Schriftenreihe Rechtsberatung für blinde und sehbehinderte Menschen

Heft 08 der Schriftenreihe:
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

von Dr. Herbert Demmel und Karl Thomas Drerup

Stand: 2012

Hinweis: Der Text steht momentan nur bis einschließlich Abschnitt "8.1.4.3.6 Bewertung des Vermögens" online zur Verfügung. Die bisher fehlenden Abschnitte werden selbstverständlich noch veröffentlicht.

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind im Sozialrecht vorgesehen, um ausgefallenes Entgelt zu ersetzen (Lohnersatzfunktion), erlittene bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entschädigen (Entschädigungsfunktion) oder bei Bedürftigkeit das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Existenzsicherungsfunktion).

Entgeltersatzleistungen sind Leistungen, die an die Stelle bisher erzielten Entgelts treten. Das sind z.B. Krankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld, Renten der Sozialversicherungen.

Entschädigungsleistungen sind

  • in der gesetzlichen Unfallversicherung das Verletztengeld sowie Rentenleistungen,
  • im Versorgungsrecht das Versorgungskrankengeld sowie Versorgungsrenten.

Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums sind die Unterhaltsleistungen nach dem SGB II und dem SGB XII.

Wenn bei einer Person die Voraussetzungen für verschiedene Leistungen gegeben sind, wird in der Regel die höhere Leistung gewährt und es findet eine Anrechnung statt.

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 2. Entgeltersatzleistungen bei Krankheit und medizinischer Rehabilitation

Ausgangsnormen für die Leistungen bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sind die §§ 44 und 45 Abs. 1 SGB IX. Sie sind jedoch nicht maßgebend, wenn die Arbeitsunfähigkeit lediglich auf einer Erkrankung beruht und keine Rehabilitationsmaßnahmen notwendig sind. Auch das Pflegekrankengeld bei Erkrankung eines Kindes wird von ihnen nicht erfasst, da § 46 SGB V in § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ausgeklammert ist. § 44 Abs. 1 Nr. 1 und § 45 Abs. 1 SGB IX umschreiben die Leistungen, die von den in § 6 SGB IX genannten Rehabilitationsträgern während der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als unterhaltssichernde Leistungen zu erbringen sind.

Als Entgeltersatzleistungen im Zusammenhang mit Krankheit und medizinischer Rehabilitation leisten gemäß § 45 Abs. 1 SGB IX:

  1. die gesetzlichen Krankenkassen Krankengeld nach Maßgabe der §§ 44 und 46 bis 51 des SGB V und des § 8 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 12 und 13 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
  2. die Träger der Unfallversicherung Verletztengeld nach Maßgabe der §§ 45 bis 48, 52 und 55 des SGB VII,
  3. die Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld nach Maßgabe der §§ 45 ff. SGB IX und der §§ 20 und 21 des SGB VI und
  4. die Träger der Kriegsopferversorgung Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der §§ 16 bis 16h und 18a des Bundesversorgungsgesetzes.

Weil es sich um Entgeltersatzleistungen handelt, werden diese Leistungen nur gewährt, wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber im Krankheitsfall bzw. während einer medizinischen Rehabilitation nicht oder nicht mehr besteht.

Zur Höhe der Leistungen vgl. 2.1.2 und 2.2.5. Die Entgeltersatzleistungen sind dynamisiert. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wird die dem Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld und Übergangsgeld zugrunde liegende Berechnungsgrundlage jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst.

Der Anpassungsfaktor errechnet sich gemäß § 50 Abs. 2 SGB IX, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Abs. 7 und § 121 Abs. 1 SGB VI gelten entsprechend. Eine Anpassung erfolgt, wenn der nach § 50 Abs. 2 SGB IX berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt (§ 50 Abs. 4 SGB IX).

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2.1 Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung

Der Anspruch auf Krankengeld ist im dritten Kapitel, fünften Abschnitt, zweiten Titel (§§ 44 bis 51) SGB V geregelt. Er richtet sich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX auch bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach diesen Vorschriften.

Ein Anspruch auf Krankengeld besteht für Versicherte

  1. nach § 44 SGB V wenn sie wegen Erkrankung arbeitsunfähig sind oder wenn sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden oder
  2. nach § 45 SGB V bei Erkrankung des Kindes,

wenn die jeweils für diese Versicherungsfälle geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Die Versicherung muss den Anspruch auf Krankengeld umfassen.

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2.1.1 Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlung

Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen Anspruch auf Krankengeld, bei denen der Anspruch nicht nach Abs. 2 ausgeschlossen ist, wenn sie aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig sind oder wenn sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) behandelt werden. Anspruch auf Krankengeld besteht nach § 24b SGB V auch, wenn Versicherte wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden.

Wer vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen ist, ist in § 44 Abs. 2 SGB V geregelt. Dazu vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 31 zu § 44 SGB V. Es handelt sich um die folgenden zehn Fälle, (die das Gesetz vier Nummern zuordnet):

  1. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Das sind Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind. Sie erhalten auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit das Arbeitslosengeld II weiter.
  2. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Das sind Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen.
  3. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1), wenn sie keinen Anspruch auf Übergangsgeld haben. Das sind Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung.
  4. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Das sind Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind.
  5. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Das sind Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene
  6. berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten (Praktikanten), sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte.
  1. Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1). Das sind
  2. bisher nichtversicherte Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, sofern sie nicht nach § 5 Abs. 5 oder § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V von der Versicherungspflicht frei sind. Sie haben jedoch einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sie abhängig beschäftigt sind und es sich dabei nicht um eine geringfügige Tätigkeit nach § 8 oder § 8a SGB IV handelt (§ 44 Abs. 2 Nr. 1 zweiter Halbsatz SGB V).
  3. Familienmitversicherte nach § 10 SGB V (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1).
  4. hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung) (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2). Ein Wahltarif für Krankengeld muss von den Krankenkassen nach § 53 Abs. 6 SGB V angeboten werden. Damit besteht die Option, einen Anspruch auf Krankengeld ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit zu wählen.
  5. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nr. 1 SGB V (das sind Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, welche gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind), die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung auf einen Wahltarif nach § 53 Abs. 6 SGB V ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
  6. Gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 SGB V genannten Leistungen entspricht.

Berufsständische Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen sind z.B. auf Landesrecht beruhende öffentlich-rechtliche Pflichtversorgungseinrichtungen der Angehörigen der Kammern der Freien Berufe (Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigte, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Zahnärzte sowie psychologische Psychotherapeuten und Ingenieure).

Zu den Versicherten, die einen Anspruch auf Krankengeld haben, gehören:

  1. versicherungspflichtig Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), soweit der Anspruch nicht nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 SGB V ausgeschlossen ist;
  2. Bezieher von Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung des SGB III (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V);
  3. Versicherte nach dem zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 SGB V);
  4. Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB V);
  5. Teilnehmer an berufsfördernden Maßnahmen mit Anspruch auf Übergangsgeld (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V);
  6. behinderte Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen oder in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 und 8 SGB V) und
  7. bisher Nichtversicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, die abhängig beschäftigt sind und nicht nach den §§ 8 und 8a SGB IV geringfügig beschäftigt sind;
  8. Selbständige, die bei ihrer Krankenkasse eine freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld abgeschlossen haben.

Vgl. zum anspruchsberechtigten Personenkreis Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 44 SGB V.

Grundsätze zur Arbeitsunfähigkeit sind in den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien v. 03.09.1991, neu gefasst durch Bekanntmachung v. 19.09.2006, BANZ Nr. 241 S. 7356, geregelt.

Für den Begriff der Arbeitsunfähigkeit hat sich in der Rechtsprechung eine maßgebliche Definition entwickelt. Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, weder seine bisherige noch eine ähnlich geartete Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil v. 30.05.1967, 3 RK 15/65, BSGE 26 S. 22; BSG, Urteil v. 15.11.1984, 3 RK 21/83).

Arbeitsunfähigkeit besteht auch, wenn wegen der Erkrankung der Arbeitsweg nicht zurückgelegt werden kann.

Bezieher von Arbeitslosengeld sind arbeitsunfähig, wenn krankheitsbedingt die Vermittelbarkeit aufgehoben ist und sie daher aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 24 zu § 44 SGB V). Krankheitsbedingt steht ein Arbeitsloser jedoch der Arbeitsvermittlung nur dann nicht zur Verfügung, wenn er für keine ihm nach § 121 SGB III zumutbare Beschäftigung in Betracht kommt. Schließt die Krankheit nur bestimmte Verrichtungen aus, die möglicherweise die letzte Beschäftigung kennzeichnen, kann der Arbeitslose aber einer sonstigen zumutbaren Beschäftigung nachgehen, die er auch ausüben darf, so steht er der Arbeitsvermittlung objektiv zur Verfügung (vgl. BSG, Urteil v. 21.09.1995, 11 Rar 35/95).

Während einer stationären Behandlung im Krankenhaus (SGB V § 39) sowie bei Behandlungen in Vorsorge- (§ 23 Abs. 4, § 24 SGB V) oder Rehabilitationseinrichtungen (§ 40 Abs. 2 und § 42 SGB V) besteht ebenfalls ein Anspruch auf Krankengeld, sofern der Versicherte zum anspruchsberechtigten Personenkreis zählt.

Für den Anspruch auf Krankengeld während einer stationären Behandlung ist nicht Voraussetzung, dass die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht (Haufe Onlinekommentar RZ. 28 zu § 44 SGB V).

Wenn für die Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsunfall ursächlich ist, besteht kein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Krankenkasse. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 4 SGB V. Der Versicherte hat für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit in diesem Fall Anspruch auf Verletztengeld, vgl. §§ 45 ff. SGB VII und unten 2.2.

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2.1.1.1 Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld

Der Zeitpunkt, ab wann Krankengeld nach § 44 SGB V gewährt wird, ist in § 46 SGB V geregelt. Nach Satz 1 Nr. 1 besteht der Anspruch bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, nach Satz 1 Nr. 2 im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Der Tag der ärztlichen Feststellung ist ein so genannter Karenztag.

Im letztgenannten Fall ist nicht der Tag, an welchem die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, sondern der Tag der Feststellung durch einen Arzt maßgebend, und zwar auch dann, wenn der Versicherte den Arzt erst aufsuchen konnte, nachdem er bereits arbeitsunfähig war. Die Rechtsprechung lässt nur ganz wenige Ausnahmen zu. Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 46 SGB V.

Allerdings wird solange und soweit der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt tatsächlich fortzahlt, trotz Bestehen des Anspruchs noch kein Krankengeld gezahlt. In dieser Zeit ruht der Krankengeldanspruch. Kein Krankengeld wird deshalb in der Regel während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, weil in dieser Zeit noch der Arbeitgeber das Entgelt fortzahlen muss.

Eine spezielle Regelung besteht für Bezieher von Arbeitslosengeld. Sie erhalten nach § 47b Abs. 1 Satz 2 SGB V vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Krankengeld, also nicht erst vom Tag nach der ärztlichen Feststellung an.

Für hauptberuflich selbständig erwerbstätige Versicherte, die eine Wahlerklärung nach § 44 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V gegenüber der Krankenkasse abgegeben haben, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll, sowie für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten entsteht der Anspruch auf Krankengeld gem. § 46 Sätze 2 und 3 SGB V von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld für die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherten entsteht jedoch bereits vor der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit, wenn in der Satzung ein früherer Zeitpunkt genannt ist, spätestens jedoch mit Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte bei seiner Krankenkasse einen entsprechenden Tarif nach § 53 Abs. 6 SGB V gewählt hat.

Der Beginn der 3-Wochen- bzw. 6-Wochen-Frist beginnt mit der Arbeitsunfähigkeit; einen Karenztag wie in § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sieht diese Regelung nicht vor.

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2.1.1.2 Leistungsdauer für das Krankengeld

Die Leistungsdauer für das Krankengeld ist in § 48  SGB V geregelt.

In § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V heißt es zwar: „Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung“. Aber für die einzelne Krankheit wird das Krankengeld innerhalb der mit der Arbeitsunfähigkeit beginnenden Rahmenfrist von drei Jahren längstens für 78 Wochen (546 Tage) gezahlt; denn in § 48 Abs. 1 Satz 1 heißt es weiter: „für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an.“ Diese Rahmenfrist wird vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an gerechnet. Die Zeit einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber wird als Bezugszeit von Krankengeld mitgerechnet, weil während dieser Zeit der Anspruch auf Krankengeld ruht, sodass in diesem Fall de facto nur 72 Wochen Krankengeld durch die Krankenkasse gezahlt werden muss. Nach Beginn eines neuen Drei-Jahres-Zeitraumes besteht wegen derselben Krankheit, welche die erste Blockfrist ausgelöst hatte, nach § 78 Abs. 2 SGB V nur dann ein erneuter Anspruch auf Krankengeld, wenn der mit Krankengeldanspruch Versicherte in der Zwischenzeit mindestens 6 Monate wegen dieser Krankheit nicht arbeitsunfähig und außerdem erwerbstätig war bzw. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand. Wenn die Voraussetzungen für einen erneuten Anspruch vorliegen, ist innerhalb der neuen Blockfrist für diese Krankheit wiederum bis zu 78 Wochen Krankengeld zu zahlen.

„Dieselbe“ Krankheit in dem vorgenannten Sinne liegt vor, wenn mehrere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf ein und dieselbe Grunderkrankung (Schulbeispiel: mehrere Fieberschübe in längeren Abständen bei Malaria-Erkrankung) oder auf eine nicht ausgeheilte Erkrankung zurückzuführen sind. Erkrankungen, die sich nur gleichen, begründen jeweils neue 78-Wochen-Zeiträume (z.B. mehrere, voneinander unabhängige Erkältungserkrankungen); denn für jede eigenständige Krankheit muss ab Beginn der durch diese ausgelöste Arbeitsunfähigkeit eine eigene Blockfrist gebildet werden.

Wenn während der Arbeitsunfähigkeit wegen einer Krankheit eine weitere Krankheit hinzutritt, wird die Leistungsdauer, d.h. die Rahmenfrist für die erste Erkrankung, dadurch nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden nach § 48 Abs. 3 SGB V Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht (§ 49 SGB V) oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Das Krankengeld kann z.B. versagt werden, weil Mitwirkungspflichten außer Acht gelassen worden sind. Eine solche Mitwirkungspflicht ist z.B. die Aufforderung zum Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation nach § 51 Abs. 1 SGB V. Krankheitszeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben dagegen unberücksichtigt (Haufe Onlinekommentar RZ. 22 und 23 zu § 48 SGB V).

Wenn sich herausstellt, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann ihn die Krankenkasse nach § 51 Abs. 1 SGB V auffordern, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beim zuständigen Rehabilitationsträger zu stellen. Wenn der Kranke dies unterlässt, entfällt mit Ablauf dieser Frist nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SGB V der Anspruch auf Krankengeld. Er lebt jedoch, sobald der Antrag gestellt wird, mit dem Tag der Antragstellung wieder auf (§ 51 Abs. 3 Satz 2 SGB V).

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2.1.1.3 Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld

Der Bezug von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt und Einkommen, die Zeiträume eines Erziehungsurlaubes und die näher bezeichneten Entgeltersatzleistungen anderer auch ausländischer Sozialleistungsträger führen nach § 49 SGB V zum vollständigen Ruhen des Krankengeldanspruchs. Außerdem ruht das Krankengeld, solange eine Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet ist bzw. die Meldung nicht innerhalb einer Frist von einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erstattet wird.

Während des Ruhens des Anspruchs auf Krankengeld besteht dieser zwar dem Grunde nach, Krankengeld wird aber nicht ausbezahlt. Die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld nach § 48 SGB V vermindert sich deshalb um Ruhenszeiträume.

Das Krankengeld ruht, soweit und solange Versicherte die in § 49 Abs. 1 SGB V genannten Leistungen erhalten oder die dort genannten sonstigen Ruhenstatbestände vorliegen.

Das Krankengeld ruht nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, selbst wenn dieses beitragspflichtig ist. Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften (§ 44 Abs. 3 SGB V). Materiell-rechtlich regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung.

§ 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes benennt den Anwendungsbereich, § 3 regelt den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Kein Krankengeld wird deshalb in der Regel während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, weil in dieser Zeit noch der Arbeitgeber das Entgelt fortzahlen muss.

Die in § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 3a SGB V näher bezeichneten Entgeltersatzleistungen anderer Sozialleistungsträger, nämlich Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bzw. Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld führen zum Ruhen des Krankengeldes. Während einer medizinischen oder berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme wird bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit die Krankengeldzahlung durch die Zahlung von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger unterbrochen.

Außerdem führt das Ruhen des Anspruchs wegen einer Sperrzeit nach dem SGB III zum Ruhen auch des Krankengeldes, da sonst der Sinn und Zweck einer Sperrzeit verfehlt würde. Erst im Anschluss an eine Sperrzeit kommt gegebenenfalls eine Krankengeldzahlung in Betracht (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 49 SGB V).

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2.1.2 Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes

Für berufstätige Eltern oder Alleinerziehende, die Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse sind, stellt sich bei Erkrankung ihres Kindes die Frage der finanziellen Absicherung, wenn sie aus diesem Grund von der Arbeit fernbleiben müssen. Hierzu regelt § 45 SGB V den Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes, das so genannte Pflegekrankengeld.

Nach § 45 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Bei behinderten Kindern besteht also keine altersmäßige Beschränkung.

Das Kind muss gemäß § 10 SGB V familienmitversichert oder nach § 5 SGB V pflichtversichert sein. Ist das Kind beispielsweise über einen Elternteil privat krankenversichert, kommen Leistungen i.S. des § 45 SGB V nicht in Betracht.

Als Kinder gelten neben den leiblichen Kindern gemäß § 10 Abs. 4 SGB V, auf welchen in § 45 Abs. 1 SGB V ausdrücklich verwiesen wird, auch Stiefkinder und Enkel, die das Mitglied überwiegend unterhält, sowie Pflegekinder (das sind nach der Legaldefinition in § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I „Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind“). Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern. Stiefkinder im Sinne von § 10 Abs. 4 S. 1 SGB V sind auch die Kinder des Lebenspartners eines Mitglieds.

Bei Eintritt des Versicherungsfalls stellt ein Arzt, in der Regel der Kinderarzt, eine Bescheinigung über die Notwendigkeit und die Dauer des Hilfebedarfs des Kindes aus. Es ist nicht notwendig, dass die Bescheinigung von einem Vertragsarzt ausgestellt wird. Sie kann auch von einem Arzt eines Krankenhauses ausgestellt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 45 SGB V).

Unter dem Begriff „Pflege des Kindes" ist die Tätigkeit der Eltern zu verstehen, die sie bei Krankheit ihres Kindes im Rahmen ihrer Möglichkeiten erbringen können. Dazu kann zum Beispiel die Abgabe von Medikamenten, die Verabreichung von Einreibungen oder aber die Zubereitung von Mahlzeiten gehören. Der Begriff Pflege ist hier nicht zu verwechseln mit einer professionellen Pflege durch eine ausgebildete Pflegekraft (z.B. eine examinierte Krankenschwester), wie sie beispielsweise die häusliche Krankenpflege im Rahmen der Behandlungspflege vorsieht (Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 45 SGB V).

Als andere im Haushalt lebende Personen, welche die Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des Kindes übernehmen können, kommen z.B. der Ehegatte, ältere Geschwister, Verwandte oder aber Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft infrage.

Der Anspruch besteht allerdings nur, wenn er für den Versicherten nicht nach § 44 Abs. 2 SGB V, auf welchen in § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB V verwiesen wird, ausgeschlossen ist. Dazu vgl. oben 2.1.1.1. Das führt dazu, dass den Anspruch auf Kinderkrankengeld diejenigen Versicherten haben, welche auch einen Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit nach § 44 SGB V haben.

Zu beachten ist auch, dass der Versicherte unter den Voraussetzungen des § 616 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben kann, wenn ein Kind erkrankt und er deshalb von der Arbeit fernbleibt. § 616 BGB regelt den Fall der zeitlich nicht erheblichen Verhinderung des Arbeitnehmers durch einen in seiner Person liegenden Grund.

Dieser Anspruch ist unabdingbar. Er kann nicht durch arbeitsvertragliche Regelung ausgeschlossen werden. Der Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit wegen Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des erkrankten Kindes geht dem Anspruch auf Pflegekrankengeld vor. Im Falle einer Erkrankung des Kindes greift das Entgeltfortzahlungsgesetz mit seinen Regelungen zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht.

In der Praxis ist der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts jedoch oftmals im Rahmen von Tarifverträgen ausgeschlossen. Deshalb kommt in den meisten Fällen ausschließlich eine Zahlung von Pflegekrankengeld durch den Krankenversicherungsträger in Betracht (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 45 SGB V). Für die Zeit des Anspruchs auf Pflegekrankengeld wird der Arbeitnehmer nach § 45 SGB V von der Arbeit freigestellt.

Der Anspruch auf Krankengeld besteht nach Absatz 2 in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für allein erziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch besteht jedoch insgesamt für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für allein erziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr. Diese Tage müssen nicht zusammenhängend in Anspruch genommen werden, sondern können sich auf das Kalenderjahr verteilen. Für die Zeit des Bezuges dieses Krankengeldes besteht gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit (§ 45 Abs. 3 SGB V).

Ohne zeitliche Begrenzung besteht der Anspruch auf Krankengeld für einen Elternteil nach § 45 Abs. 4 SGB V, wenn der Versicherte zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege seines erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleibt, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leidet,

  1. die progredient verläuft, sich also zunehmend verschlimmert und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
  2. bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
  3. die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.

Der Anspruch besteht auch, wenn das Kind stationär versorgt wird.

Das Pflegekrankengeld wird ab dem Tag gezahlt, von dem an die Notwendigkeit der Betreuung, Beaufsichtigung und Pflege des Kindes von einem Arzt bescheinigt wird und der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt mehr zahlt. An Tagen, an denen der Versicherte nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, ruht grundsätzlich auch der Anspruch auf Pflegekrankengeld. Das sind arbeitsfreie Tage, wie beispielsweise das Wochenende (Samstag/Sonntag). Ist der Versicherte an diesen Tagen allerdings zur Arbeitsleistung verpflichtet, ruht der Anspruch auf Krankengeld nicht (Haufe Onlinekommentar RZ. 19 zu § 45 SGB V).

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2.1.3 Höhe des Krankengeldes

Die Höhe des Krankengeldes richtet sich sowohl im Fall des § 44 als auch des § 45 SGB V nach § 47 SGB V. Es beträgt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V 70 % des entgangenen regelmäßigen Bruttoentgelts, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Die Berechnung des Regelentgelts ergibt sich aus § 47 Abs. 2 und 4 SGB V. Für Arbeitnehmer darf das Krankengeld jedoch 90 % des entgangenen regelmäßigen Nettoentgelts nicht übersteigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Bei in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten wird das Krankengeld nach dem tatsächlich nach Maßgabe des § 138 Abs. 2 SGB IX erzielten Arbeitsentgelts berechnet. Keinen Anspruch auf Krankengeld haben jedoch die in der Werkstatt beschäftigten behinderten Menschen, welche eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. voller Erwerbsminderung erhalten (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).

Die Berechnung des Krankengeldes erfolgt für den Kalendertag. Bei einem vollen Kalendermonat begrenzt sich der Bezug auf 30 Tage, egal, wie viele Kalendertage der Monat hat.

Die Höhe und Berechnung des Krankengeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld richtet sich nach § 47b SGB V. Bei Empfängern von Arbeitslosengeld wird das Krankengeld in Höhe des Leistungsbetrages des Arbeitslosengeldes gewährt.

Das Krankengeld ist entsprechend der Lohnentwicklung gem. § 50 SGB IX dynamisiert. Vgl. 2. am Ende.

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2.1.4 Ende des Anspruchs auf Krankengeld

Für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Ruhegehalt, das nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gezahlt wird bzw. vergleichbare Leistungen oder Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3 SGB V erhalten, endet ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V vom Beginn dieser Leistungen an. Dasselbe gilt für Versicherte, die Leistungen aus dem Ausland beziehen, die ihrer Art nach einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Vollrente wegen Alters oder einem Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechen. Wenn gleichzeitig neben diesen Leistungen Krankengeld gezahlt wurde, ist es zurückzuzahlen. Wenn das Krankengeld aber höher als die oben genannten Leistungen war, kann der diese Leistungen übersteigende Betrag nicht zurückgefordert werden.

Nach Beginn einer der oben genannten Leistungen entsteht kein neuer Krankengeldanspruch mehr.

2.2. Verletztengeld der Unfallversicherungsträger

Rechtsquelle für das Verletztengeld der Unfallversicherungsträger ist das SGB VII. Es ist im dritten Kapitel „Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls“, erster Abschnitt, sechster Unterabschnitt in den §§ 45 bis 48 und § 52 geregelt.

Für Versicherte der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ist außerdem § 55a SGB VII zu beachten.

Die in der gesetzlichen Unfallversicherung als Verletztengeld bezeichnete Leistung ist, wie das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 44 ff. SGB V eine Einkommensersatzleistung. Der Anspruch auf Verletztengeld hat gegenüber dem Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung Vorrang; der Bezug von Krankengeld ist gemäß § 11 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen, wenn es aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit i.S.d. gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen wäre.

Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld ist, dass Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII besteht und ein Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) vorliegt.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls ein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder eine andere in § 45 Abs. 1 Satz 2 genannte Entgeltersatzleistung bestanden hat.

§ 45 SGB VII regelt den Fall einer Ersterkrankung. Bei einer Wiedererkrankung gilt § 48 SGB VII.

Das Verletztengeld wird, wenn eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Unfallversicherungsträger und der gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 189 SGB VII besteht, von der Krankenkasse als Beauftragte ausgezahlt.

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2.2.1 Versicherter Personenkreis

Voraussetzung dafür, dass beim Vorliegen eines Versicherungsfalls Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger entstehen können, ist, dass der den Anspruch Begehrende zum geschützten Personenkreis gehört, dass also ein Versicherungsverhältnis besteht. Wer Versicherungsschutz genießt, ist in den §§ 2 bis 6 SGB VII geregelt. Der Versicherungsschutz kann kraft Gesetzes (§ 2 SGB VII), kraft Satzung (§ 3 SGB VII) oder kraft freiwilliger Versicherung (§ 6 SGB VII) bestehen. In § 4 SGB VII wird bestimmt, welche Gruppen nicht unter den Versicherungsschutz des SGB VII fallen. Dazu gehören Personen, soweit für sie beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten, satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften, wenn ihnen nach den Regeln der Gemeinschaft Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist und weitere dort genannte Gruppen. Grund der Freistellung ist, dass bereits eine anderweitige Absicherung besteht und Doppelleistungen vermieden werden sollen (Fälle des Abs. 1) bzw. dass es sich um Tätigkeiten handelt, welche nicht als sozial schutzwürdig gelten weil sie entweder dem privaten Bereich angehören (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Abs. 4 Halbsatz 1) oder eine anderweitige Absicherung zugemutet werden kann (Fälle des Abs. 3). Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 3 und 4 zu § 4 SGB VII. § 5 SGB VII enthält eine unwiderrufliche Befreiungsmöglichkeit auf Antrag für landwirtschaftliche Unternehmer und ihre Ehegatten oder Lebenspartner, wenn sie kleine landwirtschaftliche Nutzflächen bis zu einer Fläche von 0,25 ha (2.500 m2) bewirtschaften.

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2.2.1.1 Versicherungsschutz kraft Gesetzes

Wer Versicherungsschutz kraft Gesetzes hat, ist § 2 SGB VII zu entnehmen. Das Versicherungsverhältnis ist zu unterscheiden von der Mitgliedschaft. Mitglied der gesetzlichen Unfallversicherung ist der Unternehmer, für ihn stellt der jeweilige Unfallversicherungsträger seine Zuständigkeit fest (§ 132, § 136 Abs. 1 SGB VII). Die Zuständigkeit für die Versicherten folgt derjenigen für das Unternehmen, für das die Versicherten tätig sind (§ 133 SGB VII). Das Versicherungsverhältnis wird nicht durch einen Akt des Trägers begründet, sondern entsteht zwischen Versicherten und Unfallversicherungsträgern kraft Gesetzes. Der Beginn der Versicherung hängt mithin nicht von einer Meldung, Anmeldung des Arbeitgebers und auch nicht von einer Feststellung durch den Unfallversicherungsträger ab. Sie ist auch nicht von der Beitragsentrichtung abhängig (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 2 SGB VII).

U.a. gehören nach § 2 Abs. 1 SGB VII, welcher 17 Ziffern aufweist, zu den gesetzlich Versicherten:

  • Beschäftigte (Abs. 1 Nr. 1). Das sind abhängig Beschäftigte im Sinn von § 7 SGB IV und nach § 2 Abs. 2 SGB VII auch Personen, die wie diese tätig werden.
  • Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen (Abs. 1 Nr. 2).
  • behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 SGB IX oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind (Abs. 1 Nr. 4).
  • Landwirte und ihre mitarbeitenden Angehörigen (Abs. 1 Nr. 5).
  • Kinder während des Besuches einer Kindertagesstätte sowie während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 SGB VIII (Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a). Kindertagesstätten sind nach § 22 SGB VIII Krippen, Kindergärten und Horte.
  • Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen (Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b).
  • Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen (Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe c).
  • Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind (Abs. 1 Nr. 9). Selbständige im Gesundheitswesen sind die Angehörigen von Gesundheitsberufen, wie z.B. Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden usw.
  • Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten (Lebensretter) (Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a). Der Unglücksfall kann sowohl einen Personenschaden als auch einen Sachschaden zur Folge haben. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf den Weg zur Unfallstelle (Haufe Onlinekommentar RZ. 130 zu § 2 SGB VII).
  • Personen, die sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen (Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe c). Der Schutz besteht auch dann, wenn sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person die Straftat gegen den Verfolger selbst gerichtet hat (Haufe Onlinekommentar RZ. 138 zu § 2 SGB VII).
  • Personen, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur Rehabilitation erhalten (Abs. 1 Nr. 15). An dem Zusammenhang mit diesen Leistungen fehlt es grundsätzlich bei Unfällen, die aus Anlass von sog. eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten wie Tanzen, Sport in der Freizeit, Basteln, Briefeschreiben oder privaten Besorgungen während der Reha eintreten (Haufe Onlinekommentar RZ. 154 zu § 2 SGB VII).
  • Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind (Abs. 1 Nr. 16). Der Schutz wird gewährt, weil diese Tätigkeit auch öffentlichen Interessen dient.
  • Pflegepersonen im Sinne des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI (Abs. 1 Nr. 17); die versicherte Tätigkeit umfasst Pflegetätigkeiten im Bereich der Körperpflege und soweit diese Tätigkeiten überwiegend Pflegebedürftigen zugute kommen, Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI). Auf den zeitlichen Umfang der Pflegetätigkeit kommt es nicht an. Die Bestimmung in § 19 Satz 2 SGB XI, wonach eine Pflegeperson eine pflegebedürftige Person wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegen muss, betrifft nicht die Begriffsbestimmung „Pflegeperson“, sondern die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 SGB XI (Haufe Onlinekommentar RZ. 168 zu § 2 SGB VII).

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2.2.1.2 Versicherungsschutz kraft Satzung

Nach § 3 Abs. 1 SGB VII kann in der Satzung der Unfallversicherungsträger bestimmt werden, dass und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung auf die dort genannten Personengruppen erstreckt. Die Versicherung kraft Satzung nach § 3 i.V.m. den Satzungsbestimmungen der Unfallversicherungsträger ist subsidiär. Das ergibt sich aus § 135 Abs. 7 SGB VII. Sie greift als Auffangtatbestand nur ein, wenn nicht bereits die vorrangige Versicherungspflicht aufgrund Gesetzes nach § 2 SGB VII besteht. Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 50 zu § 3 SGB VII.

Zu den Personengruppen des § 3 SGB VII gehören u.a.

  • Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner (Abs. 1 Nr. 1),
  • Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Abs. 3 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII gilt entsprechend (Abs. 1 Nr. 2) sowie
  • ehrenamtlich tätige und bürgerschaftlich engagierte Personen (Abs. 1 Nr. 4).
  • 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII hat den Zweck, insbesondere den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand die Möglichkeit zu eröffnen, per Satzung alle nicht bereits durch die Pflichtversicherung (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5d, 5e, 9, 10a und b und 12 SGB VII) erfassten ehrenamtlich Tätigen und bürgerschaftlich Engagierten in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen und die Voraussetzungen dafür zu regeln (BT-Drs. 15/3920, Anlage 2 S. 8; Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 3 SGB VII).
  • 3 Abs. 2 SGB VII bringt jedoch Einschränkungen, indem die Möglichkeit der satzungsmäßigen Einbeziehung für bestimmte Personengruppen von Unternehmern ausgeschlossen wird.

Erst durch den Erlass entsprechender Satzungsvorschriften des zuständigen Unfallversicherungsträgers tritt die Versicherungspflicht ein, die dann zwingend und generell wie die Versicherungspflicht kraft Gesetzes wirkt (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 3 SGB VII).

Versicherungsfälle im Rahmen der Unternehmerversicherung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) sind diejenigen, die sich bei einer mit dem Unternehmen in wesentlichem Zusammenhang stehenden Tätigkeit ereignen. Im Gegensatz zum abhängig Beschäftigten kann der Unternehmer seine Tätigkeit selbst bestimmen, es steht ihm frei, in welcher Art und Weise er sein Unternehmen betreibt. Weil die Unfallversicherung die unternehmerische Tätigkeit nicht behindern kann und will, ist der Kreis der versicherten Tätigkeiten weit zu ziehen (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 28.08.2001, L 2 U 319/00; Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 3 SGB VII mit zahlreichen Beispielen).

Unter den nach § 3 Abs. 2 ausgeschlossenen Personengruppen nennt Nr. 1 „Haushaltsführende“. Dieser Ausschluss beruht darauf, dass, wie sich aus § 129 Abs. 1 Nr. 2 und § 130 Abs. 1 SGB VII ergibt, auch die Haushaltungen zu den Unternehmen i.S.d. Unfallversicherung gehören. Der Haushaltsführende, für dessen Rechnung der Haushalt geführt wird, ist deshalb Unternehmer. Weil bei dieser Zuordnung alle privaten Tätigkeiten, vom Einkaufen über das Kochen, Aufräumen, Putzen und Beaufsichtigen der Kinder, unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen würden und es keine unversicherten Tätigkeiten mehr gäbe, wird der Haushaltsführende vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausgenommen (vgl. auch § 4 Abs. 4 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 für unentgeltlich im Haushalt tätige Angehörige und Haufe Onlinekommentar RZ. 38 zu § 3 SGB VII). Entgeltlich im Haushalt Beschäftigte haben Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

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2.2.1.3 Versicherungsschutz aufgrund freiwilliger Versicherung
  • 6 SGB VII ermöglicht auf Antrag eine freiwillige Versicherung. Die Vorschrift bietet Unternehmern und unternehmerähnlichen Personen die Möglichkeit, Lücken im Unfallversicherungsschutz zu schließen. Sie enthält den Grundsatz, dass allen Unternehmern, die nicht bereits kraft Gesetzes nach § 2 SGB VII oder kraft Satzung gemäß § 3 SGB VII pflichtversichert sind, auf ihren Antrag das Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung zusteht. Unter § 6 SGB VII fallen u.a.:
  • Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten (Abs. 1 Nr. 1) und
  • gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen (Abs. 1 Nr. 3).

Gewählte Ehrenamtsträger sind die Mitglieder der in der Satzung festgelegten Organe wie z.B. Vorstandsmitglieder, Mitglieder eines Bezirksgruppenausschusses oder anderer Organe. Beauftragte Ehrenamtsträger sind Personen, die im Auftrag oder mit Einwilligung des Vorstands unentgeltlich Aufgaben im Verein wahrnehmen. Das können z.B. Arbeitskreisleiter sein. Die Versicherung beginnt gem. § 6 Abs. 2 SGB VII mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuss binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist.

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2.2.2 Versicherungsfälle und Alternativen des Anspruchs auf Verletztengeld

Ein Anspruch auf Verletztengeld besteht nach § 45 SGB VII, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, in vier Fällen nämlich:

  1. bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles oder
  2. bei einer infolge des Versicherungsfalls erforderlichen Maßnahme der Heilbehandlung, wenn deshalb eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt werden kann und
  3. für die Wartezeit bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie
  4. nach § 45 Abs. 4 SGB VII für einen Elternteil zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes.

Bei Kindern, Schülern und Studierenden, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8a bis c SGB VII versichert sind, haben sich anstelle von „Arbeitsunfähigkeit" die Begriffe „Spielunfähigkeit", „Schulunfähigkeit" und „Studierunfähigkeit" eingebürgert.

Allerdings kann auch ein Schüler, der während der Schulferien arbeitet und infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig geworden ist, Anspruch auf Verletztengeld aus dieser Tätigkeit haben. Der Anspruch endet dann auch nicht mit der Wiederaufnahme des Schulbesuchs (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 45 SGB und BSG, Urteil v. 26.05.1982, 2 RU 41/81, SozR 2200 § 560 Nr. 12).

Die Arbeitsunfähigkeit und die Heilbehandlungsmaßnahmen, wegen derer der Versicherte an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit gehindert ist, müssen jeweils infolge des Versicherungsfalls eintreten. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII, definiert in den §§ 8 und 9 SGB VII). Diese müssen ursächlich, also kausal sein.

Erweiterungen und Modifizierungen zu den Versicherungsfällen regeln die §§ 10 bis 13 SGB VII. So werden in § 10 SGB VII Besonderheiten bei der See- und Binnenschifffahrt berücksichtigt.

In § 11 werden als mittelbare Folgen eines Versicherungsfalls Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge der Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung, der Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels sowie der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung einschließlich der dazu notwendigen Wege als Versicherungsfälle bestimmt.

§ 12 SGB VII bezieht die Leibesfrucht in den Versicherungsschutz ein. Er bestimmt, dass Versicherungsfall auch der Gesundheitsschaden einer Leibesfrucht infolge eines Versicherungsfalls der Mutter während der Schwangerschaft ist. Bei einer Berufskrankheit als Versicherungsfall genügt, dass der Gesundheitsschaden der Leibesfrucht durch besondere Einwirkungen verursacht worden ist, die generell geeignet sind, eine Berufskrankheit der Mutter zu verursachen.

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2.2.2.1 Arbeitsunfall

Zum Schutzbereich des § 8 SGB VII zählen der Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 SGB VII) und der Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 SGB VII).

Der Arbeitsunfall wird in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII definiert. Danach sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Das Ereignis muss im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit stehen, d.h. es muss eine „konkrete Verrichtung" im Rahmen der versicherten Tätigkeit vorliegen. Davon abzugrenzen sind die sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten. Als solche werden Tätigkeiten bezeichnet, die von der Handlungstendenz her dem privaten unversicherten Bereich zuzuordnen sind. Typischerweise gehören dazu die Nahrungsaufnahme, die Verrichtung der Notdurft, die körperliche Reinigung sowie Betätigungen, die der Erholung oder der Vergnügung dienen. Ausnahmsweise können aber auch an sich privatnützige Tätigkeiten wesentlich betriebsdienlich und infolgedessen eine versicherte Tätigkeit sein (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 8 SGB VII). Die sich aus der erforderlichen Bewertung im Einzelfall ergebende Kasuistik ist unüberschaubar ebenso ihre Beurteilung in der Rechtsprechung. Eine nach Fallgruppen in alphabetischer Reihenfolge zusammengestellte Aufstellung findet sich bei Haufe Onlinekommentar RZ. 33 bis 117 zu § 8 SGB VII.

Der Wegeunfall wird in § 8 Abs. 2 in den Nummern 1 bis 4 geregelt. Die geschützten Wege zählen zur versicherten Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII fällt darunter das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (Grundtatbestand). § 8 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 bringen dazu Erweiterungen, z.B. zu Wegen im Zusammenhang mit der erforderlichen Obhut von Kindern (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a), zu Umwegen zur Bildung von Fahrgemeinschaften (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b), zur Einbeziehung eines Weges, den ein Kind abweichend von seinem Schulweg wegen der erforderlichen Obhut zurücklegen muss (§ 8 Abs. 2 Nr. 3) und für Familienheimfahrten, wenn wegen der Entfernung der Familienwohnung von der Arbeitsstätte eine getrennte Unterkunft erforderlich ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 4).

Nicht unter Unfallversicherungsschutz steht der häusliche Bereich. Der geschützte Weg beginnt und endet an der Außentüre des Gebäudes, in welchem der Versicherte wohnt.

Ein Umweg, der länger als der kürzeste Weg ist, steht dann unter Versicherungsschutz, wenn dieser „Umweg“ sicherer als der kürzeste Weg ist. Ein blinder Mensch kann z.B. einen Umweg wählen, wenn sich auf diesem Weg sogenannte „Blindenampeln“ befinden oder dadurch Baustellen ausgewichen werden kann.

Wenn der versicherte Weg für eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, z.B. zum Einkaufen oder zum Besuch einer Gaststätte unterbrochen wird, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser lebt aber wieder auf, wenn die Unterbrechung nicht länger als zwei Stunden gedauert hat und danach der geschützte Weg fortgesetzt wird.

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2.2.2.2 Berufskrankheit

Eine Berufskrankheit ist eine Krankheit, die durch die berufliche (versicherte) Tätigkeit verursacht worden ist und nach dem geltenden Recht auch formal als Berufskrankheit anerkannt ist.

Die Anerkennung als Berufskrankheit ist in § 9 SGB VII in einem Mischsystem geregelt, bestehend aus

  1. den in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) enumerativ aufgelisteten Krankheiten (Verordnung aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII) und
  2. den aufgrund der Öffnungsklausel im Einzelfall wie Berufskrankheiten zu behandelnden Krankheiten, wenn sie nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Berufskrankheitenliste erfüllen (§ 9 Abs. 2 SGB VII).

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer unter den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII auslösenden Tätigkeit erleiden.

In der Rechtsverordnung können solche Krankheiten als Berufskrankheiten festgelegt werden, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dabei kann bestimmt werden, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind; denn bestimmte Krankheiten treten nur in bestimmten Gefährdungsbereichen überhäufig auf, z.B. Infektionskrankheiten bei Beschäftigten in Krankenhäusern. Darüber hinaus kann die Rechtsverordnung bestimmen, dass Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Mit diesem Listenvorbehalt hat der Verordnungsgeber insgesamt 9 Berufskrankheiten versehen. Dieser Vorbehalt bedeutet, dass dem von einer Berufskrankheit Betroffenen diese Tätigkeiten untersagt sind.

Gemäß § 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), welche aufgrund der Ermächtigung in § 9 SGB VII erlassen worden ist, sind die Berufskrankheiten in Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführt. Sie sind dort nach sechs Gruppen unterschiedlicher Ursachen zusammengefasst. Darunter sind Krankheiten genannt, die zu einer Sehbeeinträchtigung oder Erblindung führen können.

Unter Nr. 1 sind durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten aufgeführt, darunter 1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) und 1313 Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon.

Unter Nr. 2 sind durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten aufgeführt, darunter 2401 Grauer Star durch Wärmestrahlung.

Unter Nr. 3 sind durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten aufgeführt.

Unter Nr. 6 sind Krankheiten sonstiger Ursache aufgeführt. Hier wird bisher als einziges genannt: 6101 Augenzittern der Bergleute.

Unfallversicherungsschutz besteht aber nicht nur bei Krankheiten, die in der Anlage 1 Berufskrankheiten-Verordnung genannt sind (Listenkrankheiten). § 9 Abs. 2 enthält eine Öffnungsklausel, wonach eine Krankheit, die nicht in der Berufskrankheitenliste der Anlage 1 zur BKV aufgeführt ist, „wie eine Berufskrankheit" anzuerkennen ist und Leistungen zu gewähren sind, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Berufskrankheit nach Absatz 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Weil die BKV und die darin enthaltene Berufskrankheitenliste nicht kontinuierlich und nahtlos angepasst werden können, sollen die Regelungen des § 9 Abs. 2 SGB VII im Sinne einer eingeschränkten Generalklausel als Korrektiv dienen (Haufe Onlinekommentar RZ. 62 zu § 9 SGB VII).

Als Beispiel wird in Haufe Onlinekommentar RZ. 67 zu § 9 SGB VII genannt: ein grauer Star, der bei einem Schweißer aber nicht durch Wärmestrahlung (Berufskrankheit nach Nr. 2401 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung), sondern durch UV-Licht hervorgerufen wurde.

Abgelehnt wurde die Anerkennung als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII im Fall einer Netzhautablösung und der Entwicklung eines sekundären Glaukoms infolge der Lese- und Bildschirmarbeit eines Steuerberaters (LSG Niedersachsen, Urteil v. 14.04.1998, L 6 U 354/97).

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2.2.2.3 Verletztengeld bei Arbeitsunfähigkeit

Der Anspruch auf Verletztengeld setzt in der ersten Variante des § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII eine Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) voraus. Arbeitsunfähig ist der Versicherte, der wegen Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen, gleichartigen Tätigkeit nachzugehen (BSG, Urteil v. 13.08.2002, SozR 3-2700 § 46 Nr. 1; zuletzt BSG, Urteil v. 05.09.2006, B 2 U 12/05 R). Arbeitsunfähigkeit besteht auch, wenn wegen der Erkrankung der Arbeitsweg nicht zurückgelegt werden kann.

Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist mit dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung identisch. Vgl. dazu auch 2.1.1.1.

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2.2.2.4 Verletztengeld während der Durchführung von Maßnahmen zur Heilbehandlung

Zu den Leistungen der Berufsgenossenschaft bei Maßnahmen zur Heilbehandlung vgl. auch Heft 3 Abschnitt 7 dieser Schriftenreihe.

Durch § 45 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 werden den arbeitsunfähigen Versicherten solche Personen gleichgestellt, die wegen einer infolge des Versicherungsfalls erforderlichen Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können. Sie haben Anspruch auf Verletztengeld obwohl keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Würde Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, wären bereits die Voraussetzungen für das Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 erste Alternative gegeben sein. Folge der Teilnahme an einer Maßnahme der Heilbehandlung muss sein, dass eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt werden kann. Die Vorschrift gilt entsprechend bei Teilzeitarbeit (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 45 SGB VII).

Der Anspruch auf Maßnahmen zur Heilbehandlung ergibt sich aus § 26 SGB VII. Was zu den Maßnahmen zur Heilbehandlung zählt, ist in den §§ 27 ff. SGB VII geregelt. Maßnahmen zur Heilbehandlung sind nach § 27 Abs. 1 SGB VII insbesondere:

  1. Erstversorgung,
  2. ärztliche Behandlung (§ 28 SGB VII),
  3. zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 SGB VII),
  4. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§§ 29, 10 und 31 SGB VII),
  5. häusliche Krankenpflege (§ 32 SGB VII),
  6. stationäre Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen (§ 33 SGB VII) und
  7. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 7 und Abs. 3 des SGB IX.

Nach § 45 Abs. 3 SGB VII besteht Anspruch auf Verletztengeld, wenn in einer Einrichtung Maßnahmen der Heilbehandlung und gleichzeitig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Versicherte erbracht werden. Voraussetzung ist, dass die Versicherten arbeitsunfähig sind oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII (unmittelbar vorher Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, oder einer dort genannten Lohnersatzleistung) erfüllt sind. Die Regelung löst den Widerspruch zwischen § 45 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative, nach der bei Maßnahmen zur Heilbehandlung Verletztengeld zu zahlen ist, und § 49 SGB VII, der bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld vorsieht (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 45 SGB. VII).

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2.2.2.5 Verletztengeld für die Wartezeit bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

§ 45 Abs. 2 SGB VII stellt die Voraussetzungen für den Bezug von Verletztengeld in dem Zeitraum nach der Heilbehandlung und vor dem Beginn der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie vor und während der Durchführung einer Maßnahme zur Berufsfindung oder Berufserprobung auf. Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein:

  1. Es müssen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinn von § 35 SGB VII erforderlich sein (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Der Anspruch auf Verletztengeld besteht weiter, wenn der Versicherte nach Abschluss der Heilbehandlung auf erforderliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.d. § 35 Satz 1 SGB VII warten muss. Die Erforderlichkeit von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben muss bei Abschluss der Maßnahmen zur Heilbehandlung objektiv feststehen. Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der beruflichen Rehabilitationsleistungen erbracht. Danach schließt sich ggf. ein Übergangsgeld nach § 48 SGB VII an.
  2. Der Versicherte darf den fehlenden unmittelbaren zeitlichen Anschluss der beruflichen Rehabilitation an die Heilbehandlung nicht zu vertreten haben (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VII). Nicht zu vertreten sind Gründe, auf die er keinen Einfluss nehmen kann. Zur Auslegung des Vertretenmüssens ist zudem § 51 Abs. 2 SGB IX heranzuziehen, nach dem insbesondere dann die Leistungsempfänger die Verzögerung zu vertreten haben, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten ablehnen (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 45 SGB VII). Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit müssen die durch die Blindheit oder Sehbehinderung gegebenen Erschwernisse berücksichtigt werden.
  3. Während der Wartezeit muss der Versicherte die bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können, ihm eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden können oder er diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VII). Diese Voraussetzungen müssen vorliegen, obwohl keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliegt; denn in diesem Fall wäre der Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 erste Alternative gegeben. Auch bei diesen Erfordernissen fallen die durch die Blindheit oder Sehbehinderung gegebenen Erschwernisse ins Gewicht.
  4. Unmittelbar vor der Entstehung des Anspruchs auf Verletztengeld muss ein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine Lohnersatzleistung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII bestanden haben (Verweisung in § 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII).

Der Anspruch auf Verletztengeld besteht nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB VII auch für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung. Aus der systematischen Stellung dieser Leistungen in § 33 Abs. 4 SGB IX ergibt sich, dass sie keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind, sondern Maßnahmen des Verwaltungsverfahrens im Zusammenhang mit der Auswahl der Leistungen, bei denen die Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 45 SGB VII).  Die oben aufgeführten Voraussetzungen müssen gegeben sein. Das ergibt sich aus der Verweisung in Abs. 2 Satz 3 auf die Sätze 1 und 2 dieses Absatzes.

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2.2.2.6 Verletztengeld bei Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines verletzten Kindes

Der Anspruch auf Verletztengeld besteht nach § 45 Abs. 4 SGB VII für einen Elternteil auch, wenn wegen eines Versicherungsfalles eines Kindes eine Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des verletzten Kindes notwendig ist, für diese Zeit (Kinderpflege-Verletztengeld). Die Regelung entspricht derjenigen, wie sie in § 45 SGB V für das Pflegekrankengeld bei Erkrankung eines Kindes oder eines auf Hilfe angewiesenen behinderten Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt ist. § 45 SGB V gilt deshalb gemäß der Verweisung in § 45 Abs. 4 SGB VII entsprechend. Vgl. zum Pflegekrankengeld nach § 45 SGB V den Abschnitt 2.1.2 in diesem Heft. Das Pflege-Verletztengeld gleicht den infolge der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege entstandenen Verdienstausfall aus. Anspruchsberechtigt sind nur die Personen, die unmittelbar vor dem Versicherungsfall Anspruch auf Arbeitseinkommen oder Lohnersatzleistungen im Sinn des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII hatten. Überdies besteht gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit gemäß § 45 Abs. 3 und 5 SGB V. Das Kinderpflege-Verletztengeld wird für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage je Elternteil am Stück, insgesamt für jeden Elternteil jährlich längstens für 25 Arbeitstage gezahlt. Für alleinerziehende Versicherte gelten höhere Grenzen (vgl. § 45 Abs. 2 SGB V). Da sich das Kinderpflege-Verletztengeld folglich nach Arbeitstagen richtet, ist das kalendertäglich berechnete Verletztengeld auf Arbeitstage umzurechnen (vgl. zu diesem Absatz Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 45 SGB VII).

Voraussetzung des Kinderpflege-Verletztengeldes ist der Versicherungsfall eines Kindes bei einer im Rahmen des SGB VII versicherten Tätigkeit (z.B. in der Schule, im Kindergarten). Bei Kindern, Schülern und Studierenden haben sich anstelle von „Arbeitsunfähigkeit" die Begriffe „Spielunfähigkeit", „Schulunfähigkeit" und „Studierunfähigkeit" eingebürgert. Zu den Kindern zählen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 10 Abs. 2 und 4 SGB V nicht nur die leiblichen Kinder, sondern auch Stiefkinder, Kinder des Lebenspartners, Pflegekinder, Enkelkinder, die überwiegend unterhalten werden, und u.U. die zur Adoption vermittelten Kinder. Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld besteht bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres oder ohne altersmäßige Begrenzung bei Behinderung des Kindes, wenn es auf Hilfe angewiesen ist und an einer Erkrankung i.S.d. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB V leidet. Die Verletzung oder Erkrankung des Kindes muss kausal für eine notwendige Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege durch einen Elternteil sein. Die Notwendigkeit der Beaufsichtigung etc. ist von einem Arzt zu bescheinigen (Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 45 SGB VII).

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2.2.3 Kausalität

Um einen Versicherungsfall bejahen zu können, muss ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bestehen, und zwar:

  1. zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis (haftungsbegründende Kausalität) und
  2. zwischen der Auswirkung auf den Körperzustand und einem Gesundheitsschaden als Unfallfolge (haftungsausfüllende Kausalität).

Fragen des ursächlichen Zusammenhangs werden nach dem in allen Bereichen des Sozialrechts herrschenden Ursachenbegriff der wesentlichen Bedin­gung beantwortet, kurz gefasst:

Von einem Bündel mehrerer Mitursachen werden als ursächlich nur die Bedingungen anerkannt, die wesentlich zum Erfolg (z.B. zur Erblindung) mitgewirkt haben. Dabei sind die Mitursachen wertend gegenein­ander abzuwägen. Es reicht aus, dass der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit neben anderen Bedingungen eine mindestens gleich­wertige Mitursache ist. Für die Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitsstörung ist die bloße Wahrscheinlichkeit ausreichend. Einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (Vollbeweis) bedarf es nicht. Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftigem Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann (Sächs. LSG, Urteil v. 30.05.2003, L RU 17/00). Ein ursächlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf anderen Gründen beruht. Solange der Versicherungsfall allein die Arbeitsunfähigkeit begründen kann, stehen nachträgliche oder andere unfallunabhängige Erkrankungen oder Verletzungen, die ebenfalls für sich allein Arbeitsunfähigkeit bedingen könnten, dem Verletztengeld nicht entgegen (BSG, Urteil v. 26.05.1977, 2 RU 80/76, BSGE 44 S. 22; LSG NW, Urteil v. 30.01.2003, L 2 U 78/00).

Liegt indes bereits eine Erkrankung vor, die mit dem Versicherungsfall, z.B. dem Unfall nichts zu tun hat und die die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, sind spätere unfallbedingte Verletzungen und Erkrankungen nicht kausal für die ja bereits bestehende Arbeitsunfähigkeit (Saarl. LSG, Urteil v. 17.05.2006, L 2 U 170/05; Fröhlke, in: Lauterbach, SGB VII, § 45 RZ. 15 m.w.N.). Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 45 SGB VII.

Eine Beweiserleichterung für den Nachweis der Verursachung einer Berufskrankheit durch die Tätigkeit bringt § 9 Abs. 3 SGB VII: Wenn Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen erkranken und Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden können, wird vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

Beim Kinderpflege-Verletztengeld nach § 45 Abs. 4 SGB VII muss nicht nur die zwischen der versicherten Tätigkeit (z.B. in der Kindertagesstätte oder in der Schule) und der Verletzung oder Erkrankung erforderliche Kausalität gegeben sein. Die Verletzung oder Erkrankung des Kindes muss vielmehr auch kausal für eine notwendige Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege durch einen Elternteil sein. Die Notwendigkeit der Beaufsichtigung etc. ist von einem Arzt zu bescheinigen.

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2.2.4 Beginn und Ende des Anspruchs auf Verletztengeld

Der Beginn und das Ende des Verletztengeldes richtet sich in den Versicherungsfällen des Berufsunfalls (§ 8 SGB VII) und der Berufskrankheit (§ 9 SGB VII) nach § 46 SGB VII. Für das Verletztenpflegegeld eines Kindes ergeben sich Beginn und Dauer des Anspruchs gemäß der Verweisung in § 45 Abs. 4 SGB VII aus § 45 SGB V. Vgl. dazu 2.2.1.2.6.

§ 46 Abs. 1 SGB VII normiert den Beginn der Zahlung von Verletztengeld.

Nach § 46 Abs. 2 SGB VII kann durch Satzung bestimmt werden, dass bei Unternehmern, ihren Ehegatten und Lebenspartnern sowie bei den den Unternehmern Gleichgestellten in den ersten 13 Wochen Verletztengeld gar nicht oder nur teilweise gezahlt wird.

§ 46 Abs. 3 SGB VII regelt das Ende des Verletztengeldbezuges in verschiedenen Fallkonstellationen.

Verletztengeld wird nach § 46 Abs. 1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Die Feststellung kann von jedem Arzt getroffen werden.

Auf den Anspruch auf Verletztengeld wird gezahltes Arbeitsentgelt angerechnet, sodass die Zahlung erst mit Ablauf der Entgeltfortzahlung beginnt.

§ 46 Abs. 3 SGB VII regelt das Ende des Anspruchs von Verletztengeld. Hieran knüpft § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII den Beginn der Renten an Versicherte. Weitere Fälle des Rentenbeginns regelt § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII.

Das Verletztengeld endet nach § 46 Abs. 3 SGB VII

  1. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
  2. mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld im Sinn des § 49 SGB VII entsteht. Übergangsgeld wird nach § 49 SGB VII für die Zeit gezahlt, in der infolge des Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden.

Schließlich endet in den Fällen des § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII der Anspruch auf Verletztengeld, wenn nicht mehr damit zu rechnen ist, dass Arbeitsfähigkeit wieder eintritt und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind. Hierdurch wird der Charakter des Verletztengeldes als vorübergehende Leistung gewahrt. Die Möglichkeit des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit ist regelmäßig durch ein medizinisches Sachverständigengutachten festzustellen (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 46 SGB VII). Maßgeblich sind hier auch Tätigkeiten, auf die der Versicherte verwiesen werden kann. Hinsichtlich des genauen Zeitpunktes der Beendigung unterscheidet § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII insgesamt 3 Fallkonstellationen:

  1. Wenn die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können, endet das Verletztengeld mit diesem Tag (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII). Eine Berufs- oder Erwerbstätigkeit steht zur Verfügung, wenn sie dem Versicherten durch den Träger der Unfallversicherung oder die Agentur für Arbeit konkret angeboten wird. Dafür genügt es, wenn der Arbeitgeber allgemein bereit ist, die Stelle mit einer Person mit entsprechenden gesundheitlichen Problemen zu besetzen.
  2. Sofern der Versicherte Leistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V bezieht, endet das Verletztengeld am Tag vor deren Beginn, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VII). Hierzu zählen insbesondere die Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI), wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) oder die gesetzliche Vollrente wegen Alters (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 SGB VI) sowie Ruhegehälter, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gezahlt werden.
  3. Im Übrigen endet der Anspruch auf Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII). Die Formulierung „im Übrigen" verdeutlicht, dass Nr. 3 eine Auffangvorschrift im Rahmen des § 46 Abs. 3 Satz 2 ist und daher die Obergrenze für den Bezug von Verletztengeld aufstellt, soweit mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und berufliche Rehabilitationsleistungen nicht zu erbringen sind. Ist über die 78. Woche hinaus noch mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zu rechnen oder stehen berufliche Rehabilitationsleistungen an, greift § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 nicht. Dann ist auch über die 78. Woche hinaus Verletztengeld zu erbringen. Gleiches gilt, wenn über die 78. Woche hinaus eine stationäre Behandlung stattfindet (Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 46 SGB VII).

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2.2.5 Höhe des Verletztengeldes

Die Höhe des Verletztengeldes richtet sich nach § 47 SGB VII. Die Norm regelt die Höhe des Verletztengeldes. Es beträgt im Regelfall 80 % des Regelentgelts, das aus dem regelmäßigen Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt (Regelentgelt) zu berechnen ist. Versicherte, die zuvor andere Leistungen bezogen haben, wie z.B. Arbeitslosengeld, erhalten Verletztengeld in voller Höhe dieser vorherigen Bezüge. Im Einzelnen stellen sich die Regelungen wie folgt dar:

Die einzelnen Absätze des § 47 SGB VII regeln die Berechnung des Verletztengeldes für unterschiedliche Konstellationen.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe des Verletztengeldes für Arbeitnehmer, die Einkommen aus unselbständiger Arbeit und eventuell daneben auch aus selbständiger Arbeit erzielen und während dieser Tätigkeit einen Versicherungsfall erleiden, mit einigen Modifizierungen grundsätzlich nach der Krankengeldregelung in § 47 Abs. 1 und 2 SGB V. Personen, die nur Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielen, fallen nicht unter § 47 Abs. 1 SGB VII, sondern unter § 47 Abs. 5 SGB VII.

Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Erfasst sind damit auch tarifvertragliche Zulagen, vermögenswirksame Leistungen, Zuschläge für Nachtarbeit, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsgeld, Sachbezüge etc. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (vgl. § 15 SGB IV).

Mit dem Verletztengeld steht sich der Versicherte besser als mit dem Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Verletztengeld beläuft sich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII auf 80 % des Regelentgelts und weicht damit der Höhe nach vom Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung, das gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur 70 % des Regelentgelts beträgt, ab. Überdies ist das Verletztengeld auf 100 % des Nettoarbeitsentgelts beschränkt, wohingegen das Krankengeld nicht mehr als 90 % des Nettoarbeitsentgelts betragen darf. Bei der Berechnung dieser Obergrenze i.S.d. § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB V sind Einmalzahlungen nicht zu berücksichtigen (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 47 SGB VII,  LSG  Berlin, Urteil v. 23.2.2004, L16 U 41/03).

Gemäß § 47 Abs. 5 SGB VII erhalten Versicherte, die den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer, mitarbeitender Ehegatte oder Lebenspartner oder den Unternehmern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Gleichgestellte (das sind Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind) erlitten haben, Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des Jahresarbeitsverdienstes. Für sie ist somit nicht § 47 Abs. 1 SGB VII einschlägig. Der persönliche Anwendungsbereich des § 47 Abs. 5 SGB VII umfasst daher Unternehmer, die kraft Gesetzes gemäß § 2 SGB VII versichert sind sowie die kraft Satzung Pflichtversicherten (§ 3 SGB VII) und freiwillig Versicherten (§ 6 SGB VII).

Die übrigen Absätze des § 47 SGB VII regeln die Berechnung des Verletztengeldes in Sonderfällen, etwa für Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II etc. (§ 47 Abs. 2), für Entwicklungshelfer (§ 47 Abs. 3), für Bezieher von Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld (§ 47 Abs. 4) und für Strafgefangene (§ 47 Abs. 6).

Nach § 47 Abs. 2 SGB VII erhalten Versicherte, die Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld bezogen haben, Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes nach § 47b SGB V. Versicherte, die nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem SGB II bezogen haben, erhalten Verletztengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II.

§ 47 Abs. 4 SGB VII regelt das Verletztengeld für Versicherte, die unmittelbar vor dem Versicherungsfall Kranken-, Verletzten-, Versorgungskranken- oder Übergangsgeld bezogen haben. Bei der Berechnung des Verletztenkrankengeldes wird von dem bisher zugrunde gelegten Regelentgelt ausgegangen. Es findet daher keine Neuberechnung des Regelentgelts statt.

§ 47 Abs. 8 SGB VII ermöglicht für Personen, die voraussichtlich eine Ausbildung beendet hätten, und ähnliche Fälle die Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes. Nach dieser Norm findet die Regelung des § 90 Abs. 1 und 3 SGB VII zur Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes nach voraussichtlicher Beendigung einer Schul- oder Berufsausbildung oder nach tariflichen Berufs- oder Altersstufen entsprechende Anwendung. Eine Neufestsetzung auf der Basis des Arbeitsentgelts, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters vorgesehen ist, erfolgt, sofern das für den Versicherten günstiger ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 24 zu § 47 SGB VII).

Das Verletztengeld ist gemäß § 50 SGB IX dynamisiert. Vgl. dazu 2. am Ende.

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2.2.6 Anrechnung von Einkommen

§ 52 SGB VII regelt abweichend von § 52 SGB IX die Anrechnung von gleichzeitig erzieltem Einkommen auf das Verletzten- und das Übergangsgeld, wenn für letzteres die Unfallversicherung leistungspflichtig ist. Durch die Anrechnung soll eine Doppelleistung vermieden werden. Für das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse vgl. § 49 SGB V. Dort wird in entsprechenden Fällen das Ruhen des Krankengeldes angeordnet.

Wenn während des Bezugs von Verletztengeld oder Übergangsgeld Einkommen erzielt wird, ist dieses entsprechend den Regelungen in § 52 SGB VII anzurechnen. Danach werden angerechnet:

  1. beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) - insbesondere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), das bei Arbeitnehmern um die gesetzlichen Abzüge und bei sonstigen Versicherten um 20 vom Hundert vermindert ist. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wie z.B. Weihnachtsgeld, bleibt dabei unberücksichtigt.
  2. Mutterschaftsgeld, Versorgungskrankengeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur dahrlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II. Die Anrechnung erfolgt auch, wenn Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB III wegen einer Sperrzeit ruhen oder das Arbeitslosengeld II als Sanktionsmaßnahme nach § 31 des SGB II abgesenkt worden ist in Höhe der zugrunde liegenden Leistung. Die Sanktionsmaßnahmen sollen durch das SGB VII nicht unterlaufen werden. Im Gegensatz zu Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen werden diese Sozialleistungen in voller Höhe angerechnet.

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2.3 Versorgungskrankengeld im sozialen Entschädigungsrecht

Auch das Versorgungskrankengeld nach dem Bundesversorgungsgesetz hat Einkommensersatzfunktion. Rechtsquelle sind die §§ 16 bis 16h Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der Anspruch besteht für die Versorgungsberechtigten nach dem BVG und für Berechtigte nach den in § 68 Nr. 7 SGB I genannten Gesetzen, die auf das BVG verweisen. Zum berechtigten Personenkreis vgl. auch Heft 03 Nr. 8 dieser Schriftenreihe. Das BVG ist für Kriegsbeschädigte im Sinn der §§ 1 ff. BVG einschlägig, also für Schäden, die im Zusammenhang mit Kriegsdienst oder Schäden, die im Zusammenhang mit Kriegsereignissen entstanden sind. Zu den in § 68 Nr. 7 SGB I im Einzelnen aufgeführten Verweisungsnormen zählen u.a. § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes, § 59 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes, § 47 des Zivildienstgesetzes, § 60 des Infektionsschutzgesetzes (Impfopfer) und § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (Opfer von Gewalttaten).

Die Regelungen in den §§ 16 bis 16h BVG für das Versorgungskrankengeld entsprechen denjenigen für das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. für das Verletztenkrankengeld der gesetzlichen Unfallversicherung.

So besteht Anspruch auf Versorgungskrankengeld nach § 16 Abs. 1 Buchstabe a) BVG für Beschädigte, wenn sie wegen einer Gesundheitsstörung, die als Folge einer Schädigung anerkannt ist oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht ist, arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung werden.

Als arbeitsunfähig ist nach § 16 Abs. 2 auch anzusehen, wer wegen der Durchführung einer stationären Behandlungsmaßnahme der Heil- oder Krankenbehandlung, einer Badekur oder ohne arbeitsunfähig zu sein, wegen einer anderen Behandlungsmaßnahme der Heil- oder Krankenbehandlung, ausgenommen die Anpassung und die Instandsetzung von Hilfsmitteln, keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann.

Einem versorgungsberechtigten Kind steht nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BVG im Falle einer schädigungsbedingten Erkrankung und dadurch erforderlichen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege für den betreuenden Elternteil ein Anspruch auf Versorgungskrankengeld in entsprechender Anwendung des § 45 des SGB V  zu.

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2.4 Übergangsgeld der Rentenversicherungsträger im Zusammenhang mit medizinischer Rehabilitation

Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 leisten die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld nach Maßgabe der Bestimmungen im SGB IX und der §§ 20 und 21 des SGB VI. Da auf das Übergangsgeld unter 3 „Unterhaltsleistungen im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ näher eingegangen wird, wird auf die dortigen Ausführungen unter 3.3 verwiesen.

