horus 3/2021
Schwerpunktthema: "Briefe an die Politik"

Titelblatt horus 3

Titelbild: Foto oben: Tastmodell des Marburger Marktplatzes mit Rathaus. Foto: DVBS. Foto unten: Eine sehbehinderte Besucherin des Deutschen Bundestages in Berlin und andere Gäste ertasten das Modell des Reichtagsgebäudes. Foto: Deutscher Bundestag/Lichtblick/Achim Melde.

Inhalt

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Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe DVBS-Mitglieder,

sich politisch einmischen, das kann man auf ganz unterschiedliche Weise. Klassisch tut man es, indem man sich um ein politisches Mandat bemüht, ob auf kommunaler Ebene, in einem Landesparlament, im Bundestag oder in Europa. Daneben gibt es aber vielfältige weitere Wege, sich an einer bestimmten politischen Diskussion oder allgemein an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Man kann versuchen, Politiker und Politikerinnen zu kontaktieren, man kann publizistisch tätig werden, man kann Selbsthilfeorganisationen unterstützen, die sich um die Durchsetzung politischer Ziele bemühen. Mittel dazu sind die öffentliche Rede, Stellungnahmen, aber auch Briefe oder - moderner - die Nutzung der sog. sozialen Medien.

Und wie stehen Sie und steht Ihr zu solchen Beteiligungsmöglichkeiten? Das war die Frage, die die Redaktion des horus veranlasst hat, den vorliegenden Schwerpunkt zu konzipieren. Briefe an Politiker / Politikerinnen sind dabei nur begrenzt herausgekommen, aber doch lesenswerte Beiträge, die über eigene Erfahrungen im politischen Raum berichten.

Zur politischen Arbeit der Regierungen gehört es, Berichte zu verschiedenen Lebenslagen zu erstellen bzw. in Auftrag zu geben. Das gilt auch für die Teilhabeberichte, an deren kritischer Rezeption seit 2013 Dr. Heinz Willi Bach in ihrem wissenschaftlichen Beirat beteiligt ist. Die Entwicklung dieser Berichte zu verfolgen, ist eine lohnende Aufgabe, spiegeln sie doch - jedenfalls teilweise - den Stand der wissenschaftlichen Bearbeitung des Themas "Behinderung" wider.

Wie Blinden- und Sehbehindertenorganisationen, konkret DVBS und DBSV, mit Themen aus der Politik umgehen, ergibt sich aus der Darstellung über Entstehung und Zweck des Gemeinsamen Arbeitskreises Rechtspolitik, der in diesem Jahr sein 20jähriges Jubiläum feiern kann. Das ist keine spektakuläre, aber eine doch sehr effektive Arbeit. Dabei ist für uns hier wie auch sonst Solidarität ein Schlüsselbegriff, eine Haltung, die wir immer wieder von der Gesellschaft und damit auch von der Politik einfordern, die aber auch für uns untereinander gilt. Konkret lässt sich das anlässlich der DVBS-Mitgliederversammlung am 25. September unter Beweis stellen. Auch dort wird es unter anderem darum gehen, Politik und ihre Versprechungen kritisch zu analysieren, daraus Forderungen abzuleiten und sich auch in unseren Organisationen dafür einzusetzen. Das kann sich für jeden von uns lohnen, und deshalb sollten Sie und solltet Ihr diesen Termin nicht versäumen.

Ihr und Euer

Uwe Boysen

Bild: Uwe Boysen trägt einen roten Pullover und eine dunkle Brille, sein Haar ist weiß. Das Sonnenlicht wirft gerade Flächen von Licht und Schatten an die Wand hinter ihm, auf Uwe Boysen fällt Licht. Er lächelt. Portraitfoto: DVBS

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Aus der Redaktion

Von Freiräumen und Plänen

Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich Mirien Carvalho Rodrigues aus dem Redaktionsteam. Wie schade! Ihre Liebe zu Sprachen, ihre Aufgeschlossenheit gegenüber aktuellen Themen, ihre Kontakte, die über das Netzwerk von blista und DVBS weit in andere Länder hineinreichen, ihre erfrischende Perspektive und ihre Begeisterungsfähigkeit kamen stets auch dem gesamten Redaktionsteam und dem horus zugute. Seit 2016 hat sie sich neben ihrem Beruf ehrenamtlich als Redaktionsmitglied engagiert und uns viel gegeben. Nun ist es an uns, ihr den Freiraum zurückzugeben, um die Work-Live-Balance neu zu ordnen. Wir sagen ihr an dieser Stelle herzlichen Dank für eine tolle Zusammenarbeit und wünschen ihr alles Gute. Und freuen uns mit unseren Leserinnen und Lesern, wenn Mirien Carvalho Rodrigues künftig vielleicht wieder einmal als Autorin des horus in Erscheinung tritt.

Da auch Uwe Boysen dieses Jahr offiziell aus dem Redaktionsteam für den DVBS ausgeschieden ist (zum Glück aber noch nicht ganz losgelassen hat, wie in dieser Ausgabe zu lesen ist), sind wir momentan auf der Suche nach neuen Team-Kolleginnen oder Kollegen, die für den DVBS ihre Erfahrungen aus der Öffentlichkeitsarbeit und/oder Verbandsarbeit in die Redaktion einbringen möchten. Denn das von blista und DVBS gemeinsam gebildete Redaktionsteam soll natürlich wieder 3:3 paritätisch besetzt werden. Ansprechpartnerin für Interessierte ist Andrea Katemann, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Bis wir von einem Neuzugang berichten können, planen und bereiten wir in der Zwischenzeit schonmal die nächste horus-Ausgabe vor. Deren Schwerpunktthema lautet "Kochen und Ernährung". Und hier sind Sie, liebe Leserinnen und Leser, wieder gefragt: Bekommen Sie bei diesem Thema Appetit, haben Sie Lust, uns einen Beitrag, gewürzt mit Ihren Erfahrungen, zu senden? Es geht nicht nur um persönliche Vorlieben, etwa auf die Frage "Kochst Du noch oder bestellst Du was?", sondern auch um die vielen sozialen Komponenten, die Kochen und Ernährung mit sich bringen. Ihr Beitrag für den Schwerpunkt kann gerne bis zu 12.000 Zeichen lang sein, allgemeine Berichte bis 4.000 Zeichen. Redaktionsschluss ist der 20. September 2021. Erreichbar ist die Redaktion für Sie z. B. per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Wir sind gespannt!

Bild: Mirien Carvalho Rodrigues und Führhund Unar blicken nach vorwärts. Mirien Carvalho Rodrigues hat blonde, schulterlange Haare und lächelt, ihre linke Hand greift den Bügel von Unars Führgeschirr. Foto: DVBS

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Schwerpunkt: Briefe an die Politik

20 Jahre GAK: Aus dem Maschinenraum der verbandlichen Rechtspolitik

Von Uwe Boysen

Am 29. Juni 2001 wurde er gegründet, der Gemeinsame Arbeitskreis Rechtspolitik zwischen DVBS und DBSV (kurz GAK). Primärer Auslöser waren die Bemühungen der damaligen rot-grünen Koalition, ein Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG) zu schaffen. Den Verantwortlichen in beiden Verbänden wurde bewusst, dass hier wie in weiteren Bereichen Vorschriften gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen dringend erforderlich waren, es aber, um sie durchzusetzen, fundierter Diskussionen und Stellungnahmen bedürfen würde. Beigetragen hat zu dieser Erkenntnis sicher auch der erstmalige schon in einen Gesetzentwurf gegossene Versuch eines Bundeslandes, des kleinen Bremen, das Blindengeld für neue Antragsteller abzuschaffen und der sich daraus entwickelnde Kampf um die Erhaltung dieses Nachteilsausgleichs. Auch wenn die Leistung damals letztlich - mit Einschränkungen - gerettet werden konnte, so wurde den Verantwortlichen in DVBS und DBSV 2001 doch klar, dass es sich nur um einen Etappensieg handeln würde und dass weitere Vorstöße zur Beschädigung der Sozialleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen sehr wohl bevorstehen könnten, wie sich das später leider auch bestätigen sollte. Da lag es nahe, ein Gremium zu schaffen, das - ausgestattet mit rechtspolitischem Sachverstand - diese Entwicklungen beobachten, analysieren und ihnen, soweit irgend möglich, entgegenwirken sollte, nachdem es bis dahin sowohl einen entsprechenden Arbeitskreis im DBSV wie im DVBS schon seit Längerem den AKN (Arbeitskreis Nachteilsausgleiche) gab.

Dabei spiegelt der Begriff Rechtspolitik genau das Spektrum wider, in dem der GAK agiert. Er arbeitet an der Schnittstelle zwischen Recht und Politik. Und so war es nur folgerichtig, dass er sich zu einem Organ entwickelte, das insgesamt nunmehr seit 20 Jahren Gesetzentwürfe wie gerichtliche Entscheidungen und an die Verbände herangetragene Diskriminierungsfälle diskutiert, die blinde und sehbehinderte Menschen betreffen.

Naturgemäß hat sich die Zusammensetzung des GAK in den 20 hinter uns liegenden Jahren immer wieder verändert. Über fast zwei Jahrzehnte waren und sind aber Dr. Otto Hauck, der den Arbeitskreis bis 2020 leitete, Dr. Herbert Demmel, Thomas Drerup, Andreas Bethke und Dr. Michael Richter als erfahrene und umsichtige Maschinisten mit an Bord, die mit Radar und Echolot die Tiefen und Untiefen von Gesetzentwürfen oder gerichtlichen Entscheidungen verfolgt haben.

Wichtige Etappen in der Arbeit waren zunächst neben immer wieder auftauchenden Fragen zum Blindengeld, die später in die Taskforce Blindengeld ausgelagert wurden, die Anfang der 2000er Jahre verabschiedeten Behindertengleichstellungsgesetze von Bund und Ländern, die Ansprüche von Menschen mit Behinderungen gegenüber der Verwaltung regeln, später auch das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das unter anderem Diskriminierungsverbote bei Massengeschäften des täglichen Lebens und Entschädigungsansprüche bei Diskriminierungen enthält. Zuvor galt es, Freifahrtregelungen im Regionalverkehr zu verteidigen und zu präzisieren oder sich zur Rundfunkgebührenfreiheit für unseren Personenkreis zu positionieren. Anschließend waren es die UN-Behindertenrechtskonvention und die sich aus ihr ergebenden Folgen für das deutsche Recht, die den GAK intensiv beschäftigt haben. Lange waren auch die Reformbemühungen um das SGB IX unter dem Titel Bundesteilhabegesetz (BTHG) mit seinen neuen Instrumenten Gegenstand unserer Beratungen und kritischen Analysen.

Im Bereich gerichtlicher Auseinandersetzungen erhält der GAK viel Input durch die Fälle der Rechtsberatungsgesellschaft "Rechte behinderter Menschen>" (rbm). Dauerbrenner waren die Nichtzulassung von blinden und sehbehinderten Menschen zu Fahrgeschäften auf Jahrmärkten oder in Vergnügungsparks, die Beschaffung von Hilfsmitteln für das tägliche Leben, die Ausrüstung von Schülerinnen und Schülern mit Laptops oder Tafelkameras und Fragen der Finanzierung von Arbeitsplatzassistenz, um nur einige Themen herauszugreifen. Aktuell verfolgt der GAK mit großer Aufmerksamkeit Streitigkeiten um Unfälle mit E-Rollern.

Ein Ausschnitt aus der letzten Tagesordnung mag die Spannbreite der Themen demonstrieren. So ging es noch einmal rund um Corona und die rechtlichen Auswirkungen auf uns. Anschließend wurde erörtert, welche neuen Gesetze, die blinde und sehbehinderte Menschen betreffen, gerade verabschiedet worden sind. Danach diskutierten wir über Entwicklungen im Bereich des Blindengeldes, aber auch über Forderungen an die politischen Parteien angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl. Schließlich wurden Gerichtsentscheidungen, etwa zur Assistenz von weiterarbeitenden Rentner*innen, und Diskriminierungsfälle erörtert.

Der GAK tagt nur in Form von Telefonkonferenzen und das nicht erst seit Corona, sondern praktisch von Anfang an. Diese dauern jeweils ca. zwei Stunden und zeichnen sich durch einen intensiven Meinungsaustausch über die vorher festgelegten Themen aus.

Rückblickend lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass sich der GAK zu einer wichtigen und eigentlich nicht mehr wegzudenkenden Instanz im Rahmen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe entwickelt hat. Auch wenn wir gerade dabei sind, den Kreis der Mitglieder zu verjüngen, so sollte es doch gelingen, diese Funktion auch in Zukunft aufrecht zu erhalten.

Wenn ich abschließend - stellvertretend für den GAK - Wünsche an die Politik äußern soll, so drängen sich viele Fragen in den Vordergrund, die auch schon in programmatischen Erklärungen, etwa des DBSV oder im Rahmen des Wegweisers Rechtspolitik des DVBS, aufgeführt sind. Ich will mich daher hier auf einen eher verfahrenstechnischen Aspekt beschränken. Wir erleben es immer wieder, dass wir zu Gesetzgebungsvorhaben nur unverhältnismäßig kurze Stellungnahmefristen - manchmal unterhalb einer Woche - eingeräumt erhalten. Das ist schon für Hauptamtler und Hauptamtlerinnen schlicht unzumutbar, aber noch viel mehr, wenn man bedenkt, dass viele unserer Akteure eine solche Arbeit rein ehrenamtlich auf sich nehmen. Letztlich widerspricht diese Verfahrensweise auch den nach der UN-Behindertenrechtskonvention (dort Art. 4 Abs. 3) eingeräumten Beteiligungsrechten. Also, liebe Politikerinnen und Politiker, sorgen Sie dafür, dass unsere Beteiligungsrechte gewahrt und nicht durch unangemessene Fristsetzungen ad absurdum geführt werden, bei denen wir zudem den berechtigten Eindruck haben müssen, dass unsere unter immensem Zeitdruck erstellten Papiere dann auch kaum noch in der notwendigen Intensität wahrgenommen werden.

Zum Autor

Uwe Boysen, blista-Alumnus, Diplom-Sozialwissenschaftler und Richter im Ruhestand, engagiert sich seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich für die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe. Er war von 2004 bis 2016 Erster Vorsitzender des DVBS und bis Anfang 2021 horus-Redaktionsmitglied. Der 73-jährige Autor und Redakteur juristischer Fachzeitschriften lebt in Bremen.

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"Viel mehr Arbeit wird das schon nicht sein!"
Mein Alltag als Parteivorsitzender

Von Thorsten Büchner

"Meinst du, wir hätten kandidiert, wenn wir ganz genau gewusst hätten, was so auf uns zukommt in den zwei Jahren?" Ich weiß nicht mehr genau, wer diese Frage gestellt hat. Ob ich es war oder Anna-Lena Stenzel, die Co-Vorsitzende der Marburger SPD, mit der ich seit März 2019 an der Parteispitze stehe. Wo die Frage gestellt wurde, weiß ich aber noch ziemlich genau. An einem lauen Frühsommerabend, ziemlich spät, auf einer Bank inmitten der Marburger Altstadt. Es war einer der wenigen Momente in den letzten Wochen und Monaten, wo wir Zeit und Muße hatten, über unsere bisherige Amtszeit und alles, was seitdem passiert ist, zu reflektieren.

Zur Erklärung: Ich bin seit 2009 Mitglied der Marburger Stadtverordnetenversammlung und im Vorstand der Marburger SPD aktiv. Die Kommunalpolitik spielt also seit vielen Jahren schon eine wichtige Rolle in meinem Alltag. Daher habe ich Ende 2018 auch nicht lange gezögert und beschlossen, als Vorsitzender zu kandidieren, da ich mir dachte: "Viel mehr Arbeit als bislang als Stellvertreter wird das auch nicht sein."

Da hatte ich mich ganz schön geirrt.

Zum Glück habe ich viele engagierte Menschen, bei Sozialdemokrat*innen heißt das "Genossinnen und Genossen", an meiner Seite, die mich tatkräftig unterstützen. Ganz besonders unser Fraktionsgeschäftsführer Michael Müller und Anna-Lena Stenzel, die formal eigentlich "nur" stellvertretende Vorsitzende ist. Wir verstehen uns aber als gleichberechtigte Doppelspitze und treten auch intern und extern so auf. Dieses absolute Vertrauen und Miteinander zwischen uns gehört definitiv zu den wertvollsten Erfahrungen meines politischen Lebens.

Ich wusste zwar, dass in meine Amtszeit (2019 bis 2021) die Vorbereitungen und Durchführung des Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlkampfs fallen würden. Doch was das konkret bedeutet, konnte ich mir dann doch irgendwie nicht vorstellen.

Seit Juni 2020 bestand die überwiegende Arbeit als Parteivorsitzender darin, die Wahlen im März 2021 vorzubereiten. Mit einer der kniffligsten und heikelsten Aufgaben gleich zu Beginn: die Aufstellung einer Kandidat*innenliste. Als Vorstandsduo gehört es zu unseren Aufgaben, einen Listenvorschlag zu unterbreiten, der dann auf einem Parteitag diskutiert und verabschiedet werden soll. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Kandidat*innen möglichst aus unterschiedlichen Quartieren kommen, unterschiedlichen Alters sind und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen repräsentieren. Es gehört leider dazu, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Genoss*innen zu sagen, dass sie keinen sicheren Listenplatz mehr bekommen, weil wir die Liste insgesamt jünger und diverser gestalten möchten.

Theoretisch wusste ich, dass es stressig werden kann, so einen Listenvorschlag zu erstellen. Aufgeregte Telefonate, heiße Diskussionen in Gremiensitzungen. Weshalb dieser Ortsteil oder jener so gut repräsentiert sei auf der Liste, andere wiederum kaum. Persönliche Enttäuschungen, angekündigte Gegenkandidaturen im Vorfeld des Parteitags. Eskalationen, die mit viel Zureden vermieden werden konnten, andere nicht. Kurzum: Es war eine Zeit, die viel Kraft gekostet hat, aus der ich aber viel gelernt habe, was es heißt, Vorsitzender einer Partei zu sein. Ausgleichend auftreten, aber bestimmt die eigene Position vertretend, wohlwissend, dass "ich es nicht allen Recht" machen kann. Unangenehm, aber nicht zu ändern.

Neben guten Leuten ist ein Wahlprogramm ein wichtiger Baustein zu einem erfolgreichen Wahlkampf. Diesen Programmprozess zu organisieren und auch am Laufen zu halten, gestaltete sich ebenfalls als spannende Herausforderung. Da die Corona-Pandemie auch den politischen Alltag ziemlich durcheinanderwirbelte.

Jeden Donnerstag gab es seit Oktober virtuelle Treffen der Wahlkampfleitung. Wir besprachen die Gestaltung der Wahlplakate (über das Fotoshooting könnte ich alleine einen mehrseitigen Artikel schreiben!), wir diskutierten die Farbgebung der Wahlkampf-Webseite, diskutierten stundenlang über unsere Slogans und brauchten mehrere Anläufe, bis wir die unverzichtbaren, aber kostspieligen "Give-aways", also kleine Werbeartikel, final ausgesucht hatten. Das alles passiert ehrenamtlich, neben unseren eigentlichen Berufen und dem kommunalpolitischen Alltag.

Als es dann immer stärker auf den Wahlkampfendspurt zulief, ging es darum, Formate zu entwickeln, die unter Pandemiebedingungen umzusetzen waren. Klassische Haustür-Besuche, wo man ahnungslosen Wähler*innen unter Androhung von Werbemitteln und Gummibärchen an der Haustüre auflauert, waren nicht möglich. Daher griffen wir auf Altbewährtes zurück. Ich schwang mich auf den Beifahrersitz eines Lautsprecherwagens und wir fuhren, mal mehr, mal weniger fetzige Musik abspielend, durch die Marburger Stadtteile und ich erinnerte die Bürger*innen mit säuselnder oder donnernder Stimme daran, dass bald eine Wahl ansteht und dass ich einen Tipp hätte, wer sich über eine Stimme freuen würde.

Leider haben das nicht so viele Wähler*innen beherzigt, wie ich mir gewünscht hätte. Denn die Marburger SPD verfügt seit den Wahlen nun nicht mehr über die meisten Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Unser Oberbürgermeister konnte die Stichwahl aber wieder für sich entscheiden.

Jetzt, dachte ich, würde es ruhiger. Der Wahlkampf ist vorüber. Es geht nun darum, dass wir es schaffen auch weiterhin an einer Koalition beteiligt zu sein.

Seit den Osterferien bestimmen Sondierungsgespräche, intensive Telefonate mit Vertreter*innen anderer Parteien meinen Politikalltag. Seit Juni befinden wir uns in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, die einen Sitz mehr als die SPD im Stadtparlament erreichen konnten. Wenn dieser Text erscheint, kann es sein, dass wir in den Verhandlungen schon weiter sind. Momentan klären wir noch die Frage, ob wir eine Koalition mit drei oder vier Partner*innen anstreben sollen. Erneut eine Erfahrung, die ich bislang noch nicht sammeln durfte. Als Parteivorsitzender laufen bei mir alle Fäden zusammen. Vertrauliche Gespräche, offizielle Gespräche. Der Kontakt zu allen potenziellen Koalitionspartnern und auch zu den übrigen Parteien muss gepflegt werden, die interne Kommunikation in die eigene Partei. Die Presse fragt ständig nach, ob es etwas Neues zu berichten gibt. Bevor ich Rede und Antwort stehe, gilt es natürlich eine Sprachregelung abzustimmen, damit möglichst alle aus dem Führungsteam, wenn die Presse anruft, ähnliche Statements zu Protokoll geben.

Diese Zeit ist fast anstrengender als die von vielen organisatorischen Dingen bestimmte Wahlkampfzeit. Weil sie kommunikativ viel mehr abverlangt als ich mir das hätte vorstellen können.

Ach ja! Bevor sich die Leserschaft wundert: Meine Blindheit spielt eigentlich in meinem politischen Alltag kaum eine Rolle. Für viele Menschen, in der eigenen oder auch in anderen Parteien, gehört das einfach zu mir dazu und ist nichts, was groß thematisiert werden muss. Ab und zu macht es sich bemerkbar. Wenn ich als stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher gelegentlich die Parlamentssitzungen leiten muss, dann steht mir ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung zur Verfügung, der für mich die Wortmeldungen (per Handzeichen) aufnimmt und mich bei der Sitzungsleitung unterstützt. Es war und ist wohl immer noch etwas ungewöhnlich, dass ein blinder Mensch Parlamentssitzungen leitet. Ich glaube aber, dass meine -sagen wir mal - augenzwinkernde und humorvolle Art schon manchmal hilft, etwas knifflige Situationen zu besänftigen.

Daher ist Kommunalpolitik, ob ganz praktisch wie im Parlament, oder auch organisatorisch und administrativ wie bei der Wahlkampfplanung, immer noch absolut faszinierend. Weil es die unmittelbarste Art ist, Politik erfahrbar und erlebbar zu machen.

Auch wenn, das muss ich freimütig einräumen, mich mein politisches Ehrenamt gerade im letzten Jahr schon ziemlich gefordert und geschlaucht hat.

Ich bin mir aber sicher, dass ich bald wieder mit Anna-Lena Stenzel und einem kühlen Bier auf einer Bank in der Marburger Altstadt sitze und wir gemeinsam darüber nachdenken, was wir in unserer zweiten Amtszeit als Doppelspitze der Marburger SPD so anstellen und anpacken werden.

Bild: Autor Thorsten Büchner mit (v. l. n. r.) Oberbürgermeister Dr. Thomas Spieß, Co-Vorsitzender Anna-Lena Stenzel und Stadträtin Kirsten Dinnebier. Die vier Personen haben sich aus Anlass des SPD-Listenparteitags zum Gruppenbild aufgestellt. Thorsten Büchner hält rechts einen Langstock, die linke Hand ruht auf einer der kniehohen, gestapelten roten Pappboxen mit SPD-Emblem, auf die sich auch Anna-Lena Stenzel lehnt, während sie auf einer anderen Box sitzt. Im Hintergrund stehen zwei Rollups mit Slogans. Foto: SPD Marburg

Bild: Im Wahlkampf: Thorsten Büchner (links) und Lukas Erne (Mitte) und der Lautsprecherwagen (rechts) an einem SPD-Infostand. Thorsten Büchner spricht am Mikrofon, er trägt ebenso wie Lukas Erne einen Mund-Nasen-Schutz. Foto: SPD Marburg

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Marburg Macht Mit - Wie gelingt inklusive Bürger*innnenbeteiligung?

Von Dr. Griet Newiger-Addy

Bürger*innenbeteiligung wird von immer mehr bundesdeutschen Kommunen als wichtiges Handlungsfeld entdeckt. Partizipation wird einerseits von Bürger*innen eingefordert. Andererseits sehen Mitarbeitende in den Verwaltungen zunehmend die Chancen, die sich durch Beteiligung eröffnen: Kommunale Planungen werden durch die Einbeziehung der betroffenen Einwohner*innen verbessert, Konflikte können dialogisch gelöst werden. Beteiligung soll zudem den demokratischen Zusammenhalt stärken und der zunehmenden Entfremdung von Teilen der Bevölkerung vom politischen System entgegenwirken.

