horus 2/2024
Schwerpunkt: Mehrfachbeeinträchtigung
Titelbild: Vier Piktogramme in Weiß-Blau, die auf verschiedene Formen einer Behinderung verweisen: (1) Mensch im Rollstuhl, (2) durchgestichenes Ohr, (3) Kombination zweier Köpfe - im Profil und frontal - mit insgesamt zwei Augen und ineinander übergehenden Mündern, (4) durchgestrichenes Auge. Piktogramm-Collage: pixabay
Inhalt
- Vorangestellt
- Aus der Redaktion
- Schwerpunkt: "Mehrfachbeeinträchtigung"
- L. Dreves: Blinde Menschen hören besonders gut! - Und wenn diese Aussage nicht zutrifft?
- A. Schneider: Hessenweite Beratung für Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit
- S. Ivanic: Aus Einschränkungen Potenziale machen
- S. Hartmann: Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Vernetzung: Frühförderung bei Kindern mit Blindheit und zusätzlichen Beeinträchtigungen
- K. Nachtigall-Kauß: Unser Leben mit Finja
- Team der Kita Eulennest: Finja in der Kita Eulennest
- F.-J. Hanke: Wie Mehrfachbehinderte strukturell ausgegrenzt werden
- G. Troost: Wie wirklich ist meine Wirklichkeit?
- A. B.: Das Arbeitsleben mal etwas anders
- E. Waßner: Donnerstag ist Kiosktag: Das SBBZ Sehen Baindt
- G. Troost: Einen Platz für jeden Menschen
- Beruf, Bildung und Wissenschaft
- Recht
- Berichte und Schilderungen
- Aus der Arbeit des DVBS
- Aus der blista
- Bücher
- Panorama
- 100 Jahre Hörspiel
- Wer forscht in Deutschland zu Rehabilitation, Teilhabe und Inklusion?
- "Mehr Patientensicherheit": Webportal für Berichte von Versicherten über die medizinische Versorgung
- Studie "Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention" erschienen
- Deutscher Hörfilmpreis 2024
- Europawahl: Inhalt der Stimmzettel telefonisch und online abrufbar
- Impressum
- Anzeigen
Vorangestellt
Liebe Leser*innen,
in dieser Ausgabe erwartet Sie ein spannendes Thema: Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen.
Als ich von dem Thema erfuhr, machte ich zugleich eine zugegebenermaßen etwas längere Zeitreise in mein Studium zurück, denn ich hatte "damals" Blinden- und "Geistigbehindertenpädagogik" (so hieß es 1988) in Dortmund studiert, und es wurde viel über die Beschulung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen und deren Perspektiven diskutiert. Gar nicht so lange vorher war dies erst zu einer Selbstverständlichkeit geworden - etwas, was ich heute und auch künftig niemals mehr missen möchte.
Für den Personenkreis gibt es bis heute keinen allgemeingültigen Begriff; so gibt es unterschiedliche Definitionen, Annahmen und Theorien. Es sind die Bezeichnungen "Komplexe Behinderung" oder "Sehen Plus" im Umlauf, die Menschen mit geistigen und weiteren Beeinträchtigungen beschreiben, und im Unterschied dazu "Menschen mit mehreren Beeinträchtigungen", wie z.B. im Bereich Taubblindheit.
Damals wie heute werden Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen oft nicht mitgedacht: in der Politik, in der Gesellschaft und auch in der Behindertenhilfe. Ihnen ist gemeinsam, dass sie aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen sind.
Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, alle mitzudenken, aber es muss auch heute noch immens eingefordert und benannt werden, was mit dieser Ausgabe, die Sie gerade lesen/hören, in aller Deutlichkeit unternommen werden soll.
An der blista ist das Thema mehrfach präsent:
Mit unserer Frühförderung, wie auch mit unserem Überregionalen Beratungs- und Förderzentrum, unterstützen wir auch (Kleinst-)Kinder mit mehrfachen sowie komplexen Beeinträchtigungen (siehe Beitrag von Sigrun Hartmann in dieser Ausgabe).
Seit neuestem gibt es auch an der blista die Hessische Beratungsstelle für Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit (hierzu der Beitrag von Amélie Schneider).
Gerade letzteres ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass die Politik hier einmal sehr gut zugehört und reagiert hat - dank eines gemeinsamen Wirkens und Erzeugens von Aufmerksamkeit.
Daher auch Ihnen unser Dank, verbunden mit der Bitte: Lassen Sie uns daran weiterarbeiten.
Herzliche Grüße und eine anregende Lektüre wünscht
Ihr
Patrick Temmesfeld
(Vorstandsvorsitzender der blista)
Bild: Patrick Temmesfeld lächelt. Er hat dunkle Augen, eine hohe Stirn und kurzes graues Haar. Am Revers seines dunklen Jacketts trägt er einen kleinen Button mit dem blista-Punktschrift-Logo. Foto: blista
Aus der Redaktion
Herzlichst
Meine Güte, wie die Zeit vergeht, mögen langjährige horus-Leserinnen und Leser denken. War es nicht eben erst, dass Dr. Imke Troltenier für die blista in die horus-Redaktion kam und seither auch "Verantwortlich im Sinne des Presserechts" ist? Nun aber geht sie in Altersteilzeit. Bei Erscheinen dieser horus-Ausgabe wird sie schon nicht mehr in ihrem Büro auf dem blistaCampus arbeiten. Einige haben die Leiterin der blista-Öffentlichkeitsarbeit, die zuverlässig bei allen Messen der SightCity in Frankfurt anwesend war, bereits vom 15. bis 17. Mai dort am blista-Infotisch vermisst.
Es ist nun doch schon eine Weile her, seit unsere Kollegin für den horus textet, Fotos schießt und viele Ideen einbringt: Seit Ausgabe 4/2015 war sie für die blista Redaktionsmitglied. Eine ideale Besetzung, denn einige Jahre zuvor, von April 2010 bis April 2012, hatte sie den horus bereits bestens kennengelernt - da war sie für den DVBS als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit in der Redaktion und betreute den gesamten Produktionsprozess von A bis Z. Wir meinen, wer sich so klug, charmant und immer konstruktiv seit so vielen Jahren für den horus engagiert hat, der kann ruhigen Gewissens und verdientermaßen das Ende des Berufslebens planen. Wir wünschen unserer Kollegin alles, alles Gute für die "Zeit danach" und bedanken uns allerherzlichst für das Dabeisein und ihren wertschätzenden Gesprächsstil in den vielen zurückliegenden Sitzungen.
horus 3/2024
In der kommenden Ausgabe wird sich "horus" näher mit "Künstlicher Intelligenz" (KI) beschäftigen. Was bedeutet KI? Die Antwort der Suchmaschine "Perplexity", die selbst auf KI beruht, lautet in einfacher Sprache: "Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Bereich der Informatik, der versucht, Computer dazu zu bringen, wie Menschen zu denken und sich zu verhalten. Dafür werden Algorithmen erstellt und in Computerumgebungen integriert. KI benötigt viele Daten und Rechenleistung, um menschenähnliche Ergebnisse zu erzielen. (...) KI hat in verschiedenen Bereichen wie autonomes Fahren, Industrie 4.0 und Medizintechnik großes Potenzial, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich."
Welches Potenzial bietet KI für das Leben blinder und sehbehinderter Menschen konkret? Wo liegen hier die Herausforderungen? Seien Sie gespannt auf die Beiträge und Antworten. Gerne können Sie bis zum 21. Juni Ihren Beitrag hierzu an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! senden (maximal 12.000 Zeichen lang). Sollten Sie dafür KI nutzen, bitten wir unbedingt um einen entsprechenden Hinweis!
Schwerpunkt: "Mehrfachbeeinträchtigung"
Blinde Menschen hören besonders gut! - Und wenn diese Aussage nicht zutrifft?
Von Leonore Dreves
Was mich angeht, ich bin geburtsblind und seit früher Kindheit hörbehindert. Meine Sehbeeinträchtigung ist durch den Langstock weithin sichtbar, meine Hörbehinderung hingegen wird nicht sogleich bemerkt.
Wenn mich Menschen in der Öffentlichkeit auf meine Blindheit ansprechen, fällt meist schnell eine Bemerkung wie "Aber dafür hören Sie viel besser als sehende Leute." Mein Gegenüber wirkt oftmals damit überfordert, dass in meinem Fall die einfache Gleichung, dass der Ausfall eines Sinnesorgans durch außergewöhnliche Leistung eines anderen kompensiert wird, nicht stimmt.
Besonderheiten einer doppelten Sinnesbeeinträchtigung
Wenn man das Nichtsehen nicht durch Gut-Hören kompensieren kann, sind andere Strategien vonnöten, um am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Einige meiner persönlichen Strategien möchte ich hier kurz vorstellen:
Training der auditiven Wahrnehmung
Es gibt professionelle Hörtrainings, bei denen das verbleibende Hörvermögen mit Hilfe besonderer Übungen trainiert wird: Man muss beispielsweise Geräusche einem Gegenstand zuordnen, die Anzahl von Füllwörtern in einer vorgelesenen Geschichte zählen und sich dabei gleichzeitig auf den Inhalt konzentrieren oder die Häufigkeit des Spiels einer Triangel in einem Orchesterstück wahrnehmen.
Ich habe innerhalb der letzten zehn Jahre zwei derartige Trainings von jeweils zwei Wochen mit mehreren täglichen Übungen durchgeführt. Die Ergebnisse sind für mich verblüffend: Mein auditives Verstehen hat sich jedes Mal merklich verbessert.
Auch das Hören von Hörspielen fördert meine Fähigkeit, mich im Straßenverkehr und in Gebäuden auditiv zu orientieren. Damit auch mein Sprachverständnis im Training bleibt, stelle ich die Lautstärke der Sprachausgabe von PC und Smartphone möglichst niedrig und die Sprechgeschwindigkeit möglichst hoch ein.
Hören ist keine Nebensache!
Wenn ich Musik, Podcasts, Hörspiele oder dergleichen anhöre, konzentriere ich mich darauf, höre hin, ohne mich nebenbei anderen Tätigkeiten zu widmen. So ermögliche ich es meinen Ohren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich in geräuscharmen Situationen zu erholen.
Bei Gesprächen verzichte ich am liebsten auf Hintergrundmusik, damit ich mitbekomme, wann welcher der Anwesenden spricht.
Taktil statt akustisch
Der Radius der taktilen Wahrnehmung ist leider viel kleiner als der der akustischen. Eine taktile Armbanduhr ist ein guter Ersatz für eine gesprochene Zeitansage; bei Durchsagen über Lautsprecher am Bahnhof gibt es hingegen genau so wenig eine taktile Alternative wie beim Straßenüberqueren an einem Zebrastreifen. In solchen Situationen sind diejenigen im Vorteil, deren Hörverlust zumindest teilweise durch Hörgeräte ausgeglichen werden kann: Die Entwicklung geht beispielsweise dahin, dass Lautsprecheransagen über den Bluetooth-Standard Auracast direkt im Hörgerät empfangen werden, so dass praktisch keine Störgeräusche das Sprachverständnis beeinträchtigen.
Technische Hörhilfen
Die Wahl des richtigen Hörsystems ist entscheidend: Hörgeräte für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen müssen nicht nur das Sprachverstehen unterstützen, sondern auch Richtungshören und differenziertes Geräuscherkennen ermöglichen. Damit ich mit dem Echo-Schall der Keramikspitze meines Langstocks Hauseingänge hören und die Höhe von Wänden einschätzen kann, musste die Impulsgeräuschunterdrückung deaktiviert und die Kompression angepasst werden.
Entscheidung zwischen Audiodeskription und Hörverstärkung
Man kann bei einem Kinobesuch nicht alles haben: Entweder folgt man als hör-sehbehinderter Mensch der Audiodeskription, wobei in der Regel die gesprochenen Inhalte nicht mehr verstanden werden - oder man genießt die Hörfassung ohne Bildbeschreibung.
Fazit
Ich finde es faszinierend, wie es dank der technischen Hilfsmittel und persönlichen Engagements möglich ist, mit zwei Sinnesbehinderungen am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzuhaben. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen mit mehreren Handicaps zu schärfen und das Bewusstsein für Anforderungen an Barrierefreiheit für diesen Personenkreis zu stärken. Um diese Ziele gemeinsam mit anderen Betroffenen zu verfolgen, gründete ich mit Mitstreitern die DVBS-Interessengruppe LowVisionPlus.
Interessiert und/oder betroffen? Dann schreiben Sie an:
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Bild: Auch mit doppelter Sinnesbehinderung genießt Leonore Dreves den Frühling in der Natur und nimmt am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teil. Sie steht zwischen Bäumen auf einer Wiese mit blauen Blumen, wendet ihr Gesicht der Sonne zu und lächelt. Sie hat rotes, lockiges Haar, trägt Creolen und hat ihren Mantel geöffnet. Foto: privat
Hessenweite Beratung für Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit
Von Amélie Schneider
Seit April 2023 engagiert sich die blista mit einem neuen Angebot für mehr Teilhabe und Gleichberechtigung. Mit maßgeblicher Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration konnte die neue "Hessische Beratungsstelle für Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit" im November 2023 ihre Arbeit aufnehmen.
Die Beratung mit Sitz in Frankfurt/Main ist ein wichtiger Schritt, um ein gutes Versorgungssystem für betroffene Menschen in Hessen aufzubauen, vorhandene Angebote zu vernetzen und Ratsuchenden begleitende und stärkende Gesprächsmöglichkeiten anzubieten. Ziel ist es, Impulse zu setzen, um die oft bestehende private und gesellschaftliche Isolation zu lösen.
Vier blista-Kolleginnen sind mit dem Aufbau des grundlegend neuen Angebotes in Hessen befasst. Ute Mölter, Leitung des blista-Beratungs- und Schulungszentrums, und Amélie Schneider, Stabsstelle Projektmanagement, haben bereits bundesweit Kontakte zu relevanten Netzwerkpartner*innen geknüpft und Konzepte vorbereitet. Lena Schmidt und Klara Bellinger konnten im November 2023 als Beraterinnen für die blista gewonnen werden. Die beiden Kolleginnen begegnen den Herausforderungen des komplexen Aufgabengebietes hoch motiviert. Sie erlernen die Deutsche Gebärdensprache, vernetzen sich und gestalten das neue Angebot mit vielen eigenen Ideen mit.
Statistik
Es gibt bislang keine verlässlichen Daten zur Prävalenz von Taubblindheit und Hörsehbehinderung in Deutschland. Veröffentlichte Daten lassen nur mithilfe internationaler und regionaler Relationsvergleiche Abschätzungen der Größe der Gruppe zu. Laut Kaul & Niehaus können aufgrund der stark variierenden Definitionen und Erhebungsmethoden weder biografische Verläufe nachgezeichnet noch sichere Daten erhoben werden. "Taubblinde Menschen finden sich als eigenständige Gruppe in keinem System wieder."(1) Eine internationale Vergleichsstudie der eben genannten Autoren kommt zu dem Ergebnis, dass vermutlich 9.100 Menschen mit Taubblindheit in Deutschland leben. Lang, Keesen und Sarimski ermittelten 2015 in einer Online-Befragung, dass bundesweit "[...] etwa 1300 Kinder und Jugendliche eine hörsehgeschädigtenspezifische Unterstützung [benötigen]. 72% der erfassten [...] Kinder und Jugendlichen weisen eine zusätzliche geistige Behinderung auf, 58% eine zusätzliche motorische Beeinträchtigung."(2)
Nach Aussagen des ehemaligen Hessischen Ministers für Soziales und Integration Kai Klose waren 2020 "[...] 45 Personen mit dem Kennzeichen TBL in Hessen erfasst [...]. Überdies waren 67 Personen mit der Kombination der Kennzeichen BL und GL erfasst. Die tatsächliche Anzahl können wir nur schätzen."(3) Christiana Klose, Projektleitung einer Studie "Taubblindheit in Hessen - auffinden, aufklären, inkludieren", sagte in einem Interview mit der Zeitung Unsere Kirche "Taubblinde fallen oft durch das Raster [...]. Nicht einmal eine amtliche Statistik gibt es. Schätzungen gehen von etwa 800 Taubblinden in Hessen aus."(4)
Hörsehbehinderung im Alter
Vermutlich stellen einen Großteil der Gruppe der hörsehbehinderten Menschen Senior*innen ab 65 Jahren dar. Mit zunehmendem Alter steigen die Risiken von spürbaren Seh- und Hörbeeinträchtigungen.
Untersuchungen aus der Schweiz widmeten sich der doppelten Sinnesbeeinträchtigung. Für die Studie Sehen und Hören in Spitex- und Heimpflege wurden anonymisierte Angaben von über 40.000 Personen aus den Jahren 2014 und 2015 untersucht. Die Daten entstammen dem schweizerischen Verwaltungssystem RAI (Resident Assessment Instrument). Die Ergebnisse zeigten, dass 27 % der Heimbewohner*innen und 11 % der Senior*innen in der ambulanten Pflege eine doppelte Sinnesbeeinträchtigung im Hören & Sehen aufweisen.(5) Wissenschaftler*innen der University of Sydney haben bereits 2006 nachgewiesen, dass der Verlust der Sehkraft und des Hörvermögens bei älteren Menschen auf vergleichbare Risikofaktoren und biologische Alterungsmarker zurückgeführt werden könne.(6)
Anmerkungen zur Dunkelziffer
Der Fachdienst Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern geht davon aus, dass "die Dunkelziffer von älteren Menschen mit Problemen durch doppelte Sinnesbeeinträchtigung [...] erheblich sein [dürfte]"(7), da in den Einrichtungen der Seniorenhilfe weder Kapazitäten noch Kompetenzen zur ausreichenden Diagnostik vorhanden seien. Aus einer altersunabhängigen Erhebung ging 2009 hervor, dass es in Bayern ca. 150 taubblinde und 550 hörsehbehinderte Personen geben müsse. Die Dunkelziffer wurde jedoch auf 1300 Personen geschätzt.
