich Frank Mehler in der Blindenselbsthilfe.

Bild: "Sage: "Hey Siri" zum iPhone": Display eines iPhones mit Schritt 1 von 5 zur Einrichtung von Siri (Speech Interpretation and Recognition Interface), damit Siri ohne Tastenbedienung arbeitet. Foto: privat

Bild: Frank Mehler während eines Spaziergangs durch die Dünen auf Baltrum. Wind zerzaust sein graues Haar, er trägt eine dunkel getönte Brille und am Ausschnitt des schwarzen T-Shirts ein Blindenbutton. In der rechten Hand hält er den Langstock, das iPhone ist unsichtbar dabei. Foto: privat

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Mehr Lernerfolg durch Digitalisierung?

Von Sabine Zimmermann

Die voranschreitende Digitalisierung im Bildungswesen weckt große Erwartungen hinsichtlich einer Verbesserung der Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler mit Blindheit oder Sehbehinderung. Die Lernbedingungen werden jedoch von weitaus mehr Faktoren beeinflusst als nur von den technischen Voraussetzungen.  Um Schülerinnen und Schülern mit Blindheit oder Sehbehinderung gleichberechtigte Teilhabe am digitalisierten Lernen zu ermöglichen, ist ein komplexes Set an Gegebenheiten auf den Ebenen der Politik, der Schule, der Lehrkräfte und der Schüler*innen Voraussetzung.

Schüler*innen

Zunächst müssen die Schüler*innen mit auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Endgeräten mit entsprechender zusätzlicher Hardware wie Braille-Zeile und Software (Screenreader) ausgestattet sein. Diese müssen robust mit der Schultechnologie zusammenarbeiten. Wie effizient die Lernenden damit arbeiten können, hängt von ihren individuellen informationstechnischen Fertigkeiten ab. Deshalb müssen sie im spezifischen Curriculum und/oder im Regelunterricht die Bedienung ihrer Technik erlernen und üben können. Möglicherweise muss durch die Erweiterung der benötigten Anwendungskompetenzen durch eine breitere Palette an Anwendungen mehr Zeit im spezifischen Curriculum zur Verfügung gestellt werden.

Damit die Schüler*innen selbständig arbeiten können, müssen jedoch Dokumente und Anwendungen die definierten Kriterien für Barrierefreiheit erfüllen.

Die angestrebte stärkere Individualisierung und Selbststeuerung des Lernens setzt auf Schüler*innenseite eine erhöhte Fähigkeit zur Selbstorganisation voraus. Diese kann nicht von vornherein erwartet werden und muss nach und nach aufgebaut werden.

Schule

Die Implementierung inklusiver digitaler Bildung muss als Schulentwicklungsprozess verstanden und angegangen werden (vgl. Schulz 2021, S. 33). Hierbei kann an den veränderbaren institutionellen Voraussetzungen wie Zielen, Konzepten, materiellen und personellen Ressourcen angesetzt werden.

Technische Ausstattung / materielle Ressourcen

Über den DigitalPakt wurde und wird massiv in IT-Infrastruktur (Internetverbindung, Hard- und Software) investiert.

Bei allen Hard- und Softwareanschaffungen sollte darauf geachtet werden, dass die Produkte die vier WCAG-Prinzipien erfüllen:

  1. Die Benutzer-Oberfläche muss für blinde und sehbehinderte Nutzer*innen wahrnehmbar, also per Screenreader oder Braille-Zeile auslesbar bzw. vergrößert oder farblich angepasst darstellbar sein.
  2. Sie sollte auch über die Tastatur oder Spracheingabe bedienbar
  3. Die Bedienung sollte einfach verständlich sein und zu verständlichen Informationen führen und
  4. robust mit einer breiten Palette von Betriebssystemen, Browsern und assistiven Technologien zusammenarbeiten. Dies ist auch für die Fachkräfte aus Förderzentren wichtig, die blinde und sehbehinderte Schüler*innen an verschiedenen Regelschulen begleiten, damit die Anzahl potenzieller Probleme und Lösungsmöglichkeiten überschaubar bleibt.

Zusätzlich müssen Anwendungen mit den Datenschutzvorgaben der Bundesländer konform sein, was bei großen kommerziellen Anbietern mit Sitz außerhalb der EU nicht gewährleistet ist (vgl. Rüger 2020, S. 189 ff.).

Auch bei barrierefreien Lernplattformen sollte auf eine klare Struktur geachtet werden, damit keine Orientierungsprobleme entstehen. Da Lernplattformen die zentralen Speichersysteme für Lerninhalte sind, steht es dem Förderziel Autonomie entgegen, wenn Schüler*innen nicht selbständig darauf zugreifen können. Lernplattformen müssen nach der BITV barrierefrei sein.

Das gilt auch für deren Inhalte, wie z.B. digitale Schulbücher.

Manche gängige Videokonferenzsysteme wie Zoom oder BigBlueButton sind in grundlegenden Funktionen barrierefrei zugänglich. Allerdings sind nicht alle Detailfunktionen für Nutzer*innen mit Sehbeeinträchtigungen sinnvoll oder überhaupt benutzbar, etwa weil deren Bedienung im Vergleich mit sehenden Nutzer*innen zu lange dauert. Dies ist bei der Unterrichtsplanung im Distanzunterricht zu bedenken. Mit der Verwendung von Open-Source-Software, die auf schuleigenen Servern gehostet wird, können zusätzliche datenschutzrechtliche Probleme umgangen und die Barrierefreiheit optimiert werden (Mahnke, Hellwig 2020, S. 192 f.). Nachteil ist jedoch der Arbeitsaufwand und der hohe Bedarf an Fachwissen, das in derartige Lösungen gesteckt werden muss, und dass dabei Insellösungen entstehen.

Schul-Webseiten sollten nach WCAG 2.2-Standard aufgebaut sein, so dass sie wie oben beschrieben über alle Arten von Endgeräten für alle wahrnehmbar, verstehbar und bedienbar sind.

Für die Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern ist es außerdem notwendig, dass die Schule Lehrkräften und Schüler*innen E-Mail-Konten zur Verfügung stellt. Diese können gleichzeitig als Zugang für die Nutzung einer Schulcloud oder den Schulserver dienen, so dass ortsunabhängig darauf zugegriffen werden kann (Rüger 2020, S. 188).

Personelle Ressourcen

Die wichtigste Ressource einer Schule stellen ihre Lehrkräfte mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen dar. Von ihrer positiven Einstellung zu Inklusion und Digitalisierung, ihrer Innovationsoffenheit, ihrem Wissen über Technik, Didaktik und Pädagogik und deren Schnittmengen (Hartung, Zschoch u.a. 2021, S. 64) hängt es ab, inwieweit sie digitalen und inklusiven Unterricht umsetzen (können).

Durch den Ausbau von Inklusion und Digitalisierung verändern sich die Anforderungsstrukturen für die Lehrkräfte massiv. Die eigene Medienkompetenz erlangt zentrale Bedeutung: Lehrkräfte müssen die Handhabung neuer Soft- und Hardware beherrschen, ihre jeweiligen Einsatzmöglichkeiten und -grenzen auch im Hinblick auf Barrierefreiheit kennen, Schüler*innen bei technischen Schwierigkeiten unterstützen können und sich Kompetenzen im Erstellen digitaler barrierefreier Dokumente/Lehrmaterialien aneignen und Konzepte für den sinnvollen Einsatz digitaler Medien im inklusiven Unterricht erarbeiten. Zusätzlich benötigen die Lehrkräfte mediendidaktische Kompetenzen, so dass sie ihren Schüler*innen den Umgang mit digitalen Medien vermitteln und sie an eine adäquate Mediennutzung heranführen können. Für diesen Kompetenzerwerb brauchen die Lehrkräfte ein umfassendes Fortbildungsangebot. Schulintern bietet sich eine gesteigerte Kooperation unter den Lehrkräften "in professionellen Lerngemeinschaften" (Sliwka und Klopsch 2020, S. 225) an, um voneinander und miteinander zu lernen.

Um all die technischen Neuerungen zu planen, zu installieren und zu warten und um den Lehrkräften technischen Support anzubieten, benötigen die Schulen dauerhaft IT-Fachkräfte wie Administrator*innen oder vom Unterricht dafür freigestellte Lehrkräfte mit Fachkenntnissen.

Auch die blinden- und sehbehindertenpädagogische Unterstützung, sei es durch Fachkräfte aus Förderzentren oder an den Schulen, muss die Entwicklung mitvollziehen, ihre spezifische Medienkompetenz hinsichtlich der Interaktion von assistiver Technologie mit neuen Anwendungen auf aktuellem Stand halten und für den Transfer zu den Fachlehrkräften und Schüler*innen sorgen (Schulz 2021).

Ideelle Ressourcen

Hilfreich ist - wie beim DigitalPakt Schule eingefordert - ein Medienbildungskonzept, das die systematische Vermittlung von Anwendungsfertigkeiten abgestimmt mit dem Curriculum sicherstellt und einen kompetenten Umgang mit medialen Inhalten im Sinne einer kritischen Reflexion vermittelt (Ferraro, Gasterstäd & Wahl 2021, S. 9).

Da der bloße Einsatz digitaler Medien anstelle analoger nicht per se zu besseren Lernergebnissen führt (Eickelmann, Gerick 2020, S. 157), empfiehlt es sich, neue Konzepte für den digital gestützten Fachunterricht zu entwickeln. Empirisch belegt ist ein positiver Einfluss digitaler Medien auf die Lernleistung in Verbindung mit konstruktivistischen Unterrichtsmethoden (vgl. Eickelmann, Gerick 2020).

Politik

Auf politischer Ebene werden sowohl die Digitalisierung als auch schulische Inklusion propagiert, aber eher separat verfolgt (vgl. Hartung, Zschoch, Wahl 2021, Schulz 2021).

In ihrem Strategiepapier "Bildung in der digitalen Welt" erklärt die KMK (2017) umfängliche digitale Bildung klar zum schulischen Bildungsauftrag. Dabei wird die Verbesserung der Teilhabe für die heterogene Schülerschaft betont, barrierefreie Zugänglichkeit jedoch nur impliziert. Bund und Länder fördern die Digitalisierung der Schulen über den DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 mit über 5 Milliarden Euro, ohne Barrierefreiheit explizit als Fördervoraussetzung zu nennen. Die zu beschaffenden Infrastrukturen sollen lediglich "grundsätzlich technologieoffen, erweiterungs- und anschlussfähig an regionale, landesweite oder länderübergreifende Systeme" (Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 § 3 (1)) sein. Um das Bewusstsein für digitale Barrieren bei den Planenden zu schaffen, so dass diese den Aspekt der Barrierefreiheit bei ihren Entscheidungen einbeziehen, sollte Barrierefreiheit klar zur Fördervoraussetzung erklärt und die in Förderzentren oder in der Selbsthilfe vorhandene Expertise genutzt werden.

Für sachgemäße Installation und dauerhafte Wartung der digitalen Infrastruktur an den Schulen müssen über die Zusatz-Verwaltungsvereinbarung zum DigitalPakt Schule "Administration" hinaus langfristige Mittel bereitgestellt werden.

Sowohl der allgemeine digitalisierungsbezogene Weiterbildungsbedarf der Lehrkräfte als auch der spezifische hinsichtlich digitaler Barrierefreiheit sollte von den Ländern aufgegriffen und über Fortbildungsprogramme aufgefangen werden.

Ein Beispiel, wie die Qualifizierung zu inklusiver digitaler Lehre für Lehrkräfte an Förderzentren und Regelschulen systematisch umgesetzt werden kann, ist das Programm zur diklusiven (= digital inklusiven) Schulentwicklung in Schleswig-Holstein. Über die Zertifikatskurse "Lernen mit digitalen Medien an Förderzentren" werden pro Förderzentrum zwei Mitarbeitende als Multiplikator*innen geschult. Diese tragen ihre digitale und sonderpädagogische Expertise sowohl in die eigene Einrichtung als auch in die kooperierenden Regelschulen (vgl. Schulz 2021, S. 33 f.).

Weiterer Handlungsbedarf besteht bei der Entwicklung barrierefreier digitaler Lehrmedien. Es besteht derzeit noch Entwicklungsbedarf für barrierefreie und datenschutzkonforme Anwendungen wie Lernplattformen usw., der von bildungspolitischer Seite angegangen werden muss. Außerdem sollten die Kultusministerien ihren Einfluss auf die Schulbuchverlage nutzen und bei der Digitalisierung von Schulbüchern auf die Einhaltung des national vereinbarten E-Buch-Standards hinwirken. Dieser unterscheidet sich von den Formaten gängiger E-Books, indem eine einheitliche Gestaltung Orientierung, Austausch und mehrfache Verwendung der Bücher erleichtert (vgl. augenbit.de).

Fazit

Wie stark Schülerinnen und Schüler mit Blindheit oder Sehbehinderung von der Digitalisierung der Schulen profitieren können, hängt zu einem großen Teil von den Rahmenbedingungen ab. Wie im analogen Unterricht sind die Verfügbarkeit barrierefreier Lernmedien sowie Kompetenz und Engagement der Lehrkräfte entscheidend. Diese können jedoch nur aufgebaut und weiterentwickelt werden, wenn den Lehrkräften die Weiterbildung leichtgemacht wird. Voraussetzung hierfür sind zeitliche Ressourcen, technische Ausstattung und ein verfügbares Fortbildungsangebot auch zu Themen wie digitale Barrierefreiheit und inklusive Unterrichtsgestaltung.

13 Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesrepublik Deutschland sollte anerkannt werden, dass die Themen Inklusion und Barrierefreiheit in den Mainstream gehören und bei allen pädagogischen und technischen Neu- und Weiterentwicklungen im Bildungsbereich mitgedacht werden müssen.

Literaturverzeichnis

Eickelmann, Birgit / Gerick, Julia (2020): Lernen mit digitalen Medien. Zielsetzungen in Zeiten von Corona und unter besonderer Berücksichtigung von sozialen Ungleichheiten - In: Fickermann, Detlef [Hrsg.]; Edelstein, Benjamin [Hrsg.]: "Langsam vermisse ich die Schule ...". Schule während und nach der Corona-Pandemie. Münster; New York : Waxmann, 153-162. DOI: 10.31244/9783830992318.09

Ferraro, Estella/ Julia Gasterstädt/ Johannes Wahl (2021): "Anforderungsstrukturen inklusiv-medialen pädagogischen Handelns". MedienPädagogik 41, (Inklusive digitale Bildung), 1-14. DOI: 10.21240/mpaed/41/2021.02.01.X.

Hartung, Julia/ Zschoch, Elsa/ Wahl, Michael (2021): "Inklusion und Digitalisierung in der Schule. Gelingensbedingungen aus der Perspektive von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern". MedienPädagogik 41, (Inklusive digitale Bildung), 55-76. DOI: 10.21240/mpaed/41/2021.02.04.X.

KMK - Kulturministerkonferenz (2017): Bildung in der digitalen Welt. www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2016/2016_12_08-Bildung-in-der-digitalen-Welt.pdf, Abruf 29.11.2021.

Mahnke, Tobias/ Hellwig, Marc (2020): Unterricht auf Distanz - Technische Voraussetzungen und deren Nutzung an der blista. In: blind - sehbehindert 4/2020, 192-195.

Rüger, Erich (2020): Fernunterricht aus organisatorischer Sicht einer Schule für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. In: blind - sehbehindert 4/2020, 187-191.

Schulz, Lea (2021): Diklusive Schulentwicklung. Erfahrungen und Erkenntnisse der digital-inklusiven Multiplikatorinnen- und Multiplikatorenausbildung in Schleswig-Holstein. In: MedienPädagogik 41, 32-54. DOI: 10.21240/mpaed/41/2021.02.03.X

Sliwka, Anne/ Klopsch, Britta (2020): Disruptive Innovation! Wie die Pandemie die "Grammatik der Schule" herausfordert und welche Chancen sich jetzt für eine "Schule ohne Wände" in der digitalen Wissensgesellschaft bieten. In: Die Deutsche Schule Beiheft 16, 216-229. CC-BY-NC-ND 4.0, 2020 Waxmann. DOI: 10.31244/9783830992318.14

Zur Autorin

Sabine Zimmermann ist BA Erziehungs- und Bildungswissenschaftlerin und koordiniert an der blista verschiedene Projekte, z. B. den 37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik, der unter dem Motto "Leben. Bildung. Partizipation (Individuell - spezifisch - flexibel)" vom 31.07. - 04.08.2023 auf dem blistaCampus stattfinden wird.

Bild: Sabine Zimmermann lächelt. Sie hat dunkle Augen, trägt eine Brille und hat ihr braunes langes Haar zurückgebunden. Foto: privat

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Mehr als tausend Worte

Ein Musterarbeitsplatz zur Sensibilisierung für das Themenfeld "Barrierefreie IT" im Rahmen des Projektes iDESkmu - inklusive Dokumentenmanagementsysteme und Enterprise Content Managementsysteme

Von Nadia David (BSVH)

Die Komplexität der Arbeitswelt steigt kontinuierlich. Hierarchien und Abteilungen fließen immer stärker ineinander, so dass die Fähigkeit zur Zusammenarbeit immer wichtiger wird. Diese Anforderungen müssen sich zwangsläufig auf den grafischen Benutzeroberflächen der Branchenanwendungen widerspiegeln. Es verlangt Programmiererinnen und Programmierern nicht nur die Fähigkeit ab, Benutzerfreundlichkeit nach internationalen Standards zu berücksichtigen, sondern auch auf eine Strukturierung zu achten, die Komplexität und Übersichtlichkeit in Einklang bringt. Genauso wesentlich ist es, neben einer guten Struktur und Übersichtlichkeit bei immer grafischer werdenden Oberflächen das Thema der Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Hier werden Programmierern ebenfalls besondere Fähigkeiten abverlangt.

Dem widmet sich das Projekt iDESkmu (1). Es wird durch den Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gefördert. Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V. (BSVH) ist Projektträger, Projektpartner sind die HAVI Solutions GmbH & Co. KG sowie die Universität Siegen (Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik und Neue Medien und Vertretungsprofessur Wirtschaftsinformatik/IT für die alternde Gesellschaft), die durch ein Team aus externen Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Disziplinen unterstützt wird.

Das Projekt legt den Schwerpunkt auf Dokumentenmanagementsysteme (DMS) und Enterprise Content Managementsysteme (ECMS), um entlang deren Prozessketten Arbeitsplätze für Menschen mit Sinnesbehinderungen barrierefrei zu gestalten. In vielen Unternehmen spielen solche Systeme eine immer größere Rolle, um Datenmengen zu erfassen, zu speichern, zu verwalten und zu archivieren. Das Ziel des Projektes ist u. a. eine Arbeitsplatzlösung, die den Anforderungen des vernetzten Arbeitens 4.0 und dem Design für Alle entspricht.

DMS- und ECMS-Installationen nehmen deutlich zu

Der Markt für Dokumentenmanagementsysteme (DMS) entwickelt sich seit der Jahrtausendwende mit jährlichen Wachstumsraten von bis zu 30 % sehr positiv.(2) Vor allem der Markt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hat in den letzten Jahren stark zugelegt.(3) Insbesondere der Mittelstand setzt verstärkt auf Dokumentenmanagementsysteme; 45,8 % der Unternehmen der KMU zwischen 250 und 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben ein DMS im täglichen Einsatz. Groß- und Konzernunternehmen kommen hier nur auf 36,5 %. Für die nächsten 10 Jahre wird mit jährlichen Wachstumsraten für DMS- und ECMS-Installationen von mindestens 8 % gerechnet. (4)

Gewaltiges Beschäftigungspotenzial für Menschen mit Behinderungen bleibt ungenutzt

Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen nimmt mit der Unternehmensgröße zu. In KMU liegt sie mit 2,9 % weniger als halb so hoch wie bei Großunternehmen mit 6,3 %. Damit bleiben große Chancen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen ungenutzt, schließlich arbeiten 68 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland in KMU, hier sind knapp 90 % aller Ausbildungsplätze angesiedelt. Es zeigt sich, dass vor allem von den kleinen und mittleren Unternehmen wichtige Impulse für eine permanente Erneuerung, Veränderungsbereitschaft und Modernisierung der Wirtschaft ausgehen.