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 3. Leistungen zum Lebensunterhalt im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Ausgangsnormen sind die §§ 44 und 45 SGB IX.

§ 44 SGB IX verschafft einen Überblick über Leistungen, die von den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX aufgeführten Rehabilitationsträgern ergänzend zu den „Hauptleistungen" der medizinischen Rehabilitation (§§ 26 ff. SGB IX) und der Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff. SGB IX) in Betracht kommen. Ausgenommen sind die Träger der Sozialhilfe (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX) und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX).

§v45 SGB IX verschafft einen Überblick über die Leistungen, die den Lebensunterhalt der behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen und ihrer Familienangehörigen im Zusammenhang mit medizinischen Rehabilitationsleistungen (§§ 26 ff. SGB IX) und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33 ff. SGB IX) sicherstellen sollen. Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 55 ff. SGB IX) sieht § 45 SGB IX nicht vor; die Leistungen sind weiterhin im rehabilitationsträgerspezifischen Recht der Sozialhilfeträger (SGB XII) geregelt.

Vgl. zum Gegenstand dieses Abschnitts auch die Ausführungen in Heft 5 dieser Schriftenreihe, dort insbesondere Abschnitt 4.3.4. Die Leistungen im Zusammenhang mit medizinischer Rehabilitation wurden unter Nr. 2 dieses Heftes behandelt. Gegenstand dieses Abschnitts sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 45 SGB IX sind

  1. das Übergangsgeld (§ 45 Abs. 2 und 3 SGB IX) und
  2. das Ausbildungsgeld der Bundesagentur für Arbeit bzw. die Unterhaltsbeihilfe der Träger der Kriegsopferfürsorge (§ 45 Abs. 5 SGB IX).

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3.1 Übergangsgeld im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Zur Sicherung des Lebensunterhalts leisten die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 45 Abs. 2 SGB IX und nach den für sie jeweils ergänzend maßgebenden Bestimmungen in den Spezialgesetzen Übergangsgeld. Die Ausgestaltung des Übergangsgeldes ist in den §§ 46 bis 52 SGB IX enthalten, wobei die abweichenden Regelungen für die einzelnen Rehabilitationsträger zu beachten sind. Das sind:

  • für die Träger der Unfallversicherung die §§ 49 bis 52 des SGB VII,
  • für die Träger der Rentenversicherung die §§ 20 und 21 des SGB VI,
  • für die Bundesagentur für Arbeit die §§ 160 bis 162 des SGB III und
  • für die Träger der Kriegsopferfürsorge § 26a des Bundesversorgungsgesetzes.

Bezüglich der Berechnung und Zahlungsweise verweisen diese Vorschriften auf die §§ 45 ff. SGB IX.

Voraussetzung für den Anspruch auf Übergangsgeld ist jeweils, dass der Rehabilitand arbeitsunfähig ist oder wegen der Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann (§ 49 SGB VII § 20 SGB VI, § 160 SGB III, § 26a BVG).

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3.1.1 Leistungsgrund

Bei welchen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld gezahlt werden kann, richtet sich nach dem rehabilitationsträgerspezifischen Recht i.V.m. §§ 33 bis 38 SGB IX, auf die jeweils verwiesen wird. § 33 Abs. 1 SGB IX bestimmt, dass zur Teilhabe am Arbeitsleben die Leistungen erbracht werden, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Zu den das Übergangsgeld auslösenden Leistungen zählen die Leistungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 SGB IX (Berufsvorbereitung, betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung, berufliche Anpassung und Weiterbildung und berufliche Ausbildung), nach § 39 SGB IX (Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen) und nach § 40 SGB IX (Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen) (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 45 SGB IX).

Der Anspruch auf Übergangsgeld besteht nach § 45 Abs. 3 SGB IX auch für den Zeitraum, in dem die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt wird (§ 33 Abs. 4 Satz 2 SGB IX), wenn die Teilnehmer an einer solchen Maßnahme wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen. In der Regel sind die Rehabilitanden jedoch arbeitslos oder arbeitsunfähig und erhalten Arbeitslosengeld bzw. Krankengeld. Dann ist in diesen Fällen die Voraussetzung, dass der Versicherte wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt, nicht erfüllt; Begründung: Die Versicherten sind bereits durch ihre Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit gehindert, Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen (Haufe Onlinekommentar RZ. 21 zu § 45 SGB IX).

Bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld zahlen weder die Rentenversicherungsträger noch die Agentur für Arbeit Übergangsgeld. Der Anspruch ruht, und zwar auch dann, wenn das Übergangsgeld höher wäre (§ 45 Abs. 4 SGB IX). Bei der Unfallversicherung wird dagegen der Anspruch auf Mutterschaftsgeld auf das Übergangsgeld angerechnet. Mutterschaftsgeld wird nach § 13 MuSchG bzw. § 200 RVO für 6 Wochen vor der Entbindung, den Entbindungstag und für 8 Wochen - bei Frühgeburten oder Mehrlingsgeburten sogar für 12 Wochen - nach der Entbindung gezahlt.

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3.1.2 Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes

Die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes ergibt sich für Rehabilitanden, die zum Personenkreis der Arbeitnehmer (Terminus Arbeitsentgelt) oder der selbständig Tätigen (Terminus Arbeitseinkommen) zählen, im Regelfall aus § 46 SGB IX. Das Übergangsgeld für Bezieher von Arbeitslosengeld ist dagegen in anderen Vorschriften geregelt.

Die Berechnung des Übergangsgeldes erfolgt in zwei Schritten: Auszugehen für die Berechnung des Übergangsgelds ist im ersten Schritt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bei allen Rehabilitationsträgern von 80 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts (§ 14 SGB IV) und Arbeitseinkommens (§ 15 SGB IV), soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Wenn das nach § 47 SGB IX berechnete Nettoarbeitsentgelt niedriger als die Beitragsbemessungsgrenze ist, muss von 80 vom Hundert dieses Betrages ausgegangen werden. Für Sonderfälle gilt nach § 48 SGB IX eine abweichende Berechnungsgrundlage.

Im zweiten Schritt wird die Höhe des Übergangsgeldes, das sich aus einem Prozentsatz des im ersten Schritt ermittelten Betrages ergibt, festgestellt.

Das Übergangsgeld beträgt nach § 46 Abs. 1 Satz 3 SGB IX:

  1. 75 % für Leistungsempfänger, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, oder deren Ehegatten oder Lebenspartner, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können, weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben; Gleiches gilt für Leistungsempfänger, die ein Stiefkind (§ 56 Absatz 2 Nummer 1 des SGB I) in ihren Haushalt aufgenommen haben,
  2. für die übrigen Leistungsempfänger, also solchen ohne die unter 1. genannten Familienverhältnisse, 68 %

des für die Bemessung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder § 48 SGB IX in den dort genannten Sonderfällen maßgebenden Betrages.

Beispiel:

Die Bemessungsgrundlage in der Rentenversicherung beträgt 2011 in den alten Bundesländern monatlich 5.500,00 Euro. Auf Tage umgerechnet 183,00 Euro.

Wenn das Nettoeinkommen über diesem Betrag lag, ist von dieser Bemessungsgrundlage auszugehen. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen darunter lag, ist von diesem niedrigeren Betrag auszugehen.

Im ersteren Fall ist der Ausgangsbetrag 80 % von 183,00 Euro = 146,40 Euro.

Das Übergangsgeld beträgt täglich dann im Fall von § 46 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB IX (Fälle mit Familienkomponente) 75 % aus 146,40 = 109,00 Euro.

Im Fall von § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB IX (sonstige Fälle) beträgt es 68 % aus 146,40= 99,50 Euro.

Beim Übergangsgeld der Träger der Kriegsopferfürsorge wird nach § 46 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unter den Voraussetzungen von § 46 Satz 3 Nr. 1 SGB IX (Fälle mit Familienkomponente) Übergangsgeld in Höhe von 80 von hundert, im Übrigen von 70 von hundert der Bemessungsgrundlage gewährt.

Wenn bei Arbeitslosigkeit im Anschluss an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht, vermindert sich dieses gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 SGB IX in den Fällen des § 46 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB IX (Fälle mit Familienkomponente) auf 67 % bzw. in den übrigen Fällen auf 60 % des sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder § 48 SGB IX ergebenden Betrages. Nach § 51 Abs. 4 SGB IX werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sich die Betroffenen bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und ihnen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten zusteht.

Sonderfälle behandelt § 48 SGB IX. In den Fällen, in denen vor Beginn der Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben kein Arbeitseinkommen erzielt wurde oder die Berechnung nach den §§ 46 und 47 zu einem geringeren Betrag führt, werden 65 % des maßgebenden Tariflohns oder - wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt - 65 % des am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Anspruchsberechtigten üblichen Arbeitsentgelts zu einer Vergleichsberechnung herangezogen. Es gilt die für den Berechtigten günstigere Berechnungsgrundlage.

Das Übergangsgeld wird nach § 50 SGB IX an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst.

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3.1.3 Dauer der Leistung des Übergangsgeldes

Das Übergangsgeld wird gemäß § 45 Abs. 8 SGB IX für jeden Tag gezahlt, für den es beansprucht werden kann. Wenn die Leistung für einen ganzen Monat anfällt, wird dieser mit 30 Tagen angesetzt, unabhängig davon, wie viele Tage der Monat tatsächlich zählt. So werden auch der Januar, obwohl er 31 Tage zählt und der Februar, welcher 28 Tage (in Schaltjahren 29 Tage) zählt, mit 30 Tagen angesetzt (Beispiele bei Haufe Onlinekommentar RZ. 32 bis 36 zu § 45 SGB IX).

Ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht grundsätzlich nur für die Tage, an denen der Rehabilitand aktiv an der jeweiligen Maßnahme teilnimmt oder entschuldigt fehlt. Wenn Rehabilitanden während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen der Erkrankung eines Kindes von dieser freigestellt werden, haben sie trotz Fehlzeit weiterhin Anspruch auf Übergangsgeld - und zwar bis zu 10 Tage (für Alleinerziehende bis zu 20 Tage) im Kalenderjahr. Als Ende der Maßnahme und damit des Anspruchs auf Übergangsgeld zählt grundsätzlich der Tag, an dem der letzte Teil der Abschlussprüfung - das ist meist der mündliche Teil der Prüfung – bestanden wird. Auf den Zeitpunkt der Aushändigung des Prüfungszeugnisses kommt es nicht an. Ist eine Abschlussprüfung nicht vorgesehen, enden die Maßnahme und somit der Anspruch auf Übergangsgeld mit dem Besuch der letzten Ausbildungsveranstaltung.

In § 51 Abs. 1, 3 und 4 SGB IX wird geregelt, für welche Zeiten während einer Unterbrechung einer Teilhabeleistung bzw. im Anschluss an die aktive Teilnahme des Rehabilitanden an einer Teilhabeleistung das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld weiterzuzahlen ist. Dabei ist zu unterscheiden zwischen

  • dem Übergangsgeld, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld, welches nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitation oder Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bis zum Beginn weiterer Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu zahlen ist (Abs. 1),
  • dem Übergangsgeld oder der Unterhaltsbeihilfe, das/die während einer Unterbrechung der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben weiterzuzahlen ist (Abs.3) und
  • dem Übergangsgeld und der Unterhaltsbeihilfe, das/die im Anschluss an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei bestehender Arbeitslosigkeit gezahlt wird (Abs. 4).

Wenn nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 26 SGB IX), einer sonstigen Leistung zur Teilhabe (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI) oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 SGB IX) weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, während derer dem Grunde nach gemäß § 45 Abs. 2 SGB IX Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und diese zukünftigen Teilhabeleistungen aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden können, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld nach § 51 Abs. 1 SGB IX für diese Zwischenzeit weitergezahlt, wenn

  1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder
  2. ihnen eine zumutbare  Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.

Die Dauer der Unterbrechung spielt keine Rolle. Entscheidend ist die Feststellung zum Zeitpunkt der Beendigung der einen Maßnahme, dass objektiv gesehen weitere der in § 33 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 und 6 SGB IX genannten Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig werden. Diese Feststellung kann durch den Rehabilitationsträger bzw. durch einen für den Rentenversicherungsträger tätigen Dritten (z.B. Arzt einer Rehabilitationseinrichtung, Ärztlicher Dienst der Rentenversicherung) getroffen werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 51 SGB IX).

Sind nach medizinischen Rehabilitationsleistungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig und wird vor deren Beginn eine Berufsfindung oder Arbeitserprobung bzw. Trainingsmaßnahme durchgeführt, besteht zunächst bis zum Ende der Berufsfindung/Arbeitserprobung ein Anspruch auf die bisherige Zwischen-Entgeltersatzleistung. Falls aufgrund der Berufsfindung/Arbeitserprobung festgestellt wird, dass weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig sind, hat der Träger der Renten- oder Unfallversicherung sowie der Kriegsopferversorgung für die Zeit der Rehabilitationspause das Zwischen-Übergangsgeld, Zwischen-Verletztengeld bzw. Zwischen-Versorgungskrankengeld zu zahlen.

Der Grund für eine vom Rehabilitanden nicht zu vertretende Verzögerung der Leistungen kann z.B. in der Tatsache liegen, dass die Rehabilitationsmaßnahme erst wieder in mehreren Monaten beginnt. Solche Pausen können sich z. B. zwischen einer Berufsfindungsmaßnahme und der Aufnahme der blindentechnischen Grundausbildung oder auch zwischen dieser und der Aufnahme der Umschulung für einen Beruf ergeben.

Eine Voraussetzung für die Einkommensersatzleistungen für die Zwischenzeiten ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX, dass den Rehabilitanden eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann. Der Rehabilitand ist verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um die Maßnahmepausen zu vermeiden oder zu mindern. Bei blinden oder sehbehinderten Menschen wird es häufig nicht möglich sein, für solche Zwischenzeiten eine zumutbare Beschäftigung zu vermitteln.

Nach § 51 Abs. 2 SGB IX hat der Rehabilitand eine Maßnahmepause insbesondere dann zu vertreten, wenn er eine zumutbare Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wegen der Entfernung der Rehabilitationsstätte vom Wohnort nicht annimmt. Bezüglich der Zumutbarkeit verweist Abs. 2 auf § 121 Abs. 4 SGB III. Danach sind grundsätzlich Pendelzeiten von bis zu 2 1/2 Stunden je Tag zumutbar. Da es nur wenige Berufsförderungswerke oder Berufsbildungswerke für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen gibt und diese Einrichtungen in der Regel über Internate verfügen, werden hier vielen Rehabilitanden größere Entfernungen zur Rehabilitationsstätte nicht erspart bleiben.

In § 51 Abs. 3 SGB IX ist der Anspruch auf Entgeltersatzleistungen bei Unterbrechung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen geregelt. Ein Anspruch auf Übergangsgeld (§ 45 Abs. 2 SGB IX) und Unterhaltsbeihilfe (§ 45 Abs. 5 SGB IX) besteht bei Arbeitsunfähigkeit bis zu 6 Wochen (42 Tage) weiter, wenn der Rehabilitand seine Teilnahme allein aus gesundheitlichen Gründen unterbricht und nach der Unterbrechung voraussichtlich wieder an den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben teilnimmt.

Wenn die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen mehrfach unterbrochen wird, beginnt mit jedem Tag einer neuen Unterbrechung eine neue 6-Wochen-Frist (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 51 SGB IX).

In § 51 Abs. 4 SGB IX ist der Anspruch auf Übergangsgeld (§ 45 Abs. 2) bzw. Unterhaltsbeihilfe (§ 45 Abs. 5 SGB IX) bei Arbeitslosigkeit im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben geregelt. Voraussetzungen sind, dass der Anspruchsberechtigte

  1. eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgreich abgeschlossen hat und während dieser Leistung Übergangsgeld bzw. eine Unterhaltsbeihilfe beanspruchen konnte,
  2. arbeitslos i.S.d. § 119 SGB III ist,
  3. sich bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet hat (vgl. § 122 SGB III) und
  4. zeitgleich einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht geltend machen kann.

Arbeitslosigkeit i.S.d. § 119 SGB III liegt vor, wenn der ehemalige Rehabilitand

  • vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
  • sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
  • eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Wochenstunden umfassende Beschäftigung auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt sucht (Verfügbarkeit).

Bei verspäteter Meldung besteht der Anspruch erst ab dem Tag der Arbeitslosmeldung. Die Rehabilitanden müssen sich deshalb spätestens am Folgetag nach dem erfolgreichen Abschluss der Teilhabeleistung bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden. Erfolgt die Arbeitslosmeldung nicht rechtzeitig, ist erst ab dem Tag der Arbeitslosmeldung ein Anspruch auf Anschluss-Übergangsgeld bzw. Anschluss-Unterhaltsbeihilfe gegeben. Der Anspruch endet aber auch in diesen Fällen spätestens 3 Monate nach Abschluss der Teilhabeleistung.

Ein bestehender Anspruch auf Arbeitslosengeld schließt einen Anspruch auf die Anschluss-Entgeltersatzleistung aus; der Betroffene würde sonst Doppelleistungen erhalten.

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3.1.4 Anrechnung von Einkommen auf das Übergangsgeld

In § 52 SGB IX wird die Anrechnung von Einkommen auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 geregelt, also auf das Übergangsgeld der Bundesagentur für Arbeit, der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und der Träger der Kriegsopferfürsorge. Anspruchsgrundlage für das Übergangsgeld im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist für diese Rehabilitationsträger § 45 Abs. 2 Nrn. 2 bis 4 SGB IX.

Die Anrechnung von Einkommen auf das Übergangsgeld der gesetzlichen Unfallversicherung wird mit geringfügigen Abweichungen in § 52 SGB VII geregelt. Dazu vgl. 3.2.

Weil es sich beim Übergangsgeld um eine Lohnersatzleistung handelt, werden auf dieses die in § 52 Abs. 1 SGB IX in acht Ziffern aufgeführten Einkommen angerechnet. Andere Einkünfte - wie beispielsweise Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung - werden dagegen nicht auf das Übergangsgeld angerechnet.

Auf das Übergangsgeld wird nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung oder einer während des Anspruchs auf Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit angerechnet. Von diesem Einkommen sind bei Beschäftigten vor der Anrechnung die gesetzlichen Abzüge und einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wie z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Gratifikation, Prämien u.Ä. abzusetzen.

Bei sonstigen Leistungsempfängern ist das Einkommen pauschal um 20 vom Hundert zu vermindern. Wenn z.B. ein Selbständiger während des Bezuges von Übergangsgeld weiterhin Arbeitseinkommen erzielt (vgl. § 16 SGB IV), mindert sich das Übergangsgeld nicht um 100%, sondern lediglich um 80% des weiterhin durch die persönliche Tätigkeit erzielten Arbeitseinkommens.

Entscheidend für die Anwendung von § 52 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX ist, dass der Arbeitgeber aufgrund der erbrachten Arbeitsleistung oder aufgrund gesetzlicher/tariflicher Regelungen verpflichtet ist, dieses Arbeitsentgelt zu zahlen. Ein Beispiel ist die Pflicht zur Lohnfortzahlung bei Krankheit nach § 3 und bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 9 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EFZG).

Wird dagegen Arbeitsentgelt aufgrund einer freiwilligen Leistung des Arbeitgebers gezahlt (z.B. als freiwillig gezahlter Zuschuss zum Übergangsgeld etwa aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder auch im Einzelfall), kann dieses freiwillig gezahlte Arbeitsentgelt nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX nur soweit angerechnet werden, als der freiwillige Arbeitgeberzuschuss zusammen mit dem Übergangsgeld das pflichtmäßig erzielte Nettoarbeitsentgelt übersteigt. Das bedeutet, dass der Rehabilitand neben dem Übergangsgeld solche Einkünfte bis zur Höhe der Differenz zwischen Nettoarbeitsentgelt und Übergangsgeld erzielen kann, ohne dass diese Einkünfte angerechnet werden.

Beispiel (entnommen Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 52 SGB IX):

Der Versicherte erzielte vor Beginn der Rehabilitations- oder Teilhabemaßnahme ein tägliches Nettoarbeitsentgelt i.H.v. 100,00 Euro. Das Übergangsgeld beträgt 68,00 Euro täglich. Aufgrund einer betrieblichen Regelung erhält der Arbeitnehmer während der Rehabilitationsleistung wie alle anderen Arbeitnehmer des Betriebes ein tägliches Arbeitsentgelt von pauschal 60,00 Euro weitergezahlt. Diese Pauschale entspricht beim Versicherten einem täglichen Nettoarbeitsentgelt von 42,00 Euro.

Lösung:

Das Übergangsgeld i.H.v. 68,00 Euro und die Zuschuss-Leistung des Arbeitgebers (42,00 Euro netto) übersteigen das vorher erzielte Nettoarbeitsentgelt (100,00 Euro täglich) um 10,00 Euro. Deshalb ist das Übergangsgeld um 10,00 Euro auf 58,00 Euro täglich zu mindern.

Wenn das zuletzt erzielte Arbeitseinkommen mehr als drei Jahre zurückliegt, ist ein Sonderfall nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX gegeben. Das bedeutet, dass an die Stelle des zuletzt erzielten Nettoarbeitsentgelts als Berechnungsgrundlage 65 % des tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts tritt.

Beispiel aus Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 52 SGB IX:

Der Versicherte (der ein Kind hat) war längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt und erhielt zuletzt für eine Dauer von mehr als einem Jahr Krankengeld. Außerdem erhielt er danach für mehr als 2 Jahre Arbeitslosengeld. Weil sich der Gesundheitszustand des Versicherten bessert, erwägt der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Umschulung). Da Arbeitsentgelt während der letzten drei Jahre nicht (mehr) erzielt wurde, wird das dem Rehabilitanden zustehende Übergangsgeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX berechnet.

  • Tarifliches Arbeitsentgelt je Stunde: 14,00 Euro.
  • Tarifliche wöchentliche Arbeitszeit: 40 Stunden.
  • Tarifliche Einmalzahlungen stehen nicht zu.

Berechnung des Übergangsgeldes: 14,00 Euro x 40 Stunden = 560,00 Euro x 52 Wochen = 29.120,00 Euro; 29.120,00 Euro x 65% = 18.928,00 Euro (= fiktives tarifliches Jahres-Nettoarbeitsentgelt)

  • (Tägliche) Berechnungsgrundlage: 18.928,00 Euro : 360 Tage = 52,58 Euro
  • Tägliches Übergangsgeld nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB IX 75 %: 39,44 Euro

Weiterführung des Beispiels: Während der Teilhabeleistung zahlt der „Arbeitgeber" im Rahmen eines Praktikums einen Zuschuss in Höhe von (auf den Kalendertag umgerechnet) 20,00 Euro.

Lösung:

Das Übergangsgeld i.H.v. 39,44 Euro und der Zuschuss (20,00 Euro) - zusammen also 59,44 Euro - überschreiten die Berechnungsgrundlage (52,58 Euro) um 6,86 Euro. Das Übergangsgeld (39,44 Euro) ist deshalb um 6,86 Euro auf 32,58 Euro zu mindern.

Nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX sind auf das Übergangsgeld Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinn der §§ 43 bis 45 SGB VI oder Verletztenrenten im Sinn der §§ 56 ff. SGB VII in Höhe des sich aus § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des SGB IV ergebenden Betrages anzurechnen, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nicht ausgewirkt hat.

Das bedeutet, dass eine Anrechnung nur dann erfolgen kann, wenn das Übergangsgeld aus einem noch unverminderten Entgelt vor dem Rentenbeginn berechnet wurde. Wird das Übergangsgeld aus einem Bemessungszeitraum, der nach dem Rentenbeginn liegt, berechnet, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits auf das Übergangsgeld ausgewirkt hat; eine Anrechnung findet dann nicht mehr statt (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 52 SGB IX). Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 11 und 12 zu § 52 SGB IX.

Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nach § 52 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX über die in § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX getroffenen Regelungen hinaus auf das Übergangsgeld anzurechnen, wenn sie aus demselben Anlass wie die Leistung zur Rehabilitation erbracht werden und eine unbillige Doppelleistung darstellen würden. Angesprochen sind hier insbesondere Erwerbsminderungsrenten von z.B. berufsständischen Einrichtungen (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 52 SGB IX).

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3.1.5 Übergangsgeld der Unfallversicherungsträger

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX leisten die Träger der Unfallversicherung im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Maßgabe der Regelungen im SGB IX und der §§ 49 bis 52 des SGB XII Übergangsgeld.

Übergangsgeld wird nach § 49 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls (Arbeitsunfall gem. § 8 SGB VII oder Berufskrankheit gem. § 9 SGB VII) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinn von § 35 SGB XII erhalten. § 35 SGB VII verweist auf die Leistungen nach §§ 33 bis 38a SGB IX und auf die Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen nach §§ 40 und 41 SGB IX. Das Übergangsgeld ist eine unselbständige ergänzende Maßnahme zur Rehabilitation i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX.

Das Übergangsgeld stellt den Lebensunterhalt in dem Zeitraum sicher, in dem infolge des Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden. Es hat Entgeltersatzfunktion. Übergangsgeld erhalten aber auch Personen, die vor der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme kein Einkommen hatten. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang, ob auch Kinder, Schüler, Studenten und Hausfrauen einen Anspruch auf Übergangsgeld haben. Diese Frage wird relevant, wenn Kindern oder Jugendlichen Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung oder der Vorbereitung hierzu nach § 35 Abs. 2 SGB VII gewährt wird. Hier wird vertreten, dass der Wortlaut des § 49 SGB VII zu weitgehend sei. Für den Bezug von Übergangsgeld müsse es hypothetisch möglich gewesen sein, dass während dieser Maßnahme ein Einkommen erzielt worden wäre. Daher habe die nichterwerbstätige Hausfrau einen Anspruch auf Übergangsgeld, das Schulkind indes nicht, da das Jugendschutzgesetz eine Erwerbstätigkeit verbiete (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 49 SGB VII mit Hinweis auf Köllner in: Lauterbach, SGB VII, § 49 RZ. 9; Römer in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 49 RZ. 6). Da allein die Teilnahme an der Maßnahme die Absicht des Versicherten verdeutliche, berufstätig zu sein, sei die Kausalität zum Verdienstausfallschaden belegt.

Wenn Anspruch auf Verletztenrente besteht, wird das Übergangsgeld neben der Verletztenrente gewährt (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 49 SGB VII).

Für Leistungen zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung nach § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB IX bestimmt § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB VII, dass während dieser Zeit Verletztengeld gezahlt wird. Das SGB VII weicht damit ausdrücklich von § 45 Abs. 3 SGB IX ab, der für das Rehabilitationsrecht in diesen Fällen Übergangsgeld vorsieht. Sofern die Voraussetzungen für das Verletztengeld indes nicht vorliegen, soll dennoch die Gewährung von Übergangsgeld nach § 45 Abs. 3 SGB IX möglich sein (vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 5 mit Verweis auf Köllner in: Lauterbach, SGB VII, § 49 RZ. 17; Römer in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 49 RZ. 4).

Der Anspruch auf Übergangsgeld besteht in den übrigen Fällen des § 35 SGB IX unabhängig davon, ob die Leistung stationär, teilstationär oder ambulant erbracht wird oder Arbeitsunfähigkeit besteht oder der Betroffene wegen der Leistung zur Teilhabe an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit gehindert wird. Aus dem Sinn und Zweck der Norm, den Unterhalt zu sichern, der Entgeltersatzfunktion des Übergangsgeldes und aus der Formulierung „wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" in § 45 Abs. 3 SGB IX wird geschlossen, dass ein Anspruch auf Übergangsgeld voraussetzt, dass die Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme dazu führt, dass kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 49 SGB VII).

Mit der Auszahlung des Übergangsgeldes beauftragen die Unfallversicherungsträger regelmäßig die Krankenkassen gemäß § 189 SGB VII.

Für die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes verweist § 50 SGB VII auf die §§ 46 bis 51 des SGB IX. Da dazu im SGB VII nichts Abweichendes geregelt ist, gelten diese Vorschriften ausschließlich. Vgl. zur Höhe des Übergangsgeldes 3.1.4.

Bemessungsgrundlage für das Übergangsgeld ist im Unterschied zum Verletztengeld nicht 100 % des Regelentgelts, sondern nach § 46 SGB IX nur 80 % hiervon, soweit es die Höchstgrenze des Nettoarbeitsentgelts nach § 47 SGB IX nicht übersteigt. Die unterschiedliche Höhe von Verletzten- und Übergangsgeld verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen und Leistungsdauer eine Ungleichbehandlung rechtfertigen (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 50 SGB IX;  BSG, Urteil v. 05.03.2002, B 2 U 15/01 R, HVBG-Info 2002 S. 1149).

Für die Anrechnung des Einkommens auf das Übergangsgeld wird in § 50 SGB VII nicht auf § 52 SGB IX verwiesen, da in § 52 SGB VII eine eigene Anrechnungsregelung besteht.

§ 52 SGB VII regelt abweichend von § 52 SGB IX die Anrechnung von gleichzeitig erzieltem Einkommen auf das Verletzten- und das Übergangsgeld. Auch § 52 SGB VII soll eine Doppelleistung vermeiden.

Nach § 52 Nr. 1 SGB VII wird beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) - insbesondere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - oder Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), das bei Arbeitnehmern um die gesetzlichen Abzüge und bei sonstigen Versicherten um 20 % vermindert ist, auf das Verletzten- und Übergangsgeld angerechnet. Das gilt indes nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (z.B. Weihnachtsgeld). Für die Beitragspflichtigkeit des Arbeitsentgelts bzw. des Arbeitseinkommens ist die Beitragspflicht in der Unfallversicherung maßgeblich. Es wird also nur Einkommen angerechnet, für das der Arbeitgeber oder der Unternehmer Beiträge an die Unfallversicherung abführen muss. Folglich sind Renten, Zinseinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht anzurechnen. Eine Anrechnung erfolgt daher auch nicht bei den Zuschüssen des Arbeitgebers zum Verletztengeld etc. nach § 23c SGB IV, soweit sie das Nettoarbeitsentgelt nicht um mehr als 50,00 Euro im Monat übersteigen. Gleiches gilt für sonstige weiter bezogene Einnahmen aus der Beschäftigung i.S.d. § 23c Satz 1 SGB IV. Die Höchstjahresarbeitsverdienste nach den §§ 85, 153 SGB VII sind zu beachten. Nicht berücksichtigt werden hingegen Einkünfte aus anderen Beschäftigungen, da diese nicht in die Berechnung des Verletzten- oder Übergangsgeldes eingeflossen sind und daher auch keine Doppelleistung erfolgt (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 52 SGB VII mit Verweis auf Römer in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 52 RZ. 14). Demgegenüber sind Einkünfte aus Nebenbeschäftigungen, die während der Arbeitsunfähigkeit aufgenommen werden, anzurechnen (vgl. Römer, a.a.O.).

Im Gegensatz zu Arbeitsentgelt und -einkommen werden nach § 52 Nr. 2 SGB VII die dort genannten Sozialleistungen, also Mutterschaftsgeld, Versorgungskrankengeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld und nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II in voller Höhe angerechnet. Dies gilt auch, wenn Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II wegen einer Sperrzeit ruhen oder das Arbeitslosengeld II als Sanktionsmaßnahme nach § 31 SGB II abgesenkt worden ist. Die Sanktionsmaßnahmen sollen durch das SGB VII nicht unterlaufen werden.

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3.1.6 Übergangsgeld der gesetzlichen Rentenversicherungsträger

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX zählt das Übergangsgeld zu den ergänzenden Leistungen. Sinn ist die Sicherung des Lebensunterhaltes des Rehabilitanden und seiner Familie für die Zeit der Teilnahme an der Teilhabeleistung.

Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 SGB IX und nach Maßgabe der §§ 20 und 21 SGB VI zahlt der Rentenversicherungsträger das Übergangsgeld im Zusammenhang mit seinen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Die Voraussetzungen des Übergangsgeldes des Rentenversicherungsträgers sind in § 20 SGB VI, die Höhe ist in § 21 SGB VI geregelt. Soweit dort nichts Abweichendes bestimmt wird, finden die §§ 45 ff. SGB IX Anwendung (§ 7 SGB IX).

Unter den Bedingungen des § 20 SGB VI hat der Rentenversicherungsträger Übergangsgeld unabhängig davon zu zahlen, ob die Teilhabeleistung stationär oder (an deren Stelle) ambulant erbracht wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 20 SGB VI).

  • 16 SGB VI definiert, was alles zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählt, in dem er auf die Vorschriften nach den §§ 33 bis 38 SGB IX sowie auf das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen (§ 40 SGB IX) verweist. Dabei handelt es sich um folgende Teilhabeleistungen:
  • Trainingsmaßnahmen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX, solange sie nicht der Abklärung einer beruflichen Eignung dienen,
  • Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, wie z.B. der blindentechnischen Grundausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX),
  • berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss einschließen (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX),
  • berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX),
  • sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten (§ 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX),
  • Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§ 136 SGB IX), um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern (§ 39 SGB IX),
  • Leistungen in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (§ 40 SGB IX), und zwar
  • im Eingangsverfahren (die Leistungen dienen der Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist und welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen) und
  • im Berufsbildungsbereich (die Leistungen kommen in Betracht, wenn erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch später wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erreichen kann; die Leistungen dienen bei dieser günstigen „Erwerbsprognose" der Entwicklung der Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen).

Die Teilnahme an einer Abklärung der beruflichen Eignung (Berufsfindung) oder einer Arbeitserprobung für den allgemeinen Arbeitsmarkt wird dem Verwaltungsverfahren zugeordnet (vgl. § 33 Abs. 4 SGB IX) und gehört nicht zu den Leistungen nach § 33 Abs. 3 SGB IX. Unabhängig davon kann der Versicherte nach § 45 Abs. 3 SGB IX unter den dort aufgeführten Voraussetzungen Übergangsgeld beanspruchen.

Die Bestimmungen für die Berechnung des Übergangsgeldes hat der Gesetzgeber in einem Gesetzeswerk für alle Rehabilitationsträger zusammengefasst - nämlich im SGB IX. Die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes ist dabei in den §§ 46 bis 49 SGB IX geregelt. Dazu vgl. auch 3.1.2. § 21 SGB VI enthält daher in Abs. 1 den Verweis auf die Vorschriften des SGB IX und regelt in den folgenden Absätzen nur die spezifischen Besonderheiten bei der Berechnung des rentenversicherungsrechtlichen Übergangsgeldes. Aber auch in diesen Fällen sind ergänzend die Regelungen in den §§ 46 ff. SGB IX heranzuziehen.

Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, gilt § 21 SGB VI nicht nur bei medizinischen Rehabilitationsleistungen und bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern auch für die Übergangsgeldberechnung anlässlich sonstiger Leistungen zur Rehabilitation i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VI (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 21 SGB VI). Das sind „medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte, die eine besonders gesundheitsgefährdende, ihre Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflussende Beschäftigung ausüben“ (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) und „Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie ihre Angehörigen“ (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI).

In § 21 SGB VI wird bei der Ermittlung des Übergangsgeldes zwischen 3 Personenkreisen unterschieden, und zwar

  1. (renten)versicherungspflichtigen Arbeitnehmern,
  2. freiwillig Rentenversicherten und pflichtversicherten Selbständigen sowie
  3. Beziehern von Arbeitslosengeld nach dem SGB II und SGB III.

Maßgebend für die Berechnung des Übergangsgeldes ist der letzte rentenversicherungsrechtliche Versicherungsstatus. Für die Frage, welchen versicherungsrechtlichen Status ein anspruchsberechtigter Versicherter hat, ist auf die Verhältnisse unmittelbar vor Beginn der Teilhabeleistung (§ 4 SGB IX) abzustellen. War der Versicherte zum Zeitpunkt des Beginns der Teilhabeleistung bereits arbeitsunfähig, gilt der letzte rentenversicherungsrechtliche Status vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Abschn. IV des Gem. Rundschreibens der Rentenversicherungsträger zum Übergangsgeld - Stand Januar 2010 - wiedergegeben bei Haufe Onlinekommentar RZ. 31 ff. zu § 21 SGB VI).

Zusammengefasst sind folgende Vorschriften einschlägig:

§ 21 Abs. 1 SGB VI i.V.m. §§ 46 ff. SGB IX für die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes für (renten-)versicherungspflichtige Arbeitnehmer. Die Höhe berechnet sich ausschließlich nach diesen Bestimmungen des SGB IX. Zu beachten ist § 48 SGB IX für die Berechnung der Bemessungsgrundlage bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Sonderfällen, insbesondere wenn die Berechnung nach den §§ 46 und 47 SGB IX zu einem geringeren Betrag führt. Die Bemessungsgrundlage für die dazu vorzunehmende Vergleichsberechnung ist nach § 48 SGB IX 65 vom Hundert des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts.

§ 21 Abs. 2 SGB VI für die Berechnung der Bemessungsgrundlage bei freiwillig Rentenversicherten und pflichtversicherten Selbständigen. Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Höhe des Übergangsgeldes ist nach § 21 Abs. 2 SGB VI 80 vom Hundert des Einkommens, das den vor Beginn der Leistungen für das letzte Kalenderjahr (Bemessungszeitraum) gezahlten Beiträgen zugrunde liegt. In einem zweiten Schritt wird daraus nach § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Höhe des Übergangsgeldes errechnet. Vgl. dazu 3.1.2.

§ 21 Abs. 3 SGB VI Übernahme der Berechnungsgrundlage nach § 49 SGB IX, wenn unmittelbar vor der Teilhabeleistung der Rentenversicherung Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen wurde. Voraussetzung ist nach § 21 Abs. 3 SGB IX, dass Versicherte unmittelbar vor diesen Leistungen Pflichtbeiträge an den Rentenversicherungsträger geleistet haben. § 21 Absatz 3 SGB VI kommt ausschließlich für pflichtversicherte Arbeitnehmer infrage.

§ 21 Abs. 4 SGB VI für die Höhe des Übergangsgeldes bei Beziehern von Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation. Die Regelungen für diese beiden Gruppen sind unterschiedlich: Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld (§§ 117 ff. SGB III) bezogen und zuvor Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung gezahlt haben, erhalten Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen in Höhe des bei Krankheit zu erbringenden Krankengeldes (§ 47b SGB V). Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld II (§§ 19 ff. SGB II) bezogen haben, erhalten bei medizinischer Rehabilitation Übergangsgeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II.

§ 21 Abs. 5 SGB VI für die Erhöhung der Berechnungsgrundlage für Versicherte, die im Bemessungszeitraum eine Bergmannsprämie bezogen haben, um den Betrag dieser Prämie.

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3.1.7 Übergangsgeld der Bundesagentur für Arbeit

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 3 leistet die Bundesagentur für Arbeit im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Maßgabe des SGB IX und der §§ 160 bis 162 des SGB III Übergangsgeld.

Nach § 103 Nr. 1 i.V.m. §§ 160 bis 162 SGB III haben behinderte Menschen Anspruch auf Übergangsgeld, wenn sie an einer von der Agentur für Arbeit geleisteten Berufsausbildung, Berufsvorbereitung oder beruflichen Weiterbildung in einer speziellen Fördermaßnahme für behinderte Menschen nach § 102 SGB III teilnehmen und deshalb nicht ganztägig arbeiten können. Wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann, besteht nach § 103 Nr. 2 SGB III Anspruch auf Ausbildungsgeld. Dazu vgl. 3.6.

Der berechtigte Personenkreis ist in § 19 SGB III definiert.

Nach § 160 SGB III haben behinderte Menschen Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

  1. die Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld nach § 161 SGB III erfüllt ist und
  2. sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung (dazu zählt z.B. die blindentechnische Grundausbildung), der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a des SGB IX oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen (§§ 102 ff. SGB III) erbracht werden.

§ 161 SGB III normiert die Voraussetzungen für die Erfüllung der Vorbeschäftigungszeit, die nach § 160 Satz 1 Nr. 1 SGB III Anspruchsvoraussetzung für das Übergangsgeld an behinderte Menschen ist. § 161 SGB III konkretisiert § 103 Satz 1 Nr. 1 SGB III.

Die Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld ist nach § 161 Abs. 1 SGB III erfüllt, wenn der behinderte Mensch innerhalb der Rahmenfrist der letzten drei Jahre vor Beginn der Teilnahme

  1. mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitsförderung gestanden hat oder
  2. die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (§§ 117 ff. SGB III) oder Arbeitslosenhilfe (Arbeitslosengeld II nach §§ 19 ff. SGB II) im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld erfüllt und Leistungen beantragt hat.

Der Gesetzgeber erwartet nicht für die Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 161 Nr. 1 SGB III, dass Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung vorgelegen hat. Es genügen Versicherungspflichtzeiten nach den §§ 24 bis 26 SGB III. Verschiedene Versicherungspflichtzeiten werden zusammengerechnet.

Der Rahmen von drei Jahren, innerhalb dessen die Vorbeschäftigungszeit erfüllt sein muss, verlängert sich nach § 161 Abs. 2 Satz 2 SGB III um die Dauer einer Beschäftigung als Arbeitnehmer im Ausland, die für die weitere Ausübung des Berufes oder für den beruflichen Aufstieg nützlich und üblich ist, längstens jedoch um zwei Jahre, also auf höchstens 5 Jahre.

Der Vorbeschäftigungszeitraum von drei Jahren gilt aufgrund der Ausnahmeregelung in § 161 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht für behinderte Berufsrückkehrer. Es genügt, wenn die Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 SGB III unabhängig von einer Rahmenfrist überhaupt vorgelegen haben. Damit können behinderte Berufsrückkehrer unabhängig von der Dauer der Unterbrechung ihrer beruflichen Tätigkeit die Vorbeschäftigungszeit erfüllen.

Nach § 162 SGB III können behinderte Menschen auch dann Übergangsgeld erhalten, wenn die Vorbeschäftigungszeit nach § 161 Abs. 1 SGB III nicht erfüllt ist, jedoch innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Teilnahme

  1. durch den behinderten Menschen ein Berufsausbildungsabschluss aufgrund einer Zulassung zur Prüfung nach § 43 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes oder § 36 Abs. 2 der Handwerksordnung erworben worden ist oder
  2. ihr Prüfungszeugnis aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 50 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes oder § 40 Abs. 1 der Handwerksordnung dem Zeugnis über das Bestehen der Abschlussprüfung in einem nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung anerkannten Ausbildungsberuf gleichgestellt worden ist.

Der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Zeiten, in denen der behinderte Mensch nach dem Erwerb des Prüfungszeugnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet war.

§ 162 SGB III bestimmt abweichend von § 160 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, dass bestimmte behinderte Menschen bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen auch ohne Vorbeschäftigungszeit Übergangsgeld beziehen können, wenn sie an einer von der Agentur für Arbeit geleisteten Berufsausbildung, Berufsvorbereitung oder beruflichen Weiterbildung in einer speziellen Fördermaßnahme für behinderte Menschen nach § 102 SGB III teilnehmen. Zu beachten ist, dass Berufsausbildungen, die junge behinderte Menschen absolvieren, in aller Regel versicherungspflichtig zur Arbeitsförderung sind. Das ist sowohl bei Berufsausbildungsverhältnissen nach §§ 10 ff. BBiG als auch bei denen nach §§ 64 bis 66 BBiG der Fall, bei denen der Auszubildende eine Berufsausbildung unter erleichterten Bedingungen absolvieren kann, z.B. auch zur Abschlussprüfung zugelassen werden kann, obwohl er an vorgeschriebenen Zwischenprüfungen nicht teilgenommen, schriftliche Ausbildungsnachweise nicht geführt hat oder das Berufsausbildungsverhältnis nicht in das entsprechende Verzeichnis eingetragen worden ist. In all diesen Fällen genügt ein Jahr der Berufsausbildung, um die Vorbeschäftigungszeit zu erfüllen. Der Anwendung des § 162 bedarf es daher nicht. Vielmehr richtet sich in diesen Fällen der Rechtsanspruch nach § 161 SGB III.

Mit § 162 SGB III lässt der Gesetzgeber Ausnahmen zu, um behindertenspezifischen Belangen gerecht zu werden. Das ist nach Erreichen der in § 162 SGB III genannten Abschlüsse oder aufgrund von spezifischen Zeugnissen der Fall. Jungen behinderten Menschen werden damit Ersatzlösungen zur Vorbeschäftigungszeit angeboten und ihre Bestrebungen nach einer möglichst guten Ausbildung unterstützt.

Außerhalb des Berufsausbildungsrechts, insbesondere bei beruflicher Weiterbildung durch Fortbildung und Umschulung, wird auf die Vorbeschäftigungszeit nicht verzichtet. Für diese Maßnahmen muss die Vorbeschäftigungszeit nach § 161 SGB III gegeben sein. Mit der Regelung in § 162 SGB III soll nur den behinderten jungen Menschen der Einstieg in das Berufsleben erleichtert werden, die noch nicht über eine Ausbildung verfügen. Das gilt auch für den Fall, dass ein weiterer Ausbildungsberuf erlernt wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 162 SGB III).

  • 162 SGB III ist anders als § 161 SGB III als Kann-Regelung ausgestaltet.

Die Jahresfrist verlängert sich nach Satz 2 um Zeiten nach dem Erwerb des Prüfungszeugnisses, während der der behinderte Mensch bei einer Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet war. Für die Arbeitslosmeldung ist § 122 SGB III zu beachten. Auf den Bezug von Arbeitslosengeld kommt es nicht an. Damit räumt der Gesetzgeber eine Erleichterung insbesondere für den Fall ein, dass eben ohne eine Maßnahme zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben offenbar eine berufliche Eingliederung nicht möglich war. Damit wird auch dem verbreiteten Umstand Rechnung getragen, dass Auszubildende nach Abschluss der Berufsausbildung in vielen Fällen nicht nahtlos in eine Beschäftigung vermittelt werden können (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 162 SGB III).

Behinderte Menschen können nach § 162 Satz 1 Nr. 2 SGB III auch Übergangsgeld erhalten, wenn sie innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Teilnahme an einer Maßnahme einen Berufsausbildungsabschluss aufgrund einer Zulassung zur Prüfung nach § 43 Abs. 2 BBiG oder § 36 Abs. 2 HwO erlangt haben. Dabei handelt es sich um Berufsausbildungen, die ausschließlich in berufsbildenden Schulen oder in sonstigen Einrichtungen, wie z.B. Berufsbildungswerken zur Berufsausbildung, durchgeführt werden. Die alternativen Ausbildungsformen tragen auch dem Umstand Rechnung, dass ansonsten nicht allen Bewerbern ein Angebot zur Berufsausbildung unterbreitet werden könnte. Dasselbe gilt, wenn in der Jahresfrist ihr Prüfungszeugnis aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 50 Abs. 1 BBiG oder § 40 Abs. 1 HwO dem Zeugnis über das Bestehen der Abschlussprüfung in einem nach diesen Gesetzen anerkannten Ausbildungsberuf gleichgestellt worden ist. Damit wird sichergestellt, dass den jungen behinderten Menschen, die die einer anerkannten Ausbildung entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen in einer besonderen Form der Ausbildung erworben haben, der Zugang zum Übergangsgeld nicht verwehrt ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 162 SGB III).

Für die Höhe und die Berechnung des Übergangsgeldes gelten aufgrund der Verweisung in § 160 Satz 2 die §§ 46 ff. SGB IX. Vgl. dazu die Ausführungen unter 3.1.2.

Eine Besonderheit besteht nach § 160 Satz 3 SGB III für die Teilnahme behinderter Menschen an Maßnahmen, welche nicht zu den besonderen Leistungen nach §§ 102 ff. SGB III zählen: Wenn bei der Teilnahme eines behinderten Menschen an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung besteht, erhalten die behinderten Menschen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen nach §§ 102 SGB III erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

  • 160 Satz 3 SGB III regelt Sachverhalte, bei denen der behinderte Mensch an einer Maßnahme teilnimmt, die mit allgemeinen Leistungen gefördert wird, aber die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nicht vorliegen. Damit der behinderte Mensch nicht durch das Netz der Entgeltersatzleistungen fällt, billigt die Regelung dem Teilnehmer ein Übergangsgeld aufgrund einer Fiktion zu. Wenn er in dem Fall, in dem die Maßnahme mit besonderen statt allgemeinen Leistungen gefördert würde, Anspruch auf Übergangsgeld hat, dann erhält er ein Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes bei beruflicher Weiterbildung. Die fehlenden Anspruchsvoraussetzungen für dieses Arbeitslosengeld werden auf diese Weise ersetzt.

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3.1.8 Übergangsgeld der Träger der Kriegsopferfürsorge

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX leisten die Träger der Kriegsopferfürsorge im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Maßgabe der Regelungen im SGB IX und des § 26a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Übergangsgeld. Es handelt sich um eine Leistung der in den §§ 25 bis 27j BVG geregelten Kriegsopferfürsorge. Wer nach dem BVG anspruchsberechtigt ist, ist in den §§ 1 bis 8b BVG geregelt. Wer Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhält bzw. für welche Angehörige diese Leistungen erbracht werden, ergibt sich aus § 25, insbesondere Abs. 1, 3 und 4 BVG. Der Anspruch besteht nicht nur für die Versorgungsberechtigten nach dem BVG, sondern auch für Berechtigte nach den in § 68 Nr. 7 SGB I genannten Gesetzen, die auf das BVG verweisen. Zu den in § 68 Nr. 7 SGB I im Einzelnen aufgeführten Verweisungsnormen zählen u.a. § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes, § 59 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes, § 47 des Zivildienstgesetzes, § 60 des Infektionsschutzgesetzes (Impfopfer) und § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (Opfer von Gewalttaten).

Während der Ausführung von Leistungen zur erstmaligen beruflichen Ausbildung behinderter Menschen, berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leisten die Träger der Kriegsopferfürsorge Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dazu vgl. 3.6.

Nach § 26 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38a des SGB IX sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 40 des SGB IX. Dazu zählt nach § 26 Abs. 4 Nr. 1 BVG auch das Übergangsgeld nach Maßgabe des § 26a BVG, wenn es sich nicht um eine Erstausbildung handelt.

  • 26a Abs. 1 BVG verweist für den Anspruch auf Übergangsgeld sowie die Höhe und Berechnung desselben auf Teil 1 Kapitel 6 des SGB IX, also auf die §§ 44 ff. SGB IX. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 3.1 mit Unterpunkten verwiesen. Für die Berechnung des Übergangsgeldes gelten nach § 26a Abs. 1 2. Halbsatz BVG im Übrigen die §§ 16a, 16b und 16f BVG entsprechend. Die §§ 16a und 16b BVG sind für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Bedeutung. Auf Einzelheiten zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage kann hier nicht eingegangen werden.

Wenn die Bemessungsgrundlage ermittelt ist, wird im zweiten Schritt die Höhe des Übergangsgeldes festgestellt. Beim Übergangsgeld der Träger der Kriegsopferfürsorge wird nach § 46 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unter den Voraussetzungen von § 46 Satz 3 Nr. 1 SGB IX (Fälle mit Familienkomponente) Übergangsgeld in Höhe von 80 von hundert, im Übrigen von 70 von hundert, somit ein etwas höherer Satz der maßgebenden Bemessungsgrundlage gewährt.

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3.2 Ausbildungsgeld der Bundesagentur für Arbeit bzw. Unterhaltsbeihilfe der Träger der Kriegsopferfürsorge

Zur Sicherstellung des Lebensunterhalts bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben enthält § 45 Abs. 5 SGB IX eine Besonderheit für behinderte Menschen, die bisher noch keine Ausbildung und somit noch keinen Beruf ausgeübt haben. Ihr Lebensunterhalt würde während der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht gesichert sein, wenn sie bisher kein Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielt haben. Nach § 45 Abs. 5 SGB IX wird deshalb für diesen Personenkreis von der Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld (§§ 104 bis 108 SGB III - dazu 3.6.1) oder von den Trägern der Kriegsopferfürsorge Unterhaltsbeihilfe (§ 26 und § 26a BVG - dazu 3.6.2) gezahlt; Voraussetzung jedoch ist, dass der behinderte Mensch zulasten der Bundesagentur für Arbeit oder der Kriegsopferfürsorge

  • erstmalig an einer beruflichen Ausbildung oder
  • an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder
  • an einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen teilnimmt oder
  • Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung erhält.

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3.2.1 Ausbildungsgeld der Bundesagentur für Arbeit

Rechtsquellen sind die §§ 45 Abs. 5 Nr. 1 SGB IX i.V.m. §§ 104 bis 108 SGB III.

Das Ausbildungsgeld ist eine Leistung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts, die nur von der Bundesagentur für Arbeit für behinderte Menschen erbracht wird. Wenn sie keinen Anspruch auf Übergangsgeld haben, können sie einen Anspruch auf Ausbildungsgeld haben. Der Anspruch auf Ausbildungsgeld ist gegenüber dem Anspruch auf Übergangsgeld nachrangig. Erforderlich ist ein Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit. Informationen über das Ausbildungsgeld finden sich im Internet unter http://www.arbeitsagentur.de.

Das Ausbildungsgeld zählt zu den besonderen Leistungen (§ 102 ff. SGB III).

Nach § 104 Abs. 1 SGB III haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld während

  1. einer erstmaligen beruflichen Ausbildung oder
  2. einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme einschließlich einer Grundausbildung, wie z.B. der blindentechnischen Grundausbildung,
  3. einer individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a des SGB IX und
  4. einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen,

wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann.

Für das Ausbildungsgeld gelten nach § 104 Abs. 2 SGB III die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe (§§ 59 ff. SGB III) entsprechend, soweit in den §§ 105 bis 108 SGB III nichts Abweichendes bestimmt ist.

Zu beachten ist, dass aufgrund von § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht nur Ausbildungen in anerkannten Berufen nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO) förderfähig sind. In besonderen Einrichtungen für behinderte Menschen können nach § 102 Abs. 1 Satz 2 SGB III auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden (§ 66 BBiG und § 42m HwO). Solche Ausbildungen werden in den Berufsbildungswerken und Berufsförderungswerken für blinde und sehbehinderte Menschen zahlreich angeboten. Vgl. dazu Heft 5 dieser Schriftenreihe, dort insbesondere 4.3.2.2.6.

Abweichende Regelungen sind in den §§ 105 bis 108 SGB III insbesondere für die Festsetzung des Bedarfs des Ausbildungsgeldes und bei der Anrechnung von Einkommen enthalten.

Die Höhe des Ausbildungsgeldes hängt von zwei Faktoren ab:

  1. dem Bedarfssatz des Ausbildungsgeldes und
  2. dem anzurechnenden Einkommen, wenn es sich um eine berufliche Ausbildung handelt.

Das Ausbildungsgeld ergibt sich somit aus Bedarf minus anzurechnendes Einkommen = auszuzahlendes Ausbildungsgeld. Wenn Einkommen nicht anzurechnen ist, entspricht der Bedarfssatz dem Auszahlungsbetrag.

Eine Übersicht zu den Bedarfssätzen findet sich im Internet unter www.arbeitsagentur.de.

Wie bei der Berufsausbildungsbeihilfe sind auch beim Ausbildungsgeld für die Lebenshaltungskosten, die während der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme entstehen, bestimmte Pauschbeträge (= Bedarf) festgesetzt. Es werden also nicht die individuell anfallenden Kosten für zum Beispiel Miete, Kleidung oder Lebensmittel übernommen, sondern festgelegte Pauschbeträge.

Auch bei der Anrechnung von Einkommen auf den Gesamtbedarf gelten die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit in den §§ 104 ff. SGB III keine Besonderheiten für das Ausbildungsgeld vorgesehen sind.

Die Bedarfssätze sind in den §§ 105 bis 107 SGB III festgelegt.

Die Höhe des Bedarfs richtet sich nach

  1. Art der Maßnahme (berufliche Ausbildung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, Unterstützte Beschäftigung oder Grundausbildung oder Leistungen im Eingangsverfahren beziehungsweise Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen),
  2. nach der Art der Unterbringung während der Maßnahme (im Haushalt der Eltern, außerhalb des Haushaltes der Eltern bzw. eines Elternteils, in einem Wohnheim oder Internat - freiwillig oder auf Veranlassung eines Sozialhilfeträgers, beim Ausbildenden mit voller Verpflegung oder anderweitige Unterbringung) und
  3. nach dem Alter und Familienstand.

Der zugrunde zu legende Bedarf bei beruflicher Ausbildung ergibt sich aus § 105 SGB III. Als Bedarf werden nach § 105 Abs. 1 SGB III bei beruflicher Ausbildung nach dem Stand von März 2011 zugrunde gelegt:

  1. bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils 316,00 Euro monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Übrigen 397,00 Euro monatlich,
  2. bei Unterbringung in einem Wohnheim, Internat, beim Ausbildenden oder in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen 104,00 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden,
  3. bei anderweitiger Unterbringung und Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 230,00 Euro monatlich, wenn der behinderte Mensch unverheiratet ist oder keine Lebenspartnerschaft führt und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Übrigen 265,00 Euro monatlich und
  4. bei anderweitiger Unterbringung ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung der jeweils nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geltende Bedarf zuzüglich 149,00 Euro monatlich für die Unterkunft; soweit Mietkosten für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich diesen Betrag übersteigen, erhöht sich dieser Bedarf um bis zu 75,00 Euro monatlich.

Für einen behinderten Menschen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird nach § 105 Abs. 2 SGB III anstelle des Bedarfs nach Absatz 1 Nr. 4 ein Bedarf in Höhe von 316,00 Euro monatlich zugrunde gelegt, wenn

  1. er die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könnte oder
  2. Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII gewährt werden, die mit einer anderweitigen Unterbringung verbunden sind.

Der Begriff „angemessene Zeit" in § 105 Abs. 2 Nr. 1 SGB III bezieht sich auf die durchschnittliche Wegezeit, die der behinderte Mensch täglich benötigt. Eine Ausbildungsstätte ist dann nicht in angemessener Zeit zu erreichen, wenn der Auszubildende bei Benutzung der günstigsten Verkehrsverbindungen für Hin- und Rückweg einschließlich der notwendigen Wartezeiten vor und nach der Arbeit eine Wegzeit von mehr als 2 Stunden benötigt (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 105 SGB III). Da es nur darauf ankommt, dass der Jugendliche die Ausbildungsstätte von der elterlichen Wohnung aus in angemessener Zeit „erreichen könnte“, ist der niedrigere Bedarfssatz nach § 105 Abs. 2 Nr. 1 SGB III und nicht der höhere Bedarfssatz für auswärtige Unterbringung nach § 105 Abs. 1 Nr. 4 auch dann maßgebend, wenn der Jugendliche außerhalb der elterlichen Wohnung wohnt, er diese aber in der geforderten angemessenen Zeit erreichen könnte (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 105 SGB III).

In § 106 SGB III sind abweichend zu den Bedarfssätzen nach § 105 SGB III (Bedarf bei beruflicher Ausbildung) die Bedarfssätze für die Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und bei Teilnahme an Grundausbildungslehrgängen sowie Maßnahmen im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 38a SGB IX teilweise niedriger angesetzt.

Für den Bedarf bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, Unterstützter Beschäftigung (§ 38a SGB IX) und bei einer Grundausbildung gilt nach § 106 SGB III folgendes:

Nach § 106 Abs. 1 SGB III werden als Bedarf bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, Unterstützter Beschäftigung und bei Grundausbildung zugrunde gelegt

  1. bei Unterbringung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils der jeweils nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geltende Bedarf,
  2. bei anderweitiger Unterbringung außerhalb eines Wohnheims oder Internats ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 391,00 Euro monatlich; soweit Mietkosten für Unterkunft und Nebenkosten nachweislich 58,00 Euro monatlich übersteigen, erhöht sich dieser Bedarf um bis zu 74,00 Euro monatlich,
  3. bei anderweitiger Unterbringung außerhalb eines Wohnheims oder Internats und Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung 172,00 Euro monatlich.

Nach § 106 Abs. 2 SGB III wird für einen behinderten Menschen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anstelle des Bedarfs nach § 106 Abs. 1 Nr. 2 ein Bedarf in Höhe von 204,00 Euro monatlich zugrunde gelegt, wenn

  1. er die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus in angemessener Zeit erreichen könnte (dazu vgl. oben Ausführungen zu § 105 SGB III) oder
  2. für ihn Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII gewährt werden, die die Kosten für die Unterkunft einschließen.

Nach § 106 Abs. 3 SGB III ist bei Unterbringung in einem Wohnheim, Internat oder in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen ein Bedarf wie bei einer beruflichen Ausbildung, also nach § 105 SGB III zugrunde zu legen. Dazu vgl. die Ausführungen zu § 105 SGB III. Der Bedarfssatz beläuft sich derzeit (März 2011) auf 104,00 Euro monatlich, wenn die Kosten für Unterbringung und Verpflegung von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger übernommen werden.

Was als Bedarf bei Maßnahmen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen anzusetzen ist, regelt § 107 SGB III.

Als Bedarf werden danach bei Maßnahmen in einer Werkstatt für behinderte Menschen im ersten Jahr 63,00 Euro monatlich und danach 75,00 Euro monatlich zugrunde gelegt. Auf diese Bedarfssätze wird nach § 108 Abs. 1 SGB III Einkommen nicht angerechnet.

Welches Einkommen auf die Bedarfssätze der §§ 105 bis 106 SGB III anzurechnen ist, richtet sich grundsätzlich nach § 71 SGB III jedoch unter Berücksichtigung der in § 108 SGB III festgelegten Freibeträge.

Nach § 108 Abs. 1 SGB III wird auf den Bedarf bei Maßnahmen in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen Einkommen nicht angerechnet. Das Gleiche gilt für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (§ 104 Abs. 2 SGB III i.V.m § 71 Abs. 4 SGB III) oder bei einer Unterstützten Beschäftigung nach § 38a SGB IX.

Für die Einkommensanrechnung in den übrigen Fällen gilt grundsätzlich:

Bei einer beruflichen Ausbildung, wird auf das Ausbildungsgeld

  1. das eigene Einkommen,
  2. das Einkommen des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners und
  3. das Einkommen der Eltern

in dieser Reihenfolge nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) angerechnet (§ 71 Abs. 1 SGB III). Dabei bleiben die in § 108 Abs. 2 SGB III genannten Freibeträge anrechnungsfrei, und zwar:

  1. vom Einkommen des behinderten Menschen aus Waisenrenten, Waisengeld oder aus Unterhaltsleistungen bis 242,00 Euro monatlich,
  2. vom Einkommen der Eltern bis 2.909,00 Euro monatlich,
  3. vom Einkommen des verwitweten Elternteils oder bei getrennt lebenden Eltern, vom Einkommen des Elternteils, bei dem der behinderte Mensch lebt, ohne Anrechnung des Einkommens des anderen Elternteils, bis 1.813,00 Euro monatlich und
  4. vom Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartners bis 1.813,00 Euro monatlich.

Für den Einkommensbegriff gilt: Als Einkommen gelten grundsätzlich alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Herkunft oder Rechtsnatur, soweit nicht Ausnahmeregelungen hierzu ergangen sind. Zum Einkommensbegriff vgl. im Einzelnen Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 108 SGB III.

Über den Anspruch auf Ausbildungsgeld wird nach § 73 Abs. 1 SGB III in der Regel bei einer beruflichen Ausbildung für 18 Monate, im Übrigen für ein Jahr (= Bewilligungszeitraum) entschieden. Dauert die Maßnahme länger, übersendet die Agentur für Arbeit automatisch rechtzeitig einen Fragebogen zur Weiterbewilligung des Ausbildungsgeldes.

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3.2.2 Unterhaltsbeihilfe der Träger der Kriegsopferfürsorge

Nach § 45 Abs. 5 SGB IX leisten die Träger der Kriegsopferfürsorge während der Ausführung von Leistungen zur erstmaligen beruflichen Ausbildung behinderter Menschen, berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung (§ 38a SGB IX) sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen gemäß Nr. 2 Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Es handelt sich um eine Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Kriegsopferfürsorge. Die Kriegsopferfürsorge ist in den §§ 25 bis 27j BVG geregelt. Wer nach dem BVG anspruchsberechtigt ist, richtet sich nach den §§ 1 bis 8b BVG. Anspruchsberechtigt sind außerdem nicht nur Versorgungsberechtigte nach dem BVG, sondern auch Berechtigte nach den in § 68 Nr. 7 SGB I genannten Gesetzen, die auf das BVG verweisen. Zu den in § 68 Nr. 7 SGB I im Einzelnen aufgeführten Verweisungsnormen zählen u.a. § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes, § 59 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes, § 47 des Zivildienstgesetzes, § 60 des Infektionsschutzgesetzes (Impfopfer) und § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (Opfer von Gewalttaten).

Wer Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhält bzw. für welche Angehörige diese Leistungen erbracht werden, ergibt sich aus § 25, insbesondere Abs. 1, 3 und 4 BVG. Berechtigte, die vor Beginn der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beruflich nicht tätig gewesen sind, erhalten nach § 26a Abs. 3 BVG anstelle des Übergangsgelds eine Unterhaltsbeihilfe. Die Unterhaltsbeihilfe ist also gegenüber dem Übergangsgeld nachrangig.

Für die Bemessung der Unterhaltsbeihilfe sind nach § 26a Abs. 3 Satz 2 BVG die Vorschriften des BVG über Leistungen für den Lebensunterhalt bei Gewährung von Erziehungsbeihilfe entsprechend anzuwenden. Die Erziehungsbeihilfe ist in § 27 BVG geregelt. Entsprechend § 27 Abs. 2 BVG werden das Einkommen und Vermögen der Waisen und ihrer Elternteile oder das einzusetzende Einkommen und Vermögen Beschädigter und ihrer Kinder im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b BVG auf den Bedarf angerechnet. Die Höhe der Geldleistungen bemisst sich gemäß § 25c Abs. 1 BVG nach dem Unterschied zwischen dem anzuerkennenden Bedarf und dem einzusetzenden Einkommen und Vermögen. Sowohl der Bedarf als auch das einzusetzende Einkommen und Vermögen sind ähnlich, wie im SGB XII (Sozialhilfe) bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen (vgl. SGB XII elftes Kapitel §§ 82 ff., insbesondere §§ 85 ff. für das Einkommen und §§ 90 ff. für das Vermögen), aber etwas großzügiger geregelt. So heißt es in § 25b Abs. 5 BVG „(5) Art, Ausmaß und Dauer der Leistungen der Kriegsopferfürsorge richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalls, der Art des Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen. Dabei sind Art und Schwere der Schädigung, Gesundheitszustand und Lebensalter sowie die Lebensstellung vor Eintritt der Schädigung oder vor Auswirkung der Folgen der Schädigung oder vor dem Verlust des Ehegatten oder Lebenspartners, Elternteils, Kindes oder Enkelkinds besonders zu berücksichtigen.

Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind und keine unvertretbaren Mehrkosten erfordern.

Einzelheiten zur Feststellung des Bedarfs und des einzusetzenden Einkommens und Vermögens sind in der aufgrund von § 27f BVG erlassenen Kriegsopferfürsorgeverordnung (KFürsV) festgelegt. Für die Höhe des Unterhaltsbedarfs bestimmt § 21 der KFürsV:

„(1) Der Bedarf für den Lebensunterhalt Auszubildender während der Erziehung und Ausbildung umfasst

  1. bei Verbleib in der Familie einen Betrag in Höhe des Zweifachen des für die Auszubildenden jeweils maßgebenden Regelsatzes nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch,
  2. bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder einer Pflegestelle die Kosten der Unterbringung und Verpflegung, zusätzliche kleinere Ausgaben bis zur Höhe des nach § 35 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch von den zuständigen Landesbehörden festgesetzten Barbetrages sowie Kosten aus der Erfüllung weiterlaufender unabweislicher Verpflichtungen,
  3. bei sonstiger Unterbringung außerhalb der Familie einen Betrag in Höhe des Eckregelsatzes nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und für einen den Auszubildenden jeweils gleichaltrigen Haushaltsangehörigen sowie die Kosten der Unterkunft am Ausbildungsort; hierbei sind die jeweiligen höchsten Regelsätze des Landes zugrunde zu legen, in dem sich die Ausbildungsstätte befindet. Die Kosten der Unterkunft am Ausbildungsort können durch Pauschbeträge abgegolten werden.

