horus 2/2023
Schwerpunkt: "Gelingendes Altern"

Titelbild horus;

Titelbild horus 2/2023: Die DVBS-Mitglieder Dr. Otto Hauck (o. l.), Anette Bach (o. r.), Christine Beutelhoff (u. l.) und Franz Josef Breiner (u. r.) setzen unterschiedliche Impulse bei der Frage nach einem gelingenden Altern. Fotos der Bildcollage: privat


Inhalt

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Vorschau horus 3/2023

Schwerpunkt: "Kontakt und Beziehungen"
Erscheinungstermin: 28.08.2023
Anzeigenannahmeschluss: 21.07.2023
Redaktionsschluss: 23.06.2023

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Vorangestellt

Liebe Leser*innen,

als mir "Gelingendes Altern", das Thema dieser Ausgabe, genannt wurde, musste ich doch kurz einmal innehalten und ja, ich gebe es zu, auch grinsen. Doch je länger ich mich damit befasst und darüber nachgedacht habe - es verbirgt sich dahinter eine gewaltige, wichtige Aufgabenstellung.

"Das hat früher aber besser funktioniert" - einer der ersten Gedanken, wenn das Alter "Einzug" hält. Das Aufheben, der Weg den Schlagberg hoch oder die abendliche Laufrunde - es wird zumindest nicht einfacher und "das Alter" schlägt quasi erbarmungslos zu.

Wie bei meinem letzten "Vorangestellt" zum Thema "Gesundheit": Es ist typisch menschlich - wir vermissen es immer erst dann, wenn es weg ist; wir genießen es aber nicht, wenn es uns zur Verfügung steht. Altern ist auch unbeliebt - das fast als "Jugendwahn" zu beschreibende Ablehnen eines Alterns nimmt dem Glück viele Chancen, denn das Leben gewinnt an neuen Nuancen. Erfahrung und Wissen ist durch nichts zu ersetzen.

Das ist doch einen besonderen Blick auf dieses Thema wert. "Gelingendes Altern" meint also die erfolgreiche Gestaltung des Alterns in Gesundheit, Zufriedenheit und Unabhängigkeit. Und genau dafür können wir sehr viel tun.

Es fängt mit Bewusstmachen an. Alles, was wir können, schaffen, erreichen, ist ein kostbares, aber auch vergängliches Gut. Achtsam dafür sein, sorgsam damit umzugehen und auch dafür etwas einzubringen: Ernährung, Sport, mit Herz, Hirn und Liebe dabei sein.

"Das Leben ist zu kurz für irgendwann" - wenn Sie sich einmal auf diese Aussage einlassen, bedeutet dies eben: Jetzt leben, realisieren und nicht auf einen Zeitpunkt in ferner Zukunft warten, aber auch dafür jetzt etwas zu tun.

Gelingendes Altern, liebe Leser*innen, ist eine hervorragende Anleitung für alle, die über ihr Leben, ihr Wirken nachdenken. Mit der Zeit, der Gesundheit und den eigenen Möglichkeiten bewusst(er) umzugehen, den Moment zu genießen und die vorhandenen Ressourcen achtsam einzusetzen.

Diese Momente und noch viel mehr wünscht Ihnen von Herzen!

Ihr

Patrick Temmesfeld
(Vorstandsvorsitzender der blista)

Bild: Patrick Temmesfeld lächelt. Er hat dunkle Augen, eine hohe Stirn und kurzes graues Haar. Am Revers seines dunklen Jacketts trägt er einen kleinen Button mit dem blista-Punktschrift-Logo. Foto: blista

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Aus der Redaktion

Aus Grau mach' Bunt!

Der Frühsommer steht vor der Tür, alles blüht und grünt und das Leben fühlt sich nach dem langen Winter im Energiespar-Modus wieder leichter und freier an. Da kommt auch diese Ausgabe des horus ganz recht, in der unseren Autorinnen und Autoren über "Gelingendes Altern" einiges eingefallen ist, oft leicht und launig, zuweilen etwas verschmitzt nachdenkend. Geschmückt mit Sprüchen oder Erinnerungen daran, wie Krisen und Umbrüche bisher gemeistert wurden, machen die Beiträge Mut, das eigene Leben zu leben und vorhandene Ressourcen zu nutzen. Aber auch, sich wo immer möglich dafür einzusetzen, dass die Zukunft besser wird als das Jetzt.

Mut kann auch der eine oder die andere brauchen, wenn es um Beziehungen und Kontakte geht, den Schwerpunkt unserer nächsten horus-Ausgabe. Denn Einsamkeit, oberflächliche Kontakte oder das Auseinanderbrechen von Beziehungen steigern den Beratungsbedarf blinder und sehbehinderter Menschen zu diesen Themen, die Einfluss auf unsre psychische Gesundheit haben können. Nicht zuletzt haben Corona-Lockdown und Quarantänemaßnahmen die Problematik verstärkt. Wie gelingt es uns überhaupt, ohne Blickkontakt neue Beziehungen zu knüpfen, wie hilfreich können Apps und Chats bei der Beziehungspflege sein? Fühlen wir uns in Vereinen und Gruppen wohl? Dies ist Anlass zu anregenden Auseinandersetzungen über emotional besetzte Fragen.

Wenn Sie hierzu gerne einen Beitrag beisteuern möchten, dann senden Sie ihn uns bitte bis zum Redaktionsschluss am 23. Juni an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Er sollte nicht länger als 12.000 Zeichen sein. Die Redaktion freut sich darauf.

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Schwerpunkt: "Gelingendes Altern"

Solange es geht aktiv bleiben: Über Sehbehinderung und Demenz

Von Matthias Klaus

Leben mit Blindheit oder Sehbehinderung bedeutet, sich im Alltag viel merken zu müssen. Wo stand nochmal das Glas auf dem Tisch, was ist das da für ein Zettel, welche Farbe hat mein Hemd? Natürlich, es gibt dafür Hilfsmittel, doch wirklich gut klar kommen wir nur, wenn ein großer Teil unseres Gehirns als Informationsspeicher genutzt wird.

Sehende Menschen schauen kurz durch den Raum und wissen das alles, weil sie es gerade sehen. Was also, wenn das nicht mehr geht mit dem guten Gedächtnis, wenn die Frage, wo hab' ich eigentlich den Schlüssel hingelegt, zum Dauerzustand wird?

In den letzten Jahren habe ich zwei sehr unterschiedliche Arten von Demenz in meiner Verwandtschaft erlebt. Die Vorstellung, als Blinder langsam das Gedächtnis zu verlieren, und das ist ja nur ein Aspekt von Demenz, macht mich seitdem ganz schön nervös.

Also, muss man sich darauf einfach einstellen, was kommt da auf mich zu, und kann man vielleicht sogar etwas tun, damit es nicht so schlimm wird?

Dazu habe ich mit Stefania Balzan gesprochen. Sie arbeitet als Ergotherapeutin und LPF-Trainerin bei der Zürcher Sehhilfe und hat sich in einer Diplomarbeit ausführlich mit dem Thema beschäftigt.

horus: Was sind die größten Probleme, wenn Sehbehinderung und Demenz aufeinandertreffen?

Stefania Balzan: Das größte Problem ist, dass sich Sehbehinderung und Demenz gegenseitig verstärken und die Kompensationstechniken, die blinde und sehbehinderte Menschen anwenden, wegfallen oder stark eingeschränkt werden. Beide Erkrankungen haben mitunter ähnliche Auswirkungen: Es kann zu Gangunsicherheiten, vermehrten Stürzen oder Schwierigkeiten in der räumlichen Orientierung kommen. Im Rahmen der demenziellen Erkrankung kann es zur sogenannten Apraxie kommen, also der Unfähigkeit, Bewegungsabläufe aus dem Gedächtnis auszuführen, was die Kompensationsmöglichkeiten bei Sehbehinderung stark einschränkt. Es können auch mentale Prozesse zur Verarbeitung visueller Reize betroffen sein, was die Sehleistung negativ beeinflusst, da dadurch beispielsweise das Wiedererkennen von Gegenständen und deren Zweck nicht mehr eingeordnet werden kann. Es kommt daher nicht selten vor, dass Demenz und Sehbehinderung verwechselt werden.

Wenn man dann noch berücksichtigt, dass durch Depressionen, die oft bei Sehbehinderung und Demenz hinzukommen, die Konzentration und die Merkfähigkeit ebenso eingeschränkt sind, spricht man in diesem Zusammenhang oft von einer Pseudo-Demenz, also demenziellen Auswirkungen, die aber eigentlich von der Sehbehinderung oder der Depression stammen. Wichtig ist es dann, diese zu erkennen und zu behandeln, weil dann auch die Demenzsymptome oft abnehmen.

Man muss auch bedenken, dass blinde und sehbehinderte Menschen schon sehr viele kognitive Ressourcen besetzt haben. Ich höre häufig von den Klienten, dass es eine starke Ermüdung gibt, dadurch, dass der Alltag anstrengender ist. Durch eine demenzielle Entwicklung bleiben da nur wenig Ressourcen.

Was kann Ergotherapie oder LPF tun, um die Situation zu verbessern?

Beim Auftreten von Depressionen können wir als Ergotherapie- und LPF-Spezialisten helfen, wieder positive Handlungserfahrungen zu machen. Dann kann die Negativspirale von Selbstabwertung, dieses "Ich kann nichts", durchbrochen werden, um wieder positive Erlebnisse zu haben. Es geht dabei auch um sehr kleine Schritte, mit dem Ziel, dass die betroffene Person wieder Lebensqualität erfahren kann. Das können einfache Dinge sein. Vielleicht will sich die Person wieder selber anziehen können. Dafür braucht es sowohl bei Demenz als auch bei Sehbehinderung, dass man die Komplexität reduziert, z.B. kann man den Kleiderschrank übersichtlicher gestalten, indem man die Dinge, die die Person gerne getragen hat, nach vorne hängt. Man muss teilweise auch das Anziehen selbst wieder üben. Mit Betreuungspersonen oder Angehörigen sollte dann auch abgesprochen werden, dass die Dinge auf immer die gleiche Weise gemacht werden, sodass eine Routine entwickelt werden kann.

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Einmal ging es darum, dass eine Frau wieder Kaffee machen wollte. Sie bekam dann einen knallroten Markierungspunkt auf den Startknopf und einen Holzring, damit sie die Tasse richtig platzieren konnte. Es sind wirklich kleine Dinge, die wir da tun, welche aber wesentlich sind, um Orientierung zu geben und so die Aktivität wieder möglich zu machen.

Bei einer beginnenden Demenz kann außerdem im Rahmen der Ergotherapie ein kognitives Training das Voranschreiten der Krankheit herauszögern, um kognitive Ressourcen möglichst lange zu erhalten.

Wenn das Gedächtnis schwindet, wird als Strategie viel mit Bildern und Symbolen gearbeitet, um sich an Dinge zu erinnern. Doch was kann man tun, wenn gerade das wegen der Sehbehinderung nicht geht?

Hier ist es wichtig, auf die anderen Sinne, wie Gehör, Geschmack, Geruch oder den Tastsinn, zurückzugreifen. Viel kann auch über das motorische Gedächtnis kompensiert werden. Z.B. weiß ich automatisch, wie ich meinen Arm heben muss, um mir ein Kleidungsstück anzuziehen. Dieses motorische Gedächtnis bleibt oft noch lange erhalten, obwohl es natürlich auch irgendwann schwindet oder beim Auftreten einer Apraxie nicht mehr genutzt werden kann.

Um Aktivitäten mit den Personen zu üben, müssen wir im gewohnten Umfeld der Person sein, um konkrete Abläufe üben zu können, da es an Abstraktionsvermögen mangelt, um diese von einer anderen Umgebung auf die Situation zu Hause zu übertragen. Auch ist, wie bereits erwähnt, die Zusammenarbeit mit Angehörigen und Betreuungspersonen zentral.

Was raten sie den Angehörigen, wenn Demenz und Sehbehinderung bei ihren Verwandten gemeinsam auftreten?

Es muss hier unterschieden werden, ob zuerst eine Demenz oder eine Sehbehinderung da war. Grundsätzlich braucht es eine sorgfältige ärztliche Abklärung, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Leider müssen ja die Angehörigen oft selbst zum Experten werden, weil es in diesem Bereich wenig professionelle Betreuung gibt.

Wenn es sich um das Auftreten kognitiver Defizite bei bestehender Sehbehinderung handelt, muss das bei Angehörigen feinfühlig angesprochen werden, weil sie es eventuell nicht wahrhaben wollen oder herunterspielen.

Beim Auftreten von Sehproblemen kommen oft Menschen zu uns, wenn das Lesen schlechter wird. Dann werden erst einmal die Low Vision-Aspekte geklärt, wobei man dann manchmal merkt, dass das Hirn das Gelesene nicht mehr umsetzen kann und gar nicht vordergründig die Augen das Hauptproblem sind. Es kann auch sein, dass eine Person unruhiger wird, und es ist dann wichtig daran zu denken, dass dem auch eine Sehverschlechterung zu Grunde liegen könnte. Wenn immer möglich, sollten regelmäßige augenärztliche Kontrollen erfolgen.

Allgemein ist es wichtig, sich professionelle Unterstützung zu holen, um den Schwierigkeiten im Alltag gezielt begegnen zu können.

Was können wir blinden und sehbehinderten Menschen denn tun, um uns vorzubereiten? Wo die Menschen immer älter werden, steigt ja auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir später mit Demenz zu tun haben.

Beim Auftreten einer Sehbehinderung ist es ratsam, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen und Beratungsstellen aufzusuchen, weil so bereits ein Umgang mit der Sehbehinderung gefunden werden kann. Dies ist insofern wichtig, da bei einer demenziellen Entwicklung im frühen Stadium noch Strategien entwickelt werden können. Beim Voranschreiten der Erkrankung wird es sehr schwer, noch blindenspezifische Techniken zu lernen. 

Für uns alle ist es grundsätzlich wichtig, bis ins Alter möglichst aktiv zu bleiben, anregende Tätigkeiten auszuführen und auch körperlich in Bewegung zu bleiben. Die demenzielle Entwicklung kann man nicht abwenden. Man kann sie allerdings herauszögern, wenn man mehr kognitive Ressourcen hat.

Anmerkung

Die Diplomarbeit von Stefania Balzan mit dem Titel "Wechselwirkungen von Sehbehinderung und Demenz in der Rehabilitation von sehbehinderten und blinden Menschen - Bedeutung für den Fachbereich Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF)" kann man hier nachlesen: https://www.praxis60plus.ch/files/pdf/alzheimer/Sehbehinderung_und_Demenz_SBalzan.pdf

Bild: Ergotherapeutin und LPF-Trainerin Stefania Balzan beantwortet Fragen zum Thema Sehbehinderung und Demenz. Sie hat schulterlanges braunes Haar und braune Augen, trägt eine Brille und zum dunklen Blazer ein rotes Shirt mit weißen Punkten und lächelt freundlich. Foto: privat

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Gelingendes Altern - Was ist das?

Von Anette Bach

Solange man lebt, gelingt auch das Altern. Diese Erkenntnis gehört ja wohl in den Ordner mit den Binsenweisheiten. Danach ist sicher nicht gefragt. Aber wonach ist gefragt? Wann gelingt oder misslingt altern? Bedeutet Blindheit dabei eine besondere Herausforderung oder ist es vielleicht sogar eine Gnade?

Stellen wir doch ausnahmsweise mal für einen Moment die Frau in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ist sie als junger Mensch stark eingeschränkt und viel auf Hilfe angewiesen, so sitzt sie im Alter mit den meisten Sehenden in einem Boot. War sie früher fit und mobil, ist es im Alter dasselbe. Könnte man da sagen: "2 : 0 für eine späte Inklusion?" - Nein, so richtig glücklich macht das nicht. Da ist nämlich immer noch die Sache mit dem Selbstbild. Sagt man mir mit 40, dass ich zehn Jahre jünger aussehe, ist es mir egal, wie ich mit 30 ausgesehen habe, ich freue mich über das Kompliment. Jedenfalls nehme ich an, dass es eines ist. Sagt man mir das gleiche mit 60, fange ich doch an zu grübeln. Wie mag ich wohl mit 50 ausgesehen haben. Vielleicht wie mit 40? Ich fürchte, das geht heutzutage nicht mehr als Kompliment durch. Jetzt bin ich 70! Ich vermute, das Problem ist erkannt. Sollte ich jetzt aussehen wie mit 60, hilft mir das kein bisschen weiter. Lange Haare? Nein, dafür bist Du doch langsam zu alt. Haare ab und Dauerwelle? Na komm, so alt bist Du ja nun auch nicht! Färben? Na klar, welche Frau in Deinem Alter tut das nicht? Nein, würde ich nicht. Dein Grauton ist ganz nett. Und die Klamotten? Von der Generation Beige habe ich ja schon oft gehört. Da gehöre ich wohl altersgemäß dazu. Nun gut, dann ist das mit den Farben ja geklärt. Aber wie ist das mit der Rocklänge? Und wie knackig darf die Hose sitzen?

Wie soll, wie kann bei solchen Problemen das Altern gelingen? Dazu kommt die immer noch unbeantwortete Frage, ob es bei mir schon angefangen hat.

Zur Autorin

Anette Bach, Jahrgang 1951, engagiert sich seit vielen Jahren in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe. Dem DVBS gehört sie seit rund 45 Jahren an, seit 2018 ist sie im Leitungsteam der Interessengruppe Ruhestand aktiv.

Zu den Anliegen der begeisterten Theater- und Museumsbesucherin gehört u. a. die Entwicklung inklusiver Museen, da sie Malerei schätzt und Kunst auch für blinde Menschen interessant und erlebbar sein sollte.

Bild: Was bedeutet gelingendes Altern? Anette Bach trägt auf den drei Fotos, die aus dem Jahr 2023, 2009 und Mitte der 1980er Jahre datieren, eine getönte Brille mit jeweils unterschiedlicher Fassung. Ihre Ponyfrisur und ihr Lächeln hat sie beibehalten. Fotos: privat

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Leben als blinder Mensch in einer Senioreneinrichtung - Erleichterung oder besondere Herausforderung?

Ein Interview mit der 84-jährigen Gisela F., die seit vier Jahren in einem Seniorenheim in Solingen lebt. Das Interview führt Anette Bach, Mitglied im Leitungsteam der Interessengruppe Ruhestand im DVBS.

Anette Bach: Liebe Gisela, wir kennen uns durch die Mitgliedschaft in der Interessengruppe und sprechen uns daher mit "Du" an. In Gesprächen über die Bedeutung von Blindheit im Alter fiel uns auf, dass wenig über das Leben von blinden Menschen in Seniorenheimen gesprochen wird. Das holen wir jetzt nach. Danke für Deine Bereitschaft, hier Auskunft zu geben.

Gisela F.: Das mache ich gern. Es ist ja mein eigenes Interesse, nach Möglichkeit diese Fragen in die öffentliche Diskussion zu bringen.

Im Allgemeinen wird der Umzug in ein Seniorenheim als äußerst belastend und unfreiwillig beschrieben. Wie lange lebst Du schon im Heim, und siehst Du blindenspezifische Probleme bei einer so schwerwiegenden Lebensänderung?

Seit vier Jahren lebe ich jetzt hier. Ich bin mit 11 Jahren erblindet. Ich habe durch Studium und Berufsleben bis zur Pensionierung immer ein selbstbestimmtes Leben geführt. Nicht also die Blindheit, sondern meine im Alter zunehmenden körperlichen Einschränkungen erzwangen den Umzug ins Heim. Ich muss mit Gehhilfen laufen, was natürlich das Orientieren mit dem Langstock unmöglich macht und auch die meisten Hausarbeiten, da man als blinder Mensch für fast alle Tätigkeiten ja beide Hände benötigt. Da ich also weitgehend auf Hilfe angewiesen war, hatte ich schon quasi mein selbstständiges Leben verloren. Diesbezüglich war der Umzug in ein Seniorenheim eigentlich keine so große Veränderung mehr. Ich denke sogar, dass ich als "geübte Blinde" einen gewissen Vorteil hatte, weil ich es ja durch mein ganzes Leben gewohnt war, mich in fremder Umgebung zurecht zu finden und zu organisieren.

Der Umzug selber ist durchaus problematisch. Natürlich musste ich alles einpacken lassen. Auch wenn ich selbstverständlich genau angegeben habe, was ich mitzunehmen entschieden hatte, ist doch im Eifer des Gefechtes manches anders gekommen. So habe ich dann doch von Kleidungsstücken angefangen bis zu Büchern, Dokumenten oder lieb gewonnenen Gegenständen am Ende vieles vermisst. Es war mir ja nicht möglich, das Einpacken vollständig zu überwachen.

Erlebst Du, empfindest Du Dich im Heim als anders, als besonders?

Ja und nein. Die alterstypischen Gebrechen unterscheiden mich natürlich nicht von meinen Mitbewohnern. Das heißt, viele sehen schlecht, hören schlecht oder sind vergesslich bis dement. Da ich nicht durchs Haus oder gar den Garten spazieren kann, treffe ich meine "Genossen" nur bei Tisch. Ich habe es also sehr viel schwerer als die anderen, Kontakte zu schließen und Menschen zu finden, mit denen ich Zeit verbringen und persönlich näherkommen möchte. Und viele können sich auch einfach nicht mehr merken, dass sie mich zum Beispiel ansprechen müssen, wenn sie mir begegnen, oder ich sie nur wiedererkennen kann, wenn sie etwas sagen.

Wie ist der Umgang des Personals mit Dir?

Im Großen und Ganzen wie überall und immer in meinem Leben. Da sind Menschen, die sind empfindsam und mit gesundem Menschenverstand gesegnet, die wissen ganz einfach, dass sie mir sagen müssen, dass sie etwas vor mich hinstellen oder dass sie in meinem Zimmer etwas verändern. Aber es gibt halt auch die anderen, die auch nach Jahren volle Kaffeetassen oder Wassergläser irgendwo hinstellen, ohne mir was zu sagen; die den auszufüllenden Speiseplan kommentarlos auf die Fensterbank legen.

Wirklich blöd ist, dass ich so wenig Bewegung habe. Ich könnte mich schon noch auf meinem Flur orientieren, aber das Personal will nicht, dass ich allein herumlaufe, weil ich auf dem Flur gegen abgestellte Gegenstände oder auch gegen andere Menschen, die vielleicht auch unsicher auf den Beinen sind, stoßen kann. Das heißt, ich muss immer warten, bis ich zum Essen abgeholt und wieder in mein Zimmer gebracht werde. Oder auf die Terrasse oder in den Garten oder zu Freizeitaktivitäten.  Aber das ist ja bekannt: Es gibt viel zu wenig Personal, die sind also immer in Eile. Da passiert es dann schon, dass ich lange warten muss oder völlig vergessen werde und lautstark an mich erinnern muss.

Wie sieht es aus mit Deiner Beteiligung an Freizeit- und Sportaktivitäten?

Auch da wieder: Kommt ganz darauf an! Wir hatten hier mal eine Ergotherapeutin, die ließ mich bei der Gymnastik nicht mitmachen, weil ich ja nicht sehen kann, welche Bewegungen sie vormacht. Bingo ist natürlich auch nicht so passend. Selbst das gemeinsame Singen setzte voraus, dass sich jemand bereitfand, mir die Liedertexte zu diktieren, so dass ich sie mir in Blindenschrift aufschreiben konnte. Dann aber hatten wir eine, die hat mitbekommen, dass ich ein Kartenspiel mit taktilen Zeichen habe. Da ist sie auf die Idee gekommen, sich für Möglichkeiten für mich einzusetzen, und hat das Angebot von adaptierten Spielen entdeckt. Davon hat das Haus hier dann einige angeschafft. Auch bei der Gymnastik hat sie Wege gefunden. Am schönsten ist es natürlich, wenn ich mit den Leuten zusammen etwas entwickeln kann. Aber da ist eben oft die fehlende Zeit das Hindernis.

Es ist ja ermutigend, wenn man hört, dass mit dem entsprechenden Einsatz und etwas Kreativität vieles möglich ist. Was müsste geschehen, damit diese Erfolge nicht so sehr vom Temperament einer einzelnen Pflegekraft abhängen?

Na ja, sicher wäre es schon gut, wenn es einfach mehr Personal gäbe. Wenn die mehr Zeit haben, können sie natürlich auch mehr machen. Aber ich denke, was sehr wichtig wäre, dass das Thema "Blindheit, Sehbehinderung oder zunehmende Sehverschlechterung" in der Ausbildung eine größere Rolle spielen würde. Die meisten haben eben doch keinen Schimmer, wie man mit dieser Behinderung umgeht.

Denkst Du, dass die Selbsthilfe da eine Rolle spielen kann?

Ja, ich denke schon. Es gibt doch so viele Beratungsangebote und Schulungen für unterschiedlichste Berufsgruppen. Die Selbsthilfe müsste mit diesen Informationen und Schulungsangeboten innerhalb der Altenpflegeausbildungen präsenter werden. Es ist ja doch ein Armutszeugnis, dass eine Altenpflegerin nicht weiß, wie man eine blinde Person führt.

Vielleicht kann man auch unaufgefordert Infomaterial an die Heime schicken und dort vor Ort Schulungsangebote machen. Oft sind dort sehr engagierte Leiterinnen oder Leiter, die durchaus offen für Veränderungen sind.

Vielen Dank für dieses Interview und bis bald!

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Gelingendes Altern - wie geht das?