Der European Accessibility Act - EAA (5) sieht vor, dass bis 2025 dort im Einzelnen aufgeführte private Unternehmen, die auf dem europäischen Markt agieren, dazu verpflichtet sind, ihre IT-Produkte barrierefrei anzubieten. Software-Entwicklungsprozesse erstrecken sich über einen längeren Zeitraum. Deshalb ist es für Organisationen und Unternehmen sinnvoll, sich bereits jetzt mit den dafür notwendigen Anforderungen und der Umsetzung zu beschäftigen. Gelingt es auch kleinen und mittleren Unternehmen, die von ihnen eingesetzten Softwarelösungen barrierefrei zu gestalten, steigen also insgesamt die Chancen einer Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, und ein großes Potential bleibt eben nicht mehr länger ungenutzt.

iDESkmu Musterarbeitsplatz zur Sensibilisierung für das Themenfeld "Barrierefreie IT"

Das Projekt iDESkmu hat in den letzten Jahren unter anderem das Ziel verfolgt, gemeinsam mit kooperierenden Unternehmen aus dem DMS-Umfeld Möglichkeiten zu finden, IT-Lösungen im Rahmen der Entwicklung oder kundenspezifischen Anpassung leichter barrierefrei umsetzbar zu machen.

Wie aber können Entwicklungs- und Überarbeitungsprozesse so inklusiv gestaltet werden, dass nicht nur die jeweiligen Anforderungen aus Verordnungen und Richtlinien Anwendung finden, sondern ein Bewusstsein dafür entsteht, welchen Menschen mit Behinderung ein Feature zugutekommt? Es fanden Prüfungen statt, deren Ergebnisse für strategische Überlegungen wie auch zur Überarbeitung genutzt wurden. Unter anderem wurden die typischen Accessibility-Einschränkungen der untersuchten DMS erfasst sowie standardisierbare Beurteilungskriterien für die Barrierefreiheit ausgewählter DMS festgelegt. Ein Benchmarking mit Best Practice-Beispielen aus der Praxis der kooperierenden Unternehmen ergänzt die Ergebnisse. Wichtig ist dem Team von iDESkmu, eine Verbindung von Nutzer- und Entwicklerperspektive zu schaffen. Der DMS-Musterarbeitsplatz soll genau an dieser Stelle Unterstützung bieten. Denn wenn Hilfsmittel und damit verbundene Arbeitsweisen praktisch erlebbar sind, fällt es leichter, Elementen die für ein einwandfreies Zusammenspiel mit Hilfsmitteln notwendigen Attribute zuzuweisen.

Ein Konzept zur Einbeziehung der Nutzerperspektive

Anfang Juni dieses Jahres wurde der iDESkmu DMS-Musterarbeitsplatz, der in Kooperation mit Projektpartnerinnen und Partnern, dem Berufsbildungswerk in Soest (BBW) und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) verwirklicht werden konnte, vorgestellt. Er bietet Unternehmen aus dem DMS- und ECMS-Umfeld die Möglichkeit, ihre DMS-Software mit aktueller Hilfsmittel-Technologie sowohl selbst auszuprobieren als auch testen zu lassen, und bietet ein neues Konzept zur Sensibilisierung für das Themenfeld "Barrierefreie IT". Der DMS-Musterarbeitsplatz ist daher mit unterschiedlicher Hilfsmittel-Hard- und Software wie Spezialtastatur oder 3D-Maus, verschiedenen Screenreadern und Vergrößerungs-Programmen ausgestattet. Zusätzlich ist die von den mit iDESkmu kooperierenden Unternehmen entwickelte DMS-Software installiert, so dass sie direkt praktisch erprobt werden kann. Somit kann dafür sensibilisiert werden, wie ein optimales DMS aussehen könnte.

Werden Unternehmen mit dem Ausprobieren ihrer eigenen Produkte in Bezug auf Barrierefreiheit allein gelassen, bringt dieses evtl. Verwirrung. Einfacher ist der direkte Austausch mit Betroffenen. So kann vor Ort beim BBW Soest ein direkter Kontakt und Austausch mit Menschen mit Behinderungen entstehen, die von ihren Erfahrungen mit der jeweiligen Software berichten können. Auch können komplette Software-Tests sowohl der Usability als auch solche auf Barrierefreiheit von Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Dabei können Dinge beachtet werden, die keines der bekannten Prüfverfahren zur Barrierefreiheit von Software berücksichtigt. Beispielsweise wird mit keinem der bekannten Prüfverfahren die Ausgabe einer Braillezeile getestet. Dabei ist für "Insider" klar, dass die Ausgabe in Blindenschrift sich ganz wesentlich von der Sprachausgabe eines Screenreaders unterscheiden kann. Braille-Viewer, wie sie von den Screenreadern JAWS und NVDA zur Verfügung gestellt werden, liefern diesbezüglich nicht immer die Informationen, die der ertasteten Wirklichkeit entsprechen. Die testenden Personen werden regelmäßig in ihrer eigenen Hilfsmittelkompetenz geschult, sodass Unkenntnis im Umgang mit solchen Technologien ausgeschlossen werden kann. Fach- und sachkundige Beratung ist zudem durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des in Soest ansässigen Integrationsamtes gegeben. Erfahrungsgemäß erleichtert solch ein direkter und lebendiger Austausch die Möglichkeiten, Inklusion schon beim Programmieren mitzudenken. Während komplexe Software auf der einen Seite also die Ausbildungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung bereichert, können die damit verbundenen Erfahrungen direkt in Entwicklungsprozesse einfließen.

Firmen können sich also ab jetzt den Aufwand der Beschaffung teurer Hilfsmittel-Hard- und Software und die damit verbundene monatelange Einarbeitung und Konfiguration sparen und auf ein Angebot zurückgreifen, das kontinuierlich von kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gepflegt wird, sodass flexibel mit Test-Anfragen umgegangen werden kann.

Hervorgehoben werden sollte der Mut, mit dem sich die am Projekt beteiligten Unternehmen bezüglich der Barrierefreiheit ihrer Produkte präsentieren. Denn alle sind auf dem Weg zu mehr Barrierefreiheit und noch nicht am Ziel. Sich trotzdem dem kritischen Fachpublikum mit ihren Produkten zu zeigen, verdient Anerkennung und Respekt. Durch die Auseinandersetzung mit einem kritischen Fachpublikum wird deutlich, dass sich alle beteiligten Unternehmen tiefgreifend mit Prozessen zur Schaffung von mehr Barrierefreiheit auseinandersetzen wollen.  

Am Tag der Vorstellung, die in hybrider Form (online und vor Ort) stattfand, waren direkt vier Unternehmen aus dem DMS- und ECMS-Umfeld mit dabei:

  • velop AG
  • OPTIMAL SYSTEMS GmbH
  • levigo gruppe
  • Starke + Reichert GmbH & Co. KG

Und es soll weiter gehen. Im Juli werden sich weitere mit iDESkmu kooperierende Unternehmen präsentieren, die sich die Barrierefreiheit ihrer Software auf die Fahnen geschrieben haben. Dabei geht es um die Vorstellung von bereits realisierten Barrierefreiheits-Features in den Anwendungen selbst.

Innerhalb der nächsten Wochen gibt es weitere Informationen. Bei Fragen oder Interesse kontaktieren Sie bitte Detlef Girke (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), externer Berater im Projekt iDESkmu.

Anmerkungen

(1) iDESkmu - inklusive Dokumentenmanagementsysteme und Enterprise Content Managementsysteme in kleinen und mittleren Unternehmen, Verwaltungen und Verbänden der Selbsthilfe. Webseite zum Projekt: https://www.projekt-ideskmu.de

(2) Digital Office im Mittelstand 2019: Studie zu Status quo und Perspektiven von Enterprise Content Management (ECM). Bitkom e. V., abgerufen 06-2022

(3) KfW-Mittelstandspanel. Jährliche Analyse zur Struktur und Entwicklung des Mittelstands in Deutschland. KfW Research, abgerufen 06-2022

(4) Webseite zum Projekt: https://www.projekt-ideskmu.de

(5) Digital Office im Mittelstand 2019: Studie zu Status quo und Perspektiven von Enterprise Content Management (ECM). Bitkom e. V., abgerufen 06-2022

Zur Autorin

Nadia David hat in Hamburg Lehramt an Gymnasien studiert und ist seit vielen Jahren im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie als freie Dozentin mit den Themenschwerpunkten EDV-Training und Kommunikation tätig, z. B. für das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BZBS) in Hamburg. Seit 2019 ist sie Bildungs- und Pressereferentin des Projekts iDESkmu. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon: 0177 2780908

Weitere Informationen

Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
- LWL-Inklusionsamt Arbeit -
Referat Teilhabe Arbeit - Fachliche Angebote
Sachbereich Steuerung Integrationsfachdienste
Fachdienste Inklusionsbegleitung und Sinnesbehinderungen
Von-Vincke-Str. 23-25
48133 Münster

Bild: Logo des Projekts iDESkmu: Zwei Registerkarten in Orange und Blau liegen schräg verschoben übereinander, mittig steht das Akronym "iDES", oben rechts im blauen Reiter "kmu".

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Aktuelle und fachkundige Bestandsaufnahme der Arbeit an einer Dauerbaustelle

Rezension zum "Handbuch digitale Teilhabe und Barrierefreiheit", herausgegeben von Ulrike Peter und Prof. Henning Lühr

Von Oliver Nadig

Das Handbuch digitale Teilhabe und Barrierefreiheit handelt von einer wahrlich blutjungen Disziplin: Das Geburtsjahr politischer Aktivitäten zu diesem Thema in Deutschland wird meist mit 1994 angegeben, als der Satz "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" Eingang ins Grundgesetz fand. Infolgedessen musste die Frage, was denn "Gleichstellung" genau bedeutet, juristisch angegangen werden. Weil sich gleichzeitig das World Wide Web immer mehr verbreitete, dämmerte die Erkenntnis auf, dass gesellschaftliche Teilhabe zum großen Teil digitale Teilhabe bedeutet und digitale Barrierefreiheit hierfür eine notwendige Voraussetzung ist. In seinem Vorwort zum Handbuch formuliert es Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, so: "Zugänglichkeit ist die Grundlage für die umfassende Information und Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger - egal ob mit oder ohne Behinderungen. Deswegen sind Inklusion und Zugänglichkeit auch die Grundlage unserer Demokratie".

Die Vorzüge eines Handbuchs gegenüber einem Lehrbuch

Gestresste IT-Verantwortliche rufen oft verzweifelt nach dem ultimativen Lehrbuch zur digitalen Barrierefreiheit: Dünn muss es sein (weil die bislang unberücksichtigt gebliebene Zugänglichkeit einer Webseite oder einer Software nun schnell bis vorgestern umgesetzt werden muss) - und natürlich darf es keinen theoretischen Ballast enthalten, damit sich die Entwickler nicht verzetteln.

Glücklicherweise hat der Kommunal- und Schulverlag gar nicht erst versucht, solch ein Lehrbuch verfassen zu lassen, sondern sich für die Herausgabe eines Handbuchs entschieden. Ein Handbuch ist laut Wikipedia "eine geordnete Zusammenstellung eines Ausschnitts des menschlichen Wissens und kann als Nachschlagewerk dienen". Weil zahlreiche Spezialist*innen Beiträge liefern, lassen sich auch umfangreiche Fachgebiete wie das der digitalen Teilhabe und Barrierefreiheit sowohl umfassend als auch hochaktuell ausleuchten. "Hochaktuell" bedeutet hier: Das am 21.10.2021 erschienene Werk berücksichtigt Entwicklungen bis zum Juli 2021.

Autorinnen und Autoren

"Hanseatisch" und "hochkarätig" - so lässt sich die Liste der insgesamt 23 Autorinnen und Autoren charakterisieren. Neben den Herausgebern Ulrike Peter (Leitung der Bremer Zentralstelle für barrierefreie Informationstechnik) und Prof. Henning Lühr (Leitung des Instituts für digitale Teilhabe an der Hochschule Bremen) lassen sich weitere 15 Autor*innen der freien und Hansestadt zuordnen. Entsprechend nordwestdeutsch geprägt sind die Berichte aus der digitalen Verwaltung, aus laufenden Umsetzungsvorhaben und abgeschlossenen Pilotprojekten. Mit Uwe Boysen (beruflich zuletzt Vorsitzender Richter einer Zivilkammer am Landgericht Bremen), Andreas Carstens (Richter am Niedersächsischen Finanzgericht) sowie Dr. Joachim Steinbrück (von 2005 bis 2020 Behindertenbeauftragter des Landes Bremen) haben drei sehbeeinträchtigte Juristen und über die Grenzen des DVBS hinaus geschätzte Vertreter der Selbsthilfe am Handbuch mitgeschrieben. In den Lebensläufen der Autor*innen finden sich außerdem die Berufsfelder Medieninformatik, Medien- und interkulturelle Pädagogik, Politikwissenschaften, Psychologie - und mehrfach die öffentliche Verwaltung. Mit Kerstin Probiesch ist eine der bekanntesten Beraterinnen und Fachbuchautorinnen zum Thema digitale Barrierefreiheit mit an Bord.

Gliederung und Inhalt

Dem Vorwort von Jürgen Dusel folgen im Einführungskapitel zwei Eröffnungsbeiträge. Arne Frankenstein, aktueller Behindertenbeauftragter in Bremen, lenkt den Blick auf die juristischen Meilensteine zur digitalen Teilhabe und Barrierefreiheit. Er spannt den Bogen vom 2002 in Kraft getretenen Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes über die 2016von der EU verabschiedete "Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen" bis hin zum 2021 gefassten Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Dabei legt Frankenstein den Finger in eine große offene Wunde: Die praktische Umsetzung digitaler Teilhabe. Er schreibt: "Wenn allein rechtliche Regeln schon ihre Durchsetzung bewirken würden, könnte man sich mit Forderungen an den Gesetzgeber begnügen und sich im Übrigen entspannt zurücklehnen. Allein: So ist es nicht!". Prof. Henning Lühr stellt digitale Teilhabe und Barrierefreiheit als Politikfeld vor und beschreibt Haltungen und Kompetenzen, die für ein erfolgreiches Beackern dieses Bodens erforderlich sind.

Kapitel 2 zu den rechtlichen Grundlagen leitet Andreas Carstens mit einem Feuerwerk aus Paragraphenzeichen ein. Für die fünf Handlungsfelder "Webseiten und mobile Anwendungen", "E-Government, E-Justice und E-Health", "Elektronische Akten und elektronische Vorgangsbearbeitung", "Elektronische Dokumente und Formulare" und "E-Signatur und E-Identifikation" sowie zusätzlich für Ausschreibungs- und Vergabeverfahren erläutert er die Barrierefreiheits-Verpflichtungen öffentlicher Stellen. Dabei beschreibt er nicht nur detailliert die Vorschriften der einzelnen Bundes- und Landesgesetze, sondern auch die subtilen Verflechtungen dieser Rechtsnormen. Stets hat er auch die europäischen Richtlinien und Standards im Blick, die die deutschen Vorschriften entscheidend geprägt haben.

Danach nimmt Dr. Joachim Steinbrück den 2019 von der EU erlassenen EAA (Europäischer Barrierefreiheits-Rechtsakt) unter die Lupe. Er wurde 2021 mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in deutsches Recht umgesetzt. Der EAA richtet sich "ausdrücklich auch an private Wirtschaftsakteure wie Produzenten, Importeure, Händler sowie Dienstleistungserbringer, indem er Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen formuliert". Diese Produkte werden im EAA abschließend aufgezählt, was im Umkehrschluss bedeutet: "Auf wichtige Bereiche des Alltags wie Gesundheitsdienste, Bildung oder Wohnen erstreckt sich der EAA nicht." Dafür findet Steinbrück deutliche Worte der Kritik.

Mit weniger Gesetzes-Verweisen, dafür spannend wie ein Krimi, kommt Uwe Boysens Beitrag "Selbsthilfe lohnt sich" daher. Am Beispiel der Gesetzgebungsverfahren zu E-Justice und E-Government zeigt der ehemalige DVBS-Vorsitzende, wie mit beharrlichem ehrenamtlichen Engagement trotz widriger Randbedingungen und oft buchstäblich in letzter Minute immer wieder Anhörungen erwirkt, Verbündete in der Politik gewonnen und sachkundige schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden konnten, um Barrierefreiheit nachhaltig gesetzlich festzuschreiben.

Das Kapitel 3 "Verwaltungsmodernisierung: Barrierefreiheit organisieren" eröffnet Ulrike Peter mit einer Erörterung zur Frage, wie Barrierefreiheit im Alltag der öffentlichen Verwaltung verankert werden kann. Sie schildert die entsprechenden Aktivitäten in ihrem Bundesland und resümiert, "[...], dass sich die digitale Barrierefreiheit nur ganzheitlich und als Querschnittsthema erfolgreich umsetzen lässt, an dem alle mitwirken, ihre Verantwortung ernst nehmen und eine offene Austausch- und Fehlerkultur leben. [...] Rechtliche Grundlagen bilden dabei ebenso die Basis wie ein gemeinsamer Erfahrungshintergrund, der sich im interdisziplinären Austausch in der täglichen Praxis entwickelt. Dabei kommt der Führungsebene ebenso eine tragende Rolle zu wie den behinderten Menschen als Expert*innen in eigener Sache."

Die nachfolgenden beiden Beiträge diskutieren digitale Barrierefreiheit als Strategie zur Umsetzung einer Vielfaltskultur bzw. als Voraussetzung für die Schaffung behinderungsgerechter Arbeitsplätze. Drei Werkstattberichte runden das Kapitel ab: Michaela Meyer und Christian Jost schildern, wie das Online-Zugangsgesetz (OZG) in Bremen unter Berücksichtigung digitaler Barrierefreiheit umgesetzt wird. Cornelia Niklas gibt Einblicke in die Arbeit der Bayerischen Durchsetzungs- und Überwachungsstelle für Barrierefreiheit in der Informationstechnik. Die Literatur- und Politikwissenschaftlerin Ulrike Bendrat illustriert lebendig und anhand zahlreicher Beispiele, dass die Sprache eine Barriere in der Kommunikation zwischen Bürger*innen und einer Behörde sein kann. Sie erläutert die Konzepte von leichter, einfacher, verständlicher und lesbarer Sprache und zeigt Ansätze auf, behördliche und juristische Texte "bürgernah" zu formulieren.

In den sechs Beiträgen des Kapitels 4 geht es um Barrierefreiheit in der Praxis. Prof. Herbert Kubicek stellt mehrere Formen menschlicher Digitalassistenz für Personen mit komplexem Unterstützungsbedarf vor. Damit meint er vor allem Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und technik-unerfahrene Betagte mit wenig Sozialkontakten. Kubicek zeigt überzeugend, dass digitale Bedürfnisse älterer und behinderter Menschen konvergieren.

Prof. Benjamin Tannert und Michael Lund schildern dann ein beeindruckendes Beispiel für inklusive Technologieentwicklung: Tüftler Ali hat für den stressbedingt zeitweise nicht zu sozialer Interaktion fähigen Andreas einen Stresspegel-Indikator gebaut. Andreas' psychische Erregung wird über die App einer Smart Watch gemessen und an den Stressanzeiger übermittelt. Dieser signalisiert den Arbeitskolleg*innen über die Farbe von Leuchtdioden, ob Andreas gerade ansprechbar ist oder nicht.

In Abschnitt 4.3 legen drei Autorinnen dar, welche Schritte des BIK BITV-Tests zur Prüfung von Webseiten auf Barrierefreiheit für Menschen mit Lese-Rechtschreib-Störungen relevant sind, und nennen nützliche Gestaltungsmerkmale wie rechtschreibtolerante Suchfunktionen und Suchmöglichkeiten mit Autovorschlägen.