Die Stiftung taubblind leben weist auf die ausgeprägte soziale Isolation betroffener Menschen als Ursache der anzunehmenden Dunkelziffer hin: "Die Folgen der Behinderung führen zum Rückzug. Die Betroffenen nehmen immer weniger am gesellschaftlichen Leben teil, bis sie schließlich auch in der engsten Nachbarschaft nicht mehr wahrgenommen werden. [...] Zugehende Hilfe fehlt weitgehend."(8)
Netzwerk & Kooperation
Eine sehr enge Vernetzung mit den Selbsthilfe- und Trägerstrukturen ist unerlässlich für die wirksame Beratung. Auch, da Rehabilitations-, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen bisher nicht flächendeckend vorhanden sind, ist eine bundesweite Zusammenarbeit mit den aktiven Einrichtungen essenziell, um in der Beratung konstruktive Angebote machen zu können.
Die blista ist in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik und der Selbsthilfe intensiv vernetzt. Am Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband ist der Gemeinsame Fachausschuss hörsehbehindert/taubblind (GFTB) organisatorisch angesiedelt. In der o. g. AGTB arbeiten unterschiedliche Partner*innen mit, mit welchen auch die blista bereits langjährige Kooperationen und Interessensgemeinschaften bildet. 2023 wurde die blista ebenfalls in die AGTB aufgenommen.
Im Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik (VBS) zählt die AG hörsehbehindert/taubblind zu einem der aktivsten Arbeitsbereiche. Und nicht zuletzt beschult die Carl-Strehl-Schule in Trägerschaft der blista seit einigen Jahren selbst junge Menschen mit Hörsehbehinderung mit intensiver Begleitung durch einen Sonderpädagogen, der in beiden Förderschwerpunkten qualifiziert ist.
Die weitere Vernetzung und der Aufbau lebendiger Austauschstrukturen gehören zur wichtigsten Grundlagenarbeit, welche die Mitarbeiter*innen der neuen Beratungsstelle in den ersten Tätigkeitsjahren vollbringen müssen.
Zielgruppe der Hessischen Beratungsstelle
Für die Umrandung der Zielgruppe, welche die neue Beratung in Anspruch nehmen kann, orientieren wir uns an von der Arbeitsgemeinschaft der Einrichtungen und Dienste für taubblinde Menschen in Deutschland (AGTB) veröffentlichten Kennzeichen. Demzufolge bieten wir allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Beratung an, welche in den Bereichen der Kommunikation, dem Einholen von Informationen und der Orientierung & Mobilität aufgrund einer bestehenden oder drohenden Einschränkung beider Fernsinne (Sehen und Hören) blinden-/sehbehindertenspezifische und/oder hörbehindertenspezifische Unterstützung in Form von Förderung, Assistenz und Hilfsmitteln benötigen bzw. benötigen werden.
Die Beratung richtet sich ebenfalls an Angehörige, weitere Unterstützer*innen betroffener Menschen sowie an Fachkräfte und Einrichtungen in Hessen. Aus den Erfahrungen der Beratungsstellen geht hervor, dass sie aufgrund mangelnder Angebote länderübergreifend angesprochen werden. Allen Ratsuchenden wird daher eine Erstberatung angeboten, um zu eruieren, ob die Hessische Anlaufstelle den Beratungsprozess aufnehmen oder eine andere Stelle zuständig sein kann.
Es ist Ziel der Hessischen Beratungsstelle, in den ersten Beratungsjahren die alters-, behinderungs- und lebenskontextgemäßen Bedarfe der Zielgruppe in Hessen näher zu beschreiben.
Wege & Inhalte der Beratung
Geht es um Themen wie den Schwerbehindertenausweis, das Taubblindengeld, Assistenz oder die Kostenübernahme für Hilfsmittel, erhalten die Ratsuchenden Informationen, konkrete Unterstützung bei der Antragstellung und falls erforderlich Begleitung zu Ämtern und Kostenträgern.
Zudem bieten die Berater*innen in allen Lebensphasen begleitende Gespräche an, um Krisen zu meistern, persönliche Perspektiven zu entwickeln und passende Angebote zu finden. Sie recherchieren bundesweit und stellen für die Ratsuchenden Kontakte zu Selbsthilfegruppen, Vereinen, Bildungs-, Reha- und Förderangeboten her.
Die Gespräche können in den Räumen in Frankfurt am Main oder in Marburg, online per Zoom, am Telefon, bei den Menschen zuhause oder in Einrichtungen stattfinden. Dank eines Dienstwagens und dem Job-Ticket sind die beiden Beraterinnen hessenweit mobil. Die Beratung ist kostenfrei, und für jeden Gesprächstermin besteht die Möglichkeit, qualifizierte Dolmetscher*innen (Deutsche Gebärdensprache, taktile Gebärden, Schriftdolmetschung, Lormen) zur Verfügung zu stellen.
In diesem Jahr soll das Angebot um Veranstaltungen erweitert werden, die Möglichkeiten für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen aus Hessen bieten, sich u. a. persönlich zu treffen, Lormen zu lernen oder alles Wichtige über das Taubblindengeld zu erfahren.
Zur Autorin
Amélie Schneider ist Diplom-Pädagogin, Blinden- und Sehbehindertenpädagogin (M.A.) und arbeitet in den Bereichen Projektmanagement und Koordination Taubblindenberatung für die blista. Sie hat zahlreiche Fortbildungsangebote und inklusive Projekte entwickelt, wie z. B. das Straßentheaterprojekt "Hürdenlauf" und ist eine der vier Mitarbeiterinnen der "Hessischen Beratungsstelle für Menschen mit Hörsehbehinderung & Taubblindheit".
Bild: Amélie Schneider lächelt. Sie trägt ihr braunes Haar zurückgebunden und eine Brille mit brauner Fassung, durch die ihre Augenfarbe aufgegriffen wird. Um ihren Hals liegt ein großer, gemütlicher Schal. Foto: privat
Kontakt
Hessische Beratungsstelle für Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit
Mörfelder Landstraße 6-8
60598 Frankfurt am Main
Telefon: 069 1301483-8 oder -9
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.blista.de/tbl-beratungsstelle
Literatur
Arbeitsgemeinschaft der Einrichtungen und Dienste für taubblinde Menschen in Deutschland (AGTB). Webauftritt. https://agtb-deutschland.de/wissenswertes. (13.03.2024)
Chia, Ee-Munn; Mitchell, Paul; Rochtchina, Elena et al. (2006): Association Between Vision and Hearing Impairments and Their Combined Effects on Quality of Life. Archives of Ophthalmology. 124. American Medical Association. https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/fullarticle/418658?resultClick=1 (13.03.2024)
Fachdienst Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern (ITM). Webauftritt. https://fachdienst-itm.de (13.03.2024)
Hessischer Landtag (2021): Stenografischer Bericht, öffentlicher Teil. 57. Sitzung. Sozial- und Integrationspolitischer Ausschuss. SIA 20/57, 24.06.2021. https://hessischer-landtag.de/sites/default/files/scald/files/SIA-KB-57-oe.pdf (16.11.2022)
Kaul, Thomas; Niehaus, Mathilde (2014): Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Hörschädigung in unterschiedlichen Lebenslagen in Nordrhein-Westfalen. http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-1085.pdf (13.03.2024)
Lang, Markus; Keesen, Elisa; Sarimski, Klaus (2015): Prävalenz von Taubblindheit und Hörsehbehinderung im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Heilpädagogik. Heft 3. 66. Jg. Verband Sonderpädagogik e.V. Würzburg.
Spring, Stefan; Bartelt, Guido (2017): Sehen und Hören in Spitex- und Heimpflege. Eine explorative Studie zu Sinneserkrankungen und Demenz im Spiegel des RAI-Assessments in Alters- und Pflegeheimen sowie in der ambulanten Krankenpflege der Schweiz, Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen, Zürich. https://docplayer.org/66689370-Sehen-und-hoeren-in-spitex-und-heimpflege.html (13.03.2024)
Stiftung taubblind leben (2015): Aufklären, Finden, Inkludieren. Projektbericht. Köln. https://docplayer.org/24875077-Aufklaeren-finden-inkludieren.html (13.03.2024)
Unsere Kirche (2019): Evangelische Wochenzeitung. Wenn einem Hören und Sehen vergeht. 25. April 2019. https://unserekirche.de/kurznachrichten/wenn-einem-hoeren-und-sehen-vergeht-25-04-2019. (16.11.2022)
Anmerkungen
(1) Kaul, Thomas; Niehaus, Mathilde (2014): 64.zurück
(2) Lang, Markus; Keesen, Elisa; Sarimski, Klaus (2015): 142.zurück
(3) Hessischer Landtag (2021): 10.zurück
(4) Unsere Kirche (2019): o. S.zurück
(5) Spring, Stefan; Bartelt, Guido (2017): 23-24.zurück
(6) Chia, Ee-Munn; Mitchell, Paul; Rochtchina, Elena et al. (2006): 1465-1470.zurück
(7) Fachdienst Integration taubblinder und hörsehbehinderter Menschen in Bayern (ITM): o. S.zurück
(8) Stiftung taubblind leben (2015): 5.zurück
Aus Einschränkungen Potenziale machen
Von Savo Ivanic
Vorweg: Ich definiere mich gerne über meine Stärken und Fähigkeiten. Opfermentalität und Selbstmitleid mag ich weder an mir noch bei anderen. Ich bevorzuge Optimismus, Humor und eine positive Lebenseinstellung. Und ich bin ein Fan von Eigenverantwortung. Dies möge man beim Lesen der folgenden Zeilen im Hinterkopf behalten.
Ich habe Tinnitus. Seit 1999. Seit einigen Jahren chronisch. Heißt: Ich gehe mit permanentem Ohrenklingeln ins Bett und wache morgens damit auf. Links lauter als rechts. Ein Hörtest ergab linksseitig 15 Dezibel, rechts fünf. Stress und laute Umgebungsgeräusche verstärken ihn. Und jede Geräuschquelle in Trommelfellnähe. MP3-Player und Telefon-Headset sind - abgesehen von Knochenleitungs-Kopfhörern - schon lange passé. Ebenso größere Menschenmengen. Jedenfalls ohne Gehörschutz. Dieser ermöglicht mir zumindest Kino- und Konzertbesuche ohne größere Einschränkungen. Die Geräuschfilter unterdrücken laute und hochtonreiche Frequenzen. Das Hören ist damit stark eingeschränkt, aber geschützt. Für Unterhaltungen jedoch nicht empfehlenswert.
Ich habe viel gegen den Tinnitus unternommen: Cortison, Homöopathie, Heilungsgebet, Entspannungsübungen. Vieles hat geholfen. Zwischenzeitlich war er einige Jahre verschwunden. Seit vier Jahren ist er chronisch. Bedeutet: Ich kriege ihn nicht mehr weg. Ich kann nur versuchen, ihn nicht noch lauter werden zu lassen. Was eine gute Selbstfürsorge voraussetzt.
Multiple Einschränkungen
Zumal ich diese auch für andere Einschränkungen benötige. Neben meinem Gehör sind auch mein Herz und mein Nervensystem beeinträchtigt. Die Folgen eines Bandscheibenvorfalls vor einigen Jahren runden das Ganze ab.
Mein Herz neigt zu Rhythmusstörungen und - unter Stress - zu Vorhofflimmern, also Arrhythmie. Gerät es aus dem Takt, helfen meist Medikamente wie Betablocker und Herzrhythmisierer. Manchmal geht es aber nicht ohne Besuch beim Kardiologen. Außerdem hilft Sport zur Vorbeugung. Ich mache zwei- bis dreimal wöchentlich Ausdauertraining. Die Symptome sind dennoch chronisch.
Mit meinen Gehör- und Herzbeschwerden geht eine vegetative Belastungsstörung einher. Heißt: Ich habe ein angeschlagenes Nervensystem. Was sich in einer sehr überschaubaren Belastbarkeit und Stresstoleranz äußert. Schon Alltagssituationen können bei mir eine Reizüberflutung auslösen, die schnell zur Erschöpfung führt. Das zeigt sich unter anderem in leichter Reizbarkeit und Ermüdung. Dann sind Entspannungsübungen, viel Bewegung und frische Luft angesagt.
Anpassungen am Arbeitsplatz
Man sieht mir meine Einschränkungen nicht an. Jedenfalls nicht sofort. Im Gegensatz zu meinem Blindenstock, der anderen auf Anhieb meine Sehbeeinträchtigung signalisiert. Im Unterschied dazu muss ich alles, was Gehör, Herz und Nerven betrifft, erklären. Was ein hohes Maß an Empathie beim Gegenüber erfordert. Erst recht in der oft ruppigen Arbeitswelt. Zumal ich mir mit der Öffentlichkeitsarbeit ein Berufsfeld ausgesucht hatte, in dem Belastbarkeit und Flexibilität Grundvoraussetzungen sind. Beides bringe ich nur in geringem Maße mit.
Dementsprechend waren an meine Bedürfnisse und Einschränkungen angepasste Arbeitsbedingungen unerlässlich. Wohlgemerkt nicht nur bezogen auf meine Seheinschränkung, sondern auf meine gesamte gesundheitliche Situation. Was sicher nicht den Voraussetzungen des ersten Arbeitsmarktes entsprach. Mir aber die Entfaltung meiner Kompetenzen und Fähigkeiten ermöglichte. Wenn auch unter besonderen Rahmenbedingungen.
Dazu gehörten: Die Einhaltung der täglichen Sollarbeitszeit mit wenigen Überstunden, eine gute gemeinsame Planung der Arbeitsschritte und des Arbeitsaufwands, ein von Außengeräuschen abschirmbarer Arbeitsplatz sowie ein Tinnitus-freundliches Headset mit Knochenleitungs-Kopfhörern.
Gleichzeitig war ich während der letzten Jahre meiner Erwerbstätigkeit teilberentet. Die Teilerwerbsminderungsrente diente mir und anderen nicht zuletzt als Nachweis meiner angeschlagenen Gesundheit. Hatte ich doch schon die Erfahrung gemacht, dass man mir erst nach einem Krankenhausaufenthalt glaubte. Also als das Kind schon in den Brunnen gefallen war.
Potenzialentwicklung dank Rente
Zum Jahreswechsel 2024 wurde meine Teilrente in eine Rente wegen voller Erwerbsminderung umgewandelt. Auf meinen Wunsch hin. Meine Gesundheit dankt es mir seitdem. Der Tinnitus ist oft leiser, die Herzrhythmusstörungen sind weniger geworden. Das unterstütze ich durch Sport und Bewegung. Hinzu kommt: Ich verfüge über ein Netz aus guten sozialen Beziehungen. Diese dienen mir auch als Resilienzquelle. Im Endeffekt ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Denn viele meiner Freundinnen und Freunde leben mit ähnlichen Einschränkungen wie ich. Gleich und Gleich gesellt sich eben gerne.
Gleichzeitig ist die Frühverrentung für mich eine Möglichkeit des persönlichen Wachstums und der Potenzialentwicklung. Was auf den ersten Blick paradox klingt, ist bei näherer Betrachtung nur logisch und konsequent. Ich musste sowohl meinen einstigen Vorgesetzten als auch mir selbst gegenüber eingestehen: Meine eigentlichen Stärken liegen gar nicht im akademisch-intellektuellen Bereich. Abgesehen vom Schreiben. Ich verfüge vielmehr über ein ausgeprägtes Gespür für Menschen und die Fähigkeit, andere für Ideen oder Ziele zu gewinnen und sie dabei mitzunehmen. Wohl auch eine Folge meiner einschränkungsbedingten Hochsensibilität. Gemäß Psychologie geht damit nämlich häufig eine "hohe seelische Begabung" einher, beispielsweise Feingefühl, Wahrnehmung, Empathie, Kreativität, Intuition oder Gespür für Menschen und Situationen. Was mir auch schon Vorgesetzte bestätigten.
Meine durchaus beträchtlichen Einschränkungen bringen also eine Menge Begabungen, Ressourcen und Potenziale mit sich. Die ich ausgiebig nutze und weiterentwickle. Meine ehrenamtliche kirchliche Arbeit mit Freunden aus der Schweiz und Deutschland bildet einen optimalen Rahmen dafür. Unter anderem leite ich zusammen mit einer Co-Leiterin eine zurzeit neunköpfige Gruppe von Personen, die sich mit weiteren Gruppen wöchentlich via Zoom zum Austausch über Grundfragen zu Gott und dem Leben trifft. Auch bekannt als Alphakurs. Dazu schreibe ich einen wöchentlich erscheinenden Gebetsbrief oder unterstütze bei der Seelsorge. Das alles bietet mir neben Sinnstiftung ein überaus erfülltes Leben - allen Begrenzungen zum Trotz.
Zum Autor
Savo Ivanic war bis Dezember 2023 Mitarbeiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und Angebotsmarketing der DVBS-Projekte agnes@work - Agiles Netzwerk für sehbeeinträchtigte Berufstätige - und iBoB - inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren.
Bild: Savo Ivanic am Büroarbeitsplatz: Hilfsmittel und eine geeignete Arbeitsumgebung sowie Verständnis von Vorgesetzten für die gesundheitliche Situation ermöglicht es mehrfachbeeinträchtigen Menschen, am Arbeitsleben teilzunehmen. Foto: DVBS
Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Vernetzung
Frühförderung bei Kindern mit Blindheit und zusätzlichen Beeinträchtigungen
Von Sigrun Hartmann, Frühförderteam der blista
Durch unsere Frühförderstelle der blista werden Familien mit sehbehinderten oder blinden Kindern vom Säuglingsalter bis zum Schuleintritt begleitet. Im vergangenen Jahr unterstützten wir 80 Kinder und ihre Familien, etwa die Hälfte dieser Kinder wiesen neben der Sinnesbeeinträchtigung auch weitere Beeinträchtigungen auf.
Blindheit oder Sehbehinderung im Kindesalter stellen ein gravierendes Risiko für die gesamte Entwicklung dar. Ohne besondere Förderung bleiben diese Kinder häufig in ihrer Entwicklung hinter Gleichaltrigen zurück. Dies gilt umso mehr, wenn mehrfache Beeinträchtigungen vorliegen.