Von Frank Mehler

Als ich vor ein paar Wochen im Apple-Store Hannover den Akku meines iPhones auswechseln ließ, lobte die Mitarbeiterin dort mein gelungenes Ladeverhalten. Auf meine Nachfrage teilte sie mir mit, dass es mir gelungen sei, mein iPhone mehr als 1.100 mal wieder aufzuladen. Normalerweise muss ein Akku schon nach ungefähr fünf- bis sechshundert Ladevorgängen ausgetauscht werden.

Auch wenn Vergleiche zwischen elektronischen Geräten und Menschen mit Vorsicht zu verwenden sind, regte die Bemerkung im Apple-Store mein Nachdenken über gelungenes Altern an. Wir können unseren Akku nicht so einfach austauschen lassen. Wir müssen lernen, unseren Akku gut zu pflegen. Aber wie?

Eine gesunde und achtsame Lebensweise soll uns dabei helfen, gelungen zu altern. Aber auch wenn wir gesund leben, ist dies keine Garantie, dass wir nicht doch durch Krankheiten oder Unfälle eventuell schwere Einschränkungen bewältigen müssen. Viele Menschen in unserer Gesellschaft möchten auch im Alter aktiv bleiben und möglichst viele Dinge selbst erledigen können. Personen, die durch Krankheiten oder Unfälle eine Behinderung erworben haben, mussten sich oft schon früh in ihrem Leben mit Einschränkungen bei der alltäglichen Lebensbewältigung auseinandersetzen. Barrierefreie Zugänge im Alltagsleben sollen die Voraussetzung für eine möglichst selbständige Teilnahme von Behinderten und älteren Menschen schaffen. Als Blinde und Sehbehinderte müssen wir Verhaltensweisen und Techniken der Alltagsbewältigung erlernen, die die visuellen Verluste kompensieren, um den Alltag möglichst ohne fremde Hilfe bewältigen zu können. Je nach erworbenen Fertigkeiten und körperlichen und geistigen Fähigkeiten benötigen wir für unterschiedliche Dinge manchmal die Assistenz sehender Personen.

In der Alternsforschung wird, ohne die Situation behinderter Menschen besonders zu berücksichtigen, gelungenes Altern anschaulich mit den vier Ls "Laufen, Lernen, Lieben und Lachen" beschrieben:

  • Laufen: Damit sind alle Bereiche der körperlichen Bewegung gemeint.
  • Lernen: Damit werden alle Formen kognitiver Aktivitäten beschrieben.
  • Lieben: Dieser Begriff bezieht sich nicht nur auf Liebesbeziehungen im engeren Sinn, sondern auf alle Arten sozialer Kontakte.
  • Lachen: Damit ist gemeint, dass man sich in seinem Leben wohl und zufrieden fühlt.

Eine blinde Freundin, die erst in drei Jahren in den Ruhestand gehen wird, äußerte sich nach einem Telefongespräch mit mir zu diesen vier Ls in einer kurzen E-Mail:

"Für mich persönlich sind tatsächlich alle vier Punkte sehr wichtig. Wenn ich denke, ich könnte nicht mehr beweglich sein, würde ich aus heutiger Sicht viel von meiner Lebensqualität verlieren, weil Bewegung für mich so immens wichtig ist. Ein Leben auf dem Sofa und im Bett zu verbringen ist nicht meine Vision. Wenn ich zum Lernen Lesen dazuzählen dürfte, so ist das für mich auch ein Grundpfeiler. Das aktive Lernen hoffe ich wieder etwas mehr vorantreiben zu können, wenn die jetzigen Verpflichtungen wegfallen. Lieben und Lachen: Ja, Lachen und positiv gestimmt zu sein, sich schon über kleine Dinge zu freuen und sie nicht für selbstverständlich hinzunehmen, habe ich gelernt, was mir sehr gut tut. Lieben ... Ich weiß, es soll ein L-Wort sein, trotzdem trifft es für mich besser, es in Freundschaften und sehr gute Freundschaften umzubenennen."

Sehende Freundinnen und Bekannte haben auf meine Frage nach ihrer Meinung zum gelingenden Altern und meinen Hinweis auf die vier Ls ähnlich geantwortet wie meine blinde Freundin. Aber auch andere blinde und sehbehinderte Bekannte betonen, dass es für sie wichtig sei, sich im Alter unter den Bedingungen der Sehbehinderung oder Blindheit allein oder in Begleitung aktiv bewegen zu können. Meine Bekannten unter dreißig beantworten die Frage nach dem gelungenen Alter mit ihren Vorstellungen von alten Menschen, die sich kaum noch oder gar nicht mehr bewegen. Dies gilt sowohl für die körperliche als auch für die geistige Beweglichkeit. Menschen sind dann für sie alt, wenn sie nur noch herumsitzen, nichts Neues lernen wollen und ihnen egal ist, was in der Welt passiert. Meine Großmütter, die in meiner Kindheit und Jugend zwischen sechzig und siebzig Jahre alt waren, habe auch ich als alte Frauen in Erinnerung, die viel herumsaßen, Kaffee HAG tranken und sich mit uns nur noch zu Weihnachten und zu Geburtstagsfeiern trafen. Am Sonntag im Café trugen sie die Hüte, die damals alle Omas in Konditoreien trugen.

Das Alter anderer Personen versuchen die meisten von uns auch heute noch über ihr Aussehen und unterschiedliche Verhaltensmerkmale zu erraten. Sehbehinderte können sich dabei leicht täuschen, da sie Falten im Gesicht und graue Haare nur verschwommen erkennen können. Blinde können das Alter anderer Menschen über den Klang der Stimme und die wahrgenommenen Bewegungen erschließen. Bei der ersten Kontaktaufnahme freuen sich die meisten Erwachsenen darüber, wenn sie von anderen als jünger eingeschätzt werden. Die Bemerkung "Ach, Sie sind schon siebzig! Sie sehen aber viel jünger aus!" schafft fast immer günstige Voraussetzungen für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Die Bemerkung "Sie sind schon siebzig! Das sieht man Ihnen auch an!" sollte man dagegen lieber vermeiden.

Als Jugendlicher habe ich mich oft darüber geärgert, wenn ich von Erwachsenen und Gleichaltrigen als jünger eingeschätzt wurde als ich war, denn das minderte die Chancen beim Kennenlernen von gleichaltrigen Mädchen. Im Alter von dreißig Jahren wurde mein Alter dann oft richtig eingeschätzt. Zum Glück änderte sich das später wieder und ich wurde eher jünger geschätzt. In unserer Gesellschaft ist es wohl leichter alt zu werden, wenn man jünger als sein kalendarisches Alter wirkt. Aber warum eigentlich?

Unsere Vorstellungen vom Jugend- und Erwachsenenalter werden durch das in den Massenmedien verbreitete Jugendlichkeits-Bild stark geprägt. Die Waren-Ästhetik präsentiert über die Massenmedien das Leitbild des immer jung wirkenden Erwachsenen. Auch die individuellen und kollektiven Vorstellungen vom Seniorenalter werden vom Leitbild des Jugendlichkeits-Kults beeinflusst. Individuelle und kollektive Deutungsmuster vom Alter werden in der Fachliteratur als Altenbilder bezeichnet (Vgl. Sechster Altenbericht 2010). Ein weit verbreitetes Altersbild beschreibt ältere Menschen als möglichst jung wirkende Personen, die gern laufen, lernen, lachen und lieben (vgl. die vier Ls weiter oben). In unserer Gesellschaft, in der viele Menschen sich neben dem Jugendlichkeits-Kult an einer Ethik der Geschäftigkeit orientieren, verbreitet sich ein "normatives Aktivitätsparadigma", durch das die ältere Generation sich nur allzu leicht verpflichtet fühlt, aktiv zu bleiben, oder zumindest zum Bekenntnis, aktiv sein zu wollen. Viele ältere Menschen besuchen Kurse der Erwachsenenbildung und gehen regelmäßig in Fitness-Studios. Ab 9 Uhr morgens sind die Regionalzüge oft überfüllt, da Rentner und Rentnerinnen die günstigen Fahrpreise nutzen, um in kleineren oder größeren Gruppen Ausflüge in die nähere Umgebung zu machen. Aber auch in fernen Ländern und besonders auf Kreuzfahrtschiffen tummeln sich gern ältere Menschen. Gerade zwischen dem Eintritt in den Ruhestand und bis zum Alter von achtzig Jahren beteiligt sich die ältere Generation an unterschiedlichen Aktivitäten, denn "alt ist man erst ab achtzig!". (Ahrens 2013)

In der Alternsforschung unterscheidet man deshalb seit einigen Jahren zwischen einem dritten und vierten Alter oder Lebensabschnitt. Das Seniorenalter beginnt mit dem Eintritt ins Rentenalter. Hier wird sich die Altersgrenze in den nächsten Jahren nach oben verschieben. Bis zum Alter von 80 Jahren nehmen inzwischen viele Menschen aktiv am Leben der Gesellschaft teil. "Das vierte Alter ist dann gekennzeichnet durch fortschreitende Funktionsverluste, die ein selbständiges Leben erschweren oder gar unmöglich machen. ... Der Beginn des vierten Alters oder auch der Hochaltrigkeit wird gemeinhin bei achtzig Jahren angesetzt." (Ahrens 2013, 14)

Ausdrücklich möchte ich darauf hinweisen, dass ausreichende finanzielle Ressourcen eine notwendige Voraussetzung zur Teilnahme an unterschiedlichen Aktivitäten im Seniorenalter sind. Wer knappe finanzielle Mittel hat, kann sich Reisen in ferne Länder, aber manchmal auch in die nähere Umgebung nicht leisten.

Vor allem im sozialen Engagement sind ältere Menschen sehr aktiv. Sie engagieren sich häufig in der eigenen Familie z.B. bei der Betreuung ihrer Enkelkinder, aber auch in ehrenamtlichen Tätigkeiten in unterschiedlichen sozialen Gruppen (vgl. Sechster Altenbericht 2010). Dennoch erscheint es mir wichtig, dass man sich als älterer Mensch dem normativen Aktivitätsparadigma entziehen oder verweigern kann und einfach gar nichts tut, sich einfach einmal ausruht, es genießt, nur herumzusitzen, wie meine Großmütter es getan haben. Ich kann es zum Beispiel genießen, morgens um sieben im Bett zu liegen und mich darüber zu freuen, dass ich nicht mehr am Bahnhof Hannover auf meinen Zug zu meinem Dienstort Celle warten muss. Als ich als Rentner ehrenamtliche Tätigkeiten freiwillig übernommen hatte, konnte ich zwei dieser Tätigkeiten auch wieder aufgeben, nachdem ich mich über meine Mitstreiterinnen genauso viel geärgert hatte wie über einige Kolleginnen während meiner Berufstätigkeit. Die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen konnte ich nicht beenden, denn durch mein Dienstverhältnis war ich dazu verpflichtet.

Zum gelingenden Altern gehört es auch, dass man das biologische Altern, das sich in körperlichen und geistigen Verlusten dokumentiert, akzeptieren kann. Wer nur darüber klagt, dass er bestimmte Dinge nicht mehr machen kann, die er als jüngerer Mensch ausüben konnte, verleugnet den biologischen Alterungsprozess. Im Alter zwischen 60 und 70 musste ich akzeptieren, dass sich meine Sehbehinderung zur Erblindung entwickelte, dass ich eine künstliche Hüfte und die ersten Zahnimplantate erhielt. Als ich dieses Manuskript erstellte, erlitt ich einen kleinen Herzinfarkt, den ich hoffentlich ganz gut überstanden habe. Gelungen altern kann man nur, wenn man die Verluste akzeptiert und Bewältigungsstrategien entwickelt, mit ihnen umzugehen. Manche Dinge gehen eben gar nicht mehr. Aber es lohnt sich nicht, darüber zu trauern, dass ich nicht mehr Fahrrad fahren kann. Manchmal fahre ich jetzt Tandem. Allein Fahrrad fahren hat trotzdem mehr Spaß gemacht.

Sicherlich ist es gut, dass man sich oft jünger fühlt, als man ist. Oft ist es aber schon später, als man denkt. Ein englisches Sprichwort lautet: "Das Älter werden ist nichts für Feiglinge." ("Getting older is not for cowards").

Zum Autor

Frank Mehler, Jahrgang 1951, war von Kindheit an sehbehindert. Er studierte Pädagogik und Soziologie in Göttingen. Beruflich war er zunächst in der Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung tätig. Später arbeitete er als Lehrer für Pädagogik und Psychologie an der Fachschule für Sozialpädagogik in Celle. Nach seiner völligen Erblindung und Pensionierung engagiert sich Frank Mehler in der Blindenselbsthilfe.

Bild: Frank Mehler genießt auf Baltrum das Rauschen der See. Er sitzt auf einer Bank am befestigten Ufer, Wind zerzaust sein graues Haar. In den Händen hält er einen Langstock. Er trägt eine getönte Brille und dunkle, wetterfeste Kleidung. Foto: privat

Literatur

Petra-Angela Ahrens: Alt ist man erst ab achtzig: Erkenntnisse der Alter(n)sforschung, in: Traugott Jähnichen/Torsten Meireis/Johannes Rehm/Sigrid Reihs/Hans-Richard Reuter/Gerhard Wegner (Hrsg.), Alternde Gesellschaft. Jahrbuch Sozialer Protestantismus 6, Gütersloh 2013, 13-40.

Sechster Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland, Altersbilder in der Gesellschaft, Bericht der Sachverständigenkommission an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin, 2010 (bmfsfj.de/resource/blob/101922/b6e54a742b2e84808af68b8947d10ad4/sechster-altenbericht-data.pdf)

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Aktivierte Gehirnwindungen oder phantasiertes Gaumenkitzeln?

Von Cordula von Brandis-Stiehl

Leider war nach meiner Erblindung meine Arbeitsbiographie durch den Amtsschimmel sehr ins Stolpern geraten. Doch als dann die Erlaubnis zum Betreiben einer kassenärztlichen Praxis als psychotherapeutische Ärztin gekommen war, hatte ich allmählich immer mehr bekümmerte Menschen betreut. Mein Leben war sehr gut ausgelastet. Aber so brauchte es ja nicht bis an mein Lebensende weiterzugehen! Ich hatte im Laufe der Zeit für mein Gefühl gut verdient, mir ein gutes Polster für die schmale Rente zugelegt. Nun, im 7. Lebensjahrzehnt, wollte ich geruhsamer leben. Ich begann allmählich, Luftschlösser für die Zeit des Ruhestandes zu bauen.

Da kam allerdings die amtliche Erlaubnis, nach meinem 65. Geburtstag noch einige Jahre tätig sein zu dürfen. Nun, ich brauchte ja nicht mehr den Turbogang aufzunehmen.

In dem langsameren Gang fand ich Zeit, konkreter zu träumen, aber noch nicht gleich die Muße, alles umzusetzen. Ich träumte vom selbst gebackenen Brot, von einem wöchentlichen Kuchen statt der gekauften Kekse, vom wöchentlichen Kinobesuch mit Hilfe einer App mit verbalen Beschreibungen, von einem Opern- und Theaterabonnement, von der Ausbildung als Gästeführerin im Historischen Museum in Frankfurt, von vielen Reisen. Ich träumte von einem fundierten Wissen über philosophische Medizinethik ...

Der Anteil der freien Zeit in meinem einst so proppenvollen Alltag schien größer zu werden. Also los mit der Umsetzung der Pläne!

So begann ich mit dem Wissenserwerb zur Ethik im Wintersemester 2019/20; Puh! Wie war mein Gehirn eingerostet! Weit vorausschauend hatte ich dem Dozenten der philosophischen Einführungsvorlesung gemailt, dass er in wenigen Wochen eine blinde Zuhörerin haben werde, dass er also bitte nicht ansagen möge, dass da an der Wand alles zu lesen sei. Der ausgesprochen nette Herr nahm wirklich sehr auf mich Rücksicht - ein schiefes Gesicht von mir während seiner Ausführungen ließ ihn aufwachen; er buchstabierte mir Namen. Seine Folien, die er mir auf meine regelmäßigen Anfragen stets prompt zur Verfügung stellte, boten mir einen gewissen rötlichen Faden. Ich fühlte mich aufgehoben.

Schon anders war es bei den Tutorien. Hier musste ich mehr als einmal hören, dass ich doch bitte nicht immer so viele besondere Verbalisierungen einfordern möge, es könne nicht immer Rücksicht auf mich genommen werden. Beispielsweise stieß ich bei einer jungen Tutorin im Alter der Enkelkinder meines Mannes auf restloses Unverständnis für diesen Wunsch nach Erläuterungen des spontanen Tafelbildes. Weder meine direkte Ansprache noch Mails brachten Entspannung in das Miteinander, denn es gebe ja gar keine Spannungen .... Oh weh! Zum Glück gab es eine wirklich aufmerksame Tutorin für eine Parallelvorlesung. Danke Dir, Verena, für dieses gelungene Gegenmodell!

Ich stellte mich der Klausur mit all dem behinderungsbedingten Nachteilsausgleich: Es gab eigenartige Fragen, auf die ich mit meinem erworbenen Wissen irgendwie antwortete. Eine Frage bezog sich jedoch auf ein Zitat aus "Platons Po". Jetzt stutzte ich wirklich! Ich ließ mir das Wort buchstabieren. Und siehe da: "Platons Politeia", das heißt "Platons Staat" war gemeint. In meinem Stress schrieb ich weiter. Zuhause kam ich ins Grübeln. Ich rief die Datei auf dem Stick nochmals auf, wieder "Platons Po". Jetzt, im entspannten Gemütszustand, musste ich immer mehr über die Frage lachen. Später stellte sich heraus, dass die Sekretärin des netten Professors die Datei mit den Fragen minimiert hatte, was mein schlaues "Vorleseprogramm" mir nicht verraten hatte. Ich bestand die Klausur trotzdem und lache noch heute über dieses Ereignis.

Das folgende Semester war durch den "Lockdown" der Pandemie geprägt. Ich litt sehr unter angeblich "sprechenden Folien", die für mich einfach nicht sprechen wollten. Ich war damals sehr, sehr verzweifelt, bis ich in etwa zehn verschiedenen Schritten lernte, wie ich die Tonspur von der Schrift trennen und so mein Wissen erweitern konnte. Allen mitdenkenden Köpfen von damals mein Dank!

Diese vielen digitalen Stolpersteine ließen die Träume vom selbstgebackenen Brot, vom wöchentlichen Kuchen ganz in den Hintergrund treten. Mein lieber Mann übernahm ohne Murren die alltägliche Versorgung. Er nahm mehr als einmal ein verzweifeltes Häuflein Elend in den Arm: "Die Selbsthilfeorganisationen erkämpften doch schon vor über 20 Jahren den Rechtsanspruch auf eine barrierefreie Lehre! Du hast ein Anrecht auf die Beseitigung dieser Hindernisse!"

In den nächsten Semestern gestaltete es sich weiterhin extrem schwierig, weil es Folien und schlaue philosophische Texte gab, die ich innerhalb von 48 bis 60 Stunden barrierefrei umarbeiten und in meinen armen alten Kopf hineingepresst hätte haben sollen, obendrein noch zu Wochenendzeiten. Das sei doch an einer Universität ganz normal, später im angestrebten Masterstudiengang sowieso. NEIN! Ich war leistungsbereit, aber nicht bereit, neben der immer noch gefragten ärztlichen Praxis wieder den Turbogang einzulegen. Ich brauchte einen anderen Lernort für meine Philosophie, für die Ethik.

Inzwischen hatte ich ausreichend viele Scheine für den Übergang in den Masterstudiengang erworben. Also: Warum nicht an die Fernuniversität in Hagen wechseln? Dort gab es doch Studienbriefe, die digital waren und damit sicherlich auch lesbar für mich. Doch Pustekuchen!

Die verpflichtenden Texte für das erste Studienmodul konnte ich von der Webseite der Hochschule herunterladen. Leider war etwa die Hälfte nicht zugänglich, weil sie in der altdeutschen Frakturschrift gedruckt war. Ich fragte bei dem Dozenten an, welche Teile von den vielen, vielen Seiten für ihn besonders wichtig seien, ob er eventuell andere Übersetzungen empfehlen könne, da meine Technik mit der angegebenen Literatur nicht zurechtkäme. "Nein! Für Philosophiestudierende gehört die altdeutsche Frakturschrift zum allgemeinen Wissenskanon wie all die anderen Theorien." Ich fühlte mich schrecklich blind, machtlos und in den Schmutz geworfen. Als (noch gut sehende) Drittklässlerin hatte ich doch mein Lieblingsmärchen ganz alleine in dieser altdeutschen Frakturschrift fließend zu lesen vermocht! ICH in meinem Kopfe konnte ja noch alles perfekt lesen, nur meine dumme Technik nicht!

Die Vorlesung dazu bestand aus fertigen Videos mit den altdeutsch gedruckten Texten im Hintergrund. Das Videoprogramm war absolut nicht barrierefrei. Ich konnte vor allem nicht zurückspulen. Die Vorlesungsvideos waren schreibgeschützt, waren damit also auch nicht in ein anderes Format konvertierbar. Ich musste sie per Hand akustisch aufnehmen; normalerweise geschah dies des Nachts, wenn keine Nachbarn Bilder mit einem Hammer an die Wand nagelten, wenn die Bundeswehr mit keinem Luftgeschwader über unser Haus donnerte. Dabei durfte ich während der 90 Minuten Aufzeichnungszeit nach einem vollen Tag auch nicht einschlafen, weil ich sonst meinen kleinen MP3-Player schlecht hielt, dadurch die Aufzeichnung zu leise wurde ...

Mir gelang dies am Ende wirklich 13-mal mit Erfolg, ebenso wie die schriftliche Klausur, dieses Mal ohne "Platons Po". Allerdings, allein für den behinderungsbedingten Nachteilsausgleich hatte ich insgesamt fünf kämpferische Mails verfassen müssen unter Androhung der Beteiligung durch die Rechte behinderter Menschen gGmbH (rbm).

Das Bestehen meiner ersten Masterklausur wurde dem "Student 21" bestätigt. Mir widerstrebte dieser männliche Bezug. Also wieder eine Mail an das Studienbüro. Die Erklärung war, dass ich durch meinen Sonderzugang zu dem Prüfungssystem in ein uraltes Schema geraten war, lange vor der Geschlechtsdifferenzierung. Ich war erleichtert, dass ich zumindest auf dieser Ebene nicht noch ein weiteres Kampffeld eröffnen sollte.

Aber warum hatte mich die männliche Anrede so betroffen gemacht? 53 Jahre zuvor beim Wettbewerb "Jugend forscht" war ich bei solchen Gelegenheiten doch ganz entspannt gewesen, sogar mit Stolz erfüllt. Ich grübelte lange nach und fand des Pudels Kern: Vor über 50 Jahren war ich stolz darauf gewesen, eine anerkannte Person unter all den vielen, vielen anderen klugen Köpfen sein zu dürfen, die zufälligerweise allesamt männlichen Geschlechts waren. Alleine dabei zu sein, war schon eine Auszeichnung für mich als Person, ganz unabhängig von meinem Geschlecht. Heute ist das Geschlechterverhältnis unter den Studierenden viel ausgeglichener und spiegelt sich in der Wortwahl wider.

Im 2. Mastersemester gab es nur Dateien - ich sah dem Wissen entspannt entgegen und kam vom Regen in eine große Traufe: Die angeblich barrierefrei aufgearbeiteten Studienbriefe waren dies leider, leider nicht. So gab es viele, viele verstreut gelegene uralte ASCII-Zeichen, die sich beim reinen Überfliegen mit den Augen nicht zeigten, sondern nur, wenn die "Leerzeichenfunktion" eingeschaltet ist. Aber mein Screenreader stolpert hier, erzeugt unverständliche Wortfetzen. Nicht vorgelesene Anführungszeichen verwirren, wenn ich die wissenschaftlich wichtigen Zitate verfolgen will und muss. Auch viele der für Sehende so hilfreichen Stichworte am Rande des Textes waren mal als eigene Bereiche formatiert mit der Folge von einer maßlosen Überfrachtung der dadurch extrem langsam gewordenen Datei. Dann wieder hatte dieselbe Datei ein solches Stichwort am Rande, das nur mit einem Tab von der daneben liegenden Zeile getrennt war - die Folge war, dass mein Screenreader mir viel Unsinn vorlas. Mir taten ja die helfenden Köpfe der Universität leid, weil sie sicherlich viel Konzentration aufgewendet hatten für ein Ergebnis, das ich verfluchte. Wieder kämpfte ich mit den Texten, erheblich mehr als mit den Inhalten. Aber irgendwie setzte sich mit viel, viel Verspätung doch noch mein Dickschädel erfolgreich durch.

Brauche ich wirklich noch so viel Adrenalinausschüttung mit über 70 Jahren? Ja, denn wenn ich eine reine Gasthörerin wäre, hätte ich keinen Anspruch auf einen barrierefreien Zugang zur Lehre. Wenn ich viel philosophisches Wissen für die Medizinethik erworben habe, ist meine Neugier befriedigt, die Prüfung ist dann nur ein Nebenprodukt. Mein Adrenalin wird nur für einen kurzen Augenblick aktiviert.

Jetzt habe ich Zeit, diese Zeilen zu verfassen: Denn angesichts der angegebenen Überbelastung des Büros für die barrierefreien Medien muss ich langfristig planen. Also melde ich meinen Bedarf stets ein Semester im Voraus an, d. h. mit sechs Monaten Vorlauf. Leider warte ich im Augenblick schon 12 Monate auf schlaue Unterlagen zu Kant, zu Descartes und Leibniz. Also: Auf in die Küche, an den Backofen für einen leckeren Kuchen!