Die aktuelle Neugestaltung der Partizipation auf kommunaler Ebene ist durch eine Institutionalisierung und eine Professionalisierung innerhalb der Verwaltungen gekennzeichnet. In vielen Kommunen werden Bürgerbeteiligungsbeauftragte bzw. Koordinierungsstellen oder Fachdienste für Bürger*innenbeteiligung eingerichtet und digitale Beteiligungsplattformen geschaffen. Gleichzeitig werden verstärkt Instrumente und Methoden wie zum Beispiel Bürgerbudgets, Zufallsauswahl, zielgruppengerechte Beteiligungskonzepte, professionelle Beteiligungsmethoden und kreative Ansätze bei der Ansprache und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt und genutzt, um mehr Einwohner*innen zu erreichen und eine größere Beteiligungswirkung zu erzielen. Dadurch stehen Ressourcen und engagiertes Personal zur Verfügung, um unterschiedliche innovative Praktiken der Bürger*innenbeteiligung zu erproben und weiterzuentwickeln. Dabei geht es in der Beteiligungspraxis auf kommunaler Ebene weitgehend um informelle Prozesse jenseits der gesetzlich bestehenden Verpflichtungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Es handelt sich im Wesentlichen um freiwillige Formen der Beteiligung, weswegen Transparenz und klare Regeln umso wichtiger sind.

In der Universitätsstadt Marburg hat die Beteiligung von Bürger*innen an der Stadtpolitik eine lange Tradition. Seit vielen Jahren werden vielfältige und über gesetzliche Vorgaben weit hinausgehende Formen der Beteiligung genutzt. Beispielsweise wurde 1997 das städtische Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) eingerichtet und gilt inzwischen anderen Kommunen als Modell.

2018 verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung auf Initiative des Oberbürgermeisters ein Konzept zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, das ein Leitbild, Ziele und Maßnahmen und Instrumente zu deren Umsetzung enthält.(1) Das wichtigste Ziel des Konzepts ist es, die demokratische Qualität von Beteiligung weiter zu verbessern. Noch mehr und noch unterschiedlichere Marburgerinnen und Marburger sollen an der Diskussion stadtpolitischer Belange mitwirken. Zudem sollten die vorhandenen Formate systematisiert und digitale Formen und moderne Kommunikationsmöglichkeiten in Beteiligungsverfahren integriert werden.

Wie funktioniert Bürger*innenbeteiligung in Marburg?

Das Leitbild der Bürger*innenbeteiligung in Marburg orientiert sich an Qualitätskriterien, die von einschlägigen Organisationen wie dem "Netzwerk Bürgerbeteiligung" oder der Bertelsmann-Stiftung im Laufe der letzten Jahre entwickelt wurden. Ein wichtiges Element ist dabei Transparenz, z.B. durch eine frühzeitige Information über Vorhaben der Verwaltung. Dafür hat die Stadt auf ihrer Beteiligungsplattform MarburgMachtMit eine Vorhabenliste eingeführt, mit der über wichtige Vorhaben und die Beteiligungsmöglichkeiten frühzeitig informiert wird.(2) Die Vorhabenliste wird regelmäßig aktualisiert.

Ebenso wichtig sind Beteiligungsprozesse, die gut geplant sind und einen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen. Für immer mehr Planungsprozesse werden von den Fachdiensten der Marburger Verwaltung Beteiligungskonzepte erstellt, zum Beispiel für den Wohnungsneubau im Marburger Westen, die Entwicklung des Zukunftskonzepts für die Oberstadt und die Entwicklung eines neuen Mobilitäts- und Verkehrskonzepts.(3) Ausgangspunkt ist dabei immer die Frage nach dem Ziel des jeweiligen Beteiligungsverfahrens. Dadurch werden Beteiligungsprozesse klarer und verlässlicher. Möglichkeiten und Grenzen der Beteiligung werden von Anfang an deutlich gemacht. Moderne Methoden machen Beteiligungsveranstaltungen interessanter und ermöglichen wertvolle Begegnungen und tatsächliche Dialoge der Beteiligten. Außerdem zeichnet sich ab, dass gut konzipierte Beteiligungsprozesse weit über das eigentliche Kernanliegen der Beteiligung an einem bestimmten Thema hinaus Wirkungen in kommunalen Entscheidungsprozessen entfalten können, z. B. dadurch, dass Prozessabläufe frühzeitiger, transparenter, kooperativer und insgesamt offener gestaltet werden müssen.

Auf der neu geschaffenen digitalen Beteiligungsplattform www.marburgmachtmit.de werden alle Informationen zum Thema Bürger*innenbeteiligung gebündelt dargestellt. Außerdem gibt es Informationen zur Förderung des Freiwilligenengagements durch die Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf und die Stadtverwaltung sowie eine Engagementkarte, in der sich Vereine und Initiativen eintragen und vernetzen können. Zudem werden über die Plattform zeitlich befristete Online-Dialoge angeboten, bei denen Marburger*innen Fragen und Anregungen zu städtischen Planungen einbringen und kommentieren können.

Außerdem richtete die Stadt einen Beteiligungsbeirat ein, in dem elf zufällig ausgewählte Bürger*innen sowie Stadtverordnete und Verwaltungsmitarbeitende über Beteiligungskonzepte beraten. Schließlich wurde eine Koordinierungsstelle für Bürger*innenbeteiligung geschaffen, die 2020 in einen Fachdienst umgewandelt wurde.

Viele ansprechen und erreichen

Ein wichtiges Ziel der Weiterentwicklung der Partizipation in Marburg ist es, noch mehr und noch unterschiedlichere Marburgerinnen und Marburger an stadtpolitischen Belangen zu beteiligen. Dazu werden vielfältige Ansätze erprobt. So wurden begleitend zu Beteiligungsveranstaltungen sehr unterschiedliche Befragungen durchgeführt, wobei die Methode durch das jeweilige Ziel der Beteiligung bestimmt wurde. Beispielsweise wurden beim Zukunftskonzept Oberstadt und dem Bewohnerparken jeweils alle Einwohner*innen bzw. Haushalte eines Stadtteiles angeschrieben und konnten sich per analogem oder digitalem Fragebogen beteiligen. An den Befragungen beteiligten sich jeweils ca. ein Fünftel der Angeschriebenen. Für das Mobilitäts- und Verkehrskonzept wurde eine Online-Befragung angeboten, die sich nicht nur an Menschen in Marburg, sondern auch an Pendler*innen im Umland richtete. Daran nahmen insgesamt ca. 3700 Interessierte teil. Methodisch ganz anders angelegt waren dagegen zwei Haustürbefragungen in einzelnen statistischen Bezirken in Wehrda und am Richtsberg zum Leben und Zusammenleben in den jeweiligen Stadtteilen. Hier ging es u.a. darum, auch Marburger*innen zu erreichen, die eine Einwanderungsgeschichte haben und von denen ein Teil nicht so gut deutsch spricht. Daher war ein Teil der für die Befragung eingesetzten Interviewer*innen mehrsprachig. Von den insgesamt 207 Teilnehmenden waren 118 im Ausland geboren und hatten also eine Einwanderungsgeschichte.

Neue Marburger*innen werden auch durch stadtteilbezogene Formate erreicht. So setzt der Fachdienst Bürger*innenbeteiligung das Pilotprojekt Stadtteilfonds um. Dabei werden vier Stadtteilen jeweils 5.000 Euro von der Universitätsstadt Marburg zur Verfügung gestellt, um Projekte von Bürgerinnen und Bürgern zu finanzieren. Jede*r Einwohner*in ab 14 Jahre mit Erst- oder Zweitwohnsitz in den jeweiligen Stadtteilen kann Projektideen für den Stadtteil entwickeln und dafür Projektanträge stellen. Damit sollen u.a. bürgerschaftliches Engagement, eine Belebung der Stadtteilkultur und eine Vernetzung im Stadtteil gefördert werden. Über die Projektideen und Anträge entscheidet in jedem Stadtteil eine Stadtteiljury. In der Stadtteiljury sind der Ortsbeirat, die Stadtteilgemeinden und weitere Akteure im Stadtteil sowie zufällig ausgewählte Einwohner*innen vertreten.(4)

Wiederum anders angelegt sind die Vorortdialoge, die im Rahmen des städtischen Handlungskonzepts "Für Dialog und Vielfalt - Gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit" umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um ein niedrigschwelliges Gesprächsangebot des Oberbürgermeisters und der jeweiligen Ortsvorsteher*innen an die Einwohner*innen, die Fragen stellen und Anliegen einbringen können. Im Kern geht es darum, in einem ersten Schritt erst einmal zuzuhören und zu erfahren, wie es den Menschen in den Stadtteilen geht und was ihre Anliegen sind. In einem zweiten Schritt können dann Ortsbeiräte und Magistrat diese Anliegen aufgreifen und - wenn möglich - Lösungsvorschläge entwickeln. Politik und Verwaltung zeigen damit, dass Einwohner*innen mit ihren Anliegen nicht allein gelassen werden und dass die Mechanismen des demokratischen Systems in ihrem direkten Umfeld funktionieren.

Pandemiebedingt wurden die meisten Vorortdialoge als digitale Livestream-Veranstaltungen umgesetzt, bei denen Fragen und Anliegen per Chat oder telefonisch eingebracht werden konnten.(5) Die Vorortdialoge wurden aufgezeichnet und sind dauerhaft im Internet abrufbar. Dadurch hat sich die Zahl derjenigen, die mit diesem Format erreicht werden konnten, erweitert, insbesondere, weil viele Interessierte sich im Nachhinein über die Veranstaltungen informierten. Beispielsweise waren in einem Stadtteil ca. 30 Menschen bei der Veranstaltung selbst zugeschaltet, einige Monate später hatten aber mehr als 400 Menschen die Veranstaltung als Video-on-Demand verfolgt. Einer der Vorortdialoge war als besonderes Format für Jugendliche gestaltet. Die Diskussion mit dem Oberbürgermeister wurde mit einem Gamification-Ansatz, nämlich einem gemeinsamen Computerspiel, verbunden. Das Ganze wurde natürlich digital übertragen und kommentiert.

Auch die zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit bei Beteiligungsverfahren wurde ausgeweitet. Bei jedem Beteiligungsverfahren werden Akteure und Zielgruppen analysiert, die erreicht werden sollen. Auf dieser Basis werden Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit ausgewählt, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Neben den üblichen Instrumenten der Pressearbeit werden zum Beispiel haushaltsabdeckend verteilte Flyer in einzelnen Stadtteilen, Social-Media-Kanäle der Stadt, Plakate in Bussen oder visuell auffällige Verteilaktionen auf öffentlichen Plätzen eingesetzt.

Inklusion mitdenken

Teil des inklusiven Ansatzes der Bürger*innenbeteiligung der Stadt Marburg - und der Stadtverwaltung insgesamt - ist es selbstverständlich auch, unterschiedliche Angebote für Menschen zu machen, die mit Beeinträchtigungen leben, und deren Perspektive mit zu berücksichtigen. Beispielsweise werden alle digitalen Angebote zur Beteiligung jeweils gesondert mit Blick auf ihre Barrierefreiheit / Barrierearmut für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung getestet. Bei allen Beteiligungsveranstaltungen stehen Mittel zur Verfügung, falls Teilnehmende eine besondere Unterstützung benötigen. Bei der Online-Beteiligung für einen barrierefreien Ausbau des Marburger Südbahnhofs, die gemeinsam mit dem betreffenden Fachdienst und der DB Station&Service AG umgesetzt wurde, wurden Informationen auch in Leichter Sprache angeboten. Bei Veranstaltungen, die im Netz abrufbar sind, werden seit neuestem Gebärdendolmetscher eingesetzt. Diese Ansätze sind ein Anfang und sollen nach Möglichkeit weiter ausgebaut werden.

Zentrales Anliegen ist es aber auch, Inklusion immer in einem Zusammenhang zu denken und die Bedürfnisse und Anliegen unterschiedlicher Gruppen zusammenzudenken. Das Ziel ist es, möglichst viele gegenseitige Lernerfahrungen zu ermöglichen.

Sehr lehrreich und fruchtbar war daher das Projekt "Kommunalwahl 21 - Verstehen und Mitmachen", das der Fachdienst Bürger*innenbeteiligung zusammen mit dem Fachdienst Soziale Leistungen, der Verantwortlichen für Behindertenfragen, dem Gleichberechtigungsreferat, der AG Leichte Sprache des Behindertenbeirates der Universitätsstadt Marburg und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen umsetzte. Wichtigster Projektpartner war das Projekt WirSprechenMit der Lebenshilfe. Das - inzwischen beendete - Projekt zielte darauf ab, die politische Beteiligung von Menschen mit Lernbeeinträchtigungen zu stärken.

Dafür wurden Beteiligungsformate für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen umgesetzt, z.B. ein Treffen von Teilnehmenden des Projekts WirSprechenMit sowie zwei Schülern der Mosaikschule mit dem Oberbürgermeister der Stadt Marburg. Bei dem sorgfältig vorbereiteten Treffen wurden Fragen gestellt und Anliegen eingebracht, z.B. zu Fragen der Barrierefreiheit, Leichter Sprache sowie zu den Themen Müll und Schulwege.

Die Zusammenarbeit bei dem Projekt führte einerseits dazu, dass alle Beteiligten wichtige Erfahrungen machen konnten mit Blick auf den Zugang zu politischer Beteiligung von Menschen mit Lernbeeinträchtigungen sowie guten Wegen der Ansprache. Andererseits lernte die Verwaltung viel über die Notwendigkeit, Bürger*innen verständlich zu informieren.

Dies ist eine Erfahrung, die letztlich vielen unterschiedlichen Gruppen zugutekommt. Wenn Sprache ein Hindernis ist, weil sie etwa zu umständlich ist oder zu viele Fachwörter nutzt, schließt dies Menschen aus. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 40 Prozent der Bevölkerung Schwierigkeiten damit haben, mittelschwere Texte zu lesen und zu verstehen. Umso wichtiger ist es, dass Informationen der Verwaltung verständlich aufbereitet sind. Dabei ist eine unverständliche Sprache nicht nur für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen eine Hürde. Sie kann auch eine Barriere darstellen für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, für Jugendliche oder für Menschen, die nicht gut lesen können. Diese Erkenntnisse halfen dann dabei, neben Flyern in Leichter Sprache auch Erklärvideos in einfacher Sprache zur Kommunalwahl im März 2021 und zu den Aufgaben der Kommunen zu erstellen. Dabei arbeiteten auch der Ausländerbeirat, das Team des städtischen Wahlleiters und die Pressestelle der Universitätsstadt Marburg mit.(6)

Insgesamt ist die Gestaltung einer inklusiven Bürger*innenbeteiligung eine äußerst vielfältige Aufgabe und eine große Herausforderung - aber zugleich auch eine große Chance und eins der spannendsten Tätigkeitsfelder in einer kommunalen Verwaltung. Voraussetzung sind eine Kultur der Beteiligung in der Stadtgesellschaft und der Verwaltung sowie ausreichende Ressourcen für die Umsetzung einer inklusiven Beteiligung. Beide Voraussetzungen sind in der Universitätsstadt Marburg in hervorragender Weise gegeben.

Zur Autorin

Die Politikwissenschaftlerin Dr. Griet Newiger-Addy leitet den Fachdienst Bürger*innenbeteiligung der Universitätsstadt Marburg. Während ihrer beruflichen Laufbahn hat sie sich u. a. mit Kinderrechten in der Entwicklungspolitik, lokaler Wirtschaftsförderung und Entwicklungskommunikation in Ghana sowie mit den Themen Regierungsführung, Partizipation und Förderung der Zivilgesellschaft, Kommunalpolitik und Menschenrechten befasst.
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bild: Dr. Newiger-Addy wendet sich den Betrachtenden lächelnd zu und blickt uns direkt an. Über ihre Schulter fällt langes blondes Haar. Sie hat blaue Augen und trägt eine weiße Bluse mit großen schwarzen Punkten. Foto: privat

Bild: Das Logo "MARBURG MACHT MIT" zeigt als türkisgrünen Hintergrund des Schriftzugs im oberen Drittel den Schattenriss mehrerer bekannter historischer Gebäude Marburgs auf einer Horizontalen. Eingebunden ist außerdem das Marburg-Logo mit Stadtwappen. ©Universitätsstadt Marburg

Bild: Videospiele mit dem Oberbürgermeister bieten vor allem Jugendlichen eine Gelegenheit, mit dem Kommunalpolitiker ungezwungen über Stadtpolitik oder Wünsche zu chatten. Auf dem grünen Plakat sticht die Einladung "Let's play mit Tommy" in großer Schrift hervor, verziert mit Piktogrammen in Orange aus dem Gaming-Umfeld. Plakat: Stadt Marburg.

Fußnoten

(1) Das Konzept findet sich hier: https://static.werdenktwas.de/domain/63/fs/Dauerhafte_Beteiligung/27_6_2018_KonzeptBrgerInnenbeteiligung_finalbarrierefrei.pdf

(2) Die Vorhabenliste findet sich hier: https://marburgmachtmit.de/topic/vorhabenliste#pageid=undefined&sort=random&status=show&attribute=random&title=&attribute936=&attribute956=

(3) Ein Überblick findet sich hier: https://marburgmachtmit.de/page/beteiligung_jetzt

(4) Zu finden: https://marburgmachtmit.de/page/stadtteilfonds

(5) Zu finden: https://yve.tv/vorortdialog

(6) Zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=n1id4hWfEs4 und https://www.youtube.com/watch?v=NzOvNzAFuKE

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Sichtbar werden! Erfahrungen eines ehrenamtlichen Interessenvertreters mit der Kommunalpolitik

Von Markus Pfeifer

Ich bin in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Kurz vor der Jahrtausendwende begann hier auch meine ehrenamtliche Tätigkeit, die sich im Laufe der Jahre nach und nach bis zur Mitarbeit im Team der ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Stadt Lüdenscheid ausgeweitet hat. Die vielfältigen Aufgaben des Ehrenamts beinhalten immer wieder Gespräche und Verhandlungen mit Verantwortlichen aus der Politik. Im Folgenden möchte ich von meinen Erfahrungen berichten.

Die ersten Jahre ergaben sich für mich nur wenige Berührungspunkte mit politischen Verantwortungsträger*innen. Denn zunächst konzentrierte sich mein Engagement auf die Mitarbeit in der örtlichen Schwerbehindertenvertretung, für die ich zwanzig Jahre Stellvertreter war, bevor mir 2018 die Position als Vertrauensperson der schwerbehinderten Kolleginnen und Kollegen übertragen wurde. Außerdem wurde ich in das Leitungsteam der Fachgruppe "Büroberufe" der Blinden- und Sehbehindertenvereine NRW sowie in den Vorstand der Bezirksgruppe Lüdenscheid und Umgebung gewählt.

Die Situation änderte sich jedoch im Jahr 2008, als im Februar die Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung in Lüdenscheid gegründet wurde, in der zurzeit 14 Vereine, Gruppen und Verbände organisiert sind. Somit sind wir in der Lage, die Bedürfnisse körper- und sinnesbehinderter Menschen zu vertreten. Von Beginn an vertrete ich dort vorrangig die Interessen der blinden und sehbehinderten Bürgerinnen und Bürger. Die Aufgaben konzentrieren sich schwerpunktmäßig auf die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raums, vom Straßenverkehr über den öffentlichen Personennahverkehr bis hin zu öffentlichen Gebäuden.

Einige Jahre vor der Gründung dieses Gremiums gab es bereits eine Initiative, die Belange von Menschen mit Behinderung in Verkehrsprojekte einzubringen. Anlass war die Neugestaltung eines großen zentralen Platzes in der Innenstadt. Wie so oft standen auch hier die Ästhetik und das Prestige im Vordergrund. Barrierefreiheit, hier insbesondere ein Leitsystem für blinde und sehbehinderte Fußgänger, fand keine Berücksichtigung. Des Weiteren waren tiefe Ablaufrinnen vorgesehen, die vor allem für Rollstuhl- und Rollatornutzer*innen ein Problem darstellten. Trotz unserer Bemühungen gelang es uns damals nicht, unsere Forderungen durchzusetzen. Zurückzuführen ist das auf mehrere Gründe. Zum einen war vor 17 Jahren seitens der Politik und vor allem des Architekten nicht das Verständnis unserer Belange vorhanden. Zum anderen fehlte uns die entsprechende Fachkenntnis.

Aus diesen negativen Erfahrungen resultierend entstand dann die Idee zur Gründung der Interessenvertretung mit dem Ziel, durch ein organisiertes und kompetentes Auftreten von der Kommunalpolitik wahrgenommen zu werden.

In den zurückliegenden 13 Jahren ist es dem Gremium, wenn auch nicht ganz ohne anfängliche Hürden, gelungen, ein gut funktionierendes Netzwerk mit politischen Verantwortungsträger*innen, Verkehrsplaner*innen sowie der Märkischen Verkehrsgesellschaft aufzubauen. Dank der mittlerweile stabilen und fundierten Zusammenarbeit sind wir in sämtliche Bau- und Verkehrsplanungen von Beginn an eingebunden.

Einmal jährlich führen wir einen Aktionstag durch. Hier bieten wir die Möglichkeit, die Interessenvertretung sowie die einzelnen Vereine und Verbände der Öffentlichkeit vorzustellen, verbunden mit einem kleinen Bühnenprogramm und verschiedenen Aktionen.

Ebenfalls involviert sind wir aktuell bei der Erstellung eines behindertengerechten Stadtführers.

Seit dem Frühjahr 2020 sind die Aktivitäten bedingt durch die Coronapandemie natürlich auch hier weitgehend eingeschränkt und konzentrieren sich auf das allernötigste.

Die bereits erwähnte gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen aus Verkehr und Politik ist allerdings nicht selbstverständlich. Bei meiner Arbeit im Leitungsteam der Fachgruppe "Umwelt, Verkehr, Mobilität" in NRW stelle ich immer wieder fest, dass neben etlichen positiven Rückmeldungen in einigen Kommunen bedauerlicherweise immer noch erheblicher Nachholbedarf besteht.

Fazit

Zwei Anliegen an die Politik sind mir in diesem Zusammenhang wichtig. Sofern bereits eine gute Zusammenarbeit zwischen Politikern und Politikerinnen und ehrenamtlich Engagierten besteht, gilt es, diese zu pflegen und auszubauen. Ist das (noch) nicht der Fall, sollten Politiker*innen die Belange unseres Personenkreises verstärkt wahrnehmen. In den zurückliegenden Jahren habe ich viele Menschen kennengelernt, die ehrenamtlich sehr engagiert sind und ihre Anliegen gerne einbringen möchten. Die Aufgaben werden immer anspruchsvoller und sind mit immer mehr Fachkenntnissen verbunden. Dieses Engagement und Fachwissen sollte berücksichtigt werden.

Zum Autor

Markus Pfeifer ist 49 Jahre alt, blind und lebt seit 1997 in Lüdenscheid. Hauptberuflich arbeitet er in der Telefonzentrale des Finanzamts Lüdenscheid.

Bild: Markus Pfeifer steht auf einem gepflegten Rasen vor einem Baum. Der drahtige Autor hat kurze braune Haare, einen Oberlippenbart und eine Sonnenbrille. Zu einer Hose in Anthrazit trägt er ein hellblaues Business-Kurzarmhemd. Foto: privat

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Teilhabestärkungsgesetz verabschiedet - viele Chancen vertan

Von Ottmar Miles-Paul

Das Teilhabestärkungsgesetz wurde am 22. April dieses Jahres im Deutschen Bundestag verabschiedet, am 28. Mai stimmte auch der Bundesrat zu. Es soll überwiegend zum 1. Januar 2022 in Kraft treten, einige Regelungen auch schon zu früheren Zeitpunkten, wie es vonseiten des Bundesrats heißt. Obwohl die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD noch einige Änderungsanträge ins Gesetz mit aufgenommen hatten, blieben diese weit hinter ihren Erwartungen zurück. Das Gesetz bringt zwar ein paar Verbesserungen, aber viele Chancen für die längst überfällige Weiterentwicklung einer an der UN-Behindertenrechtskonvention orientierten Behindertenpolitik wurden wieder einmal vertan. So bleibt viel klein-klein und wenig echte Veränderung.

Nein, die Ausgleichsabgabe für die ca. 43.000 beschäftigungspflichtigen Betriebe, die in Deutschland trotz der gesetzlichen Verpflichtung zur Beschäftigung von fünf Prozent behinderter Menschen keinen einzigen behinderten Menschen beschäftigen, wird nicht verdoppelt.

Nein, längst überfällige Regelungen zur Assistenz im Krankenhaus wurden trotz der massiven Verunsicherungen behinderter Menschen gerade in Pandemiezeiten nicht ins Teilhabestärkungsgesetz mit aufgenommen (zu den nunmehr doch noch erfolgten Regelungen siehe weiter unten).

Nein, keinerlei Regelungen für eine umfassende Barrierefreiheit privater Anbieter von Dienstleistungen und Produkten wurden ins Teilhabestärkungsgesetz mit aufgenommen, wie es das Forum behinderter Juristinnen und Juristen vorgeschlagen hatte.

Und nein, die Regierungskoalition versteht unter Teilhabestärkung auch nicht, dass Assistenz einkommens- und vermögensunabhängig ausgestaltet werden muss, dass es kein "Zwangspoolen" und keinen Kostenvorbehalt für ein inklusives Leben geben darf. Und darunter wird auch nicht die Stärkung der Assistenz im ehrenamtlichen Bereich verstanden.