In Abschnitt 4.4 wendet sich Kerstin Probiesch barrierefreien Dokumenten zu. Sie hebt die Formatunabhängigkeit des Barrierefreiheitsgedankens hervor. Als wichtigste Zugänglichkeitskriterien nennt sie ausreichenden Kontrast, aussagekräftige Dokumenttitel, eine korrekte Dokumentenstruktur, interaktive Inhaltsverzeichnisse sowie Alternativtexte für Abbildungen.

Dr. Irmhild Rogalla vom Institut für digitale Teilhabe Bremen analysiert anschließend bedarfsgruppenorientiert, wie Online-Beteiligung für Bürger*innen mit Beeinträchtigungen an Vorhaben öffentlicher Stellen besser gelingen kann. Der abschließende Fachbeitrag von Isabella Schicktanz schildert den langen Weg, auf dem das in der bremischen Verwaltung eingesetzte Content Management System KOGIS dem Ziel umfassender Barrierefreiheit Schritt für Schritt näher kommt. zum Schluss des Buches wird das an der Hochschule Bremen angesiedelte Institut für digitale Teilhabe vorgestellt.

Abschließende persönliche Worte des Rezensenten

Mit seiner überwiegend verwaltungswissenschaftlichen Perspektive bildet das Handbuch Digitale Teilhabe und Barrierefreiheit einen erfreulichen Kontrast zu den zahlreichen sonstigen, oft rein technischen Veröffentlichungen zum Thema. Trotzdem hätten dem Handbuch noch ein, zwei Technik-Kapitel gut getan, denn es werden dort aktuell lediglich Barrierefreiheits-Kriterien von Dokumenten, nicht aber von Webseiten und Software eingehend betrachtet.

Dem Handbuch sind aus vielerlei Gründen weitere Auflagen zu wünschen - ich greife hier nur zwei heraus:

  1. Kleine Schnitzer sollten ausgebügelt werden. So ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht, wie in Kapitel 3.3 angegeben, erst im August 2016, sondern bereits im August 2006 in Kraft getreten - und sicherlich hat Frau Dr. Rogalla schon blinde Menschen in ein Taxi ein- oder aus einem Bus aussteigen sehen, obwohl sie schreibt: "[...] in der ÖPNV-Nutzung sind sie im besten Fall auf schienengebundenen Verkehr beschränkt".
  2. Viele rechtliche Impulse, die der digitalen Teilhabe und Barrierefreiheit bisher nie dagewesenen Auftrieb verleihen, sind wie die Umsetzung der Richtlinie zur Barrierefreiheit digitaler Angebote öffentlicher Stellen erst vier bzw. - wie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz - gerade einmal ein Jahr alt, wobei es erst 2025 greift. Man könnte bildhaft sagen: Die Arbeit an der Dauerbaustelle digitale Teilhabe und Barrierefreiheit hat gerade erst Fahrt aufgenommen, in der Arbeitsdokumentation sind noch viele leere Seiten zu füllen!

Digitale Barrierefreiheit und ihre praktischen Tücken

Der Kommunal- und Schulverlag bietet das Handbuch digitale Teilhabe und Barrierefreiheit auch als E-Book im Format EPUB an. Beim Versuch, mir die Datei von Anfang an kontinuierlich mittels Screenreader vorlesen zu lassen, stürzte mein System ab - egal, ob ich als EPUB-Leseprogramm Adobe Digital Editions oder das speziell für blinde Menschen entwickelte QRead verwendete, und einerlei, ob ich den Bildschirmleser JAWS oder NVDA einsetzte. "Vielleicht nicht gut digital umgesetzt", dachte ich, aber ein Test mit dem Prüfwerkzeug "EPUB-Check" wies das Dokument als standardkonforme EPUB3-Datei aus. Das Geheimnis kann wohl nur mit sachkundiger Unterstützung gelüftet werden.

Um die Digitalversion des Handbuchs problemlos lesen zu können, hier zwei Vorschläge: Entweder Sie importieren die Datei in die App "Bücher" eines mobilen oder stationären Apple-Geräts (iPhone, iPad, MacBook ...) oder Sie beschaffen sich unter Windows die E-Book-Verwaltungssoftware Calibre (www.calibre-ebook.com) und konvertieren die EPUB-Datei mit deren Hilfe ins Format MS Word. Dabei bleiben Überschriften, Links, Tabellen und Fußnoten erhalten. Importieren und Konvertieren, bevor ein Text zugänglich ist: Wieder eine digitale Hürde!

Bibliographische Angaben

Ulrike Peter, Henning Lühr (Hg.): Handbuch digitale Teilhabe und Barrierefreiheit. Wiesbaden: Kommunal- und Schulverlag, 2021. 310 Seiten. Druckausgabe: ISBN 978-3-8293-1662-0, elektronische Fassung im Format EPUB verfügbar. (Inhaltsverzeichnis siehe https://d-nb.info/1232430617/04)

Zum Autor

Der Diplom-Psychologe Oliver Nadig arbeitet hauptberuflich als Rehabilitationslehrer beim Beratungs- und Schulungszentrum der blista sowie im Team des DVBS-Projekts "agnes@work". Das Thema digitale Barrierefreiheit beschäftigt ihn seit vielen Jahren auch ehrenamtlich, z. B. im gemeinsamen Fachausschuss für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT) der überregionalen Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe sowie im Leitungsteam der DVBS-Fachgruppe MINT.

Bild: Oliver Nadig lächelt. Er hat braune Augen und braunes Haar und trägt ein pastell-fliederfarbenes Hemd. Foto: privat

Bild: Buchcover "Handbuch digitale Teilhabe und Barrierefreiheit". Das dunkelblaue Cover wird im oberen Drittel durch einen vergrößerten Ausschnitt auf eine weiße Buchseite unterbrochen, in der das Wort "Barrierefreiheit" in Rot aus anderen Textzeilen in Schwarz heraussticht.

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Das Recht auf digitale Barrierefreiheit

Von Andreas Carstens

Die in Deutschland seit März 2009 als geltendes Recht im Rang eines Bundesgesetzes zu beachtende UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet dazu, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu und eine selbstbestimmte Teilhabe an allen modernen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die elektronisch bereitgestellt werden oder zur Nutzung offenstehen, zu ermöglichen sowie vorhandene Zugangshindernisse und -barrieren zu beseitigen (Art. 9 Abs. 1 UN-BRK). Hierzu gehört auch, dass für die Allgemeinheit bestimmte Informationen für Menschen mit Behinderungen in Formaten zur Verfügung stehen, die für sie zugänglich und nutzbar sind (Art. 21 UN-BRK). Die Vorgaben der UN-BRK werden in Deutschland durch zahlreiche Rechtsvorschriften konkretisiert, die für die öffentlichen Stellen in Bund, Ländern und Kommunen verbindlich sind.

1. Websites und mobile Anwendungen

Das Behindertengleichstellungsgesetz verpflichtet die öffentlichen Stellen des Bundes, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 BGG). Inhaltsgleiche Verpflichtungen für die öffentlichen Stellen in den Ländern und Kommunen ergeben sich aus den Parallelvorschriften im Landesrecht. Zu den Websites gehören sowohl die Auftritte und Angebote öffentlicher Stellen im Internet als auch Informationen für Beschäftigte im Intranet. Mobile Anwendungen sind Anwendungen für mobile Endgeräte wie Tablets und Smartphones. Auch Inhalte, die von öffentlichen Stellen auf Websites Dritter, z.B. in sozialen Medien, veröffentlicht werden, sind barrierefrei zu gestalten.

Zu den öffentlichen Stellen, die zur Barrierefreiheit verpflichtet werden, gehören neben den Behörden der Bundes- und Landesverwaltung auch die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie sonstige Bundes- und Landesorgane, wie z.B. der Deutsche Bundestag oder die Landesparlamente. Auch Gerichte und Staatsanwaltschaften sind verpflichtet, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zugänglich und nutzbar zu gestalten. Das Gleiche gilt für kommunale Gebietskörperschaften (Städte, Landkreise und Gemeinden). Der Kreis der öffentlichen Stellen, die zur Barrierefreiheit verpflichtet sind, ist weit gefasst. Hierzu können auch juristische Personen des Privatrechts (z.B. eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH) gehören, wenn sie überwiegend von einer öffentlichen Stelle finanziert werden, hinsichtlich ihrer Leitung oder Aufsicht einer öffentlichen Stelle unterstehen oder ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die durch eine öffentliche Stelle ernannt worden sind.

Die Verpflichtung zur digitalen Barrierefreiheit ist für die meisten öffentlichen Stellen nicht neu (1). Neuerungen und Ergänzungen ergeben sich aus der europäischen Richtlinie (EU) 2016/2102 zur Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, zu deren Umsetzung die Behindertengleichstellungsgesetze von Bund und Ländern geändert wurden. Seither sind ausnahmslos auch die Kommunen in allen Bundesländern zur Barrierefreiheit ihrer Websites und mobilen Anwendungen verpflichtet. Für alle öffentlichen Stellen bestehen verbindliche Standards, die mindestens einzuhalten sind. Außerdem gibt es Instrumente und Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Anforderungen zur Barrierefreiheit tatsächlich eingehalten und umgesetzt werden.

a) Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Barrierefreiheit

Aus der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) ergibt sich die Verpflichtung, zur barrierefreien Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen die Anforderungen aus dem europäischen Standard EN 301 549 "Accessibility requirements for ICT products and services", der von den europäischen Normungsinstituten im März 2021 in der Version 3.2.1 veröffentlicht wurde, einzuhalten und umzusetzen (2). Die nach den EU-Vorgaben mindestens zu beachtenden Anforderungen werden in dessen Annex A für Websites in Tabelle A.1 und für mobile Anwendungen in Tabelle A.2 aufgelistet. Hierzu gehören insbesondere die Erfolgskriterien der WCAG 2.1 mit den Konformitätsstufen A und AA (3). Darüber hinaus sieht die BITV 2.0, die in zahlreichen Bundesländern für entsprechend anwendbar erklärt wird, in Form einer Sollvorschrift vor, dass für zentrale Einstiegs- und Navigationsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, wie beispielsweise das Ausfüllen von Formularen oder die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifikations- und Zahlungsprozessen, ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit anzustreben ist. Hierzu kann, neben der Berücksichtigung der Erfolgskriterien der WCAG 2.1 mit der Konformitätsstufe AAA, beispielsweise auch gehören, für Nutzergruppen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen schon bei der Planung und Entwicklung Usability-Tests zur Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit und Nutzerfreundlichkeit durchzuführen (4).

Von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung dürfen öffentliche Stellen nur absehen, wenn und soweit eine vollständige barrierefreie Gestaltung ausnahmsweise eine unverhältnismäßige Belastung bewirken würde. Dies setzt in der Regel einen "excessive burden" voraus. Keine zureichenden Gründe sind mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis (5). Soweit das Landesrecht darüber hinaus teilweise Ausnahmen für bestimmte Inhalte zulässt, ist zu beachten, dass zumindest wesentliche Online-Verwaltungsfunktionen barrierefrei zugänglich und nutzbar sein müssen. Auch elektronische Dokumente und Formulare, die zum Download angeboten werden, müssen barrierefrei sein, wenn sie erstmals nach dem 22. September 2018 veröffentlicht wurden oder für die aktiven Verwaltungsverfahren der öffentlichen Stelle erforderlich sind.

b) Instrumente zur Sicherstellung von Barrierefreiheit

Für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen enthält das geltende Recht Instrumente und Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Anforderungen zur Barrierefreiheit tatsächlich umgesetzt und eingehalten werden.

Erklärung zur Barrierefreiheit

Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, für ihre Websites und mobilen Anwendungen jeweils eine Erklärung zur Barrierefreiheit zu veröffentlichen. Die Erklärung muss eine tatsächliche Bewertung enthalten, aus der sich ergibt, ob die Anforderungen zur Barrierefreiheit eingehalten wurden. Soweit Websites oder mobile Anwendungen teilweise nicht barrierefrei sind, sind die Gründe hierfür darzustellen. Die Erklärung ist im Web-Auftritt der öffentlichen Stelle bzw. beim Herunterladen einer mobilen Anwendung zu veröffentlichen und regelmäßig zu aktualisieren.

Feedback-Mechanismus

Die Websites und mobilen Anwendungen müssen außerdem einen Feedback-Mechanismus enthalten, der es betroffenen Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, noch vorhandene Barrieren der öffentlichen Stelle auf einfache Weise zu melden (§ 12b Abs. 2 Nr. 2 BGG), und Informationen, die bisher nicht barrierefrei sind, in einem für sie zugänglichen Format anzufordern (so z.B. § 12b Abs. 2 Nr. 2 BGG NRW). Die Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen, soll von jeder Seite einer Website oder innerhalb der Navigation einer mobilen Anwendung zugänglich sein.

Durchsetzungsverfahren

Es ist ein wirksames Durchsetzungsverfahren zur Verfügung zu stellen, wie beispielsweise die Möglichkeit, sich an eine Ombudsstelle zu wenden, das betroffene Nutzerinnen und Nutzer in Anspruch nehmen können, wenn sie auf Mitteilungen oder Anfragen über den Feedback-Mechanismus in angemessener Frist keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Im Bund und in den meisten Bundesländern besteht insoweit die Möglichkeit, eine Schlichtungsstelle anzurufen (§ 16 BGG). In anderen Bundesländern wurde eine Beschwerdestelle eingerichtet, die nach dem Vorbild des Datenschutzbeauftragten vorhandenen Beschwerden nachgeht und auf deren Beseitigung hinwirkt (z.B. § 16 BremBGG).

Überwachungsstellen

Im Bund und in den Bundesländern wurden Überwachungsstellen zur Barrierefreiheit der Informationstechnik eingerichtet, deren Aufgabe es ist, die Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen regelmäßig stichprobenartig auf die Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit zu überprüfen. In dem ersten Überwachungszeitraum von Mitte 2020 bis Ende 2021 wurden auf diese Weise insgesamt 1.892 Websites und 57 mobile Anwendungen überprüft. Davon wurden 1.762 Websites einer vereinfachten und 130 Websites einer eingehenden Prüfung unterzogen. Von der Stichprobe entfielen 10 % auf den Bund, der Rest auf die öffentlichen Stellen der Länder und Kommunen.

Bericht an die EU

Die Mitgliedstaaten berichten der EU regelmäßig alle drei Jahre über die Ergebnisse der Überwachung und die Inanspruchnahme des Durchsetzungsverfahrens. Der erste Bericht aus Deutschland wurde im Dezember 2021 veröffentlicht (6).

2. E-Akten und IT am Arbeitsplatz

Das Behindertengleichstellungsgesetz verpflichtet die öffentlichen Stellen des Bundes, ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich der Verfahren zur elektronischen Aktenführung und zur elektronischen Vorgangsbearbeitung, barrierefrei zu gestalten (§ 12a Abs. 1 Satz 2 BGG). Inhaltsgleiche Regelungen gibt es auch in einigen Bundesländern (z.B. § 9a Abs. 1 Satz 2 NBGG). In anderen Bundesländern ergibt sich die Verpflichtung zur Barrierefreiheit von E-Akten und IT-Fachanwendungen aus der Verpflichtung, grafische Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, barrierefrei zu gestalten. Verpflichtungen zur Barrierefreiheit elektronischer Akten und Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung ergeben sich in einigen Bundesländern zudem aus den dortigen E-Government-Gesetzen (vgl. z.B. § 12 Abs. 6 SächsEGovG und § 7 Abs. 4 EGovG Berlin). Außerdem verpflichtet das Sozialgesetzbuch IX, Menschen mit einer Behinderung eine behinderungsgerechte Arbeitsplatzausstattung zur Verfügung zu stellen (§ 164 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX). Hierzu gehört auch die Barrierefreiheit von elektronischen Akten und der sonstigen am Arbeitsplatz eingesetzten IT.

Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung lassen sich dem europäischen Standard EN 301 549 "Accessibility requirements for ICT products and services" entnehmen, der in den Abschnitten 11 und 12 Anforderungen an die Barrierefreiheit von Software formuliert. Die darin genannten Anforderungen gehen deutlich über die Erfolgskriterien der WCAG 2.1 hinaus und benennen auch Anforderungen, die für die Interoperabilität mit assistiven Technologien, wie Screenreader oder Vergrößerungsprogramme, von entscheidender Bedeutung sind (zu ihrer Verfügbarkeit siehe die Meldung in "Panorama".). Weitere Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Software ergeben sich auch aus den DIN EN ISO 9241-171, den Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software, und dem PDF/UA-Standard DIN ISO 14289-1.

3. Digitale Kommunikation

Soweit die digitale Kommunikation zwischen Bürger und öffentlichen Stellen über das Internet erfolgt, ergibt sich die Verpflichtung zur Barrierefreiheit schon daraus, dass öffentliche Stellen verpflichtet sind, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Darüber hinaus gibt es beispielsweise für die Bereiche E-Government, E-Justice und E-Health zahlreiche Rechtsvorschriften, die dazu verpflichten, die digitale Kommunikation barrierefrei zu gestalten. Hierzu gehört auch, dass elektronische Dokumente und Formulare von öffentlichen Stellen generell und von vornherein so gestaltet werden, dass sie barrierefrei zugänglich und nutzbar sind (7).

4. Ausschreibungs- und Vergabeverfahren

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verpflichtet öffentliche Auftraggeber bei jedweder Beschaffung, die Anforderungen an die Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen (§ 121 Abs. 2 GWB). Für Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte haben sich der Bund und die Länder in der Unterschwellenvergabeordnung darauf verständigt, die Vorgaben zur Barrierefreiheit in gleicher Weise anzuwenden. Auch in allen anderen Fällen ist es rechtlich möglich, die Barrierefreiheit in Ausschreibungs- und vergabeverfahren zu berücksichtigen. Ergeben sich aus den Behindertengleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern verbindliche Vorgaben zur barrierefreien Gestaltung, dann dürfen die öffentlichen Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nicht dahinter zurückbleiben. Aber auch dann, wenn sich aus den Fachgesetzen keine Vorgaben zur Barrierefreiheit ergeben, sind die Anforderungen zur Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, da es sich insoweit um eine eigenständige rechtliche Verpflichtung handelt.

Hierzu ist es erforderlich, in einem Ausschreibungs- und Vergabeverfahren die Anforderungen an die Barrierefreiheit umfassend und detailliert in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Gleichzeitig ist den Bietern in einem Ausschreibungsverfahren aufzugeben, ein Konzept zur Barrierefreiheit vorzulegen, in dem sie detailliert darlegen, wie sie die Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit von der Planung über die Entwicklung bis zur Fertigstellung sicherstellen. Außerdem ist in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, wie und durch wen der Nachweis der Barrierefreiheit zu erbringen ist.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Angeboten die Barrierefreiheit in die Bewertung einzubeziehen. So kann beispielsweise ein Bieter, der ein überzeugendes Konzept zur Verwirklichung von Barrierefreiheit vorlegt oder weitere Anforderungen zur Nutzerfreundlichkeit berücksichtigt, zusätzliche Bewertungspunkte erhalten, so dass auch hinsichtlich der Barrierefreiheit ein Wettbewerb um die beste Lösung stattfindet.

5. Ausblick

Die Zahl der Rechtsvorschriften, die zur digitalen Barrierefreiheit verpflichten, hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Das Recht auf digitale Barrierefreiheit entwickelt sich damit zu einem allgemeinen Rechtsprinzip, das in allen Bereichen des Rechts zu beachten ist (8). Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Vorgaben zur Barrierefreiheit in der Praxis vielfach nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Um das Recht auf digitale Barrierefreiheit mit Leben zu füllen, ist es deshalb unverzichtbar, dass sich die Verbände und Organisationen von Menschen mit Behinderungen, die gewählten Schwerbehindertenvertretungen sowie betroffene Nutzerinnen und Nutzer für die Verwirklichung von Barrierefreiheit einsetzen.

Der Gesetzgeber hat im Juli 2021 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verabschiedet. Das Gesetz, das zum 28. Juni 2025 in Kraft tritt, verpflichtet erstmals auch private Anbieter, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Allerdings gibt es teilweise längere Übergangsfristen. Danach müssen zukünftig auch Selbstbedienungsterminals, wie z.B. Geldautomaten, der elektronische Geschäftsverkehr (Online-Handel) und Bankdienstleistungen (Home-Banking) barrierefrei zugänglich und nutzbar sein (9). Hierbei kann und muss der öffentliche Bereich als Vorbild und Beispiel vorangehen.