Nein, mein Kuchen, mein Brot müssen noch einmal warten: Denn der DVBS löste sein uraltes Kassettenarchiv auf. Ich durchstöberte die lange Excel-Liste nach möglicher philosophischer Literatur für mein Studium. Ich erhielt einen großen, großen Schatz von sicherlich sehr klugen Gedanken von Theodor Adorno, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und vielen anderen schlauen Köpfen. Diese müssen jetzt sortiert und gut archiviert werden. Eines Tages im Laufe meines Philosophielebens werde ich das eine oder das andere davon sicherlich noch brauchen können. MEIN ureigener Kuchen kommt später dran. Jetzt geht es erst einmal ab zur leckersten Konditorei Marburgs! Denn mein Mann hat als Dank für all seine Unterstützung mir gegenüber mehr als eine besondere Einladung verdient.

Zur Autorin

Cordula von Brandis-Stiehl, geb. 1951, studierte Medizin als Zweitstudium in Spanien. Sie erblindete während des letzten Examens. Trotzdem schaffte sie es, eine ärztliche Psychotherapiepraxis in Marburg zu führen. Der Drang nach einer menschlicheren Medizin in unserem Gesundheitswesen führte sie zur Medizinethik und damit zur Philosophie.

Bild: Cordula von Brandis-Stiehl hat kurzes braunes Haar. Sie trägt eine hellblaue Bluse. Foto: privat

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Tanzen und Singen - Von schwindenden Kräften und Lebensfreude

Von Peter Beck

Sonja Prinz ist das, was man im Theater-Jargon eine "Rampensau" nennt. Sie ist stets präsent, hellwach und traut sich erst mal ziemlich viel zu. Ihr Hobby ist die Musik, die Gitarre und ihre Stimme. Beides lässt sie gern im privaten Rahmen, aber auch bei Konzerten erklingen.

Die heute 59-Jährige studierte dereinst Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Kassel. Sie merkte rasch, dass ihre Aufgeschlossenheit noch nicht automatisch einen Job generiert. Und so fand sie sich vor vielen Jahren in einer Freiwilligenagentur an ihrem Wohnort Marburg ein, um wenigstens ehrenamtlich tätig sein zu können. Aber auch dort gab es eigentlich nichts. Sonja Prinz war schon am Gehen, als die diensthabende Mitarbeiterin sie fragte, ob sie denn ein Instrument spielen oder singen könne. Beides traf zu und bald fand sie sich in einem Seniorenheim wieder. Dort drückte man ihr ein Liederbuch in die Hand und eine Broschüre über Demenz mit dem vielversprechenden Titel "Die Windel hängt auf der Wäscheleine". Mehr gab's erst mal nicht.

Nicht finden lassen, sondern finden

Im Heim sollte sie nun mit interessierten Senioren singen. Sie ging also an den Tischen entlang, legte jedem und jeder mal die Hand auf die Schulter und begrüßte alle einzeln: "Es ist wichtig, zu zeigen, dass ich da bin; es reicht nicht, mich irgendwo auf einen Stuhl zu setzen und mit dem Singen zu beginnen." Von vielen Liedern kannte sie nur die erste Strophe, mancher Heimbewohner konnte dann mit der zweiten nachlegen und vielleicht kannte auch jemand die dritte und so wurde es ein Ganzes.

Eine Einarbeitung gab es nicht, "Klopfen Sie einfach überall, dann werden Sie schon merken, was gebraucht wird", ließ man sie wissen.

Bedürfnisse sind unterschiedlich

Und Sonja Prinz merkte; zum Beispiel, dass demente Menschen zeitweise in ihrer ganz eigenen Welt leben, dass sie nicht durch logische Argumente von Trugschlüssen überzeugt werden können, sondern dass es sinnvoll sein kann, als Betreuerin eine Zeit lang in eine Rolle dieser Scheinwelt zu schlüpfen. Augenhöhe ist das, und das schätzen die Senioren sehr. "Ich muss in die Lebenssituation eintauchen, damit wir eine Basis haben", sagt Sonja Prinz und nennt ein weiteres Beispiel: Eine demente Dame holte beim Ballspielen immer gern den Ball zurück, wenn er mal weit ins Aus rollte. Irgendwann wollte sie aber nicht mehr und verließ den Raum. Sonja lief ihr nach und sagte, "Ich brauche Sie doch für den Ball", und schon stand die Dame wieder voll Freude auf ihrem Posten.

Zum Singen und Bewegen mit den Heimbewohnern kam irgendwann auch Gedächtnistraining. Vom Erfolg war Sonja Prinz "so positiv vor den Kopf gestoßen", dass sie beim Heimweg prompt gegen einen LKW lief.

Irgendwann wechselte dann das Ehrenamt zu einer Honorarstelle, und schließlich wurde daraus ein richtiger Vertrag. Später zog Sonja Prinz der Liebe wegen nach Stuttgart um, bewarb sich bei der Evangelischen Altenheimat und bekam in einem der Heime eine Stelle. Nach 13 Jahren dort konnte sie nun eine Arbeit in ihrem eigenen Stadtteil finden, die lange Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln entfiel.

"Bei mir darf auch jemand sitzen, der schläft."

Vorgaben hat Sonja Prinz in ihrer Arbeit nie bekommen, bis auf die, dass sie sich aktiv darum kümmern muss, was geht und was gewünscht wird. Und häufig ist das eben Musik und Gesang, aus den Liedern lassen sich leicht kleine Rätsel nach Flüssen, Städten oder Objekten ableiten, die in den Liedern vorkommen, etwa so: Am Brunnen vor dem Tore, drunt am Neckar stot a Bänkle usw. "Wenn einer schläft und irgendwann aufwacht, findet er sich gleich in einer guten Stimmung wieder und kann wieder mitmachen."

Gruppen- und Einzelangebote wechseln sich ab. So gibt es zum Beispiel einmal pro Woche ein offenes Singen für alle Interessierten. Aber Sonja Prinz besucht die Bewohner auch in ihren Zimmern. Dabei merkt sie schnell, ob sie willkommen ist oder nicht; ob den Menschen nach einem Lied zum Mitsingen ist oder ob sie nur eins hören möchten; ob sie nur erzählen wollen oder ein Gespräch suchen. Das alles kommt vor. Rund eine halbe Stunde sind pro Besuch vorgesehen, wenn es länger dauert, dauert es länger. Rechenschaft ist Sonja Prinz niemandem schuldig. Allerdings muss auch sie ihre Besuche dokumentieren, aber nicht so, dass daraus Rückschlüsse auf konkrete Gesprächsinhalte gezogen werden können.

Bindeglied sein

So erstaunt es nicht, dass sich Sonja Prinz als Bindeglied zur Pflege und zur Leitung sieht. Sie bringt deutlich mehr Zeit mit als die Pfleger, die oft genug nur in Eile das Essen bringen oder bei der Körperpflege helfen. Sonja kann dann auch schon mal Wünsche der Bewohner an die richtige Adresse bringen. So findet sie, dass es nicht zeitgemäß ist, die Zimmer immer in einer bestimmten Reihenfolge abzuarbeiten. Wer gern länger schläft, sollte das auch tun können. Wer abends ein Glas Wein möchte, sollte dieses auch regelmäßig bekommen können, ohne dass daraus ein großer Vorgang wird. Und es ist gut, wenn Pfleger und Gepflegte sich möglichst gut verstehen. Auch das lässt sich dokumentieren und die Arbeit entsprechend einteilen: Wenn die Chemie stimmt, profitieren beide Seiten davon. Allerdings geht der Trend woanders hin, beklagt Sonja. Häufig werden Pfleger inzwischen in mehreren Wohnbereichen eingesetzt, zu einer guten Beziehung zu den Bewohnern kommt es so kaum. Gerade demente Menschen haben oft einen Tag-Nacht-Rhythmus, der völlig durcheinander ist. Es sollte möglich sein, dass jemand auch nachts durch die Gänge geistert, wenn ihm danach ist, ohne unwirsch ins Zimmer verwiesen zu werden. Es muss so viel Freiheit für die Bewohner geben wie irgend möglich. Dafür braucht es ein wenig Fantasie: Wer leicht stürzt, kann beispielsweise Protektorenhosen tragen oder auch einen Helm.

Und noch eins ist wichtig, der Kontakt zu den Angehörigen. Wenn ein Mann seine demente Frau besucht, die ihn nicht mehr erkennt, dann kennt der Mann diese Situation nicht und muss von jemandem an die Hand genommen werden. Oft, so Sonja, werden Heimbewohner sehr aktiv, wenn Angehörige zu Besuch kommen. Die emotionale Bindung weckt Kräfte, auch wenn der Verstand nicht mehr realisiert, das ist mein Sohn oder meine Tochter.

Wenn all das eingehalten wird, dann, so ist Sonja Prinz überzeugt, kann auch im Seniorenheim das Altern gelingen.

Wer eignet sich?

Für Sonja Prinz ist die Arbeit im Seniorenheim wie auf den Leib geschneidert. Gefragt, welche Eigenschaften eine blinde Person mitbringen muss, um dort zu bestehen, nennt sie vor allem eigene Initiative und Kreativität. Ein Interessent muss schon musikalisch sein, muss gut vorlesen oder zuhören können. Der Leitung und den Kollegen gegenüber muss klar kommuniziert werden, was geht und was nicht, zum Beispiel dürften Kochgruppen oder Ausflüge schwierig sein. Letzteres ist ein Prozess. Anfangs, so Sonja, war sie unglücklich, dass sie beim Tischdecken oder Stühle rücken nicht wirklich sinnvoll mitarbeiten konnte. Bis ihr dann ihre Chefin sagte "Ich bin froh, dass Sie das nicht können. Denn während die andern noch den Raum gestalten, sind Sie bereits da und bilden den ruhenden Pol für die Bewohner".

Bild: Sonja Prinz sitzt mit ihrer Gitarre vor drei Seniorinnen und lacht. Die Wand hinter ihr ist gelb gestrichen und hat einen Handlauf, das große Bild einer Kaffeemühle mit Handkurbel hängt an der Wand. Foto: privat

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Gute Frage: Ich bin alt geworden, aber ist mir das Altern gelungen?

Von Dr. Eberhard Hahn

Würde ich sagen, mir sei das Altern gelungen, so hieße das doch: "Seht mich an, ich habe es geschafft, ich habe diese Leistung vollbracht!" Dabei ist es zum allergrößten Teil einfach Glück, Geschenk, "des Himmels wunderbare Fügung", wie es bei Kleist heißt, dass ich so alt werden durfte und mich immer noch einer einigermaßen guten Gesundheit und glücklicher Lebensumstände erfreuen darf. Und wenn's nicht so wäre, wenn ich jetzt krank darniederliegen würde, müsste ich mir dann sagen lassen, ich hätte eben mehr Sport treiben sollen? Oder wenn mein Verstand aussetzen würde, hätte ich das durch nochmaliges Erlernen einer Fremdsprache oder durch tägliches Kopfrechnen vermeiden können? Wir brauchen ja leider nicht lange nach Beispielen zu suchen, die diese wohlfeilen Ratschläge gründlich ad absurdum führen. Wenn ich also heute positiv über mein Altern schreiben kann, so verdanke ich das nur zum allergeringsten Teil mir selbst.

Das Altern ist ein Prozess, der alle Menschen auf ihrem Lebensweg begleitet. Wir sehbehinderten und blinden Menschen machen da keine Ausnahme. Bei uns kommen lediglich einige Aspekte dazu, um die es mir im Folgenden gehen soll.

Es hat mich schon sehr seltsam berührt, als mir ein lieber Freund vor einigen Jahren schrieb, er müsse wohl dem Schicksal dankbar sein, dass er nicht sehen könne. Er sei sich nämlich sicher, dass ihn seine Blindheit vor vielen Dummheiten bewahren würde. Er führte zwar nicht näher aus, welche Dummheiten er sich als Sehender zugetraut hätte, und ich hielt ihn auch für vernünftig genug, um gefährlichen Verlockungen zu widerstehen. Aber er hat mich doch dazu gebracht, über das Thema "Blindheit als gnädiges Schicksal" nachzudenken.

Nein, ich glaube, für meine Blindheit konnte ich nie so etwas wie Dankbarkeit empfinden. Ich habe ihm damals geantwortet, ich wäre überglücklich, wenn ich einfach die Partitur einer Symphonie vor mich hinlegen und sie ohne großen technischen Aufwand studieren könnte. Ebenso würde ich mich liebend gern in die Bibliothek des mathematischen Instituts meiner Uni setzen und ein beliebiges Buch mit all seinen Formeln ohne Assistenz durcharbeiten.

Stimmte natürlich alles. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob meine Reaktion damals richtig war. Hat es nicht doch auch sein Gutes, dass wir schon gar nicht auf die Idee kommen können, mit dem Motorrad wie verrückt durch die Gegend zu rasen und uns selber und andere damit zu gefährden? Ist es so schlimm, dass wir die Leuchtreklame nicht sehen können, mit der man uns zum Kauf von allerlei unnützem Zeug animieren will? So gesehen, kann man der Sehbehinderung oder Blindheit wirklich etwas Positives abgewinnen.

Letztlich geht es darum, eine geeignete Strategie zu finden, um mit den objektiven Einschränkungen umzugehen, die eine starke Sehbehinderung oder Blindheit nun mal mit sich bringt. Wenn mein Freund darin Trost gefunden hat, dass ihn sein Handicap davor bewahrte, auf dumme Gedanken zu kommen, so hat er damit zumindest einen Weg zu größerer innerer Zufriedenheit für sich entdeckt. Ich tue mir dagegen wahrscheinlich keinen Gefallen, wenn ich mir vorrechne, was mir die Blindheit doch alles verbaut hat.

Ein Patentrezept dafür, wie man psychisch am besten damit zurechtkommt, dass man nicht oder nicht richtig sehen kann, wird's wohl einfach nicht geben. Unser verehrter Prof. Strehl hat uns seinerzeit immer wieder gepredigt, wir müssten auf jeden Fall besser sein als unsere sehenden Konkurrenten. Unser Handicap lasse sich weitgehend durch höhere fachliche Qualifikation kompensieren. Da mag ja was dran sein, aber mir scheint, dass man bei dieser Betrachtungsweise sehr aufpassen muss, nicht überheblich zu wirken: "Du kannst zwar sehen, aber ich bin trotzdem besser als du." Eine solche arrogante Haltung kann schon eine Möglichkeit sein, seine Sehbehinderung zu verdrängen, aber man kann sich damit auch ziemlich unbeliebt machen.

Vielleicht sind wir gut beraten, wenn wir versuchen, unsere Möglichkeiten in aller Ruhe auszuloten, also zu entdecken, was geht, und klar zu erkennen, was nicht geht. Stimmt, das ist oft leichter gesagt als getan. In der Ausbildung und erst recht im Berufsleben passiert es einem ja immer wieder, dass man vor Aufgaben gestellt wird, die einen schlicht überfordern. Gut, wenn man dann auf Hilfsangebote beispielsweise vom DVBS zurückgreifen kann.

Zugegeben, seit ich Ruheständler bin, genieße ich es sehr, nicht mehr dauernd von Verpflichtungen getrieben zu sein. Jetzt kann ich doch weitgehend selbst entscheiden, womit ich mich beschäftigen will, und da können geeignete Beschäftigungen sogar richtig Spaß machen. Es ist zwar nicht zu leugnen, dass die körperlichen und vielleicht auch die geistigen Fähigkeiten allmählich abnehmen und, wenn schon mal die neunte Dekade angebrochen ist, manches nicht mehr funktioniert, was früher problemlos klappte. Aber umso bewusster erlebe ich das, was noch möglich ist.

Dabei frage ich mich, ob das nicht eine Grundhaltung ist, die man schon in jüngeren Jahren einüben kann: Nicht an dem hängen bleiben, was einem verwehrt ist, sondern das mit Freude genießen, was man trotz allem noch kann. Aus meiner heutigen Perspektive möchte ich schon sagen, dass so auch uns blinden und sehbehinderten Menschen das Altern ganz gut gelingen kann.

Und wem mein Fazit zu dürftig erscheint, dem hilft vielleicht das Studentenliedchen weiter, das mir mal im Kirchenchor ein Pfarrer vorsang:

"Der David und der Salomo,
das waren große Sünder,
die lebten frei und lebten froh
und zeugten viele Kinder.
Und als sie nicht mehr konnten so
von wegen hohem Alter,
da schrieb die Sprüche Salomo,
und David schrieb den Psalter."

Zum Autor

Dr. rer. nat. Eberhard Hahn, Jahrgang 1941, ist seit über 60 Jahren DVBS-Mitglied. Er engagiert sich im Leitungsteam der Interessengruppe Ruhestand und ist Redakteur des Audiomagazins "IM Ruhestand", das viermal jährlich erscheint. Nach seinem Besuch der Blindenschule in Stuttgart legte er sein Abitur 1962 an der blista ab und studierte in Tübingen Mathematik und Theoretische Physik. Später arbeitete er als Wissenschaftlicher Angestellter im Zentrum für Datenverarbeitung an der Uni Tübingen.

Bild: Dr. Eberhard Hahn hat braune Augen und kurz geschnittenes, weißes Haar, Kinn und Wanen sind glattrasiert. Foto: privat

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Aktiv und engagiert ein Leben lang

Von Nina Odenius

Was bedeutet es älter zu werden? Und wie sieht ein erfülltes Leben aus? Diese und andere Fragen haben wir uns in der horus-Redaktion gestellt. Also haben wir beschlossen, jemanden zu fragen, der schon einige Erfahrungswerte in diesem Bereich hat. Der 85-jährige Ehrenvorsitzende des DVBS Dr. Otto Hauck hat uns Rede und Antwort gestanden und spannende Dinge aus seinem Leben erzählt.

Als er 1999 aus dem Richterdienst ausschied, schlugen zwei Herzen in Otto Haucks Brust. Es war nicht die reine Freude auf den neuen Lebensabschnitt, sondern es schwang auch Wehmut mit. Seit 1969 war Otto Hauck als Richter am Landgericht Marburg tätig gewesen. Zuletzt war er Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen. "Ich habe meinen Beruf immer als eine erfüllende Tätigkeit empfunden", sagt er heute im Rückblick. "Ich habe es genossen, dass ich meine Arbeitszeit flexibel einteilen konnte. Meine Tätigkeit war sehr verantwortungsvoll, und ich habe es stets geschätzt, dass ich nur an das Gesetz gebunden und in meinen Entscheidungen von fremden Weisungen unabhängig war."

Das Verhältnis zu den Kolleg*innen war stets gut gewesen. Hauck war es wichtig, sich allen Mitarbeiter*innen gegenüber kollegial zu verhalten. So wurden auch die Schreibassistenzkräfte erst sorgfältig eingearbeitet, ohne sie dabei unter Druck zu setzen. Doch hatte der Arbeitsdruck in den letzten Jahren ständig zugenommen. Immer mehr Fälle landeten auf Haucks Schreibtisch, und auch die Rückenschmerzen nahmen aufgrund der sitzenden Tätigkeit immer mehr zu.

Er freute sich auf den neuen Lebensabschnitt. Nun würde er mehr Zeit für die Familie und seine Hobbys haben. Und davon gab es genug. Haucks große Leidenschaft ist bis heute die Geschichte - eigentlich sein Wunschstudienfach, aber am Ende war es dann doch Jura geworden, weil für einen blinden Historiker die Berufsaussichten zu gering waren. Zu seinen Hobbys zählen auch Literatur, Musik (insbesondere von der Renaissance bis zur Klassik) oder das Schachspielen. Nicht zu vergessen natürlich auch die zahlreichen Ehrenämter in der Blindenselbsthilfe. Also langweilig würde es ihm im Ruhestand nicht werden.

Auf in die weite Welt

Dieser Meinung waren auch Frau und Tochter, die den Ehemann und Vater am dritten Tag im Ruhestand mit einer zweiwöchigen Reise nach Malta überraschten. "Sie hatten wohl Angst, ich würde in ein Loch fallen, so ganz ohne Arbeit", erinnert sich Hauck schmunzelnd. "Dabei hatte ich immer schon die wunderbare Eigenschaft, gut loslassen zu können. Auch als ich noch berufstätig war, konnte ich im Urlaub immer gleich abschalten. Ich habe meinen Kolleg*innen nie meinen Urlaubsort verraten, damit mich niemand mit dienstlichen Angelegenheiten in meiner Freizeit behelligen konnte. Meine Kinder sagten immer: "Jetzt haben wir wieder unseren Urlaubspapa."

Das Reisen war immer schon ein wichtiges Element im Leben von Otto Hauck. Zwei bis dreimal im Jahr ging es mit der ganzen Familie auf Tour ins In- und Ausland. Dabei war es Otto Hauck immer ein Anliegen, die Kultur des jeweiligen Landes kennenzulernen. Dazu gehörten landestypische Gerichte und Getränke genauso wie die landestypische Musik. Die Reisen führten Otto und Elisabeth Hauck beispielsweise nach Peking und zur Chinesischen Mauer, zu den Gletschern in Alaska, nach Island zu den Geysiren oder nach Indien. Auch Kreuzfahrten auf dem Atlantik und dem Pazifik sowie eine Schifffahrt auf der Donau standen in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Reiseplan des Ehepaars. Für eine Reise nach Ägypten erlernte Elisabeth Hauck sogar Hieroglyphen, um ihrem Mann die Inschriften auf den Wänden von Tempeln und Gräbern vorlesen zu können. Mit Ehefrau und Sohn ging es außerdem mit dem Wohnmobil auf drei großen Schleifen kreuz und quer durch Frankreich. Konzert- und Opernbesuche in Verona, Bayreuth und New York waren ebenfalls Highlights für den Musikliebhaber.

Eine Reise nach Syrien ist Otto Hauck besonders in Erinnerung geblieben. "Wir haben das Land zwei Jahre vor Ausbruch des Bürgerkriegs besucht. Somit hatten wir das Glück, die Städte Aleppo und Palmyra in ihrem ursprünglichen Zustand erleben zu können."

Sein Interesse an Kunst und Kultur war immer schon groß. So besuchte Otto Hauck nicht nur viele Museen in Deutschland, sondern auch im Iran, im Vatikan oder New York. Ein Unterschied fällt auf: In Deutschland ist das Berühren der Kunstgegenstände für blinde Menschen oftmals nicht oder nur sehr eingeschränkt erlaubt. Im Ausland ist das anders, berichtet Otto Hauck. "In Deutschland habe ich jahrelang dafür gekämpft, dass wir Blinde in Museen die Kunstwerke anfassen dürfen, und mich mit der ein oder anderen Museumsleitung deswegen gestritten", erzählt er. "Im Ausland heißt es, dass die Kunst für alle Menschen da ist und selbstverständlich auch berührt werden darf."

Ehrenamtliches Engagement

Eine große Rolle in Otto Haucks Leben spielt bis heute das Engagement im Ehrenamt. Seit 1971 ist er in der Blindenselbsthilfe aktiv, gründete die Fachgruppe Jura im DVBS und wurde zum Vorsitzenden der Bezirksgruppe Hessen gewählt. Ab 1974 war er Vorstandsmitglied des Vereins. Ab 1975 war Otto Hauck Mitglied im Vorstand beziehungsweise Verwaltungsrat der blista. Von 1979 bis 2004 war er erster Vorsitzender des DVBS. Die Geschicke des Vereins sollte Hauck jahrzehntelang maßgeblich prägen. Seine ehrenamtliche Tätigkeit hat er zwar mittlerweile reduziert, ist aber weiterhin aktiv. "Auch im Alter möchte man etwas Sinnvolles zu tun haben", sagt der heute 85-Jährige. "Gerade wenn man sich mit der Gesetzgebung beschäftigt, muss man einen langen Atem haben. Da kann die Umsetzung schon mal 20 Jahre dauern." So war es zum Beispiel beim gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsassistenz, für den sich Otto Hauck stark gemacht hatte. Der "Arbeitskreis Nachteilsausgleiche", der sich mit Grundsatzfragen der Behindertenpolitik befasst, war erst zwei Jahre vor Haucks Ruhestand gegründet worden.

Auch heute noch nimmt der Ehrenvorsitzende des DVBS regelmäßig an den Vorstandssitzungen teil und kümmert sich um den Vereinshaushalt sowie die Gemeinschaftsstiftung.

Ein Leben in Gemeinschaft

Das Ehepaar Hauck hatte sich zu Studentenzeiten in Marburg kennengelernt. Die Grundpfeiler ihrer Partnerschaft und Ehe sind Liebe und Vertrauen, erzählt Hauck. "Für uns ist auch der christliche Glaube ein wichtiger Bestandteil des Lebens", fügt er hinzu. "Es ist gut zu wissen, dass man im Leben nicht alles allein richten muss und es mit Gottes Hilfe immer weiter geht."

Dem Älterwerden müsse man mit Geduld und Gelassenheit begegnen, so Hauck. Auch im Alter gibt es viele Dinge, die Freude bereiten. Jeder Tag beginnt im Hause Hauck mit etwas Morgengymnastik. Auch Saunabesuche gehören für Hauck zu den Freuden des Lebens dazu. Ein Glas Wein oder Bier darf zu manch gutem Essen nicht fehlen. "Ich esse, was mir schmeckt, aber davon nicht zu viel. Auch im Alter sollte man auf seine Ernährung achten", betont Otto Hauck.

Bei Sportübertragungen im Fernsehen von Biathlon und Fußball ist Otto Hauck stets dabei. Auch Dokumentationen, wie zum Beispiel über den aktuellen Stand der Restaurierung der abgebrannten Pariser Kathedrale Notre Dame, interessieren ihn.