Ein etwaiger Sonderbedarf ist in die Bedarfsberechnung mit aufzunehmen.“

Zum einzusetzenden Einkommen heißt es in § 25c Abs. 3 Sätze 1 und 2:

„(3) Einkommen ist insoweit nicht einzusetzen, als der Einsatz des Einkommens im Einzelfall bei Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen vor allem nach Art und Schädigungsnähe des Bedarfs, Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie nach der besonderen Belastung der Leistungsberechtigten und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen unbillig wäre. Bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf ist Einkommen nicht einzusetzen.“

Was zum einzusetzenden Einkommen zählt und welche Beträge unberücksichtigt bleiben, bestimmt § 25d BVG in den Absätzen 1 bis 5 sowie § 25e BVG. Vgl. dazu auch die §§ 30 ff. der KFürsV. Nach § 25d Abs. 4 BVG sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Kriegsopferfürsorge im Einzelfall demselben Zweck dient. Daraus ergib sich, dass die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII, das Landesblindengeld nach einem Landesblindengeld oder die Pflegezulage nach § 35 BVG wegen der anderen Zweckbestimmung nicht als Einkommen bei der Unterhaltsbeihilfe angerechnet werden darf.

Zum Vermögenseinsatz bestimmt § 25d Abs. 6 BVG: „Vermögen im Sinne der Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge ist das gesamte verwertbare Vermögen.“ § 25f Abs. 1 BVG verweist für den Einsatz und für die Verwertung von Vermögen der Leistungsberechtigten auf die § 90 Abs. 2 und 3 und § 91 des SGB XII, also auf die Bestimmungen im Sozialhilferecht. Er verweist aber auch auf § 25c Abs. 3 BVG. Das heißt, dass Vermögen insoweit nicht einzusetzen ist, als sein Einsatz im Einzelfall bei Berücksichtigung der besonderen Lage der Beschädigten oder Hinterbliebenen vor allem nach Art und Schädigungsnähe des Bedarfs, Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie nach der besonderen Belastung der Leistungsberechtigten und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen unbillig wäre. Bei ausschließlich schädigungsbedingtem Bedarf ist Vermögen nicht einzusetzen. Vgl. zum Einsatz des Vermögens auch die §§ 41 ff. KFürsV.

Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden.

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4. Entgeltersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung bei Arbeitslosigkeit

Von den Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit der Arbeitslosenversicherung nach dem SGB III sind die Leistungen der Grundsicherung für Langzeitarbeitslose nach dem SGB II zu unterscheiden. Bei diesen handelt es sich nicht um Entgeltersatzleistungen, sondern um Fürsorgeleistungen zur Existenzsicherung. Sie werden deshalb nicht hier, sondern unter 6.1 behandelt.

Eine Auflistung der Leistungen der Arbeitsförderung an Arbeitnehmer enthält § 3 Abs. 1 SGB III. Unter Nr. 8 werden dort als Lohnersatzleistungen genannt: Arbeitslosengeld während Arbeitslosigkeit, Teilarbeitslosengeld während Teilarbeitslosigkeit sowie Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung. Als weitere Lohnersatzleistungen werden in § 3 Abs. 1 SGB III unter Nr. 9 Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall, und unter Nr. 10 das Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, aufgeführt.

Die Entgeltersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung sind im vierten Kapitel achter Abschnitt des SGB III geregelt. Eine Auflistung enthält § 116 SGB III.

Zu ihnen gehört                                             

  1. das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit und bei beruflicher Weiterbildung (§ 116 Nr. 1) und
  2. das Teilarbeitslosengeld bei Teilarbeitslosigkeit (§ 116 Nr. 2).

Auf diese Leistungen wird im Folgenden eingegangen.

Weiter sind in § 116 SGB III genannt:

Das Übergangsgeld bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Nr. 3), das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer, die infolge eines Arbeitsausfalles einen Entgeltausfall haben (Nr. 4) und das Insolvenzgeld für Arbeitnehmer, die wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kein Arbeitsentgelt erhalten (Nr. 5). Auf das Übergangsgeld wurde bereits unter 3.4 eingegangen. Das Kurzarbeitergeld und das Insolvenzgeld werden nicht behandelt, da diese Leistungen im Zusammenhang mit dieser Darstellung nicht von Bedeutung sind.

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4.1 Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit

Das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit ist in den §§ 117 ff. SGB III geregelt.

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4.1.1 Anspruchsvoraussetzungen

Nach § 117 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld

  1. bei Arbeitslosigkeit (§§ 118 ff. SGB III) oder
  2. bei beruflicher Weiterbildung (§ 124a SGB III).
  • 117 Abs. 2 SGB III grenzt den Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Anspruch auf Rente wegen Alters nach Erreichen der Regelaltersgrenze ab. Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr, wenn er das Alter erreicht hat, das ihn zum Bezug der Regelaltersrente berechtigt. Dadurch wird ein Doppelbezug von Regelaltersrente und Arbeitslosengeld ausgeschlossen.

Auf Einzelheiten des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kann hier nicht eingegangen werden. Es können nur einige Hinweise gegeben werden.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben nach § 118 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht auch im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, also z.B. eine Umschulung in einem Berufsförderungswerk, wenn nach § 51 Abs. 4 SGB IX ein Anspruch auf Anschlussübergangsgeld gegeben ist. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld geht dem Anspruch auf das Anschlussübergangsgeld vor.

Die in § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III genannte Voraussetzung der „Arbeitslosigkeit" wird in § 119 SGB III konkretisiert. Tatbestandsmerkmale der Arbeitslosigkeit sind danach Beschäftigungslosigkeit, Eigenbemühungen und Verfügbarkeit eines Arbeitnehmers. Die Merkmale stehen gleichrangig nebeneinander (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 119 SGB III).

Arbeitslos ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht.

  • 119 Abs. 3 SGB III weitet den Kreis Beschäftigungsloser aus. Neben den Arbeitnehmern, die keine Beschäftigung ausüben, sind auch diejenigen beschäftigungslos, die weniger als 15 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind. Damit ist jedenfalls in leistungsrechtlicher Hinsicht klargestellt, dass nicht jegliche Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit den Anspruch auf Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit ausschließt. Die Grenze von 15 Stunden darf gelegentlich und für kurze Dauer überschritten werden. Damit vermeidet der Gesetzgeber eine zu starre Grenze, die es erforderlich machen würde, jede Beschäftigungswoche einzeln zu betrachten und leistungsrechtlich zu bewerten (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 119 SGB III). Die Einnahmen aus solchen Nebenbeschäftigungen werden aber, soweit sie bestimmte Grenzen übersteigen, nach § 141 SGB III auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Vgl. dazu 4.1.4.1.

Gefordert wird nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, dass sich der Arbeitssuchende bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen). § 119 Abs. 4 SGB III konkretisiert die Eigenbemühungen und setzt Mindeststandards. Satz 1 stellt klar, dass der Arbeitslose sämtliche Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen hat. Zu den Eigenbemühungen gehören insbesondere

  1. die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
  2. die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
  3. die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

Regelungen zur Eingliederungsvereinbarung enthält § 37 Abs. 2. SGB III.

Bei blinden und sehbehinderten Arbeit Suchenden muss berücksichtigt werden, dass sie die Einrichtungen zur Selbstinformation dann nicht nutzen können, wenn diese nicht barrierefrei sind.

Nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III muss der Arbeit Suchende den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen (Verfügbarkeit). Verfügbarkeit bedeutet nach § 119 Abs. 5 Nr. 1 und 3 SGB III, dass der Arbeitslose arbeitsfähig und bereit sein muss, eine versicherungspflichtige zumutbare Beschäftigung von wöchentlich mindestens 15 Stunden unter den üblichen Bedingungen des für ihn infrage kommenden Arbeitsmarktes aufzunehmen. Daneben setzt Verfügbarkeit voraus, dass der Arbeitslose zur Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung bereit ist (§ 119 Abs. 5 Nr. 4 SGB III) und Vermittlungsvorschlägen zeit- und ortsnah nachkommen kann (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III). Ein behinderter Mensch ist auch dann verfügbar, wenn er an Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation teilnehmen kann und dazu bereit ist.

In der aufgrund der Ermächtigung in § 152 Nr. 2 SGB III ergangenen Erreichbarkeitsanordnung (EOA) der Bundesagentur für Arbeit wird diese Verpflichtung konkretisiert, indem bestimmt wird, dass der Arbeitslose in der Lage sein muss, unverzüglich

  • Briefpost der Arbeitsagentur persönlich zur Kenntnis zu nehmen ,
  • die Arbeitsagentur aufzusuchen,
  • mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und
  • eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen (§ 1 EAO).

Der Arbeitslose muss dazu für die Behörde an jedem Werktag in seiner Wohnung durch Briefpost erreichbar sein, er muss also einmal werktäglich seine Wohnung aufsuchen, um nach eingehender Post zu schauen und Briefe der Behörde zur Kenntnis zu nehmen. Wohnt der Arbeitslose vorübergehend woanders, muss er die Anschrift der Behörde mitteilen. Auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort muss er gemäß § 2 EAO die Post kontrollieren und von dem vorübergehenden Aufenthaltsort aus die Behörde oder einen potentiellen Arbeitgeber unverzüglich aufsuchen können (so genannter zeit- und ortsnaher Bereich).

Die Zulässigkeit einer längeren Abwesenheit ist in § 3 EAO geregelt. Will der Arbeitslose diesen zeit- und ortsnahen Bereich etwa für eine Urlaubsreise verlassen, muss er dies melden und darf nur dann verreisen, wenn die Behörde zuvor zugestimmt hat. Auf die Zustimmung besteht ein Rechtsanspruch, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird. Eine Zustimmung kann in der Regel nur für bis zu drei Wochen im Kalenderjahr erteilt werden. Eine Zustimmung benötigt der Arbeitslose auch für Kuraufenthalte, für die Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt oder für die Abwesenheit zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Der Arbeitslose muss sicherstellen, dass er während der Teilnahme werktäglich persönlich unter der der Behörde benannten Anschrift durch Briefpost erreichbar ist; er muss die Teilnahme jederzeit abbrechen können und sich vor der Teilnahme für den Fall der beruflichen Eingliederung glaubhaft zum jederzeitigen Abbruch bereit erklärt haben. Für derartige Abwesenheitszeiten können weitere drei Wochen im Jahr genehmigt werden.

Zu Sonderfällen der Verfügbarkeit vgl. § 120 SGB III.

Was eine zumutbare Beschäftigung ist, richtet sich nach § 121 SGB III. Nach dessen Abs. 1 sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. § 121 SGB III enthält in den Absätzen 2 bis 4 eine Reihe von Ausnahmen zur Zumutbarkeit aller in Betracht kommenden Beschäftigungen nach den individuellen Umständen im Einzelfall. Zu diesen zu berücksichtigenden Umständen gehören nicht nur die ausdrücklich in der Vorschrift aufgeführten Tatbestände. Diese sind, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ im Gesetzestext ergibt, nur beispielhaft. Deshalb müssen auch behinderungsbedingte Umstände berücksichtigt werden. So wird einem blinden Arbeitslosen nicht ohne weiteres nach den Regelungen in § 121 Abs. 4 SGB III ein Umzug in eine für ihn fremde Umgebung oder eine Pendelstrecke, die für ihn nur schwer zu bewältigen ist, zugemutet werden können. Auch die Regelung in § 121 Abs. 5, wonach eine vorübergehende getrennte Haushaltsführung der Zumutbarkeit nicht ohne weiteres entgegensteht, wird für einen blinden Menschen häufig ein unzumutbares Hindernis bilden.

Der Arbeitslose ist nach § 122 Abs. 1 SGB III verpflichtet, sich persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

Eine weitere Voraussetzung für das Arbeitslosengeld ist, dass die Anwartschaft nach § 123 SGB III erfüllt ist, also Beschäftigungszeiten vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Arbeitslose innerhalb der Rahmenfrist des § 124 SGB III von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Diese zwölf Monate müssen nicht zusammenhängend gewesen sein. Wer versicherungspflichtig ist, ist im zweiten Kapitel ersten Abschnitt §§ 24 ff. SGB III geregelt. In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen nach § 24 Abs. 1 SGB III Personen, die als Beschäftigte gemäß § 25 SGB III oder aus sonstigen Gründen gemäß § 26 SGB III versicherungspflichtig sind. Wer als Beschäftigter versicherungspflichtig ist, besagt § 25 SGB III. Versicherungspflichtig sind nach § 25 Abs. 1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Das gilt auch für Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden.

Wer sonstige Versicherungspflichtige sind, regelt § 26 SGB III. Versicherungspflichtig sind danach gemäß Abs. 1 Nr. 1 Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 35 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen.

Nach § 26 Abs. 2 SGB III besteht Versicherungspflicht auch für Zeiten, während deren die dort genannten Leistungen bezogen werden, wenn die Leistungsempfänger unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III unterbrochen hat. Zu diesen gleichgestellten Zeiten gehören nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Zeiten, in welchen Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld bezogen worden ist, sodass auch durch sie die Anwartschaftszeit erfüllt wird.

Die Rahmenfrist von zwei Jahren wird nach § 124 Abs. 3 SGB III auf längstens fünf Jahre um Zeiten erweitert, in denen der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat, also z.B. wegen einer eingetretenen Behinderung in einem Berufsförderungswerk umgeschult worden ist.

Die Anspruchsvoraussetzungen in Fällen, in welchen der Arbeitslose an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnimmt, sind in § 124a SGB III geregelt. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nach § 124a Abs. 1 SGB III auch ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 77 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Nach § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist.

  • 124a SGB III trifft ergänzende Regelungen zum Arbeitslosengeld für den Fall der beruflichen Weiterbildung. In den Fällen des § 124a SGB III liegen wegen dieser beruflichen Weiterbildung die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit nicht vollständig vor. Betroffen sind insbesondere die Eigenbemühungen und die Verfügbarkeit. Wenn Anspruchsvoraussetzungen fehlen, ohne dass sie im Zusammenhang mit der Fortbildungsmaßnahme stehen, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Anwartschaftszeit, Leistungsumfang und schädliche Sachverhalte werden für das Arbeitslosengeld wegen beruflicher Fortbildung genauso beurteilt, wie beim Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit. § 124a Abs. 1 SGB III geht von dem Regelfall aus, dass der Arbeitnehmer arbeitslos ist und Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit bezieht. Tritt er nunmehr in eine Weiterbildungsmaßnahme ein, die nach § 77 SGB III gefördert wird, können die dadurch entfallenden Anspruchsvoraussetzungen fingiert werden. Die Tatsache der Arbeitslosigkeit ändert sich deshalb durch den Eintritt in die Maßnahme nicht.

Wenn der Teilnehmer an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme während dieser vom Maßnahmeträger oder seinem Arbeitgeber ein Entgelt erhält, wird dieses teilweise nach § 141 Abs. 4 SGB III angerechnet (vgl. 4.1.4.1).

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4.1.2 Sonderformen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld

Sonderformen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sind in den §§ 125 und 126 des SGB III geregelt. § 125 SGB III behandelt den Fall verminderter Leistungsfähigkeit. § 126 SGB III behandelt den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung des Arbeitslosen oder bei nach ärztlichem Zeugnis erforderlicher Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten oder behinderten Kindes.

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4.1.2.1 Anspruch bei Minderung der Leistungsfähigkeit

Nach § 125 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich ist und bei dem verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht festgestellt worden ist. Die Arbeitsverwaltung fordert nach § 125 Abs. 2 SGB III solche leistungsgeminderte Arbeitnehmer dazu auf, innerhalb eines Monats einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen. Wenn dieser Antrag fristgerecht gestellt wird, besteht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Entscheidung über den Antrag durch den Rentenversicherungsträger, obwohl die Betroffenen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung stehen (so genannte Nahtlosigkeitsregelung).

Die Leistungsminderung darf aufgrund einer medizinischen Prognose nicht vorübergehend sein, sondern muss für die Dauer von mindestens sechs Monaten bestehen. Die Leistungsminderung muss den Arbeitnehmer daran hindern, eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben. D.h. er kann keine Beschäftigung von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufnehmen oder fortsetzen. Unter diesen Voraussetzungen läge nach § 43 Abs. 2 SGB VI volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Regelmäßig ist auch Voraussetzung, dass kein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse mehr besteht, der Arbeitslose also ausgesteuert ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 125 SGB III).

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4.1.2.2 Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit

In § 126 SGB III wird der Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit des Arbeitslosen oder notwendiger Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes oder hilfebedürftigen Behinderten durch den Arbeitslosen geregelt. Die Vorschrift legt fest, unter welchen Voraussetzungen in diesen Fällen das Arbeitslosengeld fortgezahlt wird, obwohl die Arbeitslosen der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach § 118 SGB III nicht erfüllen. Es soll insbesondere vermieden werden, dass für kurze Zeiträume die Zuständigkeit des Sozialversicherungsträgers wechselt und dann wieder die Agentur für Arbeit zuständig wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 1a zu § 126 SGB III).

Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslosengeldes nach § 126 SGB III besteht nur für Arbeitslose, die bereits Bezieher des Arbeitslosengeldes sind, d.h., das Ereignis, welches den Anspruch auf Leistungsfortzahlung begründet, muss in den Bezug von Arbeitslosengeld fallen (zu Einzelheiten dazu vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 3 bis 7a zu § 126 SGB III).

Wenn ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit arbeitsunfähig wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, oder wenn er während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird, verliert er nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Stationäre Behandlung ist nicht nur Krankenhausbehandlung, sondern auch die stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung. Als unverschuldet im Sinne von § 126 Abs. 1 SGB III gilt auch eine Arbeitsunfähigkeit, die infolge einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation durch einen Arzt oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die Schwangere den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle beraten lassen hat.

Bei mehreren aufeinander folgenden neuen Arbeitsunfähigkeiten kann jeweils ein neuer Zeitraum der Leistungsfortzahlung beginnen, wenn dazwischen Arbeitsfähigkeit bestanden hat (Haufe Onlinekommentar RZ. 14a zu § 126 SGB III).

Nach § 126 Abs. 2 SGB III besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitslosengeldes während der Zeit einer Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes, das noch keine 12 Jahre alt ist oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Leistungsfortzahlung ist für jedes Kind für 10 Tage im Kalenderjahr möglich, maximal jedoch nur für insgesamt 25 Tage im Kalenderjahr, bei Alleinerziehenden verdoppeln sich diese möglichen Bezugstage auf 20 Tage für jedes Kind und höchstens 50 Tage insgesamt. Wochenendtage werden nicht mitgerechnet, da an diesen keine Pflicht zur Arbeitsbereitschaft besteht (Haufe Onlinekommentar RZ. 20 zu § 126 SGB III). Voraussetzung ist ein ärztliches Zeugnis über die erforderliche Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege. Außerdem darf im Haushalt des Arbeitslosen auch keine andere Person vorhanden sein, die diese Aufgabe übernehmen könnte.

Die Leistungsfortzahlung im Falle der Erkrankung eines Kindes des Arbeitslosen nach § 126 Abs. 2 SGB III knüpft dem Grunde nach an die Grundsätze des § 126 Abs. 1 SGB III an. Das Ereignis muss auch in diesem Fall während des Bezuges von Arbeitslosengeld eintreten (Haufe Onlinekommentar RZ 15 zu § 126 SGB III).

Leistungsfortzahlung kommt nur in Betracht, wenn es sich um ein Kind des Arbeitslosen handelt, wozu nicht nur leibliche Kinder, sondern auch Stiefkinder, Adoptivkinder und Pflegekinder wie auch überwiegend unterhaltene Enkel gehören.

Wenn das Kind behindert und auf Hilfe angewiesen ist, wird Leistungsfortzahlung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch erbracht, wenn das Kind das 12. Lebensjahr bereits vollendet hat. Die gesetzliche Regelung begrenzt die Leistungsfortzahlung für diese Fälle nicht auf ein bestimmtes Alter. Auf Hilfe ist ein behindertes, mindestens 12 Jahre altes Kind dann i.S.v. § 126 Abs. 2 SGB III angewiesen, wenn es im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ohne Behinderung nicht alle zur eigenen Versorgung und Betreuung erforderlichen Verrichtungen selbst ausführen kann. Es dürfte genügen, wenn es sich dabei um eine wesentliche Verrichtung handelt. Das Gesetz fordert dafür keinen Kausalzusammenhang mit der Behinderung, doch wird im Regelfall zumindest ein indirekter Zusammenhang bestehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 18a zu § 126 SGB III).

Die Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III endet mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bzw. mit der Genesung des Kindes. Die Leistungsfortzahlung beginnt erneut, wenn erneut Arbeitsunfähigkeit des Arbeitslosen oder eine erneute Erkrankung des Kindes festgestellt wird, sofern zwischenzeitlich Arbeitsfähigkeit bestanden hat bzw. das Kind gesund war.

  • 126 SGB III gilt auch für das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung. Das bedeutet insbesondere auch, dass eine Leistungsfortzahlung fortgesetzt wird, wenn die Voraussetzungen dafür über das Maßnahmeende bei beruflicher Weiterbildung fortbestehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 126 SGB III).

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4.1.3 Höhe und Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Teilarbeitslosengeld

Die Höhe des Arbeitslosengeldes ergibt sich aus den §§ 129 ff. SGB III. Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 129 Nr. 2 SGB III 60 % des regelmäßig erzielten pauschaliert errechneten Nettoeinkommens. Auch das Weihnachtsgeld, das Urlaubsgeld oder sonstige einmalig gezahlte Arbeitsentgelte werden nicht berücksichtigt. Für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte oder Lebenspartner mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, beträgt das Arbeitslosengeld 67 Prozent (§ 129 Nr. 1 SGB III).

Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist in den §§ 127 und 128 SGB III geregelt.

Sie richtet sich gemäß § 127 Abs. 1 SGB III

  1. nach der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um drei Jahre erweiterten Rahmenfrist und
  2. dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat.

Die Dauer ist den Tabellen in § 127 Abs. 2 und 3 zu entnehmen. Sie reicht von 6 Monaten bis zu 24 Monaten bei älteren Arbeitnehmern mit entsprechend längerer Versicherungszeit.

  • 128 enthält Tatbestände, bei deren Vorliegen sich die Anspruchsdauer mindert, z.B. um Zeiten einer Sperrzeit.

Die Dauer des Anspruchs auf Teilarbeitslosengeld beträgt sechs Monate (§ 150 Abs. 2 Nr. 3 SGB III).

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4.1.4 Minderung des Arbeitslosengeldes durch die Anrechnung von Nebeneinkommen und Ruhen des Anspruchs

Unter welchen Voraussetzungen sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Anrechnung von Nebeneinkommen vermindert und wann der Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund anderer Sozialleistungen oder aus sonstigen Gründen ruht, ist in den §§ 141 bis 146 SGB III geregelt.

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4.1.4.1 Minderung des Arbeitslosengeldes durch Anrechnung von Nebeneinkommen

Welche Beträge aus Nebeneinkommen, z.B. aus einer während der Arbeitslosigkeit ausgeübten Erwerbstätigkeit auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden, ergibt sich aus § 141 SGB III. Die im Folgenden genannten Beträge entsprechen dem Stand von März 2011.

Nebenbeschäftigungen, selbständige Tätigkeiten und Tätigkeiten als mithelfender Familienangehöriger neben dem Bezug von Arbeitslosengeld werden grundsätzlich durch § 119 Abs. 3 SGB III ermöglicht, wenn sie eine Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassen. Die Arbeitszeiten aus mehreren Erwerbstätigkeiten werden dabei zusammengerechnet. Gelegentliche Abweichungen von der wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden bleiben unberücksichtigt, wenn sie von geringer Dauer sind. Das aus solchen Nebenbeschäftigungen erzielte Einkommen wird aber auf das Arbeitslosengeld angerechnet, soweit es die Anrechnungsgrenzen von § 141 Abs. 1 SGB III übersteigt. § 141 Abs. 1 SGB III lautet:

„(1) Übt der Arbeitslose während einer Zeit, für die ihm Arbeitslosengeld zusteht, eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 119 Abs. 3 aus, ist das daraus erzielte Einkommen nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 165,00 Euro in dem Kalendermonat der Ausübung anzurechnen. Handelt es sich um eine selbständige Tätigkeit oder eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, sind pauschal 30 Prozent der Betriebseinnahmen als Betriebsausgaben abzusetzen, es sei denn, der Arbeitslose weist höhere Betriebsausgaben nach.“

  • 141 Abs. 2 SGB III enthält eine weitergehende Vergünstigung für die Arbeitslosen, die in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeldes eine Nebenerwerbstätigkeit neben einem Versicherungspflichtverhältnis für mindestens 12 Monate ausgeübt haben. Auch ihnen wird ein Freibetrag von mindestens 165,00 Euro zugestanden. Der Freibetrag erhöht sich in diesen Fällen jedoch auf das durchschnittliche monatliche Einkommen aus der Nebenerwerbstätigkeit in den letzten 12 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. War z.B. dieses Durchschnittseinkommen monatlich 400,00 Euro, so wird an Stelle des Freibetrages von 165,00 Euro ein solcher von 400,00 Euro eingeräumt. Dadurch soll es ermöglicht werden, diese Nebentätigkeit ohne Einbußen fortzusetzen.
  • 141 Abs. 4 SGB III regelt die Berücksichtigung von Leistungen an Bezieher von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung. Abs. 4 lautet:

„(4) Leistungen, die ein Bezieher von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung

  1. von seinem Arbeitgeber oder dem Träger der Weiterbildung wegen der Teilnahme oder
  2. aufgrund eines früheren oder bestehenden Arbeitsverhältnisses ohne Ausübung einer Beschäftigung für die Zeit der Teilnahme

erhält, werden nach Abzug der Steuern, des auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteils der Sozialversicherungsbeiträge und eines Freibetrages von 400,00 Euro monatlich auf das Arbeitslosengeld angerechnet.“

Es handelt sich hier um die Fälle des § 124a SGB III. Vgl. dazu 4.1.1 am Ende.

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4.1.4.2 Ruhen des Anspruchs bei Zuerkennung anderer Sozialleistungen

In § 142 Abs. 1 SGB III werden die Sozialleistungen aus dem SGB aufgelistet, welche, wenn sie dem Anspruchsberechtigten zuerkannt sind, zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. In § 142 Abs. 2 SGB III wird diese Rechtsfolge konkretisiert und § 142 Abs. 3 bestimmt, dass die Absätze 1 und 2 für einen vergleichbaren Anspruch auf eine andere Sozialleistung, den ein ausländischer Träger zuerkannt hat, ebenfalls gelten.

  • 142 Abs. 4 SGB III stellt ergänzend klar, dass jede dem Vorruhestandsgeld nach dem Vorruhestandsgesetz (VRG) vergleichbare Arbeitgeberleistung, die mindestens 65 % des Bemessungsentgelts erreicht, zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt. Das Bemessungsentgelt ergibt sich aus §§ 131, 132 SGB III.
  • 142 Abs. 1 lautet:

„(1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht während der Zeit, für die dem Arbeitslosen ein Anspruch auf eine der folgenden Leistungen zuerkannt ist:

  1. Berufsausbildungsbeihilfe für Arbeitslose,
  2. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld oder Übergangsgeld nach diesem oder einem anderen Gesetz, dem eine Leistung zur Teilhabe zugrunde liegt, wegen der der Arbeitslose keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann (der Anspruch ruht aber nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 nicht, wenn für denselben Zeitraum Anspruch auf Verletztengeld und Arbeitslosengeld nach § 126 SGB III besteht),
  3. Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder
  4. Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art.

Ist dem Arbeitslosen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zuerkannt, kann er sein Restleistungsvermögen jedoch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr verwerten, hat die Agentur für Arbeit den Arbeitslosen unverzüglich aufzufordern, innerhalb eines Monats einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu stellen. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Tage nach Ablauf der Frist an bis zu dem Tage, an dem der Arbeitslose den Antrag stellt.“

  • 142 SGB III vermeidet Doppelversorgungen des Arbeitslosen durch Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung. Dafür kommt es nicht darauf an, dass die das Ruhen des Arbeitslosengeldes bewirkende Leistung höher, genau so hoch oder annähernd so hoch ist wie das Arbeitslosengeld, sofern die Leistung nach dem gesetzgeberischen Konzept grundsätzlich geeignet ist, wie das Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt des Arbeitslosen sicherzustellen. Ist das der Fall, ohne dass dies im Einzelfall zu prüfen wäre, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Lebensunterhalt tatsächlich sichergestellt wird. Dem Ruhen steht es dann auch nicht entgegen, dass die das Ruhen bewirkende Leistung erheblich niedriger ist als das Arbeitslosengeld oder nur in geringfügiger Höhe zuerkannt wurde. Verbleibende Bedürftigkeit kann sich auch beim Arbeitslosengeld ergeben (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 142 SGB III).

Aus § 142 Abs. 1 Nr. 3 ergibt sich, dass Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, sofern sie ihr Restleistungsvermögen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch verwerten können, nicht aber Bezieher von Renten wegen voller Erwerbsminderung.

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4.1.4.3 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld aus sonstigen Gründen

In den §§ 143, 143a, 144 und 146 SGB III sind weitere Sachverhalte geregelt, die zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Dabei unterscheiden sich die Tatbestände der §§ 143 und 143a von den Tatbeständen der §§ 144 und 146 dadurch, dass durch die §§ 143 und 143a Doppelleistungen infolge von Abgeltungsansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber vermieden werden sollen, während § 144 das Ruhen wegen Sperrzeiten und 146 das Ruhen bei Arbeitslosigkeit infolge eines Arbeitskampfes regelt.

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4.1.4.3.1 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung

In § 143 SGB III ist das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitsentgelt und Urlaubsabfindung geregelt. Voraussetzung ist, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 118 Abs. 1 SGB III müssen erfüllt sein.

Nach § 143 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat.

Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hat. In diesem Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Der Ruhenszeitraum beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aus dem sich der Abgeltungsanspruch ergibt, weil der Urlaub nicht mehr genommen werden konnte.

Durch § 143 Abs. 3 SGB III wird die Sicherung des Lebensunterhalts durch Gewährung von Arbeitslosengeld abweichend von den Absätzen 1 und 2 auch für eine Zeit gewährleistet, in der der Arbeitslose zwar einen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Urlaubsabfindung hat, diese aber noch nicht realisieren konnte. Das Arbeitslosengeld wird in diesem Fall auch für den Ruhenszeitraum geleistet (Gleichwohlleistung). Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber geht nach § 115 SGB X bis zur Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes kraft Gesetzes auf die Agentur für Arbeit über. Der Arbeitgeber ist somit verpflichtet, an die Arbeitsagentur zu leisten. Hat der Arbeitgeber dennoch an den Arbeitslosen oder einen Dritten mit befreiender Wirkung gezahlt, weil ihm der Forderungsübergang nicht bekannt war, ist der betroffene Arbeitslose zur Erstattung des Arbeitslosengeldes an die Arbeitsagentur verpflichtet.

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4.1.4.3.2 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Entlassungsentschädigung
  • 143a SGB III regelt das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld in den Fällen, in welchen der Arbeitslose vom Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhält. Eine solche kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag ergeben oder wird häufig in Vergleichen oder Auflösungsverträgen vereinbart. Die „Entlassungsentschädigung“ ist ein Sammelbegriff für alle Leistungen, die der Arbeitslose im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis erhält oder zu beanspruchen hat. § 143a Abs. 1 Satz 1 SGB III spricht von „Abfindung, Entschädigung oder ähnlicher Leistung“. Zu Einzelheiten, was darunter fällt, vgl. z.B. Haufe Onlinekommentar RZ. 3 bis 8 zu § 143a SGB III.

Durch § 143a SGB III soll sichergestellt werden, dass der Arbeitslose neben Leistungen des Arbeitgebers, die für einen bestimmten Zeitraum den Lebensunterhalt sicherstellt, kein Arbeitslosengeld erhält. In § 143a Abs. 1 und 2 SGB III wird geregelt, wie der Ruhenszeitraum bemessen wird und wann er beginnt. Der Ruhenszeitraum richtet sich gemäß § 143a Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB III bei Kündigungen ohne Einhaltung der für eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfrist nach der Frist, welche für die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte. Für Arbeitsverhältnisse, bei welchen eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ganz oder zeitweise ausgeschlossen ist, werden in § 143a Abs. 1 Satz 3 SGB III fiktive Kündigungsfristen festgelegt. Ausgeschlossen kann eine Kündigungsfrist z.B. bei einem befristeten Arbeitsverhältnis sein. In diesem Fall beträgt die fiktive Kündigungsfrist 18 Monate. Zeitweise ausgeschlossen ist die ordentliche Kündigung z.B. für die Zeit des Kündigungsschutzes eines Betriebsratsmitglieds. Hier ist die fiktive Kündigungsfrist diejenige, die ohne diesen Kündigungsschutz gelten würde. Eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr legt § 143a Absatz 1 Satz 4 SGB III fest, wenn die ordentliche Arbeitgeberkündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung zulässig war. Solche Regelungen werden häufig in Sozialplänen im Zusammenhang mit einem Stellenabbau getroffen.

Begrenzungen des Ruhenszeitraumes können sich aus § 143a Abs. 2 SGB III ergeben. Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 SGB III beträgt der Ruhenszeitraum längstens ein Jahr. Eine Begrenzung des Ruhenszeitraums kann sich auch daraus ergeben, dass die Entlassungsentschädigung nur teilweise als Lohnersatzleistung bewertet wird. In § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III wird die gesetzliche Vermutung ausgesprochen, dass eine Entlassungsentschädigung Arbeitsentgelt enthält, wenn bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitgeber maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist. Das bedeutet, dass nur derjenige Teil der Entlassungsentschädigung, der Arbeitsentgelt bis zur Beendigung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist enthält, zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt, während der übrige Teil der Entlassungsentschädigung als Leistung zum Ausgleich des Verlustes sozialer Besitzstände, etwa den Abschied von Arbeitskollegen und vertrauter Umgebung und Schwierigkeiten durch Aufnahme einer neuen Beschäftigung, angesehen wird und deshalb dem Arbeitslosen ohne Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld verbleibt. Das Verhältnis wird in § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III pauschalierend geregelt. Damit wird die Prüfung, ob in einer Entlassungsentschädigung Lohnausfall enthalten ist, verhindert (Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 143a SGB III).

Weitere Begrenzungen enthält § 143a Abs. 2 Satz 2 SGB III in den Nummern 2 und 3.

Aus § 143a Abs. 1 und 2 SGB III ergeben sich somit verschiedene Ruhenszeiträume, die der Gesetzgeber aus unterschiedlicher Motivation beschrieben hat. Danach kann ein Ruhenszeitraum entfallen oder - als längster Zeitraum - ein Jahr betragen. Technisch hat der Gesetzgeber die unterschiedlichen Ruhenszeiträume durch Begrenzung bei verschiedenen Sachverhalten definiert:

  • Begrenzung auf eine ordentliche oder fiktive Kündigungsfrist nach § 143a Abs. 1 SGB III,
  • Begrenzung auf den Zeitpunkt des pauschalierten hypothetischen Verdienstes der Entlassungsentschädigung durch Arbeit nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 SGB III,
  • Begrenzung durch den Tag, an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III,
  • Begrenzung auf den Zeitpunkt der Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III,
  • Begrenzung auf die maximale Ruhenszeit von einem Jahr nach § 143a Abs. 2 Satz 1 SGB III.

Wenn die Dauer des Ruhenszeitraums durch die Berücksichtigung des pauschalierten hypothetischen Verdienstes der Entlassungsentschädigung nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III ermittelt werden soll, muss als Ausgangsgröße der Gesamtbruttobetrag der Entlassungsentschädigung festgestellt werden. Dazu vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 36 zu § 143a SGB III.  60 % der so ermittelten Entlassungsentschädigung sind nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III Arbeitsentgelt. Der Ruhenszeitraum entspricht der Zeit, die der Arbeitslose benötigen würde, um diese 60 % als Arbeitsentgelt zu verdienen. Dazu wird festgestellt, welches Arbeitsentgelt der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich pro Arbeitstag verdient hat. Der Betrag der Entgeltentschädigung geteilt durch den Tagesverdienst ergibt den Ruhenszeitraum. Oder kurz gesagt: Im Regelfall des Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 wird der danach maßgebende Ruhenszeitraum in ganzen Kalendertagen ermittelt, indem 60 % der Bruttoentlassungsentschädigung durch das festgestellte kalendertägliche Arbeitsentgelt dividiert werden.

Zu beachten ist, dass sich nach § 143a Abs. 2 Satz 3 SGB III der auf das pauschalierte Arbeitsentgelt anzurechnende Anteil der Entlassungsentschädigung abhängig vom Lebensalter und der Beschäftigungsdauer bis auf 25 % verringern kann. § 143a Abs. 2 Satz 3 SGB III lautet:

„Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung.“

Wie sich Lebensalter und Betriebszugehörigkeit auswirken, kann einer Tabelle bei Haufe Onlinekommentar RZ. 44 zu § 143a SGB III entnommen werden.

Von den nach den verschiedenen Alternativen (§ 143a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB III) berechneten Ruhenszeiträumen ist der kürzeste der nach § 143a SGB III maßgebende Ruhenszeitraum. Dieser verlängert sich nach § 143a Abs. 1 Satz 5 SGB III um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs i.S.d. § 143 Abs. 2 SGB III, wenn der Arbeitslose außer der Entlassungsentschädigung auch eine Urlaubsabgeltung erhalten oder zu beanspruchen hatte (dazu vgl. 4.3.3.1).

  • 143a Abs. 3 SGB III stellt klar, dass die Norm nicht dadurch umgangen werden kann, dass lediglich das Beschäftigungsverhältnis beendet wird, das Arbeitsverhältnis hingegen formal fortbesteht. Solche Fälle sind in der Praxis häufig gegeben. Es wird z.B. in einem Vergleich ein Ende des Arbeitsverhältnisses festgelegt, der Arbeitnehmer aber bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Beschäftigung freigestellt.
  • 143a Abs. 4 SGB III regelt die Gleichwohlleistung von Arbeitslosengeld für den Fall, dass dem Arbeitslosen die zu beanspruchende Entlassungsentschädigung tatsächlich zur Bestreitung des Lebensunterhalts (noch) nicht zur Verfügung steht, weil sie nicht ausbezahlt worden ist. Die Regelung entspricht derjenigen von § 143 Abs. 3 SGB III für Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung (siehe 4.3.3.1). Der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber geht auch in diesem Fall nach § 115 SGB X bis zur Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes kraft Gesetzes auf die Agentur für Arbeit über. Hat der Arbeitgeber dennoch an den Arbeitslosen oder einen Dritten mit befreiender Wirkung gezahlt, weil ihm der Forderungsübergang nicht bekannt war, ist der betroffene Arbeitslose zur Erstattung des Arbeitslosengeldes an die Agentur für Arbeit verpflichtet.

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4.1.4.3.3 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeiten

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Was unter versicherungswidrigem Verhalten zu verstehen ist, bestimmt § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Die Dauer der Sperrzeiten für die einzelnen Tatbestände des pflichtwidrigen Verhaltens richtet sich nach § 144 Absätze 3 bis 6 SGB III. Die Dauer liegt je nach Sachverhalt bei zwölf, sechs, zwei, drei und einer Woche.

Ein versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III vor, wenn

  1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nach Absatz 4 Satz 1 von zwölf Wochen und in den in Abs. 3 Satz 2 genannten Fällen drei bzw. sechs Wochen),
  2. der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1 SGB III) oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung nach Absatz 4 drei, sechs oder zwölf Wochen),
  3. der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen nach Absatz 5 zwei Wochen),
  4. der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme nach § 46 SGB III oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach Absatz 4 drei, sechs oder zwölf Wochen),
  5. der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach Absatz 4 drei, sechs oder zwölf Wochen),
  6. der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach Abs. 6 eine Woche),
  7. der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach Abs. 6 eine Woche).

Der Arbeitslose hat das Beschäftigungsverhältnis gelöst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1), wenn er es selbst gekündigt, einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat oder an einer Arbeitgeberkündigung durch einen im Zusammenhang mit dieser stehenden begleitenden Vertrag beteiligt war. Kündigung und Aufhebungsvertrag bedürfen der Schriftform (§ 623 BGB) (Haufe Onlinekommentar RZ. 19 zu § 144 SGB III).

Die Ablehnung eines Arbeitsangebots (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III) liegt nur dann vor, wenn das Arbeitsangebot von der Agentur für Arbeit gemacht wird. Die angebotene Arbeit muss dem Arbeitslosen zumutbar sein und seine Leistungsfähigkeit berücksichtigen.

Wenn einer der 7 Tatbestände des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III vorliegt, kann eine Sperrzeit dennoch nur eintreten, wenn der Arbeitslose für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hat (Haufe Onlinekommentar RZ. 38 zu § 144 SGB III). Der wichtige Grund muss objektiv vorliegen. Er ist von Amts wegen zu beachten, ohne dass der Arbeitslose sich auf ihn berufen muss.

Für die Aufgabe eines Arbeitsverhältnisses liegt z.B. ein wichtiger Grund vor, wenn sich das Leistungsvermögen aus gesundheitlichen Gründen so vermindert hat, dass die zu leistenden Arbeiten nicht mehr ausgeführt werden können und ein anderer geeigneter Arbeitsplatz nicht möglich ist.

Bei der Frage, ob für das Verhalten des Arbeitslosen ein wichtiger Grund vorliegt, kann eine Behinderung eine Rolle spielen. Bei der Beurteilung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. So kann die Nichtannahme eines Arbeitsangebotes gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitsweg wegen der Behinderung nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten bewältigt werden kann oder wenn eine rechtzeitige ausreichende Hilfsmittelausstattung nicht gegeben ist.

  • 144 SGB III regelt die Rechtsfolgen für fehlendes Mitwirken an der Beseitigung von Arbeitslosigkeit im Einzelfall. In § 2 Abs. 5 SGB III wird die Verantwortung des Arbeitnehmers zur Vermeidung und Beendigung von Arbeitslosigkeit besonders herausgestellt.

Die Sperrzeit beginnt gem. § 144 Abs. 2 Satz 1 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine bereits wegen eines anderen Ereignisses laufenden Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit, d.h., dass als Ereignis immer der Tag festzustellen ist, an dem der Erfolg bewirkt wird. Das ist z.B. der letzte Tag des Beschäftigungsverhältnisses, sodass die Sperrzeit am ersten Tag der Arbeitslosigkeit beginnt (Haufe Onlinekommentar RZ. 69a zu § 144 SGB III). Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 7 einander nach (§ 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III).

Mehrere Sperrzeiten können sogar zum Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitslose Anlass für den Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt mindestens 21 Wochen gegeben hat, der Arbeitslose über den Eintritt der Sperrzeiten schriftliche Bescheide erhalten hat und auf die Rechtsfolgen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt mindestens 21 Wochen hingewiesen worden ist; dabei werden auch Sperrzeiten berücksichtigt, die in einem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Entstehung des Anspruchs eingetreten sind und nicht bereits zum Erlöschen eines Anspruchs geführt haben.

Sperrzeitbescheide sind Verwaltungsakte, sodass sie mit Rechtsmitteln angegriffen werden können.

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4.1.4.3.4 Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitskämpfen

In § 146 SGB III wird geregelt, wie sich Arbeitskämpfe auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirken. Er gewährleistet die Neutralitätspflicht der Bundesagentur für Arbeit bei Arbeitskämpfen.

  • 146 Abs. 1 SGB III stellt den Grundsatz auf, dass durch Arbeitslosengeld nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden darf, indem die Leistung innerhalb des fachlichen Geltungsbereichs des umkämpften Tarifvertrags gewährt wird. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass außerhalb des fachlichen Geltungsbereichs kein Eingriff in den Arbeitskampf erfolgt, mithin Arbeitnehmer, die fachlich von dem umkämpften Tarifvertrag nicht betroffen sind und auch keine Vorteile daraus ziehen können, Arbeitslosengeld erhalten und damit nicht auf die nur bei Hilfebedürftigkeit gewährte Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II verwiesen werden. Insoweit werden den den Arbeitskampf führenden Parteien auch die Grenzen der Neutralität aufgezeigt. Im Übrigen stellt § 146 SGB III allein darauf ab, ob der Arbeitslose an dem Arbeitskampf beteiligt ist oder nicht (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 146 SGB III).

Wenn der Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden ist, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 146 Abs. 2 SGB III bis zur Beendigung des Arbeitskampfes. Daraus ergibt sich, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld auflebt, wenn der durch den Arbeitskampf arbeitslos gewordene Arbeitslose nach Beendigung des Arbeitskampfes nicht wieder eingestellt wird. Ein Arbeitnehmer ist an einem Arbeitskampf beteiligt, wenn er selbst streikt oder ausgesperrt ist. Streiks und Aussperrungen suspendieren das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis unter Wegfall der Lohnansprüche des Arbeitnehmers. Ein ausgesperrter Arbeitnehmer ist auch dann an einem Arbeitskampf beteiligt,

wenn seine Arbeitsbedingungen von dem Arbeitskampf nicht betroffen sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 146 SGB III).

  • 146 Abs. 3 SGB III regelt die Fälle, in welchen der Arbeitnehmer infolge eines Arbeitskampfes arbeitslos geworden ist, ohne dass er an diesem beteiligt war. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht in diesen Fällen immer dann, wenn der Arbeitnehmer von dem Ergebnis des Arbeitskampfes profitiert, weil sein Betrieb zum räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags gehört oder zwar nur zum fachlichen Geltungsbereich, aber das Tarifergebnis voraussichtlich auch im räumlichen Bereich übernommen und auf den Arbeitslosen angewendet werden wird.
  • 146 Abs. 4 SGB III räumt dem Verwaltungsrat als oberstem Selbstverwaltungsorgan der Bundesagentur für Arbeit das Recht ein, in Fällen des § 146 Abs. 3 SGB III aus berechtigten Gründen gleichwohl zu bestimmen, dass bestimmten Personengruppen Arbeitslosengeld geleistet wird. Damit hat der Gesetzgeber eine Auffangregelung geschaffen, mit der man sozialen Konflikten begegnen kann, die aus dem Arbeitskampf selbst nicht abzuleiten sind.

Nach § 146 Abs. 5 SGB III trifft die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach § 146 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben a und b erfüllt sind, also eine Forderung erhoben worden ist, die einer Hauptforderung des Arbeitskampfes nach Art und Umfang gleich ist (Buchstabe a)  und das Arbeitskampfergebnis aller Voraussicht nach in dem räumlichen Geltungsbereich des nicht umkämpften Tarifvertrages im wesentlichen übernommen wird (Buchstabe b), trifft der nach § 380 SGB III gebildete Neutralitätsausschuss. Dieser hat vor seiner Entscheidung den Fachspitzenverbänden der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

  • 146 Abs. 6 SGB III regelt die gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidung des Neutralitätsausschusses. Danach können die Fachspitzenverbände der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien durch Klage die Aufhebung der Entscheidung des Neutralitätsausschusses nach § 164 Absatz 5 SGB III und eine andere Feststellung begehren. Die Klage ist gegen die Bundesagentur zu richten. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Über die Klage entscheidet das Bundessozialgericht im ersten und letzten Rechtszug.

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4.2 Anspruch auf Teilarbeitslosengeld

Der Anspruch auf Teilarbeitslosengeld ist in § 150 SGB III geregelt.

Anspruch auf Teilarbeitslosengeld hat ein Arbeitnehmer, der

  1. teilarbeitslos ist (§ 150 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), d.h. „eine versicherungspflichtige Beschäftigung verloren hat, die er neben einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hat, und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht“ (§ 150 Abs. 2 Nr. 1 SGB III),
  2. sich bei der Agentur für Arbeit teilarbeitslos gemeldet hat (§ 150 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) und
  3. die Anwartschaftszeit für Teilarbeitslosengeld erfüllt hat (§ 150 Abs. 1 Nr. 3 SGB III).

Die Regelung soll Arbeitnehmern, die eine von mehreren nebeneinander ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen verlieren, durch das Teilarbeitslosengeld für eine begrenzte Zeit einen angemessenen Ersatz des wegen der eingetretenen Teilarbeitslosigkeit ausfallenden Arbeitsentgelts bieten.

Für das Teilarbeitslosengeld gelten nach § 150 Abs. 2 SGB III die Vorschriften über das Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (§§ 117 ff. SGB III) entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten des Teilarbeitslosengeldes nichts anderes ergibt. Maßgaben, die für das Teilarbeitslosengeld zu beachten sind, werden in § 150 Abs. 2 SGB III aufgelistet.

Die Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld hat erfüllt, wer in der Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiterhin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate die weitere verlorene versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hat. Für die Teilarbeitslosengeld-Rahmenfrist gelten die Regelungen über die Rahmenfrist zum Arbeitslosengeld (§ 124 SGB III) entsprechend (§ 150 Abs. 2 Nr. 2 SGB III).

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5. Renten der sozialen Rentenversicherung

Rechtsquelle ist das SGB VI.

Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind gem. § 125 Abs. 1 SGB VI Regionalträger und Bundesträger. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeichnung „Deutsche Rentenversicherung" und einem Zusatz für ihre jeweilige regionale Zuständigkeit (§ 125 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Bundesträger sind gem. § 125 Abs. 2 SGB VI die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr. Was dazu zählt ist in § 138 SGB VI aufgelistet. Zu nennen sind beispielsweise: Vertretung der Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, Europäischen und sonstigen nationalen und internationalen Institutionen sowie Sozialpartnern und die Abstimmung mit dem verfahrensführenden Träger der Rentenversicherung in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundessozialgericht.

Die Leistungen der Rentenversicherung werden im SGB VI im zweiten Kapitel und in den Übergangsbestimmungen des fünften Kapitels geregelt.

Die Rentenarten sind übersichtsmäßig in § 33 SGB VI unter den jeweiligen Oberbegriffen aufgelistet. Es sind dies nach § 33 Abs. 1 SGB VI Renten wegen Alters (im Einzelnen aufgeführt in Abs. 2), wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (aufgeführt in Abs. 3) und wegen Todes (Hinterbliebenenrenten aufgeführt in Abs. 4). Renten wegen Alters sind nach § 33 Abs. 2 SGB VI:

  1. Regelaltersrente (§ 35 SGB VI),
  2. Altersrente für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) und ab 01.01.2012 Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 38 SGB VI),
  3. Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI),
  4. Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute

sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels des SGB VI

  1. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit,
  2. Altersrente für Frauen.

Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nach § 33 Abs. 3 SGB VI:

  1. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI),
  2. Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI),
  3. Rente für Bergleute

sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels des SGB VI:

  1. Rente wegen Berufsunfähigkeit (§ 302b Abs. 1 SGB VI),
  2. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 302a Abs. 1 SGB VI).

Renten wegen Todes sind nach § 33 Abs. 4 SGB VI:

  1. kleine Witwenrente oder Witwerrente (§ 46 Abs. 1, § 242a Abs. 1 SGB VI),
  2. große Witwenrente oder Witwerrente (§ 46 Abs. 2, § 242a Abs. 2 SGB VI),
  3. Erziehungsrente (§ 47 SGB, § 243a VI),
  4. Waisenrente (§ 48 SGB VI).

Renten nach den Vorschriften des Fünften Kapitels des SGB VI sind gem. § 33 Abs. 5 SGB VI außer den in den Abs. 2 und 3 genannten Renten auch:

  • die Knappschaftsausgleichsleistung (§ 239 SGB VI),
  • die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) und
  • die Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten (§ 243 SGB VI).

Die Aufzählung aller Rentenarten in § 33 SGB VI dient der Übersicht und der Transparenz. Alle Rentenarten sind auf einen Blick erkennbar. Einen sehr detaillierten Überblick über die Rentenarten enthält die Kommentierung zu § 33 SGB VI in Haufe Onlinekommentar.

Einordnungsschwierigkeiten bereitet die Erziehungsrente (§ 47 SGB VI), die als Versichertenrente unter dem Oberbegriff „Renten wegen Todes" aufgeführt ist. Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass der Tod des geschiedenen Ehegatten eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch auf diese Rente ist. Sie ist jedoch keine aus der Versicherung des Verstorbenen abgeleitete Rente, sondern eine Rente aus eigener Versicherung, da sie aus den Entgeltpunkten des versicherten Antragstellers berechnet wird (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI) (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 33 SGB VI).

In welchem Verhältnis mehrere gleichzeitig gegebene Rentenansprüche nach dem SGB VI zueinander stehen, ergibt sich aus § 89 SGB VI: Sie stehen eigenständig nebeneinander. Geregelt ist in § 89, welche der Renten beim Zusammentreffen von Ansprüchen geleistet wird; prinzipiell ist das die höchste Rente (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 33 SGB VI).

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5.1 Allgemeine Voraussetzungen für die Renten der Sozialversicherung

Versicherte und ihre Hinterbliebenen haben nach der Einweisungsvorschrift des § 34 Abs. 1 SGB VI Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind je nach der Rentenart unterschiedlich. Nicht nur für die Wartezeit, sondern für den Inhalt des Rentenanspruchs spielen die rentenrechtlichen Zeiten eine Rolle. Sie werden deshalb nachfolgend als erstes behandelt.

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5.1.1 Rentenrechtliche Zeiten

Unter dem Begriff „rentenrechtliche Zeiten" werden alle Zeiten zusammengefasst, die sich auf den Rentenanspruch auswirken.

  • 54 Abs. 1 SGB VI zählt die rentenrechtlichen Zeiten auf. Es sind dies:
  1. Beitragszeiten,a) als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen,b) als beitragsgeminderte Zeiten,
  2. beitragsfreie Zeiten und
  3. Berücksichtigungszeiten.
  • 54 Abs. 2 bis 4 SGB VI geben Legaldefinitionen der einzelnen Zeiten. Sie sind von Bedeutung, weil die Vorschriften des SGB VI immer wieder auf sie zurückgreifen, wobei die Zeiten im Einzelnen von unterschiedlicher Relevanz sein können. Auch können für denselben Zeitraum verschiedene rentenrechtliche Zeiten gleichzeitig anerkannt werden.

Die Wirkung der Zeiten im Einzelnen ist unterschiedlich. Die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) und wegen nichterwerbsmäßiger Pflege in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995 (§ 249b SGB VI) haben nur mittelbaren Einfluss auf die Rentenhöhe durch Verbesserung des Gesamtleistungswertes der beitragsfreien Zeiten (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 54 SGB VI).

Verschiedene rentenrechtliche Zeiten können parallel zueinander liegen. Für die Berechnung von rentenrechtlichen Zeiten gilt nach § 122 Abs. 1 SGB VI, dass ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als voller Monat zählt.

Der Begriff „Beitragszeiten" ergibt sich nicht aus § 54 SGB VI, sondern aus § 55 SGB VI (s. auch §§ 247, 248 SGB VI).

Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Beiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Eine fiktive Beitragszahlung hat die gleiche Wirkung wie die tatsächlich gezahlten Beiträge. Bei den Beitragszeiten wird unterschieden zwischen Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und beitragsgeminderten Zeiten. Diese Unterscheidung ist für die einzelnen Berechnungsgänge innerhalb der Rentenberechnung erforderlich. Beispielsweise nehmen nur vollwertige Pflichtbeiträge an der Berechnung der Rente nach Mindesteinkommen (Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt § 262 SGB VI) und der Vergleichsbewertung bei der Ermittlung des Gesamtleistungswertes (§ 73 SGB VI) teil.

Um eine beitragsgeminderte Zeit handelt es sich, wenn in einem Kalendermonat Beitragszeiten mit Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI), einer Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) oder Ersatzzeiten (§ 250 SGB VI) zusammentreffen. Ein Kalendermonat, der nur teilweise mit Beiträgen belegt ist, und in dem keine beitragsfreien Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 4 SGB VI, also Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten oder Ersatzzeiten enthalten sind, ist als Kalendermonat mit vollwertigen Beiträgen zu rechnen (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Was eine Zeit mit vollwertigen Beiträgen ist bzw. als eine solche Zeit gilt, ist im Einzelnen bei Haufe Onlinekommentar RZ. 6a zu § 54 SGB VI aufgelistet.

Beitragsgeminderte Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SGB VI sind gem. § 54 Abs. 3 SGB VI Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit beitragsfreien Zeiten i.S.d. § 54 Abs. 4 SGB VI (Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten, Ersatzzeiten) belegt sind. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Beitragszeit und die beitragsfreie Zeit im jeweiligen Kalendermonat zeitlich zusammentreffen, sich überschneiden oder aufeinander folgen. Die Bedeutung der beitragsgeminderten Zeiten ergibt sich aus der Einbeziehung in die Gesamtleistungsbewertung. Die beitragsgeminderten Zeiten werden mit den für die beitragsfreien Zeiten ermittelten Entgeltpunkten bewertet, wenn es für die Versicherten günstiger ist. Insoweit ist sichergestellt, dass sich ein schlechter Beitragswert im selben Kalendermonat nicht nachteilig auswirkt (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 54 SGB VI).

Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind. Wurden für Kalendermonate mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten auch Beiträge (wenn auch nur für einen Tag) gezahlt oder gelten dafür Beiträge als entrichtet, handelt es sich um beitragsgeminderte Zeiten.

Sofern die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine beitragsfreie Zeit erfüllt sind, werden sie rentensteigernd berücksichtigt, und zwar im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 54 SGB VI).

Die Anrechnungszeiten sind in §§ 58, 252, 252a, 253 SGB VI geregelt. Für

Anrechnungszeiten erhält der Versicherte über die Gesamtleistungsbewertung entsprechend seinen Beiträgen während des Gesamtleistungszeitraums individuelle Entgeltpunkte. Anrechnungszeiten sind z.B. Zeiten, in denen Versicherte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben (§ 58 Abs. 1 Nr. 1) oder nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI).

Als Zurechnungszeit wird für die Berechnung der Rentenhöhe nach §§ 59 Abs. 1, 253a SGB VI die Zeit des Eintritts der Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres berücksichtigt, wenn der Versicherte beim Eintritt der Erwerbsminderung das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dadurch sollen zu niedrige Renten vermieden werden. Die Bewertung der Zurechnungszeit erfolgt mit dem individuellen Gesamtleistungswert.

Ersatzzeiten (§ 250 SGB VI) zählen zu den beitragsfreien Zeiten. Bei den beitragsfreien Zeiten generell und somit auch bei der Ersatzzeit unterblieb aufgrund besonderer Umstände die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Da auch Ersatzzeiten zur Begründung von Rentenansprüchen führen können, spielen diese Zeiten eine bedeutende Rolle; denn sie zählen in allen Fällen von Rentenleistungen (wie Altersrente, Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente) anwartschaftserhöhend mit. Ersatzzeiten sind Zeiten vor dem 1.1.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und der Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr einem der Tatbestände nach § 250 Abs. 1 SGB VI unterworfen war. Es handelt sich um Zeiten mit Entschädigungscharakter, da in diesen Zeiten Beitragszahlungen aus Gründen unterblieben, die der Versicherte nicht zu vertreten hat. Hierzu zählen u.a.:

  • Kriegsdienst im 2. Weltkrieg, Kriegsgefangenschaft und damaliger Wehrdienst und Reichsarbeitsdienst,
  • Zeiten der Verfolgung durch den Nationalsozialismus,
  • Zeiten der Vertreibung oder Flucht, Internierung, Verschleppung und des Festgehaltenwerdens von Deutschen infolge des 2. Weltkrieges,
  • Haftzeiten im Gebiet der DDR in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis 30. Juni 1990, soweit der Versicherte rehabilitiert oder das Strafurteil aufgehoben worden ist.

Zum Teil zählen auch an diese Zeiten anschließende Krankheits- und Arbeitslosigkeitszeiten als Ersatzzeiten.

Ersatzzeiten sind auf Zeiten bis zum 31. Dezember 1991 begrenzt. Sie zählen bei allen Rentenfällen ohne weitere Voraussetzungen sowohl bei der Wartezeit (vgl. 5.1.2) als auch bei der Rentenberechnung (vgl. 5.1.3) mit. Als sog. pauschale Ersatzzeit wird die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 für Personen, welche den Bundesvertriebenenausweis A oder B nach dem Bundesvertriebenengesetz  besitzen, bezeichnet.

Ersatzzeiten werden allerdings nur berücksichtigt, solange kein Ausschlussgrund i.S.d. § 250 Abs. 2 SGB VI vorgelegen hat. Das sind u.a. Zeiten, für die eine Nachversicherung durchgeführt worden ist oder für die eine Nachversicherung mangels Antragstellung ausgeblieben ist. Ersatzzeiten werden mit dem individuellen Gesamtleistungswert entschädigt.

Berücksichtigungszeit (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI) ist gemäß § 57 SGB VI die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit (§ 56 SGB VI) auch in dieser Zeit vorliegen. Weiterhin gab es im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 1992 und dem 31. März 1995 Berücksichtigungszeiten bei nichterwerbsmäßiger Pflege eines Pflegebedürftigen (Pflegeberücksichtigungszeit). Letztere wurde 1995 mit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung und der damit verbundenen Pflichtversicherung für Pflegepersonen (§ 3 Nr. 1a SGB VI) wieder abgeschafft (§ 249b SGB VI). Die Pflegeversicherungszeiten spielen deshalb heutzutage kaum noch eine Rolle.

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5.1.2 Wartezeiten

Gemäß § 34 Abs. 1 SGB VI setzt der Leistungsanspruch in der Rentenversicherung eine Mindestversicherungszeit (Wartezeit) voraus. Dadurch soll vermieden werden, dass bereits nach wenigen Beitragsleistungen ein Anspruch auf eine geringfügige Rente entsteht. Auch sollen ungünstige Risiken ausgeschlossen werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 50 SGB VI).  Die je nach Rentenart unterschiedlichen Wartezeiten sind in § 50 SGB VI geregelt; sie werden dort jeweils nach vollen Jahren bemessen.

Eine Wartezeit von 5 Jahren (= allgemeine Wartezeit) ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Voraussetzung für

  1. die Regelaltersrente nach §§ 35, 235 SGB VI,
  2. die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43, 45, 240 SGB VI und
  3. die Renten wegen Todes (Hinterbliebenenrenten) nach den §§ 46, 47, 48, 243, 243a SGB VI.

Eine Wartezeitfiktion für die allgemeine Wartezeit sieht § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in 2 Fällen vor. Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt, wenn Anspruchsberechtigte auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente diese bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen haben. Das ist erforderlich, da diese Renten nach dem Gesetzeswortlaut nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze gewährt werden. Um das Vertrauen der Rentenberechtigten auf den Fortbestand der Leistung zu schützen, ermöglicht die Fiktion den Weiterbezug als Regelaltersrente (Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 50 SGB VI).

Eine Wartezeit von 20 Jahren ist nach § 50 Abs. 2 SGB VI Voraussetzung für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 6 SGB VI an Versicherte, welche die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.

Eine Wartezeit von 25 Jahren ist nach § 50 Abs. 3 SGB VI Voraussetzung für einen Anspruch auf

  1. Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und
  2. Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.

Eine Wartezeit von 35 Jahren ist nach § 50 Abs. 4 SGB VI Voraussetzung für einen Anspruch auf

  1. Altersrente für langjährig Versicherte und
  2. Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Eine Wartezeit von 45 Jahren muss für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte, welche ab 01.01 2012 eingeführt und in § 38 SGB VI geregelt wird, erfüllt werden.

Wie schon gesagt sind die Wartezeiten nach Jahren bemessen. Für die Erfüllung der Wartezeiten werden nicht alle in § 54 SGB VI genannten rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt. Welche Zeiten auf die Wartezeit anrechenbar sind, ergibt sich aus den §§ 51, 244 SGB VI. Nach § 50 SGB VI werden die dort aufgezählten Wartezeiten in Jahren ermittelt. Für die Anrechnung auf die Wartezeit werden nach § 51 SGB VI Kalendermonate herangezogen, sodass eine Umrechnung erforderlich ist, um festzustellen, ob die Wartezeit für eine bestimmte Rente erfüllt ist. 12 Kalendermonate, die mit anzurechnenden rentenrechtlichen Zeiten (§ 54 SGB VI) belegt sind, ergeben ein Jahr (§ 122 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Kalendermonate, die nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, zählen als volle Monate (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Treffen in einem Monat mehrere rentenrechtliche Zeiten zusammen, wird der Monat nur einmal für die Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt.

In allen Wartezeiten sind Beitragszeiten enthalten. Der Begriff der Beitragszeiten sowie die verschiedenen Arten von Beitragszeiten ergeben sich aus den §§ 54, 55 SGB VI und den ergänzenden Sonderregelungen der §§ 247 ff. SGB VI.

Auf die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren und auf die Wartezeiten von 15 und 20 Jahren werden nach § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet.

Ausschließlich Beitragszeiten und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI) sind rentenrechtlich relevant für die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren. Darüber hinaus kann eine Wartezeiterfüllung durch einen durchgeführten Versorgungsausgleich, durch Monate aus Zuschlägen an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelte aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung und infolge eines Rentensplittings unter Ehegatten/Lebenspartnern in Betracht kommen (§ 52 SGB VI). Die nach dieser Bestimmung ermittelten Monate sind weder Beitragszeiten noch sonstige rentenrechtliche Zeiten. Sie dienen lediglich zur Erfüllung von Wartezeiten.

Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen können damit nicht erfüllt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 51 SGB VI). Auch Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet für die Zeit vom 1.7.1975 bis 31.12.1991 gelten nach § 248 Abs. 2 SGB VI unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als Pflichtbeitragszeiten.

Eine Wartezeit von 15 Jahren ist nach § 243b SGB VI versicherungsrechtliche Voraussetzung für Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 SGB VI) oder für Frauen (§ 237a SGB VI). Auf die Wartezeit von 15 Jahren werden gem. § 244 Abs. 2 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet.

Die Wartezeit von 15 Jahren ist weiterhin versicherungsrechtliche Voraussetzung für Leistungen zur Teilhabe nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Für die Wartezeit von 20 Jahren nach § 50 Abs. 2 SGB VI für Renten wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren (§ 43 Abs. 6 SGB VI) sind alle Beitrags- und Ersatzzeiten und die Zeiten nach § 52 SGB VI berücksichtigungsfähig.

Eine Wartezeit von 25 Jahren wird für die Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nach § 40 SGB VI und die Rente für Bergleute nach § 45 Abs. 3 SGB VI vorausgesetzt. Die erforderlichen Beitragszeiten müssen auf einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage beruhen (§ 51 Abs. 2 SGB VI). Eine Sonderregelung findet sich in § 238 SGB VI. So sind beispielsweise knappschaftsbezogene Ersatzzeiten anrechenbar (§ 238 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, § 250 SGB VI, § 254 Abs. 1 und 2 SGB VI). Anders verhält es sich mit Wartezeitmonaten aufgrund eines Versorgungsausgleichs nach § 52 Abs. 1 SGB VI, des Rentensplittings unter Ehegatten nach § 52 Abs. 1a SGB VI und des Zeitenkontingents nach § 52 Abs. 2 SGB VI. Diese Zeiten sind nicht für die 25 Jahre berücksichtigungsfähig.

Auf die Wartezeit von 35 Jahren werden nach § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten angerechnet. Das bedeutet, dass   neben Beitragszeiten, Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten und Wartezeitmonaten aufgrund der Sachverhalte des § 52 seit dem 1.1.1992 auch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) oder nichterwerbsmäßiger Pflege (nur im Zeitraum bis 31.3.1995, § 249b SGB VI) angerechnet werden. Für die Berücksichtigungszeiten bei Selbständigen ist die Sonderregelung in § 57 Satz 2 SGB VI zu beachten.

Auf die Wartezeit von 45 Jahren, die Voraussetzung für einen Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 38 SGB VI (ab 01.01.2012) ist, werden neben Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit auch Ersatzzeiten sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung seit dem 1.1.1992 und wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege (nur für den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.3.1995, § 249b SGB VI) angerechnet. Die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung soll dazu beitragen, dass auch Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit erziehungsbedingt bis zum 10. Lebensjahr eines Kindes aufgeben, die Wartezeit von 45 Jahren erfüllen können. Nicht berücksichtigungsfähig sind allerdings Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II und nach der Sondervorschrift des § 244 Abs. 3 SGB VI auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosenhilfe. Von den in § 52 geregelten Tatbeständen können nur Wartezeitmonate aus Zuschlägen an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung berücksichtigt werden, nicht dagegen Kalendermonate, die durch Versorgungsausgleich oder Rentensplitting erworben wurden.