Anmerkungen

(1) Roggenkamp, Barrierefreies E-Government, NVwZ 2006, 1239 - 1244

(2) Download: https://www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/03.02.01_60/en_301549v030201p.pdf

(3) WCAG 2.1: http://www.w3.org/TR/WCAG21/

(4) Siehe DIN EN ISO 9241-210 und DIN EN 17161

(5) RL (EU) 2016/2102, Erwägungsgrund 39

(6) Download: https://www.bfit-bund.de/DE/Downloads/eu-bericht-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2

(7) Siehe: Carstens, Barrierefreie Dokumente, in: Deinert/Welti/u.a. (Hg.), Stichwortkommentar Behindertenrecht, 3. Aufl. 2022

(8) Ausführlich dazu: Carstens, Die rechtliche Verpflichtung zur digitalen Barrierefreiheit, in: Peter/Lühr (Hg.), Handbuch Digitale Teilhabe und Barrierefreiheit, Kommunal- und Schul-Verlag 2021, Seite 37 - 79, auch als E-Book (ISBN 978-3-8293-1629-3)

(9) Zu weiteren Einzelheiten siehe: Carstens, Barrierefreie Informationstechnik, in: Deinert/Welti/u.a. (Hg.), Stichwortkommentar Behindertenrecht, 3. Aufl. 2022; bei beck-online auch als elektronische Ausgabe

Zum Autor

Der Autor ist Mitglied der Fachgruppe Jura und vertritt den DVBS im Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik (§ 5 BITV 2.0). Er engagiert sich außerdem als Vertrauensperson schwerbehinderter Richterinnen und Richter und ist als Richter am Finanzgericht tätig.

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Barrierefreiheit und Mobilität

Bordsteine - Sicherheitsaspekt oder Ärgernis?

Von Dietmar Böhringer

Fußgängerquerungsstellen sind die Orte im innerstädtischen Straßenraum, die am sorgfältigsten bedacht und geplant werden müssen. Ihnen gebührt große Aufmerksamkeit, da hier unverkennbar ein deutlich erhöhtes Unfallrisiko besteht.

In verschiedenen Ländern und Regionen wurde es durchgesetzt, dass jene Querungsstellen in ganzer Breite niveaugleich vom Gehweg auf die Straße übergehen und bestenfalls mit Bodenindikatoren für blinde Menschen versehen werden. Auch eine soeben neu erschienene Europanorm schlägt genau das vor. Das ist einerseits bequem für alle Fußgängerinnen und Fußgänger, andererseits optimal für Rollstuhl- und Rollatornutzende. Aber liefert eine derartige Gestaltung Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen?

Bodenindikatoren sind von großer Wichtigkeit für blinde Menschen, z. B. als Hinführung zu einer Fußgängerquerungsstelle oder zu einer Haltestelle. Die Hoffnung bestimmter Kreise, mit Hilfe von Bodenindikatoren einen gleichwertigen Ersatz für die Bordsteinkante gefunden zu haben, erfüllte sich aber nicht. Es zeigte sich, dass ertastbare Strukturen an dieser kritischen Stelle nicht die gleiche Sicherheit bieten wie eine deutliche Kante:

  • Verunreinigungen wie Herbstlaub und vor allem Streusplitt reduzieren die Erkennbarkeit von Bodenindikatoren mit dem Blindenstock dramatisch.
  • Eine Bordsteinkante "sagt" einem blinden Menschen eindeutig: Oben ist der sichere Gehbereich, unten ist die gefährliche Fahrbahn. Bodenindikatoren im Bereich niveaugleicher Fußgängerquerungen "sagen" dagegen in vielen Verkehrssituationen nur: Der sichere Gehbereich befindet sich vielleicht vor, vielleicht aber auch hinter der Bodenindikatoren-Fläche. Diese Aussage liefert keine Sicherheit!
  • Nach der deutschen Bodenindikatorennorm dürfen daher "Borde nicht durch Bodenindikatoren ersetzt werden, denn Bodenindikatoren sind nicht ausreichend, um die Grenze zwischen dem gefahrlosen Gehbereich und der Gefahrenzone Fahrbahn sicher taktil und visuell erkennbar zu machen."

Trotzdem wird auch in Deutschland immer wieder der Vorschlag gemacht, Fußgängerüberquerungen in ganzer Breite auf Straßenniveau abzusenken. Dieser Vorschlag wird auch gelegentlich realisiert - mit oder ohne Bodenindikatoren.

Um nicht nur aus Normen und Empfehlungen zu zitieren, sondern direkt aus dem Mund der Betroffenen zu hören, wie sie über diese Problematik denken, wurden blinde und sehbehinderte Menschen in einer Untersuchung gefragt:

  1. Ist eine Fußgängerquerungsstelle von Ihnen ohne größere Probleme zu bewältigen, wenn diese in ganzer Breite niveaugleich, d. h. ohne Kante vom Gehweg auf die Straße übergeht?
  2. Oder wünschen Sie sich an solchen Stellen eine deutlich ertastbare Kante?
  3. Oder brauchen Sie an solchen Stellen unbedingt diese deutlich ertastbare Kante, um sicher und ohne fremde Hilfe queren zu können?"

421 Antworten aus 15 Bundesländern gingen ein. Diese Befragung liefert daher das rein zahlenmäßig umfangreichste Datenmaterial, das bisher in einer Untersuchung zur Barrierefreiheit blinder und sehbehinderter Menschen in Deutschland erhoben wurde.

Die auffälligsten Ergebnisse:

  • 50 % der Probanden mit gutem Sehrest ("sehbehindert") trauen es sich zu, eine in ganzer Breite niveaugleich gestaltete Querungsstelle zu bewältigen (viele von ihnen können z. B. die weißen Straßenmarkierungen optisch noch erkennen). - Auf
  • 16 % sinkt dieser Anteil bei blinden Menschen mit Sehrest ("hochgradig sehbehindert") - und weiter ganz dramatisch auf
  • 1,4 % bei blinden Menschen ohne Sehrest.
  • 79 % der blinden Menschen ohne Sehrest brauchen demnach eine deutlich ertastbare Kante, weitere
  • 20 % wünschen sich diese Kante. - Für
  • 99 % der blinden Menschen ohne Sehrest ist also diese deutlich ertastbare Kante von großer Wichtigkeit.

Eindrucksvoll nachgewiesen werden konnte mit dieser Untersuchung, wie geradezu elementar wichtig es ist, dass blinde Menschen, die auf die taktile Wahrnehmung mit dem Langstock angewiesen sind, gut ertastbare Bordsteinkanten vorfinden.

Die Gestaltung von Fußgängerüberquerungen, bei denen der Geh- und Fahrbereich in ganzer Breite niveaugleich ineinander übergeht, wie dies z. B. die erwähnte Europanorm vorschlägt, beschäftigt auch den Juristen Dr. Richter von "rbm gGmbH / Rechte behinderter Menschen". Er stellt dazu fest: "... Nun definiert das Behindertengleichstellungsgesetz den Begriff ‚Barrierefreiheit‘ folgendermaßen: ‚Barrierefrei sind bauliche [...] Anlagen, [...] wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.‘ (§ 4) Die Feststellung [...], dass damit die in DIN EN 17210 dargestellte Gestaltung von Fußgängerüberquerungen in Deutschland nicht als barrierefrei bezeichnet werden kann, ist praktisch zwingend und juristisch korrekt."

Die Empfehlungen der besagten Europanorm widersprechen demnach einem gültigen Gesetz unseres Landes und wären daher in einer deutschen Norm rein rechtlich äußerst problematisch.

"Gemeinsame Überquerungsstelle" - "Getrennte Überquerungsstelle"

Niveauunterschiede sind von Rollstuhl- und Rollatornutzenden schwierig oder im Extremfall nicht zu bewältigen. Eine niveaugleiche Gestaltung nimmt dagegen blinden Menschen wichtige Elemente für ihre Orientierung und gefährdet sie. Der offensichtliche Widerspruch zwischen den Bedürfnissen gehbehinderter Verkehrsteilnehmender auf der einen und blinder auf der anderen Seite hat in der Vergangenheit zu dem "historischen Kompromiss" geführt, Borde an barrierefreien Querungsstellen grundsätzlich auf 3 cm über Straßenniveau abzusenken bzw. anzuheben. Die Höhe dieser "gemeinsamen Überquerungsstelle" sei von Rollstuhlnutzern gut zu überwinden, und von blinden Menschen gut zu ertasten, wurde ursprünglich behauptet. Im Laufe der Jahre wurde es aber immer deutlicher, dass dies so nicht stimmt: Viele Rollstuhl- und Rollatornutzende haben Mühe, eine (für sie zu hohe) 3-cm-Kante zu überwinden und das Darüberhoppeln bereitet u. U. Schmerzen. Für blinde Menschen ist gleichzeitig eine (für sie zu niedrige) 3-cm-Kante oft nicht sicher zu ertasten. Es kommt immer wieder vor, dass sie nicht wahrgenommen wird und dass der blinde Mensch dann auf der Fahrbahn steht - im trügerischen Bewusstsein, sich noch im sicheren Gehbereich zu bewegen. Dass dies schwerwiegende Gefahren beinhaltet, ist einleuchtend. Trotzdem ist diese - vergleichsweise preiswerte - Lösung noch in den aktuellen Normen vorgesehen.

In Deutschland wurde dann in einem längeren Prozess mit Exkursionen und Tests sowie einer aufwändig gebauten Teststrecke eine Lösung entwickelt, die beiden Personengruppen entgegenkommt: Die "Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe" oder "Getrennte Überquerungsstelle", ursprünglich auch "Doppelquerungsstelle" genannt. Hier ist eine spezielle schmale Rollstuhl- und Rollatorquerungsstelle integriert, die kantenlos auf Straßenniveau abgesenkt ist ("Nullabsenkung"), sowie eine spezielle schmale Blindenquerungsstelle mit 6 cm hohem Bordstein. Auf diese führt ein (in der Regel 90 cm breiter) genoppter "Auffindestreifen" hin. Vor der Bordsteinkante geht er in das "Richtungsfeld" über, dessen Rippen exakt in Überquerungsrichtung weisen. Vor der "Rollstuhlquerungsstelle" signalisiert ein 60 bis 90 cm tiefes "Sperrfeld" mit Rippen parallel zur Bordsteinkante blinden Menschen: Achtung - hier die Straße nicht überqueren!

Besondere Aspekte sind z. B. zu beachten, wenn die Überquerungsstelle nicht rechtwinklig zum Bord verläuft, wenn sie über eine Mittelinsel führt oder wenn sie ungesichert ist. Dabei ist die jeweils normgerechte Gestaltung zwingend notwendig. Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass zu Haltestellen des ÖPNV möglichst über derartige optimal barrierefreie Querungsstellen hingeführt wird.

Pädagogischen Fachkräften von Kindergärten wurde die Gestaltung der "Getrennten Überquerungsstelle" detailliert beschrieben, und sie wurden gefragt, wie sie Kindergartenkinder anleiten würden, die an einer solchen Fußgängerüberquerung mit differenzierter Bordhöhe die Straße queren müssten. Wie dies bei derartigen Untersuchungen zu erwarten ist, ergab sich keine Einstimmigkeit. Die überwiegende Mehrheit von 74 % würde aber den Kindern sagen, sie sollen am hohen Bordstein warten. Dies lässt erkennen, dass für die Sicherheit kleiner Kinder hohe Bordsteine wichtig sind!

Als in den 80er Jahren der Begriff "behindertengerecht" durch den Begriff "barrierefrei" ersetzt wurde, spielte der Aspekt Bordstein eine dominierende Rolle. Fotos von Rollstühlen vor hohen Bordsteinen tauchten regelmäßig in Medien auf. Dass der Bordstein eine Barriere darstellt, die schwer oder nicht zu überwinden ist, prägte sich im Bewusstsein der Bevölkerung ein. Eine geforderte Bordhöhe von 3 cm wurde daher oft auf 2 cm, auf 1 cm oder auf 0 cm reduziert - durchaus mit der Begründung, man habe die Barrierefreiheit noch etwas verbessert. Wenn man Menschen mit Rollstuhl beobachtet, ist leicht zu erkennen, welche Hürde ein Bordstein für sie darstellt: Ab einer bestimmten Höhe macht er eine Bewältigung unmöglich und unterhalb dieser kritischen Höhe strengt er an oder verursacht Schmerzen beim "Darüberhoppeln". Dass ein hoher Bordstein eine "Barriere" ist, lässt sich auch gut verständlich fotografieren. Dass dagegen ein fehlender Bordstein eine "Barriere" sein soll, lässt sich bildlich nicht darstellen, ist schwierig zu verstehen und noch schwerer zu vermitteln.

Einem blinden Menschen, der sich "mit schlafwandlerischer Sicherheit" im öffentlichen Raum bewegt, sieht man nicht an, welche Schwierigkeiten er bewältigen muss. Dass für ihn die Beseitigung von Bordsteinen eine schwerwiegende "Barriere" darstellt, passt nicht in den Wortsinn, sondern ist geradezu widersinnig. Hier gilt es um Verständnis zu werben für eine Problematik, die häufig in der allgemeinen Diskussion unterzugehen droht.

Hohe, gut "ertastbare" Bordsteine sind für blinde Menschen notwendig, aber auch für kleine Kinder und andere benachteiligte Personengruppen nicht zu unterschätzen. Sie schützen außerdem alle Fußgängerinnen und Fußgänger, wenn ein Fahrzeug ins Schleudern gerät oder wenn - ein modernes und aktuelles Problem - ein Fahrer kurz auf sein Handy schaut, einen gefährlichen Augenblick lang nicht den Straßenverlauf beachtet und in den Seitenraum abdriftet.

Der hohe Bordstein bleibt also wichtig für alle Menschen, die zu Fuß unterwegs sind. Für einige von ihnen hat er existentielle Bedeutung.

Linktipp

Auf der Website https://www.boehri.de/dietmar_boehringer/ werden u. a. die hier referierten Untersuchungen detailliert dargestellt und es gibt eine Linksammlung zu weiteren Veröffentlichungen zum Thema "Barrierefreies Planen und Bauen".

Zum Autor

Dipl.-Päd. Dietmar Böhringer ist Mitglied im Normungsarbeitskreis, der aktuell die drei Normen der DIN 18040 novelliert; er ist Mitglied in jenem Arbeitskreis, der die verschiedenen Papiere zu Baustellensicherungen novelliert sowie Vorstandsmitglied im "Dachverband integratives Planen und Bauen" (DIPB). Er hat 36 Jahre lang als Lehrer an der Nikolauspflege, Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen, gearbeitet und gehört zu den zehn ersten Mobilitätslehrern Deutschlands. E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Bild: "Getrennte Querung": Um bei Grün auf die andere Straßenseite zu kommen, nutzen links der Fußgängerampel zwei Rollstuhlfahrende die kantenlosen Übergänge, rechts läuft ein Mann mit Blindenstock auf die Mittelinsel mit einem Bordstein als "Tastkante" und die Fortsetzung der weißen Bodenindikatoren zu. Foto: privat

Bild: Ein manueller Rollstuhl steht dicht vor der "Barriere Bordstein" auf der Straße, die Hand seines Fahrers ruht am großen Greifring. Foto: privat

Bild: Rot durchgestrichenes Negativbeispiel: An dieser Fußgängerfurt in England mit "Look-Right"-Hinweis auf dem Boden warnen Bodennoppen vor dem Ende des Bürgersteigs. Da Geh- und Straßenfläche niveaugleich sind und eine ertastbare Mittelinsel fehlt, ist die Überquerung der vierspurigen Straße von blinden Menschen jedoch kaum oder gar nicht selbstständig zu bewältigen. Foto: privat

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Berichte und Schilderungen

Zeitenwende - Vom Leben nach der blista: Von der Regelschule an die Förderschule

von Lisa Wolf, Abitur 2015

Bis Juli 2012 besuchte ich die Realschule an meinem Heimatort und machte dort auch den Realschulabschluss. Anschließend wollte ich gerne Abitur machen, wobei mir jedoch klar war, dass das an einer Regelschule für mich nicht zu schaffen wäre. Schon die Realschulzeit war für mich als einzige blinde Schülerin mit enormen Anstrengungen, Frustrationen und oft auch mit Abstrichen verbunden. Trotz regelmäßiger Begleitung durch eine Fachkraft der Förderschule Düsseldorf, die mit mir verschiedene Arbeitstechniken einübte und sowohl mich als auch die Lehrer*innen vor Ort unterstützte, war es doch sehr anstrengend und kräftezehrend. Neben sehr visuell orientierten Unterrichtsmethoden und -materialien sowie logistischen Problemen, wie dem regelmäßigen Raumwechsel mit meinen gesamten Hilfsmitteln, war mir auch die Teilnahme u. a. am Sport- und Kunstunterricht am Ende nicht mehr möglich. Aus diesen Gründen entschloss ich mich, das Abitur an der blista in Marburg zu machen. Dort waren die im Wesentlichen barrierefreien Lernbedingungen nach 10 Jahren Inklusion eine große Entlastung für mich. Positiv habe ich auch die Möglichkeit des selbstverständlichen Austauschs mit gleichaltrigen blinden und sehbehinderten Schüler*innen sowie die damit verbundenen Freundschaften und Freizeitaktivitäten in Erinnerung behalten.

Ein Jahr voller praktischer Erfahrungen

Im Juli 2015 hatte ich endlich mein Abiturzeugnis in der Hand, aber noch keine wirkliche Idee, was ich später einmal machen wollte. Während der Schulzeit lag mein Interessenschwerpunkt im sprachlichen Bereich, und so dachte ich kurz über ein entsprechendes Studium, wie zum Beispiel der Germanistik, nach. Mehr noch interessierte mich allerdings der soziale Bereich, den ich in der Schulzeit während zweier Hospitationen in einer Frühförderstelle sowie in einer Kindertageseinrichtung kennenlernen durfte. Auch wollte ich nicht nahtlos von der Schule in ein Studium wechseln, sondern zunächst lieber erst mal etwas Praktisches machen. Daraus entstand schließlich die Idee, einen einjährigen Freiwilligendienst in einer sozialen Einrichtung zu absolvieren. Also nahm ich Kontakt zu verschiedenen Trägern von Freiwilligendiensten auf (DRK-Schwesternschaft, Diakonie, Internationaler Bund und Paritätischer Wohlfahrtsverband). Dort traf ich mit meinen Bewerbungen zunächst auf einige Skepsis und Unsicherheit, ob ich als blinde Person den Anforderungen in einer Kita oder einer vergleichbaren Einrichtung überhaupt gewachsen sein würde. Von einigen Trägern habe ich erst gar keine Möglichkeit erhalten, mich in einer ihrer Einrichtungen vorzustellen, während mir andere offen und interessiert begegneten. Kurz: Ich brauchte einen langen Atem und einige Frustrationstoleranz, bis ich schließlich den Bundesfreiwilligendienst in der Evangelischen Kinderkrippe in Marburg-Cappel antreten durfte. Es wurde ein spannendes und interessantes Jahr. Mit vielen der mir dort übertragenen Aufgaben, wie zum Beispiel dem Wickeln oder Füttern von Kindern oder dem Anleiten und Begleiten verschiedener Spiele und Aktivitäten, hatte ich vorher noch nie zu tun, sodass ich neue Erfahrungen sammeln und viel dazulernen konnte. Im Laufe der Zeit wurde ich immer sicherer und wuchs an den Herausforderungen. Gleichzeitig bin ich auch an Grenzen gestoßen, vor allem wenn es darum ging, größere Gruppen von Kindern selbstständig zu beaufsichtigen oder aus der Ferne zu interagieren. Entsprechend wurde mir einiges an Kreativität und Eigeninitiative abverlangt, und ich musste immer wieder eigene Ideen entwickeln, wie ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten produktiv in den Krippenalltag einbringen kann.