All das und vieles andere wurde nicht in das Teilhabestärkungsgesetz mit aufgenommen, obwohl viele Sachverständige bei der Anhörung am Montag, dem 19. April dafür plädiert hatten.

Corinna Rüffer von den Grünen brachte den Frust, den viele behinderte Menschen und ihre Verbände angesichts des Beschlusses des Bundestages haben, in ihrer engagiert emotionalen Art auf den Punkt: "Wenn in einer Woche Anhörung die Anhörung, die Beratung im Ausschuss und die Verabschiedung des Gesetzes stattfindet, erklären Sie mal, wie man die Sachverständigen einbeziehen will. Die Anhörung hat gezeigt, wie viel Handlungsbedarf wir haben. Die Vorschläge im Teilhabestärkungsgesetz bleiben unausgereift wie beim Gewaltschutz und springen zu kurz. Notwendige Nachbesserungen beim Bundesteilhabegesetz, für die sich Constantin Grosch und Nancy Poser den Mund fusselig geredet haben - es passiert schlicht und ergreifend nichts. Am allerschändlichsten ist aber der Entschließungsantrag der Koalition. Nach über einem Jahrzehnt reden über die Assistenz im Krankenhaus - wir sind mitten in der Pandemie - fliegt das Ding wie eine heiße Kartoffel hin und her."

"Statt eines echten Teilhabestärkungsgesetzes erhalten Betroffene eher ein Gesetzchen, welches noch nett als kleines Wahlkampfgeschenk der Koalition verpackt wurde. Aber anstatt die echten Probleme wie das 'Zwangspooling' (d. h., dass Betroffene (Assistenz-)Leistungen nur gemeinsam mit anderen Betroffenen einer Gruppe oder Einrichtung erhalten, Anmerkung der Redaktion) zu beenden und den Kostenvorbehalt in § 104 Abs. 2 SGB IX zu streichen, hat die Regierungskoalition vorwiegend Verbesserungen hineingearbeitet, die im Referentenentwurf bereits angedacht waren", kritisiert Sören Pellmann von den LINKEN, dessen Änderungsantrag genauso abgelehnt wurde wie alle anderen der Opposition.

Die Koalition hat nicht zugestimmt, ein Entschließungsantrag appelliert nun, die Assistenz im Krankenhaus zu regeln. Zu vielem anderen wird da auch noch appelliert, aber auch die letzten wissen, dass diese Legislatur dem Ende zugeht. Und was die Diskussion um die Ansprechstellung und Beratung der Arbeitgeber*innen angeht, wird schön verschwiegen, dass das Geld aus der Ausgleichsabgabe genommen werden soll. Es gibt zukünftig also nicht mehr Geld in der Ausgleichsabgabe durch deren erhoffte Verdoppelung für Unternehmen, die keinen einzigen behinderten Menschen beschäftigen, sondern beispielsweise für nötige Assistenz am Arbeitsplatz weniger Geld, weil ja diejenigen, die sich bisher nicht um die Einhaltung der Gesetze gekümmert haben, jetzt noch aus Mitteln der Ausgleichsabgabe beraten werden sollen.

Ja, es gibt auch ein paar Verbesserungen, wie die Stärkung des Budgets für Ausbildung, die Verbesserung des Gewaltschutzes, die Einbeziehung der Jobcenter in den Rehabilitationsprozess, die Regelungen zur Nichtdiskriminierung bei der Nutzung von Assistenzhunden oder die Erhöhung der Förderungen für Kfz. Aber das sind im Vergleich zum großen Handlungsbedarf kleine Sprünge auf einem großen Feld.

Dann also auf ein Neues, denn Stephan Strack von der CDU/CSU-Fraktion hat schon angekündigt: "Wir haben noch was vor, die Umsetzung der EU-Richtlinie im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz - ein gutes Gesetz". Wenn das auch so gut und umfassend wird, wie das Teilhabestärkungsgesetz, dann gute Nacht für ein barrierefreies Deutschland.

Link zu Informationen und den Redebeiträgen zum Teilhabestärkungsgesetz und zur Debatte vom 22. April 2021 dazu: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw16-de-teilhabestaerkungsgesetz-834844

Text mit freundlicher Genehmigung des Autors mit leichter Überarbeitung aus https://kobinet-nachrichten.org vom 22.04.2021.

Nachtrag der Redaktion

Nun ist doch noch eine Assistenzregelung für Menschen mit Behinderungen bei Krankenhausaufenthalten gefunden worden und jetzt verabschiedet. Angehörige oder Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld erhalten ein Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie Versicherte mit Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe oder der Kriegsopferfürsorge begleiten. Erfolgt die Begleitung hingegen durch eine vertraute Person, die die Betroffenen im Alltag in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe betreut, müssen die Länder zahlen.

Zum Autor

Der 1964 geborene Publizist Ottmar Miles-Paul war Landesbehindertenbeauftragter von Rheinland-Pfalz, hat die "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V." (ISL) mit aufgebaut und sich für den ersten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie das Bundesteilhabegesetz engagiert. Er ist Mitherausgeber des online-Nachrichtendienstes zur Behindertenpolitik "kobinet-Nachrichten".

Bild: Ottmar Miles-Paul hat dunkle Augen und einen kurzen, grauen Haarkranz. Er trägt ein tintenblaues Poloshirt und blickt offen und freundlich wie in der Momentaufnahme eines lebhaften Gesprächs. Foto: privat

Bilder: Sowohl für MdB Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) als auch MdB Sören Pellmann (DIE LINKEN) gibt es am Teilhabegesetzt einiges zu kritisieren. Corinna Rüffer (li) hat braune Augen und Haare, trägt eine dunkle Jacke und hat sich einen großen warmen karierten Schal umgebunden. Sören Pellmann (re) spricht am Rednerpult des Bundestags (2018), er trägt einen dunklen Anzug. Fotos: links © Stefan Kaminski, rechts © Deutscher Bundestag, Achim Melde.

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Unerfüllte Erwartungen: Die Teilhabeberichte der Bundesregierung und die Lebenslagen blinder und sehbehinderter Menschen insbesondere im Bereich Arbeit und Beruf

Von Dr. Heinz Willi Bach

Der Dritte Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen liegt seit März 2021 vor und bietet eine Fülle an Aussagen zur aktuellen Lage. Sein Ziel ist, mit den ausgewerteten Daten und Statistiken "(...) eine Grundlage dafür [zu] schaffen, die Umsetzung der Rechte aus der UN-BRK zu bewerten, auf politischen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf aufmerksam zu machen und ihn möglichst genau zu beschreiben" sowie "(...) die Bundesregierung, andere staatliche Akteure und nichtstaatliche Organisationen dabei [zu unterstützen], 'geeignete' wirksame Maßnahmen zu entwickeln, um auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft voranzukommen."(1)

Können Teilhabeberichte der Bundesregierung dies leisten? Welche Entwicklungen haben zum Teilhabebericht 2021 geführt, wie sieht es mit den Fragestellungen, der Datenlage und Aussagekraft aus, gerade wenn es um blinde und sehbehinderte Menschen geht? Trotz positiver Aspekte wird deutlich, dass hier weiterhin erhebliche Defizite bestehen und noch viele Wünsche offen sind. Eine bessere empirische Datenlage steht auf dieser Wunschliste an erster Stelle.

Im Folgenden wird die Entwicklung vom Behindertenbericht zum Teilhabebericht verdeutlicht, anschließend die Fortschritte von Teilhabebericht zu Teilhabebericht. Ein spezieller Abschnitt dient der Erläuterung des großen infas-Teilhabesurveys, der die Datenlage durch die Befragung der Betroffenen selbst deutlich verbessern wird. Konkludierend wird analysiert, warum blinde und sehbehinderte Menschen und ihre Verbände und Selbsthilfeeinrichtungen dennoch durchaus nicht zufrieden sein können, insbesondere im Hinblick auf die Durchleuchtung der Situation im Arbeitsleben.

Vom Behindertenbericht zum Teilhabebericht

Behindertenberichte der Bundesregierung gibt es bereits seit den 1980er Jahren, denn 1982 beschloss der Deutsche Bundestag, dass die Bundesregierung ihm und der Öffentlichkeit in jeder Legislaturperiode einen Behindertenbericht liefert. Diese Behindertenberichte richteten den Fokus auf Menschen mit amtlich anerkannten Behinderungen und ihre Integration in die Gesellschaft. Dabei spielte die Entwicklung der Leistungen, die der Staat entfaltete, eine wesentliche Rolle. U.a. dies wurde von den Betroffenen und ihren Verbänden kritisiert und die Weiterentwicklung zu einer echten Teilhabeberichterstattung gefordert.

Unter dem Titel "Teilhabe - Beeinträchtigung - Behinderung" erschien 2013 der erste Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Was hat sich mit und durch ihn geändert?

Der Kreis der betrachteten Personengruppen ist deutlich weiter gefasst. Zusätzlich zu amtlich anerkannten schwerbehinderten und behinderten Personen beschäftigen sich die Teilhabeberichte mit Menschen, die in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind. Beeinträchtigungen haben wie Behinderungen ihren Ursprung in Störungen der Körperfunktionen und/oder Körperstrukturen, sie können körperlicher, geistiger, seelischer (psychischer) Art oder Störungen der Sinnesfunktionen sein. Menschen sind beeinträchtigt, wenn sie daran gehindert werden, Aktivitäten auszuüben, die für sie bedeutsam oder notwendig sind. Werden sie durch Barrieren aus ganzen Lebensbereichen an einer gleichberechtigten Teilhabe und selbstbestimmten Lebensführung gehindert, liegen nach Selbsteinschätzung Behinderungen vor, Behinderung im Sinne des Konzepts der ICF(2). Diese legt Wert darauf, dass Behinderung nicht lediglich eine Eigenschaft der betroffenen Person ist. Vielmehr spielen Kontextfaktoren eine Rolle, wenn sie als Barrieren wirken. Umweltfaktoren wie die Gestaltung des öffentlichen (Ampeln ohne/mit Akustik) und privaten Raums spielen eine Rolle, ebenso der Status in der Gesellschaft oder Vorurteile, Gleichgültigkeit u.a. Weiterhin beeinflussen persönliche Gegebenheiten, wie eine Person mit Beeinträchtigungen umgehen kann, z.B. Lebensalter, Geschlecht, (familiäre) Verpflichtungen, Lebensführung u.a.m. Man ist nicht behindert, man wird es auch, wenn Kontextfaktoren Barrieren bilden.

Dieser ICF-fundierte Begriff von Behinderung ist weiter gefasst als der des deutschen Sozialrechts. Er umfasst also unsere (Schwer-)Behinderung i.S.v. § 2 SGB IX, Behinderung i.S.d. § 19 SGB III oder wesentliche Behinderung i.S.d. SGB XII. Allerdings ist der Begriff von Behinderung nach § 2 SGB IX mittlerweile den Kriterien des bio-physio-psychischen Modells nach ICF angepasst worden.

Wesentliches Ziel der Teilhabeberichterstattung ist, die Entwicklung der Lebenslagen der Menschen möglichst anhand von Angaben und Äußerungen der Betroffenen zu bestimmen. Den Goldstandard für ein solches Bemühen stellt die (repräsentative) Befragung der Menschen dar. Allerdings muss man feststellen, dass Daten von vorhandenen empirischen Berichtssystemen nur sehr bedingt hilfsweise nutzbar sind. Z. B. können den Daten der Bundesagentur für Arbeit lediglich Angaben zur Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen entnommen werden. Die Lage und Entwicklung der Arbeitslosigkeit behinderter und beeinträchtigter Menschen bleibt somit im Dunklen.

Das kann nicht zufriedenstellen, wenngleich von Bericht zu Bericht die empirische Fundierung verbessert wurde. Durch den kommenden vierten Bericht ist in dieser Hinsicht ein "Quantensprung" zu erhoffen.

Erster Teilhabebericht der Bundesregierung 2013

Die Aussagen des ersten Teilhabeberichtes (2013) basieren im Wesentlichen auf der Nutzung des sozioökonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), einer jährlichen Befragung von ca. 30.000 Personen. Weitere Datenquellen sind allgemeine Bevölkerungsbefragungen, wie die Studie "Gesundheit in Deutschland aktuell" (GEDA) und die "Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland" (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Für spezielle Fragen werden spezifische Statistiken oder auch Forschungsberichte herangezogen wie z. B. die Schwerbehinderten-, Sozialhilfe- und Arbeitsmarktstatistiken der BA. Der Bericht wurde von der Prognos AG Basel erarbeitet und von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Diesem gehören bis heute drei selbst behinderte Wissenschaftler an.

Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung 2016

Der zweite Teilhabebericht wird hinsichtlich der Datenbasis wesentlich erweitert durch die Einbeziehung des Mikrozensus (MZ) mit 810.000 Befragten, eine Panelbefragung im jährlichen Rhythmus durch die statistischen Ämter (destatis). Die oben beschriebenen Berichtssysteme finden hier weiterhin Anwendung. Ungeachtet dieser Bereicherung bleiben die empirischen Daten weit hinter dem Anspruch zurück, die Lebenslagen beeinträchtigter und behinderter Menschen im Vergleich zu nicht beeinträchtigten Menschen zu beschreiben und Fortschritte oder Rückschritte in den verschiedenen betrachteten Lebensbereichen zutreffend diagnostizieren zu können. Das Ziel, die Entwicklung zur gleichberechtigten Teilhabe an den verschiedenen Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens zutreffend messen zu können, kann nicht erreicht werden, solange man sich mit der Sekundärverwendung vorhandener Statistiken begnügt. Der zweite Teilhabebericht wurde vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Köln (ISG) erarbeitet.

Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Daher wurde das infas-Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH in Bonn vom Bundesarbeitsministerium beauftragt, von 2017 bis 2021 die meines Erachtens weltweit umfangreichste Repräsentativbefragung von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen und Menschen ohne diese Eigenschaften durchzuführen. Es wurden (Stand März 2020) 22.043 Personen in Privathaushalten befragt, darunter 15.984 mit und 6.059 ohne Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Ebenfalls wurden bis Mitte März 2020 3356 Personen in 327 Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Altenpflege befragt. Darüber hinaus sollten 1.000 obdachlose Personen befragt werden. Diese Befragung konnte wegen der Covid-19-Pandemie nicht, die Befragung der Personen in Einrichtungen nicht im geplanten Umfang durchgeführt werden. Bei den letzteren ist allerdings nach wie vor die Repräsentativität gegeben. Unter den Befragten in Privathaushalten befinden sich 1.280 blinde/sehbehinderte Befragte, unter denjenigen in Einrichtungen 157.

Die betroffenen Menschen sind nach allen vorliegenden Beeinträchtigungen, sodann nach den Auswirkungen ihrer schwerstwiegenden und ggf. einer zweiten Beeinträchtigung im Alltag befragt worden sowie nach ihrem Lebensgefühl generell und ihrer Situation in verschiedenen Lebensbereichen:
- Wohnen, Selbstversorgung und häusliches Leben
- Mobilität und Kommunikation
- Teilhabe in der Freizeit und Kultur
- Soziale Einbindung und Selbstbestimmung
- politische Teilhabe
- Gesundheit und Gesundheitsversorgung
- Teilhabe an Bildung und Arbeit
- Erwerbstätigkeit
- Nichterwerbstätige
- Einkommenssituation und Herkunft
Die Aussagen in den verschiedenen Dimensionen sind vielfältig kombinierbar.

Der Abschlussbericht der Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird voraussichtlich im Oktober 2021 vorliegen.

Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung 2021

Angesichts der Mängel der statistischen Fundierung des ersten und des zweiten Berichtes wurden Befragungsergebnisse der infas-Repräsentativbefragung aus dem Bereich der Privathaushalte aus fünf Lebensbereichen in die Darstellungen des dritten Teilhabeberichtes einbezogen. Exemplarisch werden an dieser Stelle Angaben aus dem Bereich Arbeitsmarkt dargestellt.

Das Ausmaß an (registrierter) Arbeitslosigkeit konnte in den bisherigen Berichten lediglich für die Teilgruppe der anerkannt schwerbehinderten Menschen dargestellt werden. Für die Menschen mit Beeinträchtigungen insgesamt sowie für andere Teilgruppen konnte man bisher lediglich auf die Zahlen und Quoten der Erwerbslosen nach der Arbeitskräfteerhebung (Labour Force Survey, LFS) der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zurückgreifen.

Für uns interessierende Fragestellungen wurde im Kommentar des wissenschaftlichen Beirats zum zweiten Teilhabebericht ausgeführt, dass sie lediglich geringe Relevanz aufweisen. Daher sind andere Lösungen zu suchen.

Erste Auswertungen der infas-Repräsentativbefragung bieten Anhaltspunkte für weitere Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit. Fragt man nach dem Anteil Arbeitsloser nach dem Kriterium der schwerstwiegenden Beeinträchtigung, ergibt sich folgendes Bild:

15 Prozent der Menschen mit Problemen beim Denken, Lernen, Erinnern, Orientieren und 14 Prozent bei schweren seelischen und psychischen Problemen sind nach eigener Einschätzung arbeitslos; 9 Prozent mit Problemen beim Bewegen oder solchen beim Hören und Sprechen, 8 Prozent der Menschenmit dauerhaften Schmerzzuständen oder mit chronischen Erkrankungen und 7 Prozent mit Problemen beim Sehen.

Welche Unterschiede in der Arbeitslosigkeit können zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen sowie zwischen den Teilgruppen der Menschen mit Beeinträchtigungen (ohne beziehungsweise mit Behinderung) festgestellt werden? Bei dieser Untersuchung ergibt sich, dass die Trennlinie geringer und hoher Arbeitslosigkeit statt zwischen Menschen ohne und mit Beeinträchtigungen bei genauerem Hinsehen zwischen den Menschen ohne Beeinträchtigungen (2 Prozent) und Menschen mit Beeinträchtigungen, aber ohne Behinderung (3 Prozent) einerseits und den Personen mit Beeinträchtigungen und Behinderung (11 Prozent) verläuft.

Dies legt die Annahme nahe, dass auf den Arbeitsmärkten nicht die Beeinträchtigungen als solche, sondern Barrieren bei Aktivitäten und Lebensbereichen im Bereich der Erwerbstätigkeit exkludierend wirken, unter Berücksichtigung von persönlichen und umweltbedingten Kontextfaktoren. Dabei sind die Unterschiede zwischen der Betroffenheit bei selbst eingeschätzter Behinderung und einer amtlich anerkannten Schwerbehinderung mit drei Prozentpunkten vergleichsweise gering gegenüber demjenigen von acht Prozentpunkten zwischen der Betroffenheit von Personen mit Beeinträchtigungen zu Personen mit Beeinträchtigungen und selbst eingeschätzter Behinderung. Die Auswirkungen von Schwerbehinderung (8 Prozent) erscheinen in diesem Zusammenhang sogar als etwas weniger gravierend auf dem Arbeitsmarkt als die bei einem Grad der Behinderung unter 50 (10 Prozent) oder die einer chronischen Erkrankung ohne amtliche Anerkennung eines Grades der Behinderung (11 Prozent). Möglicherweise sorgen die spezifischen Nachteilsausgleiche für Menschen mit amtlich anerkannter Schwerbehinderung nach dem SGB IX für eine vergleichsweise günstigere Situation dieser Teilgruppe auf den Arbeitsmärkten.

Es wäre vermutlich aufschlussreich, könnte man die Höhe der Arbeitslosenquote zusätzlich nach der Höhe des Grades der Behinderung sowie nach der Erfassung des Eintritts der Beeinträchtigung im Lebenslauf bestimmen. Da jedoch die geringen Fallzahlen eine weitere Differenzierung der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit unter den Menschen mit amtlich anerkannter Behinderung nicht mehr erlauben, ist hier eine weitere Durchleuchtung nach Grad der Behinderung leider nicht möglich.

Die exemplarisch dargestellten Ergebnisse der Teilhabebefragung im dritten Teilhabebericht geben einen ersten Eindruck von künftigen Berichtsmöglichkeiten zu Fragen der Lebenslagen und der Wahl- und Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen. Vor allem wird deren eigene Einschätzung Teil der Darstellung und lässt die differenzierten und individuellen empirischen Befunde weiter vertiefen. Hieraus darf man ein zukünftig weitaus wirklichkeitsnäheres Bild zu Stand und Perspektiven der Erwerbstätigkeit und materiellen Lebenssituation erhoffen.

Grenzen der Analysemöglichkeit

Können wir nun zufrieden sein? Hat man die Arbeitsmarktprobleme blinder Menschen damit im Griff? Leider nein! Denn so lobenswert die Fortschritte in der Berichterstattung über die Lebenslagen beeinträchtigter Menschen in den vergangenen zwölf Jahren sind, muss doch deutlich auf die engen Grenzen bei Analysen blinder Menschen im System Arbeit hingewiesen werden. Deren Grundgesamtheit in der infas-Repräsentativbefragung beträgt 1.280 Personen in Privathaushalten und 157 in Institutionen der Altenbetreuung und der Eingliederungshilfe. Wie viel weitere Differenzierung ist da noch möglich, etwa im Hinblick auf Arbeit und Beruf?

Im erwerbsfähigen Alter befinden sich 31,2 Prozent der blinden, 21,4 Prozent der hochgradig sehbehinderten und 29,5 Prozent der sehbehinderten Menschen. Tatsächlich berufstätig sind von diesen 26 Prozent der blinden und der hochgradig sehbehinderten und 45 Prozent der sehbehinderten Menschen.(3) Da sind wir bei der obigen Grundgesamtheit (1.280) sehr schnell am Ende weiterer Analysen.

Was sagt denn zur Blindenbeschäftigung die aktuellste differenzierte Analyse der Bundesrepublik, die aus der Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts stammt? "Blinde Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter haben im Vergleich zu anderen Behindertengruppen eine weit unterdurchschnittliche Erwerbsquote. Über Hintergründe und die Art der Erwerbsbeteiligung informiert eine empirische Untersuchung bei Blinden und bei Unternehmen, die Blinde beschäftigen. Eine persönliche Befragung von über 1.000 Blinden im Rheinland bestätigt, daß lediglich knapp ein Drittel dieser Personen erwerbstätig ist. Rund vierzig Prozent der Befragten sind im Ruhestand oder dauerhaft krank. Jeder Zehnte ist arbeitslos.", so Schröder unter Bezug auf eine infas-Untersuchung, die 1994 durchgeführt wurde. (4)

Zum Vergleich: Im Jahre 2015 waren 74 Prozent der blinden und 74 Prozent der hochgradig sehbehinderten Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht berufstätig. Bei den sehbehinderten Menschen waren es 55 Prozent.(5) (Zur Orientierung: Die Erwerbsquote liegt allgemein bei 80 Prozent.)

Seit nunmehr mehr als 25 Jahren ist keine solche Studie mehr angeregt worden. Die Blindenselbsthilfe, nicht zuletzt der Verfasser dieser Zeilen, hat immer wieder und nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer erneuten "Blindenarbeitsstudie" hingewiesen - im Bundesarbeitsministerium, in der Zentrale und bei der Selbstverwaltung der Bundesagentur für Arbeit und wo immer wir Interesse vermuteten. Wir wurden immer wieder auf eine kommende große "Behindertenstudie" hingewiesen und vertröstet, denn den Problemdruck kann man nicht leugnen.

Es ist aber eben nicht so, dass die große infas-Repräsentativbefragung diese Aufgabe auch nur annähernd übernehmen könnte. Dies auf dem Hintergrund, dass die Verbände und Organisationen von und für blinde Menschen durchaus nicht der Auffassung sind, die Lage sei heute besser als in den 1990er Jahren. Es ist also längst die Zeit reif für eine neue differenzierte Blinden-Arbeitsstudie nach dem Vorbild der zitierten. Natürlich werden die Ergebnisse der infas-Repräsentativbefragung hier Verwendung finden. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus.

Das kann es doch wohl nicht sein - da waren wir schon einmal weiter! Es bleibt nun zu hoffen, dass bis zum vierten Teilhabebericht der Bundesregierung eine bessere Datenlage zur Verfügung steht und künftige Teilhabeberichte die Analysemöglichkeiten bieten, die wir brauchen, um unsere Situation insbesondere auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern.

Zum Autor

Diplom-Volkswirt Dr. rer. pol. Heinz Willi Bach hat die Erstellung der drei Teilhabeberichte der Bundesregierung 2013, 2016 und 2021 als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales kritisch begleitet und kommentiert. Der ehemalige Dozent der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit sowie Wissenschaftliche Oberrat am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung i. R. engagiert sich seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich für die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe, zurzeit im Vorstand des DVBS-Arbeitsausschusses und als Leiter der DVBS-Fachgruppe "Wirtschaft". Kontakt per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bild: Dr. Heinz Willi Bach lächelt offen. Zu grauem Oberlippen- und Kinnbart trägt er ein graues Jackett. Seine Brille ist in beiden Gläsern im unteren Teil mit einer Spezialverstärkung ausgestattet. Foto: DVBS

Bild: Titelcover des 827-seitigen Dritten Teilhabeberichts der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen in überwiegend blauer Farbgebung, oben links ein Bundesadler.