Auf alle Wartezeiten werden nach § 51 Abs. 4 SGB VI auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten angerechnet. § 51 Abs. 4 SGB VI stellt klar, dass Ersatzzeiten, die in den §§ 250, 251 SGB VI definiert sind, bei den Wartezeiten berücksichtigt werden. Sie sind im Rahmen der Wartezeiterfüllung den Beitragszeiten gleichgestellt. Ersatzzeittatbestände konnten nur bis zum 31.12.1991 auftreten. Spezielle Anrechnungsvoraussetzungen für Ersatzzeiten (z.B. die frühere Halbbelegung) existieren seit dem 1.1.1992 nicht mehr. Ausreichend ist, dass der Betreffende „Versicherter" ist, d.h. mindestens einen Monat Beitragszeiten zurückgelegt hat. Ein nur teilweise mit einem Ersatzzeittatbestand belegter Kalendermonat zählt für die Wartezeit als voller Monat.

Die Erfüllung der Wartezeit ist nach § 52 SGB VI auch durch Versorgungsausgleich, Rentensplitting und Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung möglich. Die Bestimmung regelt die Ermittlung von Wartezeitmonaten aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich, einem Rentensplitting unter Ehegatten/Lebenspartnern und aus Zuschlägen an Entgeltpunkten für ein Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung. Die ermittelten Wartezeitmonate können grundsätzlich auf die Wartezeiten von 5, 15, 20 und 35 Jahren angerechnet werden, für die Wartezeit von 45 Jahren zählen nur Wartezeitmonate aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung, nicht dagegen diejenigen aus Versorgungsausgleich oder Rentensplitting. Die aus dem Versorgungsausgleich ermittelten Monate dienen lediglich dazu, die für eine Rentengewährung erforderliche Wartezeit zu erreichen. Gleiches gilt für die aufgrund der Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung bzw. des Rentensplittings ermittelten Zeiten. Es handelt sich nicht um rentenrechtliche Zeiten i.S.d. § 54 SGB VI. Eine Zuordnung zu bestimmten Kalendermonaten findet nicht statt (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 52 SGB VI).

Nach §§ 53, 245 SGB VI ist für bestimmte Leistungsfälle, die trotz kurzer Versicherungszugehörigkeit eines sozialen Ausgleichs bedürfen, eine vorzeitige Wartezeiterfüllung möglich. Der Eintritt eines Unfalls oder einer Krankheit sind Ereignisse, die am Beginn eines Berufslebens einen verstärkten sozialen Schutz erfordern (Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 50 SGB VI).

Wenn die in § 53 SGB VI benannten Sachverhalte vorliegen, wird zugunsten des Versicherten/Hinterbliebenen unterstellt, dass die allgemeine Wartezeit erfüllt ist.

  • 53 SGB VI lautet:

„(1) Die allgemeine Wartezeit (von 5 Jahren) ist vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte

  1. wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit,
  2. wegen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz als Wehrdienstleistende oder Soldaten auf Zeit,
  3. wegen einer Zivildienstbeschädigung nach dem Zivildienstgesetz als Zivildienstleistende oder
  4. wegen eines Gewahrsams (§ 1 Häftlingshilfegesetz)

vermindert erwerbsfähig geworden oder gestorben sind. Satz 1 Nr. 1 findet nur Anwendung für Versicherte, die bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit versicherungspflichtig waren oder in den letzten zwei Jahren davor mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Die Sätze 1 und 2 finden für die Rente für Bergleute nur Anwendung, wenn der Versicherte vor Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit zuletzt in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert war.

(2) Die allgemeine Wartezeit (von 5 Jahren) ist auch vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben sind und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung oder des Todes verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren.

(3) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne der Absätze 1 und 2 liegen auch vor, wenn

  1. freiwillige Beiträge gezahlt worden sind, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
  2. Pflichtbeiträge aus den in § 3 oder 4 (SGB VI) genannten Gründen gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten oder
  3. für Anrechnungszeiten Beiträge gezahlt worden sind, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.“

Ein Versicherungsverhältnis muss vorliegen. Versichert sind Personen, für die mindestens ein rechtswirksamer Beitrag entrichtet ist. Der Begriff des Versicherten wird für die Sachverhalte Arbeitsunfall/Berufskrankheit in § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB VI konkretisiert. Einschränkungen ergeben sich für den Arbeitsunfall/die Berufskrankheit und nach § 53 Abs. 2 SGB VI. Die Begriffe „Arbeitsunfall/Berufskrankheit" beziehen sich auf die Definitionen in §§ 8, 9 SGB VII. Zum Zeitpunkt des Ereignisses muss eine Versicherung in der Unfallversicherung bestanden haben (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 53 SGB VI). Beim Personenkreis nach § 53 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI muss es sich um deutsche Staats- und Volkszugehörige handeln. Das ergibt sich aus § 1 Häftlingshilfegesetz. Dieser lautet:

„(1) Leistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften erhalten deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie

  1. nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 8. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes genannten Gebieten aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden oder
  2. Angehörige der in Nummer 1 genannten Personen sind oder
  3. Hinterbliebene der in Nummer 1 genannten Personen sind

und den gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes genommen haben.“

Unter der nach § 53 Abs. 2 SGB VI geforderten Ausbildung ist jegliche Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verstehen, für die ein geordneter, meist staatlich geregelter Ausbildungsgang besteht. Die Ausbildung muss Zeit und Arbeitskraft des Versicherten überwiegend in Anspruch nehmen. Die Ausbildung braucht nicht abgeschlossen, sondern nur tatsächlich beendet zu sein (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 53 SGB VI).

Der maßgebende Zweijahreszeitraum, in welchem mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sein müssen, verlängert sich nach § 53 Abs. 2 Satz 2 um Zeiten der schulischen Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr um bis zu 7 Jahre. Dies führt dazu, dass Versicherte, die vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erneut eine schulische Ausbildung/Studium aufnehmen und während oder kurz nach Beendigung dieser Ausbildung voll erwerbsgemindert werden oder sterben, vorzeitig die Wartezeit erfüllt haben.

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5.1.3 Ermittlung der Rentenhöhe

Grundsätze für die Ermittlung der Rentenhöhe enthält § 63 SGB VI. Die Rentenversicherung wird - seit Jahrzehnten unverändert - vom Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit sowie Lebensstandardsicherung bestimmt; d.h., die Renten sind vor allem davon abhängig, in welchem Verhältnis das individuelle Arbeitseinkommen (in Gestalt der Rentenversicherungsbeiträge) - bezogen auf das gesamte Berufsleben und nicht nur auf das der letzten Jahre - zum durchschnittlichen Arbeitseinkommen aller Arbeitnehmer (vgl. Anlage 1 zum SGB VI Durchschnittsentgelt aller Arbeitnehmer) gestanden hat und wie lange Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden. Sie sind ferner an die Entwicklung der Löhne und Gehälter - seit Juli 2001 unter Berücksichtigung des ggf. veränderten Beitragssatzes und ab Juli 2004 unter Einbeziehung eines Nachhaltigkeitsfaktors (vgl. § 68 SGB VI) - gekoppelt und dementsprechend zum 1. Juli eines jeden Jahres anzupassen. Ab 1.8.2004 ist ein Schutzfaktor hinzugekommen, durch den verhindert wird, dass die Rentenhöhe sinkt, zunächst geregelt in § 68 Abs. 6, später - ab 22.7.2009 - in § 68a SGB VI. Der Schutzfaktor wurde um eine Garantie für Rentenkürzungen erweitert (Haufe Onlinekommentar RZ. 1a zu § 63 SGB VI).

Die Höhe der Renten wird nach § 63 Abs. 6 SGB VI durch die persönlichen Entgeltpunkte (§ 66 SGB VI), den Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und den aktuellen Rentenwert (§ 68 SGB VI) bestimmt.

Die sich aus § 64 SGB VI ergebende Rentenformel für den Monatsbetrag einer Rente lautet:
Persönliche Entgeltpunkte (unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelt) multipliziert mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert.

Zur Rentenformel, wenn persönliche Entgeltpunkte Ost zu ermitteln sind, vgl. § 254b SGB VI.

Zu den einzelnen Faktoren der Rentenformel:

Erster Faktor der Rentenformel sind die persönlichen Entgeltpunkte.

Die Höhe einer Rente richtet sich gem. § 63 Abs. 1 SGB VI vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, ausgedrückt in Entgeltpunkten (vgl. §§ 70, 254d SGB VI).

Die Entgeltpunkte geben das Verhältnis des Entgelts des Versicherten zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten, das in der Anlage 1 zum SGB VI für jedes Jahr zu entnehmen ist, wieder (§ 70 SGB VI).

Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet (§ 63 Abs. 2 SGB VI). Die Berechnung erfolgt nach § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI dadurch, dass für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt werden, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt gem. Anlage 1 zum SGB VI  für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist (§ 63 Abs. 3 SGB VI, § 71 SGB VI).

Die der Rentenberechnung zugrunde zu legenden persönlichen Entgeltpunkte werden sodann aus den ermittelten Entgeltpunkten, insbesondere für Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten, multipliziert mit dem Zugangsfaktor, gebildet (§ 66 SGB VI). In den §§ 70 bis 76d SGB VI werden die Einzelheiten geregelt, wie die persönlichen Entgeltpunkte für den Monatsbetrag der Rente zu ermitteln sind. Darauf kann hier nicht näher eingegangen werden.

Der Zugangsfaktor, der bei Feststellung der persönlichen Entgeltpunkte zu berücksichtigen ist, richtet sich gem. § 77 Abs. 1 SGB VI nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Vor- oder Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch den Zugangsfaktor ausgeglichen. Der Zugangsfaktor beträgt für Rentengewährung ab der Regelaltersgrenze 1,0. Er mindert sich für jeden Monat des Vorziehens einer Altersrente um 0,003 = Rentenabschlag von 0,3 % (§ 77 SGB VI) und erhöht sich für jeden Monat des Hinausschiebens einer Altersrente über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus um 0,005, wodurch sich in diesem Fall die Rente erhöht.

Seit 2001 mindert sich der Zugangsfaktor ggf. gem. § 77 SGB VI auch bei Erwerbsminderungs- und Erziehungs- sowie Hinterbliebenenrenten.

Gemildert wird der Rentenabzug bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente dadurch, dass die Zeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr voll als Zurechnungszeit angerechnet wird (§ 59 SGB VI).

Zweiter Faktor der Rentenformel ist der Rentenartfaktor.

Entsprechend dem Sicherungsziel der jeweiligen Rentenart wird der entsprechende Rentenartfaktor bestimmt, welcher die betreffende Rente in ein bestimmtes Verhältnis zur Altersrente setzt (§ 63 Abs. 4 SGB VI, § 67 SGB VI).

Mit dem Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) werden also die unterschiedlichen Sicherungsziele der Rentenleistungen berücksichtigt:

  • Versichertenrenten sollen ganz oder teilweise entgangenen Lohn ersetzen. Vollem Lohnersatz dienen die Renten wegen voller Erwerbsminderung und Altersrenten. Dem teilweisen Lohnersatz dienen die Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung.
  • Hinterbliebenenrenten sollen bisherigen Unterhalt ersetzen.

Dementsprechend unterschiedlich hoch ist der Rentenartfaktor, mit dem die persönlichen Entgeltpunkte (vgl. § 66 SGB VI) zu multiplizieren sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 67 SGB VI).

Der Rentenartfaktor beträgt:

  • bei Alters- und Erziehungsrenten sowie Renten wegen voller Erwerbsminderung 1,0
  • bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung 0,5 (halbe Erwerbsminderungsrente und nicht mehr wie früher Zweidrittelrente)
  • bei der kleinen Witwen- und Witwerrente für die ersten 3 Kalendermonate nach dem Tod der/des Versicherten 1,0, danach 0,25
  • bei der großen Witwen- und Witwerrente für die ersten 3 Kalendermonate nach dem Tod der/des Versicherten 1,0, danach 0,55, nach der dem Vertrauensschutz dienenden Übergangsregelung in § 255 SGB VI ggf. auch 0,6
  • bei der Halbwaisenrente 0,1
  • bei der Vollwaisenrente 0,2

Abweichend von § 67 gelten für die knappschaftliche Rentenversicherung wegen des dort höheren Rentenniveaus andere Rentenartfaktoren (§ 265 Abs. 7. SGB VI).

Dritter Faktor der Rentenformel ist der aktuelle Rentenwert.

Der aktuelle Rentenwert ist derjenige Teil der Rentenformel (vgl. §§ 64, 254b SGB VI), der die Rentendynamik bewirkt (§ 63 Abs. 7 SGB VI). Das bezieht sich zum einen auf die aktuelle Bewertung der während des gesamten „Versicherungslebens" erworbenen persönlichen Entgeltpunkte (vgl. § 66 SGB VI) und zum anderen auf die Anpassung der bereits laufend gezahlten Renten zum 1. Juli eines jeden Jahres (§ 65 SGB VI).

Die Dynamisierung der Renten wird gem. § 65 SGB VI dadurch erreicht, dass zum 1. Juli eines jeden Jahres der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird. Die Dynamisierung der Renten und die Umstellung des Rentensystems von der Kapitaldeckung auf das Umlageverfahren wurden mit der Rentenreform durch die Gesetze zur Neuregelung der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 22. Januar 1957 eingeführt. Sie wurde wegen der demographischen Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung mehrfach verändert.

Die Ermittlung des aktuellen Rentenwerts ist in § 68 SGB VI geregelt. § 68 SGB VI wird ergänzt durch § 68a SGB VI und die §§ 255d, 255e, 255g SGB VI.

In die Erhöhung der Renten wurde in den letzten Jahren durch Aussetzung einer Rentenerhöhung mehrfach eingegriffen (vgl. dazu im Einzelnen Haufe Onlinekommentar RZ. 1 zu § 65 SGB VI und RZ. 1 zu § 68 SGB VI sowie RZ. 3 zu § 68 SGB VI mit einer Auflistung der aktuellen Rentenwerte seit 2005).

Bei der Ermittlung des aktuellen Rentenwerts wird neben der Veränderung bei den Bruttolöhnen und dem Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung - im Unterschied zum früheren Recht - auch ein Nachhaltigkeitsfaktor berücksichtigt, welcher speziell das durch die demographische Entwicklung verursachte Ausgabenwachstum drosseln soll.

Der aktuelle Rentenwert entspricht der monatlichen Regelaltersrente der allgemeinen Rentenversicherung, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge nach einem Durchschnittsverdienst gezahlt wurden. Er wird seit 1992 jeweils durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, und nicht mehr wie früher, durch ein Rentenanpassungsgesetz neu bestimmt (vgl. § 69 SGB VI). Der jeweils neue aktuelle Rentenwert gilt für Rentenfälle, die in der Zeit vom 1. Juli des Jahres, für das er festgesetzt wurde, bis zum 30. Juni des nächsten Jahres eintreten.

Der aktuelle Rentenwert entspricht einer monatlichen Regelaltersrente für ein Beitragsjahr mit Durchschnittsverdienst (ein Entgeltpunkt) und wird zum 1.

Juli eines jeden Jahres neu bestimmt (§§ 63 Abs. 7, 65, 68, 255e bis 255g SGB VI).

Zum aktuellen Rentenwert (Ost) und dessen Fortschreibung vgl. §§ 254c, 255a SGB VI.

Der bisherige aktuelle Rentenwert wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres unter Berücksichtigung der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer,

der Veränderung des durchschnittlichen Beitragssatzes der allgemeinen Rentenversicherung und des Nachhaltigkeitsfaktors fortgeschrieben (§ 68 Abs. 1 Satz 3 SGB VI). Die Formel zur Ermittlung des aktuellen Rentenwertes enthält § 68 Abs. 5 SGB VI.

Eine Schutzklausel, durch die die Senkung von Renten vermieden werden soll, enthält § 68a SGB VI.

  • 68a SGB VI ergänzt § 68 SGB VI i.V.m. § 255a Abs. 4 SGB VI. § 68a Abs. 1 Satz 1 SGB VI enthält die Schutzklausel, durch die bei Anwendung der Rentenanpassungsformel des § 68 SGB VI eine Minderung des aktuellen Rentenwerts ausgeschlossen ist (Garantie gegen Rentenkürzungen). In § 68a Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird geregelt, dass über den Ausgleichsbedarf wegen der Schutzklausel unterbliebene Absenkungen des Rentenniveaus nachgeholt werden. Dazu wird bestimmt, dass diese unterbliebene Minderungswirkung bei späteren Rentenerhöhungen im Wege einer Verrechnung auszugleichen ist, ohne dass es dadurch wiederum zu einer Minderung des bisherigen Wertes kommen darf. Die unterbliebene Minderungswirkung wird als Ausgleichsbedarf bezeichnet (vgl. BT-Drs. 15/3794 S. 35).
  • 68a Abs. 2 und 3 SGB VI bestimmen, wie der Ausgleichsbedarf zu ermitteln bzw. abzuschmelzen ist, während Abs. 4 das Beibehalten des Ausgleichsbedarfs zum Inhalt hat. Zur Entwicklung der Schutzklausel vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 1 zu § 68a SGB VI.

Die für die Rentenfestsetzung erforderlichen Rechengrößen werden seit 1992 jeweils durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, und nicht mehr wie früher, durch ein Rentenanpassungsgesetz neu bestimmt (vgl. § 69 SGB VI).

Die Ermächtigung zur Festlegung der für die Rentenberechnung erforderlichen Rechengrößen bezieht sich auf

  1. den zum 1. Juli eines Jahres maßgebenden aktuellen Rentenwert (vgl. §§ 68, 255e, 255g SGB VI) sowie den Ausgleichsbedarf (vgl. § 68a Abs. 1, § 255d SGB VI),
  2. das Durchschnittsentgelt aller Versicherten in Anlage 1 zum SGB VI (vgl. § 70 Abs. 1SG B VI) für das jeweils vergangene Kalenderjahr,
  3. das vorläufige Durchschnittsentgelt aller Versicherten (vgl. Anlage 1 zum SGB VI und § 70 Abs. 1 SGB VI) für das jeweils folgende Kalenderjahr.

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5.1.4 Rentenrechtliche Besonderheiten für Beschäftigte in geschützten Einrichtungen

Bei der Frage nach rentenrechtlichen Besonderheiten für behinderte Menschen in geschützten Einrichtungen geht es um die

  • Versicherungspflicht der in geschützten Einrichtungen tätigen behinderten Menschen (§ 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI),
  • die Beitragsbemessung und die Einführung eines fiktiven Einkommens für die Beitragsbemessung (§ 162 Nr. 2 SGB VI),
  • die Tragung der Beiträge (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI),
  • die Beitragserstattung (§ 179 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI) und
  • um die Erfüllung einer Wartezeit von 20 Versicherungsjahren, wenn die Erwerbsunfähigkeit schon zu Beginn der Versicherungspflicht in der Einrichtung gegeben war (§ 50 Abs. 2 SGB VI).

Die Versicherungspflicht behinderter Menschen in geschützten Einrichtungen wurde durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen (SVBG) vom 7. Mai 1975 (BGBl. I S. 1061) eingeführt. Es galt bis zum 31.12.1991 und wurde durch Art. 83 Nr. 24 des Gesetzes v. 18.12.1989 (GVBl I S. 2261), durch dessen Artikel 1 das SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung) erlassen wurde, m.W. v. 01.01.1992 aufgehoben. Seither sind die versicherungsrechtlichen Regelungen für behinderte Menschen in beschützten Einrichtungen im SGB VI zu finden.

Im Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen vom 7. Mai 1975 wurde festgelegt, dass körperlich, geistig oder seelisch Behinderte, die in Werkstätten für Behinderte beschäftigt werden, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind (§ 1 SVBG) und dass deshalb die Träger der Einrichtungen Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten haben (§ 5 SVBG).

Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ist seit 01.01.1992 nunmehr in § 1 Satz 1 Nr. 2, § 162 Nr. 2 und § 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI geregelt.

Nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sind behinderte Menschen, die

  • a) in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§ 136 SGB IX) oder in anerkannten Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 des SGB IX oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
  •  b) in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht, (hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung)

gesetzlich rentenversichert, obwohl sie nicht formell in einem Arbeitsverhältnis, sondern in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehen.

Welches Einkommen der Beitragsberechnung zur gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde zu legen ist, ergibt sich aus § 162 SGB VI. Nach § 162 Nr. 2 SGB VI wird der Berechnung des zu leistenden Beitrags für die gesetzliche Rentenversicherung bei behinderten Menschen, die in geschützten Einrichtungen beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, mindestens jedoch 80 vom Hundert der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) zugrunde gelegt. Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist gem. § 18 Abs. 1 SGB IV, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag. Für das Beitrittsgebiet wird nach § 18 Abs. 2 SGB IV eine abweichende Bezugsgröße festgesetzt. Diese gilt dann nur für die Versicherten mit Beschäftigungsort (vgl. § 9 SGB IV) im Beitrittsgebiet.

Wenn 80 % der Bezugsgröße das erzielte Arbeitseinkommen übersteigt, handelt es sich bei dem übersteigenden Betrag um ein fiktives Einkommen. Dadurch sollen zu niedrige Renten vermieden werden, weil sich mit Beiträgen aus dem regelmäßig nur geringen Arbeitsentgelt ausreichender Versicherungsschutz nicht aufbauen ließe. Nach § 162 Nr. 2a SGB VI gilt für die Ermittlung des der Beitragsberechnung zugrunde zu legenden Einkommen das Gleiche für behinderte Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem SGB IX anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen in einem Integrationsprojekt (§ 132 SGB IX) beschäftigt sind.

Wer die Beiträge zur Rentenversicherung zu tragen hat, ist in dem (komplizierten und leider schwer verständlichen) § 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI geregelt. Angeknüpft wird an die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 162 Nr. 2 SGB VI. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  • Der Träger der Einrichtung trägt den Beitrag allein, wenn der behinderte Mensch kein Arbeitsentgelt erhält oder ein Arbeitsentgelt bezieht, das 20 % der monatlichen Bezugsgröße, der so genannten Geringverdienergrenze nicht übersteigt. Im Beitrittsgebiet ist die Bezugsgröße Ost zu beachten (§ 228a SGB VI).
  • Werden 20 % der Bezugsgröße durch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt überschritten, tragen der Träger der Einrichtung und der behinderte Mensch die Beiträge von dem die genannte Grenze übersteigenden Teil des Arbeitsentgelts jeweils zur Hälfte; im Übrigen trägt der Einrichtungsträger den Beitrag allein (§ 168 Abs. 2 SGB VI).
  • Beträgt das gezahlte Arbeitsentgelt zwischen 20 % und 80 %  der Bezugsgröße, tragen der Einrichtungsträger und behinderte Menschen den auf das Arbeitsentgelt entfallenden Beitragsanteil jeweils zur Hälfte. Zusätzlich trägt der Träger der Einrichtung den Beitragsanteil für den Betrag zwischen dem gezahlten Arbeitsentgelt und 80 % der Bezugsgröße allein.
  • Übersteigt das Arbeitsentgelt die Mindestbemessungsgrundlage von 80 % der Bezugsgröße, tragen der behinderte Mensch und Einrichtungsträger die Beiträge jeweils zur Hälfte.

Ein Beispiel findet sich bei Haufe Onlinekommentar RZ. 24a zu § 168 SGB VI.

Durch § 168 Abs. 1 Nr. 2a SGB VI wird die Regelung über die Beitragstragung für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen auf behinderte Menschen in Integrationsprojekten erstreckt, wenn sie vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt waren.

In Ergänzung zu § 168 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI wird in § 179 Abs. 1 SGB VI die Erstattung der Beitragsaufwendungen für die behinderten Menschen geregelt, deren tatsächliches monatliches Arbeitsentgelt 80 % der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt.

Nach § 179 Abs. 1 Satz 1 erstattet der Bund den Trägern der Einrichtung für behinderte Menschen nach § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a die Beiträge, die auf den Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten monatlichen Arbeitsentgelt und 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße entfallen, wenn das tatsächlich erzielte monatliche Arbeitsentgelt 80 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nicht übersteigt. Im Übrigen erstatten die für die behinderten Menschen zuständigen Kostenträger den Trägern der Einrichtung die von diesen getragenen Beiträge für behinderte Menschen. Für behinderte Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem SGB IX anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen in einem Integrationsprojekt (§ 132 SGB IX) beschäftigt sind, gilt § 179 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Satz 1 entsprechend. Die Einzelheiten zur Durchführung der Beitragserstattung sind in der Aufwendungserstattungs-Verordnung v. 11.7.1975 (BGBl. I S. 1896) in der jeweiligen Fassung geregelt.

Nach § 256 Abs. 4 SGB VI werden für Zeiten vor dem 01.01.1992, für die Pflichtbeiträge nach § 1 des bis dahin maßgebenden Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen gezahlt worden sind, auf Antrag für jedes volle Kalenderjahr der Rentenberechnung mindestens 0,75 Entgeltpunkte zugrunde gelegt (zur Rentenberechnung vgl. 5.1.1.3). Bei Teilzeiträumen ist in Anwendung von § 123 Abs. 3 SGB VI für jeden Tag ein 360tel des Jahreswertes anzusetzen. Betroffen von der Regelung in § 256 Abs. 4 SGB VI sind nur Zeiten ab 01.07.1975 (Inkrafttreten des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen, da es sich bei Zeiten vor diesem Stichtag nicht um „Beiträge für behinderte Menschen in geschützten Einrichtungen" handeln kann).

Die Regelung gilt auch für entsprechende Zeiten im Beitrittsgebiet, wenn der Versicherte in einer Einrichtung beschäftigt war, die mit den geschützten Einrichtungen in den alten Bundesländern vergleichbar war.

Unter „geschützten Einrichtungen" nach dem SVBG waren die in den §§ 1 und 2 des SVBG genannten Einrichtungen zu verstehen, nämlich

  1. die nach dem Schwerbehindertengesetz (jetzt § 142 SGB IX) anerkannten Werkstätten für Behinderte,
  2. die nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannten Blindenwerkstätten und
  3. Anstalten, Heime und gleichartige Einrichtungen, wenn die Leistung des Beschäftigten einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in einer gleichartigen Beschäftigung entsprach.

Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist nach § 50 Abs. 2 SGB VI Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI) vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben. Das wird auf behinderte Menschen, die in geschützten Einrichtungen beschäftigt sind, in den meisten Fällen zutreffen. Vgl. dazu 5.2.1.5.

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5.2. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nach § 33 Abs. 3 SGB VI

  1. Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung,
  2. Renten wegen voller Erwerbsminderung,
  3. Renten für Bergleute

sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels als

  1. Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung infolge von Berufsunfähigkeit,
  2. Renten wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die für den Rentenanspruch einschlägigen Normen sind § 43 SGB VI und im Rahmen des Fünften Kapitels die in §§ 240 und 314b SGB VI getroffenen Übergangsregelungen.

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5.2.1 Regelfall der Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung

Rente wegen Erwerbsminderung wird seit dem 01.01.2001 gem. § 43 SGB VI gewährt als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder als Rente wegen voller Erwerbsminderung.

  • 43 SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) mit Wirkung zum 01.01.2001 (Art. 24 Abs. 1) als zentrale Anspruchsgrundlage für die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in das SGB VI eingefügt. § 43 in seiner ab 1.1.2001 geltenden Fassung ersetzt damit die §§ 43 SGB VI (Rente wegen Berufsunfähigkeit) und 44 SGB VI (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) in ihren bis zum 31.12.2000 geltenden Fassungen (a.F.). Die Versicherungsfälle der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sind im Sinne einer abgestuften Erwerbsminderungsrente durch die Versicherungsfälle der vollen und teilweisen Erwerbsminderung ersetzt worden. Da der mit dem Rentenreformgesetz (RRG) 1999 v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) vorgesehene völlige Wegfall eines Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit verfassungsrechtlich bedenklich erschien, begründet die mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführte Übergangsbestimmung des § 240 SGB VI einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für Versicherte, die vor dem 2.1.1961 geboren sind, d.h., die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgenannten Bestimmung am 01.01.2001 das 40. Lebensjahr bereits vollendet hatten (dazu vgl. 5.1.2.2).

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der Form der Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung richtet sich gem. § 43 SGB VI nach der verbliebenen Leistungsfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser (§ 43 Abs. 1 SGB VI) oder voller (§ 43 Abs. 2 SGB VI) Erwerbsminderung haben Versicherte, die die Regelaltersgrenze des § 35 Satz 2 SGB VI unter Beachtung der stufenweisen Anhebung vom vollendeten 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr nach der Tabelle in § 235 Abs. 2 SGB VI noch nicht erreicht haben, teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls über eine Pflichtbeitragszeit von 3 Jahren (36 Monaten) verfügen und die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1 SGB VI, vgl. dazu 5.1.2) zurückgelegt haben.

  • Wer weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, bekommt die volle Rente wegen Erwerbsminderung.
  • Wer mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann, bekommt eine Rente in halber Höhe wegen teilweiser Erwerbsminderung.
  •  Wer mehr als sechs Stunden täglich arbeiten kann, hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Diese grobe Einteilung gilt, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, wie ein verschlossener Arbeitsmarkt (dazu 5.2.1.1) oder Ausübung der beruflichen Tätigkeit trotz Überforderung (dazu 5.2.1.3).

Die Renten wegen Erwerbsminderung nach heutigem Recht unterscheiden sich wesentlich von der nach früherem Recht gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente), bei der das Einkommen im bisherigen „Hauptberuf" die Höhe der Rente maßgeblich mitbestimmte. Einen Berufsschutz, wie er durch die BU-Rente gewährt wurde, gibt es also nicht mehr (abgesehen von den wenigen in § 240 SGB VI geregelten Übergangsfällen). Die Erwerbsminderungsrenten sind vielmehr in § 43 SGB VI wie folgt geregelt:

„(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

  1. teilweise erwerbsgemindert sind,
  2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
  3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

  1. voll erwerbsgemindert sind,
  2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
  3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch

  1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
  2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.“

Die hier in Abs. 2 genannten „Versicherten nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI" sind behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 SGB IX oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind oder in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung.

Für den Rentenanspruch kommt es auf den Gesundheitszustand an. Dabei gilt gemäß § 9 Abs. 1 SGB VI der Grundsatz: Rehabilitation geht vor Rente. Voraussetzung für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI ist deshalb, dass sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nicht beseitigen lassen oder Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wie z.B. eine berufliche Umschulung, nicht helfen. In diesem Fall wird der Verlust der Erwerbsfähigkeit seit 01.01.01 durch eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgeglichen.

Es soll also in erster Linie versucht werden, durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 15 SGB VI i.V.m. §§ 26 ff. SGB IX) oder Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI i.V.m. §§ 33 ff. SGB IX) die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Diesem Ziel dient, dass bei einem Antrag  auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zunächst geprüft wird, ob die Erwerbsminderung durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben beseitigt werden kann. Andererseits gilt nach § 116 Abs. 2 SGB VI ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und

  1. ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder
  2. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.

Diese Regelung schützt die Versicherten vor Rechtsverlusten.

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5.2.1.1 Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt

Die Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ist Ersatz für das ganz oder teilweise nicht mehr erzielbare Einkommen. Der Rentenanspruch ist zwar hauptsächlich vom Gesundheitszustand der Versicherten abhängig, jedoch wird nicht allein nach der sog. abstrakten Methode verfahren. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung setzt voraus, dass der Versicherte mit der noch verbleibenden Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine entsprechende Teilzeitstelle finden kann; denn die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird aufgrund des Rentenartfaktors von 0,5 lediglich in Höhe der Hälfte der Vollrente geleistet. Daraus folgt:

Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen das krankheitsbedingt geminderte Restleistungsvermögen auf einen täglichen Arbeitseinsatz von unter 3 Stunden reduziert ist. Voll erwerbsgemindert ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch der Versicherte, der noch 3, aber keine 6 Stunden täglich mehr erwerbstätig sein kann (und der damit nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nur teilweise erwerbsgemindert ist), wenn er einen seinem Restleistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-) Arbeitsplatz nicht innehat und damit arbeitslos ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 43 SGB VI).

Man spricht von der so genannten „Arbeitsmarktrente“. Nur wenn gem. § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt, weil der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Mit der Arbeitsmarktrente reduziert sich zugleich die Bedeutung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf die in der Praxis seltenen Fälle, in denen Versicherte zwar noch 3, aber keine 6 Stunden mehr arbeiten können und einen ihrem Restleistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehaben. Allerdings ist auch in diesen Fällen durch entsprechende medizinische Ermittlungen stets zu prüfen, ob die (konkret) ausgeübte Erwerbstätigkeit auf Kosten der Gesundheit und/oder auf der Grundlage eines unzumutbaren Energieaufwands bewältigt wird (dazu 5.2.1.3; vgl. BSG, Urteil v. 09.05.1984, 4 RJ 101/83). In diesem Fall wäre der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung trotz Erwerbstätigkeit begründet (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 43 SGB VI).

Bei Versicherten, die noch zumindest 6 Stunden täglich arbeiten können, wird vom Grundsatz her unterstellt, dass sie noch über eine möglicherweise schlechte, jedoch noch realisierbare Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt verfügen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur dann, wenn die Versicherten auch in der Lage sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts (mindestens 6 Stunden täglich) zu arbeiten. Durch diese gesetzliche Schranke soll sichergestellt werden, dass für die Feststellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten, für die es für den zu beurteilenden Versicherten unter Berücksichtigung seiner individuellen gesundheitlichen Verhältnisse einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gibt, nicht in Betracht gezogen werden sollen (BT-Drs. 14/4230 zu Nr. 10, § 43 S. 25). Das Gesetz enthält allerdings keine konkrete Beschreibung der Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts, an denen das Einsatzvermögen der Versicherten im Erwerbsleben zu orientieren wäre. Das BSG hat zu den Versicherungsfällen der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 alter Fassung eine Reihe von Einzelfällen (Katalogfälle) entwickelt, in denen Versicherten der Arbeitsmarkt trotz vollschichtigen Leistungsvermögens verschlossen und damit der Versicherungsfall der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit begründet war (vgl. BSGE 80 S. 24). Da die Gesetzesbegründung zu § 43 ausdrücklich auf diese (ständige) Rechsprechung des BSG Bezug nimmt, ist diese bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Tatbestandsmerkmals der üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts heranzuziehen. Ist einer der sog. Katalogfälle gegeben, sind Versicherte nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig zu sein. Damit ist der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen und volle Erwerbsminderung gegeben (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 43 SGB VI).

„Bei behinderten Menschen darf allerdings nicht allein aus der Art und Schwere der Behinderung pauschal und undifferenziert ohne weiteres auf volle Erwerbsminderung geschlossen werden, weil häufig nur eine partielle Leistungsunfähigkeit besteht, die mit individuell erforderlichen Hilfen überwunden werden kann (BSG vom 23.04.1990, BSGE 66 § 295 = SozR 3-2200 § 1247 Nr. 1 = SGb 1991 § 71, Anm. Reichart; BSG vom 25.04.1990, BSGE 67 § 1 = SozR a.a.O. Nr. 3 = SGb 1991, 156, Anm. Schmidt, jeweils zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit). Auch schwerstbehinderte Menschen sind imstande, Leistungsvermögen, das ihnen verblieben ist, erwerbswirtschaftlich zu nutzen und Arbeitsentgelt zu erzielen. Das gilt auch dann, wenn sie ihre Arbeit nur auf einem individuell behinderungsgerechten Arbeitsplatz und mit Unterstützung durch einen Arbeitsassistenten leisten können - immer vorausgesetzt, es handelt sich um eine Arbeit, die vom Typ her dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt ist (rechtlich verkürzt „mittelunterstützte Arbeit" genannt).

Hennies führt in seinem Buch „Der Blinde im geltenden Recht" S. 112 folgendes aus: „Blinde und hochgradig Sehbehinderte, die mit Hilfe solcher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben imstande sind, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sind rentenversicherungsrechtlich nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI), mag auch bei ihnen die Minderung der Erwerbsfähigkeit als schwerbehinderter Mensch beim Grad von 100 (gemeint ist nach heutiger Begriffsbestimmung Grad der Schädigung von 100) unverändert bleiben. Gerade das Schwerbehindertenrecht zeigt, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich ist, durch begleitende Hilfen im Arbeitsleben die behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen zu fördern, um zu erreichen, dass schwerbehinderte Menschen und ganz besonders diejenigen, die wegen der Schwere ihrer Behinderung besonders betroffen sind, eine Beschäftigung auf einem für sie geeigneten Arbeitsplatz erhalten (§§ 102 ff. SGB IX, §§ 14 ff. SchwbAV). Hieraus folgt: Blinde und hochgradig Sehbehinderte, die eine Beschäftigung auf einem speziell für sie eingerichteten und ausgestatteten Arbeitsplatz ausüben, sind unter üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbsfähig.“

„Solange der blinde oder hochgradig sehbehinderte Mensch in der Lage ist, die in seinem Beschäftigungsverhältnis erforderliche Arbeit mit begleitenden Hilfen mindestens sechs Stunden täglich zu leisten, ist er also nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Sobald er aber seinen behinderungsgerechten Arbeitsplatz verliert oder auf andere Weise die Möglichkeit wegfällt, sein durch Blindheit oder Sehbehinderung bedingtes Leistungsdefizit mit technischen Arbeitshilfen oder mit Hilfe einer Assistenzkraft zu überbrücken, ist er voll erwerbsgemindert (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 57). Die bisherige Rechtsprechung des BSG auf das jetzt geltende Recht entsprechend angewendet, ist in diesem Fall die Situation eingetreten, dass der Blinde nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein (klarstes Beispiel: Der Blinde wird von seiner Assistenz(Vorlese-)kraft verlassen, ohne dass in absehbarer Zeit eine Ersatzkraft deren Stelle einnimmt)“ (Hennies „Blinde im geltenden Recht“ S. 114).

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5.2.1.2 Verpflichtung zur Benennung konkreter beruflicher Tätigkeiten

Sind Versicherte noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit von täglich 6 Stunden oder mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nachzugehen, und sind sie darüber hinaus in ihrer Mobilität nicht maßgeblich eingeschränkt, so liegt eine rechtserhebliche Erwerbsminderung i.S.d. § 43 SGB VI nicht vor (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Unter diesen Voraussetzungen ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen des Versicherten - trotz eventueller Erkrankungen und hierdurch verursachter Beeinträchtigungen im Erwerbsleben - noch ausreicht, dieses gewinnbringend im Erwerbsleben einzusetzen. In diesem Zusammenhang ist i.d.R. nicht zu prüfen, ob Versicherte auch bestimmte Berufstätigkeiten konkret bewältigen können; denn die Versicherungsfälle der teilweisen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) und vollen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) stellen lediglich auf das zeitliche Restleistungsvermögen des Versicherten im gesamten Erwerbsleben (allgemeiner Arbeitsmarkt) ab (vgl. BSG, SozR 2600 § 44 Nr. 11). Die Benennung einer konkreten beruflichen Tätigkeit, deren Anforderungsprofil dem Restleistungsvermögen des jeweiligen Leistungsberechtigten entspricht, ist deshalb regelmäßig entbehrlich (vgl. hierzu Großer Senat, Beschluss v. 19.12.1996, DS 2/95). Dies gilt jedoch nur dann, wenn ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass unter Berücksichtigung der individuellen Struktur des körperlich und geistig mentalen Restleistungsvermögens des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen vorhanden ist, die er noch ausfüllen kann. Dies wiederum ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn das Restleistungsvermögen dem Versicherten körperliche Verrichtungen wie das Zureichen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. noch erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten typischerweise gefordert werden (BSG, Urteil v. 20.10.2004, B 5 RJ 48/03 R; vgl. auch Großer Senat, a.a.O.).

Bestehen hingegen ernste Zweifel, dass der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch in Betrieben einsetzbar ist, weil er derartige allgemeine Arbeitsverrichtungen nicht mehr bewältigen kann, so sind die Rechtsanwender verpflichtet, zumindest eine berufliche Tätigkeit konkret zu benennen, die der Versicherte auf der Basis seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch vollwertig bewältigen kann. Diesem Benennungserfordernis kommt die Funktion zu, sicherzustellen und nachvollziehbar zu machen, dass der Versicherte trotz seiner Leistungsminderung eine Erwerbstätigkeit ausüben kann (BSGE 78 S. 207). Der Grund für diese Benennungspflicht liegt darin, dass der Arbeitsmarkt möglicherweise für erheblich überdurchschnittlich leistungsgeminderte Versicherte keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt, bzw. ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, a.a.O.). Zu benennen ist dabei kein konkreter Arbeitsplatz (BSG, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 104), sondern - auf der Grundlage entsprechend fundierter berufskundlicher Ermittlungen (vgl. hierzu BSG, SozR 3-1500 § 62 Nr. 12; 2600 § 44 Nr. 7) - eine Berufstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (BSG, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 72, 74 und SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 50). Dabei genügt die Kennzeichnung der Berufstätigkeit mit einer im Arbeitsleben üblichen Bezeichnung (BSG, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 74, 78). Als berufskundliche Ermittlungen kommen berufskundliche Sachverständigengutachten, Auskünfte einschlägiger Betriebe oder auch der Arbeitsverwaltung in Betracht. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind auch berechtigt, berufskundliche Ermittlungen aus anderen Streitsachen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (BSG, Urteil v. 23.05.1996,13 RJ 75/95). Kann eine bestimmte Berufstätigkeit benannt werden, die der Leistungsgeminderte noch vollwertig bewältigen kann, so ist die in § 43 Abs. 3 SGB VI geregelte Vermutung bestätigt, dass er sein zumindest 6-stündiges Leistungsvermögen noch gewinnbringend im Erwerbsleben einsetzen kann. Gelingt eine konkrete Benennung nicht, weil das Restleistungsvermögen des Versicherten den Anforderungsprofilen in Betracht kommender beruflicher Tätigkeiten nicht entspricht, so ist ihm der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen und der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung begründet (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 und 27 zu § 43 SGB VI).

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5.2.1.3 Erwerbsminderung selbst bei mindestens sechsstündiger Tätigkeit bei Überforderung

Grundsätzlich liegt gem. § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Allerdings ist auch in diesen Fällen durch entsprechende medizinische Ermittlungen stets zu prüfen, ob die (konkret) ausgeübte Erwerbstätigkeit auf Kosten der Gesundheit und/oder auf der Grundlage eines unzumutbaren Energieaufwands bewältigt wird (vgl. BSG, Urteil v. 09.05.1984, 4 RJ 101/83). In diesem Fall wäre der Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung trotz Erwerbstätigkeit begründet (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 43 SGB VI).

Die sozialgerichtliche Rechtsprechung, namentlich das BSG, hat niemals Zweifel daran gelassen, dass Blinde als vollwertige Arbeitskräfte tätig sein können. Doch kann je nach den Besonderheiten des einzelnen Falles teilweise oder volle Erwerbsminderung bestehen oder im Laufe der Zeit eintreten, sofern der Blinde seiner Arbeit beim besten Willen leistungsmäßig nicht mehr gewachsen ist. Starre Regeln lassen sich nicht aufstellen. Beispiele aus der Rechtsprechung sind bei Hennies „Blinde im geltenden Recht“ S. 114 ff. wiedergegeben.

Die Grenze zur Erwerbsminderung eines Blinden wird, wie Hennies feststellt, überschritten, „wenn zur Blindheit eine weitere Behinderung oder ein Leiden hinzukommt, das nicht ganz unbedeutend ist und auch bei einem unbehinderten Versicherten eine nennenswerte Minderung der Erwerbsfähigkeit hervorzurufen geeignet ist, wie u.U. ein insulinabhängiger Diabetes. Beide Beeinträchtigungen dürfen dann nicht für sich betrachtet und beurteilt werden, vielmehr ist zu berücksichtigen, dass ein zusätzliches Leiden, das dauernder Behandlung und Beobachtung und laufender Maßnahmen bedarf, sich auch auf das Arbeitsvermögen eines nichtbehinderten Versicherten nachteilig auswirkt, für einen Blinden eine weitaus schwerere Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bedeutet.“

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5.2.1.4 Zusammenfassende Leitsätze nach Hennies

Hennies bringt in „Blinde im geltenden Recht“ Kapitel XII 1.11 auf Seite 117 f. zusammenfassende Leitsätze, die hier wiedergegeben werden:

  1. Blinde sind voll erwerbsgemindert, weil sie ohne die je nach ihrem individuellen Bedarf erforderlichen Hilfen durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und/oder zur Teilhabe am Arbeitsleben außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
  2. Auch für Blinde gilt der allgemeine Grundsatz: Rehabilitation hat Vorrang vor Rente.
  3. Ohne Aussicht auf eine erfolgreiche Rehabilitation wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung als Dauerrente geleistet, weil unwahrscheinlich ist, dass die auf der Blindheit beruhende Minderung behoben werden kann. Eine befristete Rente kommt insbesondere in Betracht, wenn der RV-Träger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere zur blindengerechten Einrichtung eines Arbeitsplatzes erbringt, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung endet (§ 102 Abs. 2 und 2 a SGB VI).
  4. Ein Blinder ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, solange er als Ergebnis erfolgreicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf einem behindertengerecht eingerichteten Arbeitsplatz erwerbstätig ist. Je nach den Anforderungen der Erwerbstätigkeit kann es auch erforderlich sein, ihm als zusätzliche Hilfe einen Arbeitsassistenten zur Verfügung zu stellen.
  5. Ist der Blinde in der Lage, einen Arbeitsplatz - sei es mit blindenspezifischen Hilfsmitteln und/oder unter Mithilfe Sehender - im wesentlichen vollwertig auszufüllen, so ist das von ihm erzielte Arbeitsentgelt als voll verdient zu behandeln.
  6. Die Erwerbsfähigkeit der erwerbstätigen Blinden liegt an der Grenze zur vollen Erwerbsminderung. Die Grenze ist überschritten, - wenn zu ihrer Blindheit ein zusätzliches, nicht unbedeutendes Leiden hinzutritt und sich nennenswert auf ihre Erwerbsfähigkeit auswirkt;- wenn sie ihren speziell ausgestatteten Arbeitsplatz verlieren und keine Aussicht besteht, dass sie in absehbarer Zeit einen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten, - wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - von ihrer für ihre Erwerbstätigkeit notwendigen Hilfskraft verlassen werden und in absehbarer Zeit keine Ersatzkraft zur Verfügung steht.
  7. Ist einem Blinden Rente zuerkannt worden, so berechtigt eine wesentliche Änderung in den für die Bewilligung maßgebenden Verhältnissen dazu, den Rentenbescheid aufzuheben (§ 48 SGB X). Eine Änderung der Verhältnisse liegt insbesondere darin, dass - sich ein zusätzliches Leiden wesentlich gebessert hat und die Erwerbsfähigkeit nicht mehr zusätzlich vermindert,- der Blinde neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben und- einen für ihn speziell eingerichteten Arbeitsplatz erlangt oder wieder erlangt hat und/oder- ihm ein Arbeitsplatzassistent zur Verfügung gestellt wird.
  8. Rehabilitation in höherem Lebensalter ist besonders schwierig, jedoch lässt sich eine bestimmte Altersgrenze nicht ziehen. Späterblindete, die beim besten Willen nicht mehr die Kraft und Energie aufzubringen vermögen, sich in dem infolge ihrer Erblindung veränderten Erwerbsleben zurechtzufinden, sind voll erwerbsgemindert und haben Anspruch auf Dauerrente.
  9. Zum Verhältnis Rente - Arbeitslosengeld: Blinde, die einen Antrag auf Rente stellen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, sobald der RV-Träger ihnen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt hat (§ 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III).

Diese Leitsätze können nicht mehr als einen Anhalt bieten, wie die verminderte Erwerbsfähigkeit Blinder und entsprechend auch hochgradig Sehbehinderter zu beurteilen ist. Feste Normen lassen sich nicht aufstellen, weil die besonderen Umstände der einzelnen Fälle zu verschieden sind. Ist es gelungen, einem Späterblindeten einen Arbeitsplatz zu beschaffen, so sollten die RV-Träger über den Wegfall der bis dahin vollen Erwerbsminderung nicht vorschnell urteilen; sie sollten behutsam vorgehen. Deshalb empfiehlt sich „eine Beobachtungszeit von mindestens einem Jahr, da die mit der Umstellung und Ausübung des neuen Berufs verbundenen außergewöhnlichen Anstrengungen und der hohe Aufwand an Energie erst nach längerer Zeit zeigen, ob der Blinde diesen Anforderungen auf Dauer gewachsen ist" (Sitterlee, Soz. Vers. 1961 S.6; Schmiedl, SozVers. 1954 § 9). Eine gerechte Lösung des Einzelfalles lässt sich nur mit sozialem Einfühlungsvermögen finden. Dem blinden oder schwer sehgeschädigten Menschen muss die Gewissheit gegeben werden, als vollwertiges Mitglied in der Gemeinschaft leben und seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechend arbeiten zu können. Das Streben danach, ihm diese Gewissheit zu verschaffen, verpflichtet uns, stets zu prüfen, „ob wir nicht nur genug, sondern auch das Richtige tun" (Beck, ZfS 1963 § 43, 48).

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5.2.1.5 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Für den Anspruch auf eine gesetzliche Rente muss zunächst die Versicherteneigenschaft gegeben sein. Grundsätzlich liegt eine Versicherteneigenschaft vor, wenn für einen Versicherten mindestens ein Pflichtbeitrag oder ein freiwilliger Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung wirksam gezahlt worden ist oder als gezahlt gilt (z.B. bei Kindererziehungszeiten vor dem 1.6.1999). Eine Versicherteneigenschaft liegt darüber hinaus auch vor, wenn zugunsten eines Versicherten aufgrund eines Versorgungsausgleichs (§ 1587b Abs. 1 und 2 BGB, § 1 Abs. 3, § 3b Abs. 1 Versorgungsausgleich-Härtegesetz VAHRG) oder eines Rentensplittings unter Ehegatten oder Lebenspartnern (§§ 120a bis 120e SGB VI) dynamische Rentenanwartschaften übertragen oder begründet worden sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).

Voraussetzung für die Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung ist sodann sowohl nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 als auch nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI, dass Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorzuweisen haben (Dreifünftelbelegung).

Der 5-Jahres-Zeitraum verlängert sich zu Gunsten der Versicherten nach vorne um bestimmte, in § 43 Abs. 4 SGB VI bezeichnete Zeiten. Das ist von Bedeutung, wenn innerhalb des Zeitraums von 5 Jahren nicht drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Innerhalb dieser verlängerten Zeit müssen für drei Jahre Pflichtbeiträge geleistet worden sein. Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nach § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Wann das der Fall ist, richtet sich nach § 53 SGB VI. Solche Tatbestände sind danach Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Wehrdienst- und Zivildienstbeschädigungen sowie Gewahrsam nach § 1 Häftlingshilfegesetz.

Nach § 241 Abs. 2 SGB VI ist die Dreifünftelbelegung nicht erforderlich, wenn der Versicherte vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt und damit Vertrauensschutz erworben hatte und wenn von diesem Zeitpunkt an der gesamte Zeitraum bis zu dem Monat vor Eintritt des Versicherungsfalls durchgehend mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil v. 09.12.1998, L 8 RJ 68/96; zu rentenrechtlichen Zeiten vgl. 5.1.1).

Nach § 55 Abs. 2 SGB VI zählen als Pflichtbeitragszeiten (auch ohne Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit) i.S.d. § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI auch:

  1. freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (hierzu zählen z.B. freiwillige Beiträge von Pflegepersonen in der Zeit vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995 nach § 279e Abs. 1 SGB VI bei entsprechendem Antrag. Seit dem 01.04.1995 sind Zeiten der nichterwerbsmäßigen Pflege Pflichtbeitragszeiten, § 3 Nr. 1a SGB VI);
  2. Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten (hierzu zählen insbesondere Kinderberücksichtigungszeiten oder Zeiten der Pflege von Kindern, für die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 SGB VI Entgeltpunkte nach § 70 Abs. 3a SGB VI gutgeschrieben werden, Kindererziehungszeiten gemäß § 56 SGB VI , Zeiten, für die im Rahmen der Nachversicherung gemäß § 185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Beiträge gezahlt wurden;
  3. Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Anrechnungszeiten in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum 31.12.1991 (z.B. Bezug von Krankengeld), für die (auch) der Leistungsträger Beiträge gezahlt hat und die nach § 247 Abs. 1 Satz 2 SGB VI als Pflichtbeiträge gelten.

Dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 40 zu § 43 SGB VI.

Im Wege des Versorgungsausgleichs übertragene oder begründete Rentenanwartschaften sind keine mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegten Zeiten (BSG, SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 166); denn sie entfalten nicht den ausreichend engen Bezug zum Personenkreis der versicherungspflichtig Beschäftigten oder Selbständigen, die entsprechend dem § 43 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 SGB VI zugrunde liegenden Gedanken der Lohnersatzfunktion nur wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Anspruch auf eine Rente haben sollen (Haufe Onlinekommentar RZ. 41 zu § 43 SGB VI).

Da nach § 122 Abs. 1 SGB VI auch nur teilweise mit Pflichtbeiträgen belegte Kalendermonate als volle Beitragsmonate gelten (Monatsprinzip), reicht es für die Belegung des maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraums mit Pflichtbeiträgen in einem Umfang von 36 Kalendermonaten (= 3 Jahren), wenn nur Teile der Monate - im Extremfall nur ein Tag in einem Monat - mit einer Beitragszeit belegt sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 42 zu § 43 SGB VI).

Soweit der Versicherte die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt, d.h. in den letzten 5 Jahren vor dem Versicherungsfall nicht über Pflichtbeiträge in einem Umfang von 36 Kalendermonaten verfügt, ist zu prüfen, ob nicht diese Voraussetzung aufgrund der in § 43 Abs. 4 genannten Verlängerungstatbestände (sog. Aufschubzeiten) dennoch erfüllt ist. Die hier aufgeführten Zeiten führen ebenso wie die in der Vorschrift des § 241 Abs. 1 SGB VI erwähnten Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992 zu einer Verlängerung des 5-Jahres-Zeitraums in die Vergangenheit, in dem dann 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen müssen.

Der 5-Jahres-Zeitraum verlängert sich danach um:

  1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
  2. Berücksichtigungszeiten,
  3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
  4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

Anrechnungszeiten (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI) liegen dann vor, wenn alle Voraussetzungen des § 58 SGB VI erfüllt sind. Insbesondere ist erforderlich, dass durch die in § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Zeiten eine versicherte Beschäftigung oder eine versicherte selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder versicherter Zivildienst unterbrochen worden ist (vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 44 zu § 43 SGB VI und Kommentierung zu § 58 SGB VI).

Der Begriff der Unterbrechung setzt nach der Rechtsprechung jedoch nicht zwingend voraus, dass die Anrechnungszeit von einer versicherten Beschäftigung oder gleichgestellten Tatbeständen umrahmt wird. Eine Unterbrechung i.S.d. § 58 Abs. 2 erfordert lediglich, dass vor dem Anrechnungstatbestand eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde und dass die Fortsetzung/(erneute) Aufnahme einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit in absehbarer Zeit in Aussicht stand und - insbesondere unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Verhältnisse des Versicherten - möglich war (BSG, SozR 2200 § 1259 RVO Nr. 60). Ist der Versicherte endgültig z.B. aufgrund voller Erwerbsminderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, kommt die Anerkennung einer Anrechnungszeit nicht in Betracht. Anrechnungszeiten-Tatbestände (z.B. Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vor Erhalt einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), die gleichwohl keine Anrechnungszeiten i.S.d. § 58 SGB VI sind, weil sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrechen, kommen als Verlängerungstatbestand nach § 43 Abs. 4 Nr. 3 in Betracht.

Als Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 zweite Alternative) sind die in § 33 Abs. 3 SGB VI genannten Renten gemeint. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes der Bezug einer Rente gefordert ist, reicht die bloße Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen ohne Antragstellung nicht aus. Andererseits ist unschädlich, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen Anrechnung von Einkommen (§§ 93 ff. SGB VI) oder wegen gleichzeitigen Anspruchs auf eine andere Rentenart (§ 89 Abs. 1 SGB VI) nicht zu leisten war (vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 44 zu § 43 SGB VI; Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI RZ. 32, 133).

Berücksichtigungszeit (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI) ist zunächst gemäß § 57 SGB VI die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit (§ 56 SGB VI) auch in dieser Zeit vorliegen. Der 5-Jahres-Zeitraum verlängert sich entsprechend, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 57 SGB VI vorliegen, wonach während dieser Zeiten eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden sein darf. Ferner führen zur Verlängerung die Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gemäß § 249b SGB VI, d.h. Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995 unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen. Seit dem 01.04.1995 besteht für diesen Personenkreis der Pflegepersonen Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

  • 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI erweitert das Vorliegen eines Verlängerungstatbestands auch auf Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI sind, weil es an der nach § 58 Abs. 2 SGB VI erforderlichen Voraussetzung der Unterbrechung fehlt. Ein Verlängerungstatbestand liegt hiernach auch vor, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für eine Anrechnungszeit gegeben sind und in den letzten 6 Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder aber eine Zeit nach § 43 Abs. 4 Nr. 1, 2 vorliegt.

Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres stellen nach § 43 Abs. 4 Nr. 4 SGB VI bis zur Höchstdauer von 7 Jahren ebenfalls einen Aufschubtatbestand dar; dieser Zeitraum ist jedoch um die ggf. vorhandenen Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung zu kürzen.

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5.2.1.6 Erfüllung der Wartezeit

Die rentenrechtlichen Wartezeiten nach § 50 SGB VI müssen erfüllt sein.

Für den Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI Voraussetzung, dass die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles erfüllt ist. Vgl. zu den Wartezeiten 5.1.2.

Nach § 43 Abs. 6 SGB VI i.V.m § 50 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die besondere Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben. Wenn die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung eingetreten ist, besteht der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bereits nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI.

Auf die Wartezeit von 20 Jahren werden auch freiwillige Beiträge nach § 7 SGB VI angerechnet. Dadurch kann die Rentengewährung nach langjähriger versicherungspflichtiger Beschäftigung in den Fällen, in welchen die Wartezeit von 20 Jahren nicht schon mit Pflichtbeiträgen erfüllt ist, durch die Auffüllung mit freiwilligen Beiträgen erreicht werden.

Zu Einzelheiten zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren und der Wartezeit von 20 Jahren vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 45 und 46 zu § 43 SGB VI.

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5.2.1.7 Zu beachtende Altersgrenzen

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ist grundsätzlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze befristet. Nach diesem Zeitpunkt wird die Rente von Amts wegen in eine Altersrente umgewandelt, sofern der Versicherte nicht etwas anderes bestimmt (§ 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI; vgl. auch § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VI, § 302 Abs. 1 SGB VI, § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) (Haufe Onlinekommentar RZ. 38 zu § 43 SGB VI).

Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz ist die Regelaltersgrenze mit Wirkung zum 01.01.2008 von bisher 65 Jahren auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben worden (§ 35 Satz 2 SGB VI). Aus Gründen des Vertrauensschutzes bestimmt die Übergangsregelung des § 235 SGB VI für vor dem 01.01.1947 geborene Versicherte die Beibehaltung der Regelaltersgrenze von 65 Jahren (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Das Gleiche gilt für Versicherte, die vor dem 01.01.1955 geboren sind und vor dem 01.01.2007 Altersteilzeitarbeit i.S.d. § 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz (ATG) vereinbart haben oder die Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben (§ 235 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).

Für Versicherte, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze nach der in § 235 Abs. 2 SGB VI abgedruckten Tabelle bis zum Jahre 2029 stufenweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Für Versicherte der Geburtsjahrgänge nach 1963 gilt dann die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

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5.2.1.8 Hinzuverdienstgrenzen

Was zu Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hinzuverdient werden kann, ist in § 96a SGB VI geregelt. Diese Regelung beruht auf der Lohnersatzfunktion der Renten. Die nur teilweise erwerbsgeminderten Versicherten müssen sich mit einem nur halben Lohnausgleich begnügen, weil ihre Erwerbsfähigkeit zwar in bestimmtem Ausmaß gemindert ist, sie aber doch noch so viel an Arbeitskraft besitzen, dass ihnen Möglichkeiten geblieben sind, zusätzlich zur Rente Arbeitseinkünfte zu verdienen. Im Falle voller Erwerbsminderung hingegen soll die Rente vollständigen Lohnersatz bieten. Dem wird bei den Hinzuverdienstregelungen in § 96a SGB VI Rechnung getragen. Die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind nach § 96a SGB VI von der Höhe des „erzielten Hinzuverdienstes" abhängig. Durch den Hinzuverdienst wird nicht der Rentenanspruch als solcher berührt. Er wirkt sich vielmehr auf den Zahlbetrag der Rente aus. Die Hinzuverdienstgrenze wird gem. § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 96a Absatz 2 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach § 96a Abs. 2 SGB VI im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die Einkünfte aus mehreren Beschäftigungen und selbständigen Tätigkeiten werden zusammengerechnet. Dem Arbeitsentgelt stehen der Bezug von Vorruhestandsgeld und die in § 96a Abs. 3 SGB VI bezeichneten Lohnersatzleistungen gleich.

Nicht als Arbeitsentgelt gilt nach § 96a Abs. 1 Satz 4 SGB VI das Entgelt, das

  1. eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 SGB XI nicht übersteigt, oder
  2. ein behinderter Mensch von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI genannten Einrichtung, also insbesondere von dem Träger einer Werkstatt für behinderte Menschen gem. § 136 SGB IX oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 des SGB IX erhält.

Je nach dem erzielten Hinzuverdienst wird gem. § 96a Abs. 1a SGB VI

  1. eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte,
  2. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, in Höhe der Hälfte oder in Höhe eines Viertels,

geleistet.

Die Formeln zur Errechnung der Hinzuverdienstgrenzen ergeben sich aus § 96a Abs. 2 SGB VI. Die Hinzuverdienstgrenze ist dynamisiert, d.h. sie ändert sich mit Änderung der Bezugsgröße. Ohne Anrechnung auf die Rente dürfen zu Renten wegen voller Erwerbsminderung 400,00 Euro monatlich hinzuverdient werden (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Da nach § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI zweimal im Jahr die Grenze für den Hinzuverdienst bis zur Höhe dieser Grenze überschritten werden darf, können zweimal im Jahr zur Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zu 800,00 Euro hinzuverdient werden.

Eine Ausnahmeregelung besteht gem. § 313 Abs. 6 SGB VI für DDR-Invalidenrentner: „(6) Für Versicherte, die am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Invalidenrente oder Bergmannsinvalidenrente hatten und die die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Blindengeld oder Sonderpflegegeld nach den am 31. Dezember 1991 geltenden Vorschriften des Beitrittsgebiets erfüllen, gilt für diese Rente eine Hinzuverdienstgrenze (Absätze 1 bis 3) nicht.“

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5.2.1.9 Rente auf Zeit oder Dauer, Beginn der Rentenzahlung

In der Regel werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit gewährt (§ 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Die Befristung kann höchstens zweimal wiederholt werden. Wenn sich die Voraussetzungen für die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach neun Jahren nicht geändert haben, geht die Rente in eine Dauerrente über. Das ergibt sich aus der Formulierung in § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI: „Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen.“

Daraus ergibt sich, dass Renten, die wegen eines verschlossenen Arbeitsmarktes gewährt werden, auch nach Ablauf von neun Jahren weiter befristet werden können, und zwar bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze. Eine Befristung erfolgt nicht, wenn die Erkrankung oder Behinderung, die für die Erwerbsminderung ursächlich ist, so schwer ist, dass von Anfang an mit keiner Besserung gerechnet werden kann.

Eine Sonderregelung besteht nach § 101 Abs. 1 SGB VI für den Beginn einer befristeten Rente wegen geminderter Erwerbsfähigkeit. Während nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI im Regelfall eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

Mit Erreichen der Regelaltersgrenze wird die Erwerbsminderungsrente durch die Altersrente ersetzt. Der Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist grundsätzlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze befristet. Nach diesem Zeitpunkt wird die Rente von Amts wegen in eine Altersrente umgewandelt, sofern der Versicherte nicht etwas anderes bestimmt (§ 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI; vgl. auch § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VI, § 302 Abs. 1 SGB VI, § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI und Haufe Onlinekommentar RZ. 38 zu § 43 SGB VI).

Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ändert sich in der Regel der Zahlbetrag dadurch nicht. Durch § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ist jedoch gewährleistet, dass die Altersrente nicht geringer ausfällt als die Rente wegen Erwerbsminderung.

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5.2.1.10 Änderung der Verhältnisse

Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann nach § 48 Abs. 1 SGB X entzogen werden, wenn infolge einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse eine volle und auch eine teilweise Erwerbsminderung nicht mehr vorliegt. Eine solche Änderung kann bei einem Blinden oder hochgradig Sehbehinderten insbesondere darin bestehen, dass sich durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein zur Sehschädigung zusätzliches Leiden wesentlich gebessert hat; der Blinde durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben neue Kenntnisse und Fähigkeiten erworben und einen speziell für ihn eingerichteten Arbeitsplatz erlangt hat und/oder ihm eine Assistenzkraft zur Verfügung steht (Hennies in „Blinde im geltenden Recht“, S. 116).

Solche Änderungen der Verhältnisse, die dem Erlass des Rentenbescheides zugrunde lagen, müssen dem RV-Träger, wenn sie für ihn nicht ohnehin erkennbar sind, sofort angezeigt werden, z.B. ein Nebenverdienst oder dessen Erhöhung. Entsprechendes gilt für hochgradig Sehbehinderte.

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5.2.2 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit als Übergangsregelung

Die Renten wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI haben die früheren Renten wegen Berufsunfähigkeit (§ 43 SGB alter Fassung - a.F.) und Erwerbsunfähigkeit (§ 44 SGB VI alter Fassung - a.F.) abgelöst. Mit der Neuregelung wurde der bei der Berufsunfähigkeit bis dahin bestehende Berufsschutz aufgegeben.

  • 43 SGB VI wurde durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit v. 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) mit Wirkung zum 01.01.2001 (Art. 24 Abs. 1) als zentrale Anspruchsgrundlage für die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in das SGB VI eingefügt. § 43 in seiner ab 01.01.2001 geltenden Fassung ersetzt damit die §§ 43 SGB VI (Rente wegen Berufsunfähigkeit) und 44 SGB VI (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) in ihren bis zum 31.12.2000 geltenden Fassungen (a.F.). Die Versicherungsfälle der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sind im Sinne einer abgestuften Erwerbsminderungsrente durch die Versicherungsfälle der vollen und teilweisen Erwerbsminderung ersetzt worden. Da der mit dem Rentenreformgesetz (RRG) 1999 v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998) vorgesehene völlige Wegfall eines Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit verfassungsrechtlich bedenklich erschien, begründet die mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführte Übergangsbestimmung des § 240 SGB VI einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, d.h., die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgenannten Bestimmung am 01.01.2001 das 40. Lebensjahr bereits vollendet hatten.

Mit dieser dem Vertrauensschutz dienenden Regelung bleibt in den Fällen des § 240 SGB VI der Berufsschutz erhalten.

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5.2.2.1 Überblick über die Voraussetzungen für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen (versicherungsrechtliche Voraussetzungen, wartezeitrechtliche Voraussetzungen, Nichterreichen der Regelaltersgrenze) Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Der in diesen Fällen zugrunde zu legende Begriff der Berufsunfähigkeit ist in § 240 Abs. 2 SGB VI wie folgt definiert:

„(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.“

Die in § 240 Abs. 2 SGB VI enthaltene Legaldefinition entspricht im Wesentlichen der Definition der Berufsunfähigkeit, die nach § 43 Abs. 2 a.F bis zum 31.12.2000 galt.

Für die Höhe der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vgl. 5.1.3. Besonderheiten zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen enthält § 241 SGB VI.