Im Rahmen des Freiwilligendienstes fanden auch Seminartage statt. Gemeinsam mit Freiwilligen aus anderen Einrichtungen bearbeiteten wir unter Anleitung pädagogische Themen und Aufgaben, und auch Ausflüge und Selbsterfahrung sowie die gemeinsame Reflexion der Arbeit in den Einrichtungen standen auf dem Programm. Da ich die einzige Nicht-Sehende war, waren auch hier einige Probleme nicht zu vermeiden. So lagen Texte und Materialien meist nur in Papierform vor und Gruppenaufgaben oder -spiele setzten oft ein gutes Sehvermögen voraus. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich jederzeit um Hilfe bitten konnte und wir dann gemeinsam nach einer Lösung suchten. Dazu musste ich allerdings aktiv auf die anderen zugehen, mein Problem schildern und Vorschläge machen - denn Erfahrungen mit nicht-sehenden Menschen gab es im Unterschied zur blista keine.

Die Entscheidung für den Freiwilligendienst habe ich nie bereut und würde diese jederzeit wieder treffen. Nach Beendigung des Freiwilligendienstes habe ich noch für einige Zeit in der Kinderkrippe als Aushilfskraft weitergearbeitet, bis die zunehmende Arbeitsbelastung im Studium mir dieses Engagement leider nicht mehr erlaubte.

Von der Krippe an die Uni

Und nun? Wie weiter? Am liebsten wäre ich ja in diesem Bereich in genau dieser Krippe geblieben. Jedoch war mir auch klar, dass der Beruf der Erzieherin aufgrund verschiedener Hürden langfristig keine erfolgsversprechende Alternative für mich darstellte. Dennoch wollte ich später gerne im sozialen Bereich arbeiten - nur eben nicht unbedingt im klassischen Kita-Bereich. Also fragte ich mich, welches Studium zu meinen Stärken und Vorlieben passen könnte. Ich schwankte zwischen Erziehungs- und Bildungswissenschaften und - um damit unter anderem auch das Problem der Aufsichtspflicht zu umgehen - einem Studium der Psychologie. Schließlich schreckte mich das Naturwissenschaftliche sowie die Statistik von letzterem ab. Im Oktober 2016 nahm ich folglich das Studium der Erziehungs- und Bildungswissenschaften in Marburg auf, um so meinen Weg in den pädagogischen Bereich weiter zu verfolgen und meine Möglichkeiten über den Erzieherberuf hinausgehend zu erweitern.

Anfangs war es für mich eine enorme Umstellung, von einer getakteten 39-Stunden-Woche in der Kita in einen weitgehend selbstständig zu strukturierenden, wesentlich freieren Studienalltag zu wechseln und mich an der Uni und in meinem neuen Alltag zurechtzufinden. Inhaltlich gefiel mir mein Studium sehr, und ich konnte einige Themen, die in den Begleitseminaren im Rahmen meines Freiwilligendienstes angeschnitten wurden, weiter vertiefen. Da ich den größten Teil meiner Schulzeit an einer Regelschule verbracht und dadurch Erfahrung im Umgang mit nicht barrierefreien Materialien sowie mit eigenverantwortlichem Lernen hatte, fiel mir dies nicht allzu schwer. Dennoch sind die Anforderungen an Eigenständigkeit im Studium viel höher und mit mehr Aufwand verbunden als in der Schule.

Ich arbeite mit Laptop und Sprachausgabe sowie mit einer speziellen Software zur Umwandlung von Bilddateien in Textdateien, da die meisten Texte und Materialien aus dem Studium als Bild eingescannt werden und damit nicht ohne Weiteres lesbar sind. Auch habe ich eine Studienassistenz, die mir bei der Beschaffung und Umarbeitung von Literatur, der Formatierung von Hausarbeiten und der Beschreibung von Abbildungen behilflich ist. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die für mich richtige Arbeitstechnik gefunden hatte. Vom selbstständigen Einscannen über das Vorlesen von Texten durch meine Studienassistenz bis hin zum Anfertigenlassen von Tonaufnahmen habe ich verschiedene Alternativen ausprobiert, und auch heute noch muss ich immer mal wieder ein bisschen rumprobieren, um die beste Möglichkeit zu finden.

Draufgesattelt

Im 3. Semester kam noch ein Nebenfach hinzu, das ich mir selbst aussuchen konnte. Mir war sofort klar, dass es das Fach Psychologie sein sollte, also fing ich an, dort Vorlesungen zu belegen. Dabei habe ich schnell Feuer gefangen und viel Energie und Lernaufwand hineingesteckt, oft sogar mehr als in mein Hauptfach. Bald reifte in mir der Gedanke, es doch - entgegen meiner vorherigen Bedenken - mit Psychologie als Hauptfach zu versuchen. Nach gründlicher Überlegung (Faktor Studienzeit, Abbruch oder Fortführung meines Studiums der Erziehungswissenschaft, Arbeitspensum) begann ich schließlich ab Oktober 2018 neben der Erziehungswissenschaft noch das Fach Psychologie zu studieren.

Und - doch noch im Fachbereich Psychologie gelandet

Wie erwartet erwies sich meine Entscheidung als enorm arbeitsintensiv. Im Vergleich zur Erziehungswissenschaft war der Studiengang Psychologie mit sehr viel mehr Lernaufwand und höheren Anforderungen verbunden, sodass sich mein Studienalltag drastisch änderte. Von einem eher entspannten Leben mit vielen Freiheiten entwickelte ich mich zur Frühaufsteherin mit strikten Lernzeiten. Gerade in der Anfangszeit, in der ich die Veranstaltungen beider Studiengänge stemmen musste, bedeutete dies für mich viel Arbeit und Disziplin, wobei ich manches Mal an meine Grenzen kam. Wie befürchtet musste ich mich natürlich auch mit Statistik sowie mit naturwissenschaftlichen Fächern auseinandersetzen, was mir bis heute nicht immer leichtfällt. Neben den naturwissenschaftlichen Fächern wie biologische Psychologie, Wahrnehmung und Kognition oder Neurowissenschaftliche Psychologie gibt es aber auch Bereiche wie die Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie, Pädagogische Psychologie, Klinische Psychologie und Diagnostik, die mich sehr viel mehr begeistern und für die ich den Lernaufwand - meistens - gerne in Kauf nahm und immer noch nehme.

Natürlich stoße ich als blinde Studentin immer wieder auf Schwierigkeiten. So ist der Umgang mit der Software, die wir benötigen, sehr herausfordernd und oft nicht barrierefrei. In vielen Vorlesungen wird zudem mit Abbildungen gearbeitet, was für mich zusätzlichen Aufwand und Assistenzbedarf zur Folge hat. Wichtig ist nach meiner Erfahrung auch hier, sich nicht zu verstecken, sondern offen und sachlich das Gespräch mit Lehrenden oder anderen Betroffenen zu suchen und die Bereitschaft zu zeigen, sich selbst aktiv einzubringen. Es gibt immer Lösungen, und gerade in Marburg trifft man dabei auch immer wieder auf Gleichgesinnte und kann voneinander profitieren. Auch die Lehrenden sind immer bemüht, zu unterstützen und möglich zu machen, was geht, um den Studienalltag zu erleichtern.

Und dann kam Corona

Seit März 2020 hat sich nochmal einiges für mich geändert. Vorlesungen und Seminare fanden nur noch als Videokonferenzen statt, die man von zu Hause aus verfolgte, oder es wurden einfach nur Lernmaterialien hochgeladen, die man dann selbstständig bearbeiten sollte. Mein bisheriger Lernort, die Unibibliothek, blieb lange geschlossen, öffnete anschließend nur mit begrenzter Platzanzahl und unter strikten Vorgaben. Dazu kam, dass ein Großteil der Studierenden zurück in ihre Heimatorte ging. Das studentische Leben fand nur noch sehr eingeschränkt statt und fehlte mir sehr. Zwar war ich dankbar, dass ich die Möglichkeit bekam, wenigstens die Prüfungen ablegen zu können, dennoch habe ich nach wie vor mit den geltenden Einschränkungen und Auflagen zu kämpfen und bin wahnsinnig froh, wenn es endlich wieder besser wird.

Aktueller Stand und weitere Pläne

Mittlerweile stehe ich kurz vor meinem Bachelor in Erziehungs- und Bildungswissenschaft und kann mich somit mehr und mehr auf das Fach Psychologie fokussieren. Meine aktuellen beruflichen Vorstellungen gehen in Richtung Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie oder alternativ Erziehungs- und Familienberatung als Schnittstelle meiner beiden Studienfächer. Beides wäre mit teils sehr teuren Weiterbildungen verbunden. So bin ich weiterhin gespannt, wo mich mein Weg letztlich hinführen wird.

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Aus der Arbeit des DVBS

Die Ukraine-Mailingliste braucht unser Engagement!

Von Werner Wörder

Um blinden und sehbehinderten Menschen innerhalb und außerhalb der Ukraine helfen zu können, hat der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) am 21. März 2022 eine Mailingliste eingerichtet (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Sie diente und dient von Anfang an der gesamten Selbsthilfe als Plattform, um gemeinsame Ziele zu formulieren sowie kurz- und langfristige Hilfe für blinde und sehbehinderte Menschen aus der Ukraine planvoll zu organisieren. Denn: "Wir wollen unsere Aktivitäten zugunsten blinder und sehbehinderter Menschen in und aus der Ukraine koordinieren, damit das ‘Chaos im Kopf’ (Tetiana aus der Ukraine) unser Handeln nicht beeinträchtigt", wie es in der Willkommensmail der Liste heißt.

Wir rufen daher dazu auf, dass sich auch weiterhin Menschen aus der gesamten Selbsthilfe in die gemeinsame Mailingliste eintragen. Dafür müsst Ihr/müssen Sie nur in der DVBS-Geschäftsstelle anrufen (Telefon: 06421 948880) und uns Eure/Ihre E-Mail-Adresse mitteilen - oder eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schicken.

Zurzeit werden dringend Personen gesucht, die blinden und sehbehinderten Geflüchteten Deutschunterricht anbieten können. Es gibt noch viel zu tun, damit unsere Solidarität und aktive Unterstützung bei blinden und sehbehinderten Menschen aus der Ukraine ankommt. Denn Putins Angriffskrieg wird nicht so schnell enden, und danach steht der Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur, von Städten, Häusern und Höfen, von Schulen und Krankenhäusern als riesige Aufgabe auf der Agenda.

Dank der Anregungen aus der Mailingliste entstand bereits eine Hilfsmittelbörse. Sie ist per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu erreichen.

Ich freue mich auf Eure/Ihre Mitarbeit in der Mailingliste "dvbs-ukraine-hilfe", also über zündende Ideen und viele gemeinsame Aktionen, um blinden und sehbehinderten Menschen in und aus der Ukraine gemeinsam und solidarisch in dieser für sie schwierigen und bedrohlichen Zeit zur Seite zu stehen.

Bild: Solidaritätsschleife in den Farben der ukrainischen Flagge Blau und Gelb. Bild: pixabay

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DVBS deckt "Tischlein" auf der Marburger Stadtautobahn

Von Petra Krines

Geschätzte 50.000 Besucherinnen und Besucher strömten am Pfingstsonntag auf die Marburger "Stadtautobahn", kletterten über Leitplanken, fuhren Fahrradrikscha und Inline-Skates, tanzten, diskutierten und spielten. Sie feierten friedlich bis ausgelassen den 800. Geburtstag Marburgs. Die Stadt, in der die DVBS-Geschäftsstelle ihren Sitz hat, war 1222 zum ersten Mal urkundlich als "civitas" erwähnt worden, und das wurde mit einem außergewöhnlichen Event gewürdigt: Über 800 Infotische, an denen sich gefühlt alle Vereine, Initiativen und Organisationen der Universitätsstadt vorstellten, standen in einer langen Reihe auf der für Autos gesperrten B3.

Natürlich fehlte bei diesem Tischlein-deck-dich-Spektakel auch der DVBS nicht. Abenteuerlich ging es am Sonntagmorgen gegen 10:30 Uhr los. Behände überwanden unsere ehrenamtlichen Helferinnen trotz Seheinschränkungen hohe Leitplanken, weil die Treppenübergänge noch nicht aufgebaut waren. Ruckzuck war der Infostand aufgebaut, und mit unserer guten Laune, Simulationsbrillen und Tafelschreiben lockten wir viele Interessierte an unseren Stand. Besonders unsere kleinen Besucher*innen waren fasziniert, dass mit der Tafel von rechts nach links und spiegelverkehrt geschrieben wird. Einige ganz mutige Kinder probierten es sogar selbst einmal.

Auch der frisch gewählte Landrat Jens Womelsdorf (SPD) plauderte mit uns, und der ehemalige Oberbürgermeister Egon Vaupel schaute vorbei. DVBS-Ehrenamtliche und Hauptamtliche erwiesen sich ebenso wie die Besucher*innen als regenfest und ließen sich durch vereinzelte Schauer nicht irritieren, sondern spannten ihre großen bunten Schirme auf. Das DVBS-Team führte tolle, informative Gespräche und brachte die Themen der Selbsthilfe erfolgreich unter die Besucherinnen und Besucher.

Wir freuen uns schon auf den 900. Geburtstag Marburgs! Dann aber bitte mit mehr Essensständen!

Impressionen des Events sowie das weitere Programm des Jubiläumsjahres finden Sie unter https://www.marburg800.de/index.html

Bild: Birgit Stolz, Wilhelm Gerike, Claudia Gerike und Mirien Carvalho-Rodrigues (v. l. n. r.) gehörten bei der Aktion "Tischlein-deck-dich" zum ersten der drei sechsköpfigen DVBS-Infoteams. Sie sitzen lächelnd hinter dem Infotisch mit verschiedenen Medien, in der Leitplanke hinter ihnen steckt ein aufgerollter DVBS-Werbeträger (Roll Up). Foto: DVBS

Bild: Besucherschar der Aktion "Tischlein-deck-dich" an Pfingstsonntag auf der Marburger Stadtautobahn, rechts steht das Hinweisschild zur Abfahrt "Marburg Mitte". Foto: Georg Kronenberg, i. A. Stadt Marburg

Bild: Logo Marburg 800

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Seminare

Von Christian Axnick

Seminar "Nicht sehend - nicht blind"

Die Interessengruppe Sehbehinderte lädt zum Seminar "Nicht sehend - nicht blind" ein, das vom 22. bis 25. September 2022 in Bad Soden-Salmünster stattfinden wird.

Angesprochen sind Menschen mit Seheinschränkungen unabhängig von der Sehschärfe oder anderen Kriterien, die sich für eines der Schwerpunktthemen interessieren:

  • Workshop 1: Eigentlich sehe ich doch alles - Workshop zum Umgang mit der Sehbehinderung im Arbeitsleben
  • Workshop 2: In Führung gehen - Arbeitsassistenz gut anleiten und berufliche Partner im Umgang mit der Sehbehinderung sensibilisieren

An allen vier Tagen ist auch der "Technik-Zoo" geöffnet. Nützliche Helfer sind dort willkommen: Jede*r darf Geräte mitbringen, die den Alltag mit der Sehbehinderung erleichtern, vom kleinen technischen Hilfsmittel bis zum Hightech-Gerät.

Am Sonntag präsentieren wir die Berichte und Präsentationen der Workshops. Danach beschäftigen wir uns mit Wissenswertem aus der Sehbehindertenarbeit. Außerdem wollen wir gemeinsam überlegen, welche Angebote der DVBS in den nächsten Jahren entwickeln kann, um Menschen mit Sehbehinderung bestmöglich zu unterstützen.

Informationen und die Ausschreibung zum Seminar finden Sie auf der Webseite https://dvbs-online.de.

DVBS-Fortbildung "Arbeitsassistenz effektiv einsetzen"

Selbst erfahrene Arbeitsassistenznehmende haben Fragen zur Antragstellung und passenden Assistenzformen, zur optimalen Gestaltung der Assistenzbeziehung und Assistenznutzung. Deshalb bietet der DVBS das Fortbildungsseminar "Arbeitsassistenz effektiv einsetzen" vom 24. bis 28. Oktober 2022 an.

Die Fortbildung umfasst 32 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Das Seminar ist vom Integrationsamt Hessen als förderfähig anerkannt (Übernahme der Teilnahme- und Reisekosten).

Die ausführliche Beschreibung des Fortbildungsseminars finden Interessierte unter https://dvbs-online.de/index.php/component/jevents/Eventdetail/716/-/fortbildung-arbeitsassistenz-effektiv-einsetzen?Itemid=1&filter_reset=1

Kontakt

Bei Fragen zu den Seminaren oder zur Anmeldung wenden Sie sich an

Christian Axnick
DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-28
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Aus der blista

Abschied mit stehendem Applaus - Feierliche Staffelübergabe im Vorstand

Ob im Vorstandsbüro, in den Schulen, dem Zentrum für Barrierefreiheit, der blista-ÖA, auf dem blistaCampus, im Verwaltungsrat oder im fernen München, überall liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, die Übergabe des Staffelstabes von Direktor Claus Duncker an Patrick Temmesfeld stand auf dem Plan. Es wurde organisiert, diskutiert und geübt, geprobt, produziert und gefilmt. Bis zuletzt wirbelte Corona durch die Gästeliste. Aber dann, am 29. Juni 2022, pünktlich um 10:30 Uhr, war es so weit.

Mit rund 700 Gästen aus Stadt und Land, Schüler*innen, Azubis, Rehabilitand*innen, Eltern, Kolleg*innen, Alumni, Partnerorganisationen und Freund*innen feierte die Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) die Staffelübergabe im Vorstand mit einer bunten, stimmungsvollen Veranstaltung im Erwin-Piscator-Haus. Nach 15 erfolgreichen Jahren wurde Direktor Claus Duncker verabschiedet und Patrick Temmesfeld in seinem neuen Amt als Vorsitzender der blista herzlich willkommen geheißen. Mit starker Stimme, Charme und Witz führte Moderator Thorsten Büchner durch die Veranstaltung.

Als erster Redner skizzierte Andreas Bethke, der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats der blista, das Wirken des Ausscheidenden: "Claus Duncker kam im September 1991 als Lehrer für Mathematik an die blista und folgte damit seiner Frau Jutta." Der Geschäftsführer des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV), blista-Alumnus und Paralympics-2000-Teilnehmer Andreas Bethke unterstrich, dass Claus Duncker bereits bei seiner Berufung zum Vorsitzenden im Jahr 2007 als ein zentrales Ziel seiner Arbeit die enge Verzahnung mit der Selbsthilfe der Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung definiert habe. Weiterhin habe er von Anfang an die Schaffung eines attraktiven Lernumfeldes durch Sanierung, Erweiterung und Neubau von Schulgebäuden sowie den Ausbau der digitalen Infrastruktur in den Blick gefasst.

"Chancen der Weiterentwicklung erkannt"

"Als im Jahr 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) in Kraft trat, erkannte er die Chancen der Weiterentwicklung und verfolgte die Öffnung der blista für sehende Schüler*innen. Das Motto der 100-Jahrfeier ‘Inklusion braucht Qualität’ war zugleich Programm", erinnerte Bethke. Der Ausbau zu einem inklusiven Bildungscampus sei in enger Kooperation mit der Philipps-Universität erfolgt, die sich zeitgleich zu einem wichtigen Wissensstandort zum Thema Blindheit und Sehbehinderung entwickelt habe.

Mit der Integration der Montessori-Schule und dem Aufbau des Montessori-Kinderhauses sei der inklusive Campus gewachsen. Auch der mediale Bereich der blista habe sich mit seiner Unterstützung zu einem der bedeutendsten Zentren für Barrierefreiheit entwickelt. "Dank Deiner Führung ist mit der Seniorenberatung, dem Standort Frankfurt und nicht zuletzt durch die Entwicklung zum Paralympischen Nachwuchszentrum eine Erweiterung der Angebote erfolgt. Die blista hat Dir so viele Impulse und Meilensteine zu verdanken, dafür unseren herzlichen Dank!", sagte Bethke und richtete anschließend den Blick in die Zukunft: "Mit Patrick Temmesfeld hat die blista einen wunderbar kompetenten und engagierten Nachfolger für den Vorsitz gewinnen können, der sich bereits durch seine Tätigkeiten in Friedberg, Schleswig, Nürnberg und als Co-Vorsitzender des Verbandes für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik einen Namen gemacht hat."