Manchmal stehen auch Treffen mit dem Freundeskreis Marburg/Northampton auf dem Programm. Dorthin verbindet die Haucks eine jahrzehntelange Freundschaft. "Ehrlich gesagt waren Fremdsprachen nie so richtig meine Stärke", erzählt Otto Hauck. "Zum Glück spricht meine Frau gut Englisch und Französisch, was uns auf unseren Reisen in alle Welt so manches Mal weitergeholfen hat. Aber am Ende ist es wichtig, den anderen Menschen zu achten, auch wenn man seine Sprache nicht versteht."

Erinnerungen als Gewinn

Im Alter sei es wichtig, sich an die schönen Dinge im Leben zu erinnern, aber die negativen Erfahrungen nicht zu verdrängen, erläutert Otto Hauck. "Für mich und meine Frau sind unsere gemeinsamen Erinnerungen ein großer Gewinn", betont er. "Wir sitzen oft abends zusammen, lesen in unseren Reisetagebüchern, trinken ein Glas Wein, essen etwas und hören dazu die Musik aus dem jeweiligen Reiseland. So rufen wir uns die Ereignisse und Begegnungen unserer Reisen und unseres gemeinsamen Lebens wieder in Erinnerung und profitieren erneut davon. Das macht uns auch im Alter sehr zufrieden."

Zur Person

Dr. Otto Hauck ist promovierter Jurist und war von 1969 bis 1999 als Richter am Landgericht Marburg tätig. Seit 2004 ist er Ehrenvorsitzender des DVBS. Er wirkte 30 Jahre lang in der horus-Redaktion mit und trug zur Neuorientierung des DVBS in Richtung der beruflichen Teilhabe von blinden und sehbehinderten Menschen bei. Für sein Engagement in der Blindenselbsthilfe wurde er u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.

Bild: Mit Erfahrung: DVBS-Ehrenvorsitzender Dr. Otto Hauck berichtet aus seinem Leben. Er trägt eine dunkel getönte Brille, hat einen weißen Haarkranz und trägt zum weißen Hemd eine dunkle Fliege und ein dunkles Jackett. Foto: privat

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Gelingendes Altern, leicht gedacht

Von Franz Josef Breiner

Das Altern beginnt unabwendbar schon mit der Geburt und endet mit dem Tod, wenn wir ein mögliches nächstes Leben oder Weiterleben nicht dazurechnen.

Bei unserem Enkelchen beobachten meine Frau und ich jeden Abschnitt seines Älterwerdens mit Begeisterung, bei uns selbst mit Verwunderung über Falten, graue Haare, Rückenschmerzen und sonstige kleinere oder größere Zipperlein. "Herr Breiner, was wollen Sie denn", sagt meine Hausärztin, "Sie sind keine 20 mehr", und attestiert mir einen altersgemäß guten Zustand. So scheine ich doch jedenfalls normgerecht gealtert zu sein. Aber war und ist das "gelungenes Altern"?

Zum Altern gehört ja nicht nur die Physis, sondern auch der psychische Zustand. Kurzum alles, was rund um den Altersprozess herum abläuft: das Leben mit all seinen Facetten. Wie kann ich also, soweit das überhaupt allein in meiner Hand liegt, mein Leben führen, um gelingend zu altern?

Das haben sich schon Generationen vor uns gefragt und die verschiedensten Rezepte erdacht. Beginnend bei den alten Griechen bis hin zu unseren neuzeitlichen philosophischen Schulen. Etwas allgemein Gültiges finde ich darunter nicht. Veranlagung und Lebensumstände sind doch enorm subjektiv. Und ich denke, es ist sehr wichtig, dies zu berücksichtigen. Doch woran könnte ich mich denn orientieren?

Nach dem Arztbesuch hole ich noch meine Medikamente. Die Apothekerin steckt mir auch die Rentnerbravo (Apothekenumschau) in meine Arzneitüte. Vielleicht steht ja da was Sinniges für ein gelingendes Altern drin: Werbung, neueste Erkenntnisse, wie man mit dem Präparat XY fröhlich und angeblich gesund auf die 100 zusteuert, verschiedene Untersuchungsberichte, worin die "einen soo, die anderen sooo" sagen. Das hilft nicht weiter.

Wie haben es denn die Altvorderen gemacht? Da war doch immer wieder bei Familienfeiern, in alten Papieren (nicht immer in Schulzeugnissen) und spätestens bei Begräbnissen die Rede von einem guten, erfolgreichen, ja gottgefälligen, also gelungenen Leben.

Jetzt, glaube ich, bin ich auf der richtigen Spur.

Ein guter Wegweiser könnten die Ideale unserer Vorfahren und Mitmenschen sein, die sich teils in jahrhundertealten Sprichworten und Volksweisheiten komprimiert finden lassen. Die sind millionenfach erprobt und sicher nicht weniger valide als so manche hochwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse. Wir müssen sie nur auf die passende Situation und die richtigen Umstände anwenden. Das macht die Aufgabe auch nicht leichter. Aber ein Psychologe hat mal zu mir gesagt: "Wer sagt denn, dass immer alles leicht sein muss ..."

Sofort fällt mir der Lieblingsspruch meiner Patentante ein: "Wer rastet, der rostet", mit dem sie sich selbst und uns, meine große Schwester und mich, ermunterte und motivierte, unsere Pflichten und Aufgaben zu erledigen. Sie forderte uns nicht nur, wie auch unsere Eltern, zur ernsthaften Pflichterfüllung auf, sondern auch zu aktivem Sport und Spiel. Von ihr habe ich u.a. im richtigen wie auch übertragenen Sinn gelernt, wie ich auch mit schlechten Karten gute Ergebnisse erzielen, ja sogar gewinnen kann. Sie wurde froh und munter fast 92 Jahre alt.

Für jede Lebenssituation kann, nach meiner Erfahrung, die passende Lebensweisheit hilfreich sein.

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Psychotherapeuten 

Doch was hilft bei einschneidenden Veränderungen der Lebensumstände, wie etwa Krankheit, Behinderung, Eintritt in den Ruhestand? Auch für solche Fälle haben sich kluge Leute schon manches einfallen lassen. Gerade in letzter Zeit ist mir immer wieder die Aufforderung begegnet: "Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen". Stammt jedenfalls ursprünglich nicht aus der Rentnerbravo. Wer hat's gemacht? Nein, kein Schweizer! Vor meinem Inneren sehe ich aber schon meinen verehrten Lateinlehrer freudig lächeln: Marcus Tullius Cicero hat diesen nunmehr zum geflügelten Wort gewordenen Ratschlag erdacht.

Als ich vor 36 Jahren plötzlich meinen noch verwertbaren Sehrest verlor, bin ich, im Widerstreit der Emotionen, unbewusst diesem Rat gefolgt. Das war auch im Beruf machbar, weil ich als stark Sehbehinderter eine Blindenschule besucht hatte. Im Privatleben kostete mich der Neuanfang etliche Schrammen und eine grundlegende Neuorientierung.

Ciceros Weisheit hat mir auch nach meiner Pensionierung geholfen.

Zuerst aus Frust, später mit Freude, mutierte ich vom Juristen zum Bildhauer und gab Kurse bei VHS und FBS, gründete und leitete lange Jahre eine Selbsthilfegruppe; hinzu kam ehrenamtliche Arbeit in verschiedenen Gremien mit Schwerpunkt barrierefreies Bauen und zum körperlichen Ausgleich ein bisschen Sport. Letzteres in Maßen, denn: "Sport und Turnen füllt Gräber und Urnen".

Entlastend empfinde ich dabei die Überlegungen eines Frankfurter Philosophen. Dr. Rainer Weiß verriet dem "Stern", dass er sich als Ruheständler nicht mehr beweisen müsse; was er jetzt noch mache, sei wie eine Zugabe. Das kann ich gut nachvollziehen.

Wird mir mal alles zu viel, gönne ich mir als gebürtiger Schwabe eine Pause, nach dem Motto: "Und so mittladrei, des muaß sei, legt ma halt a kloine Schnaufpaus ei, und dann wird weiterg'schafft". Ich gebe zu, die Pausen dürfen auch schon einmal etwas länger sein.

Dann denke ich gelegentlich darüber nach, ob ich gelungen gealtert bin. Aber ich versuche, den "Blick zurück im Zorn" zu vermeiden, denn dann macht der Rückblick keinen Spaß. Da passt ein Sprichwort, das meine Mutter gern verwendete: "Es ist unnütz, verschütteter Milch nachzuweinen". Zum besseren Verständnis hätte es schon als Kind etwas anderes als "Milch" sein müssen, denn mit Milch und Butter stehe ich bis heute auf Kriegsfuß. Doch der Sinn dieser Volksweisheit ist nicht zu bestreiten!

Drum halte ich es letztlich gern mit Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel: Ich nehme einen Krug, (keine Milch), meine Pfeife und setze mich in meinen Schaukelstuhl auf unsere Terrasse. "Ach", denk ich, - dabei erscheinen vor meinem inneren Auge meine Frau und unser Sohn mit Familie - "die größte Freud' ist doch die Zufriedenheit". Und voll Dankbarkeit sodann zünde ich mein Pfeifchen an. ...

Wenn dann duftender Rauch aufsteigt und eine Explosion, wie bei Max und Moritz, ausbleibt, habe ich das Gefühl, dass das Altern auch weiterhin einigermaßen gelingen könnte. ...  "läuft"!   

Zum Autor

Franz Josef Breiner, Jahrgang 1952, ist seit rund 50 Jahren DVBS-Mitglied und seit 2019 Vorsitzender des Behindertenbeirats der Stadt Marburg.

Der blista-Alumnus hat Rechtswissenschaften studiert und als Verwaltungsjurist bei der Deutschen Bahn gearbeitet.

Bild: Franz Josef Breiner sitzt Pfeife rauchend im Gartenstuhl. Er hat graues Haar, einen Vollbart und trägt eine rote Jacke. Seine linke Hand greift die Taille einer weiblichen Skulptur auf dem Tisch neben ihm. Foto: privat

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"Meine ersten 100 Jahre"

Interview mit Georg Stefan Troller zum Nachhören

Am 10. Dezember 2021 feierte der bekannte Journalist und Filmemacher Georg Stefan Troller seinen 100. Geburtstag. Wenig später gab es im "Kopfhörer", dem Infomagazin der "Deutschen Blinden-Bibliothek" (DBB), ein ausführliches Interview mit ihm zu hören. Troller ist seit vielen Jahren Mitglied der Marburger Hörbücherei. Er blickt im Gespräch mit Arno Kraußmann auf sein Leben zurück und beschreibt, wie er auch noch im hohen Alter an der Tagespolitik Anteil nimmt, und verrät außerdem, was für ein Glück seine Katze für ihn bedeutet.

Das Gespräch mit Georg Stefan Troller können Sie unter folgendem Link auf den Seiten der "Deutschen Blinden-Bibliothek" nachhören: https://katalog.blista.de/wp-content/uploads/Georg-Stefan-Troller-im-Interview.mp3

Das Buch "Meine ersten 100 Jahre", von dem im Interview gelegentlich die Rede ist, kann in der DBH unter der Bestellnummer 1496581 ausgeliehen werden.

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Tel.: 06421 6060
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Beruf, Bildung und Wissenschaft

Arithmico Calc - ein barrierefreier wissenschaftlicher Taschenrechner für alle

Von Maike Castorph, Ulrich Kalina und Lennard Behrens

Ein wissenschaftlicher Taschenrechner ist elementare Voraussetzung für die Teilnahme am Schulunterricht in Mathematik und Physik. Aber nicht nur in der Schule und im Studium ist ein Taschenrechner notwendig, auch im Rahmen von naturwissenschaftlichen, kaufmännischen und technischen Bildungsgängen ist er eine unabdingbare Grundvoraussetzung. Nur mithilfe eines Taschenrechners können Lernende effektiv am Unterricht, an Lehrveranstaltungen sowie an Prüfungsklausuren und Abschlussprüfungen teilnehmen.

In der Vergangenheit konnten blinde und sehbehinderte Lernende zu diesem Zweck den sogenannten "Termevaluator" nutzen. Hierbei handelte es sich um das bis dahin einzige barrierefreie Taschenrechner-Programm, welches inzwischen technisch veraltet ist und nicht mehr weiterentwickelt werden konnte.

Durch das Fehlen eines barrierefreien wissenschaftlichen Taschenrechners drohte für blinde und sehbehinderte Lernende eine erhebliche Beschränkung der chancengleichen Teilhabe an mathematisch ausgerichteten Bildungsgängen.

Vor diesem Hintergrund initiierte Lennard Behrens Ende 2020 das Arithmico-Projekt. Die von ihm entwickelte neue, frei verfügbare und barrierefreie Software "Arithmico Calc" hat den Funktionsumfang eines handelsüblichen, wissenschaftlichen Taschenrechners (WTR). Die Bedienoberfläche des Arithmico zielt auf größtmögliche Barrierefreiheit ab; sie ist daher klar und übersichtlich gestaltet. Arithmico ist Open-Source-Software. Durch die Offenlegung des Quellcodes und die Aufgeschlossenheit gegenüber weiteren Mitwirkenden wurde eine Grundlage dafür geschaffen, die Fortentwicklung des Projekts auf eine möglichst breite Basis zu stellen.

Das Projektteam besteht aus dem Informatikstudenten Lennard Behrens und seinem Kommilitonen Tizian Roth (beide sind blista-Alumni), Maike Castorph, Lehrerin für Mathematik und Latein an der Carl-Strehl-Schule (CSS), Ulrich Kalina, ehemaliger CSS-Kollege mit den Fächern Mathematik und Informatik, sowie Knut Büttner, ebenfalls Lehrer an der CSS mit der gleichen Fächerkombination. Über dieses Kernteam hinaus wird die Weiterentwicklung des Projekts von ehrenamtlichen Entwickler*innen aus verschiedenen deutschen Bundesländern sowie vom Bundes-Blindeninstitut Wien (BBi) unterstützt. Im Rahmen dieser gemeinsamen Entwicklung wurde zum Beispiel die Latex-Notation eine alternative Eingabemöglichkeit. Und dank der Unterstützung eines Entwicklers aus Italien konnte nun sogar eine italienische Version der Bedienoberfläche implementiert werden. Arithmico wird also international!

Ziel des Projekts Arithmico ist es, die Verfügbarkeit eines barrierefreien wissenschaftlichen Taschenrechners für alle blinden und sehbehinderten Menschen nachhaltig sicherzustellen.

Den Kern des Arithmico-Rechners bildet eine Webanwendung auf der Basis von TypeScript.

Parallel dazu entstehen barrierefreie Schulungsdokumente und Manuals für die Nutzung der Software in unterschiedlichen Kontexten, zum Beispiel Schule oder Universität.

Durch Veröffentlichungen, Vorträge und Workshops für sonderpädagogische Fachkräfte soll die Software möglichst vielen Betroffenen bekannt gemacht werden. Ziel ist es, weitere Kooperationspartner zu gewinnen - Anfragen nimmt das Projektteam gerne entgegen.

Nicht zuletzt kann Arithmico als Referenz für eine inklusive und barrierefreie Webanwendung entsprechend dem Universal Design for Learning-Ansatz dienen. Denn Arithmico ermöglicht die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für möglichst viele Menschen ohne Stigmatisierung und kann somit als Best-Practice-Beispiel für weitere Softwareentwicklungen im Bildungsbereich dienen.

Ab dem Prüfungsjahr 2029 wird bundesweit eine neue Vereinbarung zur Verwendung von Taschenrechnern im Fach Mathematik gelten. Sie wird endlich einheitliche Richtlinien zu deren Funktionsumfang festlegen. Die CSS ist durch die Verfügbarkeit von Arithmico bestens auf sämtliche Anforderungen vorbereitet, die mit dieser Vereinbarung einhergehen, und begrüßt die darin enthaltene Vereinheitlichung der Vorgaben zwischen den Bundesländern ausdrücklich. Denn dank des cleveren Konzeptes von Arithmico lässt sich für Prüfungen eine "maßgeschneiderte" Offline-Version erzeugen, die dann nur den Funktionsumfang besitzt, der für die jeweilige Prüfung zugelassen ist. Jede mathematische Funktion lässt sich einzeln aktivieren oder deaktivieren, so dass eine Anpassung auch an unterschiedliche Prüfungsbedingungen jederzeit möglich ist.

Somit ist durch Arithmico auch in der Übergangszeit bis 2029 und darüber hinaus sichergestellt, dass es einen barrierefreien Taschenrechner für alle blinden und sehbehinderten Lernenden gibt, der in allen Bundesländern einsetzbar ist.

Um die Prüfungsanforderungen aller Bundesländer zweifelsfrei erfüllen zu können, sucht das Projektteam der blista nun nach Ansprechpartner*innen, die sie dabei unterstützen, für jedes Land und jede Prüfung eine regelkonforme Offline-Version zu erstellen und eine flächendeckende Infrastruktur aufzubauen. Unter https://arithmico.com steht die jeweils aktuelle Online-Version von "Arithmico Calc" zur Verfügung.

Kontakt

Lennard Behrens
Tel.: 01573 7003138
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Das Projektteam freut sich über Kontaktaufnahme!

Bild: Screenshot Arithmico: Dargestellt werden die Eingabe: "28 geteilt durch 7 plus 3 mal 0,25" und das Ergebnis: "4,75".

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Netzlektüre: Linktipp aus dem Internet: Agiles Arbeiten

Agiles Arbeiten bringt für blinde und sehbehinderte Arbeitnehmer*innen besondere Anforderungen mit sich. Denn zum einen wird bei agilem Arbeiten stark auf visuelle Darstellungen und Werkzeuge gesetzt. Zum anderen werden Beschäftigte durch agiles Arbeiten zunehmend zu "Solution-Workers", die ein Ziel selbst- und teamverantwortlich verfolgen müssen. Damit steigt der Leistungs- und Erfolgsdruck.

Wie können Menschen mit Seheinschränkung dennoch mithalten? Welche Tipps und Unterstützungsmöglichkeiten gibt es, wie hat sich auch die Aus- und Weiterbildungssituation verändert? "Schlüsselkompetenzen sind von überragender Bedeutung", stellt Otfrid Altfeld fest. Er leitet das Zentrum für berufliche Bildung und das Ressort focus arbeit - Zentrum für Ausbildung, Umschulung und Arbeitsmarktintegration - der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg. Das Projekt agnes@work hat ihn nach seinen Erfahrungen zum Thema agiles Arbeiten befragt und das lesenswerte Interview auf der Projektwebseite veröffentlicht: https://www.agnes-at-work.de/wissen/hintergrund/interview-agile-arbeit/

Bild: Logo agnes@work

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Recht

Das Behindertengleichstellungsgesetz auf dem Prüfstand

Von Uwe Boysen

I. Zum Hintergrund

Immer häufiger möchte der Gesetzgeber in Bund und Ländern verständlicherweise wissen, welche Effekte die von ihm erlassenen Gesetze haben. Das gilt auch für das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) von 2002, das 2016 und 2018 novelliert wurde. Zur Evaluation wurde ein Team unter Leitung von Prof. Dr. Felix Welti von der Universität Kassel beauftragt. Der jetzt vorliegende Bericht (1) hat seine Grundlage in Art. 6 des BGG von 2016, der eine solche Evaluierung vorsah. Zu überprüfen war, ob die angestrebten Ziele des BGG 2016 erreicht wurden und wie sich die vorgenommenen Änderungen in der Praxis bewährt haben. Dabei sind viele Vorschläge gemacht worden, die in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft weiter genutzt und diskutiert werden können. Zu erwarten ist, dass es im Laufe dieses Jahres Reformvorschläge gibt, die u.a. für die (Sozial-)Verwaltung, die Arbeitswelt, das Gesundheitswesen, den Verbraucherschutz, die Inklusion sowie die Teilhabe und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und die Entwicklung des Antidiskriminierungs-, Verwaltungs- und Zivilrechts von Bedeutung sein können. Die Bundesregierung hat jedenfalls entsprechende Initiativen angekündigt (2). Umso mehr lohnen sich einige Blicke in den Bericht, der sowohl eine rechtswissenschaftliche Analyse wie eine sozialwissenschaftliche Befragung von Akteur*innen enthält.

II. BGG, Ländergesetze und AGG

In der rechtswissenschaftlichen Evaluation wird zunächst konstatiert, dass das BGG als allgemeines Verwaltungsrecht in der Bundesverwaltung weniger bekannt ist als etwa das SGB (a.a.O.). Das BGG habe aber für die Ländergesetze eine Leitfunktion. Jedoch bestehe hier erheblicher Abstimmungsbedarf (S. 41). Insbesondere Bayern, Hessen und Sachsen binden ihre Gemeinden nur unvollkommen an die Ziele ihrer Behindertengleichstellungsgesetze (Einzelheiten S. 88 ff.). Bei der Frage, wer aus den Behindertengleichstellungsgesetzen verpflichtet ist, wird vorgeschlagen, die erweiterte Formulierung zu den öffentlichen Stellen in § 12b BGG auf alle öffentlichen Einrichtungen anzuwenden (S. 92). Das wäre ein erheblicher Fortschritt. Betont wird weiter, dass es neben der Benennung der Träger öffentlicher Gewalt auch innerhalb der Behörden verbindlicher Strukturen und Zuständigkeiten zur Umsetzung des BGG bedarf. "Dies kann u. a. durch Einrichtung entsprechender Kompetenzstellen oder konkreter Ansprechpersonen erreicht werden. Hierbei ist auch die Schwerbehindertenvertretung bedeutend." (S. 352).

Ebenso "dringend notwendig" erscheint den Verfasser*innen des Berichts eine Abstimmung des BGG mit den zivilrechtlichen Gesetzen wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG; S. 77, wo vom Dreiecksverhältnis zwischen öffentlichem Träger, privatem Leistungserbringer und Betroffenen gesprochen wird). Die Effektivität des BGG kann, wie zutreffend angemerkt wird, auch profitieren, wenn es mit zivilrechtlichen Mitteln durchsetzbar wird, so durch die Schwerbehindertenvertretungen. Interessant ist ein Streiflicht aus der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, bei der sich Menschen wegen der Nichtzugänglichkeit des TAN-Verfahrens der Banken beschwert hatten. Die vom Behindertenbeauftragten angerufene Schlichtungsstelle erklärte sich hier - wohl zu Recht - für nicht zuständig. Daraufhin wandte sich der Behindertenbeauftragte an die BaFin, die erwiderte, sie habe keine Möglichkeit, hier auf die Banken einzuwirken. Diese selbst machten geltend, Menschen mit Behinderungen könnten in die Banken kommen und dort den Mitarbeitenden Überweisungen diktieren (S. 79 mit Fn. 120), eine kaum überzeugende Lösung, insbesondere, wenn man bedenkt, dass immer mehr Bankinstitute ihre lokalen Filialen schließen.

Der Bericht meint in Anlehnung an Eichenhofer (S. 80, Fn. 125), dass sich auch für das Zivilrecht aus § 12 AGG bereits die Pflicht zur Schaffung angemessener Vorkehrungen herleiten lasse, wie sie § 7 BGG bei Nichterfüllung als Diskriminierungstatbestand festlegt. Gleichwohl wird dafür plädiert, das ausdrücklich mit einem Verweis auf § 7 Abs. 2 BGG ins AGG aufzunehmen, ebenso hinsichtlich einer etwaigen Diskriminierung eine Vermutungswirkung nach dem Muster von § 7 Abs. 1 Satz 4 BGG (ebd.). Dann könnten Bedienstete und Patienten etwa gegen die Nichtbarrierefreiheit von Arztpraxen erfolgreich vorgehen.

An die Verbände richtet sich folgende Empfehlung: Um Benachteiligungen im Bereich von Kreditgeschäften zu begegnen, ist des Weiteren zentral, zu klären, wann es sich bei ihnen um Massengeschäfte handele, die unter das AGG fallen. Dieser Bereich eignet sich zudem besonders für eine strategische Prozessführung unter Nutzung des BFSG, wie Rott sie dargelegt hat.

Gefordert wird im Hinblick auf ältere und pflegebedürftige Menschen, klarzustellen, dass sie grundsätzlich als Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 3 BGG anzusehen sind (S. 41). Ob diese Menschen das tatsächlich wollen, erscheint mir immerhin fraglich. Weiter aufgegriffen werden die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen. Diese seien rechtlich oft unklar, insbesondere im Gesundheitswesen und bei sexueller Gewalt.

III. Neue Begriffsbestimmungen

Dazu heißt es im Bericht: "Die Begriffe mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung und Benachteiligung sowie von angemessenen Vorkehrungen sind nicht hinreichend klar zwischen BGG und AGG abgestimmt." Vorgeschlagen wird, nicht mehr, wie bisher in § 7 Abs. 2 BGG, negativ vom Fehlen angemessener Vorkehrungen zu sprechen, sondern das positiv zu formulieren und ins AGG zu übernehmen.

Betont wird die große Bedeutung des Begriffs "angemessene Vorkehrungen". So wird berichtet, dass 70 % der Fälle im Schlichtungsverfahren sich um diese Begrifflichkeit drehen (vgl. Schlichtungsstelle, Jahresbericht 2020, S. 34 zit. nach Welti et al., 2022, S. 104). Klargestellt wird folgende Unterscheidung:

"Ist Zugänglichkeit (noch) nicht hergestellt, ist diese durch angemessene Vorkehrungen zu verwirklichen. Das Gebot angemessener Vorkehrungen verdichtet sich für die Träger öffentlicher Gewalt dann zu einer Vornahmepflicht. Die gegenseitige Ergänzung der Konzepte zeigt sich darin, dass Zugänglichkeit nicht alle individuellen Hindernisse beseitigen kann und hierfür angemessene Vorkehrungen unentbehrlich sind. Zugleich kann Zugänglichkeit die Notwendigkeit angemessener Vorkehrungen für bestimmte Behinderungen vermindern. (...) Wichtig ist deshalb, klarzustellen, dass beides seinen Platz im Antidiskriminierungsrecht hat, angemessene Vorkehrungen aber nur Maßnahmen im Einzelfall sind und primär umfassende Barrierefreiheit herzustellen ist." (S. 108 mit Fn. 310).