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5.2.2.2 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI setzt die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auch die Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente voraus. Die Versicherteneigenschaft muss gegeben sein. Grundsätzlich liegt eine Versicherteneigenschaft vor, wenn für einen Versicherten mindestens ein Pflichtbeitrag oder ein freiwilliger Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung wirksam gezahlt worden ist oder als gezahlt gilt (z.B. bei Kindererziehungszeiten vor dem 01.06.1999). Eine Versicherteneigenschaft liegt darüber hinaus auch vor, wenn zugunsten eines Versicherten aufgrund eines Versorgungsausgleichs (§ 1587b Abs. 1 und 2 BGB, § 1 Abs. 3, § 3b Abs. 1 VAHRG) oder eines Rentensplittings unter Ehegatten oder Lebenspartnern (§§ 120a bis 120e SGB VI) dynamische Rentenanwartschaften übertragen oder begründet worden sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).

Nach der Grundnorm des § 43 Abs. 1 SGB VI ist u.a. eine aktuelle Pflichtversicherung von 3 Jahren (= 36 Kalendermonate gemäß § 122 Abs. 2 SGB VI) in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit erforderlich. Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 muss es sich hierbei grundsätzlich um Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit handeln. Zu berücksichtigen sind gemäß § 55 Abs. 2 SGB VI aber auch freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (§ 205 Abs. 1 Satz 3 SGB VI, § 279e Abs. 1 SGB VI), Pflichtbeiträge für sonstige Versicherte aus den in §§ 3 und 4 SGB VI genannten Gründen (z.B. Kindererziehungszeiten, Wehr- und Zivildienstzeiten etc.) sowie Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat (§ 247 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) (Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 240 SGB VI).

Soweit im originären 5-Jahres-Zeitraum eine 3-jährige Pflichtbeitragszeit nicht nachgewiesen werden kann, verlängert sich der Zeitraum gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI, § 241 Abs. 1 SGB VI um folgende Verlängerungstatbestände nach vorne:

  • Anrechnungszeiten (§§ 58, 252, 252a SGB VI),
  • Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
  • Berücksichtigungszeiten (§§ 57, 249b SGB VI),
  • Anrechnungszeiten-Tatsachen, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil der Unterbrechungstatbestand des § 58 Abs. 2 SGB VI nicht gegeben ist, wenn in den letzten 6 Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Anrechnungszeit oder der Bezug einer Erwerbsminderungsrente oder eine Berücksichtigungszeit liegt,
  • Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu 7 Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen einer schulischen Ausbildung,
  • Ersatzzeiten (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 SGB VI),
  • Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992 (§ 98a RKG).

Dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 19 zu § 240 SGB VI.

Eine 3-jährige Pflichtbeitragszeit in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit ist nicht erforderlich, wenn

  • die Berufsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit gemäß §§ 53, 245 SGB VI vorzeitig erfüllt ist (§ 43 Abs. 5 SGB VI) oder
  • ein Versicherter bereits vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte und die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mit sog. Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist (§ 241 Abs. 2 SGB VI).

Dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 20 zu § 240 SGB VI.

Wegen Einzelheiten wird auf die Kommentierung in Haufe Onlinekommentar zu § 241 SGB VI verwiesen.

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5.2.2.3 Erfüllung der Wartezeit

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 240 Abs. 1 SGB VI ist für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit außerdem noch die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor Eintritt der Berufsunfähigkeit erforderlich. Die allgemeine Wartezeit umfasst gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI 5 Jahre; das sind gemäß § 122 Abs. 2 SGB VI 60 Kalendermonate. Auf die allgemeine Wartezeit sind Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI) anzurechnen. Kalendermonate, die nur zum Teil mit Beitrags- oder Ersatzzeiten belegt sind, werden voll angerechnet (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Darüber hinaus sind auf die allgemeine Wartezeit auch noch Monate anzurechnen, die sich nach Anwendung des § 52 Abs. 1 und Abs. 1a SGB VI (Wartezeitmonate aufgrund der Durchführung eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings unter Ehegatten oder Lebenspartnern zugunsten von Versicherten) sowie aus § 52 Abs. 2 (Wartezeitmonate wegen der Ausübung einer geringfügig entlohnten versicherungsfreien Beschäftigung) ergeben.

Darüber hinaus ist die allgemeine Wartezeit für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 53, 245 SGB VI vorzeitig erfüllt. Zu den Wartezeiten vgl. auch 5.1.2.

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5.2.2.4 Zu beachtende Altersgrenzen

Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 43 Abs. 1 SGB VI, § 240 Abs. 1 SGB VI). Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz ist die Regelaltersgrenze mit Wirkung zum 01.01.2008 von bisher 65 Jahren auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben worden (§ 35 Satz 2 SGB VI). Aus Gründen des Vertrauensschutzes bestimmt die Übergangsregelung des § 235 SGB VI für vor dem 01.01.1947 geborene Versicherte die Beibehaltung der Regelaltersgrenze von 65 Jahren (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Das Gleiche gilt für Versicherte, die vor dem 01.01.1955 geboren sind und vor dem 01.01.2007 Altersteilzeitarbeit i.S.d. § 2 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 Altersteilzeitgesetz (ATG) vereinbart haben oder die Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben (§ 235 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Für Versicherte, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze nach der in § 235 Abs. 2 SGB VI abgedruckten Tabelle bis zum Jahre 2029 stufenweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Für Versicherte der Geburtsjahrgänge nach 1963 gilt dann die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

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5.2.2.5 Voraussetzungen für den Berufsschutz - Stufenschema

Aus Vertrauensschutzgründen erhalten Versicherte, die bei Inkrafttreten der Reform am 01.01.2001 das 40. Lebensjahr bereits vollendet hatten, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie ihren bisherigen Beruf (sog. Hauptberuf) oder eine andere Beschäftigung/Tätigkeit, die gegenüber ihrem jeweiligen Hauptberuf sozial zumutbar ist, aus gesundheitlichen Gründen nicht mindestens 6 Stunden täglich ausüben können (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Kann ein Versicherter nach dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen nur noch Arbeiten verrichten, die im Vergleich zu seinem Hauptberuf nicht sozial zumutbar sind, liegt Berufsunfähigkeit selbst dann vor, wenn er diese Arbeiten vollschichtig ausüben kann (§ 240 Abs. 2 Satz 2 und 4 SGB VI). Mit dieser Regelung wird übergangsweise der Berufsschutz für beruflich qualifizierte Versicherte in das neue System der 2-stufigen Erwerbsminderungsrente eingebunden. Mit der Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Versicherte aufgrund seines Leistungsvermögens aus medizinischer Sicht noch in der Lage ist, die andere Hälfte seines Lebensunterhalts mit einer Teilzeitbeschäftigung in seinem „bisherigen Beruf" oder mit einer Vollzeitbeschäftigung in einer gegenüber seinem Hauptberuf nicht sozial zumutbaren Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bestreiten (Haufe Onlinekommentar RZ. 3a zu § 240 SGB VI).

Für den Begriff der Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI gilt somit nach wie vor der Berufsschutz, wie er in § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. enthalten war. Die dazu ergangene Rechtsprechung ist zu beachten.

Bei Feststellung der Berufsunfähigkeit i.S.v. § 240 Abs. 2 SGB VI ist nach folgendem Prüfschema vorzugehen:

  1. Feststellung des bisherigen Berufs, sog. Hauptberuf,
  2. Prüfung, welche Arbeiten der Versicherte nach seinem Leistungsvermögen noch verrichten kann,
  3. Prüfung der sozialen Zumutbarkeit,
  4. Ermittlung des täglichen Leistungsvermögens des Versicherten.

Die Feststellung, ob die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden täglich gesunken ist, setzt die Ermittlung des „bisherigen Berufs", das ist der sog. Hauptberuf, voraus.

Hat ein Versicherter nur einen Beruf ausgeübt, so kann nur dieser als Hauptberuf in Betracht kommen. Bei Ausübung mehrerer Berufe im Laufe des Berufslebens eines Versicherten ist aus den rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungen oder Tätigkeiten diejenige zu ermitteln, die dem Berufsleben des Versicherten das Gepräge gegeben hat. Dabei kommt grundsätzlich nur eine Beschäftigung oder Tätigkeit als Hauptberuf in Betracht, die nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) tatsächlich ausgeübt worden ist. Bei vorzeitiger Wartezeiterfüllung gemäß §§ 53, 245 SGB VI ist die Beschäftigung/Tätigkeit als Hauptberuf anzuerkennen, die im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles der Berufsunfähigkeit verrichtet worden ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 240 SGB VI).

Ist ein Versicherter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande, seinen Hauptberuf auszuüben, so ist zu prüfen, welche beruflichen Tätigkeiten er noch sozial zumutbar verrichten kann (Verweisungstätigkeiten). Die Verweisungstätigkeiten müssen sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbar sein, weil eine Verweisung ansonsten unzulässig wäre. Die tatsächliche Ausübung einer sozial nicht zumutbaren Beschäftigung/Tätigkeit steht einem Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit selbst dann nicht entgegen, wenn sie vollschichtig ausgeübt wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 240 SGB VI).

Bei Prüfung der subjektiven Zumutbarkeit sind die Dauer und der Umfang und damit der qualitative Wert der beruflichen Ausbildung für die Ausübung des Hauptberufs einerseits und der Verweisungstätigkeit andererseits zu ermitteln. Die Verweisung auf eine Beschäftigung oder Tätigkeit, die den Kenntnissen und Fähigkeiten des Versicherten entspricht und die er nach seinem Gesundheitszustand noch verrichten kann, ist nämlich nur dann zulässig, wenn sie im Vergleich zum ermittelten Hauptberuf keinen zu großen sozialen Abstieg für den Versicherten beinhaltet. Je höher der qualitative Wert des Hauptberufs, desto kleiner ist der Kreis der subjektiv zumutbaren Beschäftigungen oder Tätigkeiten. Zumutbar ist jedoch nach § 240 Abs. 2 Satz 3 § 240 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist. Für blinde oder sehbehinderte Versicherte bedeutet das, dass eine Umschulung zu einem Beruf, der ihnen sozial nicht zugemutet werden kann, nicht oder nur nach Aufklärung über die Konsequenzen erfolgen sollte.

Für die Beurteilung der qualitativen Bewertung des bisherigen Berufs eines Versicherten (sog. Hauptberuf) hat das Bundessozialgericht ein Mehrstufenschema entwickelt. Dabei gelten unterschiedliche Stufenschemata für Arbeiter und Angestellte.

Mehrstufenschema für Arbeiter:

  • Stufe: Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, z.B. Meister, Hilfsmeister, Hilfspolier mit Weisungsbefugnis auch gegenüber anderen Facharbeitern (vgl. BSG, Urteil v. 30.10.1991, 8 RKn 4/90 und 8 RKn 7/90);
  • 2. Stufe: Facharbeiter, die einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mehr als 2 Jahren ausüben (BSG, Urteile v. 28.11.1985, 4a RJ 51/84, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 132; v. 7.8.1986, 4a RJ 73/84, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 138; v. 9.9.1986, 5b RJ 82/85, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 140; v. 21.7.1987, 4a RJ 39/86, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 143);
  • 3. Stufe: Angelernte Arbeiter, die einen sonstigen Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von mindestens 3 Monaten bis zu 2 Jahren ausüben und nicht aufgrund ihrer tarifvertraglichen Einstufung zu den Facharbeitern zählen (BSG, Urteil v. 13.07.1988, 5/4a RJ 19/87);
  • 4. Stufe: Ungelernte Arbeiter, die einen Beruf ausüben, für den keine Regelausbildung vorgesehen ist. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen 4.1 ungelernten Arbeitern, die Arbeiten verrichten, an die besondere Anforderungen geknüpft sind (z.B. Revisions- und Überwachungsarbeiten, Anlagenkontrolle) und 4.2 ungelernten Arbeitern, die regelmäßig lediglich einfache Arbeiten verrichten.

Um einen Versicherten in die 2. Stufe oder die 3. Stufe einordnen zu können, ist es nicht erforderlich, dass dieser die für den Lehr- oder Anlernberuf vorgesehene Regelausbildung tatsächlich erfolgreich durchlaufen hat. Ein Versicherter ist vielmehr auch dann in eine dieser Stufen einzuordnen, wenn er sich die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten über eine sonstige Berufsentwicklung angeeignet hat und die als Hauptberuf in Betracht kommende Beschäftigung/Tätigkeit tatsächlich vollwertig ausgeübt hat.

Eine zumutbare Verweisung im Mehrstufenschema für Arbeiter ist grundsätzlich nur auf Beschäftigungen/Tätigkeiten derselben oder der nächst niedrigeren Gruppe möglich. Außerdem muss der Versicherte imstande sein, die Verweisungstätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von längstens 3 Monaten auszuüben; hierbei sind seine bisher erworbenen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen.

Besonderheiten:

  1. Ein Versicherter, der als Facharbeiter (2. Stufe) einzustufen ist, kann nicht nur auf Tätigkeiten seiner Gruppe und auf angelernte Arbeiten sozial zumutbar verwiesen werden. Bei diesem Personenkreis ist vielmehr auch eine Verweisung auf ungelernte Arbeiten (4. Stufe) sozial zumutbar, wenn sich die Verweisungstätigkeit aus dem Kreis der ungelernten Arbeiten besonders hervorhebt (vgl. 4. Stufe, 4.1) und die tarifliche Entlohnung mit einer angelernten Tätigkeit der 3. Stufe vergleichbar ist (BSG, Urteile v. 1.2.1984, 5b RJ 80/83, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 116; v. 30.9.1987, 5b RJ 20/86, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 147; v. 22.7.1992, 13 RJ 21/91).
  2. Ein Versicherter, der als angelernter Arbeiter (3. Stufe) einzustufen ist, kann ebenfalls auf Tätigkeiten seiner Gruppe sozial zumutbar verwiesen werden. Er kann grundsätzlich auch auf ungelernte Arbeiten (4. Stufe) verwiesen werden. Dies gilt jedoch nicht für die einfachsten ungelernten Arbeiten, wie z.B. Platzarbeiten, Küchenhilfsarbeiten, Reinigungsarbeiten etc. (vgl. Stufe 4.2); diese Tätigkeiten sind einem angelernten Arbeiter nicht sozial zumutbar (BSG, Urteile v. 28.5.1963, 12/4 RJ 30/60, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 32; v. 9.9.1966, 5 RKn 9/64, SozR 2200, § 46 RKG Nr. 17; v. 14.3.1968, 5 RKn 12/66; v. 23.8.1972, 5 RKn 54/70).
  3. Ein Versicherter, der als ungelernter Arbeiter der 4. Stufe zuzuordnen ist, kann sozial zumutbar auf alle Arbeiten verwiesen werden.

Ist eine Verweisungstätigkeit sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbar, so hat sie der Rentenversicherungsträger in seinem Ablehnungsbescheid zu benennen (vgl. auch Auslegung der VDR-Arbeitsgruppe des Fachausschusses Versicherung und Rente 5/2000 zu § 240 i.d.F. ab 01.01.2001). Bei Versicherten, die als ungelernte Arbeiter auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial zumutbar verwiesen werden können, kann im Regelfall auf eine konkrete Benennung der Verweisungstätigkeiten verzichtet werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein Versicherter selbst einfache ungelernte Arbeiten nach seinem Gesundheitszustand nur noch mit erheblichen Einschränkungen verrichten kann (BSG, Urteile v. 27.04.1982, 1 RJ 132/80, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 90; v. 15.11.1983, 1 RJ 112/82, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 109; v. 06.06.1986, 5b RJ 42/85, SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 136). Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 240 SGB VI.

Mehrstufenschema für Angestellte:

  • Stufe: Angestellte mit höherer beruflicher Qualifikation, die regelmäßig eine akademische oder eine vergleichbare Ausbildung voraussetzt, und mit einem Bruttoarbeitsentgelt oberhalb, an oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BSG, Urteil v. 20.06.1979, 5 RKn 26/77, SozR 2600, § 1246 Nr. 1 RVO);
  • 2. Stufe: Angestellte mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildung (meist mit einer 3-jährigen Ausbildung);
  • 3. Stufe: Angestellte mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren;
  • 4. Stufe: Angestellte ohne eine Ausbildung.

Eine zumutbare Verweisung im Mehrstufenschema für Angestellte ist grundsätzlich nur auf Beschäftigungen oder Tätigkeiten derselben oder der nächst niedrigeren Gruppe möglich (BSG, Urteile v. 20.06.1979, 5 Rkn 26/77, SozR 2600, § 46 RKG Nr. 3; v. 20.06.1979, 5 Rkn 25/77, SozSich 1979 S. 316; v. 31.01.1984, 5a Rkn 25/82, SozR, § 1246 RVO Nr. 114; v. 22.02.1990, 4 RA 34/89). Vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 240 SGB VI.

Zuletzt ist zu prüfen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen seinen Hauptberuf oder eine andere sozial zumutbare Beschäftigung oder Tätigkeit (sog. Verweisungstätigkeit), die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht, mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Bei einem Restleistungsvermögen von weniger als 6 Stunden täglich liegt Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 Abs. 2 vor. Das Gleiche gilt, wenn ein Versicherter zwar noch mindestens 6 Stunden täglich arbeiten kann, dies aber nur in einer Beschäftigung/Tätigkeit, die gegenüber seinem Hauptberuf nicht sozial zumutbar ist. Bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (versicherungsrechtliche Voraussetzung, wartezeitrechtliche Voraussetzung, Nichterreichen der Regelaltersgrenze), ist einem Versicherten in diesen Fällen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs. 1SGB VI, § 240 SGB VI) zu leisten.

Soweit ein Versicherter aufgrund seines Gesundheitszustandes dagegen noch in der Lage ist, seinen Hauptberuf oder eine im Vergleich zu seinem Hauptberuf sozial zumutbare Beschäftigung oder Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich auszuüben, liegt Berufsunfähigkeit i.S.d. § 240 Abs. 2 SGB VI nicht vor. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherte über keinen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz verfügt. Entgegen dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht schließt § 240 Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz die Leistung einer Arbeitsmarktrente bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit aus, sodass die Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 seit dem 01.01.2001 allein nach der sog. abstrakten Betrachtungsweise ohne Rücksicht auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu beurteilen ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 240 SGB VI).

Berufsunfähigkeit ist trotz tatsächlicher Arbeitsverrichtung anzunehmen, wenn die sozial zumutbare Beschäftigung oder Tätigkeit nur unter unzumutbaren Schmerzen oder Beschwerden ausgeübt wird oder langfristig zu einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Versicherten führt (Haufe Onlinekommentar RZ.17 zu § 240 SGB VI).

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5.2.2.6 Rentenbeginn und Dauer

Vgl. dazu auch 5.2.1.9. Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sind gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich auf Zeit zu leisten. Eine Befristung erfolgt für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn und kann wiederholt werden (§ 102 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI).

Der Rentenbeginn richtet sich nach § 99 Abs. 1 SGB VI, § 101 Abs. 1 SGB VI. Danach sind befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Erwerbsminderung zu leisten (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Zu beachten bleibt bei der Bestimmung des Rentenbeginns die in § 99 Abs. 1 Satz 2 enthaltene Antragsfrist von 3 Kalendermonaten, sodass sich bei verspäteter Antragsstellung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ein Rentenbeginn ergibt, der nach Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit liegt.

Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit sind jedoch als Dauerrenten zu leisten, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

In diesen Fällen ist der Rentenbeginn ausschließlich nach § 99 Abs. 1 SGB VI zu bestimmen (Haufe Onlinekommentar RZ. 23 zu § 240 SGB VI).

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5.3 Renten wegen Alters

Renten wegen Alters sind nach § 33 Abs. 2 SGB VI:

  1. Regelaltersrente,
  2. Altersrente für langjährig Versicherte,
  3. Altersrente für schwerbehinderte Menschen,3a. Altersrenten für besonders langjährig Versicherte,
  4. Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute

sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels:

  1. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit,
  2. Altersrente für Frauen.

Im Folgenden wird auf die wichtigsten dieser Renten eingegangen.

Ergänzend weisen wir darauf hin, dass zusätzlich zu den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung die private Altersvorsorge empfohlen und gefördert wird. Der Alterssicherung dienen nach dem so genannten Dreisäulenmodell die Sozialrenten, private Altersvorsorge durch kapitalgedeckte Renten und Betriebsrenten. Die Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (AVmG) vom 26.06.2001 erstreckt sich auf die private und die betriebliche Altersvorsorge. Die private Altersvorsorge wird auf privatrechtlichen Grundlagen in zwei Formen durchgeführt: entweder als Riester-Rente (benannt nach dem damaligen Bundesarbeitsminister) oder als Rürup-Rente (benannt nach Prof. Dr. Rürup). Auf diese Formen der Alterssicherung wird in diesem Heft nicht eingegangen. Wir verweisen auf Hennies „Blinde im geltenden Recht“ XII 3. Rente und Altersvorsorgevermögen mit Unterpunkten S. 122 ff.

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5.3.1 Regelaltersrente

Die einschlägigen Normen sind die §§ 35 und 235 SGB VI.

Auf die Regelaltersrente haben Versicherte nach § 35 SGB VI Anspruch, wenn sie

  1. die Regelaltersgrenze erreicht haben und
  2. die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) erfüllt haben.

Die Regelaltersgrenze wird (entsprechend der Abstufung in § 235 SGB VI) mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht.

Nach § 235 SGB VI wird die Anhebung der Regelaltersgrenze vom vollendeten 65. Lebensjahr auf das vollendete 67. Lebensjahr stufenweise wirksam. Die Regelaltersgrenze von 67 Jahren gilt nach § 235 Abs. 1 SGB VI erst für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind. Versicherte, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen nach § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze (abhängig vom Geburtsjahrgang) stufenweise entsprechend der Tabelle in § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI von 65 Jahren um die dort genannten Monate angehoben. Das Renteneintrittsalter wird nach diesen Regelungen vom Jahre 2012 an bis zum Jahre 2029 stufenweise erhöht. Faktisch findet hiermit eine Rentenkürzung statt, die aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung der Rentner als unvermeidbar gilt.

Eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente ab Vollendung des 63. Lebensjahres ist möglich. Wer früher in Rente geht, muss entsprechende Rentenabschläge akzeptieren. Dies bedeutet für die Geburtsjahrgänge nach 1964, dass sie einen maximalen Abschlag von 14,4 Prozent hinnehmen müssen, wenn sie mit 63 Jahren in Rente gehen wollen. Das ergibt sich aus § 77 Abs. 2 Buchstabe a SGB VI. Danach ist der Zugangsfaktor für Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0.

Auf die nach § 50 SGB VI maßgebende allgemeine Wartezeit von fünf Jahren werden gem. § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Es müssen also grundsätzlich 60 Monate mit Beiträgen vorhanden sein. Vgl. zu den rentenrechtlichen Wartezeiten näher 5.1.2.

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5.3.2 Altersrenten für Frauen

Nach früherem Recht konnten Frauen die Rente wegen Alters bereits in Anspruch nehmen, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet, nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt hatten.

Dieser Anspruch auf die „Altersrente für Frauen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr“ besteht unter den genannten Voraussetzungen nach § 237a Abs. 1 SGB VI nur noch für Frauen, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind. Bei dieser Rentenart wird gem. § 237a Abs. 2 SGB VI die Altersgrenze seit dem 01.01.2000 für Frauen, die nach dem 31.12.1939 geboren wurden, in monatlichen Schritten von der Vollendung des 60. Lebensjahres auf die Vollendung des 65. Lebensjahres angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme ab dem vollendeten 60. Lebensjahr ist jedoch möglich. Dabei muss ein Rentenabschlag in Kauf genommen werden. Der Rentenabschlag beträgt pro Monat 0,3 Prozent, sodass maximal eine „Rentenkürzung" von 18 Prozent erfolgt. Die Hinzuverdienstgrenzen (§ 34 Abs. 2 und 3 SGB VI) müssen beachtet werden.

Einzelheiten über die Anhebung der Altersgrenze ergeben sich aus § 237a Abs. 2 und Anlage 20 zum SGB VI.

Die Wartezeit von 15 Jahren ergibt sich aus § 243b SGB VI. Anrechenbare Zeiten auf diese Wartezeit sind nach § 244 Abs. 2 SGB VI  Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI i.V.m § 250  SGB VI). Zur Erfüllung der Mindestversicherungszeit von 15 Jahren zählen auch Kindererziehungszeiten oder Zeiten geringfügiger Beschäftigung. Zu den Wartezeiten vgl. auch 5.1.2.

Für Frauen, die ab dem 1. Januar 1952 geboren sind, ergibt sich Folgendes: Da nur Frauen eine „Altersrente für Frauen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr“ in Anspruch nehmen können, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, läuft diese

Form der Altersrente in der Zukunft aus. Für die Geburtsjahrgänge 1952 und jünger

gibt es mithin diese Form der Altersrente nicht mehr. Für sie gelten ausschließlich die Ausführungen unter 5.3.1 zur Altersrente.

Selbstverständlich haben Frauen, bei denen die erforderlichen Voraussetzungen, z.B. die Erfüllung der längeren Anwartschaftszeiten, gegeben sind, Anspruch auf Rente für langjährige Versicherte (vgl. dazu 5.3.3) bzw. bei Schwerbehinderung auf Rente für Schwerbehinderte (vgl. dazu 5.3.4).

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5.3.3 Altersrente für langjährig Versicherte sowie besonders langjährig Versicherte

Zu unterscheiden sind die Altersrente für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) und die Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 38 SGB VI).

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5.3.3.1 Altersrente für langjährig Versicherte

Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte haben nach § 36 SGB VI Versicherte, wenn sie

  1. das 67. Lebensjahr vollendet haben und
  2. die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Vorzeitige Inanspruchnahme bedeutet, dass beim nach § 67 SGB VI maßgebenden Rentenartfaktor für die persönlichen Entgeltpunkte von 1,0 gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI ein Rentenabzug in Höhe von 0,3 % für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbezugs in Kauf genommen wird. Die für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebenden persönlichen Entgeltpunkte richten sich nach § 66 SGB VI.

Voraussetzung ist jedoch, dass die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt sein muss (§ 50 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Die Anhebung der Altersgrenze vom vollendeten 65. Lebensjahr auf das vollendete 67 Lebensjahr erfolgt abhängig vom Geburtsjahr des Versicherten gem. § 236 SGB VI schrittweise. Versicherte, die vor dem 1. Januar 1949 geboren sind, haben nach § 236 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf die Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1948 geboren sind, wird die Altersgrenze von 65 Jahren auf das vollendete 67. Lebensjahr nach der Tabelle in § 236 Abs. 2 Satz 2 SGB VI angehoben.

Anrechenbare Zeiten für die Wartezeit von 35 Jahren sind nach § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten, also nach § 54 SGB VI auch Anrechnungszeiten und Berücksichtigungszeiten. Zu den rentenrechtlichen Zeiten vgl. 5.1.1, zu den Wartezeiten 5.1.2.

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5.3.3.2 Rente für besonders langjährig Versicherte

Für besonders langjährig Versicherte ist in § 38 SGB VI, welcher durch Art. 1 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes mit Wirkung ab. 01.01.2012 eingeführt wird, wegen der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre ab dem Jahr 2012 eine besondere Regelung getroffen worden. Diese Bestimmung lautet:

„§ 38 Altersrente für besonders langjährig Versicherte

Versicherte haben Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie

  1. das 65. Lebensjahr vollendet und
  2. die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt

haben."

Versicherte, die nach 1946 geboren sind, können damit nach wie vor die Altersrente ohne Abschläge ab dem vollendeten 65. Lebensjahr beziehen.

Es muss die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt sein. Diese Wartezeit  ist in § 50 Abs. 5, welcher ebenfalls ab dem 01.01.2012 eingeführt wird, festgelegt. Der Versicherte muss den Beruf aufgegeben haben oder nur noch Einkünfte innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Hinzuverdienstmöglichkeiten (§ 34 Abs. 2 SGB VI) erzielen.

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden angerechnet:

  • Berücksichtigungszeiten (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2 SGB VI),
  • Wartezeitmonate aus einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung (§ 52 Abs. 2 SGB VI),
  • Kalendermonate mit Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 4 SGB VI),
  • Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zum 10. Lebensjahr,
  • Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Als Pflichtbeitragszeiten gelten grundsätzlich Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Pflichtbeitragszeit aufgrund einer versicherten Beschäftigung, einer selbständigen Tätigkeit oder einer Pflegetätigkeit), also alle Zeiten, die im Rahmen des § 55 Abs. 2 SGB VI berücksichtigt werden können.

Nicht berücksichtigt werden:

  • Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe (§ 244 Abs. 3 SGB VI) und Arbeitslosengeld II (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 SGB VI),
  • Zeiten aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich oder aus einem Rentensplitting (§ 51 Abs. 3a Satz 2 SGB VI),
  • Zeiten, für die freiwillige Beiträge entrichtet wurden (§ 51 Abs. 3a SGB VI; § 244 Abs. 3 SGB VI) und
  • Anrechnungszeiten.

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden somit keine Schul- und Studienzeiten (Anrechnungszeiten) angerechnet. Akademiker sind daher praktisch ausgeschlossen. Zu den rentenrechtlichen Zeiten vgl. 5.1.1, zu den Wartezeiten 5.1.2.

Eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente für besonders langjährig Versicherte vor dem 65. Lebensjahr unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen ist nicht möglich.

In den Fällen, in denen bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Wartezeit von 45 Jahren noch nicht erfüllt wurde, besteht noch kein Anspruch auf die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Der Anspruch besteht allerdings dann mit dem Monat, für den der letzte Pflichtbeitrag zur Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren bzw. 540 Monaten geleistet wird. Dabei sehen die Vorschriften vor, dass der Leistungsfall am letzten Tag des Monats eintritt, für den der letzte Pflichtbeitrag geleistet wird.

Mit dieser besonderen Form der Altersrente wird den Menschen entgegengekommen, die ein langes Arbeitsleben hinter sich gebracht haben.

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5.3.4 Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Der Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen im Sinn von § 2 Abs. 2 SGB IX, also auch für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, richtet sich nach § 37 SGB VI und § 236a SGB VI.

Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen haben nach § 37 Satz 1 SGB VI Versicherte, wenn sie

  1. das 65. Lebensjahr vollendet haben,
  2. bei Beginn der Altersrente als schwerbehinderte Menschen gem. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt sind und
  3. die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist gem. § 37 Satz 2 SGB VI nach Vollendung des 62. Lebensjahres möglich. Vorzeitige Inanspruchnahme bedeutet, dass beim nach § 67 SGB VI maßgebenden Rentenartfaktor für die persönlichen Entgeltpunkte von 1,0 gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI ein Rentenabzug in Höhe von 0,3 % für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbezugs in Kauf genommen wird. Die für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebenden persönlichen Entgeltpunkte richten sich nach § 66 SGB VI.

Die Anhebung der Altersgrenze auf das vollendete 65. Lebensjahr und der Altersgrenze für die vorgezogenen Altersrente auf das vollendete 62. Lebensjahr gilt allerdings nur für schwerbehinderte Menschen, die nach dem 1. Januar 1964 geboren sind. Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, haben frühestens Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet haben (§ 236a Abs. 1 SGB VI). In diesem Fall ist die vorgezogene Altersrente (unter Inkaufnahme von Rentenabzug) ab dem vollendeten 60. Lebensjahr möglich. Die Anhebung der Regelaltersgrenze vom vollendeten 63. Lebensjahr auf das vollendete 65. Lebensjahr und der Altersgrenze für die vorgezogene Altersrente vom vollendeten 60. auf das vollendete 62. Lebensjahr erfolgt für die Versicherten, die nach dem 31. Dezember 1951 geboren sind, in Monatsschritten gemäß der Tabelle in § 236a Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

Anrechenbare Zeiten für die Wartezeit von 35 Jahren sind nach § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten, also nach § 54 SGB VI auch Anrechnungszeiten und Berücksichtigungszeiten. Zu den rentenrechtlichen Zeiten vgl. 5.1.1, zu den Wartezeiten 1.1.2.

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5.3.5 Vollrente und Teilrente sowie Hinzuverdienstgrenzen

Versicherte können nach § 42 Abs. 1 SGB VI eine Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) oder als Teilrente in Anspruch nehmen.

Die Teilrente beträgt ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel der erreichten Vollrente (§ 42 Abs. 2 SGB VI).

  • 34 Abs. 2 SGB VI enthält die negative Anspruchsvoraussetzung, dass Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze bei Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit oder Bezug eines vergleichbaren Einkommens nur beansprucht werden können, wenn die im Gesetz genannten Hinzuverdienstgrenzen eingehalten werden. Welche Hinzuverdienstgrenzen bei der Altersrente als Vollrente und bei den Altersteilrenten eingehalten werden müssen, ergibt sich aus § 34 Abs. 3 SGB VI.

Die Hinzuverdienstgrenze beträgt nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI bei einer Rente wegen Alters als Vollrente 400,00 Euro. Bei Teilrenten erhöht sich die Zuverdienstgrenze gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI nach der dort genannten Berechnung stufenweise und zwar um so mehr, je nach dem, ob es sich um eine Teilrente von einem Drittel, der Hälfte oder zwei Dritteln der Vollrente handelt.

Im Laufe eines Kalenderjahres darf die Hinzuverdienstgrenze zweimal überschritten werden, und zwar bis zum Doppelten des jeweiligen Betrags der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze. Einkünfte aus mehreren Beschäftigungen und/oder Tätigkeiten sind zusammenzurechnen (§ 34 Abs. 2 SGB VI).

Nach § 34 Abs. 2 Satz 4 SGB VI gilt nicht als Arbeitsentgelt das Entgelt, das eine Pflegeperson von dem Pflegebedürftigen erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld i.S.d. § 37 SGB XI nicht übersteigt. Übersteigt das Entgelt diese Beträge und liegt dem Grunde nach Versicherungspflicht der Pflegeperson nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vor, ist das gesamte Entgelt zu berücksichtigen und nicht nur der die Grenzen des § 37 SGB XI übersteigende Teil (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 34 SGB VI).

Nicht als Arbeitsentgelt gilt nach § 34 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 SGB VI das Entgelt, das ein behinderter Mensch von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung erhält. Das sind anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen oder nach dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannte Blindenwerkstätten bzw. Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen in welchen behinderte Menschen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht.

Durch die Inanspruchnahme einer Teilrente soll ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht werden.

Versicherte, die wegen der beabsichtigten Inanspruchnahme einer Teilrente ihre Arbeitsleistung einschränken wollen, können nach § 42 Abs. 3 SGB VI von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er mit ihnen die Möglichkeiten einer solchen Einschränkung erörtert. Macht der Versicherte hierzu für seinen Arbeitsbereich Vorschläge, hat der Arbeitgeber zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen. Ein Rechtsanspruch auf Einschränkung der Arbeitszeit besteht allerdings nicht.

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5.4 Renten von Todes wegen (Hinterbliebenenrenten)

Nach § 33 Abs. 4 SGB VI sind Renten wegen Todes

  1. kleine Witwenrente oder Witwerrente,
  2. große Witwenrente oder Witwerrente,
  3. Erziehungsrente,

Zu den Renten wegen Todes gehören nach § 46 Abs. 5 SGB VI auch die Witwen- oder Witwerrenten nach dem vorletzten Ehegatten

und die Witwen- oder Witwerrenten an vor dem 01.07.1977 geschiedene Ehegatten (§ 243 SGB VI).

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5.4.1 Witwenrente und Witwerrenten

Rechtsquelle ist § 46 SGB VI. Unterschieden werden kleine und große Witwen- oder Witwerrenten. Diese unterscheiden sich sowohl in der Höhe als auch in der Dauer des Anspruchs.

So beträgt der Rentenartfaktor nach § 67 Nr. 5 SGB VI für die kleinen Witwenrenten und kleinen Witwerrenten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist, 1,0 anschließend 0,25 und nach § 67 Nr. 6 für die großen Witwenrenten und großen Witwerrenten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist, 1,0 anschließend 0,55. Beide Renten werden also während der ersten drei Monate nach dem Sterbemonat in gleicher Höhe wie die Rente des Verstorbenen fortgezahlt. Danach beträgt die kleine Witwen- oder Witwerrente nur noch 25 % und die große Witwen- oder Witwerrente nur noch 55 % und nicht mehr, wie bis zum 31.12.2001, 60 % der Rente des Verstorbenen. Eine Besitzstandregelung enthält § 255 Abs. 1 SGB VI. Danach beträgt der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte bei großen Witwenrenten und großen Witwerrenten nach dem Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist, 0,6, wenn der Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist.

Anspruch auf die kleine Witwen- oder Witwerrente haben gem. § 46 Abs. 1 SGB VI Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist. Ohne diese Beschränkung auf 24 Monate besteht der Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente gem. § 243 Abs. 1 SGB VI auch für geschiedene Ehegatten,

  1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
  2. die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
  3. die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten,

wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit (5 Jahre) erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist. Zu den Wartezeiten vgl. 5.1.2.

Nach § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

  1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
  2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
  3. erwerbsgemindert sind.

Die Erhöhung der Altersgrenze (§ 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) vom 45. Lebensjahr auf das 47. Lebensjahr erfolgt ab 2012 gemäß der Tabelle in § 242a Abs. 5 SGB VI in Monatsschritten. Die Altersgrenze von 47 Jahren wird danach im Jahr 2029 erreicht.

Die Voraussetzung der Erwerbsminderung (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI) kann auf blinde Witwen oder Witwer zutreffen.

Wenn ein Kind der Witwe oder des Witwers älter als 18 Jahre ist, wird die große Witwen- oder Witwerrente nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI unter zwei zusätzlichen Voraussetzungen gezahlt, nämlich wenn

  1. das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung - z.B. wegen einer Erblindung oder Sehbehinderung - außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und
  2. die Witwe oder der Witwer die Sorge für das behinderte Kind in häuslicher Gemeinschaft ausübt.

Z.B. ist ein blindes, über 18 Jahre altes Kind, das mit der Witwe oder dem Witwer in einem gemeinsamen Haushalt lebt, noch nicht in der Lage, beruflich erwerbstätig zu sein, wenn seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen ist.

Als Kinder werden nach § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auch berücksichtigt:

  1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB I), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
  2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.

Eine Einschränkung bringt § 46 SGB VI in den Abs. 2a und 2b:

„(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der

Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.“

Nach § 243 Abs. 2 SGB VI besteht ein Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente auch für geschiedene Ehegatten,

  1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
  2. die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
  3. die im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und
  4. die entweder a) ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2),b) das 45. Lebensjahr vollendet haben,c) erwerbsgemindert sind,d) vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2 SGB VI) sind odere) am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind,

wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

Davon zu unterscheiden ist der Fall der in § 46 Abs. 3 SGB VI geregelten so genannten „Geschiedenenrente". Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

Aufgrund des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16.02.2001 (BGBl I S. 266), gelten nach § 46 Abs. 4 SGB VI für den Anspruch auf Witwen oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Witwe oder Witwer ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte der Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe als Voraussetzung für die so genannte „Geschiedenenrente“ nach § 46 Abs. 3 SGB VI entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Bei der ersten Wiederverheiratung erhalten Witwenrentnerinnen und Witwenrentner nach § 107 Abs. 1 SGB VI eine Rentenabfindung in Höhe des 24fachen Monatsbetrages der Rente. Entsprechendes gilt nach § 107 Abs. 3 SGB VI für Lebenspartner.

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5.4.2 Waisenrente

Rechtsquelle ist § 48 SGB VI. Unterschieden werden die Halbwaisenrente und die Vollwaisenrente. Die Halbwaisenrente wird nach dem Tode eines Elternteils, die Vollwaisenrente nach dem Tode beider Elternteile gezahlt, sofern von dem verstorbenen Elternteil, auf dessen Versicherungsverhältnis sich der Anspruch stützt, die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt worden ist. Zu den Wartezeiten vgl. 5.1.2.

Kinder haben gem. § 48 Abs. 1 SGB VI nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn

  1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und
  2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) erfüllt hat.

Kinder haben gem. § 48 Abs. 2 SGB VI nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Vollwaisenrente, wenn

  1. sie einen Elternteil nicht mehr haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig war, und
  2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat.

Es besteht kein Unterschied, ob es sich um eheliche Kinder, angenommene Kinder oder nichteheliche Kinder handelt. Nichteheliche Kinder haben aber nur Anspruch auf Waisenrente, wenn die Vaterschaft festgestellt wurde. Als Kinder berücksichtigt werden nach § 48 Abs. 3 SGB VI auch Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB I), die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren sowie Enkel und Geschwister, die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.

Hinsichtlich der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren bringt § 53 SGB VI durch die Anerkennung der vorzeitigen Erfüllung der Wartezeit eine erhebliche Erleichterung: Die Waisenrente wird bei Tod des oder der Versicherten infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Wehrdienstbeschädigung beziehungsweise Zivildienstbeschädigung auch gezahlt, wenn die Wartezeit noch nicht erfüllt ist. Es reicht dann bereits ein einziger Pflichtbeitrag. Für Berufsanfänger gilt eine besondere Regelung. Berufsanfänger in diesem Sinne sind alle Versicherten, die vor Ablauf von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung gestorben sind und in den letzten 2 Jahren vorher mindestens 1 Jahr mit Pflichtbeiträgen belegt haben.

Altersgrenzen, bis zu deren Erreichung der Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente höchstens besteht, sind in § 48 Abs. 4 und 5 SGB VI festgelegt. Nach § 48 Abs. 4 Nr. 1 besteht der Anspruch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Er verlängert sich nach § 48 Abs. 4 Nr. 2 längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise

  1. sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oder
  2. sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt, oder
  3. ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leistet oder
  4. wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Die Ausbildung muss einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordern. Nach § 48 Abs. 5 SGB VI erhöht sich in den Fällen des § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI die für den Anspruch auf Waisenrente maßgebende Altersbegrenzung bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schulausbildung oder Berufsausbildung durch den gesetzlichen Wehrdienst, Zivildienst oder einen gleichgestellten Dienst um die Zeit dieser Dienstleistung,

höchstens um einen der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes entsprechenden Zeitraum. Die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres im Sinne von § 48 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe c SGB VI ist kein gleichgestellter Dienst im Sinne von Satz 1.

Die Höhe der Halbwaisenrente und der Vollwaisenrente ist abhängig vom Rentenanspruch, den der Verstorbene bis zum Zeitpunkt seines Todes erworben hatte. Die Höhe der Waisenrente wird damit wie andere Altersrenten bestimmt von den persönlichen Entgeltpunkten des oder der Verstorbenen, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Der Rentenartfaktor beträgt für persönliche Entgeltpunkte bei Halbwaisenrenten gem. § 67 Nr. 7 SGB VI 0,1 und bei Vollwaisenrenten gem. § 67 Nr. 8  SGB VI 0,2. Die Vollweisenrente ist damit doppelt so hoch wie die Halbwaisenrente. Ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten, der zu einer Erhöhung der Waisenrente führt, kann sich aus § 78 SGB VI (Zuschlag bei Waisenrenten) ergeben.

Solange die Waise nicht volljährig ist, werden eigene Einkünfte nicht auf die Waisenrente angerechnet. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres findet eine Einkommensanrechnung statt (§ 97 SGB VI).

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5.4.3 Erziehungsrente

Rechtsquelle ist § 47 SGB VI.

Die Erziehungsrente ist keine vom Versicherungsverhältnis des Verstorbenen abgeleitete Hinterbliebenenrente, sondern eine Rente aus eigener Versicherung des Erziehenden. Da jedoch der Tod des geschiedenen Ehegatten eine wesentliche Voraussetzung für den Rentenanspruch ist, wird die Erziehungsrente unter dem Oberbegriff „Renten wegen Todes" genannt.

Versicherte haben gem. § 47 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 SGB VI, beachte zur Regelaltersgrenze auch § 235 SGB VI) Anspruch auf Erziehungsrente, wenn

  1. ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,
  2. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI),
  3. sie nicht wieder geheiratet haben und
  4. sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) erfüllt haben.

Bei der Erziehung eines eigenen Kindes ist es unerheblich, ob es auch ein Kind des Verstorbenen ist.

Geschiedenen Ehegatten stehen gem. § 47 Abs. 2 SGB VI Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

Im Gegensatz zu einer Hinterbliebenenrente wird die Erziehungsrente aus den Versicherungsleistungen des überlebenden Ehegatten und nicht des geschiedenen und verstorbenen Ehegatten gezahlt.

Ein Anspruch auf Erziehungsrente besteht gem. § 47 Abs. 3 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn

  1. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI),
  2. sie nicht wieder geheiratet haben und
  3. sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI) erfüllt haben.

Lebenspartner sind hier ebenso wie bei Witwen- oder Witwerrenten gleichgestellt (§ 47 Abs. 4 SGB VI). Dazu vgl. die Ausführungen unter 5.4.1.

Auf die allgemeine Wartezeit werden angerechnet:

  • Beitragszeiten (Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge),
  • Kindererziehungszeiten,
  • Zeiten aus dem Versorgungsausgleich und dem Rentensplitting unter Eheleuten,
  • Zeiten geringfügiger Beschäftigung mit Beitragszahlung des Arbeitgebers,
  • Zuschläge an Entgeltpunkten für Arbeitsentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung und
  • Ersatzzeiten (zum Beispiel Kriegsdienst).

Zu den rentenrechtlichen Zeiten vgl. 5.1.1, zu den Wartezeiten 5.1.2.

Die Erziehungsrente wird in Höhe einer Erwerbsminderungsrente gezahlt. Dazu vgl. 5.2. Eigenes Einkommen wird auf die Erziehungsrente angerechnet, wenn bestimmte Freibeträge überschritten sind. Das den Freibetrag überschreitende Einkommen wird nicht voll, sondern nur zu 40 Prozent angerechnet. Die Anrechnung von Einkommen kann dazu führen, dass die Erziehungsrente gekürzt wird bzw. bei höherem Einkommen keine Leistung mehr erfolgt. Die aktuellen Freibeträge lassen sich auf der Website der Deutschen Rentenversicherung abrufen.

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6. Renten der gesetzlichen Unfallversicherung

Nach § 1 Nr. 2 SGB VII ist Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung, nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen. Dabei gilt der Grundsatz: „Rehabilitation vor Rente“. Ein Anspruch auf Rente besteht deshalb erst, wenn alle Möglichkeiten der Eingliederung durch medizinische Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe ausgeschöpft sind.

Die Ansprüche auf Rentenleistungen gegenüber den Berufsgenossenschaften ergeben sich aus dem bei § 56 beginnenden zweiten Abschnitt des dritten Kapitels SGB VII.

Geleistet werden:

  1. Verletztenrente (§§ 56 ff. SGB VII und
  2. Hinterbliebenenrenten, und zwar
  • Witwen- und Witwerrente (§ 65 SGB VI),
  • Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten (§ 66 SGB VII),
  • Waisenrenten (§ 67 SGB VII),
  • Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie (§ 69 SGB VII).

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6.1 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Voraussetzung für den Anspruch auf eine Rente ist, dass Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII besteht und ein Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) vorliegt sowie Kausalität zwischen dem Versicherungsfall und der Schädigung besteht.

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6.1.1 Geschützter Personenkreis

Vgl. dazu die Ausführungen unter 2.2.1 dieses Heftes.

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6.1.2 Versicherungsfälle

Vgl. dazu die Ausführungen unter 2.2.2 dieses Heftes. Zum Arbeitsunfall vgl. die Ausführungen unter 2.2.2.1, zur Berufskrankheit vgl. die Ausführungen unter 2.2.2.2 dieses Heftes.

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6.1.3 Kausalität

Vgl. dazu die Ausführungen unter 2.2.3 dieses Heftes.

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6.2 Verletztenrente

Die Verletztenrente ist in den §§ 56 ff. SGB VII geregelt. Sie stellt eine abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung dar, die ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Sie hat insoweit Schadensersatzfunktion. Eine Anrechnung auf daneben erzieltes Arbeitseinkommen findet deshalb nicht statt.

Die Verletztenrente wird nach § 72 Abs. 1 SGB VII von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

  1. der Anspruch auf Verletztengeld endet bzw.
  2. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

Zum Verletztengeld vgl. 2.2 mit Unterpunkten in diesem Heft.

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6.2.1 Voraussetzungen und Höhe der Verletztenrente

Für die Verletztenrente maßgebend sind deren Voraussetzungen nach § 56 Abs. 1 und 2 SGB VII und der Jahresarbeitsverdienst des Verletzten bzw. der gesetzlich errechnete Jahresarbeitsverdienst, wenn ein tatsächlich erzielter Jahresarbeitsverdienst nicht vorhanden ist (§ 56 Abs. 3 SGB VII, §§ 57 ff. SGB VII, §§ 81 ff. SGB VII).

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6.2.1.1 Voraussetzungen der Verletztenrente

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII oder Berufskrankheit nach § 9 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit (nachfolgend MdE) weniger als 20 %, zahlt die Unfallversicherung nur dann Verletztenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit durch weitere Versicherungsfälle zusätzlich gemindert ist. Dabei muss die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Folgen eines zu berücksichtigenden Versicherungsfalls mindestens 10 % betragen und sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aus allen zu berücksichtigenden Versicherungsfällen zusammen von insgesamt mindestens 20 % ergeben (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).

Bei landwirtschaftlichen Unternehmern, ihren Ehegatten und mitarbeitenden Familienangehörigen muss die Erwerbsfähigkeit abweichend davon um mindestens 30 % gemindert sein (§ 80a SGB VII).

Die MdE richtet sich gem. § 56 Abs. 2 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die MdE nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der MdE werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

Eine Rente als vorläufige Entschädigung während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall sieht § 62 SGB VII vor, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn sich das Ausmaß der Sehbeeinträchtigung noch nicht endgültig feststellen lässt. Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird gem. § 62 Abs. 2 SGB VII die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

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6.2.1.2 Höhe der Verletztenrente

Die Höhe der Rente ergibt sich aus § 56 Abs. 3 SGB VII. Danach ist nach Vollrente und Teilrente zu unterscheiden.

Vollrente wird geleistet bei vollständigem Verlust der Erwerbsfähigkeit (MdE 100 %), eventuell verbunden mit einer Schwerverletztenzulage nach § 57 SGB VII. Die Vollrente beträgt zwei Drittel des vor dem Versicherungsfall erzielten Jahresarbeitsverdienstes.

Teilrente wird geleistet bei einer MdE von weniger als 100 %; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht.

Berechnungsbeispiel:

Bei einer MdE von z.B. 50 % und einem Jahresarbeitsverdienst von z.B. 39.000,00 € errechnet sich die Teilrente wie folgt:

39.000,00 € x 2/3 = 26.000,00 € (= Jahresbetrag der Vollrente) x 50/100 = 13.000,00 € (Teilrente jährlich) = 1.833,33 € monatlich.

Tritt Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung ein, so wird anhand der MdE-Tabelle der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft eine MdE von 100 festgestellt und es wird Vollrente in Höhe von zwei Dritteln des Jahresarbeitsverdienstes geleistet (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Dies gilt auch in dem nachfolgend geschilderten Beispielsfall:

Der von einem Arbeitsunfall betroffene Versicherte ist von Kindestagen auf einem Auge blind. Durch einen Arbeitsunfall, bei dem ein Splitter in sein anderes Auge dringt, tritt durch Verlust der Sehkraft auch auf diesem Auge völlige Erblindung ein.

Es besteht ein Anspruch auf eine Verletztenrente von 100 % (gleich 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes). Während ansonsten bei Erblindung eines Auges 33 1/3 % vorläufige Rente und eine Dauerrente von 25 % gewährt werden, ist es in diesem Vorschadensfall anders.

Man rechnet abstrakt so, dass der Betroffene vor dem Unfall voll erwerbsfähig war und diese Erwerbsfähigkeit abstrakt, d.h. bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, ganz verloren gegangen ist, und zwar durch die Erblindung des zweiten Auges. Anders ausgedrückt: Wer vorgeschädigt ist, kann die Unfallfolgen nur ungleich schwerer kompensieren bzw. auffangen als ein ansonsten Gesunder (Vorschadensgedanke).

Bei Schwerverletzten sieht § 57 SGB VII eine Rentenerhöhung vor. Können Versicherte mit Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten, deren Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 50 erreichen (Schwerverletzte), infolge des Versicherungsfalls einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen und haben sie keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, erhöht sich die Rente um 10 vom Hundert.

Bei Arbeitslosigkeit wird die Rente für längstens zwei Jahre so weit erhöht, dass Verletztenrente plus Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe die Höhe des Übergangsgeldes erreichen (§ 58 SGB VII).

Bei Heimpflege kann die Verletztenrente bis zur Hälfte gemindert werden, wenn dies nach den persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen des Versicherten angemessen ist (§ 60 SGB VII).

Wenn Versicherte infolge verschiedener Versicherungsfälle mehrere Renten beziehen, werden diese gem. § 59 SGB VII zusammengerechnet. Sie dürfen insgesamt keinen höheren Betrag erreichen als zwei Drittel des höchsten Jahresverdienstes, der der Rentenberechnung zugrunde liegt. Wenn die Summe der Renten diesen Betrag übersteigt, werden die einzelnen Renten prozentual gekürzt.

Berechnungsgrundlage für die Höhe der Rente ist gem. § 81 SGB VII der Jahresarbeitsverdienst. Die Ermittlung des maßgebenden Jahresarbeitsverdienstes richtet sich nach den §§ 82 ff. SGB VII. Der Jahresarbeitsverdienst ist gem. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 des SGB IV) und Arbeitseinkommen (§ 15 des SGB IV) des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Für Zeiten, in denen der Versicherte in dem in § 82 Absatz 1 Satz 1 SGB VII genannten Zeitraum kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat, wird nach § 82 Abs. 2 Satz 1 SGB VII das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, das seinem durchschnittlichen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in den mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen belegten Zeiten dieses Zeitraums entspricht. Für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes bei Berufskrankheiten (§ 9 SGB VII) ist § 84 SGB VII zu beachten.

Wenn der Rentenberechtigte im abgelaufenen Jahr keinen tatsächlichen Arbeitsverdienst erzielt hat, wird der gesetzlich errechnete Jahresarbeitsverdienst eingesetzt. Dieser beträgt nach § 85 Abs. 1 SGB VII mindestens

  1. für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das 15., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, 40 vom Hundert,
  2. für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das 18. Lebensjahr vollendet haben, 60 vom Hundert

der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße (Mindestbetrag ab 01.01.2011 für Personen unter 18 Jahren 12.264,00 € (neue Bundesländer: 10.752,00 €), über 18 Jahre 18.396,00 € (neue Bundesländer: 16.128,00 €).

Der Jahresarbeitsverdienst ist nach § 85 Abs. 2 SGB VII auf das Zweifache der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße (2011: 61.320,00 €, neue Bundesländer: 53.760,00 €) begrenzt, kann aber durch die Satzung des jeweiligen Unfallversicherungsträgers erhöht werden.

Für Kinder werden zur Festsetzung der Verletztenrente nach § 86 SGB VII folgende Jahresarbeitsverdienste eingesetzt:

  1. für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das sechste Lebensjahr nicht vollendet haben, 25 vom Hundert,
  2. für Versicherte, die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das sechste, aber nicht das 15. Lebensjahr vollendet haben, 33 1/3 vom Hundert

der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße.

Wenn jedoch ein nach der Regelberechnung, nach den Vorschriften bei Berufskrankheiten, den Vorschriften für Kinder oder nach der Regelung über den Mindestjahresarbeitsverdienst festgesetzter Jahresarbeitsverdienst in erheblichem Maße unbillig ist, wird er gem. § 87 SGB VII nach billigem Ermessen im Rahmen von Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienst festgesetzt. Hierbei werden insbesondere die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit der Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalls berücksichtigt.

Aufgrund des Ausbildungsverlaufes oder des Erreichens bestimmter Altersgrenzen wird die Verletztenrente nach den §§ 90 und 91 SGB VII neu festgesetzt. Dabei sind die in diesen Vorschriften festgesetzten höheren Jahresarbeitsverdienste zugrunde zu legen.

Die Verletztenrenten werden nach § 95 in besonderer Weise den Rentenanpassungen der Rentenversicherung entsprechend in ihrer Höhe verändert, sind also dynamisiert. Eine Anpassung der Verletztenrente erfolgt am 01.07. jeden Jahres durch Rechtsverordnung.

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6.3 Hinterbliebenenrente

Die Renten an Hinterbliebene sind in den §§ 63 ff. SGB VII geregelt.

Die Leistungen der Berufsgenossenschaften beim Tod des Versicherten infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sind in § 63 Abs. 1 SGB VII aufgelistet. Dazu gehören neben den Hinterbliebenenrenten u.a. auch ein Sterbegeld und die Erstattung von Überführungskosten.

Hinterbliebenenrenten sind:

  1. Witwen- und Witwerrente (§ 65 SGB VI),
  2. Witwen- und Witwerrente an frühere Ehegatten (§ 66 SGB VII),
  3. Waisenrenten (§ 67 SGB VII) und
  4. Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie (§ 69 SGB VII).

Witwen und Witwer stehen Lebenspartner gleich (§ 63 Abs. 1a SGB VII).

Ist der Tod bei Schwerverletzten nicht ursächlich auf den Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) zurückzuführen und besteht deshalb kein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, kommt für Witwen, Witwer und Waisen Beihilfe nach § 71 SGB VII in Betracht.

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6.3.1 Witwen- und Witwerrente

Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine Witwen- oder Witwerrente, solange sie nicht wieder geheiratet haben (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Die Rente beträgt

  1. zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist,
  2. 30 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes nach Ablauf des dritten Kalendermonats,
  3. 40 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes nach Ablauf des dritten Kalendermonats,a) solange Witwen oder Witwer ein waisenrentenberechtigtes Kind erziehen oder für ein Kind sorgen, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung Anspruch auf Waisenrente hat oder nur deswegen nicht hat, weil das 27. Lebensjahr vollendet wurde,b) wenn Witwen oder Witwer das 47. Lebensjahr vollendet haben oderc) solange Witwen oder Witwer erwerbsgemindert, berufs- oder erwerbsunfähig im Sinne des Sechsten Buches sind; Entscheidungen des Trägers der Rentenversicherung über Erwerbsminderung, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind für den Unfallversicherungsträger bindend.

Auf die Witwen- oder Witwerrenten von 30 bzw. 40 % findet eine Anrechnung des Einkommens im Sinn der  §§ 18a bis 18e des SGB IV der Witwe bzw. des Witwers entsprechend den Regelungen in § 65 Abs. 3 SGB VII statt. Das die dort genannten Freibeträge übersteigende Einkommen wird zu 40 % angerechnet. § 65 Abs. 4 SGB VII legt eine Rangfolge für die Anrechnung beim Bezug mehrer Renten fest.

Nach § 65 Abs. 5 SGB VII wird Witwenrente oder Witwerrente auf Antrag auch an überlebende Ehegatten gezahlt, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist und sie im Zeitpunkt der Wiederheirat Anspruch auf eine solche Rente hatten. Auf eine solche Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten werden für denselben Zeitraum bestehende Ansprüche auf Witwenrente oder Witwerrente, auf Versorgung, auf Unterhalt oder auf sonstige

Rente nach dem letzten Ehegatten angerechnet, es sei denn, dass die Ansprüche nicht zu verwirklichen sind.

Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf die Witwen- oder Witwerrente, wenn die Ehe erst nach dem Versicherungsfall geschlossen worden ist und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 75 Abs. 6 SGB VII).

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6.3.2 Waisenrenten

Nach § 67 Abs. 1 SGB VII erhalten Kinder von verstorbenen Versicherten eine Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben, bzw. eine Vollwaisenrente, wenn sie keine Eltern mehr haben.

Als Kinder werden nach § 67 Abs. 2 SGB VII auch berücksichtigt

  1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des SGB I), die in den Haushalt der Versicherten aufgenommen waren,
  2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Versicherten aufgenommen waren oder von ihnen überwiegend unterhalten wurden.

Halb- oder Vollwaisenrente wird gem. § 67 Abs. 3 SGB VII gezahlt

  1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
  2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waisea) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oderb) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstabens c liegt, oderc) ein freiwilliges soziales oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes oder einen Dienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leistet oderd) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Eine Schulausbildung oder Berufsausbildung im Sinne des § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB VII liegt nur vor, wenn die Ausbildung einen tatsächlichen zeitlichen Aufwand von wöchentlich mehr als 20 Stunden erfordert.

Die Rente beträgt gem. § 68 Abs. 1 SGB VII

  1. 20 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für eine Halbwaise,
  2. 30 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für eine Vollwaise.

Einkommen (§§ 18a bis 18e des SGB IV) einer über 18 Jahre alten Waise, das mit der Waisenrente zusammentrifft, wird auf die Waisenrente entsprechend den Regelungen in § 68 Abs. 2 SGB VII angerechnet. Von dem die in § 68 Abs. 2 SGB VII genannten Freibeträge übersteigenden Einkommen werden 40 % angerechnet.

Wenn bei einem Kind die Voraussetzungen für mehrere Waisenrenten aus der Unfallversicherung vorliegen, wird gem. § 68 Abs. 3 SGB VII nur die höchste Rente gezahlt und bei Renten gleicher Höhe diejenige, die wegen des frühesten Versicherungsfalls zu zahlen ist.

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6.3.3 Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie

Nach § 69 Abs. 1 SGB VII erhalten Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern der Verstorbenen, die von den Verstorbenen zur Zeit des Todes aus deren Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wesentlich unterhalten worden sind oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen die Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können. Wenn aus der aufsteigenden Linie Verwandte verschiedenen Grades vorhanden sind, z.B. Eltern und Großeltern, gehen die näheren den entfernteren vor. Hier würden also die Eltern den Großeltern vorgehen. Den Eltern stehen Stief- oder Pflegeeltern gleich (§ 79 Abs. 2 SGB VII). Wenn bei einem Elternteil oder bei einem Elternpaar die Voraussetzungen für mehrere Elternrenten aus der Unfallversicherung vorliegen, wird nur die höchste Rente gezahlt und bei Renten gleicher Höhe diejenige, die wegen des frühesten Versicherungsfalls zu zahlen ist (§ 69 Abs. 3 SGB VII).

Die Rente beträgt nach § 69 Abs. 4 SGB VII

  1. 20 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für einen Elternteil,
  2. 30 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes für ein Elternpaar.

Stirbt bei Empfängern einer Rente für ein Elternpaar ein Ehegatte, wird dem überlebenden Ehegatten anstelle der Rente für einen Elternteil die für den Sterbemonat zustehende Elternrente in Höhe von 30 vom Hundert für ein Elternpaar für die folgenden drei Kalendermonate weitergezahlt. Danach beträgt die Elternrente für den überlebenden Ehegatten 20 vom Hundert (§ 69 Abs. 5 SGB VII).

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6.3.4 Begrenzung der Hinterbliebenenrenten durch einen Höchstbetrag

Wenn mehrere Hinterbliebenenrenten zu leisten sind, wird deren Höhe durch einen Höchstbetrag nach § 70 SGB VII begrenzt. Mehrere Renten der Hinterbliebenen dürfen zusammen 80 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes nicht übersteigen. Übersteigen sie diese Grenze, werden sie gem. § 70 Abs. 1 SGB VII gekürzt.

Verwandte der aufsteigenden Linie, Stief- oder Pflegeeltern sowie Pflegekinder haben gem. § 70 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur Anspruch auf Gewährung der Rente, soweit der Höchstbetrag von 80 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes durch die Hinterbliebenenrenten der Witwen und Witwer, früherer Ehegatten oder Waisen nicht ausgeschöpft wird.

Wenn bei mehreren Hinterbliebenenrenten, durch die der Höchstbetrag von 80 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes ausgeschöpft wird, Renten wegfallen, erhöhen sich die Renten der verbleibenden Berechtigten bis zum zulässigen Höchstbetrag (§ 70 Abs. 3 SGB VII).

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6.3.5 Beihilfe bei fehlendem Rentenanspruch

Witwen, Witwer und Waisen haben nach § 71 SGB VII unter den dort genannten Voraussetzungen Anspruch auf Beihilfe, wenn ihnen kein Rentenanspruch zusteht.

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6.4 Beginn, Änderungen und Ende von Renten

Einschlägig sind die §§ 72 ff. SGB VII.

Nach § 72 Abs. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

  1. der Anspruch auf Verletztengeld endet,
  2. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

Renten an Hinterbliebene werden nach § 72 Abs. 2 SGB VII vom Todestag an gezahlt. Hinterbliebenenrenten, die auf Antrag geleistet werden, werden vom Beginn des Monats an gezahlt, der der Antragstellung folgt.

In der Satzung der Berufsgenossenschaft kann bestimmt werden, dass für Unternehmer, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder mitarbeitenden Lebenspartner und für den Unternehmern im Versicherungsschutz Gleichgestellte Rente für die ersten 13 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 SGB VII ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Die Rente beginnt spätestens am Tag nach Ablauf der 13. Woche, sofern Verletztengeld nicht zu zahlen ist (§ 72 Abs. 3 SGB VII).

Änderungen bei den Renten und das  Ende der Renten richten sich nach § 73 SGB VII.

Wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrer Feststellung ändern, muss die Höhe der Rente neu festgesetzt werden. Die Rente wird in neuer Höhe nach Ablauf des Monats geleistet, in dem die Änderung wirksam geworden ist (§ 73 Abs. 1 SGB VII). Nach § 74 Abs. 1 SGB VII kann der Anspruch auf eine Rente, die auf unbestimmte Zeit geleistet wird, aufgrund einer Änderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zuungunsten der Versicherten nur in Abständen von mindestens einem Jahr geändert werden. Das Jahr beginnt mit dem Zeitpunkt, von dem an die vorläufige Entschädigung Rente auf unbestimmte Zeit geworden oder die letzte Rentenfeststellung bekannt gegeben worden ist.

Wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegfallen, wird die Rente bis zum Ende des Monats geleistet, in dem der Wegfall wirksam geworden ist (§ 73 Abs. 2 SGB VII).

Für die Feststellung der Änderung bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 des SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 vom Hundert beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate andauern (§ 73 Abs. 3 SGB VII).

Wenn Renten befristet sind, enden sie mit Ablauf der Frist. Das schließt aber eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen zu einem früheren Zeitpunkt nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden (§ 73 Abs. 4 SGB VII).

Witwen- und Witwerrenten nach § 65 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a SGB VII wegen Kindererziehung werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet (§ 73 Abs. 5 Satz 1 SGB VII). Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt (§ 73 Abs. 5 Satz 2 SGB VII).

Renten werden beim Tod des Berechtigten bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind (§ 73 Abs. 6 SGB VII).

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6.5 Abfindungen

Einschlägig sind die §§ 75 ff. SGB VII.

Wenn nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu erwarten ist, dass nur eine Rente in Form der vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträger die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwandes abfinden (§ 75 Satz 1 SGB VII). Nach Ablauf des Zeitraumes, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn sich entgegen den Erwartungen herausstellt, dass die Voraussetzungen hierfür weiter vorliegen (§ 75 Satz 2 SGB VII).

Auf Antrag kann die Berufsgenossenschaft einem Versicherten, der Rente auf unbestimmte Zeit bezieht, an deren Stelle einen Kapitalbetrag als Abfindung zahlen.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach dem Grad der MdE:

Abfindung bei einer MdE von unter 40 vom Hundert:

Renten auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von unter 40 v.H. können mit einem dem Kapitalwert der Rente entsprechenden Betrag auf Lebenszeit abgefunden werden. Versicherte, die Anspruch auf mehrere Renten haben, deren vom Hundertsätze zusammen weniger als 40 ergeben, können auf Antrag mit einem Betrag abgefunden werden. Der Kapitalwert berücksichtigt das Alter des Versicherten und die seit dem Eintritt des Versicherungsfalls vergangene Zeit (§ 76 SGB VII).

Abfindung bei einer MdE ab 40 vom Hundert:

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 40 % kann auf Antrag eine Abfindung bewilligt werden, sofern das 18. Lebensjahr vollendet ist und nicht zu erwarten ist, dass innerhalb des Abfindungszeitraumes die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt. Der Rentenanspruch wird auf Antrag höchstens bis zur Hälfte des Betrages für einen Zeitraum von zehn Jahren abgefunden. (Das Gleiche gilt, wenn mehrere Renten zusammengerechnet 40 v.H. erreichen oder übersteigen.) Die Abfindungssumme beträgt das Neunfache des der Abfindung zugrunde liegenden Rentenjahresbetrages. Die nicht abgefundene Teilrente wird monatlich weiter gezahlt (§§ 78, 79 SGB VII). Auf Antrag ist eine weitere Abfindung für 10 Jahre möglich, soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Voraussetzung für die Abfindung ist in beiden oben genannten Fällen, dass:

  1. die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich sinkt,
  2. eine altersübliche Lebenserwartung des Antragstellers vorliegt,
  3. keine Sozialhilfebedürftigkeit nach Wegfall des monatlichen Rentenbetrages eintritt (§§ 78, 79 SGB VII).