Fußnoten

(1) Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe - Beeinträchtigung - Behinderung. Herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn, 2021 (Stand: April 2021), S. 20. Der Bericht ist u. a. als PDF-Datei und in der Daisy-Version zugänglich unter https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a125-21-teilhabebericht.html

(2) ICF: International Classification of Functioning, Disability and Health - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, siehe: www.dimdi.de

(3) Bach, Heinz Willi: "Die Situation blinder und sehbehinderter Menschen am Arbeitsmarkt, in Beschäftigung und in Fort- und Weiterbildung - auch in internationaler Perspektive." In: Gudrun Wansing, Felix Welti, Markus Schäfers (Hrsg.): Das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen, Baden-Baden: Nomos, 2018, Seite 247 - 274. S. 253, Tabelle 4.

(4) Schröder, Helmut: "Die Beschäftigungssituation von Blinden: Ausgewählte Ergebnisse einer Befragung von Blinden und Unternehmen." In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB) Jg. 30, 1997, Nr. 2, S. 502 - 513. Die Rheinische Hauptfürsorgestelle beim Landschaftsverband hatte unter Projektleitung von Dr. Helga Müther-Lange die Untersuchung 1994 von infas durchführen lassen, um Ursachen und Gründen der hohen Nichterwerbstätigkeit von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen nachzugehen. Die Analyse der Teiluntersuchungen "Blindenbefragung", "Betriebsbefragung" und "Expertenbefragung" wurde bereits 1995 veröffentlicht ("Die berufliche Integration von Blinden: Abschlußbericht").

(5) Vgl. Bach, S. 253, Tab. 4.

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Forderungen des DBSV zur Bundestagswahl 2021

Am 26. September 2021 ist Bundestagswahl. Aus diesem Anlass hat der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) am 7. Mai 2021 die folgende Resolution verabschiedet.

Behindertenpolitik ist keine rein sozialpolitische Aufgabe oder bloßer Ausdruck von Fürsorge. Die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen muss endlich auf allen Ebenen des politischen Wirkens sichergestellt werden. Die Corona-Pandemie hat die Auswirkungen einiger Versäumnisse der Vergangenheit auf die Teilhabechancen blinder und sehbehinderter Menschen verschärft. Die massiven Benachteiligungen sind dringend abzubauen - mit partizipativ gestalteter Gesetzgebung, wirksamen Förderprogrammen und weiteren Maßnahmen. Daran wird der DBSV die künftige Bundesregierung messen.

Barrierefreiheit muss zum Standard werden!

Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung von individuellen Beeinträchtigungen und Barrieren. Barrierefreiheit ist daher kein nettes Beiwerk, sondern zentral für Teilhabechancen! Deshalb muss Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen zum Standard werden, im digitalen Raum ebenso wie in der physischen Umwelt. Der DBSV fordert:

  • Barrierefreiheit gesetzlich verankern: Es müssen endlich für alle privaten Anbieter von Produkten und Dienstleistungen einheitliche, verlässliche und justiziable Verpflichtungen zur Barrierefreiheit geschaffen werden. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird ein erster wichtiger Schritt gegangen. Die zur Ausgestaltung der Barrierefreiheitsanforderungen noch zu formulierenden Rechtsverordnungen müssen fristgerecht, an der Teilhabe ausgerichtet und in einem partizipativen Verfahren erstellt werden. Überdies müssen auch alle anderen Produkte und Dienstleistungen wie Haushaltsgeräte, online angebotene Dienste oder Veröffentlichungen der Print-Medien künftig barrierefrei zugänglich sein. Auch alle Sozialleistungen einschließlich der Gesundheitsleistungen müssen barrierefrei erbracht werden. Dazu sind die Anbieter zu verpflichten.
  • Barrierefreiheit konsequent umsetzen: Wer öffentliche Mittel erhält, muss seine Angebote barrierefrei erbringen. Im Vergabeverfahren muss Barrierefreiheit von der Ausschreibung über die Planung und Entwicklung bis zur Umsetzung konsequent berücksichtigt, überprüft und nachgehalten werden.
  • Schwächen des Föderalismus überwinden: Dringend erforderlich ist ein Bund-Länder-Dialog für barrierefreie digitale Bildung. Ein inklusives Bildungssystem kann es nur geben, wenn die (digitale) Infrastruktur von allen Menschen chancengleich genutzt werden kann. Die Entwicklung und Beschaffung von barrierefreien Lernplattformen, Konferenzsystemen oder Dokumentenmanagementsystemen kann nicht allein regional erfolgen. Auch im Bereich der Verwaltung muss es ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes geben, damit Barrierefreiheit lückenlos Realität wird.
  • Barrierefreiheit finanziell fördern: Förderprogramme des Bundes müssen verpflichtende Vorgaben zur Barrierefreiheit enthalten. Ein spezielles Förderprogramm sollte gezielt barrierefreie Innovationen im Digitalbereich und im Zusammenhang künstlicher Intelligenz adressieren.
  • Aus- und Weiterbildung modernisieren: Damit Barrierefreiheit umgesetzt werden kann, muss sie Inhalt der Ausbildungs- und Studienpläne, Prüfungsordnungen, Weiterbildungsprogramme und Schulungsmodule aller Berufssparten werden.

Schutz vor Diskriminierung stärken!

Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen sind noch immer Realität und die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, unzureichend. Der DBSV fordert:

  • Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss endlich reformiert werden. Die Missachtung der Pflicht zur Barrierefreiheit und die Versagung angemessener Vorkehrungen sind als Diskriminierungstatbestände anzuerkennen. Bisher zulässige Rechtfertigungsgründe für eine ungleiche Behandlung sind einzuschränken. Die Rechte aus dem AGG müssen verbandsklagefähig werden.

Diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung gewährleisten!

Noch immer haben Menschen mit Behinderungen keinen gleichwertigen Zugang zu allgemeinen und speziell wegen ihrer Behinderung erforderlichen Gesundheitsleistungen. Der DBSV fordert:

  • Eine qualitätsgesicherte, flächendeckende und bedarfsgerechte augenärztliche Versorgung muss sichergestellt werden, auch für Menschen im ländlichen Raum oder für Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben. Für ausreichend Fachkräfte im augenmedizinischen Bereich ist zu sorgen.
  • Der umfassende und barrierefreie Zugang zur elektronischen Patientenakte und den darauf gespeicherten Informationen, zu allen elektronischen Anwendungen - wie dem E-Rezept - und zu durch die gesetzlichen oder privaten Krankenkassen finanzierten digitalen Gesundheitsanwendungen und -leistungen muss gewährleistet sein. Alle Leistungserbringer (u. a. Ärzte, Kliniken, Therapeuten, Apotheken) müssen verpflichtet werden, ihre digitalen Informationen und Dienstleistungen ausschließlich barrierefrei anzubieten.
  • Erforderliche Vorsorge- und Gesundheitsleistungen sowie Hilfsmittel, einschließlich Sehhilfen, müssen zuzahlungsfrei bereitgestellt werden.

Rehabilitation stärken!

Rehabilitation ist ein wesentlicher Schlüssel zu Selbstbestimmung und Teilhabe. Sie kann den Umgang mit einem Sehverlust erleichtern und negative Folgen verringern. Für Menschen mit fortschreitendem oder plötzlich eingetretenem Sehverlust gibt es im Leistungssystem bislang allerdings keine ausreichende rehabilitative Versorgung. Der DBSV fordert:

  • Vorhandene Teilangebote wie die Anpassung vergrößernder Sehhilfen und anderer Hilfsmittel sowie Schulungen in Orientierung und Mobilität (O&M) und in lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) müssen allen Betroffenen bei Bedarf zuzahlungsfrei zugänglich sein.
  • Eine medizinische Rehabilitation nach schwerem Sehverlust einschließlich umfassender Beratung ist zu etablieren. Das schließt die Förderung von Pilotprojekten zur konkreten Ausgestaltung der angestrebten Rehabilitationsleistungen ein.
  • Die Ausbildung von Rehabilitationsfachkräften für blinde und sehbehinderte Menschen muss - ähnlich wie im Falle der Pflege- und Gesundheitsberufe - aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, um dauerhaft den Fachkräftemangel in diesem Bereich abzuwenden.

Teilhabe am Arbeitsleben verbessern!

Noch immer ist nur rund ein Drittel der blinden und sehbehinderten Menschen im erwerbsfähigen Alter berufstätig. Die Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt sind dringend zu verbessern. Der DBSV fordert:

  • Die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber muss konsequent durchgesetzt werden. Appelle an den guten Willen sind unzureichend. Es ist eine deutlich höhere Ausgleichsabgabe für die Betriebe einzuführen, die ihrer Beschäftigungspflicht gar nicht oder in vollkommen unzureichendem Maße nachkommen.
  • Es ist zu regeln, dass jegliche beruflich genutzte Software und alle genutzten digitalen Anwendungen barrierefrei programmiert sein müssen.
  • Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben, etwa die Regelungen zur Arbeitsassistenz, müssen modernen Anforderungen gerecht werden, was etwa die Sicherung kontinuierlicher beruflicher Weiterbildung und Umorientierung, die Ausübung mehrerer Jobs und flexible Übertritte ins Rentenalter betrifft. Außerdem wird die behördliche Ausgestaltung des Rechts auf Arbeitsassistenz den behinderungsspezifischen Erfordernissen blinder und sehbehinderter Menschen nicht mehr gerecht. Bundeseinheitliche Regelungen sind erforderlich. Der Bund muss insoweit von seiner Regelungskompetenz zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Ausgestaltung von Arbeitsassistenz Gebrauch machen.
  • Bei der Novellierung der gesetzlichen Regelungen für die Ausbildung von Masseuren und Physiotherapeuten ist sicherzustellen, dass der Zugang für blinde und sehbehinderte Menschen im bisherigen Umfang gewährleistet bleibt. Eine Vollakademisierung lehnt der DBSV strikt ab.

Selbstbestimmte Teilhabe braucht echte Nachteilsausgleiche!

Behinderungsbedingte Unterstützungsleistungen gleichen Nachteile aus, um für Chancengleichheit zu sorgen. Der DBSV fordert:

  • Um die Selbstbestimmung zu stärken und gleiche Lebensbedingungen in Deutschland herzustellen, muss ein bundeseinheitliches und gerechtes einkommens- und vermögensunabhängiges Blindengeld eingeführt werden. Ebenso ist ein angemessener Nachteilsausgleich für hochgradig sehbehinderte und für taubblinde Menschen zu schaffen.
  • Alle Teilhabeleistungen müssen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht werden. Entgegenstehende Regelungen, insbesondere der Eingliederungshilfe und Blindenhilfe, sind aufzuheben. Wenn dies aktuell nicht erreichbar ist, müssen zumindest in einem Zwischenschritt die für die Eingliederungshilfe geltenden Verbesserungen auch für die Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII gelten.
  • Die inklusive Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe und die Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe müssen zwingend dazu führen, die Teilhabemöglichkeiten aller jungen Menschen mit Behinderungen und ihrer Familien substantiell zu verbessern. Dafür sind entsprechende finanzielle Mittel bereitzustellen. Keinesfalls darf es im Zuge der Reform zu Leistungseinschränkungen, Qualitätsminderungen oder erhöhten Kostenbeteiligungen kommen. Erzieherische Hilfen und behinderungsbedingt notwendige Teilhabeleistungen dürfen nur bei Bedarf miteinander gekoppelt werden.

Barrierefreie Mobilität gewährleisten!

Die sichere und barrierefreie Fortbewegung im öffentlichen Raum stellt blinde und sehbehinderte Menschen vor besondere Herausforderungen. Der DBSV fordert:

  • Das Personenbeförderungsgesetz ist so weiterzuentwickeln, dass digitale Angebote bei der Nutzung aller Verkehrsmittel barrierefrei genutzt werden können - von der Bestellung über die Buchung und Bezahlung bis zu Fahrgastinformationen.
  • In der Verkehrsplanung müssen Gefahrensituationen für sehbeeinträchtigte Menschen konsequent berücksichtigt werden. Das betrifft u. a. Regelungen für
    • das sichere Queren von Straßen und Radwegen,
    • die Gewährleistung einer durchgehenden Benutzung von Bodenindikatoren,
    • die Trennung von Fuß- und Radwegen und
    • das Abstellen von Elektrokleinstfahrzeugen außerhalb der Gehwege.

Zugang zu Kultur ermöglichen!

Blinde und sehbehinderte Menschen müssen inklusiv an kulturellen Angeboten partizipieren können. Der DBSV fordert:

  • Bei der Novellierung des Filmfördergesetzes ist sicherzustellen, dass barrierefrei produzierte Filmfassungen mit Audiodeskription auf allen Ebenen der Verwertung zur Verfügung stehen.
  • Kulturförderungen des Bundes, z. B. für Museen, müssen die Teilhabemöglichkeiten für alle Menschen gewährleisten, auch im digitalen Raum.

Deutschland muss Motor für mehr Teilhabe in Europa werden!

Bedeutende Regelungen der vergangenen Jahre für die gleichberechtigte Teilhabe gehen auf europäische Initiativen zurück. Deutschland muss seiner Verantwortung in Europa gerecht und Schrittmacher für eine gute Teilhabepolitik werden. Der DBSV fordert:

  • Deutschland muss die Umsetzung der aus der Behindertenrechtsstrategie 2021-2030 abgeleiteten Initiativen aktiv gestaltend und ambitioniert begleiten. Das betrifft insbesondere die Einführung eines europäischen Behindertenausweises, der die Nachteilsausgleiche des jeweiligen Landes zugänglich macht.
  • Deutschland muss sich für die Verabschiedung der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie einsetzen.

Beschlossen vom Verwaltungsrat des DBSV am 7. Mai 2021.

(aus: https://www.dbsv.org/resolution/forderungen-zur-bundestagswahl-2021.html)

Bild: Logo des DBSV auf weißem Hintergrund mit schwarzer Schrift. In der ersten Zeile schreitet neben der Abkürzung "DBSV" eine stilisierte, blaue Figur mit großem Schritt und Blindenstock, in zwei Zeilen wird der Name ausgeschrieben. © DBSV

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Beruf, Bildung und Wissenschaft

Auswirkungen des beruflichen Wandels auf Menschen mit Seheinschränkungen
Ergebnisse der Umfrage im Rahmen des Projekts agnes@work

Von Oliver Nadig

Im November 2020 hat das DVBS-Projekt agnes@work zur Teilnahme an seiner Online-Umfrage "Auswirkungen des digitalen Wandels an Arbeitsplätzen von Menschen mit Seheinschränkung" aufgerufen. Über 400 Personen haben den Internet-Fragebogen ausgefüllt. Verbunden mit einem herzlichen Dank für die engagierte Teilnahme und viele konstruktive Rückmeldungen möchten wir über Hintergründe und Ergebnisse der Studie berichten.

Die Hintergründe

Blinde und sehbehinderte Berufstätige sind vom rasanten Wandel in der Arbeitswelt in besonderer Weise betroffen. Vor allem dann, wenn sie in Unternehmen einzeln auftreten, besteht die Gefahr einer suboptimalen Unterstützung und Förderung.

Vor dieser Ausgangssituation ist Mitte 2020 im Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) das Projekt agnes@work gestartet. agnes@work steht für "Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige - Beratungs- und Kompetenznetzwerk am Arbeitsplatz". Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds geförderte Vorhaben führt der DVBS zusammen mit Partnerinnen und Partnern wie der Deutschen Blindenstudienanstalt, Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken, beruflichen Interessenvertretungen sowie Leistungs- und Kostenträgern durch.

Ein Kernziel von agnes@work ist die individuelle, passgenaue Teilhabestärkung und Potentialentwicklung von Menschen mit Seheinschränkungen vor Ort am Arbeitsplatz. "Stärkung" meint Maßnahmen, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im aktuellen Job beitragen, "Potentialentwicklung" steht für Prozesse, an deren Ende ein beruflicher Aufstieg oder ein Jobwechsel stehen kann.

Die Angebote von agnes@work sind inklusiv; sie beziehen neben den unmittelbar Betroffenen sämtliche sonstige Beteiligte von Anfang an mit ein. Das können Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, Personal- und Schwerbehindertenvertretungen sowie externe gesetzliche Leistungsträger, darunter Arbeitsagenturen, Integrationsämter, Jobcenter und Rentenversicherungen sein. Um im gesamten Bundesgebiet Leistungen vor Ort anbieten zu können, baut agnes@work ein überregionales multiprofessionelles Kompetenznetzwerk von Fachleuten aus den Bereichen Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation, Barrierefreiheit, berufliche Teilhabe, Job Coaching, Bildungs- und Leistungsberatung auf.

Eine Umfrage zur Bedarfsermittlung

Dass Menschen mit Seheinschränkungen in besonderer Weise vom beruflichen Wandel betroffen sind, leuchtet ein - aber was bedeutet dies in der Praxis und am individuellen Arbeitsplatz? Zur Untersuchung dieser Frage haben wir in agnes@work die breit angelegte Online-Umfrage "Auswirkungen des digitalen Wandels an Arbeitsplätzen von Menschen mit Seheinschränkung" durchgeführt. Wir berichten nachstehend über die Ergebnisse zu den folgenden drei Kernfragen:

  1. Wie groß ist der Anteil derjenigen, die von einer bestimmten beruflichen Veränderung betroffen sind?
  2. Wirkt sich eine Veränderung negativ, positiv oder neutral auf den Berufsalltag aus?
  3. Wie schwer fällt seheingeschränkten Berufstätigen der Einsatz von Strategien zur Bewältigung verbreiteter Herausforderungen im Berufsalltag?

Demografische Angaben

Die vorliegende Auswertung berücksichtigt 402 Fragebogenbearbeitungen. Die Studie enthielt 72 Einzelfragen (Items). 83,1% (334 Personen) haben die Umfrage bis zum Ende bearbeitet - ein außerordentliches Engagement im Sinne der Selbsthilfe. Es haben 46,8% Männer, 52,9% Frauen und 0,3% geschlechterdiverse Personen teilgenommen. Das Altersmittel betrug 46,7 Jahre. Per Selbsteinschätzung stuften sich 42% als blind, 34% als hochgradig sehbehindert und 24% als sehbehindert ein.

Anteil, Richtung und Ausmaß der Betroffenheit von Veränderungen

Wir haben 10 Ausgangssituationen vorgestellt, so etwa "Unser Unternehmen verfügt über ein Intranet" oder "Am Computer setze ich neben dem Betriebssystem und neben Standard-Software wie Textverarbeitung, Mailprogramm und Internetbrowser auch fachspezifische Software (sogenannte Fachanwendungen) ein". Sofern die Ausgangssituation nicht zutraf (kein Intranet vorhanden, keine Fachanwendungen im Einsatz), sollte mit "Unzutreffend" geantwortet werden. Wer dies tat, wurde als "nicht involviert" klassifiziert. Traf die Situation zu, sollte die im zweiten Teil der Aussage geschilderte Veränderung beachtet werden, etwa "Im Vergleich zu früher hat sich die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Intranets für mich verschlechtert". Das Ausmaß der erlebten Veränderung wurde über eine fünfstufige Skala erfasst, die von "Stimmt nicht" bis "Stimmt vollkommen" reichte. Wer diese Skala verwendete, galt als "involviert". Inhaltlich schilderten 7 der 10 Aussagen negative Veränderungen und 3 positive Veränderungen.

Für eine überblicksartige Auswertung wurden die drei Antwortkategorien "Stimmt teilweise", "Stimmt überwiegend" und "Stimmt vollkommen" zu "Zustimmung" zusammengefasst. Zustimmung zu einem negativ formulierten Item galt als negative Veränderung, Zustimmung zu einem positiv formulierten als positive Veränderung.

Ergebnisse: In 6 der 10 Situationen sind jeweils mehr als 80% der Teilnehmenden involviert. Tendenziell ergibt sich für IT-Themen höhere Involviertheit als für soziale und arbeitsorganisatorische Aspekte.

Negative Veränderungen finden sich überwiegend bei IT-Themen: 59,1% stimmen der Aussage zu, die Zugänglichkeit der eingesetzten Fachanwendungen habe sich verschlechtert (Rang 1). Auf Rang 3 findet sich mit 38,9% die Aussage, die Zugänglichkeit des Intranets habe sich verschlechtert. Dazwischen steht auf Rang 2 mit 44,4% Zustimmung der psychosoziale Aspekt "Die Zahl der Termine, zu denen ich Inhalte vor meinem Team oder in der Öffentlichkeit präsentieren muss, hat im Vergleich zu früher zugenommen. Ich fühle mich beim Präsentieren unsicher, weil ich das Gefühl habe, die Reaktionen meines Publikums nicht einschätzen zu können". Am seltensten hat die Anzahl der Konflikte mit der persönlichen Assistenzkraft zugenommen (16,1%, Rang 7).

Die Rangfolge der Positiv-Veränderungen führt mit 75,2% die Aussage an, dass Weiterbildungen bei zunehmendem Stellenwert bedarfsgerecht absolviert werden konnten. 68,9% stellen dies auch beim Thema Fortbildungen fest. 65,9% stimmen der Aussage zu, für Fort- und Weiterbildungen generell offener geworden zu sein.

Bewertung erlebter Veränderungen

22 mögliche berufliche Veränderungen waren vorgegeben, darunter "Ich kann eigenverantwortlicher arbeiten als früher" oder "Meine Vorgesetzten sind mir gegenüber anspruchsvoller geworden bzw. verlangen mir mehr ab als früher". Wer diese Veränderung selbst nicht erlebt hat, sollte mit "Keine Angabe" antworten und wurde als "nicht involviert" gezählt. Wer von der Veränderung persönlich betroffen war, dem stand zur Bewertung eine fünfstufige Skala zur Verfügung, deren Antwortkategorien von "Bewerte ich vollkommen negativ" über "Bewerte ich neutral" bis zu "Bewerte ich vollkommen positiv" reichten. Wer diese Skala nutzte, galt als "involviert".

Um zu ermitteln, ob eine Veränderung generell als eher positiv oder eher negativ gelten durfte, wurden die beiden Kategorien "Eher positiv" und "Sehr positiv" zu "Positiv" sowie die beiden Wahlmöglichkeiten "Sehr negativ" und "Eher negativ" zu "Negativ" zusammengefasst. Eine Veränderung galt als überwiegend positiv bewertet, wenn sie mehr Positiv- als Negativwertungen erhielt und als überwiegend negativ bewertet, wenn die Zahl der Negativwertungen überwog. So entstand eine Rangliste mit 10 überwiegend positiv bewerteten, eine weitere mit 12 überwiegend negativ bewerteten erlebten Veränderungen.

Ergebnisse: Am häufigsten positiv bewertet wird "Ich kann eigenverantwortlicher arbeiten als früher" (89,3%), gefolgt von der Möglichkeit, im Gegensatz zu früher ganz oder teilweise im Homeoffice tätig sein zu können (80,2%) sowie von der Tatsache, dass die Arbeitsaufgaben vielfältiger geworden sind (67,1%). Weniger als früher auf Arbeitsplatzassistenz angewiesen zu sein, rangiert mit 62,5% auf Rang 4. Zentrales Befragungsergebnis ist, dass auch die allgemein formulierte Aussage "In der Gesamtschau erlebe ich den beruflichen Wandel ..." mit 48,8% in der Positivliste zu finden ist und dort Rang 7 einnimmt.

Am häufigsten negativ bewertet wird "Der Geräuschpegel in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld ist höher als früher" (69,0%), gefolgt vom Umstand, dass es im Unternehmen immer weniger persönliche Kommunikation gibt (67,1%). Während die Tatsache, zunehmend seltener auf Arbeitsplatzassistenz angewiesen zu sein, mit 62,5% die viert-positivste Änderung darstellt, ist für einen anderen Teil der Antwortenden der Umstand, häufiger auf persönliche Assistenz angewiesen zu sein als früher, die viert-negativste Entwicklung (61,7%). Für 47,8% stellt immer komplexer werdende Anwendersoftware eine Negativentwicklung dar.

Einen Überblick über die Angaben zu den 12 überwiegend negativ bewerteten Veränderungen, aufgeschlüsselt nach Negativquote, Positivquote sowie dem Anteil derjenigen, die mit "Neutral" geantwortet haben, gibt das gestapelte Balkendiagramm in der Abbildung 1 "Liste der 12 negativ bewerteten beruflichen Veränderungen, am negativsten bewertete Veränderung ganz oben"(*)

Schwierigkeiten beim Anwenden von Problemlösestrategien

Es wurden 12 Strategien zum Anpacken beruflicher Herausforderungen vorgestellt. Einzuschätzen war, wie schwer das Anwenden der entsprechenden Strategie fällt. Hierzu gab es eine 5-stufige Skala mit Antwortkategorien von "Fällt mir sehr leicht" bis "Fällt mir sehr schwer".

Für eine überblicksartige Auswertung wurden die beiden Antwortmöglichkeiten "Sehr leicht" und "eher leicht" zu "Leicht", sowie die drei Kategorien "Mittelschwer", "Eher schwer" und "Sehr schwer" zu "Schwer" zusammengefasst.

Ergebnisse: Anhand der geschilderten Zweiteilung ist die schwierigste Strategie, bei Konflikten mit Kolleg*innen Vorgesetzte einzubeziehen (66,0%). 61,4% Fällt es schwer, in Gruppensituationen darum zu bitten, stärker an gemeinsamen Aktivitäten beteiligt zu werden. Für 54,4% stellt es eine schwere Herausforderung dar, Vortragende bei laufender Präsentation um eine angemessene Verbalisierung der visuell dargebotenen Inhalte zu bitten.