Neben der o.g. Entwicklungsförderung des Kindes spielt die Beratung der Bezugspersonen und Eltern eine große Rolle. Hinzu kommt die partnerschaftliche Zusammenarbeit und Vernetzung mit weiteren Fachpersonen wie Kinder- und Augenärzt*innen, Orthoptist*innen, Physiotherapeut*innen, Erzieher*innen, Logopäd*innen, Ergotherapeut*innen etc., die im interdisziplinären Austausch und mit den Eltern das Förderkonzept des Kindes vereinbaren.
In unserer Arbeit fällt uns häufig auf und die Familien berichten davon, dass nicht die eigentliche Beeinträchtigung wie die eingeschränkte Sehkraft, die Cerebralparese oder die zusätzliche chronische Erkrankung des Kindes im Vordergrund steht, sondern die Familien berichten von Einschränkungen in der Teilhabe und Partizipation im Alltag. Somit wird aus einer bestehenden Beeinträchtigung eine Behinderung des Menschen. In der UN-Behindertenrechtskonvention ist zu diesem Begriff zu lesen: "Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können." (1)
Somit ist der Begriff der Behinderung umfassender, da er die soziale Ebene einschließt und den Blick auf die gesellschaftliche Ebene und die Barrieren richtet, die verhindern, dass Partizipation umfassend gelingt. Auch für Finja, deren Mutter im folgenden Teil aus Ihrem Leben berichten wird, wünschen wir uns verringerte Barrieren und Barrierefreiheit, damit sie ihr Recht auf volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe nutzen kann.
Anmerkung
(1) https://www.behindertenrechtskonvention.info/menschen-mit-behinderungen-3755/, Abrufdatum 06.03.2024 zurück
Zur Autorin
Sigrun Hartmann ist Diplom-Pädagogin und seit über 20 Jahren für die blista als Frühförderin und im Begleitenden Fachdienst Frühförderung tätig. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bild: Sigrun Hartmann hat lange, dunkle Haare, dunkle Augen und eine moderne Brille. Sie lächelt. Zur weißen Bluse trägt sie eine schmale Kette. Foto: privat
Unser Leben mit Finja
Von Kathrin Nachtigall-Kauß
Unsere Tochter Finja, 6 Jahre alt, ist mit einer Hirnfehlbildung aufgrund eines Gendefekts auf die Welt gekommen. Mit ca. vier Monaten ist bei ihr ein Pendelnystagmus festgestellt worden und der Ärztemarathon begann. Irgendwie war für uns alles normal und doch alles anders. Sie war unser erstes Kind und was soll schon sein - dachten wir anfangs noch. Mit acht Monaten haben wir die Diagnose bekommen - Hirnfehlbildung, Sehbehinderung, globale Entwicklungsverzögerung. Die Diagnose zog uns zunächst den Boden unter den Füßen weg und dennoch verspürte man eine Erleichterung - endlich eine Antwort auf die Frage "Was stimmt nicht?" bekommen zu haben. Die vermutliche Blindheit war jedoch nur ein Teil und rückte immer mehr in den Hintergrund. Anfang 2019 bekamen wir zusätzlich die Diagnose Epilepsie. Wir haben über ein halbes Jahr gebraucht, um diese in den Griff zu bekommen. Ihre Entwicklung erfuhr in dieser Zeit einen Stillstand. Das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) in der Kinderklinik Gießen unterstützt uns bei allen Fragen und Problemen.
Bis heute ist jedoch der Kontrolltermin in der Augenklinik der unangenehmste Termin für uns. Da Finja nicht wie normal entwickelte Kinder an den Untersuchungen mitwirken kann, ist es für die Ärzte sehr schwer, eine Diagnose zu stellen. Und so ist es auch im normalen Alltag. Finja kann sich nicht im Detail äußern. Mittlerweile können wir erahnen, ob ihr etwas gefällt oder nicht, ob sie etwas wahrnimmt oder nicht. Aber sie kann uns einfach nicht sagen, was sie denkt, möchte oder beschäftigt. Und das ist sehr schwer und gerade mit jedem neuen Lebensjahr wird es schwerer.
Auch die Lücke zwischen ihr und den Kindern ohne Behinderung wird größer. Wir versuchen unser bestmögliches, Finja am normalen Leben teilhaben zu lassen. Gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder versuchen wir Ausflüge zu machen und in den Urlaub zu fahren. Aber jedes Mal müssen wir auch überlegen, ist das Ausflugsziel barrierefrei, können wir dort mit einem Buggy fahren. Einfach mal wandern oder spazieren gehen ist nicht möglich, sondern muss geplant werden. Bei Schwimmbadbesuchen erfragen wir vorab telefonisch, wie die Umkleidemöglichkeiten für Menschen mit Behinderung sind und ob wir mit dem Rehabuggy in die Schwimmhalle dürfen. Finja kann nicht alleine sitzen und somit kann sie auch nicht die meist vor Ort zur Verfügung gestellten Rollstühle nutzen. Ein Erlebnis ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Wir wollten mit Finja ein Weihnachtskonzert unseres Patenkindes in einer Kirche besuchen. Der Kirchenraum ist jedoch nicht ebenerdig, sondern nur über mehrere Treppen zu erreichen. Es gibt einen Treppenlift zum Sitzen, aber diesen kann sie nicht nutzen. Ich habe meine Tochter mit 20 kg die Treppen hochgetragen. Und daran sieht man, banale Besuche und Veranstaltungen stellen uns jedes Mal vor organisatorische Probleme. Und einfach mal ins Auto setzen und irgendwohin fahren ist nicht möglich. Auch die Urlaubsorte werden mit Bedacht ausgewählt und auch schon mal die mögliche medizinische Versorgung rausgesucht. Die Behinderung hat Auswirkungen auf unser gesamtes Leben und Alltag - oftmals wird auch nicht erkannt, welcher organisatorischer und körperlicher Aufwand dahinter steckt. Freundschaften können nicht so gepflegt werden, wie man gerne möchte. Arbeiten geht nur, wenn man flexibel sein kann. Therapien, Arzttermin, Besuche der Reha-Techniker - alles muss geplant und organisiert werden.
Wir nutzen heute ein breites Netzwerk aus Ärzten, Therapeuten, Eltern und Institutionen und haben einiges an Erfahrungen gesammelt. Man steht ständig in einem engen Austausch und muss sich absprechen. Jeder hat einen besonderen Blick auf Finja, damit mögliche gesundheitliche und verhaltensauffällige Aspekte rechtzeitig erkannt werden. Bereits mit sechs Monaten hat sie Frühförderung - zunächst durch die Johann-Peter-Schäfer-Schule, seit April 2023 durch die blista - und Physiotherapie bekommen. Besuche in der Kinderklinik - planmäßig oder außerplanmäßig - sind selbstverständlich geworden und man kennt alles. In den letzten Jahren sind außerdem Logopädie und Musiktherapie hinzugekommen, zudem fahren wir zweimal im Jahr nach Baiersbronn zur Intensivtherapie und nehmen am Konzept "Auf die Beine" in Köln teil. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Behandlungskonzept für Kinder und Jugendliche mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit. Wir informieren uns immer wieder über neue Therapiemöglichkeiten und beabsichtigen, eine Reha für Finja zu machen. Es kann niemand eine Prognose für Finja geben, und somit versuchen wir, das bestmögliche zu erreichen, und kämpfen auch dafür. Hilfsmittel durch die Krankenkassen sind nicht selbstverständlich und mit viel Schreibarbeit verbunden. Und manche muss man aus eigener Tasche zahlen oder auch bei Stiftungen anfragen. Da wir im zweiten Stock im Elternhaus wohnen und wir auch hier bleiben möchten, wurden jetzt Umbaumaßnahmen erforderlich; da normale Treppenlifte uns nicht ausreichend unterstützen können, werden wir einen Außenlift installieren lassen. All diese das Wohnumfeld verbessernden Maßnahmen werden oftmals nur durch einen geringen Anteil bezuschusst.
Bisher besucht unsere Tochter den heimischen Kindergarten. Im Sommer soll sie jedoch in der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg eingeschult werden. Ein weiterer großer Meilenstein, den sie erreichen wird und der bereits vorab enormen Organisationsaufwand erfordert - Beförderung, Teilhabe, Therapien. Hinzu kommen die eigenen Emotionen und die des Kindes, die die Einschulung mit sich bringt und sicher jeder kennen wird. Es wird auch schwer, da sie uns nicht erzählen kann, wie es in der Schule war und was ihr gefällt oder nicht. Gerade das ist für uns als Eltern eine enorme emotionale Belastung. Das finde ich eines der wesentlichen Punkte, denn Finja kann nicht ihre Bedürfnisse und Gefühle in Sprache ausdrücken. Es ist immer ein Vermuten und Überlegen.
Das Leben und der Alltag mit einem mehrfachbehinderten Kind bedeuten Planungen und Organisieren, Abwägen und Hoffen sowie Bürokratie. Und dennoch haben wir auch vieles erlebt, was uns sonst verschlossen geblieben wäre, und man lernt das Leben anders wertzuschätzen. Vieles bekommt eine neue Bedeutung. Es gibt viele Höhen und Tiefen, und man muss leider auch viele Abstriche machen.
Bild: Die sechsjährige Finja (rechts) und ihr jüngerer Bruder Lennart sind hellwach. Finja hat eine Mehrfachbehinderung und nutzt einen Therapiestuhl, ihr Bruder steht neben ihr. Portraitfoto: privat
Bild: Finja beim Galileo-Training. Foto: privat
Finja in der Kita Eulennest
Vom Team der Kita Eulennest
Finja besucht seit März 2020 unsere Einrichtung und wurde als Zweijährige im U3-Bereich eingewöhnt. Im Vorfeld wurde für das Kind durch Eltern und Kita ein Integrationsantrag beim zuständigen Jugendamt im Landkreis gestellt und außerdem durch die Eltern Hilfsmittel wie z.B. der Therapiestuhl für die Kita besorgt, um für das Kind geeignete Rahmenbedingungen für den Kita-Alltag zu schaffen. Im U3-Bereich ging es für Finja, genauso wie für viele andere U3-Kinder, zunächst darum, den Alltag in einer Kita kennenzulernen und mit neuen Bezugspersonen in Kontakt und in Interaktion zu kommen. Mit fortschreitendem Alter wechselte auch Finja - genau wie andere Dreijährige - in den Ü3-Bereich der Kita. Um ihr den Übergang so leicht wie möglich zu machen, bekam sie zunächst die Möglichkeit, stundenweise die zukünftige Gruppe zu besuchen, um die neuen Bezugspersonen, die Kinder, die Geräusche, die Stimmen und den Raum wahrnehmen und kennenlernen zu können. Damit konnten wir auch immer der Tatsache gerecht werden, dass Finja mitunter schnell ermüdet und in der Regel über den Vormittag - bis zum heutigen Tag - Schlaf benötigt.
Finja ist eines von mehreren Integrationskindern und anerkanntes Gruppenmitglied mit besonderen Absprachen und Regeln in ihrer Gruppe und im Haus. Beispielsweise besteht die Regel, dass man Finja gegenüber sagt, wer man ist, bevor man mit ihr in Kontakt tritt, bzw. immer mit ihr spricht und ihr mitteilt, was man als nächstes tut, wie z.B., dass man ihr etwas zu trinken anreicht. Auch ist es mittlerweile gut möglich, mit Finja zu kommunizieren, ob sie gerne einmal umgelagert werden möchte auf einen Sitzsack oder ob sie ein wenig Musik hören möchte.
Im Verlaufe der Zeit haben für Finja immer mehr Hilfsmittel Einzug in unsere Einrichtung gehalten, wie beispielsweise der Talker, der Stehtrainer und die Orthesen, die von den Eltern organisiert und bereitgestellt wurden. Aber auch im Haus gab es Veränderungen und Anschaffungen mit der Installation einer Rampe zum Gebäudeeingang sowie die Wegbarmachung innerhalb des Gebäudes und darüber hinaus einen hydraulischen Wickeltisch, um das betagte Gebäude so barrierefrei wie möglich zu machen.
An Gruppenaktivitäten oder Einzelaktivitäten kann Finja im Rahmen ihrer Möglichkeiten teilnehmen. Dies ist von ihrer Tagesform abhängig und bedarf besonderer Absprachen im Team. So kann es mitunter vorkommen, dass ihre Gruppe auf dem Außengelände bereits spielt und Finja im Gebäude schläft und erst später draußen wieder zu ihrer Gruppe dazustößt.
Dennoch sind wir bestrebt, Finja an allen Angeboten wie Stuhlkreis, Aufenthalte im Freien, Feiern und Ausflügen teilhaben zu lassen.
Finja ist eine Bereicherung für unsere Einrichtung. Alle Akteure sind im Umgang mit Finja sehr sensibel und die Kinder im Haus gehen sehr liebevoll mit ihr um. Oft entstehen bei den Kindern Fragen zu Finjas Allgemeinzustand, die entweder situationsgerecht oder aber auch im Stuhlkreis besprochen werden. Auch innerhalb des pädagogischen Teams findet ein regelmäßiger Austausch statt, und es wird täglich besprochen, auf welche Art wir Finja in die Aktivitäten einbeziehen können. Mit den Eltern sind wir in regem Austausch sowohl in Tür-und-Angelgesprächen als auch gezielt zur kindlichen Entwicklung oder zu besonderen Anlässen. Sehr schön finden wir auch, dass - ebenfalls regelmäßig - Austausch und Kooperationen mit Frühförderung und anderen externen Akteuren stattfinden, um Finja eine Hand in Hand greifende Förderung bieten zu können.
Bild: Finja im Kindergarten. Sie sitzt im Therapiestuhl, stütz ihre Ellenbogen auf ein Holztablett und wendet ihren Kopf aufwärts. Ein anderes Kind, nur teilweise im Bild, hat sich ihr zugewandt und hält seine Hand am Tablettrand. Foto: privat
Wie Mehrfachbehinderte strukturell ausgegrenzt werden
Von Franz-Josef Hanke
Deutschland gilt im Ausland als strukturiert und effizient. Auch bei Telefonhotlines stößt man längst auf Software, die alle eingehenden Anrufe vorsortiert. Da müssen die Anrufenden dann entweder deutlich sagen, was sie wollen, oder aber sie müssen per Knopfdruck wählen, welche der vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten für sie passt. Oft muss das blitzschnell gehen, weil das elektronische Steuersystem die Anrufe sonst abbricht oder auf die Ausgangsposition zurücksetzt. Für mich mit meiner Zitterhand ist die eingeplante Reaktionszeit häufig zu kurz.
Für mich mit meiner neurologischen Erkrankung sind viele Hotlines zu stressig. Dabei hat der Arzt mir unnötigen Stress dringend verboten. Aber welche alltäglichen Verrichtungen sind in diesen rücksichtslosen Krisenzeiten überhaupt noch stressfrei zu bewältigen?
Wenn ich mit viel Geduld und noch mehr Glück irgendwann doch noch auf leibhaftige Menschen an der Hotline treffe, dann sind sie in aller Regel freundlich und hilfsbereit. Aber die Chance, bis zu ihnen durchzudringen, erfordert vorab die Überwindung vieler schwieriger und - zumindest für mich mitunter - unüberwindbarer Hürden.
Da werden 20-stellige Kundennummern oder Vorgangsverschlüsselungen abgefragt. Wer sie nicht schnell irgendwo ablesen kann oder im Kopf eingespeichert hat, der wird mitunter nach kurzer Zeit aus der Leitung geworfen. Wer sie nicht angeben kann, dem entgegnen manche Servicekräfte am Telefon, dem könnten sie auch nicht weiterhelfen. In vielen Fällen finden freundliche Mitarbeitende am anderen Ende der Leitung dann aber doch einen gangbaren Weg, sofern man überhaupt zu ihnen vorgedrungen ist.
Nicht gerade passend erscheint mir, dass Telefonansagen die wartende Kundschaft oft darauf hinweisen, sie könnten ihre Anliegen ja auch "einfach und bequem" online erledigen. Das jedoch ist mir meist noch weniger möglich als eine Klärung am Telefon. Für meine zittrigen Finger sind manche Onlineformulare nur schwer oder gar nicht ausfüllbar, wenn ich sie denn überhaupt in den - oft überladenen - Webseiten gefunden habe.
Wenn ich solche Probleme vorbringe, bekomme ich oft zu hören, die Webseiten seien doch "barrierefrei". Selbst andere Blinde akzeptieren meine Beschwerde oft nicht und meinen, das müsse "man als Blinder doch können" oder erklären mir, wie sie die Website bedienen. Auch solche gut gemeinten Unterstützungsversuche kann und will ich nicht mehr hören. Sie setzen mich unter Stress, meine Mehrfachbehinderung ausführlich zu erklären oder in anderer Weise auf die wohlmeinenden Ratschläge eingehen zu müssen, möchte ich nicht als der letzte Depp dastehen.
Klar ist, dass bei der Erstellung von Internetseiten bestimmte Vorgaben gelten sollten. Auch für Telefonhotlines sollte es solche Vorgaben geben. Dazu zählt die Durchstellung zu einem realen Menschen, wenn jemand die Tastatur bei einem Anruf gar nicht oder fehlerhaft bedient.
Das menschliche Gehirn neigt dazu, schematisch zu denken und alle Situationen in bestimmte Kategorien einzuteilen. Anhand von Vorerfahrungen erstellt es seine Denkmuster und legt sie allen weiteren Erfahrungen zugrunde. Solche "Schubladen" helfen, auftretende Situationen schnell zu durchschauen und rasch darauf zu reagieren. Zugleich aber bergen sie die Gefahr, neuartige Situationen vorschnell in vorgefasste Kategorien einzuordnen und falsche Schlüsse zu ziehen. Vorurteile führen dann zur Ausgrenzung von Menschen wie mir, die nicht in die bereits bestehenden Schubladen passen. Mehrfachbehinderungen potenzieren die Probleme der Betroffenen, da die jeweiligen Ausgleichsmöglichkeiten für eine Behinderung oft die Nutzung gerade derjenigen Sinne erfordern, die durch die zweite Behinderung eingeschränkt sind. Taubblinde können eben nicht auf Gebärdensprache zurückgreifen. Ich kann Hindernissen, die für meinen gelähmten Fuß eine Gefahr darstellen, nicht einfach ausweichen, weil ich sie nicht sehe. Mit meinen zittrigen Fingern kann ich die Tastatur schlecht bedienen, mit deren Hilfe Blinde die Maus umgehen.