Abfindung einer Witwen- oder Witwerrente bei Wiederheirat:

Eine Witwen- oder Witwerrente wird bei der ersten Wiederheirat des oder der Berechtigten mit dem 24fachen Monatsbetrag abgefunden (§ 80 SGB VII). Die Rentenzahlung endet mit Ablauf des Monats, in dem die Heirat stattgefunden hat.

Unter welchen Umständen eine abgefundene Rente wieder auflebt, ist in § 77 SGB VII geregelt.

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7. Renten nach dem sozialen Entschädigungsrecht

Rechtsquelle für Ansprüche nach dem sozialen Entschädigungsrecht ist das Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Ansprüche aus dem Versorgungsrecht ergeben sich für Kriegsopfer und ihre Angehörigen unmittelbar aus dem BVG. Für Berechtigte nach den in § 68 Nr. 7 SGB I genannten Gesetzen gilt das BVG, d.h. das Leistungssystem der Kriegsopferversorgung, aufgrund der in diesen Gesetzen enthaltenen Verweisungen. Zum berechtigten Personenkreis vgl. auch Heft 03 Nr. 8 dieser Schriftenreihe.

Das BVG ist für Kriegsbeschädigte im Sinn der §§ 1 ff. BVG einschlägig, also für Personen, die durch ein militärisches oder militärähnliches Dienstverhältnis oder durch sonstige im Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehenden Umstände (z.B. Kriegsgefangenschaft, Flucht, Vertreibung, Fliegerangriff, Besatzungsmaßnahmen) Gesundheitsschäden erlitten haben (Beschädigte).

Zu den in § 68 Nr. 7 SGB I im Einzelnen aufgeführten Verweisungsnormen zählen u.a. § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes (Wehrdienstbeschädigte), § 59 Abs. 1 des Bundesgrenzschutzgesetzes, § 47 des Zivildienstgesetzes, § 60 des Infektionsschutzgesetzes (Impfopfer) und § 1 des Opferentschädigungsgesetzes (Opfer von Gewalttaten).

Der Umfang der Versorgung ergibt sich aus § 9 BVG. Zur Versorgung gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 bis 34 BVG) und nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BVG die Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52 BVG).

Voraussetzung für Versorgungsleistungen ist die Kausalität im sozialrechtlichen Sinn. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt nach § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

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7.1 Beschädigtenrente

Die Beschädigtenrente ist in den §§ 29 bis 34 BVG geregelt. Die Rentenleistungen dienen der Abgeltung des entstandenen Schadens an Gesundheit, Leben und beruflicher Entwicklungsmöglichkeit.

Zu unterscheiden sind die Grundrente (§ 31 BVG), deren Höhe sich nach dem Grad der Schädigungsfolgen richtet und der Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3 und 6 BVG) bzw. die Ausgleichsrente (§ 32 BVG).

Für die Beschädigtenrenten ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festzustellen. Nach § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Wenn ein GdS von 25 vorliegt, entspricht das deshalb einem GdS von 30. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden. Der Grad der Schädigungsfolgen ist gem. § 30 Abs. 2 BVG höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird.

Das ist insbesondere der Fall, wenn

  1. aufgrund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
  2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
  3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

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7.1.1 Grundrente

Die Grundrente wird nach dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) unabhängig von Arbeitseinkommen und sonstigen Einkünften gewährt. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente bei einem Grad der Schädigungsfolgen

  • von  30 (bei einem GdS von 25 wird auf 30 aufgerundet) in Höhe von 124,00 Euro,
  • von 40 in Höhe von 170,00 Euro,
  • von 50 in Höhe von 228,00 Euro,
  • von 60 in Höhe von 289,00 Euro,
  • von 70 in Höhe von 400,00 Euro,
  • von 80 in Höhe von 484,00 Euro,
  • von 90 in Höhe von 582,00 Euro,
  • von 100 in Höhe von 652,00 Euro.

Die Grundrente erhöht sich nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG für Schwerbeschädigte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, bei einem GdS

  • von 50 und 60 um 25,00 Euro,
  • von 70 und 80 um 31,00 Euro,
  • von mindestens 90 um 38,00 Euro.

Beschädigte, bei denen Blindheit als Folge einer Schädigung anerkannt ist, erhalten nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BVG stets die Grundrente nach einem GdS von 100, also von 652,00 Euro, die sich nach Vollendung des 65. Lebensjahres gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG um 38,00 Euro auf 690,00 Euro erhöht.

Nach § 31 Abs. 4 BVG erhalten Beschädigte mit einem GdS von 100, die durch die anerkannten Schädigungsfolgen gesundheitlich außergewöhnlich betroffen sind oder die Pflegezulage mindestens nach Stufe III beziehen, außerdem eine monatliche Schwerstbeschädigtenzulage, die in folgenden 6 Stufen gewährt wird:

  • Stufe I 75,00 Euro,
  • Stufe II 156,00 Euro,
  • Stufe III 231,00 Euro,
  • Stufe IV 309,00 Euro,
  • Stufe V 386,00 Euro,
  • Stufe VI 465,00 Euro.

Der Personenkreis, der durch seine Schädigungsfolgen außergewöhnlich betroffen ist, sowie seine Einordnung in die Stufen I bis VI ist der Rechtsverordnung nach § 31 Abs. 4 BVG zu entnehmen.

Da bei Blindheit nach § 35 Abs. 1 BVG eine Pflegezulage mindestens der Stufe III gewährt wird, besteht ein Anspruch auf die Schwerstbehindertenzulage nach § 31 Abs. 4 BVG.

Die angegebenen Beträge entsprechen dem Stand vom 1. Juli 2011.

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7.1.2 Ausgleichsrente

Die Ausgleichsrente ist ein von der Höhe des Einkommens der Rentenempfänger abhängiger Rentenbestandteil. Nach § 32 Abs. 1 BVG erhalten Schwerbeschädigte eine Ausgleichsrente, wenn sie infolge ihres Gesundheitszustands oder hohen Alters oder aus einem von ihnen nicht zu vertretenden sonstigen Grund eine ihnen zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben können.

Die volle Ausgleichsrente ist, wie die Grundrente, nach dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) gestaffelt. Sie beträgt gem. § 32 Abs. 2 BVG monatlich bei einem GdS

  • von 50 oder 60: 400,00 Euro,
  • von 70 oder 80: 484,00 Euro,
  • von 90: 582,00 Euro,
  • von 100: 652,00 Euro.

(Stand 1. Juli 2011).

Voraussetzung für die Ausgleichsrente ist nach § 33 BVG nicht, dass kein Einkommen erzielt wird. Die volle Ausgleichsrente ist jedoch um das gem. § 33 BVG anzurechnende Einkommen zu mindern. Welche Beträge anzurechnen sind, ergibt sich aus der Rechtsverordnung nach § 33 Abs. 6 BVG. Alle Einkünfte (mit Ausnahme von Leistungen der Sozialhilfe und ähnlichen nachrangigen Einnahmen) sind unter Beachtung bestimmter Freibeträge anzurechnen. Nur Empfänger einer Pflegezulage (§ 35 BVG) erhalten die Ausgleichsrente ohne Rücksicht auf ihr Einkommen, und zwar bei Pflegezulage in den Stufen I und II mindestens zur Hälfte, in den Stufen III bis VI stets in voller Höhe.

Da Blinde gem. § 35 Abs. 1 BVG eine Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, wird bei ihnen die Ausgleichsrente nicht gekürzt (§ 33 Abs. 4 BVG).

Die Höhe der Ausgleichsrente für Minderjährige ist in § 34 BVG geregelt. Die Ausgleichsrente beträgt nach § 34 Abs. 1 BVG für Schwerbeschädigte vor Vollendung des 14. Lebensjahrs bis zu 30 vom Hundert, vor Vollendung des 18. Lebensjahrs bis zu 50 vom Hundert der Sätze des § 32 Abs. 2 BVG; sie ist auf den vollen Satz zu erhöhen, wenn der Schwerbeschädigte seinen Lebensunterhalt allein bestreiten muss.

Eine weitere Einschränkung für Minderjährige bringt § 34 Abs. 2 BVG: Ausgleichsrente ist nur insoweit zu gewähren, als dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschädigten und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen gerechtfertigt ist. Lehrlingsvergütung bis zu 77,00 Euro monatlich bleibt unberücksichtigt.

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7.1.3 Ehegatten- und Kinderzuschlag

Nach § 33a Abs. 1 BVG erhalten Schwerbeschädigte für den Ehegatten oder Lebenspartner einen Zuschlag von 72,00 Euro monatlich. Den Zuschlag erhalten auch Schwerbeschädigte, deren Ehe oder Lebenspartnerschaft aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, wenn sie im eigenen Haushalt für ein Kind im Sinne des § 33b Abs. 1 Satz 1 BVG und § 33b Absätze 2 bis 4 BVG sorgen. Alle Empfänger einer Pflegezulage und somit auch wegen Blindheit Versorgungsberechtigte (§ 35 BVG) erhalten den vollen Zuschlag, auch wenn die Pflegezulage nach § 35 Abs. 4 BVG nicht gezahlt wird oder nach § 65 Abs. 1 BVG ruht.

Nach § 33b BVG erhalten Schwerbeschädigte für jedes Kind einen Kinderzuschlag. Sie erhalten allerdings diesen Zuschlag nicht, wenn für dasselbe Kind Anspruch auf Kindergeld oder auf Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes besteht oder nach dem Einkommensteuergesetz ein Kinderfreibetrag zusteht.

Als Kinder gelten nach § 33b BVG nicht nur leibliche Kinder, sondern auch die in den Haushalt des Beschädigten aufgenommenen Stiefkinder oder Kinder des Lebenspartners. Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern.

Der Kinderzuschlag wird gem. § 33b Abs. 4 BVG bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und in den in § 33b Abs. 4 Satz 2 aufgeführten Fällen über das 18. Lebensjahr hinaus gewährt.

Der Kinderzuschlag ist gem. § 33b Abs. 5 Satz 1 BVG in Höhe des gesetzlichen Kindergelds zu gewähren.

Auf beide Leistungen (Ehegattenzuschlag und Kinderzuschlag) ist das Einkommen des Schwerbeschädigten (nicht des Ehegatten, des Lebenspartners und der Kinder) wie bei der Ausgleichsrente anzurechnen; außerdem ist der Kinderzuschlag um Kinderzuschüsse, die von anderer Seite gewährt werden, zu kürzen.

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7.1.4 Berufsschadensausgleich

Rentenberechtigte Beschädigte, die wegen der anerkannten Gesundheitsstörungen ein gemindertes Erwerbseinkommen (oder eine geminderte Altersversorgung) in Kauf nehmen müssen, wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Betrag in Höhe von 42,5 % des Einkommensverlustes als Ausgleich des Berufsschadens gewährt. Dieser Ausgleich richtet sich nach § 30 Abs. 3 und 6 BVG. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG (Höherbewertung des Grades der Schädigung infolge der schädigungsbedingten Beeinträchtigung in der Berufsausübung) einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten nach § 30 Abs. 4 errechneten Einkommensverlustes oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG. Gem. § 30 Abs. 10 BVG wird der Berufsschadensausgleich ausschließlich nach § 30 Abs. 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag 21. Dezember 2007 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

Wenn die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden ist, ruht gem. § 30 Abs. 13 BVG der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 BVG erhöht worden ist.

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7.2 Hinterbliebenenrente

Zu den Versorgungsleistungen des BVG gehört nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BVG die Hinterbliebenenrente. Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist in den §§ 38 bis 52 BVG geregelt.

Wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, haben gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG die Witwe, der hinterbliebene Lebenspartner, die Waisen und die Verwandten der aufsteigenden Linie Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Dasselbe gilt gem. § 43 BVG für den Witwer. Der Tod gilt stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BVG).

Stirbt ein rentenberechtigter Beschädigter an einem versorgungsfremden Leiden, haben die Witwe (der Witwer), der hinterbliebene Lebenspartner und die Waisen gem. § 48 BVG unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Witwen- bzw. Waisenbeihilfe. Diese gegenüber der Hinterbliebenenrente zu gewährende Beihilfe ist teilweise geringer gegenüber der Hinterbliebenenrente. Die Beihilfe ist zu gewähren, wenn der Verstorbene wegen Schädigungsfolgen zu Lebzeiten gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die Hinterbliebenenversorgung um einen gewissen Vomhundertsatz gemindert ist.

Ist im Einzelfall ein Anspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz zwar nicht vorgesehen, würde aber eine Leistungsverweigerung unbillig sein, kann eine Leistung im Wege des Härteausgleichs (§ 89 Bundesversorgungsgesetz) gewährt werden, z.B. Witwenrente für die Braut eines verstorbenen Beschädigten.

Ebenso wie die Beschädigtenrente aus Grundrente und Ausgleichsrente besteht, so gilt dies auch für die Hinterbliebenenrente für die Witwe, den Witwer und den hinterbliebenen Lebenspartner sowie die Waisen. Sie setzt sich also aus Grundrente und Ausgleichsrente zusammen.

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7.2.1 Rente für Witwen, Witwer und Lebenspartner

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG haben die Witwe und der hinterbliebene Lebenspartner Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn ein Beschädigter an den Schädigungsfolgen gestorben ist. Nach § 43 BVG erhält der Witwer Versorgung wie eine Witwe.

Die Witwe, der Witwer (aufgrund von § 43 BVG) oder der hinterbliebene Lebenspartner haben gem. § 38 Abs. 2 BVG keinen Anspruch, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft erst nach der Schädigung geschlossen worden ist und nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat oder der Begründung der Lebenspartnerschaft war, der Witwe, dem Witwer oder dem hinterbliebenen Lebenspartner eine Versorgung zu verschaffen.

Bestandteile der Rente sind die vom eigenen Einkommen unabhängige Grundrente und die einkommensabhängige Ausgleichsrente.

Die Witwe, der Witwer oder der hinterbliebene Lebenspartner erhalten eine Grundrente von 391,00 Euro monatlich (§ 40 BVG - Stand  1. Juli 2011). Die Grundrente ist vom eigenen Einkommen unabhängig.

Ausgleichsrente erhalten gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 BVG Witwen, Witwer oder hinterbliebene Lebenspartner, die

  1. durch Krankheit oder andere Gebrechen nicht nur vorübergehend wenigstens die Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit verloren haben (Erwerbsminderung von mindestens 50 %) oder
  2. die Altersgrenze für die große Witwenrente oder Witwerrente nach § 46 SGB VI erreicht haben (Vollendung des 45. Lebensjahres) oder
  3. für mindestens ein Kind des Verstorbenen im Sinne des § 33b Abs. 2 BVG oder ein eigenes Kind sorgen, das eine Waisenrente nach diesem Gesetz oder nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen, bezieht oder bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zu seiner Verheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft Waisenrente nach einem dieser Gesetze oder nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften bezogen hat.

Ausgleichsrente kann auch gewährt werden, wenn einer Witwe, einem Witwer oder einem hinterbliebenen Lebenspartner aus anderen zwingenden Gründen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich ist (§ 41 Abs. 1 Satz 2 BVG).

Die volle Ausgleichsrente der Witwe, des Witwers oder des hinterbliebenen Lebenspartners beträgt gem. § 41 Abs. 2 BVG monatlich 433,00 Euro (Stand 1. Juli 2011). Auf die volle Ausgleichsrente ist das eigene Einkommen gem. den Regelungen in § 41 Abs. 3 BVG anzurechnen.

Im Falle der Wiederverheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft erhält die Witwe bzw. der Witwer oder im Falle der Verheiratung oder Begründung einer neuen Lebenspartnerschaft erhält der hinterbliebene Lebenspartner anstelle des Anspruchs auf Rente eine Abfindung in Höhe des Fünfzigfachen der monatlichen Grundrente (§ 44 Abs. 1 BVG). Der Rentenanspruch erlischt mit Ablauf des Monats der Wiederverheiratung bzw. Begründung der Lebenspartnerschaft. Der Rentenanspruch lebt wieder auf, wenn die neue Ehe oder Lebenspartnerschaft aufgelöst oder für nichtig erklärt wird. Infolge der neuen Ehe oder Lebenspartnerschaft erworbene Unterhalts- oder Rentenansprüche sind auf die Versorgungsrente anzurechnen.

Einen Schadensausgleich erhalten nach § 40a Abs. 1 BVG Witwen, Witwer oder hinterbliebene Lebenspartner, deren Gesamteinkommen (einschließlich Grund- und Ausgleichsrente) geringer ist als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann, die Ehefrau oder der verstorbene Lebenspartner heute ohne die Schädigung erzielt hätte. Der Schadensausgleich beträgt 42,5 % dieses Unterschiedsbetrages. Bei Witwen von Pflegezulageempfängern der Stufen III bis VI (§ 35 BVG) wird unterstellt,

dass der Ehemann heute mindestens ein Einkommen wie ein Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14) beziehen würde. Bei Blindheit als Schädigungsfolge ist dies jedesmal der Fall (§ 35 Abs. 1 Satz 6 BVG).

Damit Anspruch auf Schadensausgleich besteht, müssen die Voraussetzungen von § 41 Abs. 1 vorliegen. D.h. die Berechtigten müssen

  1. durch Krankheit oder andere Gebrechen nicht nur vorübergehend wenigstens die Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit verloren haben (Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50 %) oder
  2. die Altersgrenze für die große Witwenrente oder Witwerrente nach § 46 SGB VI erreicht haben (Vollendung des 45. Lebensjahres) oder
  3. für mindestens ein Kind des Verstorbenen im Sinne des § 33b Abs. 2 BVG oder ein eigenes Kind sorgen, das eine Waisenrente nach diesem Gesetz oder nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen, bezieht oder bis zur Erreichung der Altersgrenze oder bis zu seiner Verheiratung oder Begründung einer Lebenspartnerschaft Waisenrente nach einem dieser Gesetze oder nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften bezogen hat.

Schadensausgleich kann auch gewährt werden, wenn einer Witwe, einem Witwer oder einem hinterbliebenen Lebenspartner aus anderen zwingenden Gründen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich ist.

Stirbt ein rentenberechtigter Beschädigter an einem versorgungsfremden Leiden, haben die Witwe (der Witwer) und der hinterbliebene Lebenspartner gem. § 48 BVG unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Witwenbeihilfe. Diese gegenüber der Hinterbliebenenrente zu gewährende Beihilfe ist teilweise geringer gegenüber der Hinterbliebenenrente. Die Beihilfe ist zu gewähren, wenn der Verstorbene wegen Schädigungsfolgen zu Lebzeiten gehindert war, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben und dadurch die Hinterbliebenenversorgung um einen gewissen Vomhundertsatz gemindert

ist.

Neben dem Anspruch auf Rente kann ein Anspruch auf Pflegeausgleich bestehen. Witwen, Witwer oder überlebende Lebenspartner haben nach § 40b Abs. 1 BVG Anspruch auf einen Pflegeausgleich, wenn sie einen Beschädigten, der hilflos im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG war, während ihrer Ehe oder Lebenspartnerschaft länger als zehn Jahre unentgeltlich gepflegt haben. Als Pflegezeit zählen die Kalendermonate, in denen der Beschädigte während der Ehe oder der Lebenspartnerschaft infolge der Schädigung mindestens in einem der Stufe II entsprechenden Umfang hilflos im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG war oder infolge der Schädigung blind war (§ 40 Abs. 1 Satz 2 BVG).

Der Pflegeausgleich beträgt gem. § 40b Abs. 2 Satz 1 BVG für jedes Jahr der über 10 Jahre hinausgehenden Pflegezeit 0,5 vom Hundert des im Zeitpunkt des Leistungsbeginns geltenden Betrags der Pflegezulagestufe, nach der der Beschädigte jeweils Anspruch auf Pflegezulage hatte oder die dem Umfang seiner Hilflosigkeit nach § 35 Abs. 1 BVG entsprochen hätte. Bei Blindheit ist gem. § 35 Abs. 1 Satz 6 BVG der Berechnung des Pflegeausgleichs Pflegestufe III zugrunde zu legen.

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7.2.2 Rente für Waisen

Wenn der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben ist, erhalten seine Kinder Waisenrente gem. § 45 Abs. 1 BVG. Die Waisenrente wird bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt. Über das 18. Lebensjahr hinaus wird Waisenrente in den Fällen des § 45 Abs. 3 BVG gewährt. Nach § 45 Abs. 3 Buchstabe a wird Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres bezahlt, wenn sich die Waise in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die ihre Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt und nicht mit der Zahlung von Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist. Über das 27. Lebensjahr hinaus wird nach § 45 Abs. 3 Buchstabe d Waisenrente gewährt, wenn die Waise infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung, die spätestens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein muss, außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, solange dieser Zustand dauert. Über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus wird sie jedoch nur gewährt, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner außerstande ist, die Waise zu unterhalten.

Als Kinder des Beschädigten gelten nicht nur die leiblichen Kinder, sondern nach § 45 Abs. 2 BVG auch

  1. Stiefkinder oder Kinder des Lebenspartners, die der Verstorbene in seinen Haushalt aufgenommen hatte und
  2. Pflegekinder im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes.

Bestandteile der Waisenrente sind ebenfalls die Grundrente und die Ausgleichsrente. Die Höhe der Waisenrente richtet sich danach, ob noch ein Elternteil lebt (Halbwaise) oder ob beide Elternteile gestorben sind (Vollwaise).

Die Grundrente beträgt gem. § 46 BVG monatlich bei Halbwaisen 111,00 Euro und bei Vollwaisen 206,00 Euro (Stand 1. Juli 2011). Auf die Grundrente wird Einkommen der Waise nicht angerechnet.

Die volle Ausgleichsrente beträgt gem. § 47 Abs. 1 BVG monatlich bei Halbwaisen 194,00 Euro, bei Vollwaisen 269,00 Euro (Stand 1. Juli 2011). Auf die Ausgleichsrente ist gem. § 47 Abs. 2 BVG i.V.m. § 33 BVG Einkommen der Waise anzurechnen. Anspruch auf Ausgleichsrente besteht danach, wenn und soweit das anzurechnende Einkommen (nach Berücksichtigung der Freibeträge) die Höhe der vollen Ausgleichsrente nicht übersteigt.

Sterben rentenberechtigte Beschädigte an versorgungsfremden Leiden, ist unter den gleichen Bedingungen wie bei der Witwenbeihilfe eine Waisenbeihilfe zu gewähren (§ 48 BVG). Bei einem Anspruch auf Waisenbeihilfe können die für die Waisenrente genannten Beträge niedriger sein.

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7.2.3 Rente für Verwandte der aufsteigenden Linie

Wenn der Beschädigte an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, erhalten die Eltern nach § 49 Abs. 1 BVG Elternrente, wenn sie voll erwerbsgemindert oder erwerbsunfähig im Sinne des § 43 SGB VI sind oder aus anderen zwingenden Gründen eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausüben können oder das 60. Lebensjahr vollendet haben (§ 50 BVG).

Anspruch auf Elternrente haben gem. § 49 Abs. 2 BVG auch

  1. Adoptiveltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung als Kind angenommen haben,
  2. Stief- und Pflegeeltern, wenn sie den Verstorbenen vor der Schädigung unentgeltlich unterhalten haben,
  3. Großeltern, wenn der Verstorbene ihnen Unterhalt geleistet hat oder hätte.

Der Anspruch auf Elternrente beginnt frühestens mit dem Monat, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hätte. Er ist beim Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen ausgeschlossen.

Die volle Elternrente beträgt gem. § 51 Abs. 1 BVG monatlich bei einem Elternpaar 530,00 Euro und bei einem Elternteil 370,00 Euro (Stand 1. Juli 2011).

Wenn mehrere Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben sind, erhöhen sich die oben genannten  Beträge für jedes weitere Kind monatlich bei einem Elternpaar um 97,00 Euro und bei einem Elternteil um 72,00 Euro (§ 51 Abs. 2 BVG - Stand 1. Juli 2011).

Ist das einzige oder das letzte Kind oder sind alle oder mindestens drei Kinder an den Folgen einer Schädigung gestorben, so erhöhen sich gem. § 51 Abs. 3 BVG, wenn es günstiger ist, die in § 51 Abs. 1 BVG genannten Beträge monatlich bei einem Elternpaar um 300,00 Euro und bei einem Elternteil um 217,00 Euro.

Stirbt bei Empfängern von Elternrente für ein Ehepaar ein Ehegatte, ist dem überlebenden Ehegatten die für den Sterbemonat zustehende Elternrente für ein Ehepaar anstelle der Rente für einen Elternteil für die folgenden 3 Monate weiterzuzahlen, wenn dies günstiger ist.

Diese Regelungen gelten auch, wenn das Kind verschollen ist (§ 51 Abs. 2 Satz 2 BVG).

Das Einkommen des Elternpaars bzw. des Elternteils wird entsprechend den Regelungen in § 51 Abs. 4 ff. BVG (unter Beachtung bestimmter Freibeträge) angerechnet.

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8. Hilfen zur Sicherung des Existenzminimums

Verfassungsrechtlich leitet sich aus Art. 1, Abs. 1 Grundgesetz (GG) („Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“) in Verbindung mit dem Sozialstaatspostulat des Art. 20 GG die Bestimmung des im Sozialrecht zu gewährleistenden Existenzminimums ab.

Der Umsetzung der Verpflichtung zur Sicherstellung des sozialrechtlichen Existenzminimums auf einfachgesetzlicher Ebene dienen

  • die Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II und
  • die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Die Sozialgerichte haben für das sozialrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum den Begriff des soziokulturellen Existenzminimums geprägt. Das soziokulturelle Existenzminimum geht über das rein physische Existenzminimum hinaus. Zum physischen Existenzminimum gehören die Mittel, die zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse notwendig sind, um physisch zu überleben; dies sind vor allem Nahrung, Kleidung, Wohnung und medizinische Versorgung. Zum soziokulturellen Existenzminimum gehört über das physische Existenzminimum hinaus auch der Bedarf, der notwendig ist, um bei sparsamem Wirtschaften am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

Zur „pauschalierten“ Festsetzung des regelmäßigen Bedarfs werden Regelsätze ermittelt. Die Höhe der Regelsätze und des Regelbedarfs des Arbeitslosengeldes II (Grundsicherung bei Arbeitslosigkeit nach dem SGB II), der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Hilfe zum Lebensunterhalt werden aufgrund statistischer Erhebungen festgelegt. Maßgeblich sind die Ausgaben des ärmsten Fünftels der nach ihren Nettoeinkommen geordneten Einpersonenhaushalte, bereinigt um die Sozialhilfeempfänger.

Dabei werden nicht die Preise eines politisch gesetzten Warenkorbes berücksichtigt, sondern die durch Befragungen ermittelten tatsächlichen Ausgaben. An den statistisch ermittelten Werten werden teilweise erhebliche Abschläge vorgenommen, um zwischen Erwerbstätigen und Beziehern der Grundsicherungsleistung einen deutlichen Abstand zu schaffen (das so genannte Lohnabstandsgebot).

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8.1 Grundsicherung für Arbeit Suchende - Sicherung des Lebensunterhalts

Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeit Suchende.

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8.1.1 Übersicht über die grundlegenden Normen

Das SGB II enthält die Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige und der Personen, die mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Ziele des Gesetzes sind in § 1 SGB II formuliert. Nach § 1 Abs. 1 SGB II soll die Grundsicherung für Arbeit Suchende es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Zurückgehend auf die Vorschläge der sog. Hartz-Kommission werden im SGB II - Grundsicherung für Arbeit Suchende - die früheren Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe zu einem einheitlichen Leistungssystem für den von diesem Gesetz betroffenen Personenkreis zusammengefasst.

Das SGB II enthält einerseits ein Paket von Anreizen und Sanktionen, die in ihrem Zusammenspiel auf eine Aktivierung der Arbeit Suchenden abzielen sollen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II). Das sind insbesondere Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach §§ 14 ff. SGB II. Vgl. dazu Heft 05 Nr. 6 mit Unterpunkten dieser Schriftenreihe.

Andererseits enthält es Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II), welche sich an Grundsätzen des Sozialhilferechts orientieren. Mit anderen Worten: § 1 Abs. 3 SGB II teilt die Leistungen zur Grundsicherung in aktive und passive Leistungen auf. Eingliederungsleistungen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II dienen der Beseitigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit vorrangig durch Erwerbstätigkeit (aktive Maßnahmen). Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) stellen die eigentliche Grundsicherung i.S. einer Existenzsicherung für Arbeit Suchende und ihre Bedarfsgemeinschaft dar (passive Maßnahmen).

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind nach § 19 SGB II das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld (§§ 20 ff. SGB II) sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 28 SGB II).

Die Leistungen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes umfassen gem. § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II den Regelbedarf (§ 20 SGB II und ergänzend § 23 SGB II für das Sozialgeld), Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II).

Die Regelungen zu den Leistungen zum Lebensunterhalt sollen sicherstellen, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und seine Bedarfsgemeinschaft neben den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeit Suchende grundsätzlich keine ergänzenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach dem Sozialhilferecht (SGB XII) mehr benötigt. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, wie im Fall von Bestattungskosten oder außergewöhnlichen, sehr selten auftretenden anderen Bedarfen nach dem SGB XII, sind die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu verweisen. Vgl. dazu § 21 SGB XII.

Mehrbedarfsleistungen sind in § 21 SGB II enthalten. Dazu gehört auch eine Härtefallregelung, die aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG eingeführt wurde (Haufe Onlinekommentar RZ. 2b zu § 19 SGB II).

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keiner Bedarfsgemeinschaft angehören, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, sie sind keine Berechtigten und gehören entweder einem anderen Schutzsystem an, z. B. weil sie sich bereits im Rentenalter befinden, oder müssen an die Träger der Sozialhilfe (SGB XII) verwiesen werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 19 SGB II).

  • 19 Abs. 3 SGB II legt fest, dass sich die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen mindern. Damit steht fest, dass die Leistungen bedarfsorientierte Leistungen mit Fürsorgecharakter sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 19 SGB II). Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen enthalten §§ 11 ff. SGB II und die aufgrund der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 SGB II erlassene Alg II-V Regelung zur Berücksichtigung von Vermögen enthält im Wesentlichen § 12 SGB II und ergänzend die Alg II-V.
  • 19 Abs. 2 SGB II regelt den grundsätzlichen Anspruch der erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Maßgabe des § 28 SGB II.

Das Verhältnis der Leistungen des SGB II zu anderen Leistungen, also die Rangordnung, ist in § 5 SGB II geregelt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen Anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, werden gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II durch das SGB II nicht berührt, sind also vorrangig. Ermessensleistungen dürfen nicht deshalb versagt werden, weil das SGB II entsprechende Leistungen vorsieht.

  • 5 Abs. 2 SGB II regelt das Verhältnis von Leistungen nach dem SGB II und solchen nach dem SGB XII. Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 bis 35 SGB II schließt gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (§§ 27 bis 40 SGB XII) aus, und zwar auch, wenn die Leistungen nach dem SGB II aufgrund von Sanktionen gekürzt oder gestrichen werden.
  • 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II bestimmt die Nachrangigkeit des Sozialgeldes (§ 23 SGB II) für die nicht erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber den Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 bis 46 SGB XII). Dabei handelt es sich um Leistungen entsprechend denen zum Lebensunterhalt nach den §§ 28 bis 34 SGB XII.

Die Leistungen zur Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den fünften bis neunten Kapiteln SGB XII (§§ 47 ff. SGB XII) werden dagegen durch § 5 Abs. 2 SGB II nicht ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu den Leistungen auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, welche gem. § 18 Abs. 1 SGB XII erbracht werden, ohne dass es eines Antrags bedürfte, sobald dem Sozialhilfeträger die Hilfebedürftigkeit bekannt wird, werden die Leistungen nach dem SGB II gem. § 37 Abs. 1 Satzb 1 SGB II nur auf Antrag gewährt.

  • 5 Abs. 3 SGB II räumt den Leistungsträgern nach dem SGB II die Befugnis ein, selbst Anträge auf Leistungen eines anderen Trägers zu stellen, wenn ein solcher Antrag erforderlich ist und der Leistungsberechtigte den Antrag trotz Aufforderung nicht gestellt hat. Damit sollen die Realisierung von Ansprüchen gegen andere Träger und der Nachrang der Leistungen nach dem SGB II sichergestellt werden. Diese Befugnis der Leistungsträger schließt ein, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen, damit Ansprüche zulasten der Steuerzahler nicht dadurch verloren gehen, dass der Leistungsberechtigte sich angesichts der Zahlungen nach dem SGB II mit ablehnenden Bescheiden der für vorrangige Leistungen zuständigen Leistungsträger zufrieden gibt (Haufe Onlinekommentar RZ. 2c zu § 5 SGB II). Die Regelung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 12a SGB II. Danach sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen, wenn dies ihre Hilfebedürftigkeit vermeidet, beseitigt, verkürzt oder vermindert.

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8.1.2 Leistungsberechtigte

Leistungsberechtigt für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die

  1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (vgl. 8.1.2.1),
  2. erwerbsfähig sind (definiert in § 8 SGB II vgl. dazu 8.1.2.2),
  3. hilfebedürftig sind (definiert in § 9 SGB II vgl. dazu wegen des Sachzusammenhangs mit der Anrechnung von Einkommen und Vermögen 8.1.4.1) und
  4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (dazu 8.1.2.3).

Leistungen erhalten gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4.

  • 7 Abs. 2 Satz 3 SGB II schafft die Grundlage dafür, dass Kinder und Jugendliche, die allein aufgrund ihres Bedarfs an Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 28 SGB II) hilfebedürftig sind und die keine Bedarfsgemeinschaft mit anderen Personen bilden, weil die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen dazu geführt hat, dass deren Bedarf vollständig gedeckt ist, gleichwohl Leistungen nach § 28 SGB II erhalten können. Die Kinder und Jugendlichen werden nicht darauf verwiesen, die Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen.

Leistungsberechtigt sind nicht Personen, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II oder nach § 7 Abs. 4, 4a oder 5 SGB II von der Leistung ausgeschlossen sind. Vgl. dazu 8.1.2.5.

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8.1.2.1 Altersmäßige Begrenzung

Berechtigt sind grundsätzlich erwerbsfähige Personen von der Vollendung des 15. Lebensjahrs bis zum Tag vor Erreichen der Altersgrenze (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Da die Altersgrenze sich im Laufe der Jahre nach und nach erhöht, können Personen, die spätestens am 31.12.1946 geboren sind, Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende bis zu dem Tag erhalten, mit dessen Ablauf sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für jüngere Berechtigte endet die Leistungsberechtigung nach Maßgabe des § 7a SGB II.

Nach § 7a SGB II wird die Altersgrenze schrittweise vom vollendeten 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr (für die nach dem 1. Januar 1964 Geborenen) angehoben. Das entspricht der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 65. auf künftig das 67. Lebensjahr.

Die Berechtigung beginnt mit dem Tag nach Ablauf des Tages, an dem das 15. Lebensjahr vollendet wird. Das ist der Tag, an dem die betroffene Person Geburtstag hat. Die Berechtigung nach dem Alter besteht aufgrund der Sonderregelung des § 7a SGB II spätestens ab dem Monat nicht mehr, der dem Monat folgt, in dem die betroffene Person die maßgebende Altersgrenze erreicht hat. Das gilt zum Schutz der Betroffenen gerade für die Fälle, in denen Rente wegen Alters erst ab Beginn des der Vollendung des 65. Lebensjahrs folgenden Monats zuerkannt wird.

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8.1.2.2 Erwerbsfähigkeit

In § 8 Abs. 1 SGB II wird die Erwerbsfähigkeit definiert, die nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II Tatbestandsmerkmal bei der Bestimmung des für Leistungen nach dem SGB II berechtigten Personenkreises ist. Erwerbsfähig gem. § 8 Abs. 1 SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es scheiden also nur die voll Erwerbsgeminderten im Sinn von § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI aus. Erwerbsunfähigkeit wegen Krankheit besteht, wenn die Minderung der Leistungsfähigkeit den Leistungsberechtigten für voraussichtlich mehr als 6 Monate ursächlich daran hindert, mindestens 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Behindert sind Menschen, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Der Grad der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit wird nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus den Faktoren „Schaden" (impairment), „funktionelle Einschränkung" (disability) und „soziale Beeinträchtigung" (handicap) abgeleitet. Allerdings schließt auch eine hohe Minderung der Erwerbsfähigkeit eine berufliche Tätigkeit nicht aus (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 8 SGB II). Der nach dem Schwerbehindertenrecht festgestellte Grad der Behinderung ist nicht maßgebend. Es ist daher nicht erheblich, ob der Hilfesuchende die Schwerbehinderteneigenschaft besitzt oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist. Ausschlaggebend ist allein, dass die Behinderung ursächlich dafür ist, dass der Behinderte keine Erwerbstätigkeit im Umfang von 3 Stunden täglich ausüben kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 5 zu § 7 SGB II).

Blinde Menschen ohne weitere Behinderungen sind in diesem Sinn in aller Regel nicht voll erwerbsgemindert.

Die Notwendigkeit einer Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte dient als Beleg dafür, dass eine Beschäftigung von mindestens 3 Stunden täglich wegen Behinderung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt werden kann (vgl. § 136 SGB IX). Die Jobcenter gehen deshalb bei behinderten Menschen, die im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder in anerkannten Blindenwerkstätten beschäftigt sind, grundsätzlich von einer vollen Erwerbsminderung aus. Das gilt auch, soweit die behinderten Menschen für diese Einrichtungen in Heimarbeit beschäftigt werden. Gegen diese enge Auffassung erhebt Sauer in Haufe Onlinekommentar RZ. 11a zu § 8 SGB II Bedenken, da dieser Personenkreis nicht auf das SGB XII verwiesen werden sollte.

Weitere Umstände, die der Erwerbsfähigkeit entgegenstehen oder diese einschränken, spielen keine Rolle. Beispiel: eine alleinstehende hilfebedürftige Frau ist allein wegen der Betreuung ihres einjährigen Kindes nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie erfüllt damit das Merkmal der Erwerbsfähigkeit. Eine Erwerbstätigkeit ist ihr aber nicht zuzumuten, weil die Erziehung ihres Kindes gefährdet wäre (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Das Beispiel ist entnommen aus „Die Rechte behinderter Menschen und ihrer Angehörigen“, S. 288.

Über die Erwerbsfähigkeit entscheidet grundsätzlich die gemeinsame Einrichtung nach § 44b bzw. der zugelassene kommunale Träger in den Jobcentern (vgl. § 44a Abs. 1 und zu Zuständigkeiten 8.1.6). Vom kommunalen Träger, dem bei voller Erwerbsminderung zuständigen Träger und der Krankenkasse, die bei Erwerbsfähigkeit Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen hätte (§ 44a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II), kann jedoch Widerspruch erhoben werden. Bei Widerspruch eines dazu berechtigten Trägers wird aufgrund einer gutachterlichen Stellungnahme des zuständigen Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden.

  • 8 Abs. 2 SGB II regelt Besonderheiten für die Erwerbsfähigkeit von Ausländern. Die Regelung findet nur Anwendung, wenn bereits festgestellt ist, dass kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegt (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 8 SGB II). Zum Leistungsausschluss von Ausländern nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vgl. 8.1.2.5.

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8.1.2.3 Gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland

Seinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat der Hilfebedürftige dann, wenn er sich unter Umständen in diesem Gebiet aufhält, die erkennen lassen, dass er hier nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Es kommt auf die tatsächlichen Verhältnisse, die nach dem zum Ausdruck gebrachten Willen des Leistungsberechtigten für den Lebensmittelpunkt maßgebend sind, an. Es ist weder ein Wohnsitz erforderlich noch eine Wohnung. Im Regelfall wird jedoch am angemeldeten Wohnsitz auch der gewöhnliche Aufenthalt begründet.

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8.1.2.4 Bedarfsgemeinschaft
  • 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erweitert den berechtigten Personenkreis auf die Bedarfsgemeinschaft. Die Regelung stellt klar, dass die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich an die Existenz eines ihr angehörenden Erwerbsfähigen geknüpft sind. In einer Bedarfsgemeinschaft können allerdings auch mehrere erwerbsfähige Leistungsberechtigte leben.

Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft hat erheblichen Einfluss auf die Leistungen zum Lebensunterhalt im Rahmen der Grundsicherung, weil das Einkommen und Vermögen von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nach Maßgabe der §§ 11 und  12 SGB II zu berücksichtigen ist. Das gilt z.B. auch für Einkommen des Partners, wenn dieser nicht zum Berechtigtenkreis des SGB II, aber zur Bedarfsgemeinschaft gehört (Haufe Onlinekommentar RZ. 10 zu § 7 SGB II; BSG, Urteil v. 15.04.2008, B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr. 5). Zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen vgl. 8.1.4 mit Unterpunkten.

Wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist § 7 Abs. 3 SGB II zu entnehmen. Die Bedarfsgemeinschaft ist hier eine besondere, allein für die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II vorgehaltene gesetzliche Konstruktion. Sie ist zwar dem Sozialhilferecht nachgebildet, ist aber von diesem abzugrenzen. Ist sie gegeben, so findet das Leistungssystem des SGB XII keine Anwendung. Zu jeder Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, also mindestens ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB II. Von diesem wird vermutet, dass er die Bedarfsgemeinschaft vertritt (§ 38 SGB II). Es können auch mehrere erwerbsfähige Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, z.B. 2 erwerbsfähige Partner oder 2 erwerbsfähige Partner und ein oder mehrere erwerbsfähige unverheiratete Kinder unter 25 Jahren.

Voraussetzung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft ist eine Haushaltsgemeinschaft, in der diese Personen gemeinsam wohnen und aus einem Topf wirtschaften.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II gehören die Eltern, bzw. ein Elternteil und der Partner dieses Elternteils eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes unter 25 Jahren in demselben Haushalt ebenfalls zur Bedarfsgemeinschaft. Kinder sind auch angenommene, für ehelich erklärte und nichteheliche Kinder.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II richtet sich, wer als Partner erwerbsfähiger Hilfebedürftiger der Bedarfsgemeinschaft angehört. Partner kann der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II), der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner (§ 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II) und der mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Einstehensgemeinschaft bildende Partner (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) sein.

Der Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft steht nicht entgegen, dass ein Partner z.B. als Bezieher einer Rente wegen Alters selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 7 SGB II; BSG, Urteil v. 23.11.2006, - B 11b AS 1/06 R -, FEVS 58 S. 353).

Ob eine Lebenspartnerschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II vorliegt, richtet sich nach § 33b SGB I und dem LPartG. Eine Lebenspartnerschaft besteht aus 2 Personen gleichen Geschlechts. Sie wird begründet, wenn diese gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit eingehen zu wollen (§ 1 LPartG).

Partner im Sinn von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist auch, wer mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft oder nicht eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebt. Von einer Einstehensgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist nicht bei Geschwistern oder anderen zusammenlebenden Verwandten auszugehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 20 zu § 7 SGB II).

Da das Vorhandensein einer ehe- oder partnerschaftsähnlichen Gemeinschaft schwer nachzuweisen ist, enthält § 7 Abs. 3a SGB II eine Beweislastumkehr bei der Prüfung, ob eine solche Gemeinschaft vorliegt. Nach dieser Regelung wird eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vermutet, wenn die Partner

  1. länger als ein Jahr zusammenleben,
  2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
  3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
  4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 auch die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in § 7 Abs. 3 Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Das bedeutet: § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II erfasst

  • unverheiratete, noch nicht 25 Jahre alte Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen oder seines Partners,
  • unverheiratete, noch nicht 25 Jahre alte erwerbsfähige Kinder nicht erwerbsfähiger Hilfebedürftiger oder deren Partner,
  • unverheiratete, noch nicht 25 Jahre alte nicht erwerbsfähige Kinder eines nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oder dessen Partners, wenn dem Haushalt auch ein unverheiratetes, noch nicht 25 Jahre altes erwerbsfähiges Kind eines nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten oder dessen Partners angehört.

Bei Kindern ist darauf zu achten, dass sie zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern gehören können, aber auch abgesehen von den Fällen des § 7 Abs. 2 Satz 3 SGB II selbst eine Bedarfsgemeinschaft bilden können. Zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern gehören unverheiratete Kinder unter 25 Jahren z.B. nicht mehr, wenn das Kind mit einem erwerbsfähigen Partner im Haushalt der erwerbsfähigen Eltern lebt oder als erwerbsfähiges Kind selbst ein Kind hat oder das Kind seinen Lebensunterhalt selbst aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten kann.

Beispiele für Bedarfsgemeinschaften enthält Haufe Onlinekommentar RZ. 30 zu § 7 SGB II.

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8.1.2.5 Leistungsausschlüsse
  • 7 SGB II enthält verschiedene Tatbestände, durch die Ausschlüsse von der Leistungsberechtigung geregelt werden.

Wer nach dem Ausländerrecht und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von der Leistungsberechtigung ausgeschlossen ist, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 3. Diese lauten:

„ausgenommen (von den Leistungen nach dem SGB II) sind

  1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
  2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
  3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.“

Zahlreiche Ausnahmen vom Ausschluss von Ausländern enthalten die §§ 22 bis 26 Aufenthaltsgesetz. Beispiele sind eine Aufenthaltserlaubnis für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen (§ 22 AufenthG); eine Aufenthaltserlaubnis, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist (§ 25 Abs. 1 AufenthG); eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt (§ 25 Abs. 3 AufenthG). Zu weiteren Beispielen vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 9i bis 9l zu § 7 SGB II.

Weitere Leistungsausschlüsse bzw. Leistungseinschränkungen enthalten § 7 Abs. 4 bis 6 SGB II. Leistungen nach dem SGB II erhält gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung liegt insbesondere beim Vollzug von Strafhaft, Untersuchungshaft, Maßregeln der Besserung und Sicherung, einstweiliger Unterbringung, der Absonderung nach § 30 Infektionsschutzgesetz, der Unterbringung psychisch Kranker und Suchtkranker nach den Unterbringungsgesetzen der Länder vor. Auf die Dauer des voraussichtlichen stationären Aufenthalts kommt es grundsätzlich nicht an. Auf diese Weise entfällt die häufig langwierige und schwierige Feststellung, ob im Einzelfall Erwerbsfähigkeit vorliegt. Faktisch stellt die Regelung darauf ab, dass die betroffenen Personen keine Erwerbstätigkeit im Umfang von 3 Stunden täglich ausüben können oder nicht mehr zum Kreis der erwerbstätigen Personen gehören (Haufe Onlinekommentar RZ. 2l zu § 7 SGB II). Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion der Erwerbsunfähigkeit.

  • 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II enthält 2 Ausnahmen von dem Grundsatz, dass stationär Untergebrachte vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Abweichend von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält gem. § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II Leistungen nach dem SGB II, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des SGB 5) untergebracht ist oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation sind Krankenhäusern gleichgestellt. Wenn sich einem Krankenhausaufenthalt ein stationärer Aufenthalt in einer Rehabilitationseinrichtung anschließt, sind diese Zeiten zu addieren.

Nach § 7 Abs. 4a erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Leistungen, wenn sie sich ohne Zustimmung des nach dem SGB II zuständigen Trägers außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhalten und deshalb nicht für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehen. Zuständig für die Zustimmung ist in der Regel der persönliche Ansprechpartner des jeweiligen Trägers. Was unter dem zeit- und ortsnahen Bereich, in welchem eine Zustimmung nicht erforderlich ist, zu verstehen ist, wird in § 7 Abs. 4a SGB II nicht definiert. Es liegt nahe, ihn in derselben Weise auszulegen, wie er in der Erreichbarkeitsanordnung der Bundesagentur für Arbeit normiert ist (vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 31n zu § 7 SGB II). Der zeit- und ortsnahe Bereich wird als Nahbereich bezeichnet. Das ist der Bereich in der Umgebung der für den Hilfebedürftigen zuständigen gemeinsamen Einrichtung bzw. zugelassenen kommunalen Träger, also der Orte in der Umgebung dieser Grundsicherungsstelle, von denen aus der Hilfebedürftige erforderlichenfalls in der Lage wäre, die Grundsicherungsstelle täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen (§ 2 Nr. 3 Erreichbarkeits-Anordnung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs ein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei

  1. Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
  2. Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt, oder
  3. Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Die Zustimmung kann auch erteilt werden, wenn für den Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs kein wichtiger Grund vorliegt und die Eingliederung in Arbeit nicht beeinträchtigt wird. Die Dauer der Abwesenheiten soll in diesem Fall in der Regel insgesamt drei Wochen im Kalenderjahr nicht überschreiten.

Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben gem. § 7 Abs. 5 SGB II über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Einschränkung gilt jedoch gem. § 7 Abs. 6 SGB II nicht für Auszubildende,

  1. die aufgrund von § 2 Abs. 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Absatz 1 des SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben,
  2. deren Bedarf sich nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, nach § 66 Absatz 1 oder § 106 Absatz 1 Nummer 1 des SGB III bemisst oder
  3. die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Wenn keine Ausbildung vorliegt, sondern z.B. eine berufliche Weiterbildung, gilt § 7 Abs. 5 SGB II nicht (Haufe Onlinekommentar RZ. 32 zu § 7 SGB II).

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8.1.3 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts

  • 19 SGB II listet in den Absätzen 1 und 2 die elementaren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf. Darüber hinaus trifft die Vorschrift in Abs. 3 eine Regelung dazu, in welcher Reihenfolge zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen anzurechnen ist.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe nach den §§ 41 ff. SGB XII haben. Die Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind somit gegenüber dem Sozialgeld vorrangig. Zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4.

Sowohl erwerbsfähige als auch nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben außerdem gem. § 19 Abs. 2 SGB II unter den Voraussetzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe nach den §§ 41 ff. SGB XII haben. Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes gewährt werden, haben sie ebenfalls keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II.

  • 19 Abs. 3 SGB II legt fest, dass sich die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen mindern. Damit steht fest, dass die Leistungen bedarfsorientierte Leistungen mit Fürsorgecharakter sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 19 SGB II).

Regelungen zur Berücksichtigung von Einkommen enthalten §§ 11 ff. SGB II und die aufgrund der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 SGB II erlassene Alg II-V des BMAS. Regelungen zur Berücksichtigung von Vermögen enthält im Wesentlichen § 12 SGB II und ergänzend die Alg II-V. Zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen vgl. 8.1.4.3 mit Unterpunkten.

Die Leistungen setzen grundsätzlich einen Antrag nach § 37 SGB II voraus. Der Antrag ist an keine Form gebunden, sondern muss lediglich die Willenserklärung enthalten, dass Leistungen zur Grundsicherung für Arbeit Suchende begehrt werden.

Die Leistungen sollen jeweils für sechs Monate bewilligt und monatlich im Voraus erbracht werden (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Der Bewilligungszeitraum kann gem. § 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II auf bis zu zwölf Monate bei Leistungsberechtigten verlängert werden, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist.

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8.1.3.1 Inhalt von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassen gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II den Regelbedarf (§ 20 SGB II), Mehrbedarfe (§ 21 SGB II) und zusätzlich den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II).

Das Arbeitslosengeld II kann die alleinige Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sein, aber auch unzureichendes Arbeitseinkommen aufstocken. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden in Form von laufenden und einmaligen Leistungen gewährt. Die im Einzelfall zu gewährende Hilfe wird um das anzurechnende Einkommen und Vermögen gekürzt.

Die laufende Hilfe setzt sich grundsätzlich zusammen aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) und den tatsächlichen Kosten für Wohnung (z.B. Miete) und Heizung, sofern diese angemessen sind (§ 22 SGB II).

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8.1.3.1.1 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts
  • 20 SGB II legt den Umfang der Leistung für den Regelbedarf als Herzstück des Arbeitslosengeldes II fest. Sie entspricht nach ausdrücklichem politischem Willen dem Regelsatz im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe nach dem SGB XII. Die Leistung für den Regelbedarf bildet im Rahmen des Arbeitslosengeldes II das „soziokulturelle" Existenzminimum der insoweit als Referenzsystem für alle bedarfsorientierten und bedürftigkeitsabhängigen Fürsorgeleistungen fungierenden Sozialhilfe ab (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 20 SGB II).

Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gem. § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. § 20 SGB II unterscheidet nicht nach laufenden und einmaligen Bedarfen. Beide Bedarfsgruppen werden durch die Leistungen für den Regelbedarf abgedeckt, soweit sie nicht in besonderen Regelungen zusätzlich als Sonderbedarf (§§ 21 und 24 SGB II) berücksichtigt werden können. Zu § 21 SGB II für Mehrbedarfe vgl. 8.1.3.1.2, zu § 24 SGB II über zusätzliche und abweichende Erbringung von Leistungen vgl. 8.1.3.2.1. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach Maßgabe des § 22 SGB II gesondert erbracht. Dazu vgl. 8.1.3.1.3. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Dazu gehört auch der Umgang mit Familienmitgliedern (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 20 SGB II).

Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II).

Die Höhe der Regelsätze ergibt sich aus § 20 Abs. 2 SGB II. Abweichungen enthalten § 20 Abs. 3 und 4 SGB II sowie die Übergangsvorschrift in § 77 Abs. 4 SGB II. Vier Stufen sind zu beachten.

Der Regelbedarf beträgt gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, monatlich 364,00 €. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft werden gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II als Regelbedarf anerkannt

  1. monatlich 275,00 Euro, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; an die Stelle des Betrags von 275,00 Euro treten nach § 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II 287,00 Euro, solange sich durch die Fortschreibung gem. § 20 Abs. 5 SGB II kein höherer Betrag ergibt;
  2. monatlich 291,00 Euro in den übrigen Fällen.

 Zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4.

Nach § 20 Abs. 3 SGB II ist abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 5 SGB II umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen, also 291,00 Euro anstatt 364,00 Euro monatlich. Unter Umzug ist der Wegzug aus dem elterlichen Haushalt zur Begründung eines eigenen Hausstandes zu verstehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 61 zu § 20 SGB II). Zum zuständigen kommunalen Träger vgl. §§  6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 6a SGB II sowie 8.1.6. Wenn die Zusicherung des kommunalen Trägers gegeben ist, beträgt der Regelbedarf auch vor Vollendung des 25. Lebensjahres gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II 364,00 Euro monatlich. Die Begründung einer Partnerschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II stellt keinen schädlichen Umzug i.S.d. § 20 Abs. 3 SGB II dar, weil sich der Regelsatz nunmehr nach § 20 Abs. 4 bemisst (Haufe Onlinekommentar RZ. 62 zu § 20 SGB II).

Wenn zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen ein Betrag in Höhe von monatlich 328,00 Euro anzuerkennen (§ 20 Abs. 4 SGB II). § 20 Abs. 4 SGB II geht von der Überlegung aus, dass der erwachsene Partner des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Leistung für den Regelbedarf i.H.v. 80 % der vollen Leistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhält, während für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten selbst der volle Regelbedarf gilt. Weil von dem niedrigeren Regelsatz von 80 % im Falle der Ehe und der eheähnlichen Gemeinschaft zumeist die Frauen betroffen wären, hat der Gesetzgeber das rechnerische Mittel gebildet und für beide Partner eine Leistung zur Deckung des Regelbedarfes von gerundet 90 % bestimmt. Er hat allerdings in § 20 Abs. 4 SGB II nicht den Prozentsatz, sondern eine diesem entsprechende Zahl genannt (Haufe Onlinekommentar RZ. 2e zu § 20 SGB II).

Die genannten Regelsatzbeträge gelten seit 01.01.2011. Sie sind nach § 20 Abs. 5 SGB II entsprechend § 28a SGB XII, also wie die dem Lebensunterhalt dienenden Leistungen der Sozialhilfe,  jährlich anzupassen. Ihre Höhe wird jeweils spätestens bis zum 1. November für die folgenden zwölf Monate im Bundesgesetzblatt bekanntgegeben.

Die volle Leistung für den Regelbedarf von 364,00 Euro können gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II nur Alleinstehende, Alleinerziehende und Personen mit minderjährigem Partner erhalten. Dabei ist unerheblich, ob es sich um einen Ehepartner, einen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft - dem häufigsten Fall - oder den Partner in einer eingetragenen oder nicht eingetragenen Lebenspartnerschaft handelt (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 3a SGB II).

Wer alleinstehend ist, bestimmt sich letztlich nach § 7 Abs. 3 SGB II (Haufe Onlinekommentar RZ. 48 zu § 20 SGB II).  Auf jemanden, der nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist, kann § 20 Abs. 2 bis 4 SGB II nicht angewendet werden. Damit ist alleinstehend nach § 7 Abs. 3 SGB II jeder, der nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Rechtssinne ist.

Alleinstehend ist grundsätzlich der Leistungsberechtigte, der als Volljähriger und Unverheirateter ohne eine andere Person in seiner Wohnung lebt. Das schließt ein Leben in einer Wohngemeinschaft nicht aus. Bei reinen Wohngemeinschaften ist jede Person alleinstehend (BSG, Urteil v. 18.06.2008, B 14/11b AS 61/06 R, FEVS 2009 S. 289). Alleinstehend ist auch der erwerbsfähige Leistungsberechtigte, der im Haushalt der Eltern lebt und mindestens 25 Jahre alt ist, wenn deren Einkommen nicht ausreicht, um ihm der gesetzlichen Vermutung in § 9 Abs. 5 SGB II entsprechend Leistungen zukommen zu lassen. Auch der Leistungsberechtigte unter 25 Jahren, der nicht mehr im Haushalt der Eltern lebt, ist alleinstehend. Anders als bei Kindern im Haushalt der Eltern besteht die elterliche Fürsorge (§ 1626 BGB) nicht mehr in dem Maß, dass dies dem Status eines Alleinstehenden entgegenstünde. Lebt der Leistungsberechtigte schon als Minderjähriger nicht mehr im Haushalt seiner Eltern, sondern mit einem Partner zusammen, ist er nicht alleinstehend. Er kann deshalb die volle Leistung für den Regelbedarf i.H.v. 364,00 Euro mtl. nicht erhalten, wohl aber sein Partner (Haufe Onlinekommentar RZ. 46 und 47 zu § 20 SGB II).

Alleinerziehend ist, wer sich allein um die Erziehung und Pflege seines minderjährigen Kindes sorgt. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Beteiligen sich andere Personen (z.B. Geschwister, Großeltern) an der Erziehung und Pflege des Kindes, bleibt dies unschädlich, solange dies nicht zu gleichen oder gar größeren Anteilen als durch den „Alleinerziehenden" geschieht. Bei Ehepaaren liegt Alleinerziehung auch vor, wenn sich ein Ehegatte aufgrund räumlicher Distanz an der Pflege und Erziehung nicht beteiligen kann und dies nicht nur für einen kurzen, vorübergehenden Zeitraum der Fall ist (bis zu ca. 2 Wochen).

Das ist z. B. bei der Verbüßung einer Freiheitsstrafe der Fall (wodurch die Inhaftierten vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden - vgl. § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II). Eine berufsbedingte Abwesenheit eines Elternteiles begründet für sich allein keine Alleinerziehung (Haufe Onlinekommentar RZ. 49 zu § 20 SGB II).

  • 20 Abs. 5 Satz 1 SGB II schreibt eine regelmäßige Anpassung der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 2 bis 4 SGB II und nach § 23 Nr. 1 SGB II (Sozialgeld) fest. Diese Anpassung richtet sich zu 70 % nach der Entwicklung der Preise der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen und zu 30 % nach der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter (vgl. § 28a Abs. 2 SGB XII).

Eine Anpassung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SGB II findet nicht statt, wenn im Abstand von 5 Jahren eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegt, auf deren Basis die Regelbedarfe neu bestimmt und somit neu festgesetzt werden können. Für die Neufestsetzung gelten § 28 SGB XII und das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz.

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8.1.3.1.2 Mehrbedarfszuschläge

Mehrbedarfszuschläge für Bedarfe, die nicht durch den Regelbedarf nach § 20 SGB II abgedeckt sind, werden für bestimmte Personengruppen bzw. Sachverhalte gem. § 21 Abs. 2 bis 7 anerkannt (§ 21 Abs. 1 SGB II). Diese Mehrbedarfszuschläge werden zusätzlich zu den Regelbedarfssätzen des § 20 SGB II bei der Bedarfsfeststellung berücksichtigt.

  • 21 SGB II regelt die Bedarfsfälle, bei denen ein Mehrbedarf beim Lebensunterhalt anerkannt wird, weil die Leistung für den Regelbedarf im Wesentlichen nur Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Teile der Haushaltsenergie und Bedarfe des täglichen Lebens und im durchschnittlichen Umfang abdeckt. Die Leistungen für Mehrbedarfe können auch dann gewährt werden, wenn kein Anspruch auf die Leistung für den Regelbedarf besteht. Sonderbedarfe werden außerdem in § 24 Abs. 3 SGB II (Mehrbedarfe für Erstausstattungen) geregelt. Vgl. auch die Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nach § 28 SGB II. Darüber hinaus sieht § 24 SGB II auch Darlehen vor, die in speziellen Situationen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder zur Beseitigung spezifischer, existenzieller Notlagen gewährt werden können. Im Prinzip sind durch dieses Vorschriftensystem jedenfalls nach Einfügung einer Härtefallklausel in § 21 Abs. 6 SGB II alle denkbaren Bedarfe außerhalb des Regelbedarfs sowie des Bedarfs für Unterkunft und Heizung erfasst. In besonders gelagerten Fällen sind gleichwohl auch noch Leistungen nach dem SGB XII möglich (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 21 SGB II).

Der Mehrbedarf ist in aller Regel längerfristig ausgelegt. Er umfasst meist einen in Anlehnung an § 41 SGB II festgelegten Bewilligungsabschnitt von 6 Monaten bis zu längstens einem Jahr. Längere, dauerhafte Mehrbedarfe sind nicht ausgeschlossen. Dementsprechend werden die Leistungen nach § 21 den laufenden Leistungen zugerechnet, die jeweils mit den Leistungen für den Regelbedarf ausgezahlt werden. Mehrbedarfe sind aber auch durch die vorgesehenen Mehrleistungen auszugleichen, wenn sie im Einzelfall nur für einen kurzen Zeitraum begründet sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 22 zu § 21 SGB II).

Mehrbedarfe nach unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II können nebeneinander bestehen. Die Mehrleistungen nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II werden nach § 21 Abs. 8 SGB II auf einen summarischen Höchstbetrag begrenzt. Sie können nicht weiter als Sonderbedarf, auch nicht nach der Härteregelung in § 21 Abs. 6 SGB II, aufgestockt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 23 zu § 21 SGB II).

  • 21 Abs. 1 SGB II stellt klar, dass die Mehrbedarfsregelungen in § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II eine abschließende Aufzählung darstellen. Das ist nachvollziehbar, weil durch § 21 Abs. 6 SGB II alle Bedarfe in atypischer Bedarfslage gedeckt werden. Sonderbedarfe können nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 SGB II und § 22 Abs. 8 SGB II (Übernahme von Schulden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist) durch Darlehen gedeckt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 24 zu § 21 SGB II).
  • 21 Abs. 2 bis 4 SGB II bemessen den Mehrbedarf prozentual an der nach § 20 SGB II für den Leistungsberechtigten maßgebenden Leistung für den Regelbedarf. Damit wird der Höhe nach nicht auf den Tatbestand allein abgestellt, sondern es werden Unterschiede gemacht, je nachdem, ob der Sachverhalt einen alleinstehenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, in Partnerschaft lebende Leistungsberechtigte oder Jugendliche bzw. Sozialgeldbezieher betrifft. Der Mehrbedarfszuschlag richtet sich stets nach der für den Betroffenen maßgebenden Leistung für den Regelbedarf, gleich, ob er den vollen Eckregelsatz erhält oder nur einen prozentualen Anteil davon.

Der Mehrbedarf wird unabhängig davon gedeckt, ob der Betroffene erwerbsfähig ist oder nicht. Im Grundsatz fordert § 21 SGB II zwar Erwerbsfähigkeit, die Vorschrift ist aber aufgrund des § 28 SGB II entsprechend anzuwenden.

Nach § 21 Abs. 2 SGB II wird bei werdenden Müttern nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

Nach § 21 Abs. 3 SGB II ist bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen

  1. in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
  2. in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent.

Das Gesetz setzt ein Zusammenleben mit mindestens einem minderjährigen Kind voraus.

Alleinerziehend sind Personen, die tatsächlich allein für die Erziehung und Pflege ihrer minderjährigen Kinder im gemeinsamen Haushalt sorgen. Ein Indiz dafür ist ein Anspruch des Elternteils in Höhe der vollen Leistung zur Deckung des Regelbedarfs eines Alleinstehenden. Von Alleinerziehung kann nicht mehr ausgegangen werden, wenn an der Pflege und Erziehung des Kindes andere Personen zu gleichen oder umfassenderen Teilen beteiligt sind, z.B. Großeltern oder Verwandte. In einer Gesamtschau umfasst Alleinerziehung unabhängig von der Inhaberschaft des Sorgerechts die gesamte Sorge für das Kind. Alleinerziehung liegt deshalb nicht vor, wenn das Kind in einem Internat untergebracht ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 30 zu § 21 SGB II, BT-Drs. 16/9684).

Auch der Ehepartner ist alleinerziehend, welcher sich überwiegend um die Erziehung und Pflege seines Kindes sorgt, weil der andere Ehepartner auf längere Zeit räumlich von der Familie getrennt lebt. Das ist bei einem Zeitraum der Fall, der 2 Wochen überschreitet. Ein solcher Fall liegt z. B. auch vor, wenn der Ehegatte eine Freiheitsstrafe verbüßt; er ist für diesen Zeitraum nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II  vom Leistungsbezug ausgeschlossen (Haufe Onlinekommentar RZ. 31 zu § 21 SGB II).

Die Regelung setzt nicht voraus, dass es sich bei den minderjährigen Kindern um eigene leibliche Kinder der Betreuungsperson handelt. Maßgebend ist allein der gemeinsame Haushalt. Auf eine Bedarfsgemeinschaft kommt es nicht an. Mehrbedarfszuschlagsberechtigt ist auch eine volljährige oder minderjährige Alleinerziehende, die ihr Kind pflegt und erzieht, auch wenn sie im Haushalt ihrer Eltern lebt und eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildet. Selbst die Versorgung von Pflegekindern mit Bezug von Pflegegeld (§ 39 SGB VIII) steht schon mangels Zweckidentität der Leistungen dem Mehrbedarfszuschlag nicht entgegen (Haufe Onlinekommentar RZ. 32 zu § 21 SGB II, BSG, Urteil v. 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07 R, SGb 2009 S. 154).

Nach § 21 Abs. 4 SGB II wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des SGB XII erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Das sind Leistungen zur Erhaltung, Verbesserung, Herstellung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nach den Regelungen im SGB IX bzw. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit nach dem SGB XII.

  • 21 Abs. 4 SGB II setzt Behinderung voraus; die Anerkennung von Mehrbedarfen für Menschen, die von Behinderung bedroht sind, ist ausgeschlossen (Haufe Onlinekommentar RZ. 39 zu § 21 SGB II). Auf die Anerkennung dieses Mehrbedarfs besteht ein Rechtsanspruch.

Dieser Mehrbedarfszuschlag kann auch nach Beendigung der genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, gewährt  werden (§ 21 Abs. 4 Satz 2 SGB II). Bei der Anerkennung des Mehrbedarfs während der Übergangszeit handelt es sich um eine Ermessensleistung. Das Ermessen besteht  sowohl hinsichtlich des „ob" als auch hinsichtlich der Dauer, die vom Gesetzgeber als angemessener Zeitraum definiert wird. Dabei dürfte die Dauer der Maßnahme selbst die absolute Obergrenze für die sich anschließende angemessene Übergangszeit bilden (Haufe Onlinekommentar RZ. 40 zu § 21 SGB II).