Hingegen fällt es 77,2% leicht, mit Kolleg*innen und Vorgesetzten über ihre Sehbehinderung zu sprechen. 71,3% sehen es als geringe Herausforderung an, Referent*innen im Vorfeld einer Veranstaltung um die Bereitstellung barrierefreier Unterlagen zu bitten. Für 10 der 12 Strategien gilt: Blinde Menschen haben im Arbeitsalltag weniger Hemmungen als hochgradig sehbehinderte und sehbehinderte Personen, um Unterstützung zu bitten.

Zusammenfassung, Diskussion, Fazit

Dank der Umfrage ist es gelungen, der unscharfen Aussage "Menschen mit Seheinschränkung sind in besonderer Weise vom Wandel in der Arbeitswelt betroffen" Konturen zu verleihen. Einerseits sind im Bereich digitale Barrierefreiheit angesichts abnehmender Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Software und Webseiten Verschlechterungstendenzen zu erkennen. Zunehmender Lärm am Arbeitsplatz, häufigere Umzüge und Umbauten im Dienstgebäude, verstärkte Abhängigkeit von persönlicher beruflicher Assistenz sowie abnehmender Stellenwert persönlicher Kommunikation sind besonders negativ bewertete organisatorische und psychosoziale Veränderungen. Andererseits offenbart sich ein breites Spektrum persönlicher beruflicher Potentiale: In der Gesamtschau wird der Wandel in der Arbeitswelt häufiger positiv als negativ empfunden (48,8% gegenüber 28,2%). Die Bereitschaft zur beruflichen Weiterentwicklung hat bei 65,8% zugenommen. Sofern bewältigbar, werden zunehmende Komplexität von Arbeitsaufgaben, steigende Ansprüche seitens Kolleg*innen und Vorgesetzten sowie eine größere betriebliche Verantwortung eher positiv als negativ bewertet.

Obwohl sie breit angelegt und von über 400 Personen beantwortet wurde, erhebt die Umfrage keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Idee zu dieser Erhebung ist aus der Notwendigkeit heraus entstanden, Informationen über die Nachfrage einzuholen, bevor agnes@work konkrete Angebote macht. Wo Maßnahmen zur beruflichen Teilhabestärkung und zur Potentialentwicklung am Arbeitsplatz ansetzen müssen, hat die Studie gut herausgearbeitet.

(*) Abbildung 1, Items und Werte

Gestapeltes Balkendiagramm mit dem Titel "Negativ bewertete Veränderungen". Für jedes der 12 Items werden die Anteile der Negativ-, der Neutral- und der Positiv-Bewertungen angegeben. Die Items sind:

  • "Der Geräuschpegel in meinem unmittelbaren Arbeitsumfeld ist höher als früher." 69,0% bewerten das negativ, 28,6% neutral und 2,4% positiv.
  • "Ich habe weniger persönliche Kommunikation mit Kolleg*innen als früher." 67,1% bewerten das negativ, 26,1% neutral und 6,8% positiv.
  • "Meine Computerhilfsmittel müssen häufiger aktualisiert bzw. angepasst werden als früher." 64,3% bewerten es negativ, 23,8% neutral und 11,9% positiv.
  • "Ich bin mehr auf persönliche Arbeitsplatzassistenz angewiesen als früher." 61,7% Negativ-Bewertungen, 30,8% Neutral- und 7,5% Positiv-Bewertungen.
  • "Innerhalb meines Dienstgebäudes wird häufiger umgezogen und umgebaut als früher." 57,3 bewerten das negativ, 36,8% neutral und 5,9% positiv.
  • "Die Software, die ich einsetzen muss, ist komplexer als früher." 47,8% bewerten das negativ, 34,2% neutral und 18,0% positiv.
  • "Meine direkten Ansprechpartner im Unternehmen wechseln häufiger als früher." 46,2% bewerten es negativ, 42,4% neutral und 11,4% positiv.
  • "Mein Arbeitsweg ist mobilitäts-technisch komplexer als früher." 44,0% Positiv-Bewertungen, 43,5% neutrale Bewertungen und 12,5% positive Bewertungen.
  • "Ich teile mein Büro mit mehr Personen als früher." 39,9% empfinden das als negativ, 31,9% neutral und 28,3% positiv.
  • "Die Anzahl der Computerprogramme, die ich benutzen muss, hat sich im Vergleich zu früher erhöht." 37,1% bewerten das negativ, 33,2% neutral und 29,7% positiv.
  • "Hinsichtlich meiner Computerhilfsmittel muss ich mich häufiger weiterbilden als früher." 33,5% bewerten das negativ, 39,1% neutral, 27,4% positiv.
  • "Weil wir zunehmend an wechselnden Orten in unserem Unternehmen eingesetzt werden, herrscht in Fluren, Treppenhäusern und Fahrstühlen mehr Betrieb als früher." 27,7% bewerten das negativ, 57,4% neutral und 14,9% positiv.

Mehr über das Projekt agnes@work

... gibt es auf https://www.agnes-at-work.de. Das Projektteam ist erreichbar unter Tel.: 06421 94888-33 und per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bild: Logo agnes@work. Die linke Hälfte des Logos enthält das @-Zeiten des Akronyms als stilisiertes Auge. In der Schnittmenge einer gelben und blauen Hintergrundfläche ist eine neue Farbnuance entstanden.

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Der Bericht zur Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen 2020 der Bundesagentur für Arbeit ist da

Ergebnis: Die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung stieg um 15.000 auf rund 170.000 - 41 Prozent von ihnen waren mindestens ein Jahr arbeitslos. Das sind 11 Prozent mehr als bei Menschen ohne Behinderung.

Die Zahl der schwerbehinderten Menschen in Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik lag 2020 unter dem Vorjahresniveau.

Hier das Wichtigste in Kürze:

  • Häufigste Ursache einer Schwerbehinderung ist eine im Lebensverlauf erworbene Krankheit. Schwerbehinderte Menschen sind daher meist älter; infolge des demografischen Wandels wird ihre Zahl steigen.
  • Die Erwerbsbeteiligung schwerbehinderter Menschen ist deutlich niedriger als bei der nicht-schwerbehinderten Bevölkerung.
  • Der Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen wird weniger durch die Konjunktur und stärker durch rechtliche Rahmenbedingungen und die demografische Entwicklung beeinflusst.
  • Die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Dieser Anstieg geht aber nicht nur auf die steigende Zahl schwerbehinderter Menschen zurück, sondern auch auf eine steigende Erwerbsbeteiligung.
  • Schwerbehinderte Menschen arbeiten in allen Branchen. Häufig sind sie im Öffentlichen Dienst tätig.
  • Aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie hat sich im Jahr 2020 auch die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen erhöht. Allerdings hat sich dieser "Corona-Effekt" bei dieser Personengruppe im Vergleich zu nicht-schwerbehinderten Menschen weniger stark ausgewirkt.
  • Im Durchschnitt des Jahres 2020 waren 170.000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos (+15.000 im Vergleich zum Vorjahr).
  • Arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderung sind gut qualifiziert: Anteilig finden sich bei schwerbehinderten Arbeitslosen etwas mehr Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung als bei nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen.
  • Schwerbehinderten Arbeitslosen gelingt es trotzdem seltener als nicht-schwerbehinderten, eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt aufzunehmen - gemessen am Arbeitslosenbestand werden sie allerdings auch nicht so häufig arbeitslos.
  • Die Dynamik der Arbeitslosigkeit ist bei schwerbehinderten Arbeitslosen deutlich geringer als bei nicht-schwerbehinderten. Die Dauer der Arbeitslosigkeit und der Anteil der Langzeitarbeitslosen sind daher deutlich höher.
  • Die Zahl der schwerbehinderten Menschen in Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik lag 2020 unter dem Vorjahresniveau.

Die Informationen stammen aus der 22-seitigen Publikation: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt - Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen 2020, Nürnberg, Mai 2021, S. 4.

PDF-Datei siehe: https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Menschen-mit-Behinderungen/generische-Publikation/Arbeitsmarktsituation-schwerbehinderter-Menschen.pdf?__blob=publicationFile&v=9)

Rückfragen sind möglich unter E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!;Tel.: 0911 179-1080.

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Blindheit aus der Perspektive der Sehenden. Menschen ohne Augenlicht in den europäischen Periodika des 18. Jahrhunderts *

Teil 2

Von PD Dr. Patrick Schmidt

III. Misstrauen und Ressentiment

Zu berichten ist vor allem von Misstrauen und Ressentiment gegenüber blinden Bettlern. Blindheit und das Bitten um Almosen in der Öffentlichkeit wurden spätestens seit dem Hochmittelalter miteinander identifiziert. Der Blinde konnte für den Bettler schlechthin stehen - auch wenn, wie Moshe Barasch bemerkt, natürlich nicht alle blinden Menschen bettelten und nicht alle Bettler blind waren.(26) In spätmittelalterlichen Texten bewegten sich Charakterisierungen blinder Bettler zwischen "deviousness" und "outright fraudulence", schreibt Barasch.(27) Was aber warf man ihnen konkret vor? Ein wesentlicher Aspekt war der Verdacht des betrügerischen Bettelns. Das konnte beispielsweise bedeuten, dass Bettler Blindheit vortäuschten. Dieser Vorwurf ist bereits in Quellen des Hochmittelalters belegt.(28) In den Basler Betrügnissen des 14. und dem Liber Vagatorum des frühen 16. Jahrhunderts wurde blinden Bettlern zudem eine andere Form der Täuschung vorgeworfen: unwahre Angaben über die Ursachen ihrer Erblindung. Bettler, die zur Strafe für ein schweres Delikt geblendet worden waren, konnten beispielsweise behaupten, ihr Augenlicht eingebüßt zu haben, als sie überfallen worden waren.(29)

Der Vorwurf, eine Beeinträchtigung zu simulieren, um auf diese Weise unverdientes Mitleid zu heischen, wurde in den untersuchten Periodika des 18. Jahrhunderts regelmäßig gegenüber augenscheinlich lahmen und verkrüppelten Bettlern erhoben, nicht aber gegenüber blinden. Auch unwahre Angaben über die Ursachen von Erblindung spielen hier keine Rolle, was daran liegen dürfte, dass die Blendung als Strafe in der Frühen Neuzeit nicht mehr üblich war. Vorgeworfen wurde Bettlern aber in mehreren Fällen, sich in ihrer Blindheit bequem eingerichtet zu haben, die beim Betteln eine wertvolle Ressource darstellen konnte.

Auch dieser Verdacht hatte mittelalterliche Wurzeln. So entstand im 12. Jahrhundert eine Erzählung über einen blinden und einen lahmen Bettler, die, als sie merken, dass sich ihnen eine Prozession mit den Gebeinen des heiligen St. Martin nähert, vergeblich versuchen, die Flucht zu ergreifen. Denn sie wissen, dass die Reliquien Wunderheilungen bewirken können, wollen aber auf ihre Gebrechen und die Möglichkeit, mit ihnen Almosen zu erlangen, gar nicht verzichten.(30) Genau diese Geschichte wird in einem englischen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1775 nacherzählt.(31) Sie wird nun aber in einen anderen, für das 18. Jahrhundert symptomatischen, Rahmen gestellt: Die Gegebenheit, die als aktuelles Geschehen ausgegeben wird, wird als Argument dafür angeführt, mehr Personal zur Überprüfung von Bettlern einzustellen, das in jedem Einzelfall feststellen soll, "whether their complaints of broken limbs, loss of sight, &c. are real or artificial".(32)

Die Bettler in dem gerade vorgestellten Artikel fliehen vor einem ‘drohenden’ Heilungswunder. Eine Art von säkularisiertem Heilungswunder stellten für Betrachter des 18. Jahrhunderts die erfolgreichen Staroperationen dar. Zwei Artikel aus dem späten 18. Jahrhundert erzählen von blinden Bettlern, denen wohltätige Bürger diese Art von chirurgischem Eingriff ermöglichen wollen. In beiden Fällen lehnen die Bettler dieses Angebot ab. Der erste dieser Texte erschien 1770 in einer englischen Zeitung.(33)

Der blinde Bettler bekennt sich in dieser Nachricht offen zu seiner Arbeitsscheu, was dem Artikelverfasser den Vorwand liefert, eine harsche sozialpolitische Position zu artikulieren: Großzügigkeit gegenüber Bettlern sei unangemessen. Eine solche Schlussfolgerung unterbleibt in einem deutschen Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1788. Die Geschichte, welche der Mainzer Armendirektor Rulffs erzählt, ist aber sehr ähnlich. Es ist hier allerdings nicht der blinde Bettler selbst, welcher die angebotene Therapie ablehnt - wünscht er doch sehr, "die liebe Sonne noch einmahl zu sehen".(34) Es sind vielmehr seine Angehörigen, die ihn von der Operation abhalten, "weil, wenn er sehend würde, eine wichtige Geldintrate für Frau und Kinder aufhören, und sie sich alsdann nicht mehr durch Müßiggang, sondern durch Fleiß und Arbeit ernähren müßten."(35)

Im Italien der Renaissance trat neben den Vorwurf des betrügerischen Bettelns gegenüber blinden Menschen "the suspicion that they beg for alms though they are rich"..(36) Auch dieser Verdacht scheint in den hier untersuchten Texten des 18. Jahrhunderts einmal auf, und zwar in einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1710. Im Journal des Sçavans wird eine 1708 veröffentlichte Heiligenvita besprochen, die Vita St. Antonio Archivescovo de Firence [...] Domenico Maccarinis..(37) Die Rezension gibt die folgende Legende über das Wirken dieses später kanonisierten Prälaten des 15. Jahrhunderts wieder: Ein Bürger bittet den Erzbischof um Rat. Er benötige eine Mitgift für seine Töchter, könne diese aber nicht aufbringen. Antoninus empfiehlt ihm, jeden Morgen in einer bestimmten Kirche in Florenz zu beten. Eines Tages belauscht er vor dem Kirchenportal zwei blinde Bettler, die voreinander mit den hohen Summen prahlen, die sie durch Almosen bereits eingenommen hätten. Der brave Bürger erkennt, dass die Beiden das erbetete Geschenk des Himmels sind, und stiehlt ihnen den Hut und den Mantel mit dem Geld. Danach berichtet er dem Erzbischof von seinem Tun. Dieser bestraft nicht etwa den Mann, der sich die Blindheit der Bettler zunutze gemacht hatte, um sie zu bestehlen. Vielmehr zitiert er die Bestohlenen herbei und gibt ihnen - nachdem er ihnen "une remonstrance foudroyante".(38)(etwa: eine donnernde Strafpredigt) gehalten hatte, nur einen Bruchteil ihres Geldes zurück. Den Rest darf der Bürger behalten. Der Verfasser der Heiligenvita und ihr Rezensent heißen das Verhalten des Heiligen offenbar stillschweigend gut. Und das können sie nur tun, weil sie nicht nur betrügerisches Betteln ablehnen, sondern der Ansicht sind, dass auch tatsächlich blinde Menschen durch Almosen nicht zu Wohlstand gelangen dürfen.

Abschließend sei ein letzter Quellentext vorgestellt, der zeigt, dass sich diese negativen Affekte nicht nur gegenüber Bettlern zeigen konnten. Im Jahr 1785 erzählt A.H. Homeyer im Hannoverischen Magazin von einem in seinen Augen bemerkenswerten blinden Mann, dem im Vorjahr verstorbenen Johann Glade aus Syke bei Bremen.(39) Er weist auf den im letzten Abschnitt (siehe Teil 1) diskutierten Artikel über den "Blinden Jakob" aus dem Vorjahr hin. Wie in jenem Text geht es bei ihm um die außergewöhnlichen Fähigkeiten eines blinden Menschen. Johann Glade konnte sich dem Artikel zufolge in seinem Heimatdorf außerordentlich gut räumlich orientieren - ähnlich wie der blinde Mann in Den Haag, der den englischen Reisenden im dichten Nebel zum Palast des Statthalters führt. Doch Homeyer ist das Orientierungsvermögen Glades erkennbar unheimlich - auch noch ein Jahr nach dessen Tod. Weil er es sich nicht erklären kann, löst es bei ihm Irritationen aus, nicht Bewunderung: "Wie er sich aber nicht nur im Flecken Sieke hat völlig zurecht finden und allemal die rechte Thüre treffen, sondern auch stundenweit über Feld gehen könne, das scheinet unbegreiflich.".(40)

Und noch etwas anderes scheint im Spiel zu sein - so etwas, wie verletzter Stolz. Das wird erkennbar in der Art und Weise, wie Homeyer Glade auf die Probe stellt: Er versucht ihn mehrfach in die Irre zu führen und ist enttäuscht, wenn der blinde Mann doch den richtigen Weg einschlägt. Aus dem ersten Absatz des Artikels lässt sich herauslesen, dass Homeyer in Glade jemanden sieht, der nicht die in seinen Augen für einen blinden Menschen angemessene Demut an den Tag legt, sondern sich vielmehr "dreist" verhält: "Wem es nicht gesagt wurde, daß er blind war, der bemerkte es nicht; so dreist ging er einher. Etwas hoch trug er die Nase, und einen gewöhnlichen dünnen Gehstock führte er, so oft ich ihn gesehen habe, in seiner rechten Hand.".(41) In der Perspektive des Verfassers, so lässt sich vermuten, hatten sich blinde Menschen in eine ‘natürliche’ Ordnung zu fügen, in der sie den Sehenden allemal unterlegen waren.

IV. Schluss

Dieser Aufsatz hat auf der Grundlage von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln ein Panorama entfaltet, und zwar in einem doppelten Sinne: Ein Panorama von Situationen, in denen Blindheit im 18. Jahrhundert Aufmerksamkeit erregen und Gesprächsgegenstand werden konnte. Und ein Panorama der Vorstellungen, die sich mit Blindheit verbanden und die auf blinde Menschen projiziert wurden. Zugleich war es ein Anliegen des Verfassers, den Wert dieser Quellengattungen für die Geschichte blinder Menschen zu demonstrieren. So zeigt der Blick in die Gazetten und Journale, dass die Fragen, welche die Gelehrtenwelt bewegten, auch eine breitere Öffentlichkeit interessierten. Sie zeigen aber darüber hinaus, dass letztere sich auch von Begebenheiten faszinieren ließ, die mit den neuesten erkenntnistheoretischen oder pädagogischen Entwicklungen wenig zu tun hatten. Das konnten beispielsweise Geschichten über blinde Menschen sein, die auf ganz traditionellen Wegen oder autodidaktisch zu großem Wissen gelangt waren.

Zeitungs- und Zeitschriftenartikel führen vor Augen, dass sich tradierte Vorstellungen über Blindheit und blinde Menschen bis ins Jahrhundert der Aufklärung halten bzw. in diesem Jahrhundert wiederbelebt werden konnten. Das gilt offenkundig für die Negativbilder von blinden Bettlern, die sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lassen. Es gilt aber auch für Narrative über gebildete und leistungsfähige blinde Menschen. Dass diese im 18. Jahrhundert von Zeitungs- und Zeitschriftenherausgebern gerne publiziert wurden, dürfte durchaus mit den damals aktuellen Diskussionen über Sinneswahrnehmungen und Kognition sowie über die Möglichkeiten der Blindenbildung zu tun gehabt haben. Die Faszination für blinde Gelehrte aber war beispielsweise ein deutlich älteres Phänomen. Das legen Artikel Eberhard Werner von Happels in den Relationes Curiosae nahe, in denen er unter anderem den spätantiken Theologen Dydimus Alexandrinus und einen im 15. Jahrhundert in Flandern lebenden Professor Nicolaus de Werde erwähnt.(42)

Hervorzuheben ist auch, dass in einer Reihe von Artikeln die Hinwendung zum Glauben als eine Bewältigungsstrategie blinder Menschen, insbesondere blinder Frauen, dargestellt wird. Das gilt für Marie-Thérèse du Saint-Esprit, die im Alter erblindete Nonne. Es gilt ebenso für die beiden Frauen aus Gießen, die offenbar einen Gutteil ihrer Energie darauf verwendeten, große Teile der Bibel auswendig zu lernen. Für das England des 18. Jahrhunderts hat David M. Turner postuliert, dass "‘religious’ and ‘medical’ responses to disability" keineswegs als einander wechselseitig ausschließend betrachtet wurden und friedlich koexistieren konnten..(43) Die Werbeanzeigen für Medikamente und chirurgische Therapien gegen Blindheit, die man mit Turner als Symptome und Werkzeuge einer Kommerzialisierung dieser und anderer Beeinträchtigungen verstehen kann,.(44) standen aber sehr wohl in einem Spannungsverhältnis mit einer Akzeptanz von Blindheit aus dem eigenen Glauben heraus, weil sie die Suche nach Heilung zu einer notwendigen Voraussetzung für ein erfülltes und nützliches Leben erklärten..(45)

Es lohnt sich für die Disability History, in historischen Periodika auch in die Anzeigenteile hineinzuschauen. Wie mit Beeinträchtigungen wie Blindheit bzw. der Furcht vor ihnen ein Geschäft gemacht wurde, lässt sich dort besser greifen als in anderen Quellengattungen. Sie geben aber auch Einblicke darin, wie die kommerzielle Revolution der Frühen Neuzeit die Lebenswelten blinder Menschen mitgestaltete. Sehhilfen, Medikamente, Operationen und andere angepriesene Waren waren ja tatsächlich verfügbar und wurden tatsächlich gekauft oder in Anspruch genommen - was natürlich nicht heißt, dass sie den Betroffenen wirklich halfen. Joop Koopmans hat kürzlich betont, dass für die Menschen jener Zeit Anzeigen Nachrichtenwert besaßen, weil sie ihnen wichtige Informationen über das Leben vor Ort boten, die in den redaktionellen Teilen der Zeitungen fehlten..(46) Periodika des 17. und 18. Jahrhunderts sind für die Disability History ein herausforderndes Quellenmaterial. Sie ermöglichen es aber, zeitgenössische Perspektiven auf behinderte Menschen zu rekonstruieren, die in anderen Quellen (noch) schwerer zu greifen sind..(47) Das hat der vorliegende Text am Beispiel von Wahrnehmungen und Konstruktionen von Blindheit im 18. Jahrhundert zu zeigen versucht.

(*) Anmerkung

Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors für horus gekürzt (Teil 1 siehe horus 2/2021, S. 24-28, Punktschrift S. 223-237). Die ungekürzte Originalfassung einschließlich des Literaturverzeichnisses finden Sie in:

Alexa Klettner, Gabriele Lingelbach (Hg.): Blindheit in der Gesellschaft. Historischer Wandel und interdisziplinäre Zugänge. Frankfurt, New York: Campus, 2018 (Disability History, Bd. 6), S. 35-64.

Bild: Buchcover des Sammelbandes "Blindheit in der Gesellschaft". Foto: Campus Verlag.

Fußnoten

(26) Vgl. Barasch, Blindness, S. 96.

(27) Ebd., S. 97.

(28) Vgl. Schubert, Ernst, Der betrügerische Bettler im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Peter Aufgebauer (Hg.), Festgabe für Dieter Neitzert zum 65. Geburtstag, Bielefeld 1998, S. 71-108. S. 83.

(29) Vgl. Jütte, Robert, Abbild und soziale Wirklichkeit des Bettler- und Gaunertums zu Beginn der Neuzeit. Sozial-, mentalitäts- und sprachgeschichtliche Studien zum Liber Vagatorum (1510), Köln 1988. S. 84 f.

(30) Vgl. Metzler, Irina, Bildliche Darstellungen des (nicht)behinderten Bettlers im Martinswunder aus der Perspektive mittelalterlicher Mentalitäten, in: Ochsner, Beate /Grebe, Anna (Hg.), Andere Bilder. Zur Produktion von Behinderung in der visuellen Kultur, Bielefeld 2013, S. 93-115. S. 109f.

(31) Vgl. Morning Chronicle, 18. Januar 1775, S. 2.

(32) Ebd.

(33) Gazetteer and New Daily Advertiser, 27. Oktober 1770, S. 3.

(34) A.F. Rulffs, Charakterist. Zug eines Blinden. Auszug aus dem 66. Stück des Mainz. Wochenblattes, in: Journal von und für Deutschland, fünfter Band, 7.-12. Stück, 1788, S. 204f.

(35) Ebd.

(36) Barasch, Blindness, S. 120.

(37) Vgl. Journal des Sçavans, 21. Juli 1710, S. 457-461.

(38) Ebd., S. 460.

(39) A.M. Homeyer, Der blinde Johann, in: Hannoverisches Magazin, 23. Jahrgang, 1785, S. 45-48.

(40) Ebd., S. 48.

(41) Ebd., S. 45.

(42) Der blinde Meister, in: Relationes Curiosae, der erste Theil, 1683, S. 101f.; Der blinde Künstler, in: Relationes Curiosae, der vierte Theil, 1689, S. 102f.

(43) Turner, David M., Disability in Eighteenth-Century England. Imagining Physical Impairment, New York 2012, S. 35.

(44) Vgl. ebd., S. 50-55.

(45) Vgl. ebd., S. 57f.

(46) Vgl. Koopmans, Joop W., Research in Digitized Early Modern Dutch Newspapers and the News Value of Advertisements, in: Bernd Klesmann / Patrick Schmidt / Christine Vogel (Hg.), Jenseits der Haupt- und Staatsaktionen. Neue Perspektiven auf historische Periodika. Bremen, 2017 (Presse und Geschichte - Neue Beiträge, Bd. 108), S. 95-112.