Aber auch Mehrfachbehinderte haben ein Recht auf selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Vor allem aber haben sie das Recht auf Schutz vor übergriffiger Bevormundung. Bei 11 Millionen behinderter Menschen in Deutschland ist davon auszugehen, dass es bis zu einer Million mehrfachbehinderte gibt. Sie werden jedoch bei den Angeboten von Hotlines und im Internet kaum berücksichtigt.
Bevor die Leute ihre bevorzugten Schubladen aufziehen, könnten sie vielleicht auch einmal genauer hinhören oder hinsehen. Natürlich haben alle mitunter mal einen schlechten Tag, sodass Verständnis für unglückliche Reaktionen sicherlich sinnvoll und notwendig ist. Darum wünsche ich mir mehr Sensibilität und Rücksicht sowohl anderer behinderter Mitmenschen als auch der nichtbehinderten. Wenn alle Menschen alle anderen achten und ihnen mit Respekt begegnen, dann kann das was werden mit einem bereichernden Zusammenleben in einer gut gelaunten Gesellschaft. An meinen guten Tagen möchte ich freundlich auf die anderen zugehen, damit sie mich an den schlechteren vielleicht auch dann ertragen, wenn ich - meist durchaus mit gutem Grund - einmal schimpfe über Ausgrenzung und Arroganz anderer Menschen. Dafür bin ich ansonsten dankbar dafür, dass ich meine Behinderungen meist ziemlich gut wegstecken und durchaus fröhlich mit ihnen zusammenleben kann.
Zum Autor
Der Journalist Franz-Josef Hanke lebt in Marburg, wo er 1986 das fjh-Journalistenbüro gegründet hat und seit 2000 die kostenlose Online-Zeitung marburg.news verantwortet. Seit 2015 ist er regelmäßig im Podcast "Lagebesprech" zu hören, für den er zusammen mit dem Physiker Dr. Eckart Fuchs und dem Blogger Jens Bertrams zur Frühstückszeit über Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur mit geladenen Gästen plaudert. Der gebürtige Rheinländer engagiert sich auf vielfältigen Ebenen ehrenamtlich und hat 2005 das Verdienstkreuz am Bande des Bundesverdienstordens erhalten. Ausführlicheres zu Leben und Wirken gibt es auf http://www.hanke-marburg.de.
Wie wirklich ist meine Wirklichkeit?
Wer bezeichnet was warum wann als Behinderung oder Beeinträchtigung?
Von Gisela Troost
Ein Grundschulkind hört, dass es zum Mittagessen Karotten geben soll. In erstklassig schauspielerischer Leistung windet es sich in vielen Kurven und als müsse es sich schon bei der Nachricht allein fast übergeben zu seinem Essplatz. Ein Mitschüler sagt aufmunternd: Aber hör mal, Karotten sind wirklich ganz gut für die Augen. Der blinde Junge stampft auf und sagt vollkommen überzeugt: Ich möchte aber gar nicht sehen können!
Ein Schüler der beruflichen Orientierung wird an der Bushaltestelle von einer Dame mit Rollator angesprochen. Das sei aber schlimm, dass er nicht sehen könne! Locker verneint er, dass er das gar nicht schlimm fände. Das käme bestimmt davon, dass er es nicht anders kennen würde, hakt die Dame nach. Er antwortet, dass er wirklich gar nicht sehen können wolle. Das sei sicher auch nicht anders, wenn er mal gesehen habe. Aber er könne es sich tatsächlich nicht vorstellen, im Rollstuhl zu sitzen. Das sei ja schrecklich und nicht mehr lebenswert. Da erzählt die ältere Dame, dass sie einen Rollator habe und damit sehr gut zurechtkäme. Er ist sehr erstaunt.
Eine Gruppe sitzt im Kreis und bekommt Steine ausgeteilt. Sie sollen die Steine im Kreis herumgeben, bis sie ihren eigenen wieder in der Hand halten. Schwierig. Sie sehen alle so gleich aus! Ok, Augen zu! Ach, da spüren die Finger plötzlich so deutlich hier eine winzige Unebenheit, die beim Tasten so deutlich auffällt. Ein anderer Stein hat eine kleine Rinne und der nächste fühlt sich deutlich gedrungener an. Am Ende öffnen alle die Augen und wundern sich, welche mächtigen Eindrücke über den Tastsinn vermittelt werden, die für die Augen nur mit Mühe überhaupt erkannt werden.
Die Augen sind im Alltag sehr prägend, dominant, ja, von scheinbarer "Richtigkeit". Wer schon mal einen Gegenstand oder Raum mit geschlossenen Augen erkundet und danach die Augen geöffnet hat, hat meist ein Aha-Erlebnis: Ach so sieht das in Wirklichkeit aus! Erst der Sehsinn urteilt also über die Richtigkeit. Ganz schnell werden die vielen Eindrücke, die vorher gesammelt wurden, abgeglichen mit der Sehwirklichkeit und häufig als weniger richtig beurteilt. "Das kam mir viel größer vor als in Wirklichkeit!" "Das hat ganz anders geklungen als in echt." "Ach, das ist ein Pinguin!" Dabei ist es ein Plüschknäuel, der mit einem echten Pinguin sehr wenig bis gar nichts zu tun hat.
Das hat zum einen zur Folge, dass Sehende Nichtsehen als schrecklich oder bedauernswert bezeichnen. Weshalb Nichtsehende sich als unvollständig und bemitleidenswert betrachtet wahrnehmen und entweder einstimmen oder sich wehren müssen. Oder sie versuchen so sehend wie möglich zu wirken, denn das ist ja das Richtige und Komplette und Erstrebenswerte.
Eine weitere Folge ist, dass Sehende sich kaum auf eine andere Wahrnehmungswelt einstellen können. Schnee muss weiß und am besten mit Watte dargestellt werden, weil das doch optisch der Sache am nächsten kommt. Dass Schnee auch als hauptsächlich kalt und feucht erlebt werden kann und Watte dazu gar nicht passt, die warm und weich daherkommt, hm... Sehende, die aus dem Überblick heraus denken und schon den übernächsten Schritt im Fokus haben, haben häufig unfassbare Schwierigkeiten, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Genau da ist aber die Stärke derer, die genau dort mit ihrer Wahrnehmung sind: Beim Knirschen des Sandes unter der Schuhsohle, das beim Hin- und Herbewegen immer neu erzeugt werden kann. Aber zack, zack, weiter geht's. Beim von der Schulter rutschenden Jackenteil, das kitzelt. Aber zack, zack, weiter geht's. Beim Einatmen des besonderen Geruchs der Sporthalle. Aber zack, zack, weiter geht's. Die Sehenden haben ihr Programm und hören nicht, spüren nicht, riechen nicht.
Könnten wir vielleicht viel mehr voneinander profitieren? Viele Menschen bekunden, dass sie mit kleinen Kindern wieder neu die Welt entdecken, an der sie im Alltag vorbeihuschen. Also: Neu Innehalten. Neu Wahrnehmen.
Ich bekunde, dass alle Menschen, die ihren Zugang zur Welt auf andere Art und Weise finden, mich bereichern, wenn ich meine Wahrnehmungszugänge zurückstelle und mich so gut ich kann einlasse, einfühle in diese anderen Zugänge.
Und da kommen mir doch auch meine Augen zu Hilfe. Ich übe mich in Beobachtung. Und am schönsten ist es, wenn ich das zusammen tue mit Eltern, mit einer Kollegin, mit einem Passanten. Wir bekommen Wertschätzung, Hochachtung, Freude geschenkt. Dazu ganz nebenbei bekommen wir auch Zeit geschenkt. Es muss nicht mehr zack, zack weiter gehen, sondern das angebliche Weniger wird mehr und reicher und intensiver und tiefer.
Der Junge, frisch erblindet und mit Hörgeräten, experimentiert zum ersten Mal mit dem Langstock. Seine Kreativität beeindruckt. Den Eltern und mir ist nicht aufgefallen, wie elastisch der von Nässe vollgesaugte Rasen ist. Die auf- und niedergedrückte Stockspitze schwingt mit. Die Hände fühlen nach. Ich mache mit und finde, dass es sich wunderbar anfühlt.
Am nächsten Tag darf ich teilhaben an einem für mich nicht ersichtlichen Forschungsprojekt einiger blinder Kinder: Ein Pfad hinterm Brückengeländer die Uferböschung runter. Den Weg hat der Stock gefunden und wir folgen ihm neugierig. Gemeinsam stellen wir den Zusammenhang her zwischen drüber und drunter, zwischen Hangschräge und Veränderung im Verhältnis zum Brückengeländer. Das fühlt sich tatsächlich sehr eindrücklich an.
Ein anderes Kind, blind, Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, im Rollstuhl unterwegs, fährt am liebsten rückwärts und mag es, gegen etwas zu fahren. Je nach dem klingt das ja verschieden - Regal, Tisch, Tür, Sofa. Gemeinsam mit der Kollegin staune ich über die Orientierung im Raum, die auf diese Weise entsteht. Lieblingskollisionen werden gezielt angesteuert. Wir können das ja nutzen für wichtige Raumplätze und Einrichtung von attraktiven Arbeitsstationen. Und: rückwärts ist man ja auch viel besser geschützt als vorwärts. Clever!
Das Mädchen, blind, Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, mit starken O-Beinen, bekommt einen Stock in die Hand. Gleich schwingt sie ihn gegen das Geländer und freut sich am Geräusch. Die Effekte der Rollspitze entdeckt sie sofort und lässt den Stock über den Boden sausen, hebt ihn an und lauscht dem Drehgeräusch. Da saust der Stock über eine Bodenleitlinie. Sie setzt sich auf den Boden und tastet nach. Wiederholt mit Stock und Hand. Das Ziel Klassenzimmer kommt auch irgendwann mal wieder...
Mein Beobachten und Mitgenießen haben Konsequenzen: Ich beobachte auch mich. Auch ich brauche Grenzen, Sehgrenzen, an denen ich mich entlanghangle. An welchen Begrenzungen darf sich der Mensch im Rollstuhl entlang bewegen? Ich spüre meine Bewegung und ich sehe die Veränderung der an mir vorbeiziehenden Umwelt. Wie erlebt ein Mensch im Rollstuhl das? Welche Wahrnehmung ermögliche ich ihm diesbezüglich?
Zur Autorin
Rehalehrerin und Montessoripädagogin Gisela Troost ist an der Schule und im überregionalen Beratungs- und Förderzentrum Sehen der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg/Hessen tätig. Zuvor hat sie u. a. an der Schule für mehrfach beeinträchtigte Kinder und Jugendliche der Nikolauspflege Stuttgart die Bereiche Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) und Orientierung und Mobilität (O&M) aufgebaut und die Inhalte im Kollegium etabliert. Als Referentin zum Thema "Orientierung und Mobilität für alle" ist ihr u. a. die Sensibilisierung sehender Menschen ein großes Anliegen. Ehrenamtlich engagiert sich Gisela Troost im Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik e. V., Landesverband Hessen.
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Bild: Gisela Troost stützt ihr Kinn auf die Hand und lacht. Sie hat hüftlanges braunes Haar und trägt im Frühlingsgarten eine warme Jacke in dunklem Lila. Foto: privat
Bild: Wie hoch ist der Baum, wie weit reicht mein Langstock? Ein Kind tastet seinen langstock am Baumstamm entlang nach oben. Foto: privat
Bild: Der Langstock verlängert die Reichweite vom Rolli aus: ein Kind im Rollstuhl hält den Langstock in einen Blecheimer. Foto: privat
Das Arbeitsleben mal etwas anders
Von Anna B.
Bevor ich beginne, möchte ich an alle Leser*innen dieses Textes einige wenige Worte richten. Mein Text bezieht sich auf mein Arbeitsleben. Dies resultiert daraus, dass ich so schon meine Ausführungen für umfangreich halte. Würde ich jetzt noch vom Alltag, von Hobbys und Reisen schreiben, würde der Text den Rahmen sprengen. Dies bedeutet aber nicht, dass mich die Einschränkungen des Arbeitslebens nicht in anderen Bereichen begleitet hätten. Allein aus pragmatischen Gründen habe ich mich entschieden, einen einzelnen Bereich zu beschreiben.
Glück und Verstand, so möchte ich mein Arbeitsleben betiteln.
Eigentlich heißt dieses Sprichwort doch "mehr Glück als Verstand", aber in meinem Fall, bei dieser Arbeitsaufnahme, waren Glück und Verstand gleichermaßen im Spiel. Lassen Sie mich kurz ausholen und es beschreiben. Zuerst ein paar Worte zu meiner Person: Ich bin 48 Jahre alt, seit Geburt habe ich RP. Leider gesellte sich in jungen Jahren eine chronische Erkrankung dazu, die mich so manches Mal in meinen Wünschen für mein Erwachsenenleben innehalten und immer wieder auch umdisponieren ließ. Pläne eines Lehramtsstudiums oder der Wunsch, Psychologie zu studieren, wurden verworfen. Letztendlich habe ich Pädagogik studiert und auch abgeschlossen. Und hier sind wir an der Stelle, einige wenige Worte zu meinem zweiten Handicap zu verlieren, aber bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich einige Details zu meiner Person weglasse. Neben der Sehbehinderung begleitet mich seit vier Jahrzehnten nun eine Erkrankung, die jede Woche aufs Neue viel Zeit in Anspruch nimmt, mir Energie raubt, mich viele Stunden pro Woche beinahe untätig werden lässt.
Von meinem Studienende bis jetzt sind über 20 Jahre vergangen. Wie habe ich diese verbracht? In dieser Zeit habe ich zweimal gearbeitet, sowohl bei einem Bildungsträger als auch im Blindenwesen. Teilweise waren hier von vornherein Befristungen vereinbart, teilweise war mein zweites Handicap ein Bremsklotz in der Weiterbeschäftigung. Wochenendarbeitszeit und nur wenige Stunden Home-Office ließen mich vor dem Arbeitsleben kapitulieren und verzweifeln. Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass in unserer Kapitalismus-geprägten Gesellschaft der Selbstwert gehörig auf die Probe gestellt wird, wenn man einsehen muss, nicht die erforderliche Energie und Kraft für eine Arbeitsstelle zu haben, auch wenn die Vorgaben des Arbeitgebers und nicht die Tätigkeit selbst einen kapitulieren lassen. Viele Jahre habe ich dann mein Leben mit Ehrenamt und freiwilligem Engagement gefüllt!
Zum einen gab es reichlich Aufgaben für mich in der Blindenselbsthilfe. Darüber hinaus engagierte ich mich im Seniorenbereich unserer Stadt.
Und nun sind wir im Jahre 2020 angekommen, und einer meiner Lebensträume, wieder berufstätig sein zu können, wandelte sich in einen echten Tagtraum und schlussendlich in Wunsch und Aktion.
Ich dachte daran, mich in meiner Stadt initiativ auf Praktikumsstellen zu bewerben bzw. wegen eines Praktikums bei verschiedenen Organisationen und Vereinen anzufragen.
Dies erschien mir die einzige Möglichkeit zu sein, irgendwie wieder die Luft des Arbeitslebens zu schnuppern, Ich war im Laufe der vielen Jahre von Ehrenamt und Engagement in verschiedenen Maßnahmen für Arbeitssuchende gewesen. Dort jedoch stieß ich bald auf Ratlosigkeit bei den Beratenden, mich mit Sehbehinderung und einem zweiten chronischen Handicap irgendwie in Lohn und Brot zu bringen. Bevor ich aber mit den Bewerbungen für ein Praktikum beginnen konnte, klingelte wieder einmal das Telefon, und ein Reha-Berater trug mir die Idee einer Maßnahme vor. Das Konzept klang diesmal anders als die mir bis dato angepriesenen Maßnahmen.
Das Konzept sah ein Team aus einer Beraterin für Bewerbungstraining, einer Sozialarbeiterin und einer Psychologin zur Betreuung sehr unterschiedlicher Bedarfe vor. Weiterhin sah das Konzept dieser Maßnahme nicht vor, die Angebote aller drei Berater*innen nutzen zu müssen. Und so entschied ich mich, lediglich das Angebot für die Arbeitssuche anzunehmen. Die psychosozialen Angebote waren für mich persönlich nicht relevant.
Eine Onlinefortbildung im Bereich der Seniorenarbeit verwarfen wir aufgrund der Situation am Arbeitsmarkt. Nun blieb mir nur, auf Stellengesuche zu reagieren oder Initiativbewerbungen anzustoßen.
Bis hierher war Vieles mit Verstand geplant, natürlich hatte ich auch ein wenig Glück gehabt, in der Maßnahme den richtigen Menschen für meine Belange zu begegnen, aber das eigentliche Glück stand nun vor der Tür.
Ich kontaktierte unter anderem einen Verein, der Menschen, die sich engagieren möchten, an Organisationen mit entsprechendem Bedarf vermittelt.
Da genau dieser Verein mir bereits das Engagement in der Seniorenarbeit vermittelt hatte, war ich bekannt, und gepaart mit dieser Tatsache entstand in jenem Verein gerade ein neues Projekt zum Thema inklusive Freizeitgestaltung von Engagierten und Menschen mit Handicap. Ich hatte nun ein Pädagogikstudium, viel Erfahrung im Bereich des Ehrenamts und des freiwilligen Engagements und einen kleinen finanziellen Obolus im Säckel.
Der Verein wiederum plante dieses Projekt, das mich inhaltlich und auch vom geringen Stundenumfang her sehr ansprach. So kamen der Verein, das Projekt und ich zusammen.