Auch das Grußwort des Bundespräsidenten a.D. Horst Köhler brachte großen Dank für das Engagement für die blista und ihre Schüler*innen zum Ausdruck. Er verfolge die Arbeit der blista mit Aufmerksamkeit und wünsche Claus Duncker alles Gute.

Selbstständig und selbstbestimmt leben und lernen - stimmt das alles denn? Humorvoll und gut gelaunt "beamte" sich Moderator Büchner sogleich per Video auf den blistaCampus, landete mal im naturwissenschaftlichen Unterricht, mal beim Goalballturnier der Klasse 5 und fand allerorts Bestätigung.

"Die Sehenden das Sehen gelehrt"

"Dass es bei Ihnen immer lustig wird, das weiß ich inzwischen ja schon", sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zu Beginn seiner Ansprache schmunzelnd. Da könne sich manch eine Schule ein Vorbild nehmen. Für die Stadt Marburg sei die Zusammenarbeit mit blista-Direktor Claus Duncker sehr fruchtbar und vertrauensvoll gewesen. "Sie haben die Sehenden das Sehen gelehrt, wenn es um Inklusion geht", betonte er und fuhr dankend fort: "Sie haben das Bewusstsein für die Belange blinder und sehbehinderter Menschen in die Stadtgesellschaft getragen und die Stadt besser gemacht." Er vertraue auf eine weiterhin so gute Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger Patrick Temmesfeld, der als Geschenk fürs nächste Jahr den VBS-Kongress des Verbands für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V. (VBS) mitgebracht habe.

Das Grußwort von Jürgen Dusel, dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, wurde verlesen: "Mit der blista verbindet mich viel. Einige von Ihnen wissen es vielleicht: Mein Vater, der als kleiner Junge im Krieg blind wurde, ist hier zur Schule gegangen. Ich selbst habe an einer Regelschule Abitur gemacht - zu einer Zeit, in der viele noch gar nicht wussten, wie man das Wort ‘Inklusion’ schreibt." Er sei fest davon überzeugt, dass das gemeinsame Lernen wichtig sei: wichtig für Schüler*innen mit Behinderungen, aber vor allem für die ohne Behinderungen; wichtig für eine offene, diverse und inklusive Gesellschaft und wichtig für Menschen, die später einmal Personalverantwortung übernehmen, damit sie wissen, welche Potenziale in Menschen mit Behinderungen stecken.

"Demokratie braucht Inklusion!"

Deshalb laute das Motto seiner Amtszeit: "Demokratie braucht Inklusion!" "Nur ein Staat, der inklusiv denkt und inklusiv handelt, ist aus meiner Sicht wirklich demokratisch", führte Dusel aus. Der inklusive Bildungscampus unter dem Dach der blista als bundesweit anerkanntes Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung sei ein absolutes Vorbild. Er freue sich darauf, hoffentlich bald seinen Marburg-Besuch nachholen zu können und sich von Herrn Temmesfeld, der jetzt in große Fußstapfen trete, das inklusive Konzept der blista zeigen zu lassen.

Der frisch gewählte DBSV-Präsident Hans-Werner Lange hob hervor: "Die Faszination und Einzigartigkeit der blista, die bei ihrer Gründung als erste Einrichtung blinden Menschen einen gymnasialen Abschluss ermöglichte, diese Faszination gelang es Claus Duncker fortzusetzen." Als bundesweites Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung gelinge es, Talente zu fördern und jungen Menschen mit Behinderungen ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Inklusive Bildung sei ohne die blista und ohne spezielle Angebote mit Fachkompetenz nicht vorstellbar. Die Zusammenarbeit habe ihm all die Jahre immer Spaß gemacht.

Ulrike Bauer-Murr, Co-Vorsitzende im VBS, erinnerte sich daran, dass Claus Duncker als Leiter des VBS-Arbeitskreises der Einrichtungsleiter*innen den Austausch der 70 Einrichtungen im deutschsprachigen Raum gefördert und dabei die Interessen der Schüler*innen in den Mittelpunkt gestellt habe. Sie dankte für die gute Zusammenarbeit. Ihrem VBS-Vorstandskollegen, Patrick Temmesfeld, wünschte sie für die neuen Aufgaben von Herzen alles Gute und viel Erfolg.

Im zweiten Video-Beam "landete" Moderator Thorsten Büchner auf dem blistaCampus zunächst im Büroschrank der Verwaltungsleiterin Irene Noll und erkundigte sich aus Schabernack danach, wie denn die Finanzen der blista aussähen. "Für den Neubau reicht es!", stellte die für die Finanzen der blista Verantwortliche fest und hielt ihm unerschrocken einen klimpernden Sparstrumpf entgegen.

Ich würde es wieder tun!

Nun stand der scheidende Direktor selbst auf der Rednerliste: "Vor 15 Jahren und 98 Tagen stand ich zu meiner Amtseinführung hier", berichtete Claus Duncker und fuhr fort: "Wenn ich mich noch einmal entscheiden müsste, ob ich das Amt annehme, ich würde es wieder tun! Junge Menschen in ihrem Lebensweg zu unterstützen, ist eine schöne und wichtige Aufgabe. Und wenn es darum geht, dass blinde und sehbehinderte die gleichen Chancen haben wie sehende Menschen, dann besonders."

Der blistaCampus setze keine Grenzen für Menschen mit und ohne Behinderung und biete alle Möglichkeiten für ein gemischtes und buntes Miteinander. Gleichwohl dürfte dies nicht auf Kosten der Qualität gehen. Da habe die Kooperation mit der Philipps-Universität Hervorragendes ermöglicht. Neben der Gestaltung der Angebote im Zuge des technischen Fortschritts und der medialen Versorgung blinder und sehbehinderter Menschen sei es der Sport, der zu seinen schönsten Aufgaben gezählt habe. Seinen besonderen Dank richtete er an dieser Stelle an den hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e.V. (HBRS): "Die Entwicklung zum Paralympischen Nachwuchszentrum wäre ohne den HBRS nicht möglich gewesen." Claus Duncker zeigte sich zuversichtlich: "Wir leben in stürmischen Zeiten, aber die blista ist auch für die hohe See gut gerüstet. Es war mir eine Freude und eine Ehre, mit dem blista-Team zusammenzuarbeiten." Sein abschließender Dank und ein großer bunter Blumenstrauß galten Ehefrau Jutta. Es folgte ein langanhaltender Applaus mit stehenden Ovationen.

Schließlich ergriff Patrick Temmesfeld das Wort: "Ja, wir feiern ein besonderes Moment, den Abschied und den Respekt vor einem Lebenswerk. Das ist für uns alle sehr emotional." Seine Ansprache gliederte er in: DU, WIR, ICH, SIE, DANKE. "DU, lieber Claus,", führte er aus, "hast einen stabilen, festen Weg gebaut. Den gehen wir sehr gerne weiter. Allgegenwärtig, blitzgescheit und ausgestattet mit einem unglaublichen Gedächtnis - wir werden dich schrecklich vermissen! WIR sehen uns dank dir gut aufgestellt und vorbereitet. ICH freue mich unglaublich, hier zu stehen und die neue Aufgabe anzunehmen. Ich glaube, es ist kein Zufall, für mich schließt sich ein Kreis. In Hessen habe ich meine Arbeit als Blinden- und Sehbehindertenpädagoge aufgenommen, nun, nach 26 ½ Jahren Berufsleben und drei Jahren Vorarbeit an der blista ist es ein schönes Gefühl angekommen zu sein. SIE: Die Bandbreite der Herausforderungen ist groß, und dafür gibt es im Miteinander tolle Potenziale - an der blista, in unserer Stadt, im Landkreis und einem Bundesland, das sich für uns einsetzt." Sein herzliches DANKE an Claus Duncker unterstrich Moderator Thorsten Büchner mit der Bitte an den Verwaltungsrat, die Leitungskonferenz, die Vorsitzende des Betriebsrats, die Schüler*innen- und die Schwerbehindertenvertretung, sich stellvertretend für alle Gäste auf der Bühne zum "Irischen Segen" als Abschlusslied zu versammeln. Vorher aber wurde er noch von Claus Duncker an Patrick Temmesfeld übergeben: Der Staffelstab in Form eines kleinen weißen Blindenstocks.

... ohne Musik? Undenkbar!!

Was wäre eine Staffelübergabe ohne Musik? Undenkbar!! Da hatten sich junge Musikerinnen und Musiker aufgemacht und wochenlang unter der Leitung von Olaf Roth vier Stücke für diesen Tag eingeübt. Chor und Band "Blind Gold" spielten zusammen mit den Schüler*innen der Gitarrenklassen 5 unter Leitung von Karl Reissig das Stück "HYMN" von Barcley James Harvest. Auch "Have you ever seen the rain", der Klassiker der US-amerikanischen Rockband Creedence Clearwater Revival, hob die Stimmung der vielen Besucher*innen. Danach überzeugte der Pharell Williams-Song "Happy" durch seine Leichtigkeit und viele der Gäste klatschten im Rhythmus mit. Die Staffelübergabe wurde mit dem irischen Segen von der Lieblingsinsel des scheidenden Vorsitzenden abgeschlossen.

Bild: Zum Abschied als blista-Direktor übergibt Claus Duncker auf der Bühne des Erwin-Piscator-Hauses als Staffelstab einen weißen Blindenstock an seinen Nachfolger Patrick Temmesfeld. Beide halten eine Karikatur in Händen, die sie beide bei der Übergabe zeigt. Blick auf die Bühne mit stehenden Akteurinnen und Akteuren. Foto: blista

Bild: DBSV-Präsident Hans-Werner Lange spricht stehend am Rednerpult. Hinter ihm sitzen Mitglieder der blista-Band "Blind Gold" sowie ganz rechts Moderator Thorsten Büchner mit seiner Assistentin Sabine Zimmermann. Foto: blista

Bild: Drei Generationen blista-Vorsitzende stehen anlässlich der Staffelübergabe Schulter an Schulter gemeinsam am runden Bistro-Tisch: Jürgen Hertlein war von 1978 bis 2007 erster Vorsitzender der blista, Patrick Temmesfeld übernimmt ab August 2022 und Claus Duncker leitete die blista 15 Jahre, von 2007 bis 2022. Foto: blista

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"Wir sind richtig und mächtig stolz auf Sie!": TherABIe - Der ICE Zukunft hat Einfahrt!

Unterhaltsam moderiert von dem "frischgebackenen" Absolventen Adrian Ide fand die feierliche Verabschiedung der 26 Absolvent*innen der Carl-Strehl-Schule am 9. Juli 2022 unter dem Titel "TherABIe - Entlassungsfeier: Der ICE Zukunft hat Einfahrt!" in der mit großen und kleinen Gästen gut gefüllten Aula auf dem blistaCampus statt.

"Was haben Sie und was haben wir auf diesen Tag, auf diesen Moment, mit Ihnen gewartet und uns für Sie gefreut. Es ist ein großer Tag, Sie haben einen wichtigen Lebensabschnitt erfolgreich abgeschlossen und machen sich nun auf den Weg, ein neues Kapitel aufzuschlagen." Patrick Temmesfeld unterstrich in seiner ersten Rede als künftiger Vorsitzender der blista neben der Freude aller, die die Absolvent*innen begleiten durften, auch den Dank für die Mitgestaltung bei musikalischen Auftritten, sportlichen Erfolgen, den Spendenaktionen für die aus der Ukraine zu uns geflüchteten Menschen, für die Mitwirkung in Gremien und Projekten: "Vielen Dank für die Spuren, die Sie hinterlassen, wir sind richtig und mächtig stolz auf Sie!" Er gab den Schüler*innen ein Zitat des Schriftstellers Mark Twain mit auf den Weg: "Die beiden wichtigsten Tage des Lebens sind der Tag, an dem man geboren wird, und der Tag, an dem man herausfindet, WARUM!" Patrick Temmesfeld sagte: "Geben Sie Ihrem Leben einen Sinn, entdecken Sie ihre Stärken und setzen Sie diese gut ein. Wir freuen uns, wenn Sie uns später an Ihrem spannenden Leben teilhaben lassen."

Schulleiter Peter Audretsch erinnerte in seiner Ansprache an die anstrengende Zeit der Corona-Vorgaben und daran, wie toll die Schüler*innen der Carl-Strehl-Schule die Herausforderungen gemeistert haben. "Es ist eine Freude, heute wieder zusammenzukommen, und ohne Auflagen zu feiern. Wir alle haben gelernt, wie wichtig Freiheit, Toleranz und Rücksichtnahme sind und dass das Miteinander in der Schule weit mehr bedeutet als Lernen. Ich wünsche Euch, dass jetzt eine neue spannende Zeit beginnt." Als Motto zitierte er den amerikanischen Erfinder Charles F. Kettering: "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben." und wünschte den Absolvent*innen alles erdenklich Gute.

Internatsleiter Maarten Kubeja stellte sich in seiner Rede schmunzelnd als "Herbergsvater" vor und erklärte, dies sei seine letzte Rede als Internatsleiter der blista. Er wechsele nach den Sommerferien als stellvertretender Direktor in den Vorstand der blista. Für heute aber habe er den Absolvent*innen eine ganz besondere Ausgangsempfehlung mitgebracht: "Ihr habt uns mit euren Talenten und liebenswerten Persönlichkeiten bereichert. Dass ihr die Zukunft vor allem als Chance seht, das wünsche ich Euch. Setzt euch selbstbewusst für Eure Anliegen und auch für andere ein." Er dankte allen Eltern für ihr Vertrauen in die Arbeit der blista und den Kolleg*innen für ihr großes Engagement.

Nun trat die Lehrer-Band "No strings attached" auf: Jens Flach, Dr. Roland Stephan und Olaf Roth präsentierten das erste von drei wunderschönen und stimmungsvollen Stücken aus ihrem Repertoire.

Die Lehrer*innen Sabrina Dörr und Dr. Christian Roos ließen in ihren Reden Erlebnisse aus dem Unterricht der Fachoberschulen und des allgemeinen und beruflichen Gymnasiums lebendig werden. Im Publikum erinnerte man sich, lachte amüsiert oder staunte nicht schlecht und folgte gespannt den Ausführungen zum tollen Klassenklima, der Kreativität, dem niemals fehlenden Obstteller, einem Glücksseminar und knuddeligen Alpakas sowie den humorvollen Anspielungen des "Herrschers über die Stundenpläne" auf schwerlich zu entdeckende Gemeinsamkeiten und die Liebe zur Freiheit.

Mit einer musikalischen Überraschung beschenkten Vanessa, Annalena und Lisa die Anwesenden aufs Feinste, die drei spielten und sangen sich in die glücklichen Herzen.

"Wir haben es endlich geschafft!!!": In ihrer gemeinsamen Abirede ließen Aileen und Niklas vergnügt viele weitere Erinnerungen hochleben, berichteten unter anderem von mehr oder weniger zielgenauen Papierfliegern, von leckeren Kuchen, einem selbstgesprühten Graffiti, von Alpakas, geschichtlichen Anekdoten, dem Großvater Roos und spielpädagogischen Erfolgen bei Lehrer Engel. "Wir sind bereit, neue Erfahrungen sammeln zu dürfen. Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten", zitierten sie den Bundeskanzler a. D. und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt. Abschließend richteten sie ihren Dank ins Publikum, an die Eltern, Lehrkräfte und Erzieher*innen.

"Ihr seid ein toller Jahrgang, klein und fein!" eröffnete Oberstufenleiterin Silke Rösler anschließend die Zeugnisübergabe und fuhr fort: "Auf Euch sind wir ganz besonders stolz, mit eurem tollen Notenschnitt von 1,9 habt ihr die Messlatte für alle nachfolgenden Jahrgänge hochgelegt." Zusammen mit Martina Dirmeier, der Leiterin der Fachoberschulen, überreichte sie die Zeugnisse und weiße Rosen.

Ehrungen

  • Für beste Abschlüsse wurden Aileen Luxenburger (1,5), Matthias Fackeldey (1,0) und Mila Bödeker (1,0) geehrt.
  • Mit dem Wirtschaftspreis vom Verein Sozialpolitik, einem der größten Zusammenschlüsse von Wirtschaftswissenschaftler*innen im deutschsprachigen Raum Europas, wurde Niklas Höhne ausgezeichnet.
  • Für ihre besonderen Leistungen und ihr Engagement im Fach Chemie zeichnete die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) Matthias Fackeldey und Anna Pilz aus.

Die Absolventinnen und Absolventen

Gymnasium (AG und BG)

Mila Bödeker, Lasse Baumann, Dennis Ernst, Matthias Fackeldey, Lisa Gigl, Niklas Höhne, Adrian Ide, Dorothee Kiefer, Annalena Koch, Kian Lempa, Elisa Mattersberger, Ksenia Natapova, Anna Pilz, Marco Seeger, Silas Wegmann.

Fachoberschulen

Karl Jakob Eick (FOW), Mareike Helwes (FOS), Annika Jutta Kübert (FOS), Sirin Kanlisulak (FOW), Lars Langlie (FOW), Aileen Luxenburger (FOS), Elias Emanuel Mehr (FOS), Jan Obst (FOS), Eric Röder (FOW), Nele Sophie Schäfer (FOS), Lisa Steinbacher (FOW).

Bild: Ein toller Jahrgang - klein und fein: Die Absolventinnen und Absolventen der Carl-Strehl-Schule haben sich mit ihren weißen Rosen und Abschlusszeugnissen zum Gruppenfoto vor der Aula zusammengefunden. Foto: blista

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Bücher

Die behinderten Blumen der Inklusion - wie ein Buch meine Erwartungen positiv enttäuschte

Zu "Behindertes Leben in der inklusiven Gesellschaft" von Prof. Dr. Dino Capovilla

Von Carsten Otto

Was erwartet ein Buch von Ihnen? Im Grunde nur, dass Sie es wahrnehmen und somit lesen können sowie dass Sie es im besten Fall verstehen. Darum gleich zu Beginn eine gute Nachricht: Ich nehme Sie mit auf meine Reise durch ein Buch, das sowohl als "klassisches" Buch als auch in barrierefreier, digitaler Form erhältlich ist. Die Frage des Verstehens lässt sich hingegen nicht leicht und nur für sich selbst beantworten.

Authentisch geführt durch den Garten der inklusiven Gesellschaft

Wie der Titel des Buches "Behindertes Leben in der inklusiven Gesellschaft" von Prof. Dr. Dino Capovilla (folgend "DC") erahnen lässt, handelt es sich um keine leichte Kost. Wenn es so wäre, hätte der Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik bei Sehbeeinträchtigungen sowie Allgemeine Heil-, Sonder- und Inklusionspädagogik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg dieses Plädoyer für Selbstbestimmung wohl auch nicht verfasst. Wer nun ein Buch erwartet, welches die Welt durch ein Fernrohr vom wissenschaftlichen Elfenbeinturm aus beschreibt, wird positiv enttäuscht. DC forscht und lehrt mit und mittels eigener Behinderung.

Seine Studie betrachtet die Lebensbedingungen behinderter Menschen im Kontext der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zu Inklusion und Teilhabe. Mit dem Augenmerk auf institutionelle Behinderungen kombiniert DC dabei verschiedene sozialwissenschaftliche Diskursstränge. Diese reflektiert er praxisorientiert aus seiner autoethnografischen Perspektive und der anderer Forschender mit und ohne Behinderungen. Uns Lesenden eröffnen sich damit viele unterschiedliche Perspektiven, die behinderte und unbehinderte Menschen gleichermaßen zur Reflexion und zum Weiterdenken einladen. Denn DC erläutert uns nicht nur den gesellschaftlichen Mutterboden behinderten Lebens, sondern zeigt an eingängigen Beispielen auch dessen Bedeutung und Folgen für das Leben behinderter Menschen, die hierin wie Blumen im Garten der inklusiven Gesellschaft gepflanzt sind.