(47) Vgl. dazu: Schmidt, Patrick, Diskursgeschichtliche Rekonstruktion eines ‚verborgenen‘ Themas. Behinderungen und behinderte Menschen in Zeitungen und Zeitschriften des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Bernd Klesmann / Patrick Schmidt / Christine Vogel (Hg.), Jenseits der Haupt- und Staatsaktionen. Neue Perspektiven auf historische Periodika, Bremen, 2017 (Presse und Geschichte - Neue Beiträge, Bd. 108), S. 217-240.

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Barrierefreiheit und Mobilität

"Sommer bedeutet für mich mehr Schmerzen" - Blinder Musiker kritisiert rücksichtslos abgestellte E-Scooter

Von Petra Krines

E-Roller sind hip. Sie sind unkompliziert zu nutzen, schneller als Fußgänger und einfach per App zu buchen. Und dennoch kann sich der Frankfurter Fred Lohr nicht für die modernen Vehikel begeistern. Er ist blind und machte schon oft schmerzhafte Bekanntschaft mit den Gefährten, obwohl er sehr routiniert mit seinem Blindenstock umgeht. "An der Bushaltestelle im Gutleutviertel, die ich fast täglich nutze, steige ich grundsätzlich vorsichtig aus. Sie befindet sich in der Nähe eines Briefzentrums und ich muss immer mit Lieferverkehr an Ausfahrten rechnen", sagt der 51-Jährige. Kaum hatte er diese Gefahrenstelle überwunden, geriet sein Blindenstock unter ein Hindernis. Der Stock brach und er fiel - über vier E-Roller des Anbieters Bolt, die auf dem Gehweg lagen. "Mein Stock war kaputt und mein Schienbein schmerzte höllisch. Aber ich hatte Glück. Wäre ich etwas anders gefallen, hätte mir der Lenker die Zähne ausgeschlagen", erzählt Fred Lohr. Er rief die Polizei, die den Unfall aufnahm.

Etwas später wollte er den Schaden dem Betreiber Bolt melden. Doch der war über das Internet nur schwer zu finden. Auf der Website kann zwar ein Schaden angegeben werden, doch nur mit der ID-Nummer des entsprechenden E-Rollers. Das Impressum oder eine Telefonnummer suchte der gebürtige Frankfurter vergeblich. "Ganz abgesehen davon könnte ich eine ID-Nummer auf einem Scooter nur dann lesen, wenn sie in Punktschrift angebracht wäre", erklärt er.

Im Jahr 2020 registrierte die Polizei bundesweit 2155 Unfälle mit E-Rollern. Insbesondere für Menschen mit Seheinschränkungen sind sie eine Gefahrenquelle. "Sie sind kaum zu hören, Nutzer*innen fahren oft rücksichtslos und schnell auf den Gehwegen und sie werden überall abgestellt", kritisiert Ursula Weber, die Erste Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS). Die Selbsthilfeorganisation forderte deshalb zum Tag der Verkehrssicherheit am 19. Juni 2021 verbindliche Abstellzonen für E-Scooter, die so markiert werden, dass sie mit Blindenstöcken zu ertasten sind.

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Zweifacher Grund zur Freude: 30-jähriges Jubiläum von "Hunde für Handicaps" sowie stärkere Rechte beim Mitführen eines Assistenzhundes

Von Jasmin Stoiber und Uwe Boysen

Socken aufhängen, Schnürsenkel aufziehen, Schlüssel aufheben - die Hilfeleistungen, die ein Assistenzhund ausführen kann, sind ebenso vielfältig wie die Bedürfnisse der Hundehalter*innen mit Behinderungen. Für viele Menschen mit Behinderungen ist ihr Assistenzhund als geliebter Alltagshelfer nicht mehr wegzudenken. Dabei ist das Konzept der Helfer auf vier Pfoten in Deutschland noch jung: Vor 30 Jahren begann in Berlin "Hunde für Handicaps - Verein für Behinderten-Begleithunde e. V." als erster Verein in Deutschland, Assistenzhunde nach dem Vorbild der Führhunde für Menschen mit Behinderungen auszubilden.

Hier können behinderte Hundehalter*innen ihren Hund gemeinsam mit den Trainer*innen des Vereins zum Behinderten-Begleithund ausbilden. Der Verein gibt aber auch ausgebildete und geprüfte Behinderten-Begleithunde ab, setzt sich für die rechtliche Anerkennung von Behinderten-Begleithunden, Blindenführ- und anderen Assistenzhunden ein, bietet Unterstützung in Fragen der Hundehaltung und organisiert Freizeitaktivitäten als sinnvollen Ausgleich für Mensch und Hund.

Die Idee war im Gründungsjahr 1991 in Deutschland völlig neu. Von Inklusion konnte damals unter Tierhalter*innen keine Rede sein: Menschen mit Behinderungen waren in Hundesportvereinen nicht willkommen - allein schon deshalb, weil ihre Rollstühle den Rasen hätten ruinieren können. "Die Barrieren in den Köpfen waren riesig", erinnert sich Sabine Häcker, Tierärztin und Erste Vorsitzende von "Hunde für Handicaps e. V.".

Heute ist der Verein stolz darauf, Inklusion jeden Tag zu leben. "Menschen mit und ohne Behinderungen trainieren gemeinsam. Dabei steht aber immer das Interesse am Hund im Vordergrund und nicht die Behinderung des Einzelnen." Es sei für viele Menschen eine angenehme Abwechslung, dass im Verein nicht Beeinträchtigungen und Barrieren die bestimmenden Themen sind, sondern die gemeinsame Aktivität und die Liebe zum Hund.

Für das 30-jährige Jubiläum des Vereins und die Feier am 25. Mai dieses Jahres hat die Entertainerin und langjährige Schirmherrin Gayle Tufts das Lied "Lieblingsbegleiter" komponiert, das auf www.hundefuerhandicaps.de/30 abgerufen werden kann.

Ein Grund zur Freude dürfte für Assistenzhunde und ihre Halter*innen im Jubiläumsjahr auch Artikel 9 des soeben verabschiedeten Teilhabestärkungsgesetzes sein, durch den im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) die Vorschriften §§ 12e-12l zu Assistenzhunden eingefügt wurden. Danach darf Menschen mit Behinderungen der Zutritt nicht wegen einer Begleitung durch einen Assistenzhund verweigert werden. Dies - so die Begründung in der Ausschussfassung des Bundestages - führt zu deutlich mehr Rechtsklarheit und letztlich auch zu breiterer allgemeiner Akzeptanz von Assistenzhunden sowie von Menschen mit Behinderungen, die auf einen Assistenzhund angewiesen sind. Betroffen ist der allgemeine Publikums- und Benutzungsverkehr, und zwar nicht nur in Ämtern und Behörden, sondern auch von privaten natürlichen und juristischen Personen. Der Geltungsbereich des BGG wird damit ausgeweitet.

Um ein hohes Niveau der Assistenzhundeausbildung zu sichern und gleichzeitig Missbrauch vorzubeugen, legt das Gesetz zudem fest, dass Assistenzhunde im Sinne des BGG immer ganzheitlich, also im Zusammenwirken von Mensch und Tier betrachtet werden (Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft). Die Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft muss von einer zertifizierten Ausbildungsstätte ausgebildet und von unabhängigen Prüferinnen oder Prüfern geprüft werden. Dadurch können Qualitätsstandards in der Assistenzhundeausbildung gesetzt werden. Innerhalb der Gruppe der Assistenzhunde bleiben die spezifischen Regelungen für Blindenführhunde nach § 33 SGB V in Verbindung mit § 139 SGB V bestehen.

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Berichte und Schilderungen

Tanztherapeutische Behandlung von sehgeschädigten Menschen mit Teilleistungsstörungen
Kassenzulassung für Tanztherapie sowie Unterschreitung des Mindestabstands einfordern

Von Marco Meier

Sehr geehrte Damen und Herren,

trotz vieler Bemühungen in Politik und Gesellschaft sind sehgeschädigte Menschen bis heute einer Stigmatisierung ausgesetzt. Bei der Begegnung mit sehenden Menschen entscheidet häufig der bloße Anblick des Blindenlangstockes über die Typisierung der Person. In Marburg (aber auch in vielen anderen Städten) höre ich immer wieder die Aussage von Menschen ohne Behinderung, man könne durch geeignete Hilfsmittel das fehlende Sehvermögen vollständig kompensieren und sei deshalb folglich nicht mehr auf Unterstützung angewiesen. Für einen Großteil der Betroffenen mag das zutreffen, sofern sie keine weiteren Einschränkungen neben ihrer Sehbehinderung haben. Doch wie verhält es sich bei sehgeschädigten Menschen mit Teilleistungsstörungen? Und wie kann eine Tanztherapie diese kompensieren? Gerne möchte ich hier über meine Erfahrungen berichten.

Ich bin einige Wochen zu früh auf die Welt gekommen und lag deshalb im Brutkasten. Mein Gehirn bekam zu wenig Sauerstoff. Der Erblindungsprozess zog sich von Geburt an bis ins junge Erwachsenenalter hin, wobei ich schon in Kindestagen als hochgradig sehbehindert eingestuft wurde. Hinzu kamen frühkindliche Gleichgewichtsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite sowie Probleme bei der sozialen Interaktion mit Menschen. Diese zusätzlichen Beeinträchtigungen wurden durch eine heileurhythmische Therapie nach der anthroposophischen Theorie von Rudolf Steiner behandelt. Während die Gleichgewichtsstörungen nahezu verschwunden sind, zeigen sich bei mir auch heute noch Schwierigkeiten bei der sozialen Interaktion. Auch bei längeren Vorträgen fällt es mir häufig schwer, bis zum Ende der Sitzung aufmerksam zu bleiben. Letztere Herausforderung erlebe ich eben auch beim eigenständigen Lernen für die Uni sowie bei der Vorbereitung auf Klausuren oder Prüfungen. Von vielen Lehrenden wurde mir gesagt, dass ich Leistungsnachweise mit einem überdurchschnittlichen Ergebnis ablegen könnte. Dementsprechend war bei ihnen die Enttäuschung umso größer, als die Ergebnisse im "guten Bereich" oder schlechter ausfielen.

Schon in der Kindheit habe ich selbst festgestellt, dass ich durch Tanzen (insbesondere paarweise oder in der Gruppe) meine unsichtbaren Beeinträchtigungen innerhalb weniger Minuten lindern konnte. Die Wirkung hat zwei bis drei Tage angehalten, ehe die beschriebenen Probleme wieder aufgetreten sind. Ob ich ADHS-, Legasthenie- oder Autismus-Patient bin, oder ob mein Gehirn einen Mangel am Bindungshormon Oxytozin aufweist, kann ich nicht beurteilen. Ärztliche Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass ich an keiner herkömmlichen psychischen Erkrankung wie einer Depression leide. Kann ich meine unsichtbaren Beeinträchtigungen nicht kompensieren, habe ich im Alltag mit Ermüdungserscheinungen zu kämpfen und bin folglich eben auch auf mehr Assistenz angewiesen.

Vor Corona bin ich regelmäßig in die Tanzschule gegangen, habe in verschiedenen Clubs (ohne vorherigen Alkoholkonsum) getanzt oder an Festlichkeiten teilgenommen. Vor Ort eine Tanzpartnerin zu finden oder mich einer tanzenden Gruppe anzuschließen, hat sich regelmäßig als große Herausforderung erwiesen. Denn wenn man ganz allein solche Örtlichkeiten aufsucht, wird man von der Menschenmenge anders wahrgenommen. Zuletzt wirkte ich in der Tanzgruppe "Kunterbunte Wirbelwinde" der Lebenshilfe Nürnberger Land mit. Seit Beginn des zweiten Lockdowns wurde dieses Angebot bis heute ersatzlos gestrichen. Seitdem haben sich meine Alltagsherausforderungen weiter verstärkt.

Im Internet bin ich auf die Möglichkeit einer Tanztherapie aufmerksam geworden. Tanztherapeutinnen und -therapeuten sind in der Regel Heilpraktikerinnen bzw. Heilpraktiker für Psychotherapie, die sich im Rahmen ihrer Ausbildung schwerpunktmäßig mit dem Thema "Tanz und Bewegung" als heilende Kraft beschäftigen. Durch eine Tanztherapie lassen sich körperliche und psychische Beschwerden behandeln. Dabei werden aber in der Regel keine bestimmten Tänze oder Choreographien vermittelt. In der Tanztherapie wird der Patient bzw. die Patientin angeleitet, durch individuelle Bewegungen oder selbst definierte Tanzschritte die eigenen Herausforderungen, aber auch Potenziale künstlerisch auf das Parkett zu bringen. In persönlichen Gesprächen am Anfang jeder Therapiestunde ermittelt der Tanztherapeut bzw. die Tanztherapeutin das aktuelle Wohlbefinden des Patienten bzw. der Patientin. Den Schluss jeder Therapiesitzung bildet eine Reflexionsrunde. Tanztherapie gibt es als Einzel- oder Gruppenstunde. In Gruppentherapiestunden können neben der individuellen Bewegungsgestaltung auch Gruppentänze, Bewegungsspiele oder kleine Impro-Einlagen hinzukommen, welche die soziale Interaktion in der Gruppe fördern sollen. Die gewonnenen Erkenntnisse können die Patientinnen und Patienten in ihren Alltag integrieren.

Seit den vom Gesetzgeber definierten Regelungen zum Mindestabstand darf Tanztherapie in Gruppen nicht mehr angeboten werden. Selbst bei Einzeltherapie von sehgeschädigten Patientinnen und Patienten ist der Mindestabstand von 1,5 Metern zum Therapeuten bzw. der Therapeutin zu wahren. Diese Regelung halte ich nicht für verhältnismäßig. Sehgeschädigte Menschen können sich häufig nur begrenzt räumlich orientieren. Darüber hinaus ist die Gefahr größer sich zu verletzen. Das gilt insbesondere dann, wenn man sich mit langen Sprüngen durch den Raum tanzt oder spontane Drehungen vollzieht. Auf der anderen Seite darf der Mindestabstand in der Physiotherapie selbst bei leichten Symptomen regelmäßig unterschritten werden.

Die Politik muss handeln. Ich fordere daher die Vertreterinnen und Vertreter der Politik sowie der Behindertenselbsthilfe dazu auf, an einer gesetzlichen Lösung im Bereich der Tanztherapie zu arbeiten. Tanzen kann Leben retten und gesundheitliche Schäden kompensieren bzw. abwenden. Unter diesen Gesichtspunkten halte ich es für sinnvoll, eine Tanztherapie auch als Kassenleistung anzuerkennen. Eine Einzel-Therapie schlägt pro Stunde mit ca. 50 € zu Buche. Für Betroffene ist das viel Geld. Den gesetzlichen Krankenkassen kann man diese Kosten allerdings zumuten, zumal die medizinischen Ausgaben bei Folgeschäden im Falle einer fehlenden Behandlung um einiges höher ausfallen dürften. Darüber hinaus kann eine Tanztherapie auch von Suizid gefährdeten Personen dabei helfen, ihre Gedankengänge in eine positive Bahn zu lenken. Folglich ist die Tanztherapie eine nachhaltige und erfolgversprechende Behandlungsform - und das nicht nur für sehgeschädigte Menschen mit Teilleistungsstörungen. Sprechen Sie mich bei weiteren Fragen zu diesem Diskurs einfach an.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Meier

Bild: Marco Meier schätzt die positiven Auswirkungen von Tanztherapie. Er lächelt. Der Mann Anfang 30 hat einen Dreitagebart, dunkle Augen und braune Haare. Er trägt ein helles T-Shirt und eine helle Windjacke. Foto: DVBS

Bild: Das macht gute Laune: Marco Meier tanzt mit Partnerin Jerusalema, den seit 2020 weltweiten Hit (siehe #JerusalemaDanceChallenge). Beide synchronisieren ihre rhythmischen Bewegungen nebeneinander und halten sich an einer Hand. Marco Meier trägt einen Mund-Nasen-Schutz, seine Tanzpartnerin hat ihr langes dunkles Haar mit einem Haarband zurückgebunden. Foto: DVBS

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Aus der Arbeit des DVBS

DVBS-Mitgliederversammlung 2021 - Auf der Zielgeraden

Von Ursula Weber

Nur noch wenige Wochen bis zur Mitgliederversammlung (MV) 2021. Das Nominierungsverfahren ist längst abgeschlossen, "Intern Spezial" mit der Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten in Form von Interviews und weiteren Informationen sowie eine schriftliche Einladung zur MV sind verschickt. Das Vorbereitungsteam steckt in den letzten Planungen.

Doch was kommt da auf uns zu - eine rein digitale MV mit Vorstandswahl?

Man könnte meinen, nach 15 Monaten Pandemie hat sich jede und jeder an Online-Besprechungen, -Konferenzen und -Meetings gewöhnt. Ganz so ist es aber nicht. Auch wenn Schüler*innen, Auszubildende und Studierende Distanzunterricht und Onlineprüfungen gemeistert haben, viele ins Homeoffice gewechselt sind, nicht in jedem Beruf und in jedem Haushalt hat die Digitalisierung Einzug gehalten, und selbst wenn. Einen Vorstand rein digital neu zu wählen, das hat es im DVBS noch nie gegeben.

Die Entscheidung fiel im Frühjahr dieses Jahres: Am 25.09.2021 wird unsere MV in der Zeit von 9:00 - ca. 13:30 Uhr digital über das Videokonferenzsystem Zoom durchgeführt und auch der Vorstand über das Wahlsystem der Firma POLYAS digital gewählt. Wir hatten schlicht keine andere Wahl.

Das Videokonferenzsystem Zoom wird im DVBS schon mehrfach eingesetzt, z.B. bei Arbeitsausschuss- und Vorstandssitzungen, Teammeetings oder Beiratssitzungen in den Projekten. Es hat sich als tastaturbedienbar erwiesen. Erfahrungen zu einem digitalen Wahlsystem gab es bisher nicht. In Zusammenarbeit mit dem Anbieter sammelten alle Beteiligten Erfahrungen, es wurden Verbesserungen integriert und entschieden: Dieses Wahlsystem ist per Tastatur bedienbar. Damit sind die Voraussetzungen für eine digitale MV mit Vorstandswahl geschaffen.

Wie wird die Mitgliederversammlung ablaufen?

Am 25.09.2021 wählen Sie sich ab 8:00 Uhr in die Videokonferenz ein. Die MV beginnt um 9:00 Uhr. Dazu können Sie den in der Einladung versandten Link nutzen. Genauso gut ist eine Einwahl per Telefon möglich. Die Nummer ist ebenfalls in der Einladung zu finden. An Abstimmungen und an der Wahl können Sie allerdings nur teilnehmen, wenn Sie sich digital in die Videokonferenz eingewählt haben.

Damit die Einwahl ins Konferenzsystem und auch der Umgang mit dem Wahlsystem möglichst reibungslos klappt, haben Sie an drei Terminen, zwei im August und einer im September, die Möglichkeit, sich in eine Zoom-Konferenz einzuwählen, das Wahlsystem ausgiebig zu testen und selbstverständlich auch Fragen zu stellen. Die Moderator*innen unterstützen Sie gerne.

Die genauen Test-Termine standen zum Redaktionsschluss noch nicht fest, dürften inzwischen jedoch über viele Kanäle verbreitet worden sein. Nutzen Sie die Gelegenheit und nehmen Sie an den Test-Terminen teil. Weitergehende Fragen richten Sie bitte an die Geschäftsstelle.

Sollte Ihnen eine digitale Einwahl nicht möglich sein, bitten wir Sie, sich für die Dauer der MV Unterstützung zu organisieren, die Ihnen zuarbeitet, um ebenfalls an Abstimmungen und der Wahl teilnehmen zu können. Auch zu diesem Punkt können Sie mit der Geschäftsstelle Kontakt aufnehmen. Abstimmungen und die Wahl sind nur digital möglich.

Der große Vorteil einer digitalen MV ist der Wegfall der Anreise. Gleich aus welchem Grund, Sie können bequem von Ihrem Zuhause aus an der MV teilnehmen, sich an Diskussionen beteiligen und mit abstimmen. Nutzen Sie Ihre Chance, steuern Sie die Geschicke des Vereins und wählen Ihre Kandidaten digital.

Die Zielgerade liegt vor Ihnen. Wirken Sie daran mit, dass auch für den DVBS das Jahr 2021 zu einem "Super-Wahljahr" wird!

Kontakt

DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.dvbs-online.de

Bild: Logo des DVBS. Neben dem Akronym in blauer Schrift befindet sich rechts ein horus-Auge in Schwarz mit blauer Pupille.

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Von Bits, Bytes und Barrieren

Von Uwe Boysen

Nein, das war nicht der Titel des DVBS-Seminars, über das ich berichten will. Und Bits und Bytes spielten auch nur eine untergeordnete Rolle, obwohl ihre Auswahl natürlich letztlich für die Barrieren verantwortlich ist, vor denen wir auf diversen Webseiten und bei mobilen Anwendungen häufig stehen. Aber der Reihe nach.

Die Idee

Im Jahr 2018 wurden das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und die entsprechenden Gesetze in den Ländern novelliert. Nötig war das auf Grund einer EU-Richtlinie, die staatliche Stellen verpflichtet, ihre Webseiten und mobilen Anwendungen barrierefrei auszugestalten. Wir haben im horus wiederholt darüber berichtet. Die Gesetze sahen hierfür ziemlich großzügige Übergangsfristen vor, deren letzte (für mobile Anwendungen) nun aber gerade am 22. Juni d.J. abgelaufen ist. Weiter enthalten die Vorschriften verschiedene Instrumente, mit deren Hilfe Nutzerinnen und Nutzer Barrieren melden und auf ihre Beseitigung drängen können.

Aber wie meldet man eine solche Barriere? Das war die Frage, die eine kleine Schar von DVBS-Mitgliedern veranlasste, im Rahmen einer Digitalarbeitsgruppe das Seminar "Barrieren erfolgreich melden" zu planen und letztlich durchzuführen. Möglich wurde das im Rahmen der Ehrenamtsakademie des DVBS und mit tatkräftiger Unterstützung von Christian Axnick aus der DVBS-Geschäftsstelle, der sowohl vor als auch während dem Seminar die organisatorischen Fäden in der Hand hatte. Unsere Idee stieß auf große Resonanz: 60 Personen fanden sich am Sonnabend, dem 26.6.2021, ganztägig auf Zoom zusammen, um das Thema gemeinsam zu beackern.

Die Durchführung

Nach einer Einführung gab es vier Themenblöcke. In Block 1 ging es um rechtliche Grundlagen - Web-Richtlinie, Behindertengleichstellungsgesetze und Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung. Dazu orientierte Andreas Carstens die Teilnehmenden sachkundig über die genannten Vorschriften und zeigte auf, welche Verpflichtungen hier nunmehr bestehen, und welche Möglichkeiten es gibt, auf die Beseitigung von Barrieren hinzuwirken. Vorgestellt wurde der sog. "Feedback-Mechanismus", mit dessen Hilfe einer öffentlichen Stelle noch vorhandene Barrieren gemeldet werden können. Behandelt wurde auch das neu eingeführte wirksame Durchsetzungsverfahren, soweit die öffentlichen Stellen nicht oder nicht ausreichend auf angezeigte Mängel reagieren. Um ihnen die Notwendigkeit zu verdeutlichen, sich um die Beseitigung digitaler Barrieren zu kümmern, verlangen die Gesetze von ihnen auch, eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihren Seiten zu veröffentlichen einschließlich eines Kontaktes, an den man sich bei bestehenden Barrieren wenden kann. Die anschließende Diskussion zeigte, dass es offenbar eine ganze Reihe von Stellen gibt, die eine solche Erklärung nicht oder nur unvollständig veröffentlicht haben, so dass das Melden von Barrieren hier schwerfällt. Unsere Empfehlung war hier, sich dann direkt an die Schlichtungs- oder durchsetzungsstelle zu wenden.

In Block 2 referierte Oliver Nadig über technische Regelwerke und ihre Bedeutung - WCAG, BITV und Regelwerke der EU. Hier ging es um die Frage: Was sollte ich über den Inhalt der genannten Regelwerke wissen - auch dann, wenn ich keine Barrierefreiheitsexpertin oder kein Informatiker bin? Deshalb erläuterte Nadig umsichtig die Konzeption, den Aufbau, die Gliederung, ausgewählte Inhalte und natürlich auch die Unterschiede zwischen WCAG 2.1, EN 301549, BITV und Co. In der Diskussion stellte sich heraus, dass viele Teilnehmende eher zurückhaltend sind, wenn es um das offensive Melden solcher Barrieren geht, in erster Linie, weil sie fürchten, dafür nicht sachkundig genug zu sein. Hier ermunterten die Experten dazu, gleichwohl diesen Schritt zu tun, zumal damit keinerlei Risiko verbunden ist.

In Block 3 wollten wir vom Referenten Christoph Niehaus wissen, was beim Melden von Barrieren zu beachten ist. Er berichtete uns aus erster Hand (er ist Mitarbeiter der Hessischen Überwachungsstelle), welche Erfahrungen es bisher gibt und wie das von der EU installierte Prüfverfahren aussieht. Dabei betonte er, dass es für Prüfende umso leichter ist, eine Barriere nachzuvollziehen, je detaillierter sie benannt werden kann.