Und so entstand vor einigen Jahren eine Stelle, überwiegend, aber nicht nur, im Home-Office, die mich im Bereich Inklusion - sowohl nach innen als auch nach außen - forderte und immer noch fordert. Inhaltlich habe ich eine kreative Tätigkeit und ein extrem sympathisches Team. Durch die Projekte meiner Kolleg*innen habe ich darüber hinaus die Möglichkeit, auch Tätigkeiten außerhalb meines Projekts zu übernehmen.
Ich bin sehr frei in der Gestaltung meiner Arbeitszeiten, was vor allem meinem zusätzlichen Handicap Rechnung trägt. Auch kann ich für mich sagen, dass ich zu denen gehöre, die immens vom Home-Office profitieren. Ich kann teilweise meine Arbeitszeit meiner Fitness anpassen. Bei mir ist es die Mischung aus Home-Office-Zeit und Bürozeit.
Die Vorteile des Home-Office haben inzwischen viele Arbeitnehmer*innen schätzen gelernt, so ich auch. Home-Office erlaubt mir auch an gesundheitlich schwierigen Tagen zu arbeiten, aber die Bürozeit ist die Arbeitszeit, die natürlich von einer ganz anderen Kommunikation mit den Kolleginnen geprägt ist als die Arbeit daheim an meinem Esstisch. Auch gehört viel Disziplin dazu, dass sich Frühstücksteller und Arbeitsnotebook am selben Platz abwechseln, und dass beide strikt voneinander getrennt werden.
Dies ist nicht immer einfach, spüre ich doch bei dieser Tätigkeit dieselbe Energie wie bei meinen Ehrenämtern. Ich brenne für die Inhalte, mit denen ich mich vier Tage in der Woche beschäftigen darf. Ich spreche von Glück, noch einmal die Möglichkeit bekommen zu haben, der Gesellschaft neben meiner freiwilligen Tätigkeit noch durch einen Job etwas zurückgeben zu können. Ein Job, der mir obendrein extrem viel Freude bereitet, bei dem ich gern aus dem Urlaub zurück komme und bei dem ich meinen Handicaps Rechnung tragen kann und mich selbst nicht überfordere, weil auch meine Arbeitgeber mich nicht überfordern, was in der Vergangenheit nicht immer gegeben war. Dieser Job ist ein Sechser im Lotto, und sollte er einmal zu Ende gehen - wie vielenorts unterliegt auch mein Projekt der "Projektitis" -, wird es keinen Job mehr geben, aber ein Traum war dann in Erfüllung gegangen, und ich werde, wenn es meine Kräfte dann noch zulassen, wieder im freiwilligen Engagement aktiv. Aber dies sind Zukunftspläne.
Noch läuft das Projekt einige Jahre, und wenn ich in dieser Zeit mit Verstand auf meine Kräfte aufpasse und ein bisschen Glück wieder dabei ist, wird es eine gute Zeit in einem doch eher kurzen Arbeitsleben.
Donnerstag ist Kiosktag: Das SBBZ Sehen Baindt
Von Elke Waßner
Donnerstagmorgen. In der Aula des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums (SBBZ) Sehen Baindt herrscht reges Treiben. Die Schülerinnen und Schüler der Berufsschulstufen haben ihren Kiosk aufgebaut.
An dem selbst gebauten Verkaufsstand bedienen Lena und Maren die Kundschaft. An der Registrierkasse kassiert Emma. Verkauft werden Süßigkeiten, Getränke und Pausenbrot. Immer wieder werden auch Extras, wie das Glücksrad, angeboten. Darauf freuen sich die Mitschüler besonders. Aus allen Klassen kommen die Kunden.
Etwa hundert Schülerinnen und Schüler werden am SBBZ unterrichtet. Das Einzugsgebiet der Schule reicht vom Bodensee bis Ulm, von der Grenze zu Bayern bis fast zum Schwarzwald. Die Kleinsten besuchen den Schulkindergarten Pusteblume, dann folgen in der Abteilung für Geistige Entwicklung eine vierjährige Grundstufe und fünfjährige Hauptstufe, an welche sich dann die dreijährige Berufsschulstufe anschließt. An Außenstandorten in Baindt, Baienfurt und Biberach werden sehgeschädigte Grundschüler, Hauptschüler und Schüler des Förderschwerpunkts Lernen unterrichtet.
Gegründet wurde die Schule 1981 von den Franziskanerinnen aus Heiligenbronn. Dort betrieben die Schwestern in über hundertjähriger Tradition eine Schule für Blinde und Gehörlose. Neu an der Baindter Gründung war, dass sich die Schwestern hier vor allem um mehrfachbehinderte Kinder mit Sehschädigung kümmern wollten. Aus einem seit 1903 betriebenen Kinderheim ging 1981 die Schule für Blinde und Sehbehinderte hervor. 1991 übergaben die Franziskanerinnen ihr Vermögen und damit auch die Baindter Schule in eine Stiftung. Die Stiftung St. Franziskus ist seither Träger des SBBZ. 1998 wurden ein neues Internatsgebäude und ein Schulhaus gebaut.
Mit dem neuen Schulhaus entstanden verschiedene Fachräume: ein Sehförderraum, ein Schwingbodenraum, in welchem Musik fühlbar wird, ein Musiksaal, Schulküche, ein kleines Therapiebad, eine Sporthalle und Räume für Logopädie, Physiotherapie, Heilpädagogik und Ergotherapie, eine eigene Hauskapelle für kleine geistliche Feiern und Feste, um das Haus ein Sinnesgarten mit Rollstuhlschaukel und -trampolin sowie ein Fachraum für Orthoptik.
In der Abteilung für Geistige Entwicklung werden etwa 70 Schüler in 10 Klassen unterrichtet. Multiprofessionelle Teams arbeiten mit den Schülern. Fachlehrer, Sonderpädagogen, Erzieher, aber auch Therapeuten, die in den Klassenteams arbeiten. Unterstützt werden die Lehrerinnen und Lehrer von Freiwilligen im Sozialen Jahr. Einzelne Schüler werden von Schulbegleitern im Unterrichtsalltag unterstützt. Das kann dann der Fall sein, wenn das sozial-emotionale Verhalten oder ein extrem hoher Pflegeaufwand eine spezielle Begleitung notwendig machen.
Das SBBZ Sehen Baindt ist Marchtaler-Plan-Schule. Der Marchtaler Plan gibt dem Unterricht als Rahmenplan Struktur, inhaltlich gefüllt von den Bildungsplänen Geistige Entwicklung und Bildungsplan der Schule für Blinde und Sehbehinderte. Beginnend im Kindergarten ist der Unterricht geprägt von spezifischer Förderung bei Sinnesbehinderung. Den blinden, sehgeschädigten oder hör-sehbehinderten Kindern wird auf vielfältige Weise ermöglicht, ihre Umwelt und die Lerngegenstände zu erkunden und zu begreifen. Schon im Kindergarten kommt der Little Room zum Einsatz, um auch bei komplex beeinträchtigten Kindern das Explorationsverhalten zu fördern. Die Schulung der taktilen Wahrnehmung - als Vorübung für das Erlernen der Punktschrift und als Förderung des Explorationsverhaltens mit den Händen - beginnt ebenfalls schon in der Vorschulzeit. Die Förderung in Orientierung und Mobilität prägt die gesamte Schulzeit. Wer greifen kann, bekommt einen Langstock und erfährt diese "verlängerte Hand" als Freund und Helfer bei der Erkundung und der Orientierung in der nächsten Umgebung. Zwei Rehalehrer für O&M übernehmen das Training mit den Schülern. Begonnen wird in den Räumen, dann erweitert sich der Radius auf das Schulgelände, die Erkundung der Gemeinde und das Üben von Wegen am Heimatort schließen sich an.
Förderung des Sehens, eine kontrastreiche Umgebung, taktile Farben und die auditive Erschließung von Informationen spielen auch für komplex beeinträchtigte Schüler eine wichtige Rolle im schulischen Alltag. Die komplexen Beeinträchtigungen bedeuten, dass manche Schüler auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sich kaum willkürlich bewegen können, also vollumfänglich auf Hilfe angewiesen sind. Manche werden über eine Sonde ernährt. Viele sind durch starke Epilepsien beeinträchtigt. Viele dieser Schüler können nicht konventionell über Sprache kommunizieren. Sie sind darauf angewiesen, dass sehr aufmerksam mit ihnen gearbeitet wird, eventuell können sie sich mithilfe unterstützter Kommunikation mitteilen.
In den einzelnen Klassen werden fünf bis acht Schüler unterrichtet. Der Unterricht findet stark differenziert statt - basale Angebote stehen neben dem Erwerb von Kulturtechniken. Im Mittelpunkt steht das Lernen am gemeinsamen Gegenstand im Vernetzten Unterricht. Lernen am Realgegenstand und Lerngänge spielen eine große Rolle. In der freien Stillarbeit üben die Schülerinnen und Schüler, sich für eine Aufgabe zu entscheiden, sich Zeit einzuteilen oder Zeit gemeinsam mit Mitschülern zu gestalten. Diese Übungen sind wichtig - Freizeit ist für unsere Schülerinnen und Schüler eine anspruchsvolle Zeit für sie und ihre Eltern. Diese Zeit zwischen den Polen Bespaßung und Langeweile selbst gestalten und bestimmen zu können, ist eine wertvolle Kompetenz. Dabei spielt der Gebrauch von Hilfsmitteln eine wichtige Rolle. Vergrößernde Sehhilfen, die beim Spiel gewinnbringend eingesetzt werden können, erfahren eine bessere Akzeptanz. Hilfsmittel der Unterstützten Kommunikation bieten allen Schülern die Möglichkeit, sich als selbstwirksam und teilhabend zu erleben. Mit sensiblen Schaltern kann mit minimaler Bewegung ein Schalter ausgelöst und damit ein Gerät an- oder ausgeschaltet, ein Spiel auf dem Tablet bedient oder eine hörbare Aussage gemacht werden.
Die Verwendung dieser Hilfsmittel ist selbstverständlicher Teil des Unterrichts, wie auch kreative und musikalische Angebote den Unterricht prägen.
In der Grund- und Hauptstufe werden Schullandheimaufenthalte für die Klassen angeboten. Teilnehmen können alle Schüler. In der Vergangenheit wurden klassenübergreifend Skifreizeiten und Segelfreizeiten durchgeführt.
Regelmäßig werden die Schüler von unserer Orthoptistin untersucht. Durch sie haben wir auch bei schwer zu untersuchenden Kindern eine gute Verlaufskontrolle des Sehens und bekommen wertvolle Hinweise für die Gestaltung des Unterrichts.
Im Internat des SBBZ stehen 22 Wohnplätze in zwei Wohngruppen zur Verfügung. Die externen Schüler verbringen ihre Mittagspause auf Tagesgruppen. Für sie werden in drei Ferien pro Schuljahr Ferienfreizeiten im Rahmen einer Kurzzeitunterbringung angeboten.
Eine neue Herausforderung für das Kollegium ergab sich im Herbst 2022. Im angrenzenden Bodenseekreis war ein im ukrainischen Kriegsgebiet evakuiertes Waisenheim untergekommen. Offensichtlich waren unter den komplex behinderten Kindern viele, die eine Sehschädigung aufwiesen oder blind waren. Seither unterrichten Lehrerinnen und Lehrer des SBBZ die Kinder in ihrer Unterkunft.
Die Arbeit erwies sich als Pioniertätigkeit, weil weder die Kinder noch die ukrainischen Mitarbeiter Erfahrung mit Schule für komplex beeinträchtigte Kinder hatten. Diagnostik und Ausstattung mit nötigen Hilfsmitteln nahmen die erste Zeit in Anspruch. Mittlerweile hat sich eine gute Zusammenarbeit mit den ukrainischen Mitarbeitern, den Therapeuten, die die Kinder logopädisch und physiotherapeutisch behandeln, und den Kollegen des SBBZ ergeben. Der größte Erfolg ist allerdings, dass die Kinder offensichtlich von den Angeboten profitieren.
Anspruchsvoll für das Kollegium ist eine sich verändernde Schülerschaft. Hoher Pflegeaufwand und herausforderndes Verhalten stehen immer mehr im Vordergrund. Wir begegnen dem mit gezielten Schulungen des Kollegiums. Daneben scheinen viele Kinder mit Sehschädigung den Weg in ein SBBZ mit Förderschwerpunkt Sehen nicht zu finden - in der Eingangsdiagnostik fällt das Sehen oder Hören vor allem bei komplex beeinträchtigten Kindern gegenüber anderen Förderbedarfen eventuell weniger ins Gewicht. Einige unserer Schüler haben neben der Sehbehinderung oder Blindheit eine Beeinträchtigung des Hörens. Oftmals wird die Hörbehinderung spät erkannt - für komplex beeinträchtigte Kinder kommen reguläre Hörtests häufig nicht infrage, oder eine Hörbehinderung wird gar nicht in Betracht gezogen. Auf eine Hör-Sehbehinderung reagieren wir mit pädagogischen Konzepten, die berücksichtigen, dass beide Fernsinne beeinträchtigt sind, also eine Sehschädigung nicht durch auditive Informationen ausgeglichen werden kann. Neben körpernahen Gebärden und Gesten werden unter Umständen auch individuelle Kommunikationsformen entwickelt. Unterstützt werden die Kollegen bei allen Fragen zum Thema Hörsehbehinderung und Taubblindheit vom hausinternen Fachdienst und der Audiologie am Hauptstandort Heiligenbronn.
Wie wichtig die spezifische Förderung bei Sinnesbeeinträchtigung ist, zeigt sich deutlich wieder am Ende der Schulzeit. Für die meisten Schülerinnen und Schüler der Abteilung für Geistige Entwicklung ist das Ziel, nach der Schulzeit einen Platz in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung oder einen Platz in einem Förder- und Betreuungsbereich zu bekommen. Einrichtungen, die auf sinnesbehinderte Menschen spezialisiert sind, sind selten und oft nicht wohnortnah zu erreichen. Häufig müssen bei Praktika zunächst Vorbehalte gegenüber den Fähigkeiten von blinden und sehbehinderten Schülern ausgeräumt werden und die Schülerinnen und Schüler ihre in der Schulzeit erworbenen Kompetenzen einsetzen. Das SBBZ Sehen Baindt kooperiert mit einzelnen Werkstätten für behinderte Menschen. Dort können unsere Schüler zu Beginn der Berufsschulstufenzeit ein von der Schule eng begleitetes mehrwöchiges Praktikum in der Werkstatt machen, um einen Eindruck vom Arbeitsleben zu bekommen. Im Unterricht der Berufsschulstufe wird in einem Kurssystem Flexibilität gefördert und werkstattnahe Arbeiten (z.B. Serienarbeiten) bereiten auf das Berufsleben vor.
Im zweiten und dritten Berufsschulstufenjahr schließen sich Praktika an, die sich an Wohnort, Interesse und persönlicher Situation des einzelnen Schülers orientieren. Wer gleichzeitig zum Arbeitsplatz einen Wohnplatz in einer Einrichtung benötigt, macht eventuell Wohnpraktika und ist dabei leider durch das im Moment stark begrenzte Angebot an Wohnplätzen in seiner Auswahl eingeschränkt. Auf das Angebot eines Wohnplatzes muss häufig sehr flexibel und schnell reagiert werden, so dass Schüler der Berufsschulstufe ihr letztes Schuljahr manchmal schon vor dem offiziellen Ende im Sommer beenden müssen, um das Wohnangebot annehmen zu können.
Zurück in der Aula: Der Kioskverkauf ist beendet - Emma, Maren, Lena und ihre Mitschüler räumen auf, machen die Kassenabrechnung und kontrollieren, was für den nächsten Verkauf wiederbeschafft werden muss. Sie üben dabei Kompetenzen, die sie für ihren weiteren Lebens- und Berufsweg brauchen. Der Kioskverkauf wirft aber auch ganz realen Gewinn ab - damit möchten sie sich und ihren Mitschülern der Berufsschulstufen während der Freizeitwoche im Sommer einen Ausflug finanzieren.
Zur Autorin
Fachschulrätin Elke Waßner hat nach ihrem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr Sonderpädagogik mit den Fachrichtungen Geistige Behinderung und Blindheit und Sehbehinderung in Weingarten und Heidelberg studiert. Es folgte der Vorbereitungsdienst in Freiburg. Seit 2005 arbeitet sie als Sonderschullehrerin im oberschwäbischen Baindt und leitet dort seit 2011 die Abteilung Geistige Entwicklung.
Bild: Im Musikraum des SBBZ Sehen Baindt: Schüler Felix Gairing hebt einen Filzklöppel hoch, damit er ihn gleich auf einem langen Klangstab, der quer auf seinem Knie liegt, schlagen kann. Er nutzt einen blauen Rollstuhl. Elke Waßner sitzt auf einem Rollhocker neben ihm, assistiert beim Halten und wendet sich ihm freundlich zu. Sie hat ihr langes dunkles Haar nach hinten gebunden und trägt eine Brille. Foto: Elena Weiss
Einen Platz für jeden Menschen
Von Gisela Troost
Da ist ein Menschenkind, klein und angewiesen, hineingeboren in eine unfassbar komplexe Welt voller Wunder. Wird es staunen und neugierig sein und entdecken? Wird es erschrecken und ängstlich sein und sich zurückziehen? Wie wird es damit umgehen, was mit ihm gemacht wird in seiner Angewiesenheit? Ja, was wird mit ihm gemacht?