Erwerbsfähige behinderte Menschen, die als Auszubildende aufgrund von § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind, haben keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen, weil aufgrund dieser Vorschrift Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des SGB II dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben. Der Grund ist, dass der Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 4 SGB II ausbildungsbedingt ist. Dieser Ausschluss besteht allerdings in den Fällen des § 7 Abs. 6 SGB II nicht. Das sind Auszubildende

  1. die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs. 1 des SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe haben,
  2. deren Bedarf sich nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, nach § 66 Absatz 1 oder § 106 Absatz 1 Nummer 1 des SGB III bemisst oder
  3. die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Anders als in den übrigen Fällen wird hier kein bestimmter Prozentsatz genannt.

Der Natur der Sache nach liegt eine kostenaufwändige Ernährung nur vor, wenn sie durch die Leistung für den Regelbedarf nicht abgedeckt werden kann; im Allgemeinen wird als Maßstab etwa die Hälfte der Leistung für den Regelbedarf für Ernährung zur Verfügung stehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 45 zu § 21 SGB II).

Nach § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums besteht.

Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Mit der Einfügung der Härtefallklausel in § 21 Abs. 6 SGB II ist das Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL1/09, 3/09 und 4/09, BGBl. I S. 193, SGB 2010 S. 227) umgesetzt worden. Durch Einfügung eines Abs. 6 wurde die Rechtsgrundlage für die vom BVerfG geforderte Härtefallregelung geschaffen. § 21 Abs. 6 SGB II soll sicherstellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. Dieser zusätzliche Anspruch dürfte nach Auffassung des BVerfG angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen. In § 21 Abs. 8 SGB II wird klargestellt, dass sich die Obergrenze für die Summe aller Mehrbedarfe nicht auf Leistungen nach der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II bezieht; denn für die Summe der Mehrbedarfe sind nur diejenigen nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II genannt. Damit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass nicht erneut durch eine Beschränkung eine atypische Bedarfslage ungedeckt bleiben könnte (Haufe Onlinekommentar RZ. 8 zu § 21 SGB II).

Nach der Gesetzesbegründung muss es sich bei dem in Sondersituationen auftretenden Bedarf, welcher im SGB II nicht bereits erfasst ist, oder welcher atypischen Ursprungs ist, oder welcher ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf ist, um einen längerfristigen, dauerhaften Bedarf handeln. Einmalige Bedarfe, wie z.B. eine Waschmaschine oder ein Wintermantel könnten durch ein Darlehen nach § 24 SGB II ausgeglichen werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Leistung für den Regelbedarf nach § 20 SGB II als pauschaler Gesamtbetrag gewährt werde, sei es dem Leistungsberechtigten allerdings vorrangig zumutbar, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (Einsparmöglichkeiten). Dies sei bei einem längerfristigen, dauerhaften Bedarf dagegen nicht mehr möglich (Haufe Onlinekommentar RZ. 10 zu § 21 SGB II). Ein Anspruch auf Übernahme des individuellen Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II könne nämlich nur dann entstehen, wenn es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren atypischen oder um einen ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf handele (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 21 SGB II). Von einem laufenden Bedarf wird jedenfalls ausgegangen werden können, wenn dieser monatlich regelmäßig wiederkehrt und somit in jedem Bedarfszeitraum anfällt (Haufe Onlinekommentar RZ. 53 zu § 21 SGB II).

Anwendungsfälle der Härtefallklausel des § 21 Abs. 6 könnten nach der Gesetzesbegründung dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen, wie z. B. HIV-Infektion oder Neurodermitis, sein, aber auch eine Putz- bzw. Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer und Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern. Diese Aufzählung sei nicht abschließend (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 21 SGB II). Solcher dauerhafter Hilfebedarf kann sich auch bei blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen ergeben, z.B. bei der Hilfe zur Haushaltsführung, wenn der Hilfebedarf auch durch das nach einem Landesgesetz gewährte Blindengeld oder die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII nicht abgedeckt ist. Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 73, 73a, 74 und 74a zu § 21 SGB II.

Wenn Bedarfe so geringfügig sind, dass sie aus der Leistung für den Regelbedarf durch Einsparung in einer anderen Position bestritten werden können, ist die Härtefallregelung nicht anwendbar, z. B. bei Batterien für Hörgeräte (Haufe Onlinekommentar RZ. 85 zu § 21 SGB II).

Nach § 21 Abs. 7 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen (z.B. eine Gastherme, einen Warmwasserboiler oder Durchlauferhitzer) erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Dieser Mehrbedarf ist abhängig vom Lebensalter nach Prozentsätzen des für die betreffende Person nach § 20 SGB II geltenden Regelsatzes gestaffelt.

Nach § 21 Abs. 8 SGB II können die Voraussetzungen für die verschiedenen Mehrbedarfszuschläge bei einer Person nebeneinander gegeben sein. Mehrbedarfe werden zusammengerechnet. Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen (§ 21 Abs. 8 SGB II). Vgl. zur Höhe des Regelbedarfs 8.1.3.1.1. Das sind für alleinstehende erwerbsfähige Personen seit 01.01.2011 364,00 Euro. Die Obergrenze für erwerbsfähige Leistungsberechtigte gilt auch, wenn der Leistungsberechtigte nicht erwerbsfähig ist. Die Obergrenze gilt für Leistungen aufgrund des § 21 Abs. 6 SGB II (Härtefallklausel) und § 21 Abs. 7 SGB II (Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung) nicht. Diese Leistungen werden zusätzlich erbracht, auch wenn die Obergrenze des § 8 SGB II durch die Bedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II dadurch überschritten wird oder bereits ausgeschöpft war.

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8.1.3.1.3 Bedarfe für Unterkunft und Heizung

Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehören gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II neben dem Regelbedarf und den Mehrbedarfen auch der Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die Einzelheiten enthält § 22 SGB II.

Die Erbringung von Leistungen für Bedarfe nach § 22 fällt in die originäre Zuständigkeit der kreisfreien Städte und der Landkreise (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), auch wenn sie nicht optiert haben. Sie ist im Übrigen Aufgabe der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II. Aus diesem Grund können Ansprüche auf Leistungen zu den Kosten für Unterkunft und Heizung gerichtlich als abtrennbare selbständige Ansprüche verfolgt werden. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes ist möglich (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 22 SGB II).

  • 22 SGB II regelt die Leistungen für Unterkunft und Heizung einschließlich damit zusammenhängender Kosten zur Wohnraumbeschaffung.

Die Leistungen werden auch für Teilmonate erbracht, wenn sie nicht für einen vollen Monat zustehen (BSG, Urteil v. 07.05.2009, B 14 AS 13/08 R, SGb 2009 S. 411).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Wichtigster Maßstab für die Angemessenheit der Unterkunft ist die Wohnfläche. Dafür wiederum kommt es auf den individuellen Bedarf des Leistungsberechtigten und der mit ihm in derselben Wohnung lebenden Personen an.

Haushaltsgemeinschaft und Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 2 SGB II) werden oft identisch sein. Eine Haushaltsgemeinschaft kann aber auch mehrere Bedarfsgemeinschaften beinhalten ebenso wie Personen, die zu keiner Bedarfsgemeinschaft gehören. Für die Höhe der Aufwendungen für die Unterkunft sind allerdings nur die Anteile der Unterkunftskosten, die auf den Leistungsberechtigten und die Bedarfsgemeinschaft entfallen maßgebend. Auf jeden „Wohnungsangehörigen" und eben nicht Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft entfällt ein gleich hoher Anteil an Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 22 SGB II mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).

Für die Angemessenheit der Wohnfläche kommt es nur auf die Wohnfläche an, die auf den Leistungsberechtigten und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallen (Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 22 SGB II). In Anlehnung an die Regelungen zum sozialen Wohnungsbau ist eine Wohnung nach der Zahl der Zimmer grundsätzlich angemessen, wenn sie ohne Küche/Bad sowie ggf. sonstige Nebenräume (z.B. Speicher, Abstellraum) und Flur je Haushaltsmitglied ein Zimmer nicht übersteigt. Bei Alleinstehenden kommen auch 2 Zimmer in Betracht. Gehören Kleinkinder zum Haushalt, können Zimmerabschläge angebracht sein. Der Beurteilung der Angemessenheit der Wohnfläche kann bei allgemeiner Betrachtung eine Grundgröße von bis zu 50 m2 für einen Alleinstehenden zugrunde gelegt werden; jedes zusätzliche Zimmer für einen weiteren Haushaltsangehörigen sollte die Größe von 10 bis 15 m2 nicht überschreiten. Für einen Haushalt von 4 Personen (Ehepaar mit 2 Kindern in eigenen Kinderzimmern) ergibt sich dadurch z.B. eine Wohnung, die mit 4 Zimmern und ca. 90 m2, maximal 95 m2 noch als angemessen angesehen werden kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 22 zu § 22 SGB II). Soweit eine Satzung gem. § 22a SGB II erlassen worden ist, soll diese bei der Festlegung des als notwendig anzuerkennenden Raumbedarfs Bestimmungen enthalten für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf wegen einer Behinderung haben. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Wohnungsbedarfs ist, auch wenn keine derartige Satzung besteht, der durch die Blindheit einer Person erforderliche zusätzliche Raumbedarf zu berücksichtigen, muss aber im konkreten Fall begründet werden. Ein erhöhter Raumbedarf könnte z.B. durch den Gebrauch von Hilfsmitteln gegeben sein (Raumbedarf, Geräuschentwicklung).

Orientierungspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit des Mietzinses ist der örtliche Mietspiegel, ersatzweise der Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde oder die Mietdatenbank (abstrakte Angemessenheit). Ggf. muss der Grundsicherungsträger eigene grundsicherungsrelevante Spiegel erstellen. Auch andere empirische Erkenntnisse, statistische Belege oder gesetzgeberische Anhaltspunkte (Tabellen in Gesetzen und Verordnungen) können als Beurteilungshilfe herangezogen werden. Wird auf einen Mietspiegel und dort auf eine bestimmte Baualtersklasse mit einfachem Ausstattungsstandard zurückgegriffen, bedarf es der Feststellung, dass derartige Wohnungen statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden sind, dass allein auf diese Baualtersklasse zurückgegriffen werden kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 22 SGB II; BSG, Urteil v. 13.04.2011, B 14 AS 32/09 R).

Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisher bereits bewilligte Bedarf anerkannt, selbst wenn auch die neue Wohnung angemessen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gem. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Dieser Zeitraum kann in Einzelfällen verlängert werden (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei dem Ermessen, ob dieser Zeitraum verlängert wird, sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Deshalb muss auch in diesem Zusammenhang beachtet werden, ob durch die Blindheit der oder des alleinstehenden Leistungsberechtigten oder eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft unzumutbare Probleme entstehen, z.B. durch Orientierungsschwierigkeiten in einer anderen Wohnumgebung. Das kann sogar dazu führen, dass ein Umzug in ein anderes Wohnumfeld überhaupt nicht zumutbar ist (Haufe RZ. 59 und 60c zu § 22 SGB II).

Wenn der zugebilligte Zeitraum überschritten wird, wird die Leistung auf den angemessenen Bedarf gesenkt. Es liegt in der Verantwortung und Entscheidungsfreiheit der Empfänger von Leistungen nach § 22 SGB II, die Unterkunft auch weiterhin beizubehalten. Allerdings werden die Leistungen dann auf das angemessene Maß gekürzt, Mehraufwendungen muss die Bedarfsgemeinschaft aus der Regelleistung bestreiten (Haufe Onlinekommentar RZ. 52 zu § 22 SGB II).

Eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen muss gem. § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II eröffnet damit seit dem 01.01.2011 den kommunalen Trägern nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit, abweichend von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (ggf. auch zeitweise) auch unangemessen hohe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Die Vorschrift dient ausschließlich den Interessen der kommunalen Träger und begründet keine subjektiven Rechte zugunsten der Leistungsberechtigten (Haufe Onlinekommentar RZ. 4a zu § 22 SGB II). Solche in die Erwägung des kommunalen Trägers einzubeziehenden Leistungen sind Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten. Das müsste aber auch für ein wegen Blindheit erforderlich werdendes Mobilitätstraining gelten, sofern der kommunale Träger dafür aufzukommen hätte.

Bewohnen die Leistungsberechtigten ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, gehören zu den Kosten der Unterkunft grundsätzlich die damit verbundenen Belastungen ohne Tilgungszahlungen, also z.B. Schuldzinsen für Hypotheken, Grundsteuer und weitere öffentliche Abgaben, die Wohngebäudeversicherung, der Erbbauzins sowieNebenkosten wie bei Mietwohnungen (Müllabfuhrgebühren, Aufwendungen für Schornsteinfeger und Straßenreinigung). Auch die Kosten für die Erneuerung oder Ausbesserung der Abschlusskanäle (Anschlusskosten für die Verlegung von Anschlusskanälen) gehören zu den Bedarfen zur Deckung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Haufe Onlinekommentar RZ. 38a zu § 22 SGB II). Allerdings sind Fallgestaltungen möglich, in welchen auch Tilgungskosten ganz oder teilweise zu berücksichtigen sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 40, 41 und 42 zu § 22 SGB II).

Nach der Summe der zu berücksichtigenden Aufwendungen ist zu beurteilen, ob die Aufwendungen angemessen sind oder ob die Grenze der Angemessenheit überstiegen wird. Insgesamt gelten für die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung für selbstbewohntes Wohneigentum die gleichen Maßstäbe wie bei Mietwohnungen. Auch Eigenheime und Eigentumswohnungen unterliegen dem Gebot der Angemessenheit. Dabei können bei Eigentumswohnungen in etwa die Größen angesetzt werden, die auch für Mietwohnungen berechnet werden. Unter Berücksichtigung der Besonderheit eines vollzogenen Erwerbs und der in der Vergangenheit als förderungsfähig angesehenen Größen werden Eigentumswohnungen für vier Personen regelmäßig bis zu einer Wohnfläche von 120 m2 als angemessen anzusehen sein (Haufe Onlinekommentar RZ. 43 zu § 22 SGB II). Das BSG hat in seinem  Urteil v. 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R, SozR 4-4200 § 12 Nr. 3 - auf die Bestimmungen des mittlerweile außer Kraft getretenen II. Wohnungsbaugesetzes abgestellt, um eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten.Danach sind Eigentumswohnungen mit einer Größe von 120 m2 auf 4 Personen zu beziehen. Bei geringerer Familiengröße sind Abschläge von 20 m2 je Person vorzunehmen.

Bewohnt ein Hilfebedürftiger eine Eigentumswohnung allein, hält das BSG eine Größe von 80 m2 für angemessen, weil stets von einer Mindestzahl von 2 Personen auszugehen ist. Der Marktwert einer Eigentumswohnung oder eines Eigenheims ist für die Frage der Angemessenheit unerheblich. Bei Eigenheimen sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Allgemein gilt ein Eigenheim bis zu einer Wohnfläche von höchstens 130 m2 als noch angemessen; Grundstücke können je nach Lage 400 m2 bis 500 m2 in städtischen und bis 800 m2 in ländlichen Regionen groß sein, ohne unangemessen zu werden. So bestimmen es auch die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zur Berücksichtigung von Vermögen nach § 12 SGB II. Mitunter enthalten die örtlichen Bebauungspläne höhere Werte.

Die Leistungen für den Bedarf der Heizkosten sind untrennbar mit den Leistungen für Unterkunftskosten verbunden. Die Leistungen für Heizung orientieren sich an den tatsächlichen Aufwendungen und der Angemessenheit dieser Aufwendungen. Nicht erstattungsfähig sind Heizkosten dann, wenn sie bei sachgerechter und wirtschaftlicher Beheizung nicht erforderlich sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 67 zu § 22 SGB II). Die Angemessenheit von Heizkosten richtet sich in erster Linie nach der Angemessenheit der Unterkunftskosten in Bezug auf die Wohnungsgröße. Das vorhandene oder gewählte Heizsystem entzieht sich regelmäßig der Einflussnahme des Leistungsträgers (Haufe Onlinekommentar RZ. 74 zu § 22 SGB II). Ob Heizkosten angemessen sind oder nicht, ist in der täglichen Praxis kaum überprüfbar. Dem steht ein individuell unterschiedliches Empfinden der Menschen entgegen (Haufe Onlinekommentar RZ. 75 zu § 22 SGB II). Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind Sonderbedarfe zu berücksichtigen (Kleinkind, Krankheit, Alter, Behinderung usw., Haufe Onlinekommentar RZ. 76 zu § 22 SGB II).

Nach § 22 Abs. 2 SGB II können Aufwendungen für die Instandhaltung und Reparatur von selbst bewohntem Wohneigentum berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten sein, wenn sie tatsächlich anfallen. Voraussetzung ist, dass sie nicht zu einer Verbesserung des Standards des selbst genutzten Wohneigentums führen und angemessen sind. § 22 Abs. 2 SGB II stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage für Leistungen zur Deckung des Bedarfs für unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparaturen bei selbst bewohntem Wohneigentum, das nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, weil es von angemessener Größe ist und von dem Leistungsberechtigten selbst bewohnt wird. Die Regelung hat ihren Grund darin, dass solche Aufwendungen im Mietfall von den Eigentümern auf die Miete umgelegt werden und so auch Mieter letztlich derartige Aufwendungen als Bedarf im angemessenen Rahmen anerkannt bekommen (Haufe Onlinekommentar RZ. 79b zu § 22 SGB II). Unabweisbar sind dabei nur zeitlich besonders dringliche Aufwendungen, die absolut unerlässlich, objektiv zwingend erforderlich und unaufschiebbar sind, um dauerhafte, sich verschlimmernde Schäden von dem Hausgrundstück oder der Eigentumswohnung abzuwenden (Haufe Onlinekommentar RZ. 4b und 79b zu § 22 SGB II). Die zu berücksichtigenden Aufwendungen sind auf die innerhalb von 12 Monaten insgesamt als angemessen übernahmefähigen Aufwendungen begrenzt. Letztlich geht es darum, durch Addition des Bedarfs zu den sonst nach § 22 Abs. 1 SGB II zu gewährenden Leistungen zur Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung festzustellen, ob dadurch die angemessenen Aufwendungen überschritten werden. In dem Umfang, in dem das der Fall ist, werden Leistungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht erbracht. Das bedeutet einerseits, dass keinerlei Zuschüsse nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II erbracht werden dürfen, wenn schon zuvor die Aufwendungen unangemessen hoch waren oder die Grenze der Angemessenheit erreicht wurde, und andererseits, dass der Bedarf vollständig durch Zuschüsse gedeckt wird, wenn die ohnehin anfallenden angemessenen Aufwendungen zuzüglich der für die Instandhaltung und Reparatur unabweisbaren Aufwendungen insgesamt immer noch angemessen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 79d zu § 22 SGB II).

Liegen die tatsächlichen Aufwendungen bereits oberhalb der geltenden Obergrenzen, werden keine Zuschüsse erbracht. Für darüber hinausgehende unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur kann nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Sicherung der Unterkunft ein Darlehen erbracht werden. Dieses soll im Regelfall dinglich gesichert werden.

  • 22 Abs. 3 regelt die Berücksichtigung von Rückzahlungen und Guthaben. Mit Rückzahlungen sind Erstattungen von vorausgezahlten Heizkosten (Abschlagszahlungen) gemeint, die der Vermieter oder das Energieversorgungsunternehmen auszahlt. Guthaben entstehen, wenn die Erstattungsbeträge nicht ausgezahlt werden, sondern auf die zukünftig zu leistenden Abschlagszahlungen angerechnet werden. Betroffen sind nur die Erstattungsbeträge und Guthaben, die auf die Heizung entfallen.
  • 22 Abs. 4 SGB II trifft eine Regelung für Hilfebedürftige, die allein oder mit ihrer Bedarfsgemeinschaft eine neue Unterkunft anmieten wollen. Nach § 22 Abs. 4 SGB II soll vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers bzw. der gemeinsamen Einrichtung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der Leistungsberechtigte sollte nicht nur eine Zusicherung zur Übernahme der künftigen Unterkunftskosten einholen, sondern auch eine solche zur Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten, Umzugskosten und der Mietkaution (§ 22 Abs. 6 SGB II). Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Der Umzug kann z.B. erforderlich sein, wenn sich die Bedarfsgemeinschaft infolge Geburt vergrößert oder durch Wegzug von Mitgliedern verkleinert bzw. wenn der Umzug für eine Arbeitsaufnahme notwendig wird. In Fällen, in welchen der Umzug nicht erforderlich ist, kann die Zusicherung erteilt werden. Erfüllt der Leistungsberechtigte das gesetzliche Verlangen, d.h. die Obliegenheit, die Zusicherung des kommunalen Trägers oder der gemeinsamen Einrichtung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II einzuholen nicht, bleibt dies für ihn folgenlos, soweit nach Maßgabe des § 22 Abs. 1, insbesondere Satz 2 SGB II, die Aufwendungen für die Unterkunft angemessen und nicht höher als zuvor sind. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist dann nicht anwendbar (Haufe Onlinekommentar RZ. 85 zu § 22 SGB II).

Nach § 22 Abs. 5 SGB II werden, sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. § 22 Abs. 5 SGB II gilt ausnahmslos für jegliche Umzüge junger Personen unter 25 Jahren. In der Praxis richten die Grundsicherungsstellen die Umsetzung des § 22 Abs. 5 SGB II an Empfehlungen aus, die der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge herausgegeben hat (NDV 2007 S. 4; Haufe Onlinekommentar RZ. 91 zu § 22 SGB II).

Ab dem Geburtstag, an dem der junge Erwachsene 25 Jahre alt wird, sind Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erbringen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Bei der nach § 22 Abs. 5 SGB II erforderlichen Zusicherung handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung, weil ansonsten keinerlei Leistungen nach § 22 erbracht werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 93 zu § 22 SGB II). Zuständig für die Abgabe der Zusicherung ist der kommunale Träger bzw. die gemeinsame Einrichtung nach § 42b SGB II.

Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

  1. die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
  2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
  3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

Wenn diese Gründe nicht vorliegen, ist über die Erteilung der Zusicherung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Vom Erfordernis der Zusicherung kann gem. § 22 Abs. 5 Satz 3 SGB II abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.

Nach § 22 Abs. 6 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten vom kommunalen Träger bzw. der gemeinsamen Einrichtung des § 42b SGB II als Ermessensleistungen übernommen werden. Dabei stellt der Begriff Wohnungsbeschaffungskosten den Oberbegriff dar, der auch Umzugskosten und Mietkautionen umfasst. Der Regelung liegt zum einen die Überlegung zugrunde, dass bei einem Verlangen nach § 42 Abs. 1 SGB II, der Leistungsberechtigte möge wegen der unangemessenen Aufwendungen für die Unterkunft eine solche mit angemessenen Aufwendungen beziehen, dies im Regelfall wegen der Hilfebedürftigkeit nur möglich ist, wenn die durch den Umzug entstehenden Kosten übernommen werden. Erwägungen, ob die durch Umzug einzusparenden Leistungen die Aufwendungen nach § 22 Abs. 6 SGB II voraussichtlich decken oder übertreffen werden, muss die Kommune bzw. die gemeinsame Einrichtung bereits bei den Überlegungen nach § 22 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB II anstellen. Zum anderen will die Vorschrift Rechtssicherheit für den Leistungsberechtigten (und seine Bedarfsgemeinschaft) schaffen, wenn nicht der kommunale Träger bzw. die gemeinsame Einrichtung den Umzug veranlasst hat, sondern der Leistungsberechtigte selbst wegen veränderter Umstände umziehen möchte (Haufe Onlinekommentar RZ. 119 zu § 22 SGB II).

Voraussetzung ist die vorherige Zusicherung der Übernahme durch die Grundsicherungsstelle. Diese soll erteilt werden, wenn das Jobcenter den Umzug selbst veranlasst hat (§ 22 Abs. 6 Satz 2 SGB II) oder der Umzug notwendig ist. Die Zusicherung soll aber nur erteilt werden, wenn ansonsten eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann, weil z.B. die Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt eine kautionsfreie Anmietung als unwahrscheinliche Möglichkeit erscheinen lassen. Die Zusicherung kann alle Teilleistungen wie auch einzelne Teilleistungen umfassen. Nach § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II sollen Mietkautionen als Darlehen erbracht werden. Die Zusicherung darf die für die bisherige Unterkunft zuständige Grundsicherungsstelle erteilen, die Zusicherung für die Mietkaution jedoch nur die für die neue Unterkunft zuständige Grundsicherungsstelle.

Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Schulden i.S.d. § 22 Abs. 8 SGB II sind insbesondere Miet- und Energieschulden, soweit sie Leistungen für die Heizung betreffen.

Voraussetzung für die Übernahme von Schulden nach § 22 Abs. 8 SGB II ist, dass der Leistungsberechtigte nach dem Nachranggrundsatz die Notlage nicht selbst beseitigen kann. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB II, also als Grundfreibetrag geschütztes Vermögen, ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

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8.1.3.1.4 Besonderheiten des Sozialgeldes

Der Sicherung des Lebensunterhalts dient auch das Sozialgeld. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II erhalten hilfebedürftige Personen, die nicht erwerbsfähig sind (also keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben) und mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der selbst dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe gem. §§ 41 ff. SGB XII haben. Diese gehen dem Sozialgeld vor (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4.

Wenn eine Bedarfsgemeinschaft besteht, kann ein Anspruch auf Sozialgeld auch gegeben sein, wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte kein Arbeitslosengeld II erhält, weil er von einem Leistungsausschluss betroffen ist. Das ist z.B. bei Kindern von Auszubildenden, wie z.B. von Studenten, welche nach § 7 Abs. 5 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (mit Ausnahme der Leistungen nach § 27 SGB II) ausgeschlossen sind, der Fall.

Das Sozialgeld entspricht im Kern dem Arbeitslosengeld II. Von diesem unterscheidet es sich nur durch einige in § 23 SGB II geregelte Besonderheiten. Der Anspruch auf Sozialgeld ist nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur insoweit ausgeschlossen, als die betroffene Person Leistungen der Sozialhilfe nach den §§ 41 ff. SGB XII erhält. Das Sozialgeld kann die Sozialhilfeleistungen der §§ 41 ff. SGB XII deshalb ergänzen. In der Sozialhilfe gelten schärfere Regelungen zur Berücksichtigung von Vermögen als nach dem SGB II; aus diesem Umstand kann sich ein Anspruch auf Sozialgeld ergeben, während ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nicht oder nur in geringem Umfang besteht (Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 19 SGB II).

Das Sozialgeld umfasst die gleichen Leistungen wie das Arbeitslosengeld II mit Ausnahme derjenigen, die nur für Erwerbsfähige erbracht werden. Das Sozialgeld umfasst deshalb gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II), von Mehrbedarfen z.B. bei Schwangerschaft, Behinderung oder Alleinerziehung sowie für Bedarfe in atypischen Bedarfslagen (§ 21 SGB II) und zur Deckung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II).

Leistungen nach § 24 SGB II bei einmaligen Bedarfen und für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II  werden gesondert erbracht. Im Übrigen gelten die Regelungen für Leistungen zum Arbeitslosengeld II entsprechend, z.B. die gesetzlich geschaffenen Möglichkeiten, Darlehen zu erhalten (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 23 SGB II).

Die in § 23 SGB II geregelten Besonderheiten gegenüber dem Arbeitslosengeld II betreffen insbesondere die Höhe der Regelsätze (§ 23 Nr. 1 SGB II) und bei den Anspruchsvoraussetzungen für Mehrbedarfe (§ 23 Nr. 2, 3 und 4 SGB II).

Die Regelleistung der Leistungsgruppe Sozialgeld orientierte sich bis zum 31.12.2010 an der (damaligen) Regelleistung des Arbeitslosengeldes II (§ 20 SGB II). Diese Regelleistung wurde nach dem Alter des Sozialgeld-Berechtigten prozentual abgestuft.

Auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts und des Hessischen Landessozialgerichts hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 (BGBl. I S. 193, SGb 2010 S. 227) die Art, wie die Höhe des Sozialgeldes ermittelt wurde, für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassungswidrigkeit bezog sich insbesondere darauf, dass die Leistungen für Kinder und Jugendliche „ins Blaue hinein" bemessen wurden; eine prozentuale Ableitung aus dem Bedarf von Erwachsenen, wie sie bis zur jetzigen Regelung galt, war unzulässig, weil Kinder keine „kleinen Erwachsenen" sind. Damit verstieß die frühere Regelung gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 GG.

  • 23 Nr. 1 SGB II legt nunmehr die monatliche Leistung zur Deckung des Regelbedarfs für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres auf 213,00 Euro, für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres (6 bis einschließlich 13 Jahre) auf 242,00 Euro und im 15. Lebensjahr auf 275,00 Euro monatlich fest. Vgl. dazu aber die auf der Besitzstandsregel des § 77 Abs. 4 Nr. 2, 3 und 4 SGB II beruhenden höheren Beträge.

Die Beträge der Regelsätze in § 23 Nr. 1 SGB II beruhen auf dem Ergebnis der Neufestsetzung der Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe, die auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 auf der Basis des § 28 SGB XII und des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes festgestellt worden sind. Die Regelbedarfe fallen geringer aus als die Regelleistungen, die bis zum 31.12.2010 galten (Haufe Onlinekommentar RZ. 4 zu § 23 SGB II). Nach § 77 Abs. 4 SGB II werden, solange sich durch die Fortschreibung der in § 23 Nr. 1 SGB II genannten Beträge gem. § 20 Absatz 5 SGB II kein höherer Betrag ergibt, folgende Beträge gewährt:

  • für Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 215,00 Euro (anstelle von 213,00 Euro),
  • vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 251,00 Euro (anstelle von 242,00 Euro),
  • im 15. Lebensjahr 287,00 Euro (anstelle von 275,00 Euro).

Ab dem 16. Lebensjahr sind die Kinder bzw. Jugendlichen i.d.R. erwerbsfähig und werden dann in der Bedarfsgemeinschaft § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II zugeordnet (sonstige erwerbsfähige minderjährige Personen). Ihr Regelbedarf beträgt deshalb nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. der Besitzstandsklausel des § 77 Abs. 4 SGB II bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 287,00 Euro, ab Vollendung des 18. Lebensjahres 291,00 Euro monatlich.

Der Anspruch auf Leistungen für den Mehrbedarf richtet sich auch für Sozialgeldberechtigte gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II nach § 21 SGB II. Das sind Leistungen für Mehrbedarfe, z. B. bei Schwangerschaft, Behinderung oder Alleinerziehung sowie für Bedarfe in atypischen Bedarfslagen. Zu Mehrbedarfen vgl. 8.1.3.1.2.

Nach § 23 gelten zusätzlich folgende Regelungen: Mehrbedarfe nach § 21 Absatz 4 SGB II werden gem. § 23 Nr. 2 SGB II auch bei behinderten Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, anerkannt, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII § 54 Abs. 1 Nummer 1 (Hilfen zur Schulbildung) und 2 (Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule) erbracht werden (das ist ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs).

  • 21 Absatz 4 Satz 2 SGB II gilt gem. § 23 Nr. 3 SGB II auch nach Beendigung der in § 54 Abs. 1 Nummer 1 und 2 des SGB XII genannten Maßnahmen. Das bedeutet, dass der Mehrbedarf von 35 % nach Beendigung der oben genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden kann. Bei der Leistung während einer Übergangszeit handelt es sich um eine Ermessensleistung. Während einer Einarbeitungszeit kann der Mehrbedarf regelmäßig für 6 Monate, in besonders begründeten Einzelfällen auch für ein Jahr oder darüber hinaus anerkannt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 23 SGB II).

Gem. § 23 Nr. 4 SGB II wird bei nicht erwerbsfähigen Personen, die gemäß dem Rentenrecht (hier: § 43 SGB VI) voll erwerbsgemindert sind, ein Mehrbedarf von 17 Prozent der nach § 20 maßgebenden Regelbedarfe anerkannt, wenn sie Inhaberin oder Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 des SGB IX (Schwerbehindertenausweis) mit dem Merkzeichen G (gehbehindert) sind; dies gilt nicht, wenn bereits ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Absatz 4 SGB II oder nach § 23 Nr. 2 oder 3 (35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs) besteht. Das Merkzeichen G erhalten schwerbehinderte Menschen, bei denen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr vorliegt. Nach § 146 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden,

nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere gehen kann. Hierbei ist nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des Betroffenen oder örtlichen Gegebenheiten abzustellen. Diese Voraussetzungen sind bei sehbehinderten und blinden Menschen mit dem Merkzeichen G im Schwerbehindertenausweis gegeben. Das Merkzeichen G erhalten sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 70 oder mehr sowie blinde Menschen (vgl. Heft 02 3.3.2 dieser Schriftenreihe).

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8.1.3.2 Abweichende Leistungserbringung und weitere Leistungen

Regelungen über abweichende Formen der Leistungserbringung und über weitere Leistungen enthalten die §§ 24 bis 27 SGB II. Nach § 4 Abs. 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende in Form von Geld- und Sachleistungen erbracht. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 20 ff. SGB II werden in der Regel als Geldleistungen erbracht. Wann und in welchem Umfang an ihre Stelle Sachleistungen treten können, ist insbesondere den §§ 24 und 28 SGB II zu entnehmen.

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8.1.3.2.1 Leistungen für über den Regelbedarf hinausgehende und einmalige Bedarfe
  • 24 SGB II regelt Sachverhalte, bei denen Leistungen, abgesehen von den Leistungen für einmaligem Bedarf nach Abs. 3, nicht als Zuschuss, sondern als Darlehen und anstatt in Geld als Sachleistung erbracht werden können.
  • 24 Abs. 3 SGB II regelt Tatbestände, bei deren Vorliegen zusätzliche Leistungen erforderlich werden, weil der Bedarf nicht von der Leistung zur Deckung des Regelbedarfs im Sinn von § 20 SGB II gedeckt wird.

Bei § 24 SGB II handelt es sich um eine Auffangvorschrift, die einerseits eine zweckmäßige und wirtschaftliche Mittelverwendung begünstigt und andererseits den Verweis an den Sozialhilfeträger für Aufgaben nach dem SGB XII bei bestimmten Sachverhalten erübrigt. Die Leistungen können unabhängig von einer Bedarfsgemeinschaft auch isoliert beansprucht werden, also auch vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten allein. Das BVerfG hat entschieden,

dass es mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar ist, dass im SGB II keine Regelung enthalten ist, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs vorsieht (BVerfG, Urteil v. 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09, BGBl. I S. 193, SGb 2010 S. 227). Diesen Anspruch sieht das BVerfG für atypische Bedarfslagen als erforderlich an, die nicht von den vorgesehenen Leistungen zur Grundsicherung abgedeckt werden, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Leistung für den Regelbedarf nach § 20 SGB II beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber den darüber hinausgehenden besonderen Bedarf in atypischen Bedarfslagen oder überdurchschnittlichen Bedarf (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 24 SGB II).

Nach § 24 Abs. 1 SGB II erbringt die Agentur für Arbeit, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weitergehende Leistungen sind ausgeschlossen.

  • 24 Abs. 1 SGB II ist eine Auffangvorschrift zur Deckung besonderer Bedarfe, die an sich mit der Leistung für den Regelbedarf nach § 20 SGB II abgegolten sind. In Betracht kommen Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, aus der Leistung für den Regelbedarf zu bestreitende Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens und Bedarfe zur Teilnahme am kulturellen Leben und zum Aufbau und Erhalt von Beziehungen zur Umwelt (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II). Den Jobcentern wird durch § 24 Abs. 1 SGB II die Möglichkeit eingeräumt, aufgrund von Darlegungen der Bedarfsgemeinschaft, die den Sachverhalt als Sonderfall ausweisen und den Bedarf als unabweisbar belegen, ein Darlehen zu bewilligen. Einzelheiten zur Darlehensgewährung regelt § 42a SGB II. Dient der Bedarf der Sicherung des Lebensunterhalts und kann er durch die Vermögensrücklage aufgrund des § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II für notwendige Anschaffungen i. H. v. 750,00 Euro je Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht gedeckt werden, was seit dem 01.01.2011 ausdrücklich in der Vorschrift bestimmt ist, besteht kein Ermessensspielraum mehr, sondern ist ein Rechtsanspruch auf Gewährung des Darlehens gegeben, wenn sich auch keine andere Möglichkeit anbietet, um den Sonderbedarf zu decken. Das Darlehen kann in Geld gewährt werden, die Grundsicherungsstelle kann den Bedarf zur Sicherung einer zweckentsprechenden Verwendung aber auch als Sachleistung erbringen; in diesem Fall entspricht der Anschaffungspreis dem Darlehensbetrag (Haufe Onlinekommentar RZ. 2a zu § 24 SGB II).

Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt durch Aufrechnung mit den Leistungen für den Regelbedarf (§ 42a SGB II). Die Höhe der Aufrechnung beträgt gem. § 42a Abs. 2 SGB II monatlich 10 % der maßgebenden Leistung für den Regelbedarf. Dadurch soll eine Überforderung der Bedarfsgemeinschaft vermieden werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 2b zu § 24 SGB II).

Nach § 24 Abs. 2 SGB II kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden, solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 SGB II  ihren Bedarf zu decken. Zum Regelbedarf vgl. 8.1.3.1.1.

Durch § 24 Abs. 2 SGB II soll erreicht werden, dass die Leistungen für den Regelbedarf zweckentsprechend verwendet werden. Das Jobcenter muss anhand von Tatsachen nachweisen, dass der Leistungsberechtigte ungeeignet für den Umgang mit der Regelleistung in Geld ist. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Nichteignung ist erst dann anzunehmen, wenn der Leistungsberechtigte wiederholt seinen Bedarf mit der Regelleistung nicht deckt und prognostiziert werden muss, dass sich dies auch zukünftig wiederholen wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 24 SGB II). Wegen der grundsätzlichen Dispositionsfreiheit des Leistungsberechtigten ist § 24 Abs. 2 SGB II sehr restriktiv auszulegen (Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 24 SGB II). Die Sachleistung kann z.B. durch Gutscheine für Lebensmittel erfolgen. Die Entscheidungen nach § 20 Abs. 2 SGB II sind Verwaltungsakte. Ihnen muss eine Anhörung vorausgehen (§ 24 SGB X). Es handelt sich um Ermessensentscheidungen.

Nach § 24 Abs. 3 sind nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst Bedarfe für

  1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
  2. Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
  3. Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.

Zum Regelbedarf vgl. 8.1.3.1.1. § 24 Abs. 3 SGB II nimmt einige Bedarfe, die dem Grunde nach von der Regelleistung nach § 20 SGB II umfasst würden, aus sozialpolitischen Erwägungen von dieser aus und weist sie als Sonderbedarfe aus, für die zusätzliche Leistungen erbracht werden. Darauf besteht ein Rechtsanspruch. Dass diese Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II gesondert zu erbringen sind, bedeutet insbesondere, dass sie gesondert zu beantragen sind und die Grundsicherungsstelle sie gesondert zu bewilligen hat. Zugleich wird vermieden, dass Hilfebedürftige trotz der Nähe zur Leistung für den Regelbedarf nach dem SGB II bei Auftreten des Bedarfs an den Träger der Sozialhilfe verwiesen werden müssen. Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Diese Leistungen werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach § 24 Satz 1 Nummer 1 und 2 SGB II (Leistungen für Erstausstattungen) können als Sachleistung oder Geldleistung erbracht werden. Dabei kann für eine Erstausstattung auch ein pauschaler Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden, dem Listen mit Einrichtungsgegenständen und Bekleidungsstücken zugrunde liegen. Es sind nur Grundausstattungen zu gewähren, die einfachen Bedürfnissen genügen. Es besteht kein Anspruch auf vollständige und bestmögliche Ausstattung (Haufe Onlinekommentar RZ. 21 zu § 24 SGB II).

  • 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sieht Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten vor. Spezielle Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Leistung für Personen unter 25 Jahren enthält § 24 Abs. 6 SGB II.

Zu den relevanten Sachverhalten des § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II gehören:

  • der erstmalige Bezug einer (eigenen) Wohnung durch einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten allein oder unter Bildung einer Bedarfsgemeinschaft,
  • der Neubezug einer Wohnung nach einem Schadensereignis, wie z. B. Wasser- oder Feuerschaden,
  • der Umzug von einer unangemessenen in eine angemessene Wohnung in Fällen des § 22 Abs. 4 SGB II, soweit Zusatzausstattungen erforderlich werden. Zur Angemessenheit von Wohnraum vgl. 8.1.3.1.3.
  • 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II sieht Leistungen für die Erstausstattung mit Bekleidung, auch Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt vor. Leistungen kommen in Betracht nach
  • Eintritt einer Schwangerschaft und für die Zeit einer Schwangerschaft,
  • Geburt,
  • Erstausstattung nach einem Schadensereignis unter Verlust der Kleidung,
  • Erstausstattung bei Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II, wenn keine ausreichende Kleidung vorhanden ist.

Für Säuglinge sind nicht nur Bekleidungsstücke einschließlich Windeln zu übernehmen, sondern auch eine Grundausstattung mit Sachgegenständen, wie Wickelauflagen, Kinderwagen, Kinderbett einschließlich Bettwäsche usw. Insoweit ist Nr. 2 als „einschließlich Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt" zu lesen (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 24 SGB II).

Bei den Leistungen nach § 24 Abs. 3 Nr. 3 SGB II ist zu beachten, dass ein Anspruch nur insoweit infrage kommt, als die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Es handelt sich somit in aller Regel um den vom Leistungsberechtigten zu tragenden Eigenanteil (Zuzahlungen und Praxisgebühren).

Nach § 24 Abs. 4 SGB II können Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 20 bis 23 SGB II) als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich zu berücksichtigende Einnahmen anfallen. Bei diesen Sachverhalten kann das Jobcenter im Hinblick auf das Einkommen nur noch ein Darlehen zur Überbrückung des Zeitraumes bewilligen,

bis zu dem das Einkommen tatsächlich zufließt. Die Regelung ist als Kann-Vorschrift konzipiert und räumt den Jobcentern damit einen Entscheidungsspielraum ein, der nach pflichtgemäßem Ermessen auszufüllen ist. Damit soll gewährleistet werden, dass Entscheidungen nach § 24 Abs. 4 SGB II nicht schematisch getroffen werden, sondern unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles darüber befunden wird, ob aus Gründen der Zweckmäßigkeit Leistungen nur noch als Darlehen gewährt werden sollen. Erfasst werden nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Trotz der Anordnung der Vorschrift in § 24 erfasst sie auch das Sozialgeld und schließt damit Leistungen an die nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ein (Haufe Onlinekommentar RZ. 36 zu § 24 SGB II). Bei den zu erwartenden Einnahmen muss es sich um solche handeln, die nach § 11 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 39 zu § 24 SGB II). Die Gewährung eines Darlehens kommt nicht in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte über Vermögen verfügt,  das er für den Überbrückungszeitraum für den Lebensunterhalt nutzbar machen kann. Voraussetzung ist also, dass es sich um bereites Vermögen handelt, das ohne zeitlichen Verzug und besondere Nachteile verwertet werden kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 39 zu § 24 SGB II).

Nach § 24 Abs. 5 SGB II sind Leistungen als Darlehen zu erbringen, soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird. § 24 Abs. 5 SGB II greift den Sachverhalt aus § 9 Abs. 4 SGB II auf, bei dem der Leistungsberechtigte an sich zu verbrauchendes oder zu verwertendes Vermögen tatsächlich nicht verwerten kann oder dies für ihn eine besondere Härte bedeuten würde. Auch in diesem Fall dürfen Leistungen zur Grundsicherung für den Lebensunterhalt nur als Darlehen erbracht werden. Ein Darlehen kann längstens für den Zeitraum bewilligt werden, für den Vermögen nicht verwertet werden kann. Ist dieser Zeitraum nicht exakt zu bestimmen, gelten die sonstigen Bestimmungen des SGB II entsprechend. Das bedeutet, dass auch das Darlehen nach § 24 Abs. 5 SGB II in Bewilligungsabschnitten zu gewähren ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 46 zu § 24 SGB II). § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB II stellt klar, dass die Grundsicherungsstelle berechtigt ist, eine Sicherung zu verlangen, die ihren Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in angemessener Weise schützt. Die Art der Sicherung kann die Behörde bestimmen. Sie hat jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie die Gewährung eines Darlehens überhaupt von einer Sicherung abhängig macht, und wenn ja, welche Sicherung sie verlangen will (Haufe Onlinekommentar RZ. 47 zu § 24 SGB II). Einzelheiten zur Darlehensgewährung sind in § 42a SGB II geregelt.

Nach § 24 Abs. 6 SGB II werden in Fällen des § 22 Abs. 5 SGB II Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte. Zu Leistungen für Unterkunft und Heizung vgl. 8.1.3.1.3. § 24 Abs. 6 SGB II wehrt den Missbrauch von Leistungen zur Erstausstattung für eine Wohnung durch Personen unter 25 Jahren ab. § 24 Abs. 6 ist eine Folgeregelung zu § 22 Abs. 5 SGB II und greift die Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II auf. Dort wird für Jugendliche bis zu deren Vollendung des 25. Lebensjahres bestimmt, dass sie im Falle eines Umzuges Leistungen für Unterkunft und Heizung nur erhalten, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Mietvertrages zugesichert hat, zusichern musste oder von der Zusicherung objektiv absehen konnte. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, können auch Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung nur erbracht werden, wenn dies zuvor zugesichert wurde oder von der Zusicherung abgesehen werden konnte. Im Ergebnis werden Leistungen zur Erstausstattung nur erbracht, wenn auch Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 2m zu § 24 SGB II).

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8.1.3.2.2 Beitragstragung und Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungen

Für Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld besteht Versicherungspflicht sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Pflegeversicherung. Sie sind für die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld in der Mehrzahl in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB XI für die gesetzliche Pflegeversicherung). Die Versicherungspflicht ist allerdings gegenüber einer Familienversicherung nachrangig. Ob diese gegeben ist, ist für die gesetzliche Krankenversicherung nach Maßgabe des § 10 SGB V, für die gesetzliche Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI zu beurteilen.

Wenn Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht, werden die Beiträge von der Bundesagentur für Arbeit oder in den Fällen des § 6a SGB II von den zugelassenen kommunalen Trägern getragen (§ 251 Abs. 4 SGB V i.V.m § 252 Abs. 1 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung, § 59 Abs. 1 SGB XI für die gesetzliche Pflegeversicherung).

Versicherungspflicht nach diesen Bestimmungen besteht nur bei tatsächlichem Bezug; dafür genügen allerdings auch lediglich Sachleistungen oder ausschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Dagegen genügt nicht der Bezug von Leistungen als Darlehen. Es ist in diesen Fällen allerdings i.d.R. möglich, den Beitrag ebenfalls als Darlehen zu gewähren (Haufe Onlinekommentar RZ. 10a zu § 26 SGB II).

Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, sind für die Dauer dieses Bezuges jedoch nicht mehr generell versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Versicherungspflicht besteht - anders als bis zum 31.12.2008 - dann nicht, wenn unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II eine private Krankenversicherung oder überhaupt keine Krankenversicherung bestanden hat. Das kann z.B. der Fall sein, wenn eine selbständige Tätigkeit oder eine sonstige versicherungsfreie Beschäftigung ausgeübt wurde. Für die Zugehörigkeit zu dem von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossenen Personenkreis der Selbständigen kommt es allein auf den durch die letzte berufliche Tätigkeit erlangten Status an, auch wenn die selbständige Tätigkeit kurz vor der Leistungsberechtigung nach dem SGB II aufgegeben worden ist. Betroffene müssen in diesem Fall eine private Krankenversicherung abschließen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.08.2010, L 16 KR 329/10 B ER, Kurzwiedergabe in NZS 2010 Heft 11 S. X). Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 10b zu § 26 SGB II.

  • 26 SGB II regelt für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld die Übernahme bzw. Bezuschussung von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in besonderen Fallkonstellationen. Die Leistungen werden auch in diesen Fällen von den Jobcentern gemäß § 44b SGB II als gemeinsame Einrichtungen der Agenturen für Arbeit und der kommunalen Träger, bzw. von den zugelassenen kommunalen Trägern nach § 6a SGB II erbracht.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung weder versicherungspflichtig noch familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind oder freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag übernommen.

Die Beteiligung der Grundsicherungsstellen an den Beiträgen für eine private Krankenversicherung richtet sich nach dem von § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgegebenen Rahmen. Nach dieser Vorschrift reduziert sich der Beitrag für den Basistarif der privaten Krankenversicherung bei Hilfebedürftigkeit i.S.d. SGB II um 50 %. Die Grundsicherungsstellen müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch nur einen Betrag leisten, den sie auch für Personen, die Arbeitslosengeld II erhalten und in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, aufzuwenden haben. Das gilt gleichermaßen auch für versicherungsfreie Bezieher von Sozialgeld (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Weil sich die Prämie im Basistarif nach § 12 Abs. 1c Sätze 1, 2 VAG am Höchstbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung orientiert, träte durch diese Regelung eine große Deckungslücke auf, die der Betroffene aus den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 SGB II tragen müsste. Am 18.01.2011 hat das BSG entschieden, dass für den betroffenen Personenkreis Beiträge für eine private Krankenversicherung bis maximal in Höhe des halben Beitrags im Basistarif der privaten Krankenversicherung zu übernehmen sind (BSG, Urteil v. 18.01.2011, B 4 AS 108/10 R, Kurzwiedergabe in NZS 2011 Heft 4 S. VII). Das BSG ist davon ausgegangen, dass der Wortlaut der Vorschrift zwar eindeutig ist, der betroffene Leistungsberechtigte aber sich gegenüber seinem privaten Krankenversicherungsunternehmen nicht darauf berufen kann, dass er nur in begrenztem Umfang einen Beitragszuschuss erhält. Er schuldet den „vollen" Beitrag. Darin liege eine gesetzesimmanente Regelungslücke i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Vorschriften. Vgl. dazu näher Haufe Onlinekommentar RZ. 10h zu § 26 SGB II und zur Diskussion über den Meinungsstreit zur Schließung dieser Deckungslücke RZ. 10c bis 10g zu § 26 SGB II.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB II wird auch für Personen, die allein durch den Beitrag zur freiwilligen Versicherung hilfebedürftig würden, der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen. Damit wird verhindert, dass Personen, die grundsätzlich ihren Lebensunterhalt ohne Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II bestreiten können, allein wegen des Versicherungsbeitrags zu Grundsicherungsempfängern werden und dementsprechend auch in die Statistik der Grundsicherungsempfänger eingehen.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird der Beitrag ferner für Personen im notwendigen Umfang übernommen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind und die allein durch den Krankenversicherungsbeitrag hilfebedürftig würden. § 26 Abs. 1 Satz 2 schließt eine Regelungslücke für Personen, die versicherungspflichtig zur gesetzlichen Krankenversicherung sind und durch den Versicherungsbeitrag hilfebedürftig in der Grundsicherung für Arbeit Suchende werden. Ihnen wird der Teil des Beitrags geleistet, der erforderlich ist, um den Eintritt von Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Damit wird erreicht, dass dieser Personenkreis, abgesehen vom Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB II, nicht in das System der Grundsicherung für Arbeit Suchende aufgenommen werden muss.

  • 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II regelt die Übernahme von Beiträgen für eine angemessene private Pflegeversicherung. § 26 Abs. 2 SGB II vollzieht die Regelungen zur Krankenversicherung für die Pflegeversicherung nach. Die Voraussetzungen für die Übernahme der Beiträge sind dieselben wie für die Übernahme der Beiträge für die Krankenversicherung.

Es darf also keine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 20 SGB XI bestehen und keine Möglichkeit zur Familienversicherung gem. § 25 SGB XI gegeben sein. Die Angemessenheit der privaten Pflegeversicherung und der notwendige Umfang der Beiträge sind nicht wie bei der privaten Krankenversicherung auf die nicht mögliche gesetzliche Versicherung und den dafür fiktiven Beitrag begrenzt. Die private Versicherung muss sich jedoch - wie die Basisangebote in der privaten Krankenversicherung aufgrund von § 12 Absatz 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes - an den für Bezieher von staatlichen Fürsorgeleistungen relevanten Standard halten (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 26 SGB II). Beiträge für zusätzliche Versicherungselemente, die im abgeschlossenen Vertrag enthalten sind, muss der Versicherte selbst tragen.

Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II gilt § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II entsprechend, soweit Personen allein durch die Aufwendungen für Beiträge für eine angemessene private Pflegeversicherung hilfebedürftig würden. § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II stellt klar, dass der notwendige Umfang i.S.d. § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf den Betrag des Beitrags begrenzt ist, der allein ursächlich für den Eintritt von Hilfebedürftigkeit ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 26 SGB II).

  • 26 Abs. 2 Satz 3 SGB II regelt für in der gesetzlichen Pflegeversicherung versicherungspflichtige Personen den Fall, in dem allein durch den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung Hilfebedürftigkeit eintritt. Wie im Fall des § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Krankenversicherung ist die Übernahme des Pflegeversicherungsbeitrags auf den notwendigen Umfang zu begrenzen. § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB II schließt eine Regelungslücke für Personen, die versicherungspflichtig zur gesetzlichen Pflegeversicherung sind und durch den Versicherungsbeitrag hilfebedürftig in der Grundsicherung für Arbeit Suchende werden. Ihnen wird der Teil des Beitrags geleistet, der erforderlich ist, um den Eintritt von Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Damit wird erreicht, dass dieser Personenkreis abgesehen vom Beitragszuschuss nach § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht in das System der Grundsicherung für Arbeit Suchende aufgenommen werden muss.

Nach § 26 Abs. 3 SGB II zahlt die Bundesagentur für Arbeit den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, der von gesetzlichen Krankenkassen nach § 242 des SGB V von ihren Versicherten erhoben werden kann, wenn ihr Finanzbedarf aus Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht gedeckt sind, für Personen, die allein durch diese Aufwendungen hilfebedürftig würden, in der erforderlichen Höhe.

Die Regelung in § 26 Abs. 3 SGB II erfolgte infolge der Neugestaltung des Zusatzbeitrags, den die gesetzlichen Krankenkassen von ihren Versicherten verlangen dürfen, welche durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinG) zum 01.01.2011 erfolgt ist. Nach dieser Neuregelung wird der Zusatzbeitrag im Regelfall nicht mehr bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld erhoben. Das ergibt sich aus § 242 Abs. 4 SGB V. Jede Krankenkasse kann jedoch nach § 242 Abs. 4 SGB V in ihrer Satzung bestimmen, dass der Teil des Zusatzbeitrages, der über dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegt und deshalb nicht aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erstattet wird, beim Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld erhoben wird. Zu diesem Teil des Zusatzbeitrags erhält der Leistungsbezieher keinen Zuschuss nach § 26 Abs. 3 SGB II, denn der Leistungsbezieher ist bereits hilfebedürftig, wenn der Teil des Zusatzbeitrages von ihm gefordert wird. Der Leistungsbezieher hat nur die Möglichkeit, die Krankenkasse zu wechseln oder diesen Teil des Zusatzbeitrages selbst zu tragen (vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 26 SGB II).

  • 26 Abs. 3 SGB II erfasst nur die Personen, die nicht Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld sind, aber allein durch die Forderung der Krankenkasse hilfebedürftig würden. Der Zusatzbeitrag wird in der Höhe übernommen, der erforderlich ist, damit der Eintritt von Hilfebedürftigkeit vermieden wird.

Mit § 26 Abs. 3 SGB II soll vermieden werden, dass ein zusätzlicher Bestand an Empfängern von Grundsicherungsleistungen nur wegen des Zusatzbeitrages aufgebaut wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 19 zu § 26 SGB II).

Zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden vom Träger der Grundsicherung für Arbeit Suchende nur bis zum 31.12.2010 Beiträge getragen. Seit dem 01.01.2011 kommt für Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II in der Rentenversicherung nur noch eine Berücksichtigungszeit als Anrechnungszeit in Betracht.

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8.1.3.2.3 Leistungen für Auszubildende im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit Suchende

Leistungen für Auszubildende im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit Suchende sind in § 27 SGB II geregelt.

Die Vorschrift definiert die Leistungen, die Auszubildende gleichwohl nach dem SGB II im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit Suchende erhalten können, obwohl sie gem. § 7 Abs. 5 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, weil sie eine Ausbildung absolvieren, die im Rahmen des BAföG (schulische Ausbildung) bzw. der §§ 60 bis 62 SGB III (berufliche Ausbildung und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen) dem Grunde nach förderungsfähig ist. Der Leistungsausschluss betrifft nur die sog. ausbildungsgeprägten Bedarfe. Andere Bedarfe können hingegen durch Grundsicherungsleistungen nach § 27 Abs. 2 bis 5 SGB II gedeckt werden.

Die Leistungen für Auszubildende nach § 27 SGB II gelten nicht als Arbeitslosengeld II (§ 27 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Sie sind Sonderleistungen. Gesetzgeberisches Ziel ist es, durch diese Klarstellung in § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Sozialversicherung jedenfalls aus Gründen des Bezuges von Leistungen nach § 27 zu vermeiden (Haufe Onlinekommentar RZ. 9 zu § 27 SGB II).

Nach § 27 Abs. 2 SGB II werden Leistungen in Höhe folgender Mehrbedarfe des § 21 SGB II gewährt, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen (§§ 11 und 12 SGB II) gedeckt sind:

  • 21 Abs. 2 SGB II (Mehrbedarfe nach der 12. Schwangerschaftswoche),
  • 21 Abs. 3 SGB II (Mehrbedarfe für Alleinerziehende),
  • 21 Abs. 5 SGB II (Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen) und
  • 21 Abs. 6 SGB II (Mehrbedarfe für im Einzelfall unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige besondere Bedarfe, die insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten gedeckt werden können und ihrer Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichen).

Ferner werden nach § 27 Abs. 2 SGB II Leistungen in Höhe der Leistungen nach § 24 Absatz 3 Nummer 2 SGB II (Erstausstattungen für Bekleidung sowie bei Schwangerschaft und Geburt) erbracht, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen (§§ 11 und 12 SGB II) gedeckt sind.

Zu Leistungen wegen Mehrbedarf nach § 21 SGB II vgl. auch  8.1.3.1.2, für einmalige Leistungen nach § 24 SGB II vgl. auch 8.1.3.2.1.

Die Mehrbedarfe für behinderte Auszubildende nach § 21 Abs. 4 SGB II sind in § 27 Abs. 2 SGB II nicht aufgeführt. Dazu hat die Bundesregierung ausgeführt, dass die behinderten Menschen, wie die von Behinderung bedrohten Menschen Leistungen nach dem SGB IX sowie den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen auch zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten. Soweit aufgrund einer vorliegenden Behinderung spezielle Hilfen für die Ausbildung erforderlich werden, würden diese demzufolge gesondert erbracht. Ein ausschließlich behinderungsbedingter Mehrbedarf müsse daher nicht nochmals im SGB II, SGB III und im BAföG berücksichtigt werden. Soweit für behinderte Schüler gerade wegen der Ausbildung zusätzlicher Bedarf entstehe, den Auszubildende ohne Behinderung nicht haben, werde dieser bereits nach der auf § 14a BAföG gestützten Härteverordnung vom  15.07.1974 bei der Bemessung der Ausbildungsförderungsleistung berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 17/3807 und Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 27 SGB II).

Nach § 27 Abs. 3 SGB II erhalten Auszubildende einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II), wenn sie Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten oder wenn sie diese nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten und wenn sich deren Bedarf nach § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 3, § 101 Abs.  3, § 105 Abs. 1 Nummer 1 und 4, § 106 Abs. 1 Nummer 2 des SGB III oder nach § 12 Abs. 1 Nummer 2 und Abs. 2, § 13 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Absatz 3 SGB II ungedeckt ist. Das gilt allerdings gem. § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB II nicht, wenn die Berücksichtigung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 5 SGB II ausgeschlossen ist.

Aus der entsprechenden Anwendung von §  19 Abs. 3 SGB II ergibt sich, dass sich die zu erbringenden Leistungen um das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen mindern. Außerdem ist die in § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II festgelegte Reihenfolge für die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen auf die zu berücksichtigenden Bedarfe zu beachten. Zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen deckt zunächst die Bedarfe nach den §§ 20, 21 und 23 SGB II, darüber hinaus die Bedarfe nach § 22 SGB II. Sind nur noch Leistungen für Bildung und Teilhabe zu leisten, deckt weiteres zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen die Bedarfe in der Reihenfolge der Absätze 2 bis 7 nach § 28 SGB II.

  • 27 Abs. 3 SGB II enthält eine Pflichtleistung an Auszubildende und Studenten. Die Leistung hat zum Ziel, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, die durch den Leistungsausschluss für Auszubildende nach § 7 Abs. 5 SGB II verursacht werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 14 zu § 27 SGB II mit kritischen Anmerkungen zur Gewährung dieser Leistungen innerhalb des SGB II anstatt im Ausbildungsförderungsrecht). Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II wird durch die Härteregelung in § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II abgemildert, indem ermöglicht wird, beim Vorliegen einer besonderen Härte ein Darlehen zu gewähren. Dazu vgl. unten. Einzelheiten zur Darlehensgewährung sind in § 42a SGB II geregelt.

Im Grundsatz erfasst § 27 Abs. 3 SGB II

  • Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III beziehen und im eigenen Haushalt wohnen,
  • Schüler, die BAföG beziehen, wenn sie nicht durch § 7 Abs. 6 SGB II vom Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgenommen sind (z.B. Schüler an einem Abendgymnasium),
  • Studierende, die BAföG beziehen und im Haushalt der Eltern wohnen und
  • Auszubildende, die Ausbildungsgeld nach dem SGB III beziehen.

Die Leistung umfasst den Betrag, der als Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung nicht durch andere Leistungen gedeckt wird. Zur Feststellung des Bedarfes wird die so genannte volle Bedarfsberechnung praktiziert, bei der sämtliche Bedarfe und ggf. bereinigte Einkommen i.S.d. SGB II gegenübergestellt werden (so auch BSG, Urteile vom 22.03.2010,  B 4 AS 39/09 R, und 69/09 R, FEVS 2011 S. 62). Zur Berechnung des Bedarfs vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 16 und 17 zu § 27 SGB II.

  • 27 Abs. 3 SGB II stellt zwar eine Sonderregelung dar, ist jedoch im Gesamtzusammenhang mit § 22 SGB II zu sehen. Daraus ergibt sich, dass ein ungedeckter Bedarf nur besteht, soweit Kosten für Unterkunft und Heizung angemessen sind und nicht durch Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach §§ 11 und 12 SGB II gedeckt werden. Durch § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB II wird ausdrücklich klargestellt, dass in Fällen des § 22 Abs. 5 SGB II (erforderliche Zusicherung der Kostenübernahme durch den kommunalen Träger vor Vertragsabschluss beim Umzug von Personen vor Vollendung des 25. Lebensjahres) die Gewährung eines Zuschusses nicht in Betracht kommt. Für unangemessene Aufwendungen kommt auch eine vorübergehende Übernahme nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht in Betracht. § 27 Abs. 3 SGB II verweist allein auf die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Vgl. dazu auch Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 27 SGB II.

In den Genuss eines Zuschusses nach § 27 Abs. 3 SGB II können nur Auszubildende kommen, die entweder Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III erhalten. Voraussetzung ist seit dem 01.01.2011 nicht mehr ein tatsächlicher Bezug, ein Anspruch dem Grunde nach genügt, wenn Leistungen tatsächlich deshalb nicht bezogen werden, weil wegen der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen kein auszuzahlender Anspruch mehr besteht.

  • 27 Abs. 3 SGB II legt konkret fest, nach welchen Vorschriften sich der Bedarf für die Leistungsberechtigten bemisst, zu welchem sie den Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhalten. Unter den sonstigen Voraussetzungen richtet sich der Bedarf für Unterkunft und Heizung nach:
  • 65 Abs. 1 SGB III: Auszubildende mit Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe bei anderweitiger Unterbringung. Der Bedarf richtet sich nach dem Bedarf für Studierende nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG und für die Unterkunft nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 3 BAföG;
  • 66 Abs. 3 SGB III: Auszubildende mit Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme bei anderweitiger Unterbringung. Der Bedarf richtet sich nach dem Bedarf für Schüler nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 3 BAföG;
  • 101 Abs. 3 SGB III: Auszubildende mit Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe als verheirateter, eine Lebenspartnerschaft führender oder mindestens 21 Jahre alter Auszubildender, weil er als behinderter Mensch während der beruflichen Ausbildung im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnt;
  • 105 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 SGB III: Auszubildende mit Anspruch auf Ausbildungsgeld bei anderweitiger Unterbringung (nicht Wohnheim, Internat oder beim Ausbildenden) ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung mit einem Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BAföG;
  • 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB III: Auszubildende in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder bei Grundausbildung mit Anspruch auf Ausbildungsgeld bei anderweitiger Unterbringung ohne Kostenerstattung für Unterbringung und Verpflegung. Der Bedarf richtet sich nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 BAföG;
  • 12 Abs. 1 Nr. 2 BAföG: Schüler von Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen und Fachoberschulen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, mit einem Bedarf von 391,00 Euro bzw. nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 BAföG von 543,00 Euro bei notwendiger auswärtiger Unterbringung. Der Bedarf erhöht sich nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 um 72,00 Euro;
  • 12 Abs. 2 BAföG: Schüler in weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG);
  • 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BAföG: Studierende in Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, eines Abendgymnasiums oder Kollegs mit einem Bedarf von 348,00 Euro oder in höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen mit einem Bedarf von 373,00 Euro, wenn der Bedarf um 49,00 Euro erhöht wird, weil der Studierende bei seinen Eltern wohnt.

Nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II können für Auszubildende, die nach § 7 Abs. 5 SGB II von der Leistungsberechtigung ausgeschlossen sind, Leistungen als Darlehen für Regelbedarfe (§ 20 SGB II), Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erbracht werden, wenn der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet. Einzelheiten zur Darlehensgewährung regelt § 42a SGB II.

  • 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II geht davon aus, dass spezifische Situationen entstehen können, in denen Hilfebedürftigkeit trotz der Förderung nach dem BAföG oder dem SGB III eintritt. Eine „besondere Härte“ setzt Umstände voraus, die eine Verweigerung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als unbillig erscheinen lassen. Die „besondere Härte“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüft werden kann. Nicht jeder Nachteil für den Auszubildenden stellt eine Härte dar, insbesondere nicht ein unterhalb der Grundsicherung liegendes Lebensniveau. Da das Gesetz von einer „besonderen Härte" spricht, reicht auch eine Härte als solche für eine Leistungsgewährung nicht aus. Hierfür sind alle Umstände des Einzelfalls und nicht nur solche wirtschaftlicher Art zu berücksichtigen. Leistungen können insbesondere gerechtfertigt sein, wenn ohne sie ein Ausbildungs- bzw. Maßnahmeabbruch droht bzw. zu befürchten ist, z.B. in Fällen des § 51 Abs. 2 BAföG, oder wenn wegen der Ausbildungssituation ein besonderer, durch Ausbildungsförderung nicht zu deckender Bedarf entstanden ist (vgl. BSG, Urteil v. 05.09.2007, B 14/7b AS 36/06 R, NZS 2008 S. 493). Dies stellt für den Auszubildenden eine Härte dar. Daraus wird eine besondere Härte, wenn er die eingetretene Hilfebedürftigkeit nicht zu vertreten hat oder diese nur vorübergehend besteht, weil sie auf einem besonderen Ereignis beruht und eine die Existenz bedrohende Notlage ernsthaft befürchtet werden muss. Die Höhe des Darlehens wird im Allgemeinen auf die Höhe der Ausbildungsförderung zu begrenzen sein (Haufe Onlinekommentar RZ. 24 zu § 27 SGB II).

Nach § 27 Abs. 4 Satz 2 SGB II können für den Monat der Aufnahme einer Ausbildung Leistungen entsprechend § 24 Abs. 4 SGB II erbracht werden, d.h., soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Dadurch soll zu Beginn der Ausbildung die erste Zeit bis zur Auszahlung der Ausbildungsvergütung bzw. von Förderleistungen überbrückt werden.