In Block 4 galt es, das gesammelte Wissen zu vertiefen. Dabei wurde für konkrete Beispiele ausgelotet, welche Barrieren jeweils vorhanden sind und was eine Meldung dieser Barrieren beinhalten sollte. Um diesen Block interaktiver zu gestalten, hatten Dr. Andreas Wagner und Oliver Nadig als Referenten den Teilnehmenden vorab zwei Webseiten und eine mobile Anwendung genannt und sie eingeladen, diese kritisch unter die (Bildschirm-)Lupe bzw. den Screenreader zu nehmen und so auf Barrieren zu untersuchen: Eine Website mit Barrieren für Screenreader, eine solche mit Problemen für sehbehinderte User und eine mobile App. Das Ergebnis förderte sehr unterschiedliche Barrieren zu Tage, wobei einige die Zugänglichkeit, aber andere auch die Nutzbarkeit der jeweiligen Anwendungen betrafen. Wichtig ist, hier genau zu spezifizieren, mit welchem Hilfsmittel und mit welchem Browser (jeweilige Versionen angeben!) man bei den Anwendungen auf Barrieren gestoßen ist.

Ein Fazit

In der abschließenden Diskussionsrunde gab es viel Lob für die Organisatoren und alle Referenten (wenngleich ein Mitveranstalter das eigentlich nicht betonen sollte!). Erörtert wurde aber auch, wie es gelingen kann, im IT-Bereich für heute vorhandene vielfältige Gremien, die sich mit digitaler Barrierefreiheit befassen, neue Mitglieder aus unseren Kreisen zu gewinnen, ein Ziel, dem gerade auch die Ehrenamtsakademie des DVBS verpflichtet ist. Hier wartet weiter viel Arbeit auf den Verein und seine engagierten Mitglieder.

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Seminare / Fortbildungen

Von Christian Axnick

Ehrenamtsakademie

In der DVBS-Ehrenamtsakademie sind bis Ende Oktober 2021 mehrere Online-Seminare geplant. Am 11. September 2021 findet das Online-Seminar " Resilienz für Beruf und Ehrenamt" statt. Die Fortsetzung des Themas "Bildungsarbeit in der Selbsthilfe" steht an, außerdem soll es eine Einführung in die Zoom-Videokonferenz-Software geben. Die Termine standen zum Redaktionsschluss noch nicht fest, so dass sich ein aktueller Besuch der DVBS-Webseite lohnt.

Auch wer sich für die Referate des mit großem Erfolg durchgeführten Online-Seminars "Barrieren erfolgreich melden" der DVBS-Ehrenamtsakademie vom 26. Juni dieses Jahres interessiert (siehe Bericht von Uwe Boysen), sollte unsere Webseite besuchen, da wir die Vorträge eventuell zur Verfügung stellen dürfen.

Seminare der Fach- und Interessengruppen

Als Präsenzveranstaltungen geplant sind Seminare der Fachgruppe Wirtschaft und der Fachgruppe Musik.

Vom 9. bis 12. September behandelt die FG Wirtschaft in Herrenberg-Gültstein das Thema "Gesprächsführung und Gelassenheit".

Das Seminar der FG Musik unter dem Titel "Voneinander lernen - miteinander musizieren", in dem es auch einen Überblick über Berufsmöglichkeiten im Bereich Musik für sehbeeinträchtigte Menschen gibt, soll vom 17. bis 19. September in Hannover stattfinden.

Die Seminarwoche der Gruppe Ruhestand, die im Mai ausfallen musste, soll vom 27.11. - 4.12. voraussichtlich in Saulgrub nachgeholt werden.

Fachtagung

Ein besonderer Veranstaltungstipp im Herbst ist unsere Fortbildung / Fachtagung "Gute Arbeitsassistenz für sehbehinderte und blinde Erwerbstätige", die in Kooperation mit PRO RETINA e. V. als Präsenzveranstaltung in Kassel geplant ist, und zwar von Donnerstag, dem 14. Oktober 2021, bis Freitag, 15. Oktober 2021. Im Zentrum stehen die Wahl passgenauer Formen der Arbeitsassistenz und die Gestaltung effektiver Kooperationsbeziehungen zwischen blinden und sehbehinderten Assistenznehmenden und Assistenzkräften zur Sicherung der beruflichen Teilhabe. Neben hochkarätigen Vorträgen werden sechs Workshops angeboten, aus denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer bis zu zwei wählen können. Die Tagungsmoderation liegt bei Klaus Winger, dem ehemaligen DVBS-Geschäftsführer. Für Kurzentschlossene lohnt eine Nachfrage im DVBS nach Anmeldemöglichkeit und näheren Modalitäten, die sich, wie bei allen Präsenzveranstaltungen, je nach Pandemielage ändern können.

Aktuelle Informationen

Sämtliche Veranstaltungen sind unter www.dvbs-online.de\aktuelles\termine gelistet und zu weiteren Informationen verlinkt.

Ansprechpartner in der DVBS-Geschäftsstelle ist
Christian Axnick,
Tel.: 06421 94888-28
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Aus der blista

"Ich kann nur gewinnen"
Verena Hofmann im Interview mit Thorsten Büchner

Die 33-jährige Verena Hofmann nahm von August 2020 bis Februar 2021 am Qualifizierungsangebot PROJob der blista teil und beginnt im September eine dreijährige Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte bei der Stadt Marburg. Im Interview mit Thorsten Büchner, dem Redaktionsleiter unseres Magazins blista-News, erzählt die quirlige Fränkin von ihren Erfahrungen:

Wie haben Sie von PROJob erfahren und was war der ausschlaggebende Impuls sich zu melden?

Ich habe überlegt, mein Jurastudium nicht fortzusetzen und war gedanklich auf der Suche nach Alternativen. Freunde haben mir dann geraten, doch mal eine Berufsberatung bei der blista in Anspruch zu nehmen. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass hier ein solches Angebot besteht. Aber ich war sehr froh um diesen Tipp und habe mich dann sofort im Beratungs- und Schulungszentrum (BSZ) der blista gemeldet.

Wie war dann ihr erster Kontakt?

Mein erstes Gespräch mit Ute Mölter, der Leiterin des BSZ, war superpositiv, wir waren sofort auf einer Wellenlänge und ich habe mich gut beraten gefühlt. Frau Mölter erzählte mir dann von PROJob und da hab ich direkt gedacht: Das hört sich ziemlich gut an. Das mache ich. Es hat mir unheimlich gut gefallen, dass Frau Mölter mir das Gefühl vermittelt hat, dass es durchaus eine Stärke ist, für sich festzustellen, dass ich einen anderen Weg einschlagen darf, wenn ich mein Studium nicht mehr fortsetzen möchte. Dieses Gefühl hat mir die Entscheidung abzubrechen sehr erleichtert.

Wie ging es dann weiter?

Nachdem mein Kostenträger, die Arbeitsagentur, die Zusage gegeben hatte, konnte ich dann im August letzten Jahres mit PROJob beginnen. Mein Ziel war es, einen Ausbildungsplatz zu finden. In welchem Bereich, wollte ich noch herausfinden. In den ersten beiden Wochen bei PROJob führen die Teilnehmenden individuell mit den Jobcoaches ein ausführliches Profiling durch, in dem alle ihre sozialen, sehbehindertenspezifischen und fachlichen Kompetenzen in Gesprächen erarbeiten.

Ich organisiere und plane gerne und wollte auch das, was ich während meines Jurastudiums gelernt habe, weiternutzen. Doch welches Stellenprofil würde das hergeben? Ich ging auf Stellensuche und fand ein paar Ausbildungsplätze für den Beruf des/der Verwaltungsfachangestellten. Das "Problem" war nur, dass der Bewerbungsstichtag für diese Ausbildungsplätze schon der 31. August war. Ich hatte also noch knapp eine Woche Zeit. Zusammen mit dem Team von PROJob haben wir das Pferd dann quasi von hinten aufgezäumt und ich habe zuerst Bewerbungen geschrieben und mich in Einstellungstests und Gott sei Dank auch Vorstellungsgespräche gestürzt, obwohl das eigentlich erst zu einem späteren Zeitpunkt bei PROJob angestanden hätte. Es war wirklich super, dass so individuell auf mich und meine Wünsche eingegangen wurde.

Es hat dann auch Ende letzten Jahres geklappt und ich habe die Zusage der Stadt Marburg bekommen, dass ich dort ab September 2021 meine Ausbildung beginnen kann. Ich habe die mir verbleibende Zeit bei PROJob einerseits dafür genutzt, mich auf meine Ausbildung vorzubereiten. Andererseits habe ich einen Leitfaden erstellt, der kompakt zusammenfasst, was im Vorfeld einer Ausbildungssuche zu beachten ist und welcher Kostenträger für welche Posten zuständig ist, wenn man als Mensch mit Blindheit oder Sehbehinderung eine Ausbildung antritt. Das war ziemlich cool und hat mir großen Spaß gemacht.

Wie beurteilen Sie Ihre Zeit bei PROJob im Nachhinein?

Es war wirklich eine coole Zeit. Besonders toll war es, so viele nette Leute kennenzulernen. Wir waren eine super Gruppe und haben uns während der gesamten Zeit gegenseitig unterstützt. Das hat uns allen viel gegeben!

Ganz am Anfang habe ich schon noch überlegt, ob es richtig war, mein Studium nicht fortzusetzen. Dann habe ich aber gedacht: Du kannst eigentlich nur gewinnen. Das hat sich dann sehr schnell während PROJob für mich auch bestätigt.

Was war Ihr persönliches Highlight?

Neben den tollen Kolleg*innen und Jobcoaches ganz klar die Stil- und Imageberatung. Das war der Hammer! Selbst den Jungs im Kurs hat diese Beratung gut gefallen.

Mit welchen Erwartungen blicken Sie dem 1. September, Ihrem Ausbildungsstart bei der Stadt Marburg, entgegen?

Ich freue mich sehr darauf. Ich würde sehr gerne viel Kontakt zu Bürger*innen haben, denen ich Hilfestellungen und Tipps geben kann. Ich bin ein recht kommunikativer Mensch. Das war schon immer mein Ding. Ungerne würde ich mich den ganzen Tag nur allein mit Unterlagen und Aktenvorgängen beschäftigen, ohne immer mal wieder Menschen zu sehen. Ich lasse die dreijährige Ausbildung, bei der ich viele städtische Abteilungen durchlaufen werde, auf mich zukommen und bin sehr neugierig darauf.

Wir informieren und beraten Sie gern

Ute Mölter
Leiterin des Beratungs- und Schulungszentrums
Biegenstraße 20 1/2
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-500
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Susanne Patze und Berit Rougier
blista Frankfurt
Börsenstr. 14
60313 Frankfurt
Tel.: 069 403561-34 und -35
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bild: Verena Hofmann steht lächelnd im Freien vor einem blühenden Rosenstrauch. Die halblangen Haare trägt sie offen, zur hellen Bluse trägt sie eine zierliche Halskette und passende Ohrringe. In der rechten Hand hält sie einen Langstock. Foto: DVBS

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36 erfolgreiche Absolvent*innen der Carl-Strehl-Schule der blista

Unter dem Motto: "Habi Potter und die Heiligtümer der Intelligenz" verabschiedete die blista am vergangenen Freitag, dem 9. Juli 2021 ihre 36 erfolgreichen Absolvent*innen. Vergnügt und sympathisch moderiert von den Abiturient*innen Gina Eichhoff und Burak Elekci fand die Abschlussfeier der Carl-Strehl-Schule in der großen Sporthalle statt. "Es ist toll, wieder in so viele lebendige Gesichter zu schauen, nachdem man so lange auf Monitore und Kacheln blicken musste", sagte Direktor Claus Duncker und beglückwünschte die Absolvent*innen aufs Herzlichste. "Alle Spieler haben sich positiv gezeigt, es gibt keine Verlierer", ergänzte er in Anlehnung an den Bundestrainer Jogi Löw. "Lasst uns auf die Besen steigen und den Goldenen Schnatz fangen", freute sich Kim-Denise Timmann in ihrer mitreißenden Schülerrede auf den neuen Lebensabschnitt. Mit leckeren Speisen und Getränken endete die rund zweistündige Feier mit vielen persönlichen Glückwünschen, Abschiedsgeschenken und -gesprächen. Sogar die Sonne bahnte sich ihren Weg durch die Wolken und wünschte Bestes.

blista-Absolvent*innen 2021

Gymnasium (AG und BG)

Finn Appel, Lea Naomi Dahm, Leonie Dalles, Johanna Eberts, Marlene Ehmig, Gina-Marie Eichhoff, Burak Elekci, Amanda Fink, Grzegorz Fuchs, Lena Graf, Kevin Leitao Zahler, Rauan Mardnli, Valdrin Mehmeti, Christina Müller, Paul Onyeikedi, Luis Pauliks, Leonie Roth, Pia Schneider, Calvin Schulz, Marvin Spichalla, Marton Vörös, Jonathan Wildi, Friederike Zurhake.

Fachoberschulen (Gesundheit, Sozialwesen, Wirtschaft)

Miriam Al-Qadi, Lara Büschken, Monja Haber, Marie-Christin Hermann, Chinaedu Igbokwe, Isabella Jesse, Diana Omerovic, Sarah Röschlein, Tabea Sieberg, Lisa Sosnowski, Kim-Denise Timmann, Seyda Ücdal, Valerie Wahnig.

Für ihre besonderen Leistungen geehrt wurden:

  • Johanna Eberts für das beste Abitur im Allgemeinen Gymnasium (AG, Durchschnitt 1,1).
  • Gina-Marie Eichhoff und Marvin Spichalla für das beste Abitur im Beruflichen Gymnasium (BG, Durchschnitt 1,6).
  • Johanna Eberts und Pia Schneider mit dem Karl-von-Frisch-Preis vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e. V. - VBIO.
  • Rauan Mardnli und Jonathan Wildi mit dem GDCh-Abiturientenpreis von der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh).

Bild: Abschiedsfoto aus der Vogelperspektive: blista-Absolventinnen und -Absolventen stehen in festlicher Kleidung auf einer Wiese, eine weiße Rose und einen Umschlag in den Händen. Lachend winken sie nach oben. Foto: blista

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VBS-Kongress 2023 auf dem blistaCampus

Von Patrick Temmesfeld

Die Vorbereitungen sind gestartet! Kurz vor den Sommerferien traf sich der bereits bestehende Kongressausschuss des VBS, um in die ersten konkreten Planungen für das blista- und VBS-Großereignis einzusteigen.

Vom 31.07. - 04.08.2023 erwarten die Gastgeber über 600 Teilnehmer*innen, die in einem - aktuell noch nicht vorstellbar - lebendigen Miteinander auf dem blistaCampus den fachlichen Austausch zu den aktuellen Fragen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik gestalten.

Die wichtigste und für alle Verantwortlichen angenehmste Information zuerst: Thema und Organisation bleiben bestehen, so dass auf viel bereits Erarbeitetes und Geplantes zurückgegriffen werden kann.

Also: unter dem Thema "Leben. Bildung. Partizipation (Individuell - spezifisch - flexibel)" und den Themenbändern Digitalisierung, Professionalisierung /Qualifizierung / Interdisziplinarität, Bildung, Wohnen, Arbeit, Freizeit wird der Kongress jetzt inhaltlich "befüllt", zuvorige und neue Referent*innen (wieder-) gewonnen, und die blista wird neben vielen eigenen Angeboten auch ein Wohlfühl-, Aktivitäts- und Festprogramm auf die Beine stellen.

Der DBSV, DVBS und der ICEVI werden als Partner mit dabei sein und inhaltliche Impulse geben sowie ihre jeweiligen Netzwerke mit einbringen. Beiträge aus dem Ausland werden - für einen "Blick über den Zaun" - angeworben.

Bleiben Sie dran und dabei

Auf der Webseite www.vbs2023.de finden Sie immer den aktuellen Stand der Vorbereitungen und Planungen.

Wenn Sie einen Kongressbeitrag einbringen möchten, wenden Sie sich bitte an Sabine Zimmermann, Koordinatorin des VBS-Kongresses 2023 für die blista, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder 06421 606-303.

Bild: Logo des VBS mit blauer Schrift auf weißem Hintergrund. Im rechten Teil des Logos bildet ein stilisiertes Auge in Türkis den Hintergrund für das Akronym "VBS"

Bild: Das Logo vom blistaCampus ergänzt den schwarzgrünen Schriftzug "blistaCampus" um den Claim "Bildung für alle". Ein Bogen aus sechs regenbogenfarbenen Kreisen unterstreicht die inklusive Ausrichtung.

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Bücher

Hélène Jousse: Die Hände des Louis Braille - Eine romanhafte Biografie

Von Jochen Schäfer

Seit fast 200 Jahren gibt es die Blindenschrift - für manche Sehende eine Geheimschrift mit sechs Sigeln, für blinde Menschen auf der gesamten Welt aber der Beginn der Barrierefreiheit und das wichtigste Hilfsmittel zur Kultur. "Doch wem verdanken wir das alles?", so stellt die Marburger Rocklegende Rainer Husel in einem seiner Songs die Frage, auf die jeder blinde Mensch selbst noch im Tiefschlaf antwortet: "Louis Braille!"

Über ihn hat die französische Autorin Hélène Jousse 2019 eine romanhafte Biografie verfasst, deren deutsche Version im letzten Jahr im Leipziger Verlag Faber & Faber erschien und die kurz darauf von der DZB Leipzig in Punktschrift und als Hörbuch produziert wurde. Diese Braille-Biografie ist auf moderne Art geschrieben und beschreibt den Kampf eines Kindes für die Erfindung eines Systems, das das Leben blinder Menschen bis heute maßgeblich verändert hat.

Zum Inhalt: Constance, eine erfolgreiche Dramaturgin, erhält den Auftrag, ein Drehbuch über Louis Braille (1809-1852) zu schreiben. Voller Faszination für Louis, dessen Namen zwar alle kennen, über dessen Lebensumstände aber nur wenig bekannt ist, stürzt sie sich in eine Recherche über dieses vergessene Genie: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kommt der 10-jährige Junge, der durch einen Unfall erblindet ist, an das 1784 als erste Blindenschule der Welt gegründete Königliche Institut für jugendliche Blinde in Paris. Er will lesen und schreiben lernen, doch es gibt für Blinde keine Bücher. Louis beschließt, das zu ändern.

Die Blindenschrift- und die Hörbuchversion können bei der blista leihweise bezogen werden.

Besuchen Sie dafür unseren neu gestalteten, barrierefreien Online-Katalog unter https://katalog.blista.de oder wenden Sie sich an die

Hörerbetreuung der Deutschen Blinden-Bibliothek
blistaCampus
Am Schlag 8/10
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

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Hörbuchtipps aus der blista

Von Thorsten Büchner

Dan Morain: Kamala Harris. Die Biografie

Heyne, München, 2021.
Bestell-Nr. 1485881, Laufzeit: 11 Std. 33 Min.

Dan Morain beschreibt in dieser Biografie den einzigartigen Aufstieg von Kamala Harris. Als Reporter der Los Angeles Times hat er ihren Weg von Beginn an begleitet, und er zeigt, was es für sie bedeutete, als Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners im Kalifornien der 60er- und 70er-Jahre aufzuwachsen, wie sie erst Bezirksstaatsanwältin und später Generalstaatsanwältin von Kalifornien wurde, dann US-Senatorin und schließlich Vizepräsidentin an der Seite von Joe Biden.

Torsten Körner: In der Männerrepublik. Wie Frauen die Politik eroberten

Kiepenheuer und Witsch, Köln, 2020.
Bestell-Nr. 1479021, Laufzeit: 10 Std. 55 Min.

Der bekannte Journalist, Biograf und Dokumentarfilmer zeichnet den langen, meistens sehr steinigen Weg der Frauen in die Politik der "Männerrepublik" von Parteien über Landesparlamente und Bundestag bis in die Bundesregierung am Beispiel von Elisabeth Schwarzhaupt bis Angela Merkel nach.

Anne Jacobs: Der Himmel über dem Kilimandscharo

Blanvalet Taschenbuch Verlag, München, 2018.
Bestell-Nr. 1472101, Laufzeit: 24 Std. 58 Min.

Charlotte Harmsen träumt von der großen weiten Welt, von Reisen in exotische Länder - mit dem Heiraten hat sie es nicht eilig. Sie ist 22, als ihr der weitaus ältere Christian Otten einen Antrag macht. Fasziniert von seinem Geschäft, in dem es exotische Gewürze, Tabak und Waren aus Übersee gibt, stimmt sie seinem Werben zu. Und bereut dies bald bitterlich. Denn Christian betrügt sie und steht bald kurz vor dem finanziellen Ruin. Charlotte weiß, dass sie nur eine Chance auf eine Zukunft haben: indem sie Deutschland verlassen und in der Ferne ein neues Leben beginnen.

Hans-Jürgen Krug: Kleine Geschichte des Hörspiels

Herbert von Halem, Köln, 2020.
Bestell-Nr. 1480241, Laufzeit: 11 Std. 17 Min.

Dieses Buch erzählt prägnant die Geschichte des Hörspiels von den Anfängen 1924 bis heute und zeigt die Veränderungen der akustischen Kunst inmitten sich rapide und radikal verändernder Medienlandschaften: Ästhetisch, technisch, ökonomisch, programmgeschichtlich, personell. Vor allem aber beschreibt der Band das Hörspiel als einzigartiges akustisches Ereignis.

Hörbücher zum Schwerpunkt "Briefe an die Politik"

Anna Clauß: Söder. Die andere Biographie

Hoffmann und Campe, Hamburg, 2021.
Bestell-Nr. 1475031, Laufzeit: 4 Std. 20 Min.

Die "Spiegel"-Journalistin liefert eine aktuelle Charakterstudie des bayrischen Ministerpräsidenten. Dabei stützt sie sich auf Informationen aus Söders Umfeld, das heißt auf CSU-Mitglieder, und natürlich auf eigene Beobachtungen und solche von Kollegen. Söder wird überzeugend porträtiert als Krisenmanager, besonders jetzt in der Corona-Pandemie, als hervorragender Kommunikator in eigener Sache, der alle Kniffe im Umgang mit Publikum oder Gesprächspartnern beherrscht, der sein Auftreten inszeniert, der sich immer neu der Großwetterlage anpasst, auch mit spektakulären Kehrtwendungen wie in der Asyl- oder Klimapolitik.

Markus Feldenkirchen: Die Schulz-Story. Ein Jahr zwischen Höhenflug und Absturz

Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2018.
Bestell-Nr. 845701, Laufzeit: 9 Std. 54 Min.

Der "Spiegel"-Reporter, der den SPD-Kanzlerkandidaten während der gesamten Wahlkampfkampagne 2017 begleiten durfte, auch bei internen Besprechungen, gibt ein eindrucksvolles Bild von Martin Schulz und dessen Scheitern, seinem Absturz vom Retter der SPD zum Wahlverlierer.

Ihr Kontakt zur DBH

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg.
Telefon: 06421 6060
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Aus der Braille-Druckerei: "Jugend und Politik"

Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer

Wir haben diesmal eine gemischte Literaturauswahl für Sie. Zur Einstimmung stellen wir eine Jugendbuchreihe vor, und dann bringen wir passend zum Schwerpunkt zwei Werke über Politik im engeren und weiteren Sinne.

Katja Brandis (Pseud. für Sylvia Englert): Woodwalkers

In dieser bisher 6-bändigen Jugendbuchreihe geht es um Carag, der zunächst als Puma in den Rocky Mountains aufwächst, wo er zusammen mit seiner Schwester Mia und seinen Eltern in der Wildnis lebt. Doch Carag ist kein gewöhnlicher Berglöwe: Wie seine Angehörigen kann auch er sich in einen Menschen verwandeln, also sowohl Tier- als auch Menschengestalt annehmen.

Nachdem Carag eines Tages mit seiner Mutter die Stadt besuchen darf, ist er fasziniert von der Menschenwelt und entscheidet sich mit etwa 11 Jahren, bei den Menschen zu leben. Er wird als Junge aufgegriffen und kommt zu einer Pflegefamilie, die nichts von seiner Vergangenheit und seinen besonderen Fähigkeiten ahnt. Obwohl seine Pflegemutter versucht, ihm alles beizubringen, was bei den Menschen wichtig ist, hat Carag Schwierigkeiten in dieser neuen Welt und vermisst den Wald und seine Familie. Schließlich erfährt er von der Clearwater High, einer Internatsschule für Gestaltwandler wie ihn, die sich als "Woodwalker" bezeichnen - ein Geheimnis, von dem seine "Menschenfamilie" nichts wissen darf. Er wechselt auf das Internat und findet dort schnell neue Freunde, mit denen er viele spannende Abenteuer erlebt.

Die Reihe und einen Zusatzband haben wir in Voll- und Kurzschrift übertragen (empfohlen ab 10 Jahren). Titel der Bände (Bestellnummern in Klammern):

Bd.1: Carags Verwandlung (4920), Bd.2: Gefährliche Freundschaft (4958), Bd.3: Hollys Geheimnis (4959), Bd.4: Fremde Wildnis (4960), Bd.5: Feindliche Spuren (4961), Bd.6: Tag der Rache (4962), Woodwalkers and Friends Bd. 1: "Katzige Gefährten" (4988).

Anne Weber: Annette, ein Heldinnenepos

Bei diesem "Heldinnenepos" handelt es sich um den biografischen, in Teilen fiktiven Roman über Anne Beaumanoir, genannt Annette, eine erstaunliche Frau, die 1923 in der Bretagne geboren wurde und noch heute lebt. Das Buch erzählt von ihrem politischen Engagement ebenso wie von ihren Lieben und ihrem reichhaltigen Familienleben.