Der paradoxe Garten der Inklusion

Die Reise führt uns in einen Garten, der gleichermaßen von institutionell-gerahmten Beeten und dem Wildwuchs der Inklusion geprägt ist. Dabei leitet uns die Frage, welche Position und Rolle ein behinderter Mensch in einer gesellschaftlichen Paradoxie einnehmen soll, die durch Selbstoptimierung zur Vollkommenheit des Menschen strebt, durch ihr Erbe von Stigmatisierungen behinderten Lebens geprägt ist und doch die Inklusion aller Menschen als Ziel definiert hat. Dabei sind wir eingeladen, über Begriffe wie Behinderung, Inklusion, Normalisierung, Macht sowie Freiheit nachzudenken und zu reflektieren, wie wir mit dem Anderssein von Menschen umgehen. Um dies besser zu verstehen, nimmt uns DC in Bereiche wie Wohnen, Bildung sowie Erwerbstätigkeit mit und legt die Verantwortung zur Weiterreise am Ende in unsere Hände.

Blumen sind Blumen

Kommen wir nun zur Frage meines Verstehens meiner Reise. DC verdeutlicht, dass alle Menschen Blumen im inklusiven Garten der Gesellschaft sind. Um die Vielfalt und Komplexität dessen zu begreifen und unsere Identität hierin zu finden, greifen wir alle auf die Kategorisierung der Anderen zurück. Dabei führt die abstrakte Kategorie der behinderten Blume noch allzu oft dazu, dass andere Blumen sich als Gärtner berufen fühlen. So finden sich behinderte Blumen schnell in einem Interventionssystem wieder, in dem sie zwischen Macht, Freiheit und Gewalt, am Maßstab von Normalität zur Blüte wachsen sollen. Dieser Fremdbestimmung setzt DC die Frage entgegen, wie ein behinderter Mensch eine für sich selbst als wertschätzend empfundene Identität gestalten kann, die einen gesunden Umgang mit sich und der Behinderung nach innen und außen ermöglicht.

DC antwortet auf diese Frage mit dem Appell, dass sich jede Intervention am Individuum orientieren sollte und im Einzelfall und mit Bezug zur einzelnen Person begründet werden muss. Hierfür braucht es ein zeitgemäßes Verständnis von Behinderung in der gesamten Gesellschaft und vor allem bei an Interventionen beteiligten Personen. Nur so kann belastbar und adressatengerecht der konkrete pädagogische, beratende oder medizinisch-therapeutische Nutzen jeder Einzelmaßnahme überzeugend begründet werden. Ob unbehindert oder behindert, wir alle müssen kontinuierlich unser Verhalten hinterfragen, inwieweit dieses durch unser kategoriales Verständnis sowie unsere Erfahrungen geprägt ist und wir dabei die individuellen Bedarfe behinderter Menschen aus den Augen verlieren.

Das Recht auf Nische

Alle Blumen müssen selbst den Platz im Garten der inklusiven Gesellschaft finden, an dem sie bestmöglich zur eigenen Blüte gedeihen können. Hierbei haben behinderte Blumen, durch die unveränderliche Tatsache ihrer Behinderung, situativ andere Anforderungen als unbehinderte Blumen. Darum brauchen behinderte Menschen auch mehr Selbstbewusstsein, mehr Möglichkeiten und individuelle Unterstützung dabei, sich frei und selbstbestimmt zu entwickeln und den für sie besten Platz zu finden. Grundlage dafür ist ein durchlässiges Nebeneinander bestehender und neuer Strukturen und Angebote, die sich am individuellen Erleben von Behinderung orientieren. Es geht um ein Recht auf Nische für eine individuell behinderte Normalität. Natürlich braucht es aber auch behinderte Menschen, die selbstbewusst und sichtbar ihre Identität und somit ihr Anderssein im inklusiven Garten der Gesellschaft leben.

Bibliographische Angaben

Dino Capovilla: Behindertes Leben in der inklusiven Gesellschaft. Ein Plädoyer für Selbstbestimmung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, 2021. 251 Seiten. ISBN:978-3-7799-6412-4 (Print), ISBN: 978-3-7799-5722-5 (E-Book, PDF).

Ebenfalls lesenswert ist die Rezension von Winfried Thiessen in: blista-News 1/2022, S. 15, https://www.blista.de/blista-News/Buchtipp-Capovilla#page-content

Zum Rezensenten

Carsten Otto (44) ist geschäftsführender Vorstand des KnowDular e.V. und Berater, Coach sowie Supervisor mit Schwerpunkt Diversität, Inklusion, Konflikte und Krisen. Der studierte Wirtschaftsjurist und Initiator des Beratungsnetzwerkes "systembunt" ist zudem Mitglied des Leitungsteams der Fachgruppe Wirtschaft im DVBS.

Bild: Buchcover "Behindertes Leben in der inklusiven Gesellschaft"

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Hörbuchtipps aus der blista

Von Thorsten Büchner

Hörbücher aus der DBH

Katja Gloger: Fremde Freunde. Deutsche und Russen - Die Geschichte einer schicksalhaften Beziehung

Berlin Verlag, Berlin, 2017. Buchnummer: 1559921, Spielzeit: 1080 Minuten.

Während Wladimir Putin sein Land auf eine gefahrvolle Reise in eine postwestliche Zukunft schickt, fragen sich die Deutschen ratlos: Haben wir Russland verstanden? Die Russland-Expertin Katja Gloger erklärt die heutige Situation aus der tausendjährigen deutsch-russischen Geschichte heraus und erzählt davon, was Deutsche und Russen einander schenkten - und was sie einander antaten.

Jesper Lund: Schwedensommer

Emons, Köln, 2021. Buchnummer: 1555611, Spielzeit: 493 Minuten.

An einem warmen Spätsommermorgen wird Lennart Fogelklou tot nahe der Öresundbrücke an der Küste Malmös gefunden. Der landesweit bekannte Reeder war einer der reichsten Männer Schwedens. Chefermittler Niklas Zetterberg und seine Kollegin Emma Steen finden schnell heraus, dass der Unternehmer von einer Aktivistengruppe bedroht wurde. Doch sie stochern im Nebel - bis die Ergebnisse aus der Rechtsmedizin eintreffen: ein Schock für die Beamten. Langsam dämmert dem Team die Tragweite des Falles ...

Philippa Perry: Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen

Ullstein Verlag, Berlin, 2020. Buchnummer: 1542341, Spielzeit: 540 Minuten.

Kann ich meinen Eltern verzeihen? Darf ich eingestehen, dass ich als Mutter oder Vater einen Fehler gemacht habe? Ja, sagt die erfahrene Psychotherapeutin Philippa Perry. Was Kinder brauchen, sind keine falschen Ideale, sondern wahrhaftige Bezugspersonen. Wenn wir uns bewusst machen, dass unsere eigene Erziehung das Verhältnis zu unseren Kindern beeinflusst, können wir aus Fehlern lernen - und sie wieder gut machen. Wir erfahren, wie wir aus negativen Verhaltensmustern ausbrechen und mit impulsiven Gefühlen umgehen.

Harald Gilbers: Luftbrücke

Knaur Taschenbuchverlag, München, 2021. Buchnummer: 1555531, Spielzeit: 940 Minuten.

Im vom Westen abgeschnittenen Berlin des Jahres 1948 finden Kinder beim Spielen am Spreeufer ein abgetrenntes Bein. Wenige Tage später werden menschliche Organe auf einem Schiff entdeckt, die allerdings von einem zweiten Opfer stammen müssen. Kommissar Oppenheimer steht vor einem Rätsel. Bald darauf stößt er in einer Ruine auf ein bizarres Stillleben: ein Toter am Esstisch, nackt und offensichtlich aus verschiedenen Leichenteilen zusammengesetzt. Die ohnehin schwierigen Ermittlungen zwischen den Besatzungszonen gestalten sich im heraufziehenden Kalten Krieg beinahe unmöglich. Und der Mörder scheint genau zu wissen, welche Schlupflöcher ihm die aufgeheizte Lage bietet ...

Hörbücher zum Schwerpunktthema "IT- Digitale Herausforderungen"

Gerd Gigerenzer: Klick. Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen

Bertelsmann, München, 2021. Buchnummer: 1546701, Spielzeit: 764 Minuten.

Wie groß ist die Chance, beim Online-Dating den Partner fürs Leben zu treffen? Was genau zeichnen die smarten Geräte bei uns zu Hause auf? Gehört dem autonomen Fahren die Zukunft? Überhaupt: Wo sind Algorithmen besser als der Mensch, wo aber nicht? Der weltweit renommierte Psychologe und Risikoforscher Gerd Gigerenzer beschreibt in seinem neuen Buch anhand vieler konkreter Beispiele, wie wir lernen können, auch im digitalen Zeitalter souverän und digital mündig zu bleiben. Er zeigt uns, wie wir Chancen und Risiken von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz für unser Leben richtig einschätzen und uns vor den Verlockungen sozialer Medien schützen können, kurz: wie wir digitale Intelligenz erwerben. Ein ebenso kluges wie farbig erzähltes Buch, das uns in der smarten neuen Welt souverän zu bleiben hilft.

Schlecky Silberstein: Das Internet muss weg. Eine Abrechnung

Knaus Verlag, München, 2018. Buchnummer: 1491481, Spielzeit: 524 Minuten.

Schlecky Silberstein analysiert den "Daten-Kasino-Kapitalismus", in dem unsere Daten als Handelsware gezielt eingesetzt werden, um unser Verhalten vorherzusagen und zu beeinflussen. Nicht nur Donald Trump wusste ihn auf seinem Weg zur Macht zu nutzen, auch unsere eigene Gesellschaft droht von programmierbaren Propaganda-Maschinen gelenkt zu werden. Können wir einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet lernen oder hilft nur noch die sofortige Abschaltung?

Ihr Kontakt zur DBH

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Telefon: 06421 6060
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
oder über unseren barrierefreien Online-Katalog unter
https://katalog.blista.de

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Sachbücher aus der Braille-Druckerei

Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer

Zuerst stellen wir Ihnen unsere aktuelle politische Neuerscheinung vor, dann geht es um den Klimaschutz, die Botanik und einen Erziehungsratgeber.

Golineh Atai: Die Wahrheit ist der Feind - Warum Russland so anders ist

7 Bände in reformierter Kurz- bzw. 8 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6254.

Die Autorin war lange Zeit ARD-Korrespondentin in Russland und der Ukraine. In ihrem Buch gibt sie einen guten Einblick in die gespaltene russische Gesellschaft unter Putin sowie einen geschichtlichen Überblick, wie es zur derzeitigen Konfrontation kommen konnte. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Einmal Putins Verständnis eines modernen russischen Staatswesens im Verbund mit den Nachbarländern, das sehr deutlich vom westlichen Verständnis abweicht, zum anderen der gesellschaftliche Wandel seit Putins Präsidentschaft.

Der Krieg in der Ukraine begann schon mit der Annexion der Krim 2014; so sehen es viele in der ukrainischen Gesellschaft. In diesem Krieg geraten Gegner des Putin-Regimes ebenso ins Fadenkreuz des Staatsapparates wie die Medien. Gezielte Desinformationen werden verbreitet, vor allem durch den Einsatz sogenannter "Trolle", die im Internet Falschmeldungen veröffentlichen. Dies wird anhand einiger Beispiele deutlich gemacht, und auch, wie die Gesellschaft darauf reagiert.

Auch wenn das Buch bereits 2021 erschienen ist, bleibt es aktuell. - Wer’s liest, hat mehr zu sagen.

Mark Lynas: 6 Grad mehr - Die verheerenden Folgen der Erderwärmung

7 Bände in reformierter Kurz- bzw. 8 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6224.

Der langjährige Wissenschaftsjournalist und Klimaforscher macht deutlich, was passiert, wenn die Industrienationen ihre selbst gesteckten Klimaziele verfehlen und es auf der Erde immer wärmer wird. In sechs Kapiteln spielt er entsprechende Szenarien durch - in jedem Kapitel wird es ein Grad wärmer.

Schon heute leben wir im Szenario einer um 1 Grad wärmeren Welt. Naturkatastrophen wie Stürme, Fluten und Erdbeben kommen weltweit immer häufiger vor, und auch das Artensterben nimmt zu. Lynas zeigt eindringlich, dass sich durch jede weitere Temperaturerhöhung die Situation drastisch verschlimmern wird: Schmelzung der Gletscher, Dürren, Lebensmittelknappheit, Zunahme des Aussterbens der Tier- und Pflanzenwelt sind nur einige Beispiele dafür. Daher wirbt der Autor für sofortigen konsequenten Klimaschutz, zu dem jede*r Einzelne beitragen kann, um unseren Planeten zu retten.

Peter Wohlleben: Der lange Atem der Bäume

4 Bände in reformierter Kurz- bzw. 6 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6223.

Bäume kommen sehr gut ohne Menschen aus, aber Menschen nicht ohne Bäume! Auch wenn wir unsere Welt durch den Klimawandel zugrunde richten sollten - Bäume kommen immer und überall zurück, selbst nach verheerenden Bränden, heftigen Sturmschäden und durch Menschen verursachten Verwüstungen. Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da wären.

Mit "Der lange Atem der Bäume" knüpft Peter Wohlleben direkt an seinen Millionenseller "Das geheime Leben der Bäume" an - ebenso zum Staunen, ebenso faszinierend, sowohl scharf als auch kritisch. Auf der einen Seite schildert er neue verblüffende Erkenntnisse über das Leben der Bäume und ihre Fähigkeiten, zu lernen und mit dem Klimawandel umzugehen. Zugleich geht er hart ins Gericht mit den von Ahnungslosigkeit geprägten Akteuren in Wirtschaft und Politik, die Bäume ausschließlich zur Holzgewinnung und zur Imagepflege pflanzen und die Natur damit in Wahrheit rücksichtslos ausbeuten. Doch intensiv bewirtschaftete Fichtenplantagen werden die Überhitzung des Planeten nicht verhindern.

Eine Liebeserklärung an die Bäume - und ein flammender Appell, die unendliche Vielfalt der Natur, deren sensibles Zusammenwirken wir immer noch nicht ganz verstehen, zu schützen und zu bewahren, in unserem ureigenen Interesse!

Philippa Perry: Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)

5 Bände in reformierter Kurz- bzw. 8 in Vollschrift im handlichen A4-Format mit Spiralbindung, Bestell-Nr. 6241.

In ihrem Bestseller erklärt die Autorin, worauf es zwischen Eltern und Kindern wirklich ankommt. Die erfahrene Psychotherapeutin verrät, wie wir schmerzliche Erfahrungen aus der eigenen Kindheit nicht weitergeben, sondern heilen. Wenn wir uns bewusst machen, dass unsere eigene Erziehung auch das Verhältnis zu unseren Kindern beeinflusst, können wir aus Fehlern lernen - und sie wieder gutmachen. Wir erfahren, wie wir aus negativen Verhaltensmustern ausbrechen und mit impulsiven Gefühlen umgehen. Das Buch steht schon lange auf der "Spiegel"-Bestsellerliste.

Bestelladresse

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Telefon: 06421 6060
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Netzlektüre: Linktipp aus dem Internet

Digitalisierung und Klimaschutz: Einblicke in unseren digitalen CO2-Fußabdruck

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Klima? Kann sie nutzen - oder ist sie sogar schädlich ...? Auf dem Digital-Festival 2022 im Mai 2022 bezog Janina Yeung, Referentin in dem Projekt "Klimaschutz - Sozial" beim Paritätischen Gesamtverband, Stellung. Sie eröffnete aufschlussreiche Einblicke in die unterschiedlichen Bereiche unserer digitalen Alltagspraxis. Durch moderne Technologien lässt sich der Klimaschutz demnach durchaus unterstützen, auf der anderen Seite kostet die Digitalisierung natürlich selbst auch Strom und Ressourcen. Die Referentin stellte aktuelle Studien des Öko-Instituts und des Umweltbundesamtes (UBA) vor und zeigte Möglichkeiten auf, den digitalen CO2-Fußabdruck möglichst klein zu halten.

"Digitalisierung und Klimaschutz: Einblicke in unseren digitalen CO2-Fußabdruck" lautet der Titel des einschlägigen Artikels von Janina Yeung. Sie finden ihn als Blogbeitrag des Newsletters des Paritätischen Gesamtverbandes vom 23.05.2022:

www.wir-sind-paritaet.de/wir-berichten/blog/digitalisierung-und-klimaschutz-einblicke-in-unseren-digitalen-co2-fussabdruck

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Panorama

Kontaktstelle für geflüchtete Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige aus der Ukraine

Informationen und Hilfen für Flüchtende aus der Ukraine, die mit einer Behinderung leben und / oder pflegebedürftig sind, bietet die Bundeskontaktstelle (BKS). Ihre Aufgabe ist es seit Mai 2022, unter der Federführung des Deutschen Roten Kreuzes Unterstützungsbedarfe möglichst bereits vor Ankunft nach Deutschland zu identifizieren, um passgenaue Angebote in der stationären Pflege oder Eingliederungshilfe zu vermitteln. In Zusammenarbeit mit den Bundesländern, die für die Versorgung primär zuständig sind, ist das Ziel, die je nach Einzelfall häufig komplexen Hilfebedarfe zu decken und passende Hilfsangebote schnell zu vermitteln. Darüber hinaus beantwortet die BKS Fragen geflüchteter Menschen zur gesundheitlichen Versorgung in Deutschland.

"Pflegebedürftige flüchten häufig in Begleitung von Familienangehörigen. Sie benötigen in Deutschland rasch niedrigschwellige Hilfen.", so Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. "Wir wollen nun dazu beitragen, diese Hilfsangebote bestmöglich zugänglich zu machen."

Über ihren Internetauftritt sowie eine Hotline stellt die BKS grundlegende Informationen zur Verfügung. Mit einem Monitoring über bereits erfolgte und anstehende Transporte hilft sie außerdem dabei, das Fluchtgeschehen transparenter zu gestalten.

Zeitgleich werden von den Ländern 16 Landeskoordinierungsstellen aufgebaut, die die Betreuungssituation vor Ort im Blick haben und konkrete Unterbringungsangebote vermitteln können.

Das Konzept der BKS wurde im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erarbeitet.

Kontakt

Deutsches Rotes Kreuz e.V.
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Hotline: +49 (0)30 85404789 (von 9 bis 17 Uhr, auf Russisch dienstags 10-13 Uhr, mittwochs 14-17 Uhr)
Internet: https://drk-wohlfahrt.de/bundeskontaktstelle/ (u. a. auf Ukrainisch und Russisch)

(Nach: Pressemitteilung des DRK vom 4.5.2022)

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Kostenlos zugänglich: DIN-Norm zur Barrierefreiheit von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)

Von Andreas Carstens

Normalerweise müssen DIN-Normen gekauft werden. Doch öffentliche Stellen, Schwerbehindertenvertretungen und Menschen mit Behinderungen, die sich über "Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen" (DIN EN 301 549) informieren wollen, erhalten einen kostenfreien Zugang zu dieser Norm auf Deutsch. Hierfür ist lediglich eine Anmeldung auf der Webseite der Überwachungsstelle des Bundes zur Barrierefreiheit von Informationstechnik für den geschützten Bereich nötig (https://www.bfit-bund.de/Login/Login/login_node.html).

Die deutsche Übersetzung der aktuellen Fassung wurde im Juni 2022 veröffentlicht und bezieht sich auf den Europäischen Standard EN 301 549 "Accessibility requirements for ICT products and services" in der Version 3.2.1, den die europäischen Normungsinstitute im März 2021 veröffentlicht haben. Interessant sind besonders die Abschnitte 9 bis 12, die Anforderungen an die Barrierefreiheit von Webseiten, Dokumenten und Software formulieren. Die Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Software in den Abschnitten 11 und 12 gehen deutlich über die WCAG 2.1 hinaus. Im Annex A werden für Websites (Tabelle A.1) und für mobile Anwendungen (Tabelle A.2) die Anforderungen aufgelistet, die nach den Vorgaben der EU mindestens einzuhalten sind.