Nach § 27 Abs. 4 Satz 3 SGB II sind Leistungen nach § 27 Abs. 4 Satz  1 SGB II (Darlehen bei besonderer Härte) und § 27 Abs. 4 Satz 2 SGB II (Darlehen im Monat der Aufnahme der Ausbildung) gegenüber den Leistungen nach § 27 Abs.  2 SGB II (Mehrbedarfe) und § 27 Abs. 3 SGB II (Zuschuss für Unterkunft und Heizung ) nachrangig.

Nach § 27 Abs. 5 SGB II können unter den Voraussetzungen des § 22 Absatz 8 SGB II Auszubildenden auch Leistungen für die Übernahme von Schulden erbracht werden. § 22 Abs. 8 SGB II setzt voraus, dass die Übernahme von Schulden der Sicherung der Unterkunft oder der Behebung einer vergleichbaren Notlage dient. Die Übernahme von Schulden ist auf den Betrag begrenzt, der dazu ausreicht. In größerem Umfang kann eine Schuldenübernahme nicht gerechtfertigt sein. Ist die Übernahme von Schulden gerechtfertigt und notwendig, weil kein milderes Mittel mehr zur Verfügung steht, um drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden, soll der kommunale Träger die Schulden übernehmen. Im Regelfall werden die Schulden durch die Gewährung eines Darlehens an den Auszubildenden übernommen. Einzelheiten zur Darlehensgewährung sind in § 42a SGB II geregelt. Über die Übernahme der Schulden hat der kommunale Träger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hat der Auszubildende einen Rechtsanspruch. Schulden können nach § 22 Abs. 8 SGB II in besonderen Ausnahmefällen auch als Zuschuss übernommen werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 40 zu § 27 SGB II).

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8.1.3.2.4 Leistungen für Bildung und Teilhabe
  • 19 Abs. 2 SGB II regelt den grundsätzlichen Anspruch der erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Maßgabe des § 28 SGB II, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Rahmen der Sozialhilfe nach den §§ 41 ff. SGB XII haben. Soweit für Kinder Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe nach § 6b des Bundeskindergeldgesetzes gewährt werden, haben sie ebenfalls keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach § 28 SGB II.
  • 28 SGB II ist durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) mit Wirkung zum 01.04.2011 neu in das SGB II eingefügt worden.

Die Berücksichtigung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe verfolgen das Ziel, eine finanzielle, materielle Basis zu schaffen, die als Grundlage zur Herstellung von Chancengleichheit dienen kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 28 SGB II).

Die Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden gem. § 28 Abs. 1 SGB II bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf der §§ 20 bis 23 SGB II nach Maßgabe von § 28 Absätze 2 bis 7 SGB II gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

Ein eigenständiger Anspruch auf alle oder einzelne Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 SGB II besteht auch dann, wenn die übrigen Bedarfe für den Lebensunterhalt vollständig durch Einkommen und Vermögen gedeckt sind (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 3 SGB II).

Für die Deckung der Bedarfe ist in § 19 Abs. 3 SGB II gesetzlich eine Reihenfolge festgelegt: Einkommen und Vermögen werden zunächst bei den Regelbedarfen (§ 20 SGB II), den Mehrbedarfen (§ 21 SGB II) und dem Sozialgeld (§ 23 SGB II) berücksichtigt. Danach verbleibendes zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen mindert den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II.

Wenn Einkommen oder Vermögen danach auch noch bei den Bedarfen für Bildung und Teilhabe zu berücksichtigen ist, werden die Bedarfe in der Reihenfolge des § 28 Abs. 2 bis 7 SGB II gemindert, also zunächst die Bedarfe für Schulausflüge, dann für mehrtägige Klassenfahrten, danach der persönliche Schulbedarf, gefolgt vom Bedarf für Schülerbeförderung, anschließend der Bedarf für Lernförderung, als Vorletztes der Bedarf für die Teilnahme an gemeinsamer Mittagsverpflegung und schließlich der Bedarf zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen des SGB II auf Antrag gewährt. Die Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs. 2 und Abs. 4 bis 7 SGB II müssen gesondert beantragt werden (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Lediglich die Leistungen für den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II gelten als mit dem Antrag auf Leistungen zum Lebensunterhalt als beantragt, diese Leistung muss also nicht gesondert beantragt werden. Auf das besondere Antragsbedürfnis für die übrigen Leistungen nach § 28 SGB II müssen die potenziell Leistungsberechtigten hingewiesen werden. Für den Beginn der Leistungen gilt Folgendes: Zwar wirkt ein Antrag auf Beginn des Kalendermonats zurück, in dem der Antrag gestellt wurde, weil insoweit der Kalendermonat als Bedarfszeitraum relevant ist. Im Übrigen dürfen aber Leistungen nicht für die Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 SGB II).

Zu den einzelnen Leistungen nach § 28 Abs. 2 bis 7 SGB II ist zu bemerken:

Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

  1. Schulausflüge und
  2. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.

Dasselbe gilt nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB II für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen.

Die in § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II genannten Ausflüge sind regelmäßig eintägig, während es sich in Nr. 2 um mehrtägige Klassenfahrten handelt.

Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist ein Betrag in Höhe von 3,00 Euro monatlich anzusetzen (vgl. § 5a Nr. 1 Alg II-V). Das gilt in gleicher Weise wie für den Schulausflug für den Ausflug einer Kindertageseinrichtung. Bezogen auf einen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten können daher 18,00 Euro als Bedarf angesetzt werden. § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II sieht für den Fall, dass Hilfebedürftigkeit gegeben ist, die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen vor, die durch den Ausflug entstehen.

Das bezieht sich zunächst auf die Aufwendungen, die durch den Ausflug unmittelbar entstehen. Darunter fallen typischerweise Fahrkosten und Eintrittsgelder, etwa für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, eines gecharterten Busses sowie Aufwendungen für den Eintritt in einen Zoo oder eine Sehenswürdigkeit.

Andere Aufwendungen für den Lebensunterhalt während des Ausfluges müssen aus den Leistungen für den Regelbedarf bestritten werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 48 zu § 28 SGB II).

Mehrtägige Klassenfahrten (§ 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) setzen mindestens eine Übernachtung voraus. Die Kosten für Klassenfahrten sind in voller Höhe zu leisten (Haufe Onlinekommentar RZ. 53 zu § 28 SGB II).

Nach § 28 Abs. 3 SGB II werden für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf bei Schülerinnen und Schülern 70,00 Euro zum 1. August und 30,00 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres berücksichtigt.

Die Leistungen sollen gewährleisten, dass über den im Regelbedarf enthaltenen Anteil für Schulbücher und Schulhefte hinaus finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um weiteren Bedarf für den Schulbesuch, wie z.B. Schultasche, Federmappe, Sportzeug, Schreib-, Rechen-, Zeichen- und Bastelmaterialien, zu beschaffen (Haufe Onlinekommentar RZ. 58 zu § 28 SGB II). Für den persönlichen Schulbedarf muss kein gesonderter Antrag gestellt werden. Die Schulpflicht richtet sich nach den Schulgesetzen der Länder. Ausnahmeregelungen, wie etwa eine verlängerte Schulpflicht für Besucher von Förderschulen sind zu beachten.

Nach § 28 Abs. 4 SGB II werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf (§ 20 SGB II) zu bestreiten.

Die Berücksichtigung von Bedarfen zur Schülerbeförderung ist zunächst davon abhängig, dass die Bedarfe nicht bereits durch Leistungen Dritter gedeckt werden.

Insbesondere ist in einer Vielzahl von Ländergesetzen über schulrechtliche Bestimmungen die Übernahme der Schülerbeförderungskosten jedenfalls bis zur Sekundarstufe I geregelt. Soweit diese Leistungen reichen, ist kein Bedarf nach § 28 Abs. 4 SGB II zu berücksichtigen. Dasselbe gilt, soweit sonstige Einrichtungen oder auch Privatpersonen, insbesondere Angehörige des Schülers, den Bedarf decken. Hauptsächlich werden Schülerbeförderungsbedarfe für Schüler der Sekundarstufe II in Betracht kommen (Haufe Onlinekommentar RZ. 70 zu § 28 SGB II). § 28 Abs. 4 SGB II verlangt außerdem, dass es unzumutbar ist, die Aufwendungen (vollständig) aus der Leistung für den Regelbedarf zu bestreiten. Generell wird es auch als zumutbar betrachtet, einen Weg bis zu 2 Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Die Entscheidung, was zumutbar ist oder nicht, hängt von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab, wobei eine Behinderung des Kindes, der Gesundheitszustand oder die Gefährlichkeit des Schulweges eine große Rolle spielen werden, zumal bei einem blinden oder sehbehinderten Schüler.

Selbst wenn eine gute Mobilität durch ein Mobilitätstraining erreicht worden ist, darf ein blinder oder sehbehinderter Schüler nicht durch die Zurücklegung des Schulweges überfordert werden. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, besteht ein Anspruch nur, wenn Aufwendungen zur Beförderung tatsächlich entstehen. Kann der blinde Schüler z.B. ein öffentliches Verkehrsmittel aufgrund seiner Behinderung unentgeltlich benutzen, so entstehen keine Aufwendungen. Ist er dagegen auf ein Taxi oder einen Fahrdienst angewiesen und steht dafür kein vorrangig verpflichteter Kostenträger zur Verfügung, so sind die dadurch entstandenen Aufwendungen zu berücksichtigen. Die Jobcenter erbringen zur Deckung des Bedarfs für Schülerbeförderung eine Geldleistung. Diese wird i.d.R. für den Bewilligungszeitraum bewilligt und monatlich mit den übrigen Leistungen zum Lebensunterhalt angewiesen. In besonders begründeten Einzelfällen kann das Jobcenter den Nachweis einer zweckentsprechenden Verwendung fordern. Dafür sind ggf. die Belege usw. aufzubewahren.

  • 28 Abs. 5 SGB II lautet: „Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.“

Diese Regelung ist gespickt mit unbestimmten (aber gerichtlich voll überprüfbaren) Rechtsbegriffen. Ausgangspunkt ist ein Lerndefizit, das nur vorübergehender Natur ist, aber zur Folge hat, dass ein Erreichen der wesentlichen Lernziele der von dem Schüler besuchten Klassenstufe gefährdet ist. Bei einem dauerhaften Lerndefizit, z.B. Legasthenie, kann eine ergänzende Lernförderung nicht beansprucht werden. In diesen Fällen kommen ggf. Leistungen der Jugendhilfe nach dem SGB VIII oder der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Betracht. Das ist stets zu prüfen, weil diese Leistungen  vorrangig sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 78 zu § 28 SGB II). Ob ein Lerndefizit besteht und ob dieses so kurzfristig beseitigt werden kann, dass die wesentlichen Lernziele der Klassenstufe noch erreicht werden können, kann am besten der Klassen- oder Fachlehrer des betroffenen Schülers beurteilen. Deshalb liegt es nahe, dass die Grundsicherungsverwaltung darauf baut, dass von den Schulen entsprechende Expertisen zur Verfügung gestellt werden. Wird kein ausführliches Gutachten verlangt, sondern nur das Ausfüllen eines einfach gestalteten, kurzen Vordrucks, so wird die Schule nicht einwenden können, daraus ergebe sich ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand; denn diese sind ohnehin verpflichtet, in Fällen, in denen das Erreichen der wesentlichen Lernziele gefährdet ist, die Eltern des Schülers hierüber zu informieren und auch eine Diagnose darüber anzustellen, welche Ursachen das Defizit hat, und die Eltern darüber zu beraten, mit welchen Maßnahmen das Defizit behoben werden kann oder ob es angezeigt erscheint, dass der Schüler die Klasse wiederholt oder die Schule wechselt (Haufe Onlinekommentar RZ. 79 zu § 28 SGB II). Maßstab für die erforderliche Lernförderung ist das Erreichen der wesentlichen Lernziele der Klasse. Das ist i.d.R. das Erreichen der Versetzung in die nächsthöhere Klasse. Es kommt z.B. darauf an, welcher Notenschnitt in welchen Fächern erreicht werden muss und ob sich die erforderliche Leistungssteigerung in diesen Fächern durch Lernförderung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erreichen lässt. Lernförderung kommt nicht in Betracht, um den Leistungsstand zu verbessern, insbesondere, um eine bestimmte Schulartempfehlung zu erreichen (Haufe Onlinekommentar RZ. 85 zu § 28 SGB II). Die Leistung nach § 28 Abs. 5 SGB II ist vielmehr eine außerschulische Lernförderung, die schulische Angebote ergänzen, aber nicht ersetzen soll. Geeignete schulische Angebote zur Verringerung des Lerndefizits sind vorrangig zu nutzen (Haufe Onlinekommentar RZ. 86 zu § 28 SGB II).

Nach § 28 Abs. 6 SGB II werden bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung für Schülerinnen und Schüler und Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, die entstehenden Mehraufwendungen berücksichtigt. Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird.

Beim Leistungsumfang ist der aus dem Regelsatz zu tragende Eigenanteil zu berücksichtigen. Die Leistung umfasst nur den diesen Eigenanteil übersteigenden Aufwand. § 28 Abs. 6 SGB II setzt voraus, dass die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung (bzw. Verantwortung der Kindertageseinrichtung) angeboten wird. Hierfür reicht es sowohl aus, wenn die Schule selbst eine Kantine o.Ä. betreibt, die vorhandene Kantine an einen Pächter verpachtet wurde oder ein sog. Caterer vertraglich zur Lieferung der Mittagsverpflegung verpflichtet ist. Es genügt, wenn für die gemeinsame Einnahme der Mittagsverpflegung geeignete Räumlichkeiten vorhanden sind und zur Verfügung gestellt werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 94 zu § 28 SGB II).

Nach § 28 Abs. 7 SGB II wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10,00 Euro monatlich berücksichtigt für

  1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
  2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
  3. die Teilnahme an Freizeiten (z.B. von Organisationen oder Gemeinden angebotenen Ferienfreizeiten).

Leistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II können nur minderjährige Kinder und Jugendliche erhalten. Die leistungsberechtigten Personen sollen damit stärker in das Gemeinschaftsleben integriert werden, insbesondere auch in das Vereinsleben. Dadurch werden auch die sozialen Kontakte von in etwa gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen untereinander belebt. Kulturelle und künstlerische Aktivitäten unterstützen die Entwicklung der Persönlichkeit. Insgesamt ist § 28 Abs. 7 SGB II darauf ausgerichtet, mitzumachen und nicht zuzuschauen oder abseits zu stehen und so auch soziale Kompetenz zu entwickeln. Dies ist bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen (Haufe Onlinekommentar RZ. 102 zu § 28 SGB II). Die Teilhabeleistungen betragen pauschal 10,00 Euro je Monat. Das entspricht dem dafür anzusetzenden Bedarf. Gutscheine für Teilhabeleistungen dürfen für den gesamten Bewilligungszeitraum von 6 Monaten im Voraus ausgegeben werden. Dadurch erhält die leistungsberechtigte Person im Zuge der Bewilligung für den Bewilligungszeitraum Gutscheine im Wert von 60,00 Euro. Da Gutscheine erst 6 Monate nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes verfallen, kann der Teilhabebetrag von 120,00 Euro für ein ganzes Jahr angesammelt und auf einmal verwendet werden (Anspargedanke), z.B. für Jahresbeiträge zu Vereinen. Die Gutscheine für einen Bewilligungszeitraum können auch im Voraus eingelöst werden. Leistungsberechtigte Personen sind also nicht darauf angewiesen, für eine bestimmte Teilhabesumme zunächst eine entsprechende Anzahl von Monaten abzuwarten. Dementsprechend können auch Direktzahlungen für einen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten erbracht werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 104 zu § 28 SGB II).

Die Form, in welcher die Leistungen für Bildung und Teilhabe erbracht werden, ist in § 29 SGB II geregelt. Nach § 29 Abs. 1 SGB II werden Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 durch Sach- und Dienstleistungen erbracht, insbesondere in Form von auf die Person lautenden Gutscheinen oder Direktzahlungen an Anbieter von Leistungen zur Deckung dieser Bedarfe (Anbieter); die kommunalen Träger bestimmen, in welcher Form sie die Leistungen erbringen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Die Bedarfe nach § 28 Abs. 3 SGB II (Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf) und Abs. 4 SGB II (Aufwendungen für Schülerbeförderung) werden jeweils durch Geldleistungen gedeckt. Die kommunalen Träger können mit Anbietern pauschal abrechnen.

Für die Deckung der Bedarfe durch Gutscheine gilt gem. § 29 Abs. 2 SGB II: Wenn die Bedarfe durch Gutscheine gedeckt werden, gelten die Leistungen mit Ausgabe des jeweiligen Gutscheins als erbracht. Die kommunalen Träger gewährleisten, dass Gutscheine bei geeigneten vorhandenen Anbietern oder zur Wahrnehmung ihrer eigenen Angebote eingelöst werden können. Gutscheine können für den gesamten Bewilligungszeitraum im Voraus ausgegeben werden. Die Gültigkeit von Gutscheinen ist angemessen zu befristen. Im Fall des Verlustes soll ein Gutschein erneut in dem Umfang ausgestellt werden, in dem er noch nicht in Anspruch genommen wurde.

Wenn die Bedarfe durch Direktzahlungen an Anbieter gedeckt werden, gelten die Leistungen mit der Zahlung als erbracht (§ 29 Abs. 3 SGB II). Eine Direktzahlung ist für den gesamten Bewilligungszeitraum im Voraus möglich.

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8.1.4 Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen

Die Leistungen des SGB II sind davon abhängig, dass trotz des Einsatzes von Einkommen gem. §§ 11 bis 11b SGB II und von Vermögen gem. §§ 12 SGB II Hilfebedürftigkeit besteht. Dabei ist nicht nur das Einkommen und Vermögen der leistungsberechtigten erwerbsfähigen Personen, sondern auch das der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft maßgebend. Zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4.

Die §§ 11 ff. und 12 SGB II müssen im Zusammenhang mit § 9 SGB II, in welchem die Hilfebedürftigkeit geregelt ist, gesehen werden; denn der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht nur, wenn und soweit die Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) trotz des einzusetzenden Einkommens und des einzusetzenden Vermögens zur Deckung der Bedarfe nach §§ 19 ff. SGB II gegeben ist. Zur Hilfebedürftigkeit vgl. 8.1.4.1.

Die Regelungen für das einzusetzende Einkommen (§§ 11, 11a und 11b  SGB II) und Vermögen (§ 12 SGB II) sind ähnlich, aber etwas großzügiger gestaltet als in der Sozialhilfe (vgl. §§ 82 ff. SGB XII für das Einkommen und §§ 90 ff. SGB XII für das Vermögen).

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8.1.4.1 Hilfebedürftigkeit

In § 9 Abs. 1 SGB II wird die Hilfebedürftigkeit definiert, die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II ist.

Aus § 9 Abs. 1 SGB II ergeben sich drei Kriterien für die Hilfebedürftigkeit: Danach ist hilfebedürftig wer

  1. seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und
  2. die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder
  3. von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Zum Einsatz von Einkommen vgl. 8.1.4.2, zum Einsatz von Vermögen 8.1.3.3 und zum Vorrang anderer Sozialleistungen 8.1.3.4.

Hilfebedürftige müssen ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft machen. Hierzu sind die wirtschaftlichen Verhältnisse so umfassend darzulegen, dass die zuständige Fachkraft im Jobcenter zu der Überzeugung kommt, dass der Hilfebedürftige keine anderen Möglichkeiten zur Bestreitung des Lebensunterhaltes hat als die Grundsicherung und ihm deshalb die Leistungsberechtigung zuzugestehen ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 5a zu § 9 SGB II).

  • 9 SGB II ist im Zusammenhang mit den folgenden Paragraphen, insbesondere den §§ 11 und 12 SGB II über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen zu sehen. § 9 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit den nachfolgenden Regelungen definiert Hilfebedürftigkeit im Ergebnis als einen Zustand, in dem die Bedarfsgemeinschaft nicht über ausreichende eigene Kräfte und Mittel verfügt und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen erhält, um den Lebensunterhalt insgesamt und die Eingliederung der erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Arbeit zu sichern (zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4). Damit ist umfassend beschrieben, dass die Träger der Grundsicherung erst nach Ausschöpfen aller Selbsthilfemöglichkeiten und erreichbarer Hilfe durch Dritte in Anspruch genommen werden können. Der Hilfesuchende hat insbesondere seine Arbeitskraft und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen einzusetzen, um Hilfebedürftigkeit zu vermeiden, zu verringern oder zu beenden. Dies korrespondiert mit den Grundsätzen des Forderns, insbesondere der Eigenverantwortung. Andererseits wird verdeutlicht, dass nicht jegliche Habe geopfert werden muss, bevor die Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen werden können. Allerdings sind vorrangig Hilfen von Angehörigen und Sozialleistungsträgern einzusetzen. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass sich trotz der Neufassung des § 9 Abs. 2 SGB II zum 01.01.2011 an der materiellen Rechtslage nichts geändert hat. Die Hilfebedürftigkeit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werde bereits nach § 9 Abs. 2 SGB II bestimmt, Abs. 2 sei insofern in Bezug auf § 9 Abs. 1 SGB II eine Sonderregelung für die verschiedenen Konstellationen, in denen mehrere Personen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (Haufe Onlinekommentar RZ. 2a zu § 9 SGB II). Zu diesen Konstellationen bestimmt § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB II:

„Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen.“

  • 9 Abs. 2 SGB II dehnt die Verantwortung zur Deckung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft auf weitere Personen unabhängig davon aus, ob diese erwerbsfähig sind oder nicht. In jedem Fall ist das Einkommen und Vermögen, wie § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II zu entnehmen ist, von Partnern - nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, Partnern in eheähnlicher Gemeinschaft und nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz sowie Partnern in nicht eingetragener Lebenspartnerschaft - zu berücksichtigen. Das spiegelt die Einstandsgemeinschaft wider, die diese Partner eingegangen sind.

Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Bei der Feststellung dieses Verhältnisses bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht. Das sind Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche. Für die erforderliche Berechnung des Verhältnisses der Hilfebedürftigkeit der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zueinander müssen die Bedarfe des einzelnen Mitglieds festgestellt werden. Die Summe dieser Einzelbedarfe ergibt den Gesamtbedarf. Danach wird festgestellt, welchen prozentualen Anteil der Einzelbedarf an dem Gesamtbedarf ausmacht. In diesem Umfang ist das Einzelmitglied als hilfebedürftig zu betrachten.

In den Fällen des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

Nach § 9 Abs. 3 SGB II findet § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen sind, keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

Durch § 9 Abs. 3 sollen Frauen unter 25 Jahren, die noch nicht verheiratet sind und mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben, im Falle der Schwangerschaft davor bewahrt werden, durch Berücksichtigung von Elterneinkommen als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu einem Schwangerschaftsabbruch veranlasst oder gedrängt zu werden. Deshalb bestimmt die Vorschrift zum Schutz des ungeborenen Lebens eine Ausnahme von der entsprechenden Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II (Haufe Onlinekommentar RZ. 2d zu § 9 SGB II). Schwangerschaft und Kinderbetreuung sind 2 Tatbestände, die unabhängig voneinander zu betrachten sind. Das Einkommen der Elternteile in der Bedarfsgemeinschaft ist also auch geschützt, wenn die Unverheiratete bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu einem Zeitpunkt nach der Geburt ihr eigenes Kind betreut und dieses das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Betreuung eines Kindes unter 6 Jahren kann auch durch den Vater vorgenommen werden, weil § 9 Abs. 3 SGB II insoweit geschlechtsneutral formuliert ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 10 zu § 9 SGB II).

Nach § 9 Abs. 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. § 9 Abs. 4 SGB II hat zum Ziel, einen gerechten Ausgleich zwischen dem Anspruch der Allgemeinheit auf Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Verwertung von Vermögen gem. § 12 SGB II und den Interessen der Bedarfsgemeinschaft am Erhalt von bestimmten Vermögensgegenständen zu schaffen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Im ersten Fall ist Hilfebedürftigkeit objektiv gegeben, weil vorhandenes an sich einzusetzendes Vermögen aktuell nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nutzbar gemacht werden kann. Im zweiten Fall kann vorhandenes und an sich einzusetzendes Vermögen verwertet und damit für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden, aber das wird der Bedarfsgemeinschaft nicht zugemutet, weil die Verwertung eine besondere Härte wäre. Rechtsfolge ist in beiden Fällen die Verpflichtung des Leistungsträgers, Hilfe zu leisten, allerdings nach § 24 Abs. 5 SGB II nur als Darlehen (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 9 SGB II). Einzelheiten zur Darlehensgewährung regelt § 42a SGB II.

Im ersten Fall müssen also der Verwertung tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die diese objektiv nicht zulassen. § 9 Abs. 4 SGB II erfasst Vermögen, auf das z.B. aufgrund vertraglicher Bindungen befristet nicht oder erst nach einer Übergangsfrist, z.B. einer vertraglichen Kündigungsfrist, zugegriffen werden kann (Bindung durch Sparverträge).

Im zweiten Fall muss eine besondere Härte vorliegen. Dabei handelt es sich um einen gerichtlich überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Zur Beurteilung, ob eine besondere Härte vorliegt, müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Eine besondere Härte liegt nach der Gesetzesbegründung z.B. vor, wenn Vermögen durch eine Kapital-Lebensversicherung gebildet wurde und der vereinbarte Auszahlungszeitpunkt kurz bevorsteht (Haufe Onlinekommentar RZ. 2e zu § 9 SGB II). Umstände, die eine besondere Härte begründen können, sind auch der persönliche Wert eines Vermögensgegenstandes für einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (persönliche Vermögensgegenstände, Erbstücke), objektive und offensichtliche wirtschaftliche Unvernunft einer Verwertung, Unverhältnismäßigkeit der Verwertung in Anbetracht der voraussichtlichen Dauer oder des Umfanges der Hilfebedürftigkeit (Haufe Onlinekommentar RZ. 16 zu § 9 SGB II). Die Verwertung von Vermögen aus einer Schmerzensgeldzahlung auf einem Geldanlagekonto bedeutet auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs eine besondere Härte. Andernfalls besteht nach der Rechtsprechung des BSG ein Wertungswiderspruch zwischen der Privilegierung von Einkommen aus einer Schmerzensgeldzahlung nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und der Nichtprivilegierung daraus erwachsenden Vermögens (BSG, Urteil v. 15.04.2008, AZ. B 14/7b AS 6/07 R, Info 2008 S. 186; Haufe Onlinekommentar RZ. 16a zu § 9 SGB II).

Nach § 9 Abs. 5 SGB II wird, wenn Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten leben, vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. § 9 Abs. 5 SGB II enthält die gesetzliche Vermutung, dass innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft Verwandte oder Verschwägerte, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, dem Leistungsberechtigten Leistungen zum Lebensunterhalt gewähren. Nach der Gesetzesbegründung liegt eine Haushaltsgemeinschaft vor, wenn die Personen mit dem Erwerbsfähigen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und „aus einem Topf" wirtschaften. Der Umfang der Vermutung richtet sich nach einer objektiven Erwartungshaltung in Anbetracht der Höhe des Einkommens und Vermögens der Verwandten oder Verschwägerten. Die gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden. Damit stellt der Gesetzgeber bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit in einer Haushaltsgemeinschaft auf die tatsächlichen Verhältnisse ab (Haufe Onlinekommentar RZ. 2f zu § 9 SGB II). Oder anders ausgedrückt: § 9 Abs. 5 SGB II setzt die Lebenserfahrung in eine gesetzliche Vorschrift um, dass in Notsituationen unabhängig von einer bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft Hilfebedürftige von Verwandten und Verschwägerten unterstützt werden. Das kann z.B. auch der Fall sein, wenn Kinder nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, weil sie ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschaften (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II; Haufe Onlinekommentar RZ. 18 zu § 9 SGB II).

Für den Verwandtschaftsbegriff sind die Vorschriften des BGB maßgeblich (Abstammung § 1589 BGB; Annahme als Kind §§ 1741 ff. BGB).

Verschwägerte sind die Verwandten eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten (§ 1590 BGB). Das gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschaften (vgl. § 11 LPartG). Auf den Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft kommt es nicht an (Haufe Onlinekommentar RZ. 28 zu § 9 SGB II).

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8.1.4.2 Einkommen

Das bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigende Einkommen ergibt sich aus den §§ 11, 11a und 11b SGB II.

  • 11 SGB II enthält den Grundsatz zur Berücksichtigung von Einkommen und Regelungen dazu, wann laufende und einmalige Einnahmen zu berücksichtigen sind.
  • 11a SGB II regelt, welche Einnahmen nicht zum Einkommen nach § 11 SGB II zählen.
  • 11b SGB II regelt, welche Beträge vom Einkommen abzusetzen sind.

Neben den §§ 11, 11a und 11b SGB II sind die Vorschriften der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V), die aufgrund der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 SGB II erlassen wurde, zu beachten. Deren § 1 enthält weitere Bestimmungen darüber, welche Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

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8.1.4.2.1 Grundsätzliches zum Einkommen

Das Einkommen ist vom Vermögen abzugrenzen. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II definiert Einkommen als Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Einkommen i.S.d. § 11 SGB II ist im Ergebnis die Summe aller Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die überhaupt als Einkommen zu berücksichtigen sind, weil sie nicht nach § 11a SGB II bzw. der Alg II-V von der Berücksichtigung ausgenommen sind (Bruttoeinkommen). Von dem so ermittelten Bruttoeinkommen sind die nach § 11b Abs. 1 und 2 SGB II abzusetzenden Steuern, Beiträge und Werbungskosten sowie der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11b Abs. 3 SGB II abzuziehen. Es ergibt sich so das Nettoeinkommen. Auf die Art der Einkünfte kommt es ebenso wenig an wie auf die Bezeichnung (z. B. Nebenverdienst oder Praktikumsvergütung) oder die Herkunft (Haufe Onlinekommentar RZ. 11 zu § 11 SGB II).

Unterschiedliche Einkommensarten sind solche aus selbständiger Arbeit/Gewerbebetrieb, aus nicht selbständiger Arbeit und weitere Einnahmen. Sie sind jeweils getrennt zu betrachten (Haufe Onlinekommentar RZ. 6 zu § 11 SGB II). Zu Einzelheiten, was zu den Einnahmen zählt, vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 12 ff. zu § 11 SGB II.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Solche Sozialleistungen sind z.B. die Leistungen nach den §§ 11 ff. des Ausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), soweit sie nach § 17 Abs. 2 und 3 BAföG als Darlehen gewährt werden. Sie dienen nach § 11 Abs. 1 BAföG dem Lebensunterhalt.

Nach § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II ist der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28 SGB II (Bedarfe für Bildung und Teilhabe - vgl. 8.1.3.2.4), benötigt wird. Dadurch vermindern Kindergeld und Kindergeldzuschlag die Hilfebedürftigkeit des Kindes und die damit einhergehende Abhängigkeit von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II (Haufe Onlinekommentar RZ. 7 zu § 11 SGB II). Kindergeld ist allgemein dem Einkommen der Eltern zuzurechnen, soweit es nicht bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts verwendet wird. Ob das Kindergeld bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts verwendet wird, muss im Einzelfall anhand der Darlegungen oder Verhaltensweisen des berechtigten Elternteils beurteilt werden. Ein objektiver Umstand, der gegen eine Zuwendung zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes spricht, ist eigenes, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichendes Einkommen des Kindes. Dasselbe gilt in dem Fall, in dem Kindergeld laufend vermögenswirksam angelegt wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 46 zu § 11 SGB II).

  • 11 Abs. 2 SGB II regelt Details zur Berechnung des Einkommens. Ausgangspunkt sind stets die anfallenden Bruttoeinnahmen (§ 2 Abs. 1 Alg II-V). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen in dem Monat als den Bedarfszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, sodass darüber verfügt werden kann (modifizierte Zuflusstheorie). Zu den laufenden Einnahmen zählen auch Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden. Für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, gilt die Verteilungsregelung in § 11 Abs. 3 SGB II entsprechend. D.h. sie werden auf sechs Monate verteilt, wenn der Leistungsanspruch bei Zurechnung in einem Monat entfiele.

Die Zurechnungsregelung in § 11 Abs. 2 SGB II gilt nach der in § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II geregelten Antragsrückwirkung auf den Monatsersten auch für Einnahmen, die im Zuflussmonat vor dem Tag der Antragstellung, aber noch innerhalb des Antragsmonats zufließen.

In § 11 Abs. 3 SGB II wird die Verteilung einmaliger Einnahmen geregelt. Einmalige Einnahmen werden nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II zwar grundsätzlich im Zuflussmonat berücksichtigt. Aus § 11 Abs. 3 SGB II kann sich aber eine andere Berücksichtigung oder Verteilung einmaliger Einnahmen ergeben: Einmalige Einnahmen sind, je nachdem, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den laufenden Monat bereits erbracht worden sind, nach § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II im Zufluss- oder Folgemonat zu berücksichtigen. Führt eine einmalige Einnahme nicht zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit, ist sie vollständig im Zufluss- oder Folgemonat unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II zu berücksichtigen. Entfällt Hilfebedürftigkeit bei Berücksichtigung im Zuflussmonat oder im Monat danach, sind einmalige Einnahmen gleichmäßig auf 6 Monate aufzuteilen. Ob dadurch Hilfebedürftigkeit in einzelnen Monaten entfällt oder nicht, ist für die Entscheidung über die Aufteilung nicht relevant. Die Aufteilung auf 6 Monate gilt auch dann, wenn die Leistungsberechtigung absehbar innerhalb einer kürzeren Frist endet, weil z.B. nach 4 Monaten eine Erwerbstätigkeit aufgenommen wird und die Einnahmen daraus so hoch sind, dass Hilfebedürftigkeit entfällt (Haufe Onlinekommentar RZ. 10 zu § 11 SGB II).

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8.1.4.2.2 Einnahmen, die nicht zum Einkommen zählen

Welche Einnahmen nicht zum Einkommen nach § 11 SGB II zählen, ist in § 11a SGB II in 5 Absätzen geregelt. Darüber hinaus ist die aufgrund der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 SGB II  erlassene Alg II-V zu beachten. Deren § 1 enthält weitere Bestimmungen darüber, welche Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Der Gesetzgeber wollte sich bei der Berücksichtigung und Nichtberücksichtigung von Einkommen bei den Leistungen zum Lebensunterhalt der Grundsicherung für Arbeit Suchende im Wesentlichen an das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII halten. Die gegenüber der früheren Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III ungünstigeren Bestimmungen in § 11a SGB II zur Berücksichtigung von Einkommen begegnen nach der Rechtsprechung des BSG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 11a SGB II, BSG, Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, FEVS 58 S. 353 zu § 11 alter Fassung).

Nach § 11a Abs. 1 SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

  1. die Leistungen nach diesem Buch,
  2. die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
  3. die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Die nach Nr. 2 und 3 von der Anrechnung als Einkommen ausgenommenen Leistungen dienen - anders als z.B. Unfall- und Verletztenrenten - einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhaltes, nämlich dem Ausgleich der nicht mehr bestehenden körperlichen Unversehrtheit und der Deckung des daraus entstehenden Mehraufwands.

Bei den in Nr. 2 angesprochenen Grundrenten, die in entsprechender Anwendung des BVG geleistet werden, handelt es sich um Leistungen aufgrund von §§ 80 ff. Soldatenversorgungsgesetz, §§ 59 ff. Bundesgrenzschutzgesetz, § 50 Zivildienstgesetz, § 1 Abs. 1 Gesetz über die Entschädigung von Gewalttaten, § 60 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz für Impfopfer. Weitere Hinweise enthält Haufe Onlinekommentar RZ. 25 zu § 11a SGB II.

Nach § 11a Abs. 2 SGB II sind Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. § 253 Abs. 2 BGB lautet: „(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“ Das ist das so genannte Schmerzensgeld. Das Schmerzensgeld kann sowohl als einmaliger Betrag wie auch als monatlich geleistete laufende Schmerzensgeldzahlungen erbracht werden. Einmalzahlungen fließen nach Ablauf des Zahlungsmonats nach dem SGB II, in dem die Schmerzensgeldsumme geleistet worden ist, dem Vermögen zu (Haufe Onlinekommentar RZ. 28 zu § 11a SGB II). Geerbte Schadenersatz- und Schmerzensgeldleistungen sind hingegen nicht mehr vor der Berücksichtigung als Einkommen geschützt, weil der privilegierende Charakter nur gegenüber dem Geschädigten selbst besteht und dieser Charakter mit dessen Tod verloren geht (Haufe Onlinekommentar RZ. 29 zu § 11a SGB II).

Nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Diese Regelung schützt zweckgebundene Einnahmen, die einen anderen Zweck als die Leistungen zum Lebensunterhalt bzw. die Eingliederungsleistungen nach dem SGB II verfolgen und stellt deren Zweckerreichung sicher. Auf die Herkunft der zweckbestimmten Einnahmen kommt es grundsätzlich nicht an. Es kann sich auch um eine für einen besonderen Zweck bestimmte vertragliche Leistung handeln. § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II fordert aber eine öffentlich-rechtliche Grundlage. Daher muss die Einnahme auf einer gesetzlichen Grundlage basieren, die den Zweck ausdrücklich ausweist. Ob die Einnahme gleichen Zwecken dient wie Leistungen nach dem SGB II, ist allein nach dem in der gesetzlichen Grundlage benannten Zweck zu beurteilen. Ist ein Zweck nicht ausdrücklich benannt, kommt eine Privilegierung nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht in Betracht, ggf. aber nach anderen Vorschriften (Haufe Onlinekommentar RZ. 32 zu § 11a SGB II).

Als ganz oder teilweise zweckbestimmte Leistungen kommen in Betracht: Leistungen nach dem SGB XI (Pflegegeld, Pflegesachleistungen und sonstige Pflegeleistungen)und ähnliche Leistungen nach anderen Gesetzen (auch an den Pflegenden weitergeleitetes Pflegegeld bei diesem), bestimmte Leistungen nach dem SGB VII (Pflegegeld). Vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 34 zu § 11a SGB II mit weiteren Beispielen.

Aus § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II ergibt sich auch, dass die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII oder das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen nicht als Einkommen anzurechnen sind, weil sie keinem der Zwecke der Leistungen nach dem SGB II dienen, sondern der durch die Blindheit bedingte Mehrbedarf, wie z.B. Finanzierung von Assistenzleistungen und Anschaffung von Hilfsmitteln, ermöglicht werden soll.

Nach § 11a Abs. 4 SGB II sind Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Dagegen kommt es nicht darauf an, welchem Zweck die Leistungen der freien Wohlfahrtspflege dienen (Haufe Onlinekommentar RZ. 48 zu § 11a SGB II). Welche Organisationen amtlich anerkannte Träger der freien Wohlfahrtspflege im Sinn von § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind, ergibt sich aus § 23 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV). Zur freien Wohlfahrtspflege gehören danach die sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und ihre Mitgliedsorganisationen (Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) und darüber hinaus Vereinigungen, welche Bedürftige, insbesondere gefährdete und behinderte Menschen betreuen. So sind nach § 23 UStDV unter Nr. 7 auch der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband und unter NR. 8 der Bund der Kriegsblinden Deutschlands als Wohlfahrtsverbände amtlich anerkannt. Die Betreuten müssen nicht der betreuenden Vereinigung als Mitglieder angehören. Die Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege bleiben regelmäßig anrechnungsfrei. Es ist gleichgültig, ob es sich um Sach- oder Geldzuwendungen handelt. Durch die Zuwendungen wird die Lage des Empfängers nur in Ausnahmefällen so günstig beeinflusst, dass Leistungen nach dem SGB II daneben nicht mehr gerechtfertigt wären (Haufe Onlinekommentar RZ. 49 zu § 11a SGB II).

Nach § 11a Abs. 5 SGB II sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit

  1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
  2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

Eine Auflistung von Leistungen, die nach den Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 11 SGB II von den gemeinsamen Einrichtungen nicht als Einkommen angerechnet werden, findet sich bei Haufe Onlinekommentar RZ. 52 zu § 11a SGB II. Darunter werden genannt:

  • Arbeitsförderungsgeld in Werkstätten für Behinderte (§ 43 SGB IX),
  • vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers,
  • Ausbildungsgeld (§ 107 SGB III) für Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsbereich und Berufsbildungsbereich in Werkstätten für behinderte Menschen,
  • Leistungen für Blindenführhunde,
  • das Blindengeld nach Landesblindengesetzen und das Gehörlosengeld,
  • Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und vergleichbare Leistungen der privaten Pflegeversicherung,
  • Pflegegeld nach § 44 SGB VII,
  • Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung.

Einnahmen, die nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, enthält auch § 1 der Alg II-V.

In § 1 Abs. 1 Alg II-V sind in 13 Ziffern Einnahmen aufgelistet, die außer den in § 11a des SGB II genannten Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Dazu zählen u.a.:

  • Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10,00 Euro nicht übersteigen (Bagatellgrenze § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V).
  • nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Die Steuerfreiheit der Einnahmen richtet sich nach § 3 Nr. 36 EStG. Danach sind Einnahmen für Leistungen zur Grundpflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI steuerfrei, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen erbracht werden, die damit eine sittliche Pflicht i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen (sog. weitergegebenes Pflegegeld). Die Steuerfreiheit betrifft auch das Pflegegeld aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des SGB XI oder eine Pauschalbeihilfe nach Beihilfevorschriften für häusliche Pflege.
  • die Eigenheimzulage, soweit sie nachweislich zur Finanzierung einer nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Immobilie (ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung) verwendet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V).
  • Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V). Das sind Fälle, in welchen der Hilfebedürftige Kindergeld für ein Kind bezieht, das nicht mehr in seinem Haushalt lebt. Der Nachweis der Weiterleitung kann z.B. durch einen Dauerauftrag nachgewiesen werden.
  • bei Sozialgeldempfängern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100,00 Euro monatlich nicht übersteigen (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 Alg II-V). Diese Bestimmung räumt Kindern unter 15 Jahren, die deshalb nicht zum erwerbsfähigen Personenkreis gehören, einen monatlichen Freibetrag von 100,00 Euro ein, um die Anrechnung von Einkommen dieser Kinder aus „Taschengeldverdiensten" zu vermeiden, z. B. durch Babysitten, Nachhilfe, Zeitungen/Prospekte austragen usw. (Haufe Onlinekommentar RZ. 70 zu § 11a SGB II).
  • Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den in § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1a des SGB II genannten Betrag nicht überschreiten (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 Alg II-V). Die Geldgeschenke dürfen also bei jedem Anlass bis zu 3.100,00 Euro betragen.

Nach § 1 Abs. 4 Alg II-V werden Einkommen von Schülern aus Ferienjobs in dem dort genannten Umfang privilegiert. Solche Einnahmen sind zwar im Regelfall als laufende Einnahmen nach Maßgabe des § 11 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen (Haufe Onlinekommentar RZ. 77 zu § 11a SGB II). Nach § 1 Abs. 4 Alg II-V werden aber Einnahmen aus Erwerbstätigkeit von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen unter 25 Jahren bis zu 1.200,00 Euro von der Berücksichtigung als Einkommen freigestellt, soweit die Erwerbstätigkeit in den Schulferien für höchstens 4 Wochen im Kalenderjahr ausgeübt wird. Die vier Wochen können auf unterschiedliche Ferien, z.B. Oster- und Sommerferien verteilt sein. § 1 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V nimmt allerdings Schüler von der Begünstigung aus, die Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung haben. Das sind insbesondere die Berufsschüler in einer dualen Berufsausbildung. Die Ausnahme ist gerechtfertigt, weil diese Schüler bereits über Einnahmen durch Ausbildungsvergütung verfügen, mit denen eigene Wünsche erfüllt werden können (Haufe Onlinekommentar RZ. 88 zu § 11a SGB II).

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8.1.4.2.3 Vom Einkommen abzusetzende Beträge
  • 11b SGB II regelt, was von dem nach §§ 11 und 11a SGB II ermittelten Einkommen abzusetzen ist. Die Regelungen sollen im Einzelnen vermeiden, dass z.B. auf das Einkommen entrichtete Steuern, Versicherungsbeiträge und Vorsorgeleistungen bzw. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Werbungskosten) angerechnet werden. Anders ausgedrückt: Die Vorschrift regelt, welche Beträge bei der Berücksichtigung von Einkommen vor der Anrechnung auf den Bedarf von den Einnahmen abzusetzen sind. Sie enthält Regelungen zur Bereinigung des Einkommens, um zu vermeiden, dass Einnahmen, die für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehen oder für einen besonderen anderen Bedarf gedacht sind, nicht auf die Leistungen zum Lebensunterhalt angerechnet werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 11b SGB II).

Nach § 11b Abs. 1 SGB II sind vom Einkommen abzusetzen:

  1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
  2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
  3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden,
  4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
  5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
  6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 11b Absatz 3 SGB II,
  7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
  8. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 71 oder § 108 des SGB III bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.

Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 3 SGB II sind die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den

Nummern 1, 2, 5 und 6 von § 11b Abs. 1 SGB II vorweg abzusetzen.

  • 11b Abs. 2 und 3 SGB II enthalten die ab 01.04.2011 maßgebenden Neuregelungen zu den Erwerbstätigenfreibeträgen.

Abweichungen von § 11b Abs. 1 SGB II enthält für Erwerbstätige § 11b Abs. 2 SGB II.

Nach § 11b Abs. 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,00 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400,00 Euro, gilt Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 SGB II den Betrag von 100,00 Euro übersteigt. Erhält eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nummer 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, gelten die Sätze 1 und 2 des § 11b Abs. 2 SGB II mit den Maßgaben, dass jeweils an die Stelle des Betrages von 100,00 Euro monatlich der Betrag von 175,00 Euro monatlich und an die Stelle des Betrages von 400,00 Euro der Betrag von 175,00 Euro tritt. § 11a Absatz 3 SGB II bleibt unberührt.

Die für die Absetzung in § 11b Abs. 2 festgesetzte Pauschale gilt auch, wenn die Absetzbeträge geringer wären oder gar keine Absetzbeträge anfallen (Haufe Onlinekommentar RZ. 12 zu § 11b SGB II).

Nach § 11b Abs. 3 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen.

Dieser beläuft sich

  1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.000,00 Euro beträgt, auf 20 Prozent und
  2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 1.000,00 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200,00 Euro beträgt, auf 10 Prozent.

Anstelle des Betrages von 1.200,00 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft

leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1.500,00 Euro.

  • 11b Abs. 3 SGB II enthält Freibetragsregelungen für erwerbsfähige erwerbstätige Leistungsberechtigte über die Freibetragsregelung nach § 11b Abs. 2 hinaus. Die Regelung berücksichtigt, dass bei einem monatlichen Einkommen von 100,00 Euro eben der Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 SGB II von 100,00 Euro abzusetzen ist und damit kein nach § 11 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen verbleibt.

Die Freibetragsregelungen nach § 11b Abs. 3 SGB II setzen deshalb folgerichtig bei einem Einkommen oberhalb von 100,00 Euro an. Die Freibeträge nach § 11b Abs. 3 werden deshalb nur für den Teil des Einkommens berechnet, der 100,00 Euro monatlich übersteigt. Bis zum Betrag von 1.000,00 Euro beträgt der Freibetrag 20 % (§ 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II), oberhalb von 1.000,00 Euro bis 1.200,00 Euro 10 %, in diesem Segment also maximal 20,00 Euro (§ 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Das Einkommen oberhalb von 1.200,00 Euro wird ohne Freibetrag in voller Höhe berücksichtigt. Nur dann, wenn der erwerbstätige Leistungsberechtigte mindestens ein minderjähriges Kind hat oder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft lebt, steigt die Obergrenze auf 1.500,00 Euro (§ 11b Abs. 3 Satz 3 SGB II). Dann wird für Einkommen im Segment von 1.000,00 Euro bis 1.500,00 Euro ein Freibetrag in Höhe von 10 % eingeräumt, also maximal 50,00 Euro monatlich (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 11b SGB II).

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8.1.4.3 Zu berücksichtigendes Vermögen
  • 12 SGB II regelt den Umfang des zu berücksichtigenden Vermögens. Die Vorschrift stellt klar, dass das verwertbare Vermögen - vermindert um die Absetzbeträge (Abs.2) und nach Ausschluss des Schonvermögens (Abs. 3) - grundsätzlich zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einzusetzen ist, bevor die Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen werden können. Nur wenn ausreichendes Vermögen nicht vorhanden ist, besteht Hilfebedürftigkeit. Zur Hilfebedürftigkeit vgl. 8.1.4.1.

Zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit kann zunächst der Wert aller verwertbaren Vermögensgegenstände ermittelt und dem Grundfreibetrag (§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 1a SGB II) gegenübergestellt werden. Ist übersteigendes Vermögen vorhanden, ist zu prüfen, ob einzelne Vermögensgegenstände unberücksichtigt bleiben können (Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGB II und Ausschluss des Schonvermögens nach § 12 Abs. 3 SGB II oder § 7 Alg II-V). Ist auch dann noch zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden, ist abschließend zu prüfen, ob eine Verwertung aufgrund offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit oder besonderer Härte gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II unzumutbar ist. Der Wert von Vermögensgegenständen braucht nur dann ermittelt zu werden, wenn gewiss ist, dass diese auch zu berücksichtigen sind (vgl. dazu Haufe Onlinekommentar RZ. 20 zu § 12 SGB II).

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8.1.4.3.1 Grundsätzliches zum Vermögen

Das Vermögen ist vom Einkommen, das nach § 11 SGB II einzusetzen ist, abzugrenzen. Zum Einkommen vgl. 8.1.4.2. Grundsätzlich sind Einnahmen, die im Bedarfszeitraum von einem Monat (§ 11 Abs. 2 Satz 1) zufließen, Einkommen. Kein Einkommen ist hingegen der Erlös aus dem Verkauf eines Vermögensgegenstandes oder die Rückzahlung einer Vermögensanlage; denn dabei wird lediglich Vermögen umgeschichtet (Haufe Onlinekommentar RZ. 13 zu § 12 SGB II). Einkommen wird zum Vermögen, soweit es bei Ablauf des Bedarfszeitraumes nicht verbraucht ist, es sei denn, die Alg II-V trifft eine Bestimmung über eine Berücksichtigung als Einkommen über eine längere Zeitspanne als einen Zahlungszeitraum von einem Monat.

Zum Vermögen gehören Geld und Geldeswerte, Sachen, Forderungen und Rechte. Darunter fallen insbesondere gesetzliche Zahlungsmittel und Schecks, bebaute und unbebaute Grundstücke, bewegliche Vermögensgegenstände, Rechte aus Wechseln, Aktien, Grundschulden, Dienstbarkeiten, Nießbrauch. Auch selbstgeschaffene Kunstwerke stellen Vermögen dar (BSG, Urteil v. 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R, SGb 2007 S. 38). Grundsätzlich kommen auch durchsetzbare Rückübertragungsansprüche nach § 528 BGB (verschenktes Vermögen eines verarmten Schenkers) in Betracht (Haufe Onlinekommentar RZ. 3 zu § 12 SGB II).

Zu berücksichtigen ist das Vermögen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst sowie das Vermögen der Personen, die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben (§ 9 SGB II).

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8.1.4.3.2 Verwertbarkeit von Vermögen

Eine Einschränkung hinsichtlich des Einsatzes von Vermögen ergibt sich daraus, dass es sich um verwertbares Vermögen handeln muss. Verwertbarkeit von Vermögen bedeutet, dass es schlechthin für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden kann. Das trifft z.B. auch bei späterer Fälligkeit einer Forderung zu, solange eine Verwertung überhaupt in absehbarer Zeit möglich erscheint. Die Verwertbarkeit kann tatsächlich oder rechtlich ausgeschlossen sein. Tatsächlich ist Vermögen nicht verwertbar, wenn sich kein Käufer bzw. Abnehmer findet. Ein rechtlicher Ausschluss ergibt sich aus Verfügungsbeschränkungen (Haufe Onlinekommentar RZ. 15 zu § 12 SGB II). Vermögen kann durch Veräußerung, aber auch durch Belastung (Beleihung), Übertragung, Vermietung, Verpachtung verwertet werden.

Wenn Vermögen nicht verwertbar ist, ist es nicht zu berücksichtigen. Es kommt eine darlehensweise zu gewährende Grundsicherung in Betracht, weil insoweit ein originärer Anspruch auf Grundsicherungsleistungen besteht (§ 23 Abs. 5 SGB II). Daher ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob Vermögen verwertbar ist, und wenn ja, ob die Verwertung zumutbar ist (Haufe Onlinekommentar RZ. 17 zu § 12 SGB II).

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8.1.4.3.3 Schonvermögen

Eine Einschränkung hinsichtlich des für den Lebensunterhalt einzusetzenden Vermögens ergibt sich aus der Berücksichtigung des so genannten Schonvermögens.

Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind als so genanntes Schonvermögen nicht zu berücksichtigen:

  1. angemessener Hausrat,
  2. ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, weil dadurch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert werden soll (zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4),
  3. vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist, um diesen Personenkreis nicht schlechter zu stellen als die Personen, die eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung durch eingezahlte Beiträge erwerben bzw. erworben haben,
  4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung,
  5. Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt ist, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens (für den Lebensunterhalt) gefährdet würde,
  6. Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Hier handelt es sich um einen Auffangtatbestand.

Für die Bewertung der Angemessenheit, die in den vorstehenden Nummern in unterschiedlichen Zusammenhängen angesprochen wird, sind nach § 12 Abs. 3 Satz 2 SGB II die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen maßgeblich. Zu den Regelungen ist Folgendes festzustellen:

  • 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II nimmt angemessenen Hausrat von der Berücksichtigung als Vermögen komplett aus. Unter Hausrat sind alle Sachen zu verstehen, die dem Zusammenleben der Familie und ihrer Bewirtschaftung dienen (Haufe Onlinekommentar RZ. 54 zu § 12 SGB II). Nicht angemessen wären luxuriöse, wertvolle Vermögensgegenstände, die auch nicht von § 12 Abs.

3 Satz 1 Nr. 6 SGB II erfasst werden, wie z.B. Antiquitäten usw. Für die Angemessenheit genügt es aber, wenn die Gegenstände, die zum Hausrat gehören, nicht unbedingt notwendig, aber üblich sind (Haufe Onlinekommentar RZ. 55 zu § 12 SGB II).

  • 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II belässt jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaft ein angemessenes Kraftfahrzeug. Zweck dieser Regelung ist es, die Möglichkeit zu erhalten, im Falle einer Arbeitsvermittlung die Arbeitsstelle mit dem Pkw erreichen zu können. Dementsprechend steht nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Regelfall kein angemessener Pkw als Schonvermögen zu. Von nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann die Verwertung eines Kfz zur Verminderung der Hilfebedürftigkeit erwartet werden, es sei denn, es liegen besondere Gründe, wie z.B. eine Behinderung, vor oder das Kfz ist aus anderen Gründen durch § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II geschützt (Haufe Onlinekommentar RZ. 56 zu § 12 SGB II). Bei nichterwerbsfähigen blinden Kraftfahrzeughaltern kann ein Kfz zum Schonvermögen gehören, da es ihrer Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dient. Für die Angemessenheit kommt es auf den Verkehrswert des Kfz an. Nach Auffassung des BSG ist ein Pkw mit einem Verkehrswert bis zu 7.500,00 Euro als angemessenes Kraftfahrzeug anzusehen und zählt damit zum Schonvermögen (BSG, Urteil v. 06.09.2007, B 14/7b AS 66/06 R, SGb 2008 S. 602).
  • 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II verschont ein nicht nur gelegentlich selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von der Berücksichtigung als Vermögen, wenn sich die Größe in einem angemessenen Rahmen hält. Wenn das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung nicht oder nicht in wirtschaftlicher Weise verwertet werden kann oder wenn eine Verwertung für den Eigentümer eine besondere Härte bedeuten würde, scheidet eine Berücksichtigung bereits nach § 12 Abs. 1 SGB II (Erfordernis der Verwertbarkeit) bzw. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II (Härteklausel) aus. Zentrales Kriterium für die Feststellung der Nichtberücksichtigung eines selbst genutzten Hausgrundstückes oder einer selbst genutzten Eigentumswohnung nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist die Angemessenheit der verfügbaren Wohnfläche. Die Grundregel, nach der außer Küche, Bad und Nebenräumen (z.B. Speicher, Abstellraum usw.) und bei Hausgrundstücken Hof und Hausgarten, ein Schlafraum je Bewohner angemessen ist, kann für die Beurteilung als Maßstab dienen. Allgemein wird in Anlehnung an die Wohnflächengrenzen nach dem WoBauG die Verwertung von Grund- und Hausgrundstücken nicht erwartet werden, wenn die Wohnfläche des Hauses 130 m2 nicht übersteigt und das Grundstück nicht größer als 400 m2 bis 500 m2, in ländlichen Gebieten nach Maßgabe des örtlichen Bebauungsplans ca. 800 m2 ist. Bei Eigentumswohnungen gilt eine Grenze von 120 m2. Im Falle häuslicher Pflege für einen Bewohner gelten höhere Grenzwerte (Haufe Onlinekommentar RZ. 67 zu § 12 SGB II). Wenn ein Mitbewohner blind ist, muss gegebenenfalls ein erhöhter Raumbedarf berücksichtigt werden. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter 8.1.3.1.3.
  • 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB II schützt Vermögen, dessen Einsatz zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen erforderlich ist. Die Vorschrift nennt 2

Fälle: die baldige Beschaffung oder den Erhalt eines Hausgrundstückes zu den genannten Zwecken. Die Regelung erfasst über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch Eigentumswohnungen. Damit will der Gesetzgeber sozialpolitisch gewünschten Aktivitäten, z. B. häusliche Pflege statt Heimunterbringung, nicht durch Verwertung von dafür vorgesehenem Vermögen entgegentreten. Beschaffung schließt neben Erwerb und Neubau auch die Erweiterung oder den Anbau, Erbbauverträge und Dauerwohnrechte ein. Erhalt ist ein Sammelbegriff für die Instandsetzung und Instandhaltung eines Hausgrundstückes oder einer Eigentumswohnung (Haufe Onlinekommentar RZ. 76 zu § 12 SGB II). Um zu vermeiden, dass Vermögen ohne Rechtsgrund geschützt wird, muss vom Leistungsberechtigten der Nachweis erbracht werden, dass das Vermögen für Wohnzwecke der behinderten oder pflegebedürftigen Mitglieder innerhalb oder außerhalb der Bedarfsgemeinschaft eingesetzt werden soll und dies bald realisiert wird. Dafür reicht es aus, wenn innerhalb eines Jahres konkrete Realisierungsschritte unternommen werden. Anhaltspunkte können Planungsunterlagen, Vorverträge,

konkrete Aufträge, Finanzierungsverträge oder -zusagen sein. Bei Erhaltungsmaßnahmen können konkretere Anforderungen gestellt werden als bei Neubauten (Haufe Onlinekommentar RZ. 78 zu § 12 SGB II).

  • 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II enthält eine Auffangvorschrift für alle diejenigen Sachen und Rechte, insbesondere also Gegenstände und Ansprüche, deren Verwertung auch aus der Sicht des für die Leistungen nach dem SGB II aufkommenden Steuerzahlers mit einem gesunden Menschenverstand, unvernünftig oder unzumutbar erscheint. Unvernünftig ist eine Verwertung dann, wenn sie offensichtlich unwirtschaftlich ist. Offensichtlichkeit liegt vor, wenn sie auch für einen nicht besonders Sachkundigen auf den ersten Blick ins Auge sticht, insbesondere weil die eigene Investition in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum Verwertungserlös steht (Haufe Onlinekommentar RZ. 81 zu § 12 SGB II). Verluste bei der Verwertung, z.B. durch den geringeren Rückkaufwert einer Lebensversicherung gegenüber den einbezahlten Beiträgen, müssen also hingenommen werden, wenn darin keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit zu sehen ist. Eine pauschale Größe für den hinzunehmenden Verlust gibt es nicht, weil alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
  • 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II bestimmt ferner, dass eine Verwertung von Vermögen nicht verlangt werden kann, wenn sie für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Damit schafft der Gesetzgeber eine Schonregelung, die es ermöglicht, individuellen, speziellen Verhältnissen besonders Rechnung zu tragen und damit einen menschlichen Zug in die Vorschriften zur Verwertung von Vermögen einzubringen. Eine besondere Härte ist erst dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nahezu jede Person Vermögensgegenstände besitzt, die ihr besonders am Herzen liegen, im Vergleich zum Durchschnitt solcher Vermögensbeziehungen besondere Merkmale oder Faktoren festgestellt werden können, die davon erheblich abweichen und eine Verwertung deshalb als unbillig und unzumutbar erscheinen lassen (Haufe Onlinekommentar RZ. 88 zu § 12 SGB II). Eine besondere Härte kann in allen Fällen in Betracht kommen, in denen Vermögen eine der Menschenwürde entsprechende „Behandlung" des Leistungsberechtigten in der Zukunft sichern soll. Das trifft z.B. auf Ersparnisse zu, die eine würdevolle Beerdigung sichern oder eine längerfristige Grabpflege gewährleisten sollen. Eine besondere Härte liegt auch nahe, wenn Vermögen aus geschütztem Einkommen angespart wurde, insbesondere aus Einkommen mit Entschädigungscharakter (Haufe Onlinekommentar RZ. 89 zu § 12 SGB II). Eine besondere Härte ist auch im Falle angesparten Blindengeldes nach einem Landesblindengeldgesetz oder angesparter Blindenhilfe nach § 72 SGB XII aufgrund der Zweckbestimmung dieser Leistungen anzunehmen. Vgl. dazu Urteil des BSG 8. Senats vom 11.12.2007 AZ.: B 8/9b SO 20/06 R = RegNr 28183 (BSG-Intern). Auf dieses Urteil wird in Heft 06 dieser Schriftenreihe unter 6.5.3.2.3 näher eingegangen.

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8.1.4.3.4 Weiteres nicht zu berücksichtigendes Vermögen

Regelungen über weiteres nicht zu berücksichtigendes Vermögen enthält § 7 der aufgrund der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 SGB II erlassenen Alg II-V. Über § 12 Abs. 3 SGB II hinaus stellt § 7 Alg II-V allerdings nur Vermögensgegenstände von der Berücksichtigung frei, welche zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind. Es genügt nicht, dass bestimmte Vermögensgegenstände im Eigentum des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit begünstigen könnten oder zweckmäßig sind. Unentbehrlich ist ein Gegenstand dann, wenn die Berufsausbildung ohne ihn nicht absolviert oder die Erwerbstätigkeit ohne ihn nicht ausgeübt werden kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 94 zu § 12 SGB II).

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8.1.4.3.5 Abzusetzende Beträge

Das zu berücksichtigende Vermögen ist nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 SGB II um die dort bestimmten Freibeträge zu vermindern. Ist ein Vermögensgegenstand zu berücksichtigen, muss er nicht sogleich verwertet werden. Vielmehr fließt der den ggf. einzuräumenden Freibetrag übersteigende Wert in eine Gesamtschau ein, bei der das gesamte zu berücksichtigende Vermögen dem gesamten Freibetrag gegenübergestellt wird (Haufe Onlinekommentar RZ. 2 zu § 12 SGB II).

Von dem nach § 12 Abs. 1 SGB II zu verwertenden Vermögen sind nach § 12 Abs. 2 SGB II die dort genannten Freibeträge abzusetzen:

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3.100,00 Euro abzusetzen (zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.3.4). Der Mindestgrundfreibetrag von 3.100,00 Euro wird mit Vollendung des 21. Lebensjahres überschritten. Der Grundfreibetrag darf jedoch für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder ihren Partner jeweils den nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen. Diese Höchstfreibeträge, die nicht überschritten werden dürfen, richten sich nach dem Geburtsdatum der volljährigen Leistungsberechtigten und ihrer Partner. Die höchsten Grundfreibeträge belaufen sich auf

  • 750,00 Euro für Personen mit einem Geburtsdatum vor 1958,
  • 900,00 Euro für Personen mit einem Geburtsdatum von 1958 bis 1963 sowie
  • 050,00 Euro für Personen mit einem Geburtsdatum ab 1964.

Der Grundfreibetrag ist stets gewährleistet. Weitere Freibeträge werden nicht auf den Grundfreibetrag angerechnet. Ebenso schmälert der Grundfreibetrag keine weiteren Freibeträge, die der Gesetzgeber nach § 12 SGB II einräumt (Haufe Onlinekommentar RZ. 26 zu § 12 SGB II).

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II ist ein Grundfreibetrag in Höhe von 3.100,00 Euro für jedes leistungsberechtigte minderjährige Kind abzusetzen. Damit werden pauschal Vermögen der Kinder geschont, die z.B. aus Sparguthaben bestehen oder in einer Ausbildungsversicherung angelegt sind. Der Freibetrag setzt voraus, dass das Kind überhaupt ein ihm zuzurechnendes Vermögen hat. Der Freibetrag kann überhaupt nur eingeräumt werden, wenn und soweit beim Kind tatsächlich Vermögen vorhanden ist.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II ist Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens für die sog. Riester-Rente einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge geschützt, soweit die Inhaberin oder der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet. Gefördert werden private Rentenversicherungen, Banksparpläne, Aktienfondssparpläne. Die Altersvorsorgeverträge müssen zertifiziert sein (§ 5 Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz) und festlegen, dass vor Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. dem Beginn einer Altersrente keine Leistungen erbracht werden (Ausnahme Altersvorsorge-Eigenheimbeitrag als Darlehen). Vgl. Haufe Onlinekommentar RZ. 40 zu § 12 SGB II.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit die Inhaberin oder der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 750,00 Euro je vollendetem Lebensjahr der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person und deren Partnerin oder Partner, höchstens jedoch jeweils den nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigt, geschützt. Zum 17.04.2010 wurden die nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II geschützten Werte verdreifacht. Je nach Eintritt ins Regelrentenalter mit 65 Jahren (48.750,00 Euro), 66 Jahren (49.500,00 Euro) oder 67 Jahren (50.250,00 Euro) ist die Obergrenze nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II berechnet (Haufe Onlinekommentar RZ. 2e zu § 12 SGB II). Der Schutz umfasst Ansprüche, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung unwiderruflich nicht vor Eintritt in den Ruhestand verwertet werden können. Das kann z.B. auf Kapital-Lebensversicherungen zutreffen. Mit dem Versicherungsunternehmen kann ggf. ein gesonderter Verwertungsausschluss im Umfang des Freibetrages vereinbart werden (Haufe Onlinekommentar RZ. 42 zu § 12 SGB II).

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ist ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Leistungsberechtigten abzusetzen (zur Bedarfsgemeinschaft vgl. 8.1.2.4).

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8.1.4.3.6 Bewertung des Vermögens

Beim „verwertbaren Vermögen" werden nur die positiven Vermögenswerte berücksichtigt. Eine Bilanzierung mit negativen Werten (Schulden) findet nicht statt. Nach § 12 Abs. 4 SGB II ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Steuerrechtliche Vorschriften bleiben unberücksichtigt (§ 8 Alg II-V). Damit ist gewährleistet, dass der Vermögenswert nicht durch Abschreibung abgesenkt werden kann (Haufe Onlinekommentar RZ. 95 zu § 12 SGB II).  Der Verkehrswert eines Vermögens ist der bei Veräußerung auf dem freien Markt erzielbare Erlös für den Vermögensgegenstand. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende gestellt wird. Bei späterem Erwerb von Vermögen im Verlauf eines Bewilligungszeitraumes ist für die Bewertung dieser Vermögensgegenstände der Zeitpunkt des Erwerbs maßgebend. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind mit ihrem Eintritt zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II). Eine Änderung des Verkehrswertes ist wesentlich, wenn dieser Auswirkungen auf die Höhe der zu gewährenden Leistungen hat. Unerheblich ist, ob sich der Wert zu Gunsten oder zu Ungunsten des Vermögensinhabers verändert hat (Haufe Onlinekommentar RZ. 102 zu § 12 SGB II).

Alg II bzw. Sozialgeld wird aufgrund zu berücksichtigenden Vermögens erst dann nicht gezahlt, wenn das zu berücksichtigende Vermögen zur Deckung des Bedarfs mindestens eines vollständigen Bedarfszeitraums (i.d.R. ein Kalendermonat) ausreicht (Haufe Onlinekommentar RZ. 106 zu § 12 SGB II).

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