Da sind die großen Menschenkinder, die um das kleine herum sind. Einiges dieser unfassbar komplexen Welt voller Wunder haben sich die Großen angeeignet. Sie haben ihren Platz gefunden, sichere Nischen. Dabei haben sie selbst Erfahrungen gemacht, haben gestaunt und sind erschrocken - in unterschiedlichem Maß. Da ist vor ihnen das kleine Menschenkind in seiner Angewiesenheit, und für dieses Kind entstehen Bilder im Kopf. Es soll es besser haben, z.B. einen großartigen Beruf ergreifen, Achtung und Anerkennung bekommen, Steine aus dem Weg geräumt bekommen. Wenn es aber offensichtlich ist, dass das kleine Menschenkind, auch wenn es groß ist, angewiesen bleibt? Welches Bild kann dann im Kopf entstehen? Es soll nie so erschrecken müssen? Es soll ganz behütet sein? Oder: Es kann gar kein Bild geben. Denn es ist alles so unvorstellbar und unerklärbar inmitten der Bilder von einer Welt voller Traumkarrieren und Traumbilder. Die Welt bietet kein offensichtliches Zukunftsbild zur Orientierung an - außer dem, was wohl ausgeschlossen werden muss: größer, höher, weiter, besser.
Was fordern nun die allgemeinen Menschenrechte? Einen Platz für jeden Menschen jeglicher Voraussetzungen. Einen Platz, der diesem Menschen entspricht - und seinen Voraussetzungen. Einen Platz auch, sich mit seinen Möglichkeiten zu entwickeln, zu entfalten in dieser unfassbar komplexen Welt voller Wunder. Ist damit nun gemeint, dass ein bester Weg dazu schon gefunden wurde und zu dem alle eingeladen werden ihn doch gern mitzugehen? Im Angebot sind Assistenzen, sind vielerlei Hilfsmittel. Unterstützende Maßnahmen werden zur Verfügung gestellt, damit es gelingt, in diesen gefundenen Weg navigiert zu werden. Denn letztlich ist es ja klar, dass es ist wie es ist. Zu anders ist zu anders. Und das zu-anders-sein könnte die verunsichern oder aufhalten oder überfordern, die den besten Weg vorgeben.
Was wäre also, wenn wir uns trauen würden einzuräumen, dass es richtig viele Möglichkeiten gibt, die Welt zu entdecken, Spuren zu finden, Eindrücke einzuordnen, Schlüsse zu ziehen? Wenn es nicht ein Richtig gäbe? Sondern sich das Richtig viel besser finden ließe, wenn alle ihre Wege erforschen dürften und man voneinander profitieren möchte? Das hieße dann nicht mehr Inklusion (ihr anderen dürft alle beim Richtigen dabei sein), sondern Zusammenleben oder ...?
Nach diesen Anfangsüberlegungen kommen nun Erfahrungen mit Menschen, die auch im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter noch sehr viel angewiesen sind. Angewiesen zum Beispiel in der Begleitung für Kontaktaufnahme, für Raum-Lage-Wechsel und für die Bewältigung von Wegen. Dazu gehört auch die Befriedigung von Grundbedürfnissen nach Versorgung mit Nahrung, nach Hygiene, nach Bekleidung, nach Orientierung in Zeit und Raum, nach Einordnen von sich in der Welt, von Dingen und Ereignissen - und auch nach Abwechslung.
Die Forschung ahnt immer mehr, dass es sehr viele noch ungeahnte Möglichkeiten der Wahrnehmung gibt, auch der Kommunikation und der Anpassungen je nach Umgebung und Einflüssen. Diese Forschung gibt es in Bezug auf Pflanzen - bekannt wurde besonders das Kommunizieren von Bäumen. Diese Forschung gibt es sehr breit für das Tierreich. Es gibt sie im Grunde auch für Menschen. Aber da wir selbst Menschen sind, können wir hier oft nicht so leicht von uns selbst absehen und offen forschen, wie viele Möglichkeiten im Menschen stecken. Es ist klar, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist und auch unter extremen Bedingungen zurechtkommen kann. Für sehende Menschen ist Blindheit extrem und nicht wirklich vorstellbar. Genauso ist es mit einer starken körperlichen und mit einer geistigen sogenannten Behinderung - anders ausgedrückt: einer anderen Ausgangslage bei vergleichbaren Bedürfnissen.
Hier also ein paar Beispiele:
Kontaktaufnahme und Kontakt haben und halten: Der Fernsinn Sehen hilft, jemanden schon von weitem wahrzunehmen. Dann kann die Entscheidung fallen, ob Kontakt erwünscht ist und man in Verbindung tritt oder nicht. Der Fernsinn Hören kann auch dazu genutzt werden. Ich hatte eine Schülerin, die mit Vorliebe lange vor dem Klassenzimmer an der Garderobe saß um zu lauschen, wer da vorbeikam. Sie erkannte die Menschen am Schritt und an den Schuhen. Eine andere Schülerin verbrachte ihre Pausen vorzugsweise auf dem Flur, weil sie die Stimmen schon von weitem erkannte und je nach dem lächelte oder einfach mit großen Lauschohren dabei war. Nicht für jeden Menschen steht ein Fernsinn für die Wahrnehmung im Vordergrund. Dann sehe ich es als meine Aufgabe, den Kontakt zu ermöglichen. Ich gehe nah in das Gesichtsfeld und lasse Zeit, bis ich den Eindruck habe, dass das Sehen eingeordnet werden konnte. Ich biete weitere Möglichkeiten an durch meine Stimme, durch Berührung wie Händedruck, Hand auf die Schulter legen - je nach Vertrautheit. Je selbstverständlicher ich diese Zeit für mich selbst nutze, desto mehr lerne ich mein Gegenüber und diese Vorlieben kennen. Es wird zu einem schönen Geben und Nehmen, wie es in Beziehungen ja sein soll. Wird mehr daraus? Haben wir beide gerade Zeit und Lust auf mehr? Je offener ich mich dafür zeige, desto offener werde ich für die Äußerungen und Kontaktwege des Gegenübers.
Raum-Lage-Wechsel, Wege, also Ortswechsel, und Orientierung in Raum und Zeit sind Themen, die mich als Rehalehrerin natürlich besonders bewegen. Es ist wirklich spannend für mich, über die große Wirkung von ganz kleinen Bewegungen nachzudenken. Eine Person, die im Liegen eine Drehung vollzieht, hat sofort ganz andere Verhältnisse: die Akustik ist anders, die Druckverhältnisse des Körpers auf der Unterlage ändern sich, die Blickrichtung, die Möglichkeiten der Extremitäten in Kontakte zu kommen ebenso. Und was eben noch vorne war, ist nun auf einer der Seiten oder hinten. Ich überlege, wie ich beitragen kann, die verschiedenen Richtungen interessant zu gestalten, damit es neugierig macht, hier und da zu forschen und sich zu drehen, auch wenn es mühsam sein mag. Und wie ist das mit dem Wechsel vom Liegen zum Sitzen? Die Selbstverständlichkeiten meines Alltags plötzlich so genau zu betrachten und eben nicht selbstverständlich zu nehmen, macht mich neugierig. Was passiert bei mir? Was passiert beim Gegenüber? Das Gleichgewicht muss neu sortiert werden. Manche Bewegungen gehen jetzt leichter, andere schwerer oder gar nicht mehr. Die Aufrichtung ändert komplett die Blickrichtung. Ich würdige diesen Wechsel neu. Zeit lassen tut auch mir gut! Mir fällt auf, wie ständig im Alltag diese Positionswechsel vorkommen. Jetzt beim Schreiben habe ich schon wieder Stand- und Spielbein gewechselt, wenn ich am Stehschreibtisch stehe. Ich habe mich meiner Kollegin zugewendet, die mich von der Seite ansprach. Was ich unbewusst tun kann, dazu braucht jemand anderes Unterstützung. Gelegenheiten gibt es ununterbrochen. Die Pflegesituation bietet ganz viel an: z.B. das Vorbereiten auf die Situation durch ein gleichbleibendes, erkennbares Symbol, da ja nicht der eigene Harndrang Auslöser ist, sondern eine Einschätzung von außen. Das Innehalten an der Tür durch Kontakt mit dem Fußbrett und Mitgehen beim Öffnungsprozess - eine spezielle Beleuchtung, ein spezieller Geruch, eine spezielle Akustik fordert Zeit zur Wahrnehmung. Der Wechsel vom Rollstuhl auf die Pflegeliege - in möglichst kinästhetischer Weise mit Genuss all die kleinen Bewegungsschritte zu vollziehen und die passenden Raum-Lage-Veränderungen zu erleben.
Und beim Ortswechsel fällt mir auf, wie sehr auch ich erst mal wissen möchte, von wo ich überhaupt starte und wohin es gehen soll, damit ich mich sicher fühle und einordnen kann, worum es überhaupt geht. Ich bevorzuge für meinen Alltag den selbstbestimmten und orientierten Weg mit dem Fahrrad vor dem komplett anvertrauten Watteweg über den Wolken. Ich freu mich auf bestimmte Wegmarken wie das Stückchen bergab, den naturnahen Garten im Wechsel der Jahreszeiten, die Hecke mit den Spatzen. Das will ich auch Menschen ermöglichen, die Unterstützung brauchen, aber auch Vorlieben haben oder entwickeln dürfen. Sie werden eine Erwartungshaltung aufbauen, wenn sie beteiligt werden. Ich freue mich mit an dem jungen Mann, der es liebt, wenn der Start an der Garderobe einen Weg verheißt, erst mal durch die schwergängige Gebäudetür. Dann ist die Vorfreude sichtbar, gleich an der Kettenabsperrung vorbei zu kommen. Dort muss angehalten werden, um die Kette ordentlich in Schwung zu bringen - so ideenreich, wie ich nicht darauf gekommen wäre. Auf den Mülleimer muss klangvoll geklopft werden. Dann kommt das schnelle Stück bergab und dann sind wir mit einem deutlichen "Rums" an der Tür unseres Zieles angekommen. Wie ist es, nie die Schritte dieses Weges gegangen, sondern immer passiv geschoben worden zu sein? Ich weiß es nicht. Aber die immer wieder erfreulichen Punkte, die erwartbar in gleicher Reihenfolge kommen, klare Richtungswechsel und ein Unterwegssein in Kontakt zueinander, bereichern uns gegenseitig. Wir nehmen gegenseitig teil an der Wahrnehmung, wie dieser Weg angenehm vertraut wird und ist.
Ein blindes Mädchen hat noch einen unsicheren Gang. Unterstützung sollen Orthesen bringen. Ein Langstock soll ihr ermöglichen, viel von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Stock werfen ist toll. Mal trifft der Stock den Handlauf, mal die Heizung, mal die Tür. Alles klingt unterschiedlich. Das Bücken nach dem Stock scheint die logische Folge zu sein. Was geworfen wird, landet offensichtlich auf dem Boden. Und was es am Boden alles Interessantes gibt, das merke ich wieder, wenn ich mit ihr zusammen bin. Auf dem Boden kniend bewegt sie ihren Stock mal mit großer Kraft, mal zart und feinfühlig, um die Effekte auszukosten: ein Bodengitter, Noppenpflaster, Fliesen, Wandsockel... und die Finger tasten hinterher, über was der Stock eigentlich gerade Auskunft gegeben hat. Da findet sie Fugen, Streusplit, Gitterspalten. "Was ist das?" will sie x-mal wissen und antwortet x-mal "Nein, das ist nicht...". Manchmal erfindet sie eigene Wörter. Spannend.
Die junge Dame, die mit ihrem Stock zur Sporthalle spaziert, setzt kurze Schrittchen. Unterwegs macht sie ihre Späßchen und ruft lauthals "Ich falle!" und lächelt in sich hinein. Eine Steigung hier, ein Richtungswechsel da, ein Metalltor, ein Holzzaun, eine Mauer. "Bin ich an der Sporthalle?" ruft sie, ohne wirklich eine bestätigende Antwort zu erwarten, und zieht lächelnd an der Tür. Es ist ein Kraftaufwand, die Tür zu öffnen. Die Dame stöhnt lauthals und freudig und lässt die Tür wieder zufallen. So geht das 5 Minuten, bis jemand anderes auch das Haus betreten will, da öffnet sie freudig ganz, lässt die anderen herein und spaziert auch nach drinnen. Ich freu mich an der sportlichen Situation. Mit dem gleichen Lächeln und viel Zeit hängt die junge Frau ihre Sachen an die Garderobe, wozu sie sich schon sehr sportlich hoch strecken muss - die perfekte Dehnübung. Zum Wechsel der Straßen- zu Hallenschuhen braucht es sehr viel Fingerfertigkeit. "Ich kann das nicht!" ruft sie lächelnd und arbeitet mit allen möglichen Strategien weiter, bis die Schuhe sitzen und sie sich auf den Weg in die Halle macht - schon warm trainiert, was die anderen eben in der Halle erledigt haben.
Wenn Menschen sich emotional sicher fühlen und ausgeschlafen sind, dann haben sie gute Voraussetzungen offen zu sein, für Veränderungen um sie her. Ihr eigener Einfluss auf Veränderungen weckt ihr Interesse. Ich erzähle von einer Schülerin, deren Lieblingsplatz war auf dem Boden an der Türkante. Das Ein und Aus von anderen beim Betreten oder Verlassen des Raumes gefiel ihr gut - Luftzug, Geräusche, Informationen, die von draußen hinein wehten... Das beste aber war, dass sie herausgefunden hatte, wie sie durch verschiedene Bewegungen der Tür Impulse geben konnte, in die eine oder andere Richtung zu schwingen. Ihren eigenen Einfluss auf diesen Gegenstand genoss sie sehr. Und die anderen? Freuten sich am "Bodenpersonal" und am Service - das Achtsame Unterwegssein tut allen gut.
Ein Junge hat über das Wegklappen des Rollstuhl-Fußbretts Kontakt zum Boden bekommen - bevorzugt streifte er die Schuhe und Socken ab, um alles zu spüren. Mit den Füßen gelang es ihm, seinen festen Sitz zunächst am Platz in Bewegung zu bringen, vor - zurück - vor - zurück. Das Experimentieren führte zum Rückwärtsfahren durch Abstoßen. Die größte Freude ist es, wenn der Rollstuhl dann an einen Gegenstand oder an die Wand rumst. Als Rehalehrerin freue ich mich mit an der selbst entwickelten Strategie der Raumerkundung. Die unterschiedlichen Geräusche, Widerstände, Effekte führen ja zur Lust, das zu Wiederholen und Wiederzufinden. Und rückwärts ist eine richtig sichere Richtung, wenn der Sehsinn nicht beteiligt ist.
Für mich ist ein Fazit, dass ich in der Freiheit, die ich im Blick auf die Verschiedenheit des Menschseins bekomme, viele Konventionen überdenken darf. Was bestätigt sich und was kann ich beiseitelegen? Ein anderes Fazit ist, dass ich Einfluss darauf nehmen kann, welche Werte mir besonders wichtig sind und wie ich sie sichtbar für andere mache - als Brückenbauerin zur Welt, in der andere Werte dominieren. Ich liebe es also, erwartungsvoll zu beobachten, zu staunen, neue Möglichkeiten zu schaffen, wenn ich Interessen ausmache. Begabungen fördern ist ja eine Aufgabe von mir als Pädagogin. Aber sie ist auch ein gesamtgesellschaftlicher Wert. Räume dafür stehen überall zur Verfügung.
Und was ist Ihr Fazit?
Beruf, Bildung und Wissenschaft
Der Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker
Von Torsten Prenner
Vor 70 Jahren wurde der Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker (AG-S SBA) gegründet und fand seinen Platz bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit (BA). Vorrangiges Ziel des AG-S SBA war es damals, schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker zu den oberen und obersten Bundesbehörden zu vermitteln. Über die Jahrzehnte konnte der AG-S SBA seine Angebote erweitern und vermittelt heute bundesweit Stellen im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft.
Der AG-S SBA besteht aktuell aus 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen selbst die Hälfte eine anerkannte Schwerbehinderung haben. Wichtig ist dem Team, beide Marktseiten zu unterstützen. Deshalb werden auf der einen Seite Bewerberinnen und Bewerber beraten und bei der Stellensuche unterstützt, auf der anderen Seite Arbeitgeber gezielt über die Potentiale schwerbehinderter Menschen informiert und geeignete Fach- und Führungskräfte vermittelt. Dabei kann der AG-S SBA aktuell auf bundesweit 8729 arbeitslose schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker zugreifen (Statistik der BA, Stand Dezember 2023). Die Angebote der ZAV erfolgen in Kooperation mit den örtlichen Arbeitsagenturen und Jobcentern.
Unterstützung durch den AG-S SBA
Wie sieht die Arbeit konkret aus und wie kann man den AG-S SBA kontaktieren? Bewerberinnen und Bewerber können per Mail (ZAV.SBAkademiker@arbeitsagentur) oder telefonisch (0228-502082876) mit der ZAV in Kontakt treten. In der Regel werden in einem ersten Schritt die Bewerbungsunterlagen der Kandidatinnen und Kandidaten angefordert und im Anschluss ein Beratungsgespräch (telefonisch, per Skype, persönlich) vereinbart, um die individuellen Wünsche und die Unterstützungsmöglichkeiten durch die ZAV abzustimmen.
Ziel ist dabei immer, eine versicherungspflichtige Beschäftigung für die Bewerberinnen und Bewerber zu finden.
Auf den gleichen Wegen können Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretungen die ZAV kontaktieren. Die Vermittlungskräfte der ZAV informieren über Bewerberpotentiale und besuchen die Arbeitgeber gerne vor Ort, um eine Zusammenarbeit abzustimmen. Neben der Vermittlung steht das Team auch bei allen Fragen rund um die Einstellung zur Verfügung und vermittelt - da wo es sinnvoll und gewünscht ist - Kontakte zu Netzwerkpartnern vor Ort (z. B. Technischer Beratungsdienst, Inklusionsämter).
Ergänzt werden die Beratungsangebote u. a. durch einen Stellen-Newsletter, der alle 14 Tage per Mail an interessierte Bewerberinnen und Bewerber verschickt wird und eine Übersicht der eingegangenen Stellen enthält. Arbeitgebern werden quartalsweise ebenfalls per Mail anonyme Kandidatenprofile vorgestellt. Nähere Infos zu den Angeboten findet man unter folgendem Link: Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker.