Angemessen sind Vorkehrungen auch nur, wenn Menschen mit Behinderungen mitsprechen und wählen können, welche Vorkehrungen und Maßnahmen ihre Benachteiligung verhindern. Das sei nur im Dialog zwischen den Betroffenen und der zuständigen staatlichen Stelle zu klären und nicht deren Wahrnehmung einziger Maßstab (S. 110). Vorgeschlagen werden dazu folgende mögliche Regelungen:

"Die Berechtigten haben ein Wahlrecht hinsichtlich der vorzunehmenden Maßnahme. Der Träger öffentlicher Gewalt kann die ausgewählte Maßnahme zurückweisen, wenn sie ungeeignet ist, im konkreten Fall gleichberechtigte Teilhabe herzustellen. Erhält der Träger öffentlicher Gewalt Kenntnis von einem Bedarf an angemessenen Vorkehrungen, hat er Menschen mit Behinderungen auf ihr Wahlrecht hinzuweisen. Die Beweislast für die Unangemessenheit einer Maßnahme nach § 7 Abs. 2 BGG liegt beim Träger der öffentlichen Gewalt." (S. 111).

IV. Vorschläge zu einzelnen Vorschriften des BGG

1. Zugänglichkeit von Dokumenten (§ 10 BGG)

Behörden sind bislang nicht zwingend verpflichtet, Dokumente gleichzeitig mit der Bekanntgabe in wahrnehmbarer Form zugänglich zu machen (§ 4 der Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren = VBD). Das sollte geändert werden, soweit die Behörde die Behinderung kennt oder kennen muss (S. 42 und 355). Kann eine gesetzliche Frist nicht eingehalten werden, weil ein Bescheid nicht rechtzeitig in einer für die sehbeeinträchtigte Person wahrnehmbaren Form vorlag, so muss eine sog. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (= die Frist beginnt erneut zu laufen, wenn das Hindernis beseitigt ist) möglich sein. Der Bericht empfiehlt, die entsprechenden Verfahrensvorschriften so zu ergänzen, dass kein Verschulden vorliegt, wenn die betroffene Person die Frist nicht einhalten konnte, weil der Bescheid nicht für sie wahrnehmbar war.

2. Digitale Barrierefreiheit (§§ 12 ff. BGG)

Hier führt der Bericht aus, dass diese auch verbindlich werden sollte, wenn Behörden Internetangebote Dritter nutzen. Folglich sollten öffentliche Stellen grundsätzlich verpflichtet werden, Webseiten Dritter nur noch zu nutzen, wenn die Angebote auf den Websites barrierefrei zugänglich sind und Inhalte ebenso barrierefrei dargestellt werden können (S. 356).

In den Regeln für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 33a i.V.m. § 139e SGB V und § 47a SGB IX ist die barrierefreie Ausgestaltung noch nicht explizit vorgesehen. Dies sei in § 5 DiGAV (= Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung) und allgemein für digitale Sozialleistungen in § 17 SGB I klarzustellen. Teilweise seien auch die für digitale Barrierefreiheit anzuwendenden Standards nicht hinreichend klar und überdies in deutscher Sprache nicht frei zugänglich (S. 42, 152, 357). Insoweit könne auch über die Einführung eines Prüfsiegels nachgedacht werden.

Positiv hebt der Bericht die Berichtspflicht zum Stand der digitalen Barrierefreiheit nach § 12c BGG hervor, da sie synchron zwischen Bund und Ländern erfolge, verschweigt aber weitgehend die desaströsen Ergebnisse des ersten deutschen Berichts an die EU von 2021 und empfiehlt lediglich eine wissenschaftliche Begleitung und Bewertung der neuen Standards (WCAG 2.2, WCAG 3.0), um die Ursachen für den Mangel an Umsetzung der digitalen und technischen Verpflichtungen zu erforschen (S. 358 unter 4.1.12). Das erscheint enttäuschend, zumal das in der Zusammenfassung nicht erwähnt wird (S. 43). Unbeanstandet lässt der Bericht des Weiteren den Umstand, dass nach § 12c Abs. 1 Satz 2 BGG die obersten Bundesbehörden verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren ihrer Informationstechnik erstellen müssen, was offensichtlich nicht geschehen ist, ein klarer Gesetzesverstoß! Der Evaluationsbericht spricht lapidar nur davon, dass diese Berichte nicht hätten eingesehen werden können (S. 357). Empfohlen wird lediglich, die Berichte der obersten Bundesbehörden, die auch periodisch wiederholt werden müssten, zu veröffentlichen (ebd.).

3. Verbandsklage (§ 15 BGG)

Wenig genutzt würden Prozessstandschaft (§ 14 BGG) und Verbandsklage nach § 15 BGG, analysiert der Bericht. Vorgeschlagen wird hier, eine Generalklausel der Gegenstände zu erstellen, die der Verbandsklage zugänglich sind (S. 365). Die Verbandsklage sollte auch die Möglichkeit enthalten, bei Rechtsverstößen auf Leistung bzw. Unterlassung zu klagen (ebd.), was bisher nicht der Fall ist. Sowohl der Bundesbeauftragte wie die Schwerbehindertenvertretungen könnten darüber hinaus ein Klagerecht bekommen. Für den Bundesbeauftragten könnte das analog einer österreichischen Regelung geschehen. Diese Möglichkeit sollte auch nach § 17 Abs. 2 AGG geschaffen werden, so der Bericht (zur Begrenzung des Kostenrisikos siehe die Vorschläge auf S. 42).

4. Schlichtungsverfahren (§ 16 BGG)

Dieses habe sich bewährt. Problematisch sei aber, dass es sich nicht gegen Landesbehörden richten könne, selbst wenn sie Bundesrecht ausführten (ebd.). Außerdem seien Antragsgegner nur Träger öffentlicher Gewalt, nicht aber die öffentlichen Stellen (dieser Begriff nach § 12b BGG ist weiter!). Ebenso zeige sich hier die teilweise fehlende Möglichkeit der Verbandsklage, die auch ein Schlichtungsverfahren ausschließt. Gleichfalls solle das Schlichtungsverfahren für Schwerbehindertenvertretungen geöffnet werden (S. 361).

5. Behindertenbeauftragter (§§ 17, 18 BGG)

Die Rolle des / der Bundesbeauftragten sei zu stärken. Der Person solle eine frühzeitige Beteiligungsmöglichkeit an Gesetzesvorhaben gewährt werden, die in ihren jeweiligen Aufgabenbereich fielen, wie schon für andere Beauftragte nach § 21 GGO (= Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung) geregelt (S. 360). Hierzu könnte ein Begründungserfordernis für Fälle geschaffen werden, in denen beispielsweise die Stellungnahme des Beauftragten zu einem Gesetz nicht beachtet wird. "Zudem sollte in § 18 Abs. 3 BGG verankert werden, dass der oder die Beauftragte eine Stellungnahme von öffentlichen Stellen anfordern kann (vgl. etwa § 94 Abs. 3 AufenthG)." (S. 362). Zu prüfen sei auch, ob er oder sie ressortübergreifend angesiedelt werden könne (S. 43). M. E. ist hier eine Ansiedlung beim Bundestag, ähnlich wie für den Wehrbeauftragten, sinnvoll, wie es sie bspw. in Bremen für den Landesbehindertenbeauftragten gibt, der von der Bürgerschaft gewählt wird und ihr verantwortlich ist. Das würde die Bedeutung und Sichtbarkeit des Amtes, die auch im Bericht betont wird, zweifellos erhöhen.

6. Partizipationsfonds (§ 19 BGG)

Positiv wird die Möglichkeit von § 19 BGG gesehen, Verbände bei der Ausrichtung von Projekten im Rahmen des Partizipationsfonds zu fördern. Das ist zutreffend. Weniger Bürokratie wäre aber auch hier hilfreich, wie der Bericht unterstreicht (S. 43 und 363).

V. Sozialwissenschaftliche Analyse

Hier ergaben sich u.a. folgende Befunde aus den durchgeführten Befragungen: Dass das Behindertengleichstellungsrecht an sich gut sei, aber oft nicht beachtet oder durchgesetzt werde und daher noch verbindlichere und genauere Vorschriften enthalten müsse, meinen rund 80% der befragten Menschen mit Behinderungen, aber nur rund 50% der Behördenmitarbeitenden. Behördenmitarbeitende sehen damit ihre Pflicht zur Umsetzung des Gesetzes als eher erfüllt an und wünschen keine verbindlicheren Vorschriften. Von den einschlägigen Verordnungen kennen Behördenmitarbeitende und Schwerbehindertenvertretungen am ehesten die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), Rechtsschutzvertretungen insbesondere die Landesbauordnungen (S. 45; zu weiteren sozialwissenschaftlichen Ergebnissen der Befragungen S. 43 ff. und 365 ff.).

VI. Schlussbemerkung

Die Bundesregierung erklärt in ihrer Stellungnahme zum Bericht unter anderem: "Der Wunsch nach genaueren und verbindlicheren Vorschriften durch das Behindertengleichstellungsrecht ist sowohl unter Menschen mit Behinderungen als auch unter Behördenmitarbeitenden gesunken (...)" (S. 5). Das lässt nichts Gutes ahnen und wird im Bericht nur partiell bestätigt. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass die Empfehlungen des Berichts nicht ungeprüft in Behördenschubladen verschwinden, sondern ernst genommen und intensiv diskutiert werden!

Anmerkungen

(1) Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Novellierung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts, Bundestagsdrucksache 20/4440, abrufbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/20/044/2004440.pdf. Seitenzahlen im Folgenden beziehen sich auf die Bundestagsdrucksache, die von denen des Berichts selbst abweichen.

(2) siehe https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/2022/bundesinitiative-barrierefreiheit-startet-noch-in-diesem-jahr.html

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Barrierefreiheit und Mobilität

Barrierefreie Haushaltsgeräte - Frommer Wunsch oder berechtigte Forderung?

Von Christine Beutelhoff

Es gibt Rentner und Rentnerinnen, Pensionäre und Pensionärinnen, die verbringen den Winter auf Gran Canaria und braten dort in der Sonne. Das ist nichts für mich. Ich brauche eine sinnvolle Aufgabe.

Ich hatte mich auf meine Pensionierung gefreut, konnte ich doch nun endlich zusammen mit meinem Mann die Welt bereisen. Dieses Glück war mir fast zehn Jahre lang beschieden, dann wurde mein Mann krank. Ich habe meinen Mann bis zu seinem Tod gepflegt, konnte ihn immer weniger allein lassen, und beschloss, um den Kontakt zur Außenwelt nicht ganz zu verlieren, mir eine Aufgabe zu suchen, die ich von zu Hause aus bewältigen konnte. Da fiel mir das Thema barrierefreie Haushaltsgeräte wieder ein. Bei einem virtuellen Stammtisch der DVBS-Bezirksgruppe Hessen sprach ich das Thema an und fand sofort Zustimmung und tatkräftige Unterstützung von Daniel Eiffert und Heike Wald.

Da ich mir bereits während der Krankheit meines Mannes eine Aufgabe gesucht hatte, fiel ich nach seinem Tod nicht in so ein großes Loch. Der Verlust wiegt zwar noch immer schwer, aber die Aufgabe hält mich nun lebendig. So habe ich dann nach dem Tod meines Mannes auch wieder begonnen zu reisen und gleich zwei größere Veranstaltungen besucht.

Internationale Funkausstellung (IFA)

Ich fuhr zusammen mit meiner sehenden Bekannten Manuela Wich am 5. September 2022 zur Internationalen Funkausstellung nach Berlin.

Die Designer der großen Firmen, wie z.B. Miele, Siemens oder Bosch, setzen ausschließlich auf Digitalität. Touchscreen und Smart Home sind die Zauberworte: Sie brauchen Ihre Rollläden nicht mehr selbst zu bedienen. Sie brauchen nicht mehr in den Keller zu gehen, um Ihre Heizung anzustellen. Für die Küche und die normale Hausarbeit fehlt nur noch der Roboter, der diese stupiden Arbeiten für Sie erledigt. Sie können sogar aus der Ferne Ihre Kinder im Haus einschließen ...

Hier sei eine wahre Begebenheit erzählt: In Berlin gab es einen größeren Blackout. Dieser dauerte ca. zwei Stunden. Bei Familien, die Smart Home besaßen, konnte es schon einmal bis zu zwei Tagen dauern, bis sie ihr eigenes Heim wieder verlassen konnten. Warum? Die Firma, die das System wieder flott machen konnte, war nur schwer zu erreichen, weil sie zu wenige Mitarbeitende hatte.

Übrigens, ca. 20% der Bevölkerung benachteiligt diese schöne neue digitale Welt ganz erheblich: Sie können Geräte, die nur mit Touchscreen versehen sind, schlichtweg überhaupt nicht mehr bedienen. Sie können in keinem Hotel übernachten. Sie können sich keine Wohnung mieten, in der eine moderne Einbauküche vorhanden ist. Ja, selbst in einer modernen Seniorenresidenz dürfte es schwierig werden, bedienbare Geräte zu finden. Motorisch eingeschränkte Menschen, blinde und sehbehinderte Menschen werden sich dann nichts mehr bestellen können. Sie müssen buchstäblich verhungern und verdursten, es sei denn, sie nutzen Alexa. Es wird auch schon mit Robotern in der Krankenpflege experimentiert.

Das Thema Nachhaltigkeit und Energiesparen war auf der IFA allenfalls ein Randthema, das von Start-ups in den Fokus genommen wurde.

Mir ist auch aufgefallen, dass die großen Firmen sich fast ausschließlich durch Männer repräsentieren ließen. Offensichtlich werden auch Haushaltsgeräte mehrheitlich durch Männer entwickelt, denen der Sinn für das Praktische fehlt. Wer braucht ein Gerät, das den Barcode scannt, um die richtige Waschmittelmenge zu dosieren? Stattdessen wäre es doch wirklich wichtiger, energiesparende, langlebige, funktionstüchtige, einfach zu bedienende Geräte zu entwickeln, die sich auch reparieren lassen.

Kann es sich eine reiche Gesellschaft wie die unsrige wirklich leisten, 20% der Bevölkerung auszuschließen? So ist es beispielsweise technisch durchaus ohne großen finanziellen Aufwand möglich, Geräte zu produzieren, die sowohl über einen Sprachchip verfügen als auch haptisch zu bedienen sind.

10. Tag der Menschen mit Behinderungen

Über den DVBS erfuhr ich vom "10. Tag der Menschen mit Behinderungen", der am 23. September 2022 im Hessischen Landtag stattfinden sollte. Gastgebende waren die Landtagspräsidentin Frau Wallmann, die Behindertenbeauftragte Frau Esser und der Sozialminister Herr Kai Klose. Das Thema lautete: "Wohnen, Leben und Digitalisierung - aber bitte barrierefrei".

Ich meldete mich zusammen mit meiner Assistentin Manuela Wich an und nach ca. 14 Tagen erhielt ich eine positive Rückmeldung. Natürlich hatte ich mich sehr gefreut, versprach die Einladung doch, dass wir Behinderte dort ein Forum für unsere Belange finden würden und dass wir Gelegenheit erhalten sollten, mit Politikern und Politikerinnen ins Gespräch zu kommen.

Wie war gewährleistet, dass unser Thema "Barrierefreie Haushaltsgeräte" dort angemessen zur Sprache kommen könnte? Mir schien es am sinnvollsten, wenn ich die Landtagsabgeordneten meines Landkreises vorab durch ein Statement informieren würde. Also bat ich Daniel Eiffert, mir die Adressen der Abgeordneten der CDU, Bündnis90/Grüne, FDP und SPD herauszusuchen. Ich schrieb dann Mails an diese Parteien.

Von der FDP-Landtagsabgeordneten Frau Wiebke Knell erhielt ich die Antwort, sie wisse gar nicht, dass so ein Tag im Landtag stattfindet. Sie habe Termine im Schwalm-Eder-Kreis. Sie nannte mir den sozialpolitischen Sprecher der FDP. Vom Büro der Landtagsabgeordneten Frau Ravensburg erhielt ich den Hinweis, mich mit ihrem sozialpolitischen Sprecher der CDU, Herrn Max Schad, in Verbindung zu setzen. Dem habe sie meine E-Mail weitergeleitet. Von Herrn Rudolph, Fraktionsvorsitzender der SPD, erhielt ich eine Mail, er sei an diesem Tag nicht im Landtag.

Besonders eifrig kümmerte sich Christiane Rössler, Sekretärin vom Büro des Grünen Landtagsabgeordneten Daniel May. Er sei zwar nicht zuständig, weil er schulpolitischer Sprecher sei, aber das Thema sei sehr wichtig. Er empfahl mir, mich an die Landtagsabgeordnete Frau Brünnel zu wenden. Frau Brünnel bat mich dann durch das Büro, unbedingt Kontakt mit ihr aufzunehmen, sobald ich im Landtag sei.

Das machte mir Mut. War da doch zumindest eine Person, die sich für unser Thema interessierte.

Als wir im Landtag eintrafen, war ich zunächst einmal enttäuscht. Für uns hatte man ein Zelt aufgebaut, da der Plenarsaal besetzt war. Auch die Anzahl derjenigen Behinderten, die sich eingefunden hatten, um ihre Interessen zu vertreten, war überschaubar. Es waren ca. 150 Menschen gekommen. Von 110 Landtagsabgeordneten waren ganze zwei anwesend.

Meine Begleitung und ich hatten in der zweiten Reihe Platz genommen. Nachdem wir von der Landtagspräsidentin und der Behindertenbeauftragten begrüßt worden waren, hörten wir ein kurzes Impulsreferat. Danach gelang der Moderatorin eine sehr gute zielführende Diskussion um das Thema Wohnen. Wir wurden aufgefordert, unsere Forderungen an die Politik zu formulieren und Lösungsvorschläge zu artikulieren. Dabei sollten immer fünf Menschen auf die Bühne kommen.

Ich betrat auch die Bühne und nannte unsere Forderung, die Haushaltsgeräte nach dem Zwei-Sinne-Prinzip herzustellen. Dies müsse gesetzlich verankert werden. Dabei ist es wichtig, Betroffenheit zu erzeugen. So brachte ich z.B. das Beispiel mit der Kaffeemaschine, die nur mit Touchscreen zu bedienen ist. Bei dem Satz: "Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie haben eine Augen-OP und sind für 14 Tage blind und können nicht einmal ihren Lieblingskaffee kochen", konnte man die Empathie aller im Raum spüren. So wurde unsere Forderung, wie auch die der anderen Behinderten, auf einer Tafel festgehalten.

Aber auch ich habe an diesem Tag viel gelernt. Dachte ich doch bisher, dass barrierefreies Bauen für öffentliche Gebäude selbstverständlich sein müsste, so erfuhr ich dort, dass es sich bisher lediglich nur um Empfehlungen handelt, gesetzlich verpflichtend ist es nicht. D.h. wenn es zu teuer wird, wird es eben gestrichen. So wurde die Forderung aufgestellt, dass es einklagbar sein muss, wenn Zugänge nicht barrierefrei sind.

Am Nachmittag ging es dann um Digitalisierung. Obwohl man sich in den hessischen Ministerien schon seit 2016 mit diesem Thema beschäftigt, ist man da immer noch zu keinen befriedigenden Ergebnissen gekommen. Andrea Katemann wies darauf hin, dass die blista Behörden berät, wie sie ihre Internetseiten barrierefrei machen können.

In der Mittagspause konnte ich Frau Brünnel, MdL Bündnis90/Grüne, und Herrn Schad, MdL CDU,  die Problematik des Touchscreens für Blinde, hochgradig Sehbehinderte und Mobilitätseingeschränkte nahebringen. Frau Brünnel versprach, mit mir in Kontakt zu bleiben. Herr Schad hat mir außerdem empfohlen, mit dem Europaabgeordneten Prof. Simon Kontakt aufzunehmen.

Ich bin nun auf das Protokoll gespannt, das die Teilnehmenden erhalten sollen.

Fazit: Es wurde auf Augenhöhe respektvoll diskutiert.

Man darf gespannt sein, wie die Politik mit unseren Forderungen umgeht.

Bis jetzt habe ich kaum etwas gehört. Mein Vorteil besteht darin, dass ich als Pensionärin Zeit habe. Ich werde also nicht lockerlassen und bei den Politikern und Politikerinnen nachfragen. Ich bin optimistisch; denn in Hessen wird dieses Jahr gewählt.

DVBS-Arbeitsgruppe "Barrierefreie Hausgeräte"

Seit dem 12. Oktober 2021 gibt es im DVBS nun auch unsere Arbeitsgruppe "Barrierefreie Hausgeräte". Zum Leitungsteam gehören Daniel Eiffert, Birgit Kaiser und ich.

Wir veranstalten jeden 2. Mittwoch im Monat ab 20 Uhr eine Telefonkonferenz zu einem Schwerpunktthema. Themen und Termine finden sich auf der DVBS-Internetseite www.dvbs-online.de. Außerdem haben wir eine Mailingliste eingerichtet. Wer sich für die Mailingliste registrieren möchte, wende sich in der DVBS-Geschäftsstelle an Willi Gerike (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Es gibt eine Zusammenstellung nützlicher Hilfsmittel unter www.pinwand-online.de. Die Seite wird von Manfred Winkler betreut. Die meisten Tipps erreichten uns von Christian Gerhold (Schulungsbereich Orientierung und Mobilität sowie Lebenspraktische Fähigkeiten der blista). Damit diese Liste wirklich lebt, bitten wir alle, die nützliche Hilfsmittel oder barrierefreie Geräte kennen, diese einzustellen und zu kommentieren. So können wir einander erst einmal helfen. Bitte senden Sie eine E-Mail an Christine Beutelhoff (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Wir legen großen Wert darauf, dass wir uns möglichst breit vernetzen. Deshalb möchten wir als nächstes Universitäten und Fachhochschulen etc. für unsere Herausforderungen sensibilisieren. Wir möchten erreichen, dass das Zwei-Sinne-Prinzip als Baustein in die Ausbildungen integriert wird. Werden diese Module, insbesondere Sprachchips, von Anfang an in die Software integriert, werden die Geräte nicht teurer. Schließlich spricht in Japan auch die Badewanne.

Hausgeräte sind nicht im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz enthalten. Wir müssen uns an unsere Abgeordneten wenden, damit sich dies ändert.

Heike Wald ist aus beruflichen Gründen aus dem Leitungsteam ausgeschieden. Dafür konnten wir Birgit Kaiser gewinnen. Wir danken Heike Wald für ihre Mitarbeit und freuen uns, dass sie uns weiterhin unterstützt, wenn es ihre Zeit erlaubt.

Wir danken allen, die uns bisher in unserer Arbeit unterstützt und ermutigt haben.

Kontakt

Leitungsteam der Arbeitsgruppe Barrierefreie Hausgeräte
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Christine Beutelhoff, Tel.: 05681 1341
Daniel Eiffert, Tel.: 0172 5105434
Birgit Kaiser, Tel.: 0176 30530339

Bild: Informationsaustausch 2022 während des Hessischen Tags der Menschen mit Behinderungen in Wiesbaden. Von links: Max Schad, MdL (CDU), Manuela Wich, Christine Beutelhoff, Silvia Brünnel, MdL (Bündnis90/Grüne). Foto: privat

Bild: Christine Beutelhoff spricht 2022 auf der Internationalen Funkausstellung in Halle 2.2 im IFA-Studio hinter einem Pult. Ihr helles Haar fällt zurück. Sie trägt eine dunkel getönte große Brille und ein kurzärmliges Shirt und hält das Mikro in ihrer rechten Hand. Foto: privat

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blista jetzt Mitglied im BIK BITV-Test-Prüfverbund

Von Dr. Imke Troltenier

Das blista-Zentrum für Barrierefreiheit (ZFB) berät und unterstützt bei der Umsetzung zugänglicher Internetangebote und bietet jetzt auch die Durchführung von BITV- bzw. WCAG-Expertentests zur Prüfung webbasierter Angebote an. Auch der BIK BITV-Test-Prüfverbund freut sich über den Neuzugang: "Die blista und ihr Experte Marcel Bothe bereichern unseren Verbund. Ein herzliches Willkommen!"

Die Reihe der Projekte "Barrierefrei informieren & kommunizieren", kurz BIK, begann 2002 und endete mit dem Projekt "BIK für Alle" im Jahr 2018. Gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gelang es, für barrierefreie Webangebote zu sensibilisieren und die Einhaltung entsprechender Standards voranzubringen. Gemeinsam mit Partner*innen wurden zahlreiche Aufklärungsinitiativen durchgeführt. Im Projekt sind außerdem viele Umsetzungshilfen und ein WCAG-Test entstanden, mit dem sich Webangebote nun auch gemäß den internationalen Richtlinien für barrierefreies Webdesign, den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), prüfen lassen.

Der BIK BITV-Test, der daraus hervorging, wird von der DIAS GmbH seitdem weiterentwickelt und von einem wachsenden Kreis von Prüfstellen eingesetzt. Mit der neuen hessischen Prüfstelle blista hat der Verbund der BITV-Test-Prüfstellen aktuell 18 Mitglieder.