Die englischsprachige Originalfassung EN 301 549 steht zum Download zur Verfügung unter: https://www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/03.02.01_60/en_301549v030201p.pdf

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BAGSO-Projekt "Digital souverän mit KI"

Von der BAGSO

"Smarte Haushaltsgeräte erleichtern körperlich anstrengende Arbeiten, Sprachassistenten vereinfachen den Alltag, Apps helfen zum Beispiel bei Sehbeeinträchtigungen", so Dr. Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO). "Aber zu Recht möchten die Menschen wissen, wie zum Beispiel ihre Daten verwendet werden. Lern- und Informationsangebote speziell für ältere Menschen sind deshalb wichtig."

Daher bieten im Rahmen des BAGSO-Projekts "Digital souverän mit KI" ausgewählte Mehrgenerationenhäuser, Seniorenbüros, Bildungseinrichtungen und Freiwilligeninitiativen an verschiedenen Standorten in Deutschland die Möglichkeit, KI-basierte Systeme wie Sprachassistenten und smarte Haushaltsgeräte direkt auszuprobieren. Auf Smartphones und Tablets können die Teilnehmenden KI-basierte Apps kennenlernen.

Das Projekt "Digital souverän mit KI" wird unter anderem seit 2021 im gemeinnützigen Aura-Hotel Timmendorfer Strand in Trägerschaft des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V. umgesetzt. Dies geschieht sowohl durch die Gästebetreuung als auch durch spezielle Kurse für blinde und sehbeeinträchtigte ältere Menschen. Neben iPhone, iPad und weiteren Apple-Geräten, die über sehr gute sprachgesteuerte Bedienungshilfen verfügen, werden dort nun auch weitere verschiedene KI-basierte Technologien im Haus vorgestellt und erläutert. Dabei stellte sich heraus, dass ältere Menschen mit dem Anlegen eines Accounts und dem Zuteilen von Passwörtern, generell mit der Einrichtung, große Schwierigkeiten haben.

"Digital souverän mit KI" wird bis Ende 2022 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aus Mitteln des KI-Zukunftsfonds gefördert. Nähere Informationen bietet die BAGSO unter https://www.digitalpakt-alter.de

(nach: Pressemitteilung der BAGSO vom 17.03.2022)

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"Die Arbeit an der Rolle" mit Hörspielpreis der Kriegsblinden - Preis für Radiokunst 2022 ausgezeichnet

Am 17. Mai wurde in Köln der Hörspielpreis der Kriegsblinden - Preis für Radiokunst vergeben. Mit dem renommierten Kulturpreis wird jedes Jahr ein Original-Hörspiel ausgezeichnet, das in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunstform realisiert und erweitert.

Die Jury entschied sich aus 21 eingereichten Vorschlägen für "Die Arbeit an der Rolle" von Noam Brusilovsky und Lucia Lucas, eine Produktion des SWR. In ihrem Hörspiel erzählen die Preisträger*innen die Geschichte der 1980 geborenen amerikanischen Opernsängerin Lucia Lucas, die jahrelang als Mann wahrgenommen wurde und ausschließlich maskuline Rollen spielte und Bariton sang, bis sie sich 2014 als Transgender-Frau outete. Ihre äußerliche Erscheinung veränderte sich dramatisch, ihre Stimme blieb jedoch unverändert. Das Stück untersucht Rollenspiel und Authentizität in einem Medium, in dem die Einzigartigkeit der Stimme im Vordergrund steht.

Ebenfalls nominiert waren die dokumentarischen Hörspiele "Adolf Eichmann - Ein Hörprozess" von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman (RBB / DLF) und "Saal 101. Dokumentarhörspiel zum NSU-Prozess" von Katarina Agathos, Julian Wiprich, Katja Huber und Ulrich Lampen (BR, MDR, SWR, RB, DLF, HR, WDR, NDR, RBB, SR).

Die vom Deutschlandradio live übertragene Verleihung sowie weitere Informationen finden Sie unter: https://www.filmstiftung.de/events/71-hoerspielpreis-der-kriegsblinden-preis-fuer-radiokunst/

Das ausgezeichnete Hörspiel stellt der SWR für 18 Monate zum Download bereit unter: https://www.swr.de/swr2/hoerspiel/die-arbeit-an-der-rolle-swr2-hoerspiel-am-sonntag-2021-08-15-100.html

Für den Podcast des DVBS erzählen die Jury-Mitglieder Nina Odenius und Dietrich Plückhahn in der Mai- und Juni-Ausgabe im Interview mit Uwe Boysen, wie die 14-köpfige Jury arbeitet und welches Hörspiel ihr persönlicher Favorit war: https://podcast.dvbs-online.de

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DBSV mit neuem Präsidium

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat im Rahmen seines Verbandstags am 25. Juni 2022 das Führungsteam für die nächsten vier Jahre gewählt.

Neuer DBSV-Präsident ist Hans-Werner Lange aus Hannover, der in den vergangenen 16 Jahren die Position des Vizepräsidenten innehatte. Dr. Thomas Krämer aus Berlin wurde in das Amt des Vizepräsidenten gewählt. Er gehört seit acht Jahren dem Präsidium des DBSV an. Das Duo an der Spitze des DBSV erhielt für die neue Legislaturperiode eine große Stimmenmehrheit.

Als sieben weitere Präsidiumsmitglieder wurden gewählt:

  • Peter Brass, Marburg
  • Jette Förster, Hannover
  • Silvia Hame, St. Wendel (Saarland)
  • Dr. Thomas Kahlisch, Leipzig
  • Andrea Katemann, Marburg
  • Ute Lutzenberger, Nürnberg
  • Winfried Specht, Stuttgart

Klaus Hahn war nach vier erfolgreichen Jahren an der Spitze des Verbandes nicht erneut angetreten.

Die horus-Redaktion gratuliert allen Gewählten herzlich: Alles Gute für ein erfolgreiches und erfüllendes Engagement im Rahmen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe!

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Aktionswoche Selbsthilfe 2022

Vom 3. bis 11. September 2022 findet zum zweiten Mal die Aktionswoche Selbsthilfe statt, die der Paritätische Gesamtverband initiiert. Im Rahmen der Aktionswoche werden bundesweit Informationsveranstaltungen und Aktionen rund um die Selbsthilfeangebote analog und digital stattfinden.

Ob Tag der offenen Tür, Workshop, Fachtag oder Selbsthilfe-Café - es gibt viele kreative Möglichkeiten, um auf die eigenen Angebote und Themen aufmerksam zu machen und mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen.

Die Events im Rahmen der Aktionswoche werden dezentral in den Ländern von den beteiligten Selbsthilfe-Akteuren durchgeführt und über den zentralen, vom Gesamtverband betreuten, digitalen Veranstaltungskalender www.wir-hilft.de bekannt gegeben sowie beworben - auch über Social Media. Es können Bilder und Flyer zur Veranstaltung hochgeladen werden. Interessierten Kontaktstellen, Selbsthilfeorganisationen oder Selbsthilfegruppen bietet die Plattform viele Anregungen.

Der Paritätische Gesamtverband lädt alle Selbsthilfeorganisationen, Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfegruppen ein, sich an der Aktionswoche zu beteiligen und ihre Arbeit, ihr Angebot und ihr Engagement zu zeigen. Ziel des Verbandes ist, die Interessen der Selbsthilfe aus allen Bereichen der Sozialen Arbeit zu fördern und die Rahmenbedingungen der Selbsthilfe zu verbessern.

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Online-Veranstaltungen für AMD-Patient*innen und Angehörige

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in Deutschland und in anderen Industriestaaten die häufigste Augenerkrankung, die zu Seheinschränkungen führt. Etwa jede*r Dritte der über 70-Jährigen ist betroffen und davon entwickelt jede*r Fünfte bis Zehnte eine fortgeschrittene AMD.

Für Patient*innen mit AMD und Interessierte bietet das AMD-Netz seit Dezember 2021 rund 60-minütige Online-Gespräche zu verschiedenen Themen rund um AMD via Zoom an. Zu Beginn jeder Veranstaltung gibt es einen kurzen Expertenvortrag zum angekündigten Schwerpunkt. Die Themen lauten z. B. "Wie erkennt man diese Erkrankung und wie entwickelt sie sich?" oder "Blendempfindlichkeit". Anschließend können die Teilnehmenden Fragen stellen und miteinander ins Gespräch kommen. Im Nachgang werden die Vorträge auf der AMD-Webseite veröffentlicht.

Die nächste Veranstaltung beginnt am 20. Oktober um 17.00 Uhr, es geht um das Thema "Risikofaktoren und Prävention". Prof. Marius Ueffing, Molekularbiologe und Direktor des Forschungsinstituts für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen, beschäftigt sich mit der Frage, ob Risikofaktoren einer AMD beeinflussbar sind, um das individuelle Risiko dieser Erkrankung zu verringern. Er forscht vor allem über Netzhauterkrankungen und versucht mit seinem Team, die molekularen Mechanismen von Erkrankungen zu entschlüsseln, um u. a. maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln.

Die Veranstaltungen werden von der Beraterin und Mitarbeiterin des AMD-Netzes, Ursula Witt moderiert. Termine, Informationen und Aufzeichnungen sind zu finden unter https://amd-ansicht.de/veranstaltung/digitale-patientenveranstaltung/ Eine Anmeldung ist erforderlich und kann entweder über den Link www.amd-netz.de/veranstaltungsanmeldung oder per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erfolgen. Die Zugangsdaten erhalten Interessierte dann wenige Tage vor der Veranstaltung per Mail.

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Fahrkarten im Zug kaufen für behinderte Menschen weiterhin möglich

Matthias Klaus

Grundsätzlich wurde der Fahrkartenverkauf an Bord von Fernzügen der DB am 1. Januar 2022 eingestellt. Zur Begründung heißt es, dass in den letzten Jahren weniger als 1 Prozent der Kund*innen diese Möglichkeit genutzt hätten.

Als die Änderung bekannt wurde, war die Sorge groß, dass auch behinderte Menschen, für die es manchmal keine andere Möglichkeit des barrierefreien Fahrkartenkaufs gibt, von dieser Regel betroffen wären.

Zunächst hieß es, für Menschen mit einem Grad der Behinderung von 50 und mehr würde es eine Übergangsfrist bis Ende 2022 geben, in der sie weiterhin ihre Tickets beim Personal der Bahn kaufen könnten. Was danach käme, war ungewiss.

Diese Ankündigung löste zahlreiche Proteste aus, und jetzt erklärt die Deutsche Bahn AG, dass der Fahrkartenverkauf im Zug an behinderte Menschen auch in Zukunft möglich ist. Von der Bahn-Pressestelle heißt es dazu: "Ab Herbst 2022 ist hier noch eine Änderung geplant. Dann werden unsere Reisenden die Fahrkarte nicht mehr direkt vor Ort im Zug bezahlen können, sondern im Nachhinein per Überweisung, Klarna, Paypal oder in den DB Reisezentren. Im Zug erhalten die Reisenden dann einen Beleg von unseren Zugbegleiter*innen, der zum einen die Fahrkarte und zum anderen Informationen bezüglich der Bezahlung beinhaltet."

Wichtig ist in jedem Fall, sich beim Fahrtantritt umgehend beim Zugpersonal zu melden und einen gültigen Schwerbehindertenausweis dabei zu haben.

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Impressum

horus 3/2022
Jg. 84 der Schwarzschriftausgabe
Jg. 96 der Brailleausgabe

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: Peter Beck, Andrea Katemann, Matthias Klaus und Nina Odenius
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle
Sabine Hahn
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: https://dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Andrea Katemann (DVBS) und
Dr. Imke Troltenier (blista)

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg
ISSN 0724-7389

Punktschriftdruck

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
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Digitalisierung und Aufsprache

Geschäftsstelle des DVBS
Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg
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Schwarzschrift-Druck

Druckerei Schröder
Schuppertsgasse 2, 35083 Wetter/Hessen
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Erscheinungsweise

Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.

Jahresbezugspreis

  • 30 Euro für die Schwarzschriftausgabe (Versandkosten Inland inklusiv)
  • 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

Bild: Logo der Glücksspirale

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Vorschau horus 4/2022

Schwerpunkt: "Gesundheit"

Erscheinungstermin: 28.11.2022

Anzeigenannahmeschluss: 21.10.2022

Redaktionsschluss: 26.09.2022

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Anzeigen

Kleinanzeigen

Private Kleinanzeigen bis zu einer Länge von 255 Zeichen werden kostenlos abgedruckt. Danach werden 17 Euro pro angefangene 255 Zeichen berechnet. Für gewerbliche Anzeigen senden wir gerne die horus-Mediadaten zu.

(gew.) Braille hat Zukunft, und wir wollen, dass das so bleibt!

Deshalb empfehlen wir die Brailliant BI40x von Humanware:

  • 40-stellige Braillezeile mit Modulen von hoher Qualität mit Cursorrouting
  • Patentierte Humanware Daumentasten zur Navigation an der Gerätefrontseite, sowie je 3 Display-Tasten links und rechts der Zeile
  • Griffige 8-Punkte Brailletastatur
  • Einfacher Texteditor, Taschenrechner, Dateiverwaltung, Kurzschriftübersetzer und -Rückübersetzer von RTFC
  • Bibliotheksfunktion für NFB Newsline, Nls Bard und Bookshare
  • Mächtiger Terminalmodus kompatibel zu NVDA und JAWS (Windows) sowie Voiceover (Ios, IpadOs und MacOS)
  • Konnektivität: Bluetooth, USB-C, USB-A, Wlan
  • Brailliant BI40x kommt in einer schlanken Berreitschaftstasche, ist ultraleicht und deshalb ideal für Schule, Beruf und Freizeit.

Com-M Inh. Claudia Mischler-Korz, Sonderpädagogin, Martin Mischler, blinder Hilfsmittelspezialist seit 1983, Tel.: 07764 9 333 700, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Homepage: www.com-m.de

Wir freuen uns auf Ihren Anruf!

(gew.) Verlag des Instituts Drachenhaus

Schwule erotische Literatur der Extraklasse, als Hörbuch oder vom Computer vorgelesen, kaum Aufpreis zum Buch.

Verlag des Instituts Drachenhaus, 06073 7479278, 10-22 Uhr.

Bitte rufen Sie an, dann besprechen wir alle Details nach Ihren Bedürfnissen

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Grafische Anzeigen

blista

Schnuppern macht Spaß!

Reinschauen in eine Schule mit einem einmaligen Profil: Ganzheitliche Fördreung, spezifische Unterstützung, eine große Auswahl an qualifizierten Bildungsabschlüssen und tollen Freizeitangeboten!

Schnuppertage

jeweils samstags von 10 Uhr bis 15 Uhr

  • 10.2022 - Anmeldeschluss: 28.09.2022
  • 11.2022 - Anmeldeschluss: 09.11.2022
  • 01.2023 - Anmeldeschluss: 21.12.2022
  • 03.2023 - Anmeldeschluss: 15.03.2023
  • 05.2023 - Anmeldeschluss: 26.04.2023

Für alle, die sich beruflich orientieren möchten: PROStart unterstützt bei der Ausbildungswahl im blista-Zentrum für berufliche Bildung

PROStart

Termine: 12. bis 16.12.2022, 06. bis 10.02.2023, 13. bis 17.03.2023, 17. bis 21.04.2023, 22. bis 26.05.2023, 11. bis 15.12.2023

Melden Sie sich an, wir beraten Sie gern näher!

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
blistaCampus
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel.: 06421 606-339
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel.: 06421 606-541
www.blista.de/schnuppertage

IPD

Die EnVision Glasses ist jetzt erhältlich bei ihrem Fachhändler - IPD

Features:

  • kompatibel mit der EnVision App aus dem Googleplay Store & App Store
  • Text oder Raum-, Szenenbeschreibung
  • sofortige Wiedergabe von Text
  • Videoanrufsunterstützung
  • Gesichtserkennung
  • KI-Unterstützung für den Alltag

Wlanverbindung notwendig!

Abbildungen: Ausführung mit Gestell und Brillengläser

IPD
Tel.: 0511 9363090
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.ipd.gmbh

F. H. Papenmeier GmbH & Co. KG

Unser WIR für Ihren Hilfsmittel Notfall

Papenmeier Hotline Service

kostenfreie Hotline: +49 2304 205 205 (Neue Nummer! Ab 1. Januar 2022)

F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG
Talweg 2
58239 Schwerte
Telefon: 02304-205-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.papenmeier-rehatechnik.de

Bild: Es ist eine Gruppe von drei RehaTechnik Mitarbeitern, zwei Männer und eine Frau, zu sehen, die lächelnd in die Kamera schauen.

RTB

Gezielte Steuerung der Signale

Per App sicher unterwegs

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Ohne Anwohnerkonflikte

Kostenfreie Smartphone-App

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Tel.: +49 5252 9706-0

Bildbeschreibung: Bunte Grafik eines bärtigen Mannes mit dunkler Brille und weißem Langstock, der an einer belebten Straße steht. In der Brusttasche ein Smartphone, das Signale aussendet, im Hintergrund eine Großstadt.

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Fit für den Beruf!

Ob Ausbildung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder berufliche Neuorientierung - wir bieten attraktive Ausbildungs- und Umschulungsplätze in über 20 verschiedenen Berufen in folgenden Bereichen an:

  • Wirtschaft und Verwaltung
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Interessiert? Wir beraten gerne telefonisch.

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Tel. (0711) 6564-128
www.bbw-stuttgart.de/berufsausbildung

Mit dem QR-Code zu allen Berufen: www.bbw-stuttgart.de/berufsausbildung.

Den Menschen sehen.
Für Menschen mit Sehbehinderung oder psychischer Beeinträchtigung.

SynPhon

Einfach SynPhon!

Die SynPhon GmbH entwickelt einfach zu bedienende elektronische Hilfsmittel, die blinden und sehgeschädigten Menschen das Leben erleichtern.

Der Einkaufs-Fuchs Produkterkenner sagt, was Sache ist.

Die Fledermaus Orientierungshilfe zeigt, wo es lang geht.

Der EinkaufsFuchs

Blinde Menschen stehen täglich vor dem Problem: Was befindet sich in Verpackungen? Welche ist die Lieblings-CD, und wie kann ich erkennen, ob es der gesuchte Gegenstand ist? Hier hilft der EinkaufsFuchs. Nur drei Bedienschalter machen den kompakten Produkterkenner leicht und einhändig bedienbar. Er liest die Informationen von den Strichcodes, die sich auf praktisch allen Handelsgütern befinden, mit klarer Stimme vor. Seine interne Datenbank umfasst bereits viele Millionen Produktinformationen und ist durch regelmäßige Updates stets aktuell. Der EinkaufsFuchs schafft mühelos Übersicht in Haushalt und Büro. Alles, was man verwechslungsfrei kennzeichnen möchte, kann ohne Aufwand auch selbst beschriftet werden. Besonders wichtig: Der EinkaufsFuchs ist als Blinden-Hilfsmittel von den Krankenkassen anerkannt und ist gegen Rezept vom Augenarzt erhältlich.

Die Fledermaus Orientierungshilfe

Diese Weltneuheit erweitert den Aktionsradius des Langstockes entscheidend, schützt dabei Kopf und Oberkörper und ermöglicht es, sich selbstbewusst und zielgerichtet zu bewegen. Die Fledermaus erlaubt es, mobil und orientiert zu bleiben, ohne zu tasten oder zu berühren. Erstmals werden hier die Vorteile von Infrarot und Ultraschall in einem handlichen und intuitiv zu bedienenden Gerät kombiniert. Das Besondere: Die Fledermaus kann sowohl Glastüren erkennen und entfernte Gegenstände verorten, als auch Öffnungen, wie etwa offene Türen, Durchgänge und Lücken zwischen geparkten Autos. Sie reagiert zudem auf weiche Objekte wie Polstermöbel, Felle oder flauschige Stoffe. All dies geschieht vollautomatisch, ohne dass irgendwelche Einstellungen vorgenommen werden müssen.

Weiter Informationen erhalten Sie gerne bei SynPhon unter der Telefonnummer 07250 929555 oder per Mail an E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Haben Sie Fragen? Rufen Sie an!

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Im Steinig 6
76703 Kraichtal
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