Der AG-S SBA verfügt außerdem über ein eigenes Förderbudget und kann zur Erprobung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker auf bis zu 3 Monate befristete Arbeitsverhältnisse zu 100% fördern. Weiterhin können Eingliederungszuschüsse für bis zu 5 Jahre und bis zu 70% gewährt werden, z. B. wenn eine längere Einarbeitungsphase notwendig ist oder sich Einschränkungen aufgrund der Behinderung ergeben.
iXNet
Relativ neu (seit Mai 2022) bietet der AG-S SBA das "Inklusive Expertinnen- und Expertennetzwerk (iXNet)" an. iXNet empowert und unterstützt behinderte Akademikerinnen und Akademiker mit Netzwerkwissen und Online-Info-Veranstaltungen. Das Angebot wurde von der ZAV initiiert und im Rahmen eines vom BMAS geförderten, 3-jährigen Projekts von Menschen mit Behinderungen für Menschen mit Behinderungen entwickelt. Die Online-Info-Veranstaltungen dauern in der Regel 45-60 Minuten und informieren zu den unterschiedlichsten Themen. Zum Beispiel wurde 2023 über Sehbehinderungen, psychische Erkrankungen und den Übergang Studium-Beruf informiert. Verschiedene Themen wurden im Rahmen von Peer-Together vertieft. Diese Online-Veranstaltungen dauerten bis zu 2 Stunden und boten die Möglichkeit, sich intensiv in Kleingruppen auszutauschen.
Eine Übersicht über die geplanten Veranstaltungen finden Sie im Veranstaltungskalender. Gerne können wir auch Ihre Veranstaltung mit in den Kalender aufnehmen (bitte senden Sie bei Interesse eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).
Aktuelle Meldungen sowie Informationen für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Schwerbehindertenvertretungen finden Sie auf der iXNet-Homepage.
Kontakt
Wenn Sie Interesse an der Arbeit des AG-S SBA haben, weitere Fragen zu den Angeboten und Möglichkeiten haben oder Kooperationsmöglichkeiten mit dem AG-S SBA sehen, dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf:
Zentrale Auslands- und Fachvermittlung
Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker
Villemombler Str. 76
53123 Bonn
Telefon 0228 502082876
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.zav.de
www.ixnet-projekt.de
Bild: Thorsten Prenner ist Berater in der Abteilung für die Vermittlung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker der ZAV in Bonn. Er hat dunkelblondes Haar und trägt zum blauen Hemd einen dunkelblauen Sakko. Foto: privat
Recht
Leistungen zur Teilhabe an Bildung gem. § 112 SGB IX für die schulische oder hochschulische Bildung sowie für schulische Berufsausbildungen
Teil III: Fördermöglichkeiten der klassischen Berufsausbildung
Von Dr. Michael Richter
Bisher haben wir uns in den ersten beiden Teilen dieser Serie insbesondere mit "schulischer Bildung" befasst und haben uns damit im Bereich "Teilhabe an Bildung" bewegt. Wichtigster Leistungsträger im Rahmen einer klassischen, sog. dualen Berufsausbildung (Berufsschule/Betrieb) für Menschen mit einer Behinderung ist aber die Arbeitsagentur - und damit sind wir plötzlich im Bereich der "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben". Hier richten sich die speziellen Fördermöglichkeiten für diesen Personenkreis nach dem Arbeitsförderungsgesetz (Sozialgesetzbuch Drittes Buch, abgekürzt: SGB III). Vorab: Dies ist kein schlechter Wechsel der Teilhabebereiche, denn die Leistungen im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben sind vielfältig!
Leistungen zur beruflichen Teilhabe
Zunächst ist wichtig zu wissen, dass Leistungen zur beruflichen Teilhabe insgesamt nicht nur schwerbehinderten Menschen (mit einem Grad der Behinderung - GdB - von mindestens 50) zur Verfügung stehen, sondern auch sog. "Gleichgestellten", d. h. Menschen mit einem anerkannten GdB von mindestens 30, wobei diese Gleichstellung bei der Arbeitsagentur beantragt werden muss (vgl. § 2 Absatz 3 in Verbindung mit - i.V.m. - §151 SGB IX). Darüber hinaus können sogar "nur" von einer Behinderung bedrohte Menschen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten (vgl. § 49 Absatz 1 SGB IX).
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind umfassend in § 49 SGB IX beschrieben, und diese Vorschrift bietet mithin eine sehr gute Übersicht über das breite Leistungsspektrum an möglichen Unterstützungsleistungen, die für und während einer dualen Ausbildung gemäß § 115 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 49 Absatz 3 Nr. 5 SGB IX inklusive notwendiger Praktika (§ 49 Absatz 5 SGB IX) gewährt werden können.
Gemäß Absatz 4 werden bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt, wobei die hierdurch entstehenden Kosten (Reise, notwendige Kinderbetreuung oder Haushaltshilfen, etc.) übernommen werden (vgl. § 49 Absatz 7 SGB IX).
Die Leistungen umfassen
- medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen,
- Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
- Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
- die Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen (wenn die Leistungsberechtigten dem zustimmen),
- die Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
- Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz (unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen),
- das Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
- das Training motorischer Fähigkeiten,
- die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
- die Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung (vgl. § 49 Absatz 6 SGB IX),
- die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
- den Ausgleich für unvermeidbare Verdienstausfälle des Leistungsberechtigten oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, bei einem Träger oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen,
- die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (insbesondere in der Ausbildung),
- die Kosten für Hilfsmittel,
- die Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
- die Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang (vgl. § 49 Absatz 8 SGB IX).
Eignung und Neigung - Vom Finden geeigneter Maßnahmen
Wichtig ist, dass gem. § 49 Absatz 4 SGB IX die "Kernkriterien" für die Bestimmung der richtigen Maßnahme gleichgewichtig sowohl Eignung als auch Neigung des schwerbehinderten Menschen sein sollen!
In der Praxis von Leistungsträgern überwiegt jedoch zumeist der Fokus auf einer äußerst umfänglichen Eignungsabklärung (z. B. Stellungnahme eines medizinischen Dienstes, psychologische Gutachten oder Tests, etc.). Allerdings sind diese Kriterien im "Licht" von Art. 12 GG (Berufs- und Berufswahlfreiheit) auszulegen, d. h. der Neigung des schwerbehinderten Menschen muss bei der Maßnahmenbestimmung unbedingt eine maßgebliche Rolle eingeräumt werden. Inwieweit überhaupt eine "Eignungsprüfung" zulässig ist, wenn der behinderte Mensch die formalen Zugangsvoraussetzungen für eine Maßnahme (z.B. Realschulabschluss für eine bestimmte Ausbildung) erfüllt, ist sicherlich eher restriktiv auszulegen. Im Gesetzestext heißt es dementsprechend ja auch: "Soweit erforderlich ...". Eine zusätzliche Eignungsüberprüfung ist ohne Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Nichteignung dementsprechend nicht "erforderlich". Anhaltspunkte für eine Eignungsüberprüfung könnten sicherlich beispielsweise eine extrem schlechte Schulnote in den Fächern Mathematik oder Informatik im Rahmen einer Ausbildung zum Informatiker, eine körperliche Schwäche im Zusammenhang mit einer Ausbildung zum Physiotherapeuten und Ähnliches sein.
Weitere legitime Kriterien bei einer Maßnahmenfindung sind "die Lage auf dem Arbeitsmarkt" und "bisherige Tätigkeiten". Beide Kriterien sind wiederum im Lichte einer grundgesetzkonformen Auslegung zu sehen, d.h. eine Ausbildungsmaßnahme darf mit Blick auf die Berufswahlfreiheit nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil ein anderes Berufsbild vielleicht noch bessere Chancen bietet, kann aber ausgeschlossen werden, wenn es rein faktisch wohl keine Beschäftigungschancen bieten würde. Weitere Unterstützungsleistungen wie z.B. eine Berufsorientierung, ein Zuschuss zur Ausbildungsvergütung oder die Kosten für eine sog. assistierte Ausbildung richten sich nach den Abschnitten 3- 5 des SGB III.
Kostenübernahme für Ausbildungen an BBWs und BFWs
Die Kosten für Ausbildungen für behinderte Menschen an Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerken werden hingegen in der Regel nach § 112 ff. SGB III in Verbindung mit § 51 SGB IX erbracht. Hier heißt es in § 51 Absatz 1 SGB IX:
"Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, soweit Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Erfolges die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. ..."
Zur "Rechtsstellung der Teilnehmenden" in § 54 SGB IX wird dann weiter ausgeführt, dass, wenn Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt werden, die Teilnehmenden nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert werden.
"Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen jedoch entsprechend angewendet."
Ich hoffe, dass dieser kurze Überblick zu den Fördermöglichkeiten für eine nichtschulische berufliche Ausbildung gezeigt hat, dass wirklich ein sehr umfangreiches Instrumentarium an Hilfen gewährt werden kann und es dem Gesetzgeber offensichtlich extrem am Herzen liegt, Berufsausbildungen auf alle erdenklichen Weisen auch für Menschen mit einer Behinderung zu ermöglichen.
Berufswahlfreiheit
Eigentlich steht dem "Traumberuf" nichts entgegen. Wie immer entstehen aber natürlich die Probleme in der Praxis im Detail, und ganz oft halten z.B. Rehaberater von Arbeitsagenturen es eher für ihre Aufgabe, Menschen mit einer Behinderung darüber aufzuklären, was alles nicht geht und was nach ihrer Ansicht sinnvoll wäre, als dass sie zunächst einmal fragen: "Was würden Sie denn beruflich gerne machen?" Gerade dies wäre aber im Lichte der Berufswahlfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz) und auch im Sinne der einfach gesetzlichen Vorschriften im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben, wie z.B. § 112 Absatz 3 SGB III und § 49 Absatz 4 SGB IX, zur Abklärung der Eignung und Neigung ihre Aufgabe!
Denken Sie dran, der gewählte Beruf wird Sie vermutlich einen ganzen Lebensabschnitt begleiten, insbesondere, weil ein Anspruch auf Gewährung behinderungsbedingt notwendiger Hilfen im Rahmen einer 2. Ausbildung in der Regel erst nach einer Wartezeit von mindestens drei Jahren und vergeblicher, intensiver Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt in Betracht kommt.
Berichte und Schilderungen
Zwischen Augenbinde und dem Gesang des Muezzin
Ein Erfahrungsbericht über die Basisfortbildung zur Orientierung und Mobilität blinder Menschen in Jordanien
Von Gert Willumeit
Kurz vor den Sommerferien 2023 richtete Dr. Werner Hecker, Leiter der Rehabilitationseinrichtung (RES) der blista, eine überraschende Frage an mich. Ob ich mir vorstellen könne, für zwei Wochen nach Jordanien zu reisen, um dort einen "Crash-Kurs" zur Orientierung und Mobilität (O&M) blinder Menschen durchzuführen. Da musste ich erstmal schlucken. Doch nach wenigen Sekunden sagte ich spontan zu und wollte wissen, wie viel Zeit ich hätte, um mich vorzubereiten. Dr. Hecker antwortete mit verschmitztem Lächeln: "Nicht viel! Der Kurs in der Hauptstadt Amman beginnt am 24. September. Also in ca. zwei Monaten. Ist das zu kurz?" Ich antwortete mit: "Nein, aber ich würde am 22. September fliegen, um mich einen Tag zu akklimatisieren und dort Vorbereitungen treffen zu können". "Das klärst du alles online mit Frau Maisaa Masoud, einer sehr kompetenten und freundlichen Mitarbeiterin des VRC, des Vision-Rehabilitation-Center der 'German-Jordanian-University' (GJU)."
Nach sieben 18-monatigen Lehrgängen für O&M/LPF als Ausbilder in der Rehabilitations-Einrichtung für Sehbehinderte (RES) und einer mehrtägigen Fortbildung für Sabriye Tenberken und ihre tibetischen Mitarbeiter*innen war ich mir zunächst sicher, ein gutes Ausbildungskonzept für nur 10 Arbeitstage entwickeln zu können. "Dann aber, aber, aber!" Ich, als skeptischer Protestant, in einem arabischen Land, mit vom islamischen Glauben geprägten Menschen, die mich gar nicht kennen, die ich gar nicht kenne? Und das alles auch noch auf Englisch?
Neben den sprachlichen wie auch kulturellen Unwägbarkeiten stellte sich mir die Grundsatzfrage: Wie soll ich einen auf nur 10 Tage komprimierten Grundkurs zur O&M sehgeschädigter Menschen mit vier bis sechs Teilnehmer*innen sinnvoll realisieren, wenn in der blista diese Ausbildung neun Monate dauert? Wie soll das gehen, ohne die Kursteilnehmer*innen, ohne mich zu enttäuschen?
Doch nach den ersten beiden Online-Meetings wurde mir klar, was Dr. Hecker meinte, als er von der "sehr kompetenten und freundlichen Mitarbeiterin" vom VCR sprach. In nur fünf Meetings à 60 bis 90 Minuten mit der sehr gut Englisch sprechenden Maisaa Masoud einigten wir uns auf die folgenden inhaltlichen Schwerpunkte für die Praxis und Theorie:
- Einführung in die Techniken der Sehenden Begleitung (die Führung Hand und Arm),
- Einführung in die Raum- und Gebäudeorientierung,
- Demonstration verschiedener Langstocktechniken und mehrfache intensive Übungseinheiten zur Pendelrolltechnik im Hof der GJU,
- Einführung in die Orientierung und Mobilität mit dem Langstock in Gebäuden mit mehreren Stockwerken und im Gelände der GJU sowie
- Einführung in die Orientierung & Mobilität im weniger sowie im stark vom Verkehr frequentierten Straßenbereich mit dem Ziel der Lokalisierung einer Bushaltestelle.
Kurz vor Abreise stand fest, dass Frau Masoud und vier weitere Teilnehmerinnen den Basiskurs absolvieren werden. Ein männlicher Kollege konnte aus zeitlichen Gründen leider nicht teilnehmen. Aber wie sollte das gehen? Ich, Sehende Begleitung, mit Frauen, die in ihrem Glauben an Allah fest verwurzelt sind? Die keinem fremden Mann auch nur zur Begrüßung kurz die Hand reichen würden. Sehende Begleitung ohne jeglichen "Körperkontakt", nur mit verbaler Vermittlung, in englischer Sprache? Wie sollte das in so kurzer Zeit funktionieren? Für mich undenkbar!
Nachdem am Vormittag des ersten Kurstages die inhaltlichen Schwerpunkte sowie die räumliche und zeitliche Organisation mit je vierstündigen Zeitblöcken am Vor- und Nachmittag besprochen waren, erläuterte ich den fünf den Hijab tragenden Frauen vier Fundamente unserer Zusammenarbeit:
Erstens: wir sollten offen diskutieren, d.h. alle fünf Teilnehmerinnen sollten mich als Lehrer nicht nur fragen, sondern auch hinterfragen und gegensätzliche Auffassungen äußern können, um gegebenenfalls Missverständnisse, aber auch um insbesondere ihre eigenen Erfahrungen und Ansichten erörtern zu können. Hauptziel ist: dass sie sich nach dem Lehrgang im Verbund mit ihren zukünftigen Erfahrungen als O&M-Lehrerinnen weiter entwickeln können.
Zweitens: die Praxis mit Augenbinde ist mindestens so relevant wie die Theorie - die Reflexionen und Diskussionen zur Praxis. Ungefähr die Hälfte der Kurszeit wird mit praktischen Übungen unter der Augenbinde realisiert. Dies sei notwendig, um nicht nur die blindenspezifischen Techniken der O&M zu erfahren, zu erlernen und zu verstehen. In erster Linie geht es darum, bei jeder Teilnehmerin eine nachhaltige Sensibilisierung zu erzeugen, welche die Basis dafür sein wird, im Unterricht mit hinreichender Empathie und Kreativität auf die individuellen Bedürfnisse blinder Menschen adäquat und intuitiv angemessen reagieren zu können.
Drittens: bei fünf Gebeten pro Tag war es mir wichtig festzustellen: in den vierstündigen Zeitfenstern hat jede Teilnehmerin die Möglichkeit, dann zu beten, wenn es für sie erforderlich ist - ihr Glaube ist wichtiger als der Kurs, betonte ich. Alle Teilnehmerinnen freuten sich über dieses Angebot und teilten mir zugleich mit, dass dies in Amman mit den fünf Gebetszeiten nicht so streng gehandhabt wird und dass sie nicht immer dann, wenn der Muezzin zum Gebet ruft, den Kurs verlassen müssten, um in gesonderten Gebetsräumen ihrer religiösen Pflicht nachzukommen. Sie könnten auch ohne "dem Gesang des Muezzin" zu folgen fünfmal täglich beten.
Viertens erläuterte ich zunächst die Relevanz von verschiedenen Techniken der "Sehenden Begleitung" und wie umständlich bzw. zeitaufwändig es wäre, wenn ich diese Themen nur sprachlich, aber nicht praktisch unterrichten würde - zumal eine Teilnehmerin gar kein und eine weitere nur teilweise Englisch sprach. Die Übersetzungen vom Englischen ins Arabische würden uns in den wenigen Tagen Zeit kosten. Es wäre zeitsparend, viel einfacher und auch eindeutiger, wenn ich die Techniken mit einer Teilnehmerin unter der Augenbinde praktizieren und die anderen zusehen könnten. Dazu müssten wir uns aber mit der Hand und am Oberarm berühren - was wahrscheinlich ein Problem sei. Um jenes zu lösen, hatte ich dünne Baumwollhandschuhe in verschiedenen Größen mitgebracht. Ich vermutete, damit könnte es ausnahmsweise doch gestattet sein, sich in der Sehenden Begleitung zu berühren.
Einerseits freuten sich alle Teilnehmerinnen und einige lobten mich, dass ich an diese Problematik überhaupt gedacht habe und nun diese Lösung vorschlage. Andererseits teilten sie mir lapidar mit, dass sie doch an den Armen bekleidet sind und ich bei der Sehenden Begleitung ein Hemd mit langen Ärmeln trage. Sie betonten, dass es bei der angesprochenen religiösen Konvention lediglich um die Vermeidung des direkten Hautkontaktes von Hand zu Hand ginge. Auf die Handschuhe könnten wir also beim Thema Sehende Begleitung verzichten.