Das blista-Team für digitale Barrierefreiheit im ZFB steht für die Erstellung von Dokumenten, das Testen von Software und Apps sowie für Schulungen und Prozessbegleitungen zu sämtlichen Themen rund um die Barrierefreiheit. Über das neue Angebot, die Durchführung von BITV- bzw. WCAG-Expertentests zur Prüfung webbasierter Angebote, sagt BIK-Experte Marcel Bothe: "Ich freue mich darüber, etwas dazu beitragen zu können, dass immer mehr Webseiten für alle zugänglich werden".

Nähere Infos zum BIK BITV-Test-Prüfverbund gibt es unter: www.bitvtest.de

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Berichte und Schilderungen

Zeitenwende - vom Leben nach der blista

von Oliver Habersetzer, Abitur 2016

Grundschulzeit

Ich bin mit einem Gendefekt - okulärer Albinismus - geboren worden, der nur meine Augen betrifft. Deshalb bin ich auch weder hellblond noch weißhäutig, dafür aber kurzsichtig und sehe noch etwa 13% - damals in meiner Grundschulzeit waren es noch 30%.

Bevor es mit der Grundschule los ging, haben sich meine Eltern mit den verantwortlichen Lehrpersonen ausgetauscht, Hilfsmittel für mich organisiert und dafür gesorgt, dass regelmäßig eine Lehrerin von der Severin-Schule in Köln, das ist eine Förderschule mit Schwerpunkt Sehen, zu mir in die Grundschule kam, um mich bei meinen besonderen Bedürfnissen zu unterstützen.

Viele Schüler*innen der blista kennen aus eigenen schmerzlichen Erfahrungen, was es bedeuten kann, an einer Regelschule "anders" zu sein und von den Lehrer*innen "bevorzugt" zu werden. Neben den üblichen Hänseleien kam es bei mir aber auch noch zu körperlichen Übergriffen und Handgreiflichkeiten durch meine Mitschüler*innen, weswegen ich zumeist lieber für mich blieb und Bücher mit meiner Lupe las, obwohl das Lesen mit einer Lupe mir damals schon schwerfiel. Die einzigen zwei Freunde, die ich hatte, wohnten in meiner Straße und waren nicht auf meiner Schule - mit einem von ihnen bin ich auch heute noch gut befreundet. Am Ende meiner Grundschulzeit wurde mir trotz durchschnittlicher Noten empfohlen, ein Gymnasium zu besuchen.

blista

Von der blista habe ich über die Severin-Schule erfahren. Mir fiel es aufgrund meiner negativen Erfahrungen mit der Regelbeschulung nicht schwer, mich für einen Wechsel an die blista zu entscheiden. Während der dortigen Probewoche hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nicht nur geduldet zu sein, sondern dazu zu gehören. Viele der anderen Teilnehmer*innen der Probewoche hatten Ähnliches erlebt und niemand versuchte sich aufzuspielen oder andere nieder zu machen. So wurde ich Blistaner und habe von 2007 bis zu meinem Abitur 2016 im Internat der blista gewohnt. Alle - Lehrer*innen, Schüler*innen und Betreuer*innen - waren von Anfang an im Umgang respektvoll und sehr nett und ich hatte dort viel Spaß am Lernen - aber vor allem am Kindsein!

Der Weg zum Abitur

Mein Vater ist Flugzeugelektroniker und ich war schon immer sehr neugierig. Ich habe so gut wie alles, was mir unter die Finger kam, zerlegt und versucht zu verstehen, wie es funktioniert. Als ich herausfand, dass wir ab der siebten Klasse Notebooks bekommen würden, lernte ich vorher schon aus Spaß, und ohne irgendwas am Rechner ausprobieren zu können, Programmieren mit Stift und Papier.

Als wir unsere Notebooks erhielten, war ich nicht mehr zu bremsen. Ich programmierte oft heimlich während des Unterrichts oder in Pausen. Ich bastelte so viel, dass ich mehrfach Ärger bekam, weil ich unter anderem mein Notebook auseinandergenommen hatte, ich die Sicherheitssoftware umging und ein anderes Betriebssystem installierte - alles ohne das zu dürfen natürlich - und auch nicht immer erfolgreich. Wurde ich bei meinen Machenschaften ertappt oder brauchte ich Hilfe beim Rückgängigmachen, bat mich die IT-Abteilung der blista hin und wieder zu "Gesprächen".

Dieses anfängliche bloße Interesse entwickelte sich über die Jahre zu einer Passion. Ich nutzte den Computer zur Programmierung, zum Musizieren, Zeichnen, Spiele Entwickeln und noch einiges mehr. Englisch und Mathematik wurden für mich zu einem Teil meines Hobbys, da das Internet alle notwendigen Ressourcen zum Selbstlernen oft nur in englischer Sprache darbot und weil Mathematik und Programmierung sich doch sehr ähneln.

Ich war durch meine Faulheit kein Überflieger in der Schule - ich lernte selten und beschäftigte mich lieber mit Programmieren oder Zocken. Aber meine Noten waren zumeist recht gut. Sehr gut, wenn ich mir Mühe gab.

Während der sogenannten BOSS-Tage, an denen auch eine Info-Veranstaltung mit ehemaligen Blistaner*innen aus verschiedenen Berufsbereichen stattfand, interessierte mich nur der Bereich IT. Damals fragte ich mich immer, wie ich der Einzige sein konnte, der schon genau wusste, was er mal machen möchte. Ich sah nicht, wie selten sowas war und wie viel Glück ich hatte, schon mit elf Jahren meine Passion entdeckt zu haben.

Bei den Praktika, die wir während der Oberstufe absolvieren mussten, arbeitete ich in einem kleinen PC-Reparatur-Laden, habe mir die Informatikausbildung der blista angesehen und die Technische Hochschule Mittelhessen THM in Gießen mitsamt dem Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende (BliZ) besucht. Außerdem war ich während der Ferien freiwillig als Praktikant in der Firma meines Vaters und half Flugzeuge zu warten - sich schon während der Schulzeit in der Arbeitswelt umzuschauen, seine Interessen auszuloten und die Hilfs- und Informationsangebote der blista auch zu nutzen, das kann ich jedem nur empfehlen.

Mein Informatikstudium

Nach meinem Abitur entschied ich mich für ein Studium an der Technischen Hochschule Mittelhessen THM, die ich bereits während meiner blista-Zeit kennengelernt hatte. Am Anfang war ich sehr einsam, da ich aus meinem Abi-Jahrgang als einziger nach Gießen gezogen war. Immerhin blieben einige meiner Bekannten in Marburg, so dass man sich an Wochenenden weiterhin treffen konnte. Im Laufe der Zeit lernte ich auch in Gießen einige nette Leute kennen und wurde Teil einer Gruppe, deren Mitglieder wohl als klassische "Nerds" galten. An Vorlesungen nahmen wir fast immer aktiv teil (wenn wir nicht zu müde von durchzockten Nächten waren) und saßen immer in der ersten Reihe. Aufgrund meiner Seheinschränkung erhielt ich für Klausuren auf Antrag beim Prüfungsamt einen Nachteilsausgleich, also eine Zeitverlängerung für die Bearbeitung der Klausuren, von 50 - 75 Prozent. Außerdem durfte ich die Klausuren in den Räumen des BliZ am Computer schreiben.

Alles in allem hat mich meine Sehbehinderung während des Studiums wenig eingeschränkt. Eher war das Gegenteil der Fall. Dass ich gezwungen war, Kommiliton*innen um Hilfe beim Entziffern des an die Tafel Geschriebenen oder dem Erkennen eines Bildes, das vom Beamer an die Wand geworfen wurde, bitten musste, hat mir sehr dabei geholfen, mich zu öffnen und das Gespräch mit anderen zu suchen. Unnötig schwer wurde es mir aber von einigen Dozierenden gemacht, die ihre Vorlesungsskripte nicht aushändigen wollten. Dadurch hätte ich der Vorlesung oder dem Seminar besser folgen können und nicht jedes Mal erraten müssen, was gerade an die Tafel geschrieben wurde. Es hieß dann, dass das Skript erst spontan im Verlauf des Seminars entstand, oder dass die Dozierenden befürchteten, ich würde es an Kommiliton*innen weitergeben. Das ist eben der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Barrierefreiheit im Studium.

Die Arbeitswelt

Von einem sehr guten Freund, mit dem ich in fast jeder Vorlesung zusammensaß und der immer wieder "meine Augen spielen" musste, wurde ich auf eine Werkstudentenstelle aufmerksam gemacht. Ich war zwar nicht auf das Geld angewiesen, aber dennoch interessiert, doch leider hatte sich ein Kumpel von mir bereits dort beworben. Also dachte ich mir, dass sich eine echte Stelle als Programmierer zum Beispiel bei einer Bank noch während des Studiums sicher auch gut in meinem Lebenslauf machen würde.

Also schrieb ich meine Bewerbung und saß schon bald darauf vor einigen Senior-Entwicklern einer Bank, die mich beurteilen sollten. Trotz meiner Nervosität konnte ich meine Begeisterung für Programmierung und Technik wohl sehr gut rüberbringen, denn kurz darauf waren zwei meiner Freunde und ich Mitarbeiter bei einer schwedischen Firma (Klarna) für Zahlungslösungen im Bereich E-Commerce. Weder bei der Arbeit noch bei der Bewerbung war meine Sehbehinderung ein großes Problem. Hilfsmittel, in meinem Fall ein großer Monitor, wurden mir umstandslos zur Verfügung gestellt und meine Kolleg*innen unterstützten mich anstandslos, falls ich doch einmal Hilfe brauchte. Übrigens hat zu dieser Zeit sogar ein komplett blinder Ex-Blistaner in einer ähnlichen Position dort gearbeitet.

Mein Traumjob

Wie schon erwähnt, mache ich auch Musik mit dem PC. Die Software, die ich dazu nutze, heißt FL Studio. Als ich mit meiner Bachelorarbeit fast fertig war, wurde ich im Online Forum für FL Studio aktiv und redete über meine Begeisterung für Audioprogrammierung und darüber, dass ich dieses Thema sogar in meiner Bachelor-Abschlussarbeit bearbeitet hatte.

Wenige Stunden später erhielt ich eine E-Mail vom COO (Chief Operating Officer) der Firma, der mich um meinen Lebenslauf bat. Kurz darauf hatte ich insgesamt drei sehr positiv verlaufende Bewerbungsgespräche mit Mitarbeitenden der Firma. Alle schienen von meinem Enthusiasmus über Musik und Programmierung begeistert zu sein und alle gaben mir ihre unverbindliche Zusage. Mir wurde sogar angeboten, den Informatik Masterstudiengang parallel absolvieren zu können. Das könnte bei späteren Berufswechseln oder auch bei Beförderungen und Gehaltsverhandlungen natürlich von Vorteil sein. Zudem wurde mir versichert, dass das nicht notwendig sei, um dort zu arbeiten. Also sagte ich einfach zu.

Meine Seheinschränkung kam beim Einstellungsverfahren nur am Rande zur Sprache. Ich wurde lediglich gefragt, inwiefern ich eingeschränkt sei und was ich zum Arbeiten im Home-Office benötigen würde - ein Büro besitzt diese Firma nicht. Mir wurde ein großer Monitor zum Programmieren und ein iPad zum Testen unserer Anwendung zur Verfügung gestellt. Nun arbeite ich schon seit zwei Jahren in der Firma und bin extrem dankbar dafür, an zwei meiner größten Hobbies gleichzeitig arbeiten zu dürfen.

Was habe ich gelernt?

Ich sage heute oft, dass die blista das Beste war, was mir im Leben passieren konnte. Viele meiner Mitschüler*innen haben sich damals über die blista beschwert, aber für mich war die blista die Rettung aus dem Regelschulsystem, vor Mobbing und Misshandlung. Darüber hinaus ist die Qualität der Betreuung zu meiner Zeit überragend gewesen. Leider schicken immer weniger Bundesländer Schüler*innen auf die blista und so werden viele Kinder mit Seheinschränkung diese positiven Erfahrungen mit Bildung nicht mehr machen können. Inklusion ist für die meisten Sehbehinderten, die ich kenne, die das auch selbst erlebt haben, ein Schimpfwort oder bestenfalls ein Witz. "Anders"-Sein kann gefährlich sein, manchmal physisch, aber auf jeden Fall für die Psyche.

Meine Behinderung hat mir Türen geöffnet, die vielen anderen verschlossen bleiben, und ich bin dankbar dafür. Es ist keine Schande um Hilfe bitten zu müssen. Die meisten Leute, die ich kennengelernt habe, waren stets hilfsbereit. Klar ist man mit einer Sehbehinderung in vielen Dingen benachteiligt, also ist es auch nicht verkehrt, hin und wieder diesen Joker für sich zu nutzen.

Mein Rat: Du solltest nicht versuchen, deine Sehbehinderung zu verstecken, um irgendwie normal zu wirken, niemand ist perfekt. Ein offener und positiver Umgang mit der eigenen Behinderung, das Wissen um Grenzen und Bedürfnisse und die eigene Bereitschaft, dies nach außen zu kommunizieren, hilft in vielen Situationen weiter. Definiere dich nicht über deine Behinderung. Sie hat nur genau so viel Gewicht, wie du ihr beimisst. Ist jetzt schön gesprochen bzw. geschrieben, ist aber ein langwieriger und zuweilen harter Lernprozess, während dessen man auch so manche falsche Entscheidung trifft, aus Angst vorm Scheitern der Augen wegen. Ich habe mich zum Beispiel für ein Studium an der THM Gießen entschieden, da ich davon ausgegangen bin, dass dort die Unterstützung für sehbehinderte Studierende besser gewährleistet sei - und dazu wurde mir auch geraten. Das bedeutete aber in meinem Fall die Trennung von meiner langjährigen Freundin, die weniger ängstlich war und sich damals für ein Studium an einer "normalen" Uni entschied, nur um später festzustellen, dass es in Sachen Barrierefreiheit oder besser gesagt in Sachen Barrieren keine so großen Unterschiede gegeben hat zwischen den Universitäten und sie es andernorts, obwohl sie blind ist, ebenso geschafft hat.

Ich wünsche allen Schüler*innen, die noch nach mir kommen, alles Gute und viel Erfolg und Unterstützung bei der Suche nach ihrem Traumberuf. Ich hoffe, meine Gedanken und Erfahrungen können jemandem helfen!

Servus, Olli

Bild: Ali Gürler und Andreas Deitmer vom Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende (BliZ) an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) sind mit Langstock auf dem Campus unterwegs. Der Gebäudeeingang rechts trägt die Aufschrift "THM Info". Die beiden engagieren sich dafür, Barrieren im Studium durch individuelle Lösungen und Nachteilsausgleichsmaßnahmen zu verringern. Foto: DVBS

Bild: Marburg und die blista bleiben in guter Erinnerung. Blick auf den grünen Hügel der Altstadt mit Schloss von einer Fußgängerbrücke aus. Foto: DVBS

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Aus der Arbeit des DVBS

Arbeitsausschusssitzungen im DVBS in den Jahren 2022 und 2023

Von Norbert Bongartz und Nina Odenius

Es waren besondere Zeiten im DVBS: Im November 2022 und im Februar 2023 standen gleich zwei Arbeitsausschusssitzungen auf der Agenda. Wie kam es dazu?

Fangen wir bei der regulär einberufenen Sitzung im November 2022 an. Tagungsort war das Kress Hotel in Bad Soden-Salmünster. Es handelte sich hierbei um den sogenannten "großen Arbeitsausschuss", zu dem alle zwei Jahre alle Bezirks-, Fach-, Interessen- und Projektgruppen des Vereins maximal zwei Vertreter*innen entsenden dürfen. Die Sitzung des Arbeitsausschusses vom 18. bis 20. November 2022 stand unter dem Titel "Selbsthilfe in unruhigen Zeiten - Auswirkungen von Corona, Krieg, Inflation und Energiekrise auf die Arbeit des DVBS". Im Rahmen des Wochenendseminars sollte thematisiert werden, wie sich die Krisen auf die Arbeit des Vereins ausgewirkt haben und welche Schlüsse daraus für die zukünftige Vereinsarbeit gezogen werden können.

Die Sitzung begann am Freitagabend mit der Vorstellung der Teilnehmer*innen und ihrer vereinsinternen Funktionen und Aufgabenbereiche.Der erste Vorsitzende des DVBS, Werner Wörder, gab einen Rückblick auf das letzte Jahr und hob dabei die Themen Bildung, Beruf, Digitalisierung und Teilhabe als die bedeutendsten Schwerpunkte der Vereinsarbeit hervor, die sich insbesondere auch in der Projektarbeit des Vereins wiederfinden.

Harald Schoen, Beisitzer im Vorstand des DVBS, befasste sich in seinem Bericht mit dem Engagement des DVBS im Bereich Rechtspolitik. Seit der Bildung der Bundesregierung Ende 2021 sei in den für den DVBS relevanten Bereichen nicht viel passiert, was für das erste Jahr nicht ungewöhnlich ist, erläuterte Harald Schoen. Inzwischen stehen aber erste Projekte vor der Tür, auf die der DVBS Einfluss nehmen möchte. Zum einen soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) überarbeitet werden. Es hat sich eine Allianz gebildet, die hierzu einen Forderungskatalog erarbeitet, in der Harald Schoen den DVBS vertritt. Unter anderem sieht das überarbeitete AGG keinen Anspruch auf sogenannte angemessene Vorkehrungen vor, sodass blinde und sehbehinderte Menschen aus diesem Rechtsanspruch ausgeschlossen werden können. Außerdem fordert die Allianz ein Recht der Verbände, gegen Diskriminierung vorzugehen (Verbandsklagerecht). Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) wurde einer wissenschaftlichen Evaluation unterzogen, die die Schwächen des Gesetzes aufzeigt. Der DVBS arbeitet entsprechend an Forderungen zur Gesetzesänderung. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist eine EU-Richtlinie, die die deutsche Regierung nur mit dem Nötigsten umgesetzt hat. Im Koalitionsvertrag gibt es vage Zusagen, dass das Gesetz nochmals überarbeitet wird. Der DVBS würde sich dann u. a. für die Aufnahme weiterer Kategorien von Produkten einsetzen (z.B. Haushaltsgeräte). Die Barrierefreiheit von IT ist nach wie vor schlecht und selten realisiert. Der DVBS versucht hier mit den verschiedenen Akteuren ins Gespräch zu kommen.

Zum Thema Medien berichtete die Beisitzerin Nina Odenius über die erfolgreiche Etablierung des DVBS-Podcasts und die Professionalisierung der Schnitttechnik. Zudem konnten erfreulicherweise auch neue engagierte Moderator*innen gefunden werden. Der Podcast ist jetzt auch auf iTunes und Apple zu abonnieren.

Im Anschluss ging es um die Bedeutung der Gemeinschaftsstiftung für die finanzielle Basis des Vereins. Die Erlöse des zugestifteten Vermögens (z.B. Zinsen, Miete etc.) aus der "Gemeinschaftsstiftung für Blinde und Sehbehinderte in Studium und Beruf" können dem DVBS für Anschaffungen oder Projekte zur Verfügung gestellt werden. Durch diese Finanzmittel kann u.a. die Vereinsarbeit gesichert werden. Nähere Informationen zur Gemeinschaftsstiftung finden Sie auf der DVBS-Website unter dem Menüpunkt "Spenden und Stiften: Wie werde ich Stifter?"

Zudem befasste sich der Arbeitsausschuss mit den aktuellen Trends im DVBS, bezogen auf die Mitgliederentwicklung und die Erwartungen der Mitglieder an die Vereinsangebote.

Die Berichte aus der Geschäftsstelle des Vereins durften selbstverständlich auf der Tagesordnung nicht fehlen. Es wurde berichtet, dass zum 1. Dezember eine neue kaufmännische Kraft eingestellt wird. Auch im Jahr 2023 werden personelle Veränderungen in der Geschäftsstelle eintreten, da die langjährige Mitarbeiterin Birgit Stolz im April in den Ruhestand gehen wird. Der geprüfte Jahresabschluss für 2021 wurde ebenfalls entgegengenommen. Die Mitglieder des Arbeitsausschusses wurden unter anderem darüber informiert, dass in den vergangenen Jahren nicht alle Mitgliedsbeiträge ordnungsgemäß eingezogen worden waren. Dies sorgte für einige Diskussionen. Dennoch wurde der Vereinsvorstand am Ende für das Rechnungsjahr 2021 von den Mitgliedern des Arbeitsausschusses entlastet. Über den Haushaltsplan des Jahres 2023 wurde ebenfalls beraten.

Am Samstag folgte ein ganzer Seminartag mit spannenden Themen rund um den DVBS. So wurde u.a. über das mediale und Bildungsangebot des Vereins gesprochen oder über die veränderten Kommunikationsmöglichkeiten durch z. B. soziale Medien und Onlinetools. Auch die veränderten Reisegewohnheiten durch die Corona-Pandemie wurden thematisiert. Dies würde auch Auswirkungen auf das Dienstleistungsportfolio des DVBS haben. Auch die Kooperation mit anderen Selbsthilfeorganisationen war ein wichtiges Thema der Arbeitsausschusssitzung. Der 1. Vorsitzende Werner Wörder berichtete zudem über die Visionen und Risiken der politischen Arbeit des DVBS. Über die Erfahrungen und Perspektiven des Projektes agnes@work berichtete der Projektleiter Herbert Rüb. Er verwies auch auf die im April 2023 anstehende Tagung des Projektes. Christian Axnick berichtete über die Seminare und die Bildungsarbeit des Vereins in den vergangenen Jahren von 2020 bis 2022. Dabei wurde u. a. die Frage gestellt, wie das Verhältnis zwischen Online- und Präsenzveranstaltungen aussieht und ob evtl. finanzielle Gründe oder Angst vor Corona von einer Teilnahme an DVBS-Veranstaltungen abhalten könnten.

Am Sonntagvormittag wurde aus den laufenden Projekten sowie den Bezirks-, Fach-, Interessen- und Projektgruppen des DVBS berichtet. Zudem informierte Peter Brass über die Arbeit der Fachausschüsse im DBSV. Auch über die Arbeitskreise des DVBS wurde von Seiten der Gremienvertreter informiert. Ein Ausblick auf die Mitgliederversammlung im Mai 2023 wurde gegeben.

Zwei neue Interessengruppen bereichern seit November 2022 den Verein: Die Interessengruppe Digitale Barrierefreiheit wird sich in der Selbsthilfe dafür einsetzen, dass blinde und sehbehinderte Menschen mit der Digitalisierung in Studium und Beruf Schritt halten können und nicht davon ausgeschlossen werden. Die Interessengruppe LowVisionPlus möchte Vereinsmitglieder erreichen, die neben ihrer Seheinschränkung über ein weiteres oder mehrere Handicaps verfügen. Hier sollen langfristig neue Vernetzungs- und Unterstützungsmöglichkeiten entstehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Arbeitsausschusssitzung vom 18. bis 20. November 2022 waren die Neuwahlen des Leitungsteams. Norbert Bongartz wurde als Vorsitzender des Arbeitsausschusses für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Auch seine Stellvertreter Heinz Willi Bach und Andreas Wagner wurden im Amt bestätigt.

Außerordentliche Sitzung, Februar 2023

Am 9. Februar 2023 trat der Arbeitsausschuss erneut zu einer Sitzung zusammen. Diesmal war es eine außerordentliche Sitzung, die einberufen wurde, weil sich im Vereinsvorstand einige Veränderungen ereignet hatten und der Arbeitsausschuss vom Vorstand gemäß der Vereinssatzung gebeten wurde, diesen zu ergänzen. Im November 2022 hatte Ursula Weber als 2. Vorsitzende und im Februar 2023 Nina Odenius als Beisitzerin ihr Amt niedergelegt. Auf der außerordentlichen Sitzung wurden dem Arbeitsausschuss zwei Kandidatinnen für die jeweiligen Posten vorgestellt. Der Arbeitsausschuss ergänzte den Vorstand daraufhin um zwei Mitglieder: Sabrina Schmitz aus Essen wurde zur 2. Vorsitzenden gewählt und Leonore Dreves aus Hettstadt zur Beisitzerin. Beide sind schon viele Jahre lang in anderen Funktionen im DVBS aktiv gewesen.

Außerdem stimmte der Arbeitsausschuss dem Antrag zu, die beiden Bezirksgruppen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zu vereinen, um seine Kräfte im Norden zukünftig besser bündeln zu können.

Bild: Norbert Bongartz ist Vorsitzender des DVBS-Arbeitsausschusses. Er hat kurzes, braunes Haar und eine hohe Stirn, trägt eine Brille und zum grauen Sakko ein weißes Hemd und Krawatte. Foto: privat

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Neu im DVBS-Vorstand: Sabrina Schmitz

Liebe Mitglieder des DVBS,

seit Februar 2023 ergänze ich den Vorstand des DVBS nun als 2. Vorsitzende und möchte mich hier kurz vorstellen.

Mein Name ist Sabrina Schmitz und ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Durch meine Arbeit als Förderschullehrerin sind mir wichtige Ziele des DVBS, wie die gleichberechtigte Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen in Bildung und Beruf, vertraut und sehr wichtig. Ich bin motiviert, mich für die Erstellung barrierefreier Literatur und Lernmaterialien, geeignete Unterstützung in Schule, Ausbildung und Studium sowie die Verbesserung beruflicher Chancen für Menschen mit einer Sehschädigung einzusetzen. Gegenwärtige und zukünftige Projekte des DVBS sind hierfür ein geeigneter Rahmen. Bei den vielfältigen kleineren oder alltäglicheren Aufgaben bringe ich mich ebenso gerne ein, so z.B. bei der Aktualisierung der Vereins-Homepage oder bei der Unterstützung für Initiativen von Fach- und Interessengruppen.