Als junge Frau schloss sie sich im 2. Weltkrieg der Résistance an und rettete durch ihren mutigen Einsatz mehreren jüdischen Jugendlichen das Leben, wofür sie später von Yad Vashem den Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern" erhielt. Ende der 1950er Jahre beteiligte sie sich am Algerien-Krieg, schloss sich als überzeugte Kommunistin der algerischen Unabhängigkeitsbewegung an und musste schließlich ohne ihre junge Familie nach Tunesien fliehen, um einer Verhaftung in Frankreich als "Terroristin" zu entgehen.

Inmitten ihres abenteuerlichen Lebens studierte Annette Medizin und wurde später Professorin für Neurologie.

Das Werk ist in Versform ohne Reime geschrieben - eine besondere Form der lyrischen Freiheit also. Die Autorin erhielt dafür im vergangenen Jahr den Deutschen Buchpreis.

Der Titel liegt sowohl in Kurz- wie auch Vollschrift vor; Bestell-Nr. 4973, 2 Bände in Kurz- und 3 in Vollschrift.

Yakov M. Rabkin: Im Namen der Thora - Die jüdische Opposition gegen den Zionismus

Der Autor, ein emeritierter Professor der Universität Montreal, erklärt die geschichtlichen und politischen Zusammenhänge der verschiedenen Glaubensrichtungen und Strömungen in Israel, vor allem aber, warum der Zionismus, den es bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gibt, schon in der Zeit seiner Entstehung von den meisten Juden abgelehnt wurde und bis zum heutigen Tag so gefährlich ist. Rabkin stellt u.a. dar, wie und warum es zur Gründung des Staates Israel kam, zeigt aber auch Gründe für den lang anhaltenden Konflikt mit den Palästinensern auf und warum er so schwer zu lösen ist.

Das Buch liegt nun in Kurzschrift vor (5 Bände, Bestell-Nr. 6204).

Alle vorgestellten Bücher können bestellt werden bei

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Telefon: 06421 606-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
oder über unseren neu gestalteten, barrierefreien Online-Katalog unter https://katalog.blista.de

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Panorama

Wie kann ich was bewegen? - Ein Podcast von und mit Raul Krauthausen

Wie wird aus politischem Protest politisches Handeln? Wie kann ich als einzelner Mensch Einfluss nehmen? Kurz gesagt: Wie kann ich etwas bewegen? Darüber spricht der politische Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit Raul Krauthausen in seinem Podcast mit Deutschlands bekanntesten Aktivistinnen und Aktivisten.

Erste Podcast-Gesprächspartnerin war im März 2021 die Naturschützerin und Kapitänin Carola Rackete. Sie mag den Begriff Aktivistin nicht und erzählt, warum die Klimabewegung nicht radikal genug ist. Mit Dr. Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende" für eine nachhaltige Finanzwirtschaft geht Raul Krauthausen in einer anderen Folge der Frage nach, ob im Parlament oder im Aktivismus mehr erreicht werden kann. Die Antwort wird konsequenterweise auch aus der Biographie Schicks deutlich, der von 2005 bis 2018 Mitglied des Bundestages und finanzpolitischer Experte der Grünen Bundestagsfraktion war, bevor er alle Ämter abgab. Und mit Orry Mittenmayer, ehrenamtlicher Aktivist der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und erster Betriebsrat von "Deliveroo", spricht er unter anderem über die Entglorifizierung von Ausbeutung, wie man Aktivist*innen stärkt und wie man sich nicht zu ernst nimmt.

Der Podcast ist über Deezer, Spotify oder per Download zugänglich unter https://wiekannichwasbewegen.podigee.io/

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100 Jahre organisierte Blindenselbsthilfe in Westfalen

Von Jochen Schäfer

Im April 1921 gründete eine Gruppe engagierter Menschen im Orgelsaal der Provinzial-Blindenanstalt in Soest den Westfälischen Blindenverein. Sie wollten sich frei machen von Abhängigkeit und Bevormundung, selbstbestimmt leben und entscheiden. 1997 wurde der Name in "Blinden- und Sehbehindertenverein Westfalen (BSVW)" geändert, aber die Ziele und Werte sind geblieben: inklusiv leben - auch in schwierigen Zeiten.

Zum 100. Geburtstag schreibt der BSVW mit seinem "inklusiven Jubiläumskalender" jeden Monat von April 2021 bis März 2022 Geschichte. Sie erzählt vom Frei-Werden von Bevormundung und Fürsorglichkeit, von der Emanzipation der Frauen im Verein oder der Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit und ist hier zu finden: https://www.bsvw.org/kalender-1616597727.html.

Der Kalender beinhaltet eine PDF- und eine Word-Version der Festschrift zum Jubiläumsjahr, die es auch in Schwarzschrift gibt. Die Printversion kann beim BSVW bestellt werden (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und ist außerdem in der AIDOS-Fachbibliothek der blista zu finden (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Der BSVW-Chor "Blind Date", dem Sängerinnen und Sänger aus ganz Deutschland angehören, hat dem Jubilar ein Geburtstagsständchen gesungen, das auf YouTube zu sehen und zu hören ist: https://www.youtube.com/watch?v=G7Bd-3seawg

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Erster Internationaler Low Vision Song Contest

Die 14-jährige Laura Diepstraten García aus Spanien hat den ersten International Low Vision Song Contest (ILSC) gewonnen. Sie überzeugte das Publikum mit ihrem Lied "Otra visión", einer ruhigen Ballade, die sie selbst am Klavier begleitete. Der deutsche Teilnehmer Benjamin Michael belegte mit dem Song "The Things" Platz vier.

An dem Wettbewerb nahmen sehbehinderte und blinde Musikerinnen und Musiker aus 17 europäischen Ländern teil. Mehrere tausend Menschen verfolgten den Wettbewerb live auf YouTube oder im Radio. Fast 8.000 Zuschauer und Zuschauerinnen stimmten anschließend darüber ab, wer den Preis bekommen soll.

Zu hören gab es eine große Bandbreite von Musikstilen, die von Hip-Hop über Funk und Folk-Pop bis hin zum Schlager reichten. Auch die Themen der Songs waren vielfältig. Während es bei manchen um's Spaß haben ging, setzten sich andere mit ihrer Situation als blinde Menschen auseinander.

Der ILSC war vom DBSV-Jugendclub gemeinsam mit VIEWS International organisiert worden. Das Finale fand am Freitag, dem 21. Mai 2021, als Online-Show statt, auf die Gewinnerin wartete die Trophäe "Diamond Eye". Die Show gibt es zum Nachhören auf YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=lcZyjphBkqE, weitere Infos unter www.dbsv.org/ilsc

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Deutscher Hörfilmpreis 2021: Ein starker Jahrgang - sieben Hörfilme ausgezeichnet

Die hybride Gala anlässlich der Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises am 16. Juni 2021 war von allen Gästen, Künstlerinnen und Künstlern und natürlich dem Publikum mit Spannung erwartet worden. Viele der Preisträgerinnen und Preisträger waren aufgrund der Corona-Pandemie per Studio- und Videoschaltungen dabei, andere hatten sich in Berlin live im Studio 14 - rbb Dachlounge versammelt.

Durch den Abend führte Moderator Steven Gätjen. Ernie aus der Sesamstraße, der zweifache Preisträger von 2019, assistierte ihm aus dem NDR-Studio in Hamburg. Für musikalische Glanzpunkte sorgte Mine mit ihrer Band.

Die Kunst der Hörfilme besteht darin, in Dialogpausen zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekor zu beschreiben. Dank dieser Audiodeskription (AD) können blinde und sehbehinderte Menschen auch die rein visuellen Filmelemente genießen. Für ihre herausragenden Audiodeskriptionen wurden dieses Jahr erstmals gleich sieben Filme bzw. Hörfilmteams ausgezeichnet. Die Trophäen, auch "ADele" genannt, gingen an:

  • "Arctic Circle - Der unsichtbare Tod" (Kategorie TV/Mediatheken/Streamingdienste),
  • "Porträt einer jungen Frau in Flammen" (Kategorie Kino),
  • "Erlebnis Erde - Auf Wiedersehen Eisbär" (Kategorie Dokumentation),
  • "Romys Salon" sowie "Die Odyssee" (beide in der Kategorie Kinder- und Jugendfilm),
  • "Der Garten der Finzi Contini" (in der erstmals ausgelobten Kategorie Filmerbe),
  • "Oktoberfest 1900 - Doppelfolge 1" (Publikumspreis).

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. verleiht seit 2020 den Deutschen Hörfilmpreis und stellt die Aufzeichnung der Gala sowie viele weitere Informationen unter www.deutscher-hoerfilmpreis.de für Sie bereit.

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DoBuS-Schnupperstudium "Studieren mit Behinderung/chronischer Krankheit" an der TU Dortmund

Der Bereich Behinderung und Studium des Zentrums für HochschulBildung (DoBuS) der Technischen Universität Dortmund veranstaltet vom 23. bis 25. November 2021 das dreitägige Schnupperstudium "Studieren mit Behinderung/chronischer Krankheit". Die Veranstaltung richtet sich an alle behinderten und chronisch kranken Studieninteressierten, die an einem Studium in Dortmund interessiert sind. Das Angebot ist für die Teilnehmenden kostenfrei.

Themen des Schnupperstudiums werden sein:

  • Unterstützungsangebote für behinderte und chronisch kranke Studierende an der TU Dortmund
  • Leben und Studieren mit persönlicher Assistenz
  • Finanzierung von technischen und personellen Hilfen im Studium
  • Rechtsansprüche und Nachteilsausgleiche im Studium
  • Literaturbeschaffung - Nutzung der Universitätsbibliothek
  • Besuch einer Online-Vorlesung
  • Erfahrungsaustausch mit behinderten/chronisch kranken Studierenden

Das Schnupperstudium wird voraussichtlich als Präsenzangebot in rollstuhlzugänglichen Räumlichkeiten auf dem Campus der TU Dortmund stattfinden. Ist dies pandemiebedingt nicht möglich, wird alternativ eine Online-Veranstaltung in einer Videokonferenz mit Zoom angeboten. Bei Bedarf wird die Veranstaltung für hörgeschädigte und gehörlose Teilnehmende gedolmetscht. Die Universität ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Dortmunder Hauptbahnhof aus barrierefrei zu erreichen.

Anmeldeschluss ist am 08. Oktober 2021.

Kontakt:

zhb-DoBuS
Dr. Birgit Drolshagen
Tel.: 0231 755-4579
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.dobus.tu-dortmund.de/schnupperstudium

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Neue Festbeträge für Sehhilfen

Der Vorstand des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) hat in seiner Sitzung Mitte April neue Festbeträge für Sehhilfen verabschiedet, die vom 1. August an gelten. Damit gibt es erstmals seit 2008 eine Anpassung der Beträge, die die gesetzlichen Krankenkassen für Brillengläser, Kontaktlinsen oder Lupen vorsehen. Der Festbetrag soll für die medizinisch notwendige Versorgung ausreichen.

Für einige Produkte werden die Festbeträge erhöht. Bei Standlupen mit Beleuchtung sind die Beträge allerdings abgesenkt worden. Erstmals sind in der Neufassung Festbeträge als Zuschlag für Kantenfiltergläser und elektronische Lupen mit Bildschirmgrößen von 4,3 bis 5 Zoll enthalten.

Der DBSV hatte am Entwurf kritisiert, dass die zur Bildung des Festbetrages genutzten Grundlagen nicht transparent offengelegt werden. Der GKV-Spitzenverband hat daraufhin die Festbeträge im Vergleich zum Vorentwurf teilweise erhöht. Bei einzelnen Positionen, zum Beispiel bei der Versorgung mit Kantenfiltern, ist die Spanne zwischen dem Festbetrag und den bekannten Abgabepreisen allerdings weiterhin sehr hoch. Der DBSV wird sich weiter für ein zuzahlungsfreies Versorgungsangebot mit Sehhilfen für alle anspruchsberechtigten gesetzlich versicherten Personen einsetzen.

(aus: Sichtweisen 6/2021, S. 9)

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BAGSO-Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021

In Wahlprüfsteinen stellt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e. V. (BAGSO) gemeinsam mit ihren Mitgliedsverbänden Fragen, die z. B. gut im Gespräch mit Wahlkreis-Kandidatinnen und Kandidaten genutzt werden können, um näheres über die Position von Parteien zu erfahren.

Es geht um Aspekte, die die speziellen Interessenslagen älterer Menschen berühren und zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Alter beitragen können. Diese reichen von digitaler Teilhabe, barrierefreiem Wohnraum, freiwilligem Engagement, Alterssicherung, Ausbau der Gesundheitsprävention, medizinischer und pflegerischer Versorgung bis zum rechtlichen Schutz älterer Menschen. In den Wahlprüfsteinen fordern die Seniorenorganisationen zudem - im Sinne der Altenberichte der Bundesregierung - eine verbindliche seniorenpolitische Strategie, die die Kommunen stärkt.

Zum Thema Digitalisierung fragt die BAGSO beispielsweise konkret:

  • Setzt sich Ihre Partei dafür ein, dass die digitale Grundversorgung mit Netzausbau, WLAN im öffentlichen Raum und einer Verankerung von sozialrechtlichen digitalen Hilfen im SGB XII Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in ganz Deutschland wird und wie wird das umgesetzt?
  • Wie werden Sie sicherstellen, dass für Personen, die keinen Zugang zu digitaler Kommunikation haben, analoge Zugangsmöglichkeiten erhalten bleiben?
  • Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die digitale Teilhabe sozial gerechter zu gestalten?
  • Wie werden Sie sicherstellen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen Zugang zu WLAN erhalten?
  • Welche Schritte plant Ihre Partei, um den seit 2019 geltenden European Accessibility Act voranzubringen, in nationales Recht umzusetzen und somit Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen?
  • Wann und wie will Ihre Partei den Verbraucherschutz verbessern und die europäischen und deutschen Datenschutzregelungen umsetzen?

Die Wahlprüfsteine sind online zugänglich unter https://www.bagso.de/wahlpruefsteine-2021/ oder können als 17-seitige Publikation kostenlos bestellt werden (Tel.: 0228 249993-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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Kleinanzeigen

Private Kleinanzeigen bis zu einer Länge von 255 Zeichen werden kostenlos abgedruckt. Danach werden 17 Euro pro angefangene 255 Zeichen berechnet. Für die korrekte Wiedergabe ihres Inhalts (z. B. Namen, Anschrift usw.) kann keine Haftung übernommen werden.

Für gewerbliche Anzeigen und Beilagen senden wir Ihnen gerne die horus-Mediadaten.

(priv.)Verkaufe 1 Braillezeile

Gaudio-Braille 24pro mit Zubehör. 3,5 Jahre alt, funktionsfähig. Preis nach Vereinbarung. Gertrud Kindl, Tel.: 0561 14737.

(priv.) Tandem zu verkaufen.

Modell Zwei plus zwei "Sport", schwarz, 27 Gang, Gepäckträger vorne. Neukauf 2004, guter Gesamtzustand. V-Preis 700 €. Anfragen unter Tel.: 07031 879603. K. Frenzel, Sindelfingen.

(gew.) Feelware barrierefreie Haushaltsgeräte

Feelware bietet barrierefreie Heißluftfritteusen, Elektroherde, Waschmaschinen, Mikrowellen mit Grill sowie haltbare taktile Beschriftungen für viele Anwendungen. Tel.: 0157 57165693, www.feelware.eu, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Impressum

horus 3/2021
Jg. 83 der Schwarzschriftausgabe

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: Andrea Katemann und Mirien Carvalho Rodrigues
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle
Sabine Hahn
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Andrea Katemann (DVBS) und
Dr. Imke Troltenier (blista)

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg
ISSN 0724-7389

Schwarzschrift-Druck

Druckerei Schröder
35083 Wetter/Hessen
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Punktschriftdruck

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
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Digitalisierung und Aufsprache

Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
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Erscheinungsweise

Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.

Jahresbezugspreis

  • 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
  • 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

Titelbild

Foto oben: Tastmodell des Marburger Marktplatzes mit Rathaus. Foto: DVBS

Foto unten: Eine sehbehinderte Besucherin des Deutschen Bundestages in Berlin und andere Gäste ertasten das Modell des Reichstagsgebäudes. Foto: Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde.

Vorschau horus 4/2021

Schwerpunkt: "Kochen und Ernährung"

Erscheinungstermin: 29.11.2021

Anzeigenannahmeschluss: 21.10.2021

Redaktionsschluss: 20.09.2021

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blista

Schule - Ausbildung - Beruf

Die blista ist ein bundesweites Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung

  • mit dem Carl-Strehl-Gymnasium für blinde, sehbehinderte und sehende Schüler*innen von Klasse 5 bis 13
  • zwei Fachoberschulen für Gesundheit und für Soziales,
  • einem Zentrum für berufliche Bildung mit 6 modernen Ausbildungen und Umschulungen sowie
  • dem dezentralen Internat, das vielfältige Möglichkeiten für das Wohnen inmitten unserer quicklebendigen Stadt eröffnet.

Bei der blista bist du richtig! Tel.: 06421 606-339

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
blistaCampus
Am Schlag 2-12
35037 Marburg
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www.blista.de
blista Campus. Bildung für alle.

Dräger und Lienert

Wettbewerbsfähig im Beruf

Mit den inklusiven DL Produkten erschließt Draeger Lienert Arbeitsplätze, die mit Standardlösungen nicht zugänglich gemacht werden können. Unsere Systeme ermöglichen intuitives und wettbewerbsfähiges Arbeiten. Fordern sie bitte unsere exzellenten Referenzen an.

Draeger Lienert ist herstellerunabhängig und vertreibt Blindenhilfsmittel wie Braillezeilen und Bildschirmlesegeräte fast aller Anbieter. Wir arbeiten für Bundes- und Landesbehörden, Kommunen, Industriebetriebe und Selbständige im deutsch- und englischsprachigen Raum.

Ob Roboteranbindung oder Standardausstattung - alles, was einen Blindenarbeitsplatz schafft oder erhält können Sie bei uns bekommen.

Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit!

Draeger Lienert GmbH & Co. KG
Stadtwaldstr. 65
D-35037 Marburg
Tel.: 06421 95240-0
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.dlinfo.de

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. - DVBS

Selbsthilfe lohnt sich!

  • Vernetzung durch Fach-, Interessen und Bezirksgruppen
  • Beratung zu Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit
  • Mentoring in Ausbildung, Studium und Beruf durch erfahrene, selbst von Sehbeeinträchtigung Betroffene
  • Weiterbildung in Seminaren und Tagungen
  • Arbeitsmarkt-News durch die Mailingliste "DVBS Jobservice

Wir sind für Sie da!

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V.
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
https://www.dvbs-online.de
https://weiterbildung.dvbs-online.de

Help Tech

NEU: Active Braille 2021 - Die ultimative 40er Braillezeile mit Notizfunktion und Multi-Bluetooth

Ideal für Laptop, PC und Smartphone

  • Kompakte, mobile Braillezeile mit Multi-Bluetooth
  • Organizer einschalten und los geht's
  • MP3-Player, Audio Bluetooth und Hörbücher
  • Diskrete Vibrationssignale
  • Direkte PC-Steuerung über zusätzliche Leertaste (Strg-Taste)
  • Ergonomische & leise Brailletasten
  • Pures Lesevergnügen durch ATC-Technologie

Kompetenzzentren in: Stuttgart, Köln, Marburg und Lüneburg sowie einen Pop-up Store in Hamburg-Schenefeld

Zentrale in: Horb am Neckar

Bildbeschreibung:

Auf dem Bild zu sehen ist die neue Active Braille 2021 in der Farbe Silber.

Kompetenzzentren in: Stuttgart, Köln, Marburg und Lüneburg
Zentrale in: Horb am Neckar

Help Tech GmbH

www.helptech.de
iDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Stuttgart 0711-2202299-0
Köln 0221-921556-0
Marburg 06421-690012-0
Lüneburg 04131-699698-0
Hamburg 04131 6996988-0

horus

Schenken macht Sinn ...

... zum Beispiel mit einem Jahresabonnement der Fachzeitschrift "horus". Für nur 22 Euro jährlich (Inlandspreis) erfahren die Beschenkten,

  • wie blinde und sehbehinderte Menschen Beruf und Alltag bewältigen und ihre Träume leben
  • was schulische und berufliche Bildung blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen bietet
  • wofür sich die Blinden- und Sehbehindertenhilfe aktuell engagiert.

Bestelladresse: DVBS, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Telefon 06421 94888-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

IPD

IPD - Das neue BrailleSense 6 Notizgerät ist da! Ideal für den mobilen Einsatz.

Neben den bekannten Anwendungen des Braille Sense Familie haben Sie auch mit dem BrailleSense 6 die viefältigen Möglichkeiten von Android 10.

Mit 32-Braillemodulen und der 8-Punkt Brailleeingabe stehen Ihnen mit diesem kompakten und leichten Gerät damit alle Funktionen, die Sie für ein mobiles Arbeiten benötigen, zur Verfügung.

Bei Ihrem Fachhändler erhältlich - IPD

Bild 1 - seitliche Ansicht des BrailleSense 6.

Bild 2 - frontale Ansicht des BrailleSense 6.

Neugierig? Sprechen Sie mit uns, wenn Sie auf eine qualifizierte Beratung und Betreuung Wert legen. Wir sind für Sie da!

Ihre IPD

Tel.: 0511 9363090

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Web: www.ipd.gmbh

Papenmeier

Papenmeier Home Office

Auch im Home Office... optimal ausgestattet mit elektronischen Hilfsmitteln von Papenmeier ...made in Germany

Kostenfreie Hotline: +49 2304 946 118

F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG
Talweg 2
58239 Schwerte
Telefon: +49 2304 946 0
Fax: +49 2304 946 246
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.papenmeier-rehatechnik.de

Bildbeschreibung: Eine junge Frau sitzt auf einem Schreibtischstuhl am Tisch im Home Office. Sie arbeitet am Computer. Ihre Hände liegen auf der Braillezeile BRAILLEX® EL 80c, die vor der Tastatur ausgerichtet ist.

RTB

Gezielte Steuerung der Signale

Per App sicher unterwegs

Immer sicher unterwegs

Ohne Anwohnerkonflikte

Kostenfreie Smartphone-App

LOC.id

LZA - Detektion - Parken - E-Mobilität

Hamburg ITS World Congress 11-15 Oct 2021 Experience Future Mobility Now. Wir sind dabei! B7.411

RTB
www.rtb-bl.de
Tel.: 49 5252 9706-272

Bildbeschreibung: Ein Mensch mit Blindenstock geht auf den Betrachtenden zu. Rechts neben ihm ist ein organgenes Signalkästchen zu sehen, unscharfer Straßenverkehr im Hintergrund.

SynPhon

Einfach Synphon!

Die SynPhon GmbH entwickelt einfach zu bedienende elektronische Hilfsmittel, die blinden und sehgeschädigten Menschen das Leben erleichtern.

Der Einkaufs-Fuchs Produkterkenner sagt, was Sache ist.

Die Fledermaus Orientierungshilfe zeigt, wo es lang geht.

Der EinkaufsFuchs

Blinde Menschen stehen täglich vor dem Problem: Was befindet sich in Verpackungen? Welche ist die Lieblings-CD, und wie kann ich erkennen, ob es der gesuchte Gegenstand ist? Hier hilft der EinkaufsFuchs. Nur drei Bedienschalter machen den kompakten Produkterkenner leicht und einhändig bedienbar. Er liest die Informationen von den Strichcodes, die sich auf praktisch allen Handelsgütern befinden, mit klarer Stimme vor. Seine interne Datenbank umfasst bereits viele Millionen Produktinformationen und ist durch regelmäßige Updates stets aktuell. Der EinkaufsFuchs schafft mühelos Übersicht in Haushalt und Büro. Alles, was man verwechslungsfrei kennzeichnen möchte, kann ohne Aufwand auch selbst beschriftet werden. Besonders wichtig: Der EinkaufsFuchs ist als Blinden-Hilfsmittel von den Krankenkassen anerkannt und ist gegen Rezept vom Augenarzt erhältlich.

Die Fledermaus Orientierungshilfe

Diese Weltneuheit erweitert den Aktionsradius des Langstockes entscheidend, schützt dabei Kopf und Oberkörper und ermöglicht es, sich selbstbewusst und zielgerichtet zu bewegen. Die Fledermaus erlaubt es, mobil und orientiert zu bleiben, ohne zu tasten oder zu berühren. Erstmals werden hier die Vorteile von Infrarot und Ultraschall in einem handlichen und intuitiv zu bedienenden Gerät kombiniert. Das Besondere: Die Fledermaus kann sowohl Glastüren erkennen und entfernte Gegenstände verorten, als auch Öffnungen, wie etwa offene Türen, Durchgänge und Lücken zwischen geparkten Autos. Sie reagiert zudem auf weiche Objekte wie Polstermöbel, Felle oder flauschige Stoffe. All dies geschieht vollautomatisch, ohne dass irgendwelche Einstellungen vorgenommen werden müssen.

Weiter Informationen erhalten Sie gerne bei SynPhon unter der Telefonnummer 07250 929555 oder per Mail an E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Haben Sie Fragen? Rufen Sie an!

SynPhon
Elektronische Hilfen für Sehgeschädigte GmbH
Im Steinig 6
76703 Kraichtal

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