Vor meiner Tätigkeit im Vorstand war ich viele Jahre im Leitungsteam der Fachgruppe Erziehung und Wissenschaft sowie im Arbeitskreis Inklusion aktiv. Erfahrung mit der Arbeit im Vorstand konnte ich in den Jahren 2017 bis 2020 außerhalb des DVBS als 2. Vorsitzende des Showdown Verband Deutschland e.V. sammeln.

Sport für blinde und sehbehinderte Menschen allgemein und Showdown (auch bekannt als Tischball oder Blindentischtennis) im Besonderen sind mein Hobby und meine Leidenschaft. Da ein erfolgreiches berufliches Leben letztlich auch nur mit einer erholsamen Freizeit gelingen kann, gibt es auch hier vermutlich ein paar Schnittmengen mit den Anliegen des DVBS.

Ich freue mich darauf, die wichtige Arbeit des DVBS in den nächsten zweieinhalb Jahren zu unterstützen und Ihre und Eure Interessen als Mitglieder nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten.

Herzliche Grüße

Sabrina Schmitz

Bild: Sabrina Schmitz, 2. Vorsitzende des DVBS, hat glattes, schulterlanges braunes Haar und blaue Augen. Sie trägt eine dunkle Bluse mit floralem Muster und lächelt offen. Foto: privat

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DVBS-Vorstand als Beisitzerin ergänzt

Liebe Leserinnen und Leser,

am 09. Februar 2023 ergänzte der Arbeitsausschuss in einer außerordentlichen Sitzung den Vorstand mit mir als Beisitzerin. Ich bin Leonore Dreves, 51 Jahre alt, lebe in der Nähe von Würzburg und arbeite als Software-Entwicklerin und Systembetreuerin in einem mittelständischen Unternehmen.

Seit 2014 bin ich Mitglied im Leitungsteam der Bezirksgruppe Bayern, zu deren Leiterin ich im September 2022 gewählt wurde. Im Mai 2018 wurde ich als erste Frau im Leitungsteam der Fachgruppe MINT aktiv.

Für die Vorstandswahlen 2021 war ich zwar nominiert, zog meine Kandidatur aber nach reiflicher Überlegung zurück, da ich mich im Verein als nicht ausreichend spür- und messbar wahrnahm. Mir ist es nämlich wichtig, dass die DVBS-Mitglieder einschätzen können, wie ich als Vorstandsmitglied "ticke" und was sie von meinem Engagement erwarten können. Auf diesem Gebiet habe ich aus meiner Sicht in den letzten eineinhalb Jahren Fortschritte gemacht: Neben meiner angeborenen Blindheit bin ich seit früher Kindheit hörbeeinträchtigt. Daher ergriff ich nun gemeinsam mit Andrea Rippich die Initiative zur Gründung der Interessengruppe LowVisionPlus, deren Leitung ich im November 2022 übernahm, um mich aktiv für die Belange mehrfachbehinderter Menschen einzusetzen.

Weil mir die Punktschrift ebenfalls am Herzen liegt, initiierte ich mit Anderen Anfang 2022 Louis Leseclub, einen lockeren Zusammenschluss von erfahrenen Braille-Leser*innen und Punktschrift-Anfänger*innen, die sich alle zwei Monate in einer Video-Konferenz über Lesetechniken und Literatur austauschen.

Auch die Vertretung der Interessen blinder und sehbehinderter Menschen außerhalb des Vereins gehört zu den Aufgaben eines Vorstandsmitglieds: Seit April 2022 vertrete ich den DVBS bei den jährlich stattfindenden Tagungen des Deutschen Komitees zur Verhütung von Blindheit (DKVB); dort halte ich unter anderem Vorträge zum Thema Inklusion und Barrierefreiheit in Augenarztpraxen.

Auch das Gewinnen neuer Mitglieder gehört für mich zum Engagement im Vorstand: Nach der Corona-Pause strebe ich an, den DVBS wieder regelmäßig in den vorbereitenden Kursen des BFW Würzburg vorzustellen.

Über aller Aktivität und allem Engagement steht allerdings die Frage, was es dem Verein und seinen Mitgliedern bringt, dass ich Beisitzerin im Vorstand bin. Durch mein teamorientiertes Handeln, mein aufrichtiges Interesse an meinen Mitmenschen und meine Begeisterung für den Selbsthilfe-Gedanken möchte ich den Wandel des Vereins in den kommenden zwei Jahren an vorderster Stelle unterstützen und voranbringen!

Herzlichst

Leonore Dreves

Bild: Leonore Dreves gehört als Beisitzerin dem DVBS-Vorstandsteam an. Sie hat dichtes, lockiges rotes Haar, trägt große Creolen, wendet sich in einem grünen Außenbereich der Sonne zu und lächelt. Foto: privat

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Blinde Wahrnehmung - Wahrnehmung der Blindheit

Von Nina Odenius

Im Januar und Februar dieses Jahres fanden vier Onlineveranstaltungen mit dem Titel "Blinde Wahrnehmung - Wahrnehmung der Blindheit" statt. Sie waren vom Frankfurter Studenten Fabian Korner initiiert worden und wurden in Kooperation mit dem DVBS durchgeführt. Fabian Korner ist selbst Vereinsmitglied, und es war ihm ein Anliegen, das Thema Blindheit aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Dabei ging es u.a. um die Fragen, wie wir blinde und sehbehinderte Menschen uns selbst wahrnehmen und wie wir von unseren sehenden Mitmenschen wahrgenommen werden. Auch das Forschungsfeld der Disability Studies spielte bei der Betrachtung der Thematik eine wichtige Rolle. Themenschwerpunkte der Veranstaltungsreihe waren u.a. Orientierung und Mobilität oder die Darstellung von Blindheit in der Literatur. Drei von vier Veranstaltungen begannen mit einem Impulsvortrag eines Referenten und mündeten in eine anschließende Diskussion der Teilnehmer*innen. Die vierte Veranstaltung stand ganz im Zeichen einer Abschlussdiskussion mit Planung für die Zukunft.

Die rege Teilnahme an den Veranstaltungen zeigt, dass es großen Diskussionsbedarf zu diesem Thema gibt, und deshalb wird der DVBS eine Mailingliste mit dem Titel "Blindness-Studies" einrichten. Interessierte können sich in der DVBS-Geschäftsstelle dafür anmelden (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Weitere Infos zur Veranstaltungsreihe finden Sie unter folgendem Link: dvbs-online.de/index.php/aktuelles%E2%80%9C-1/nachrichten/blinde-wahrnehmung

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Seminare

"Biografisches Theater" - ein Programm zur beruflichen Inklusion

23. Juli 2023 in Herrenberg bei Stuttgart

Zurückblicken, um nach vorn zu schauen: ein Zugang über das biografische Theater. Fachgruppenübergreifendes Seminar unter der Leitung von Karl Elbl.

Nach einiger Zeit im Berufsleben, Studium oder längerer erwerbsloser Zeit schaut fast jeder von uns zurück auf seine bisherige (berufliche) Biografie und fragt sich, ob man jetzt da angekommen ist, wo man hinwollte, und wie es künftig weitergehen soll.

Zugänge aus dem biografischen Theater und dem Psychodrama bieten hilfreiche Methoden an, um mehr Klarheit über Bedeutung und Auswirkungen der eigenen Behinderung im beruflichen Lebensweg zu erlangen. Die beiden Methoden eröffnen auch die Chance, eigene Wünsche und Pläne zu antizipieren, sie quasi einem Probehandeln zu unterziehen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht so etwas wie eine Theateraufführung intendiert.

Bitte melden Sie sich bis zum 16. Juni 2023 schriftlich oder per E-Mail an.

Weitere Informationen finden Sie auf der DVBS-Webseite dvbs-online.de unter Verein/Fachgruppen/Fachgruppe Wirtschaft.

Interessengruppe Ruhestand

Das Seminar der Interessengruppe Ruhestand ist für den Zeitraum vom 9. -16. September 2023 in Saulgrub in Planung.

Ziel der Interessengruppe ist es, Lebenssituationen und Einschränkungen, die durch einen Sehverlust im Laufe des Lebens verursacht werden, zu diskutieren, Strategien und Lösungsmöglichkeiten zu ihrer Bewältigung zu erarbeiten sowie die Interessen und Bedürfnisse älterer Menschen mit Sehverlust zu artikulieren.

Eine Altersgrenze für die Gruppe Ruhestand gibt es nicht. Die aktuelle Arbeitsmarkt-situation, Frühverrentung, Berufsunfähigkeit, Sehverlust und dergleichen machen deutlich, dass "Ruhestand" eine bestimmte Lebensphase bezeichnet.

Kontakt

Haben Sie Fragen zum Seminar- und Veranstaltungsprogramm des DVBS? Dann wenden Sie sich an:

Christian Axnick
DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-28
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Aus der blista

"Zusammen sind wir stark"

Mit rund 90 Gästen war das "Housewarming" von BSBH und blista Frankfurt am neuen gemeinsamen Standort rege besucht.

Der Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e. V. (BSBH) und das Reha-Beratungs- und Schulungszentrum der blista in Frankfurt/Main sind zum Jahresende 2022/23 umgezogen. Zum "Housewarming", der Einweihungsfeier am neuen gemeinsamen Standort, lud ein vielfältiges Tagesprogramm in den siebten Stock der Mörfelder Landstraße 6/8 in Frankfurt-Sachsenhausen ein.

Los ging's um 10 Uhr mit Angeboten zum Kennenlernen für die BSBH-Bezirksgruppenmitglieder und Interessierte. Im Rahmen des Beratungsangebotes "Blickpunkt Auge" konnten von Sehbehinderung oder Blindheit betroffene oder bedrohte Menschen sowie ihre Angehörigen und Bezugspersonen Rat und Hilfe zu allen mit einer Augenerkrankung verbundenen Fragen erhalten.

Ab 13 Uhr hatte blista Frankfurt zu drei Impulsvorträgen eingeladen. Moderiert von Co-Gastgeberin Berit Rougier, der Beraterin für berufliche Integration und Teilhabe, referierte zunächst Ute Mölter, die Leiterin des Marburger Beratungs- und Schulungszentrums, zum Thema "Übergänge professionell begleiten - Berufliche Teilhabe von Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit unterstützen". Sie wies auf die geringe spezifische Beschäftigungsquote blinder und sehbehinderter Menschen von 36% gegenüber der allgemeinen Quote von 75% hin und erläuterte sodann die erfolgreichen Konzepte der Maßnahme PROJob und des Jobcoachings für ein gelingendes Ankommen im ersten Arbeitsmarkt.

Zum Thema "Bedingungen erfolgreicher Integration in den Arbeitsmarkt" erläuterte Antje Bergmann, die Leiterin des Integrationsfachdienstes (IFD) in Frankfurt, wie es beim IFD gelingt, Brücken für Menschen mit Behinderungen zu schlagen. Der IFD ist Ansprechpartner für Betriebe, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, und für Arbeitnehmer*innen, die einen Schwerbehindertenausweis besitzen oder von einer Behinderung bedroht sind. Zunehmend häufig seien die Fachleute vom IFD dabei auch mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen konfrontiert.

Im dritten Impulsvortrag stellte Karl Matthias Schäfer als Co-Gastgeber und Berater bei blista Frankfurt die "Möglichkeiten und Grenzen moderner technologischer Hilfsmittel" vor und führte in den anschließenden Workshops das Thema anhand von Beispielen wie Smartphone und Braillezeile praktisch aus.

Ab 16 Uhr standen Austausch und Networking auf dem Programm. BSBH-Geschäftsführer Peter Klug eröffnete die "Flurparty" und hieß neben Frau Ulrike Alex, SPD-Mitglied im Hessischen Landtag, der Landesbeauftragten Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten und seinem Vorgänger Klaus Meyer die weiteren neu eingetroffenen Gäste willkommen. Er erläuterte Angebote und Räumlichkeiten und wies darauf hin, dass der BSBH bereits vor vielen, vielen Jahren schon einmal in der Mörfelder Landstraße angesiedelt war.

Anschließend gab der Vorsitzende des BSBH, Frank Schäfer, in einem Grußwort seinem Stolz auf den neuen repräsentativen Standort Ausdruck: "Dem Nest sieht man es an", zitierte er: "Wer hier nistet, ist kein 'schräger Vogel', sondern ein 'stolzer Pfau'." Er dankte allen Mitwirkenden für den gelungenen Umzug in die neuen Räumlichkeiten aufs Herzlichste. Dem schloss sich Patrick Temmesfeld, der Vorstandsvorsitzende der blista, gerne an und er betonte zudem: "Zusammen sind wir stark! Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und Chancen der Zusammenarbeit an diesem barrierefrei zugänglichen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbaren Standort. Hier ist zusammen, was zusammengehört." Er beschrieb die langwierige Suche nach einer geeigneten Immobilie in der Metropolregion Rhein-Main, die freundliche Unterstützung durch die Josef Buchmann Immobilienverwaltung und überreichte in Anerkennung des gelungenen Standortwechsels den Teams des BSBH und der blista Frankfurt Präsente.

Mit Snacks und Erfrischungen gut versorgt, setzte sich der Austausch und das Networking mit den Gästen bis in die Abendstunden fort.

Bild: Standort mit Perspektive: (v.l.n.r.) Susanne Reith (BSBH, Abteilungsleitung Rehabilitation), Berit Rougier (blista Frankfurt, Berufliche Integration und Teilhabe), Patrick Temmesfeld (blista-Vorstand), Karl Matthias Schäfer (blista Frankfurt, Berufliche Integration und Teilhabe) und Peter Klug (BSBH-Geschäftsführung). Foto: blista

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Sehbehindertentag 2023

Angebote auf dem blistaCampus für alle Schüler*innen, Lehrkräfte, Kolleg*innen und Interessierte

Workshops & Führungen am Dienstag, dem 06.06.23
  • Kennenlernen der Bibliothek & der
  • Aufnahmestudios, jeweils max. 8 Personen, Dauer je 60 Min., Start um 11 Uhr und um 14 Uhr
  • Mini Fortbildung "Sehende Begleitung", jeweils max. 12 Personen (3 Gruppen á 4 Personen), Dauer je 90 Min., Start um 10 Uhr und 13 Uhr
  • 1x1 der barrierefreien Word-Dokumente, Workshop mit Oliver Nadig, für 8-10 Personen, Start um 11 Uhr, Dauer 90 Min.
Infos zum Anfordern und weitere Angebote im Mensafoyer
  • Handout "Barrierefreie Word-Dokumente" - alle wichtigen Schritte einfach und schnell erklärt
  • Handout "Barrierefreie PowerPoint-Präsentationen" - beides sind Publikationen des Projektes agnes@work
  • Rate-, Rätsel- und Gewinnspiele rund um das Themenfeld Sehbehinderung.

Alle, die gern mitmachen, sich anmelden möchten oder die Angebote im Mensa-Foyer ergänzen wollen, sind herzlich willkommen!

Workshop-Anmeldungen & Infos

Dr. Imke Troltenier
Leitung Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel.: 06421 606-220.

Bundesweite Aktionen zum Thema "Sehbehinderung und Pflege"

Rund um den Sehbehindertentag am 06.06.2023 wird es in unseren bundesweiten Aktionen mit den Blinden- und Sehbehindertenvereinen und -verbänden landauf landab um Sensibilisierungs- und Bildungsangebote für Pflegefachkräfte in Seniorenheimen gehen. Denn in Senioreneinrichtungen haben laut einer Studie rund die Hälfte der Bewohner*innen Sehprobleme.

Viel zu oft wird das aber nicht erkannt. Wenn den Senior*innen beispielsweise das Lesen immer schwerer fällt, sie sich beim Gehen nicht mehr sicher fühlen oder bekannte Gesichter nicht mehr erkennen, ist es wichtig, dass Pflegekräfte blinde und sehbehinderte Senior*innen gut unterstützen.

Bitte weitersagen

Die Seniorenberatung der blista bietet für das Personal in Pflegeeinrichtungen in Zusammenarbeit mit der AOK- Die Gesundheitskasse in Hessen und der Bahn-BKK kostenfreie Fortbildungen an!

Die modulare Fortbildung für Pflege- und Betreuungskräfte kann sowohl in Präsenz wie auch als Online-Schulung wahrgenommen werden.

Nähere Infos unter: www.blista.de/sehverlust-im-alter/praevention-in-pflegeeinrichtungen

Ein Kennenlern-Angebot hat die Seniorenberatung der blista zum Sehbehindertentag 2023 konzipiert und bietet dieses auf dem blistaCampus an:

Orientierung - Unterstützung - Lebensfreude: Qualifizierung für Pflege- und Betreuungskräfte

Pflegekräfte in Stadt, Landkreis und darüber hinaus sind herzlich eingeladen zu den informativen und spannenden Veranstaltungen.

Die Veranstaltungen finden jeweils von 9 bis 16 Uhr auf dem blistaCampus, Am Schlag 4, im Bielschowsky-Konferenzraum im 3. Stock statt.

  • 06.2023 Sehen im Alter: Kommunikation und Interaktion
  • 06.2023 Sehen im Alter: Orientierung und Mobilität
  • 10.2023 Sehen im Alter: Kommunikation und Interaktion
  • 10.2023 Sehen im Alter: Orientierung und Mobilität

Wir freuen uns auf Sie.

Kontakt und Anmeldung

Seniorenberatung
Beratungs- und Schulungszentrum der blista
Biegenstraße 20 1/2
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-500
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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VBS-Kongress auf dem blistaCampus

Interview mit blista-Vorstand und VBS-Co-Vorsitzendem Patrick Temmesfeld

Vom 31. Juli bis zum 4. August findet auf dem blistaCampus der 37. VBS-Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik statt. Kurz vor Beginn beantwortet blista-Vorstand Patrick Temmesfeld vier Fragen zum Kongress.

horus: Wie groß ist Ihre Vorfreude und worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an den 31. Juli denken?

Patrick Temmesfeld: Die Vorfreude ist riesengroß! Ein bisschen wie das Weihnachtsfest: Alles im Detail durchdenken, alles einplanen, vorbereiten und dann darauf freuen, dass es endlich losgeht.

Ganz explizit am 31. Juli freue ich mich auf den Moment, wenn das Grußwort gesprochen und der Kongress gestartet ist. Und darauf, dass bei bestem Wetter unser blistaCampus zu einem lebendigen Ort für Begegnung und Austausch wird.

Gibt es einen Geheimtipp für die Kongresstage in Marburg, den Sie uns vielleicht verraten möchten?

Zum einen würde ich am Abend (wenn das Wetter hoffentlich dazu einlädt) nach den letzten Veranstaltungen am Bierpilz auf dem blistaCampus oder direkt an der Lahn mit anderen Teilnehmenden ein Kaltgetränk genießen. Zudem sich auch die Zeit nehmen, Einblicke in die Arbeit der blista u.a. in den Mittagspausen mitzunehmen und die vielen Freizeitangebote der Universitätsstadt Marburg zu erleben.

Welche Impulse erwarten Sie vom Kongress für die alltägliche Arbeit?

Nach der Zeit der Videokonferenzen und der Distanz gehe ich davon aus, dass das lebendige und vielfältige Miteinander viele neue Impulse und Nachdenkprozesse zündet. Zudem neue Kontakte, Erkenntnisse und ein Erstarken von Netzwerken. 

Welches Ziel verfolgt der Kongress und was wollen Sie am Ende der Woche erreicht haben?

Der Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e.V. (VBS) führt (normalerweise) alle vier Jahre einen großen Kongress aus und organisiert diesen mit einer Bildungseinrichtung vor Ort. In erster Linie geht es hier um den fachlichen Austausch und die Weiterentwicklung im Bereich der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Als einer der kleinsten Fachbereiche, dafür aber mit einer sehr großen Spezifik, sind wir auf intensiven Austausch miteinander, Netzwerke und Kooperation angewiesen. Genau das soll mit dem Kongress auf dem blistaCampus umgesetzt werden und steht damit in unserem Fokus. 

Ich freue mich bzw. wir freuen uns, dass es endlich wieder ein fachliches und menschliches Miteinander gibt, bei dem wir viel übereinander erfahren und neue Eindrücke mitnehmen können.

Bild: Logo VBS

Bild: Ankündigung VBS-Kongress

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Bücher

Hörbuchtipps aus der blista

Von Thorsten Büchner

Hörbücher aus der DBH

Elke Heidenreich: Ihr glücklichen Augen. Kurze Geschichten zu weiten Reisen

Hanser, München, 2022. Buchnummer: 1575741, Spielzeit: 381 Minuten.

Elke Heidenreich, die im Februar 80 Jahre alt wurde, ist in ihrem Leben sehr viel gereist: Von Florenz nach China, von Berlin nach Amerika, und überall hat sie sich umgesehen. Nirgendwo jedoch ist sie ausgetretenen Pfaden gefolgt, nirgendwo hat sie nur das gefunden, was in den Reiseführern steht. Nein, sie hat sich ihre eigenen Wege gebahnt, hat Entdeckungen gemacht, die nur sie machen konnte, hat vor allem diejenigen Orte geliebt, die ihr etwas ganz Eigenes, Neues schenken konnten. Eine wunderbare Entdeckungsreise!

Tipp für Punktschrift-Fans: Der Titel ist auch in Braille erhältlich. 3 Bände in reformierter Kurzschrift, 4 Bände in Vollschrift (Bestell-Nr. 6278).

Christoph Peters: Der Sandkasten

Luchterhand, München, 2022. Buchnummer: 1576981, Spielzeit: 395 Minuten.

Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus mit den Spielregeln der Berliner Spitzenpolitik. Mit der Coronakrise jedoch verändert sich das Spiel: Unerwartet erhält er das Angebot der Liberalen, die Seiten zu wechseln, während Maria Andriessen, aufsteigender Stern der Sozialdemokratie, sich mehr für ihn zu interessieren scheint, als es bei einem verheirateten Mann angemessen wäre. Vor allem aber spürt Siebenstädter, dass seine Zeit langsam abläuft - warum also nicht alles auf eine Karte setzen?

Stephan Lessenich: Nicht mehr normal. Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs

Hanser Berlin, Berlin, 2022. Buchnummer: 1579411, Spielzeit: 263 Minuten.

Wie geht eine Gesellschaft damit um, dass nichts mehr normal ist? Mit klarem Blick analysiert Stephan Lessenich die Reaktion unserer Gesellschaft auf ihre Krisen und denkt über die Fragen nach, die uns alle umtreiben. Wenn die alte Normalität nicht mehr trägt und auch nicht mehr zu ertragen ist: Was tritt dann an ihre Stelle? Und welche Dynamiken setzen ein, wenn gesellschaftliche Mehrheiten sich an Gewissheiten klammern, die immer drängender in Frage gestellt werden?

Hörbücher zum Schwerpunktthema "Gelingendes Altern"

Ingo Froböse, Matthias Riedl, Anna Cavelius und Johannes Pantel: Fit im Alter. Den Körper fit halten, geistig frisch bleiben, das Leben genießen

Gräfe und Unzer, München, 2020. Buchnummer: 1565421, Spielzeit: 396 Minuten.

Mit diesem Ratgeber kann jeder Mensch ab 60 effektiv sein körperliches und mentales Potenzial bis ins hohe Alter erhalten und verbessern. Vier Säulen aus seniorengerechter Bewegung - auch für Späteinsteiger -, Ernährung, Gehirntraining und Anregungen für einen sozial aktiven Lebensstil bilden die Basis für persönliche Weiterentwicklung und eine hohe Lebensqualität im Alter. Mit Trainingsprogrammen, Rezepten und Mentalübungen.

Leonie Swann: Mord in Sunset Hall

Goldmann, München, 2020. Buchnummer: 1441141, Spielzeit: 680 Minuten.

Eigentlich hat Agnes mit ihren Dritten, der Hüfte, Hörproblemen, dem Treppenlift, der yogaversessenen Edwina, dem Marschall, Hettie der Schildkröte und den anderen Mitgliedern ihrer verschrobenen Senioren-WG genug um die Ohren. Doch dann liegt ihre Mitbewohnerin Lillith erschossen im Gartenschuppen, und im Nachbarhaus fällt die reiche und unbeliebte Mildred einer Kugel zum Opfer.

Lorenz Wagner: Zusammen ist man weniger alt. Ein Mehrgenerationenhaus und die wissenschaftliche Antwort darauf, wie wir gesund und glücklich altern

Goldmann, München, 2021. Buchnummer: 1542051, Spielzeit: 690 Minuten.

Lorenz Wagner lebt in einem besonderen Haus: vier Generationen unter einem Dach. Alter und Altern sind allgegenwärtig in dieser Familie, in der sich die Jüngste aufs Leben, der Älteste auf den Tod und Wagner sich auf den 50. Geburtstag vorbereitet. Vor drei Jahren sind sie zusammengezogen. Durch das Familienleben wird aber immer klarer, wie sich Jung und Alt im Haus fast unmerklich stützen, ja sogar bedingen. Das Geheimnis des gesunden Alterns liegt also nicht allein im Labor, sondern im eigenen Haus: Familie und Freunde machen nicht nur älter, sondern auch glücklich.

Das Buch verbindet eine berührende Familiengeschichte mit faszinierenden Erkenntnissen aus Medizin, Genetik und Alternsforschung.

Tipp für Punktschrift-Fans: Der Titel ist auch in Braille erhältlich. 6 Bände in reformierter Kurz-, 8 in Vollschrift (Bestell-Nr. 6233).

Ihr Kontakt zur DBH

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg.
Tel.: 06421 6060
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Barrierefreier Online-Katalog:
https://katalog.blista.de

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Aus der Braille-Druckerei: Weitere Bestseller

Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer

Auch diesmal stellen wir Bestseller vor - ein Mix aus Freud und Leid in Gesellschaft und Politik.

Mariana Leky: Kummer aller Art

3 Bände in reformierter Kurz-, 4 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6280.

Ein kleines Buch über Kummer, das erstaunlich gute Laune macht. "Alle wirken innerlich blitzblank, nur in unserem Inneren sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa", denkt sich Kioskbesitzer Armin, als er vergeblich versucht, erfolgreich zu meditieren. Und auch im Inneren der anderen Figuren dieser literarischen Kolumnen herrscht Unordnung: Frau Wiese kann nicht mehr schlafen, Herr Pohl ist nachhaltig verzagt, Lisa hat ihren ersten Liebeskummer, Vadims Hände zittern, Frau Schwerter muss ganz dringend entspannen, ein trauriger Patient hat seine Herde verloren, und Psychoanalytiker Ulrich legt sich mit der Vergänglichkeit an. "Kummer aller Art" plagt die Menschen, die sich, mal besser, mal schlechter, durch den Alltag manövrieren. Aber der Kummer vereint sie auch, etwa, wenn auf Spaziergängen Probleme zwar nicht gelöst werden, aber zumindest mal an die Luft und ans Licht kommen. Klug, humorvoll und mit großem Sinn für Feinheiten und Absurditäten porträtiert Mariana Leky Lebenslagen von Menschen, denen es nicht an Zutraulichkeit mangelt, wohl aber am Mut zur Erkenntnis, dass man dem Leben nicht dauerhaft ausweichen kann.

Jaroslav Rudiš: Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen

5 Bände in reformierter Kurz-, 7 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6257.

Wer bei diesem Titel an eine Anleitung oder ein Plädoyer für mehr Barrierefreiheit bei der Bahn denkt, wird hier nicht fündig. Der Autor, ein Eisenbahner mit Leib und Seele, dem das Zugfahren durch seine Familie in die Wiege gelegt wurde, der allerdings wegen seiner "verdammten Brille" in den 80er Jahren in der CSSR nicht Lokführer werden konnte, lädt zu einer Reise quer durch Europa ein. Ob von Berlin zum Gotthardtunnel oder von Sizilien bis nach Lappland - Jaroslov Rudiš beschreibt seine Erfahrungen bei und mit der Bahn. Leidenschaftlich berichtet er auch darüber, wie er mit Freunden in 40 Stunden auf so vielen Verbindungen wie möglich durch ganz Deutschland fährt und dabei interessante Geschichten aufschnappt.

Fabio Wolkenstein: Die dunkle Seite der Christdemokratie

4 Bände in reformierter Kurz-, 6 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6273.

Der österreichische Politikwissenschaftler analysiert, wie es heute um die Christdemokratie und ihre "autoritären Versuchungen" steht, und geht der Frage nach, wo sie ihre abgrenzenden Linien zu Autokraten aus christlicher Tradition zieht. Die Christdemokratie hatte vor allem nach dem 2. Weltkrieg in Westeuropa Erfolg, u.a. mit Konrad Adenauer in der alten Bundesrepublik, hatte aber auch ihre dunklen Seiten. Viele Christdemokraten zeigten unverhohlene Bewunderung für die Diktatoren in Spanien und Portugal. Selbst heute fällt es einigen noch schwer, sich genügend von Populisten wie Viktor Orbán in Ungarn abzugrenzen, der sich mit seiner Fidesz-Partei ebenfalls auf die christliche Tradition beruft. Dieses Buch vermittelt einen guten und vor allem kritischen Einblick in Geschichte und Gegenwart der Christdemokratie.

Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus

5 Bände in reformierter Kurz-, 6 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6282.

Wer politisch links steht, denkt jetzt vielleicht an einen Systemwechsel zur sozialistischen Revolution. Aber schon der Titelzusatz verrät, worum es wirklich geht: "Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Demokratie und Wohlstand, ein längeres Leben, mehr Gleichberechtigung und Bildung: Der Kapitalismus hat viel Positives bewirkt. Zugleich ruiniert er jedoch Klima und Umwelt, sodass die Menschheit nun existenziell gefährdet ist. "Grünes Wachstum" soll die Rettung sein. Die Wirtschaftsexpertin und Bestseller-Autorin hält dagegen und erklärt verständlich und messerscharf in ihrem neuen Buch, warum wir stattdessen "Grünes Schrumpfen" brauchen.

Saul Friedländer, Norbert Frei, Sybille Steinbacher, Dan Diner und Jürgen Habermas: Ein Verbrechen ohne Namen. Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust

1 Band in reformierter Kurz-, 2 Bände in Vollschrift, Bestell-Nr. 6271.

In diesem Buch geht es um den Historikerstreit von 1986/87 mit der Frage: Ist der Holocaust mit anderen Verbrechen der Geschichte vergleichbar oder stellt er etwas Einmaliges dar, das es in der Geschichte nie gab und niemals wieder geben kann? Die fünf Autor*innen, zu denen auch der bekannte Sozialphilosoph Jürgen Habermas gehört, diskutieren diese Frage aus heutiger Perspektive. Sie sagen zwar, dass es nur wenig Vergleichbares in der Geschichte gab, aber es dürfe in dieser Frage auch kein "Tabu" geben, denn noch heute werden unsagbare Kriegsverbrechen verübt, z.B. zurzeit in der Ukraine.

Bestelladresse

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Oder über unseren barrierefreien Online-Katalog
https://katalog.blista.de

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Digitale Barrierefreiheit in der Bildung weiter denken. Innovative Impulse aus Praxis, Technik und Didaktik

Herausgegeben von Sarah Voß-Nakkour, Linda Rustemeier, Monika M. Möhring, Andreas Deitmer und Sanja Grimminger.

Frankfurt am Main, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, 2023. ISBN 978-3-88131-102-1.

Der Sammelband "Digitale Barrierefreiheit in der Bildung weiter denken: Innovative Impulse aus Praxis, Technik und Didaktik" geht der Frage nach, welchen Status Quo, welche Herausforderungen sowie praktischen und theoretischen Lösungsansätze das Thema digitale Barrierefreiheit in der Bildung aufzeigt. Die Beiträge tragen diesem Forschungsdesiderat Rechnung. Die von #DigiBar, dem "Netzwerk digitale Barrierefreiheit an hessischen Hochschulen", sowie "studiumdigitale" (Goethe-Universität Frankfurt) in Kooperation mit BliZ, dem Zentrum für blinde und sehbehinderte Studierende (THM - Technische Hochschule Mittelhessen) herausgegebene Veröffentlichung richtet sich an Lehrende, Hochschulangehörige, Entscheidungsträger*innen, Webadmins, Tutor*innen, soziale Träger*innen und Interessierte.

Die Beiträge beleuchten das Titelthema in all seinen Facetten: Von Modellprojekten über Fallstudien und technische Lösungsszenarien bis hin zur Vermittlung praktischer Informationen und zu Szenarien der Barrierefreiheit im multimedialen Raum sind hier Grundlagenforschung, Best-Practice-Beispiele und technische Lösungen in einem Band vereint. Selbstverständlich ist die digitale Veröffentlichung in barrierefreier Form, um ein Vorbild für weitere derartige Veröffentlichungen zu sein.

Helfen auch Sie mit, Barrieren in der Bildungswelt abzubauen und Teilhabe zu ermöglichen.

Der Band wurde unter der Lizenz "Creative Commons Namensnennung" in Version 4.0 (CC BY 4.0) veröffentlicht und ist online zugänglich unter https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/62773/file/Sammelband_Digitale_Barrierefreiheit.pdf (Nach: DOI https://doi.org/10.21248/gups.62773)

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Panorama

Digitale Teilhabe für Menschen mit Sehbehinderung, Hörbeeinträchtigung oder Mobilitätseinschränkung

Bildungsoffensive für Menschen mit Einschränkungen im digitalen Alltag

BMUV

Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke hat am 22. Februar 2023 das Projekt "Digital-Kompass - Digitale Teilhabe für Menschen mit besonderen Aufklärungsbedarfen" gestartet. Zur Unterstützung von Menschen mit Hörbeeinträchtigung, Sehbehinderung und Mobilitätseinschränkung initiiert das Projekt zahlreiche neue Angebote, Formate und Materialien. Mit Unterstützung von ehrenamtlich Engagierten und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V., dem Deutschen Schwerhörigenbund e. V., der Verbraucher Initiative e. V. und der Universität Vechta soll Menschen mit Einschränkungen der Zugang zu digitalen Anwendungen erleichtert werden. Verbundpartner sind die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e. V. (BAGSO) und Deutschland sicher im Netz e. V. (DsiN).

"Menschen mit Sehbehinderung, Hörbeeinträchtigung und Mobilitätseinschränkung wollen an digitalen Themen teilhaben und mitwirken, das ist ihnen aber nicht immer uneingeschränkt möglich. Ich freue mich, dass wir mit den Projektpartnern und Engagierten gemeinsam an dem Ziel arbeiten, noch mehr Menschen den Weg in die digitale Welt zu ebnen", erläuterte Bundesministerin Steffi Lemke.

Die Angebote des Digital-Kompasses bringen zum Beispiel Studierende und mobilitätseingeschränkte ältere Menschen in Lern-Tandems zusammen. In diesen Lern-Tandems werden grundlegende digitale Kenntnisse anhand anschaulicher Materialien vermittelt. Der Austausch erfolgt in den eigenen vier Wänden oder nach individuellen Wünschen, beispielsweise über Telefon, Chat, E-Mail oder Videoanruf.

Die Angebote des Digital-Kompasses richten sich vor allem an Engagierte, die digitales Wissen an Menschen mit Einschränkungen weitergeben möchten. Sie werden in Schulungen für die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung und Hörbeeinträchtigung sensibilisiert sowie für die Weitergabe von Wissen qualifiziert. Geplant ist, dass sie ihr digitales Wissen in Formaten wie individuellen Beratungen, Kursen oder gemeinsamen Austauschrunden weitergeben.

Materialien und Angebote, die von den Projektpartner*innen entwickelt wurden, wie z. B. Handreichungen, Linksammlungen, Quizformate oder die Aufzeichnungen von Digitalen Stammtischen, stehen online auf der Webseite https://www.digital-kompass.de/materialien zur Verfügung. Zudem kann unter https://www.digital-kompass.de ein Newsletter abonniert werden.

Der Digital-Kompass wird bis 2025 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert.

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Entlastung für die Seele: Ein BAGSO-Ratgeber für pflegende Angehörige

In Deutschland sind knapp fünf Millionen Menschen pflegebedürftig. Die meisten von ihnen werden zu Hause durch ihre Angehörigen versorgt. Viele pflegende Angehörige sehen sich enormen Anforderungen gegenüber. Was sind typische Herausforderungen in der häuslichen Pflege? Und wie kann ein gesunder Umgang mit den eigenen Kräften gelingen? Antworten gibt die Broschüre "Entlastung für die Seele - Ratgeber für pflegende Angehörige" der BAGSO - Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.

Der Ratgeber zeigt Möglichkeiten der Entlastung auf, gibt eine Übersicht über konkrete Unterstützungsangebote und ermutigt dazu, rechtzeitig Hilfen von außen in Anspruch zu nehmen. Ein eigenes Kapitel ist hilfreichen Angeboten in Zeiten von Corona gewidmet.

Die 74-seitige Broschüre wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung e. V. erstellt. Die 10. aktualisierte Neuausgabe wurde im Dezember 2022 veröffentlicht und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Der Ratgeber kann kostenlos über die Website der BAGSO bestellt oder dort als barrierefreies PDF-Dokument heruntergeladen werden. Die Publikation ist außerdem als Hörbuch im DAISY-Format bei der BAGSO-Geschäftsstelle erhältlich.

Kontakt

BAGSO - Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V.
Noeggerathstr. 49
53111 Bonn
Tel.: 0228 249993-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Webseite: https://www.bagso.de/publikationen/ratgeber/entlastung-fuer-die-seele/

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Altersfreundlichkeit als Schlüssel für nachhaltige Kommunen: Vereinte Nationen überprüfen Umsetzung der Agenda 2030

BAGSO

Die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele in Städten und Gemeinden war Thema einer Konferenz, zu der die Vereinten Nationen (UN) nach Bilbao eingeladen hatten. Vom 7. bis 9. Februar 2023 diskutierten Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt darüber, wie die verschiedenen Unterziele bis 2030 erreicht werden können. UN-Habitat, das UN-Programm für menschliche Siedlungen, hatte einen Berichtsentwurf vorgelegt, dessen Inhalt im Detail besprochen wurde. Vertreter*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft waren eingeladen, die bisherigen Entwicklungen aus ihrer Sicht zu kommentieren.

Die BAGSO nahm für die Stakeholder Group on Ageing, einen Zusammenschluss von Organisationen, die die Interessen der Älteren in den Diskussionen rund um die Agenda 2030 vertritt, an der Konferenz teil. In den Diskussionen hob die Leiterin der Geschäftsstelle Internationale Altenpolitik bei der BAGSO, Ina Voelcker, hervor, dass Städte und Gemeinden nur dann nachhaltig aufgestellt sein können, wenn sie sich auf die Folgen des demografischen Wandels vorbereiten und dementsprechend altersfreundliche Umwelten schaffen. Gemeinsam mit dem Vertreter von Menschen mit Behinderungen machte sie auf das Thema Barrierefreiheit in den Bereichen Wohnen, Grundversorgung, öffentlicher Personennahverkehr sowie öffentliche Räume aufmerksam. Sie rief dazu auf, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, inklusive der am stärksten Benachteiligten wie Personen mit demenziellen Erkrankungen, an der Stadtentwicklung beteiligt werden müssen. Dazu seien Mitgliedsstaaten auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet.

Mit der Agenda 2030 hat sich die internationale Staatengemeinschaft 17 ambitionierte Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt. Eines der Ziele umfasst z. B. angemessenem Wohnraum und eine Grundversorgung für alle Menschen.

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Frühes Übergewicht führt später zu Augenschäden

Von PRO RETINA Deutschland e. V.

Ein internationales Kooperationsprojekt unter Beteiligung des Lehrstuhls für Immunologie des Auges an der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät hat den Zusammenhang von frühem Übergewicht mit späteren Augenerkrankungen nachgewiesen.

"Neben Rauchen und Alter ist Übergewicht ein Hauptrisikofaktor für die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), der Mechanismus war bisher jedoch ungeklärt. Das Kooperationsprojekt konnte nun in präklinischen Versuchen nachweisen, dass frühes Übergewicht spätere Augenschädigungen ähnlich der AMD auslösen kann", erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Langmann. Die Arbeit wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Science publiziert (Science 2023 Jan 6; 379(6627):45-62).

Durch die Einlagerung bestimmter Lipide ins Fettgewebe werden besondere Immungedächtniszellen alarmiert, die dann bei lokalen Veränderungen aus dem Blutstrom ins Auge einwandern und dort eine chronische Entzündung auslösen, was das Absterben von Sehzellen begünstigt. "Besonders interessant ist, dass die Erhöhung der Masse des Fettgewebes nicht dauerhaft sein muss, um das Immungedächtnis zu aktivieren, welches zum Beispiel auch nach Fastenperioden bestehen bleibt. Möglich ist dies durch epigenetische Veränderungen an den DNA-Bausteinen der Immunzellen, die über lange Zeit bestehen bleiben können und bei leichten Augenschädigungen zur raschen Einwanderung führen können", so Prof. Langmann weiter.

Das Kölner Forscherteam um Prof. Langmann und die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 450.000 Euro geförderte Postdoktorandin Sarva Keihani untersuchen nun mögliche Therapieansätze, um das Immungedächtnis so umzuprogrammieren, dass eine schädliche Wirkung im Auge zum Beispiel bei der AMD schwächer ausfällt oder sogar unterbleibt.

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Jetzt anmelden zum Louis Braille Festival vom 3.-5. Mai 2024!

"Auf nach Stuttgart!" So laden der DBSV, die Nikolauspflege - Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen - und der Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg e.V. (BSVW) gemeinsam zum fünften Louis Braille Festival vom 3. bis zum 5. Mai 2024 ein. Die Schirmherrschaft für dieses einzigartige Fest der Begegnung zwischen blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann übernommen.

Die Anmeldung zum Festival hat bereits begonnen. Dazu hat die Nikolauspflege eigens ein Festivalbüro eingerichtet, das Auskünfte gibt und Anmeldungen entgegennimmt. Auf der Webseite www.dbsv-festival.de gibt es die Möglichkeit zur Online-Anmeldung, Hinweise zur Reservierung von Hotels in Stuttgart und weitere Infos.

Ort des Louis Braille Festivals wird das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle sein. Es ist direkt mit dem Maritim Hotel verbunden, zu dem auch die "Alte Reithalle" gehört, ein denkmalgeschütztes Stahl-Glas-Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die Alte Reithalle und die zahlreichen weiteren Räumlichkeiten des Veranstaltungsortes im Herzen der Stadt stehen für ein umfangreiches und breitgefächertes Programm bereit, bei dem das Miteinander im Fokus steht. Ob singen, tanzen, wandern, spielen, basteln oder einfach lachen, feiern und genießen - Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung gestalten das Programm gemeinsam und mit Unterstützung von Stuttgarter Institutionen.

Vielfältige Angebote aus den Bereichen Musik, Hörspiel, Comedy, Lesung, Film, Sport und Spiel werden zwei Tage lang ebenso auf dem Programm stehen wie die beliebten bunten Abendshows, die Führhund-Lounge und der Markt der Begegnungen, auf dem am Samstag die Landesverbände sowie andere Organisationen und Einrichtungen der DBSV-Familie informieren.

Die zentrale Lage des Veranstaltungsortes ermöglicht kurze Wege zwischen dem Veranstaltungsort, den Hotels und den Angeboten der Stadt.

Das Wann und Wo des fünften Louis Braille Festivals stehen fest - nun geht es um die Ausgestaltung des Programms. Claudia Schaffer (DBSV), Christina Schaffrath (Nikolauspflege) und Susanne Vlazny (BSVW) freuen sich auf Ihre Ideen und Anregungen.

Infos, Anmeldung und Kontakt

Tel.: 0711 65648899
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.dbsv-festival.de


Impressum

horus 2/2023
Jg. 85 der Schwarzschriftausgabe
Jg. 97 der Brailleausgabe

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: Peter Beck, Andrea Katemann, Matthias Klaus und Nina Odenius
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle
Sabine Hahn
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
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Internet: https://dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Andrea Katemann (DVBS) und
Dr. Imke Troltenier (blista)

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg
ISSN 0724-7389

Punktschriftdruck

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
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Digitalisierung und Aufsprache

Geschäftsstelle des DVBS
Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg
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Schwarzschrift-Druck

Druckerei Schröder, Lindauer & Wolny GbR
Schuppertsgasse 2, 35083 Wetter/Hessen
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.druckerei-schroeder.de

Erscheinungsweise

Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.

Jahresbezugspreis

35 Euro (Versandkosten Inland inklusiv).

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" in Punktschrift wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

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Anzeigen

Kleinanzeigen

Private Kleinanzeigen bis zu einer Länge von 255 Zeichen werden kostenlos abgedruckt. Danach werden 17 Euro pro angefangene 255 Zeichen berechnet. Für die korrekte Wiedergabe ihres Inhalts (z. B. Namen, Anschriften usw.) kann keine Haftung übernommen werden.

Für gewerbliche Anzeigen oder Beilagen senden wir Ihnen gerne die horus-Mediadaten zu.

Gewerbliche Anzeigen

Com-M: Streicheln war gestern, heute tippt man wieder!

Deshalb entscheiden sich immer mehr blinde Mobilfunknutzer für das neue Smartvision 3 von Kapsys, ein Smartphone mit einer richtigen Tastatur und dem Betriebssystem Android 11.

Egal, ob Sie Telefonnummern wählen, SMS- oder WhatsApp Nachrichten schreiben oder eine Fahrplanabfrage starten: Die griffige und schreibsichere Tastatur dieses Telefons lässt sie massiv schneller arbeiten als das Display eines "Streichel"-Telefons.

Interessiert? Einfach melden:

Com-M Inh. Claudia Mischler-Korz,
Sonderpädagogin
Martin Mischler,
blinder Hilfsmittelspezialist seit 1983,
Tel.: 07764 9 333 700
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Homepage: www.com-m.de

Wir freuen uns auf Ihren Anruf!

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Die Features der EnVision Glasses:

  • Kompatibel mit der EnVision App
  • aus dem Google PlayStore & App Store
  • Texte vorlesen (Druck & Handschrift)
  • Szenenbeschreibung
  • Unterstützung durch Videoanruf
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  • Bargeldscheinerkennung (über 100 Währungen)
  • Farb- & Lichterkennung
  • WLAN-Verbindung notwendig!

Sprechen Sie mit uns, wenn Sie auf eine qualifizierte Beratung und Betreuung rund um Hilfsmittel für Sehgeschädigte Wert legen.

Ihre IPD

Tel.: 0511 9363090
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Web: www.ipd.gmbh

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  • Barrierefreie Ausbildungen und Umschulungen
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Jetzt anrufen! Tel.: 06421 606-541. Sie sind herzlich willkommen.

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V. (blista)
blistaCampus
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.blista.de/ausbildungen-und-umschulungen

blista. Bundesweites Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung.

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HelpTech

Wir haben versucht, die Braillezeile neu zu erfinden. Es ist uns gelungen.

Der Activator.

Durch die klappbare 2-in-1-Tastatur bietet der Activator für jeden Anwendungsfall den perfekten Eingabemodus - egal ob Punktschrift- oder Texteingabe. Ein Braille-Erlebnis der nächsten Generation - dank integrierter Kurzschriftübersetzung, SmartDock und "HelpTech+"-App.

Kontakt:
Help Tech GmbH
www.helptech.de
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
07451 55460

Kompetenzzentren in: Stuttgart, Köln, Marburg, Hamburg, Lüneburg und seit neustem auch in Berlin.

Bildbeschreibung: Es sind drei Bilder des Activators zu sehen, um seine Vielfalt zu verdeutlichen. Zeigt den Activator zusammengeklappt mir Brailletastatur. Rechts davon ist das innovative SmartDock mit Ladefunktion und USB-Port angeschlossen, indem ein iPhone eingelegt ist. Auf dem Screen des iPhones ist die "HelpTech+"-App zu sehen. Auf dem anderen Bild ist der Activator in aufgeklapptem Zustand mit QWERTZ-Tastatur zu sehen.

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horus

Eine Lektüre mit Gewinn ...

Durch ein Abonnement der Fachzeitschrift "horus" erfahren Sie,

  • wie blinde und sehbehinderte Menschen Beruf und Alltag bewältigen und ihre Träume leben,
  • was schulische und berufliche Bildung blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen bietet,
  • wofür sich die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe aktuell engagiert.

Bestelladresse:
DVBS
Frauenbergstr. 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Nikolauspflege

Fit für den Beruf!

Auch wenn sich das Sehvermögen stark verschlechtert hat, können Sie gemeinsam mit uns beruflich neu durchstarten.

Wir bieten attraktive Umschulungsplätze in über 20 verschiedenen Berufen für die berufliche Neuorientierung an.

Interessiert? Wir beraten gerne telefonisch.
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel. (0711) 6564-837

Mehr Infos: www.nikolauspflege.de/berufliche-reha-fuer-erwachsene

Nikolauspflege. Den Menschen sehen. Jetzt Termin zur persönlichen Beratung vereinbaren.

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Papenmeier GmbH & Co. KG

Papenmeier Hotline Service

Unser WIR für Ihren Hilfsmittel Notfall!

Kostenfreie Hotline: +49 2304 205 250

F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG
Talweg 2
58239 Schwerte
Telefon: +49 2304 205 0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.papenmeier-rehatechnik.de

Bild: Unser WIR für Ihren Hilfsmittel Notfall: Es ist eine Gruppe von drei RehaTechnik Mitarbeitern, zwei Männer und eine Frau, zu sehen, die freundlich in die Kamera schauen.

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RTB

Gezielte Steuerung der Signale
Per App sicher unterwegs

Immer sicher unterwegs

Ohne Anwohnerkonflikte

Kostenfreie Smartphone-App

LOC id kompatibel

LZA - Detektion - Parken - E-Mobilität

RTB
www.rtb-bl.de
Tel.: 49 5252 9706-272

Bild: Bunte Grafik eines bärtigen Mannes mit dunkler Brille und weißem Langstock, der an einer belebten Straße steht. In der Brusttasche ein Smartphone, das Signale aussendet, im Hintergrund eine Großstadt.

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SightCity

Erstmal als hybride Messe.

10.-12. Mai 2023. Kap Europa Frankfurt und Online, täglich ab 10 Uhr geöffnet.

  • über 100 Aussteller in Präsenz und online
  • Teilnahme vor Ort oder per Computer, Telefon oder Smartphone
  • Hybride Ausstellervorträge
  • Umstiegshilfe für sehgeschädigte Besucher ab dem Frankfurter HBF
  • persönliche Messeguides
SightCity Forum

Hybride Fachvorträge von medizinischen Fachkräften und Betroffenen rund um das Thema Low Vision

Eintritt: 5 €, kostenfrei bei vorab Registrierung unter www.sightcity.net/besucher

Weitere Informationen unter: www.sightcity.net, Tel.: 0711 6660318

Bild: 3 Fotos am unteren Rand. "Forum": Blick über Zuhörende hinweg nach vorne, "Präsenz": Blick auf Messehalle mit Aussteller und Besucher*innen, "Digital": Frau am Laptop.

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