Erleichtert stimmte ich zu, gab aber zu bedenken, dass wir die Sehende Begleitung nicht nur im geschlossenen Kursraum, sondern vor allem draußen, im großen Hof der GJU praktizieren werden und garantiert einige Männer uns argwöhnisch visuell fixieren würden. Ob es da nicht besser sei, dass wenigstens ich an meiner "Führhand" den Handschuh trage? Mit "Yes, yes!" befürworteten alle Frauen diesen Vorschlag und wir starteten den Kurs mit der Praxiseinheit Sehende Begleitung.
So kam es, dass ich zum ersten Mal am Arm einer Frau ging, die ihr Kopftuch derart akkurat trug, dass auch nicht nur ein einziges Härchen zu sehen war. Getoppt wurde diese besondere Situation schließlich dadurch, dass ich unter der Augenbinde leicht erschrocken, weil gänzlich unerwartet, den ca. vierminütigen "Gesang des Muezzin" vernahm. Jedoch mit Augenbinde und Handschuh konnte ich dieses außergewöhnliche, in der ganzen Stadt zu hörende musikalische Großereignis genießen.
Ebenso lernten einige Teilnehmerinnen bei Orientierungsübungen im Hof der GJU den für sie alltäglichen "Gesang des Muezzin" unter der Augenbinde zu schätzen. Er ermöglichte ihnen - wie auch die Verkehrsgeräusche der Hauptstraße - die einfache, akustische Wahrnehmung von Gebäudelücken und somit den schnellen Aufbau einer Groborientierung mit und ohne Langstocknutzung. Wie wichtig Augenbindenerfahrungen den Teilnehmerinnen waren, zeigen die folgenden Bilder, da schon bald nach Kursende die ersten Studierenden und Angehörige der GJU Übungen zur Sehenden Begleitung mit Augenbinden absolvierten - weitere Früchte des Basiskurses zur O&M blinder Menschen. Wie fruchtbar die blista - nicht nur in Marburg - doch sein kann!
Ich danke Dr. Werner Hecker und insbesondere den Kurszeilnehmerinnen - Ayat, Dania, Maisaa, Sanaa und Yosur - für die vielen, außergewöhnlichen Erfahrungen mit ihnen; für ihr Vertrauen, ihre vielen wichtigen und bisweilen kritischen Fragen, ihre unermüdliche Motivation und Konzentration, ohne die die erfolgreiche Verwirklichung jenes sehr intensiven O&M-Basiskurses nicht gelungen wäre.
Bild: Crash-Kurs O&M in Jordanien: Gruppenbild mit den Kursteilnehmerinnen. V. l. n. r.: Dania, Asmaa, Yosur, Maisaa, Gert Willumeit und Ayat. Foto: Vision Rehabilitation Center (VRC) der German Jordanian University (GJU)
Bild: Beim Training: Gert Willumeit lässt sich führen. Er trägt eine schwarze Augenbinde und hält mit seiner behandschuhten Hand den Oberarm seiner sehenden Begleitung vor ihm. Sie trägt eine helle Hose und eine Tunika, ihr Haar ist durch ein weißes Tuch bedeckt, darüber trägt sie ein weites Kopftuch. Die Sonne wirft lange Schatten auf den Bürgersteig. Foto: Vision Rehabilitation Center (VRC) der German Jordanian University (GJU)
Bild: Zwei Zweierteams mit Langstöcken auf breitem Gehweg in einem modernen Ammaner Geschäftsviertel. Alle vier tragen Langstöcke, je ein Teammitglied die Augenbinde. Gert Willumeit ist Teil eines Teams und gibt den drei Frauen Tipps. Foto: Vision Rehabilitation Center (VRC) der German Jordanian University (GJU)
Studieren mit Handicap - die FH Westküste wartet auf Sie
Von Dr. Carsten Dethlefs
Als ich mit meinem Handicap der physischen Blindheit im Jahr 2000 mein Studium an der Fachhochschule Westküste in Heide begann, war es für die meisten Dozenten noch eine neue Erfahrung, einen Studenten mit Handicap in ihren Reihen zu haben. Als ich 2004 mein Diplom in Händen hielt, war es vollkommene Normalität. Mit Umwegen über die Fernuniversität Hagen und die Goethe-Universität Frankfurt/Main erlangte ich sogar meinen Doktortitel. Seit 2016 lehre ich nun das Fach "Menschen mit Behinderung als Zielgruppe - Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil". Dieses Thema habe ich auch in meinem Film "Barrierefreies Dithmarschen" zum Ausdruck gebracht (https://youtu.be/_WdoZPyCJ9E). Insbesondere der Tourismus-Schwerpunkt macht diese Hochschule weit über die Grenzen Norddeutschlands bekannt. Betriebswirtschaft, Wirtschaftspsychologie, Green Energy und vieles mehr runden den Fächerkanon ab.
Heide ist eine Stadt von 22.000 Einwohnern. Die FH Westküste hat aktuell etwa 2.000 Studierende. Ein Studentenwohnheim befindet sich auch nicht weit entfernt von der Hochschule. Ich würde mich auch im Namen der FH Westküste freuen, wenn noch mehr Studierende mit Handicap die familiäre Atmosphäre der FHW kennenlernen und den Studienalltag somit für alle bereichern. Schließlich sollten wir mittendrin statt nur dabei sein.
"Zielgruppe: Menschen mit Behinderung" - Bericht eines Studierenden
Eine studentische Einschätzung des deutschlandweit einzigartigen Faches "Menschen mit Behinderung als Zielgruppe - Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil" befindet sich nachstehend:
"Als Studierende des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Westküste in Heide haben wir dieses Semester die Möglichkeit, am Kurs "Menschen mit Behinderung als Zielgruppe" teilzunehmen. Dieser inspirierende Kurs wird von Dr. Carsten Dethlefs geleitet, der neben seiner freiberuflichen Tätigkeit an der Fachhochschule hauptsächlich Unternehmen, Vereine sowie Städte und Kommunen berät. Sein Fokus liegt dabei darauf, durch barrierefreie Gestaltung des eigenen Umfelds einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern zu erzielen.
Dr. Dethlefs, selbst seit seinem vierten Lebensjahr vollständig erblindet, eröffnet uns Studierenden einen neuen Blickwinkel im Bereich der Menschen mit Handicap. Er zeigt uns, wie man diese Zielgruppe richtig anspricht und sogar einen Wettbewerbsvorteil erzielen kann. In seiner Vorlesung vermittelt er nicht nur theoretisches Wissen, sondern greift auch auf praxisnahe Methoden zurück.
Ein Beispiel hierfür ist das blinde Erkennen von Werbespots. Ohne den visuellen Input sollten wir anhand des Gehörten die beworbene Marke identifizieren. Dabei wurde deutlich, dass viele bekannte Marken ohne visuelle Unterstützung schwer zu erkennen sind. Dies spiegelt die Realität vieler Menschen wider, die von herkömmlichen Werbespots nicht erreicht werden. Herr Dethlefs betonte, dass barrierefreie Werbung für alle dabei aber durchaus realisierbar ist.
Ein wichtiger Faktor ist dabei die klare Nennung der Marke sowohl zu Beginn als auch am Ende des Werbespots. Zusätzlich können Vertrauensstimmen und einfaches Storytelling effektiv eingesetzt werden. Die Werbespots sollten kurz sein und Musik verwenden, die emotionale Resonanz erzeugt.
Ein weiteres praxisorientiertes Beispiel sind Selbstversuche mit Augenbinden. Als "unerfahrene Blinde" wurden wir nicht allein gelassen, sondern hatten stets einen Partner oder eine Partnerin an unserer Seite. Diese Begleiter unterstützten uns während unserer blinden Erkundungstour durch die Fachhochschule und halfen uns, mögliche Hindernisse zu erkennen. Eine der Aufgaben war beispielsweise das Kaufen, Finden des Sitzplatzes und Trinken eines Getränks in unserem "Coffee-Shop". Diese Aufgabe erwies sich als überraschend herausfordernd und verdeutlichte uns, welche Hindernisse Menschen mit Handicaps im Alltag begegnen können.
Ein zentraler Bestandteil unseres Kurses war auch die Überprüfung der Barrierefreiheit von Restaurants. Dazu verteilten wir uns zu zweit - eine/r davon mit Augenbinde - in verschiedene Restaurants in Heide und Kiel, um das Gelernte in der Praxis anzuwenden. Die Erkenntnisse waren aufschlussreich: Zwar zeigt sich, dass in vielen Restaurants bereits Maßnahmen zur Barrierefreiheit implementiert sind, jedoch bleibt noch erheblicher Spielraum für Verbesserungen.
Von scheinbar kleinen Details wie fehlenden Kontraststreifen bis zu der Abwesenheit barrierefreier Toiletten - häufig gibt es Aspekte, bei denen eine Anpassung den Menschen mit Handicap erheblich entgegenkommen würde. Diese praktischen Erfahrungen verdeutlichen, dass trotz vorhandener Bemühungen noch Handlungsbedarf besteht, um die Gastronomie für alle zugänglicher zu gestalten.
Selbst die Struktur der Vorlesung präsentierte uns neue Unterrichtsmethoden, die für uns ungewohnt waren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Präsentationen auf einer Leinwand hatten wir immer unsere eigenen Unterlagen vor uns und erarbeiteten den Großteil des Vorlesungsinhaltes im aktiven Austausch mit dem Dozenten. Dieser interaktive Ansatz erforderte nicht nur unsere Aufmerksamkeit, sondern auch die regelmäßige Beteiligung. Statt der üblichen Handzeichen zur Meldung nutzten wir Klopfgeräusche auf den Tischen, was zunächst ungewohnt war, aber rasch zu einer festen Gewohnheit wurde. Diese Umstellung mag anfangs als herausfordernd erscheinen, doch wir haben sie schnell adaptiert, und nun kommt sie uns selbstverständlich vor.
Es ist wichtig zu betonen, dass selbst solch vermeintlich kleine Änderungen im Unterrichtsformat für Menschen mit Handicaps bedeutsam sein können. Diese scheinbar kleinen Herausforderungen, an die wir uns relativ leicht anpassen konnten, offenbaren uns erneut die Perspektive von Menschen mit Handicaps. Unsere Fähigkeit zur Anpassung erweitert nicht nur unseren Horizont im Hinblick auf die Inhalte der Vorlesung, sondern sensibilisiert uns auch für die Barrieren, denen Menschen mit Handicaps oft gegenüberstehen und die nicht immer so schnell überwunden werden können."
Bild: Ein blauer Liegestuhl mit der Aufschrift "Dein Platz" ist im Liegestuhl-Kreis sieben Studierender auf dem Campus frei. Die FH Westküste weist mit dem Bild und Slogan "Studieren mit weitem Horizont" im Sommer 2023 auf ihre Bewerbungsfrist hin. Foto: https://www.fh-westkueste.de/hochschulprofil/presse/archiv-2023/
Aus der Arbeit des DVBS
Interessengruppe Digitale Barrierefreiheit wird flügge
Von Uwe Boysen
Die Vorgeschichte
Schon seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich der DVBS in Aufsätzen, Projekten, Fachtagungen und Stellungnahmen mit dem Thema digitale Barrierefreiheit. Als Beispiele unter anderen seien nur die Fachtagung zum 100-jährigen Jubiläum des DVBS von 2016 und die 2018 in Berlin durchgeführte Veranstaltung zur Umsetzung der EU-Richtlinie zu barrierefreien Webseiten und mobilen Anwendungen genannt.
Dabei ging und geht es immer um eine klassische Querschnittsaufgabe, die sämtliche Fach- und Bezirksgruppen unseres Vereins und unsere Mitglieder in ganz verschiedenen Ausprägungen erfasst, schreitet die Digitalisierung doch in ungeheurem Tempo fort und stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen, teilweise charakterisiert mit der Redensart von der Angst vor dem Update.
Da war es nicht ganz fernliegend, ab 2019 eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich dem Thema digitale Barrierefreiheit und seiner bestmöglichen Verankerung in unserem Verein konzentriert widmen sollte. Verschiedene Personen aus unterschiedlichen Bereichen trafen sich hier, diskutierten diesen Themenkreis und stellten als erstes Ergebnis 2021 einen Zoom-Workshop auf die Beine, bei dem es um die Frage ging, wie man richtig Barrieren melden kann (siehe Boysen in: horus 3/21).
Im Anschluss hieran wuchs die Erkenntnis, die jetzt vorhandenen Möglichkeiten unserer Satzung zur Gründung von Interessengruppen zu nutzen, um hier eine bessere und kontinuierlichere Vernetzung zu erreichen. Im November 2022 wurde die Interessengruppe Digitale Barrierefreiheit dann vom Arbeitsausschuss des Vereins als weitere Vereinsgliederung anerkannt mit der Folge, dass sie nunmehr Sitz und Stimme im Arbeitsausschuss hat, eine Mailingliste besitzt und Mitglieder aufnehmen kann (dazu Boysen, horus 1/23), von denen es derzeit 53 gibt.
Themen des ersten Workshops der IG Digitale Barrierefreiheit
Konsequenterweise trafen sich am Wochenende des 17. und 18. Februar 2024 35 Teilnehmende in Marburg zum ersten Workshop der IG, der verschiedene Aspekte rund um das Thema behandelte.
Im ersten Themenblock gab Andreas Carstens (Richter am Finanzgericht Hannover) einen Überblick über die vorhandenen gesetzlichen Regelungen in Bund und Ländern. Zentral sind hier Vorschriften in den jeweiligen Behindertengleichstellungsgesetzen zu den Anforderungen an Barrierefreiheit für die sog. öffentlichen Stellen, aber auch Normen, die sie verpflichten, ihre elektronische Vorgangsbearbeitung und Aktenführung barrierefrei zu gestalten (für den Bund § 12a Abs. 1 des BGG). Hinzu kommen zahlreiche Normen in verschiedensten Gesetzen und Verordnungen, die teilweise unterschiedlich ausgestaltet sind (zum Ganzen auch Carstens in horus 3/22).
In Themenblock zwei referierte Oliver Nadig (Dipl.-Psych. und Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe MINT im DVBS) über Standards zur Schaffung und Gewährleistung digitaler Barrierefreiheit und ging dabei ausführlich auf die vorhandenen Regelwerke (Stichworte: BITV 2.0, WCAG 2.2 und DIN EN 301 549) ein. Letztere Norm befasst sich mit "Barrierefreiheitsanforderungen zu IT-produkten und -Dienstleistungen". Dies ist der einzige für die BITV 2.0 rechtlich verbindliche Kriterienkatalog. Bei der Erläuterung der vier grundlegenden Barrierefreiheitsmerkmale Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit hob Nadig das sonst oft nur kurz gestreifte Prinzip "Robustheit" hervor. Er betonte: Wenn beispielsweise eine Webseite nur in einer ganz speziellen Kombination aus Screenreader, Browser und Betriebssystem von Menschen mit Blindheit genutzt werden kann, so ist Robustheit nicht gegeben, was durchaus als Barriere gemeldet werden kann.
In Themenblock 3 widmeten sich Ursula Weber (beschäftigt bei der BA) und Alexander Pfingstl (Mitarbeiter der "Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik", kurz: BFIT-Bund) Fragen des Vergaberechts, dem gerade bei neu zu beschaffender Software eine Schlüsselrolle zukommt, wenn es um die Barrierefreiheit der Produkte geht. Thema war hier auch die Möglichkeit der Einleitung von Schlichtungsverfahren über die dafür zuständige Schlichtungsstelle. Dazu Pfingstl: "Solche Verfahren sind sinnvoll, sie lösen nicht akute Probleme, helfen aber, Probleme mittelfristig zu lösen und sind damit empfehlenswert."
Der Sonntag gehörte zunächst in Themenblock 4 dem Konzept des agilen Arbeitens, das neue Herausforderungen an die Entwickler von IT-Produkten stellt und jedenfalls zum Teil auch eine Chance ist, Barrierefreiheit von Anfang bis Ende im Entwicklungsprozess zu verankern und so kontinuierlich auf ihn Einfluss zu nehmen. Das bringt zwar erhebliche Herausforderungen für Betroffene im Hinblick auf ihre Flexibilität mit sich, wird aber gleichwohl von Pfingstl als eine Chance zur besseren Verankerung digitaler Barrierefreiheit gesehen.
Vereinsinterna
Danach galt es, eine Leitung der IG zu bestimmen. Die Anwesenden einigten sich auf Bianca Kronhardt aus Bielefeld als IG-Leiterin sowie Dr. Andreas Wagner, Ursula Weber, Martin Falge, Wencke Schönmetzler und Philipp Fischer als weitere Mitglieder des Leitungsteams. Daneben bestand Einigkeit, die kleine Steuerungsgruppe, ergänzt um die Mitglieder des Leitungsteams, weiter als Ideenproduzentin und Informationsplattform bestehen zu lassen.
Workshopauswertung und Ausblick
In der sich anschließenden Auswertung des Workshops wurde deutlich, wie notwendig die Bündelung unserer Erfahrungen auf diesem alle Lebensbereiche erfassenden Gebiet ist, wenngleich für die Teilnehmenden die mit der IT verbundenen beruflichen Herausforderungen eindeutig im Vordergrund standen.
Eine ganze Reihe weiterer Themen drängt sich für die zukünftige Arbeit der IG auf: Zu nennen sind:
- die Rolle der Schwerbehindertenvertretung bei der Durchsetzung digitaler Barrierefreiheit,
- Möglichkeiten der Einflussnahme auf Ausschreibungsverfahren
- Auswirkungen des 2025 Inkrafttretenden Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, BFSG (zu ihm auch die Resolution der DVBS-Mitgliederversammlung in horus 3/23),
- denkbarer Einfluss der KI auf digitale Barrierefreiheit,
- Barrierefreiheit der neuen digitalen Gesundheitsleistungen sowie
- Folgen einer ausgeweiteten Anwendung von open-source-Software auf unser berufliches Fortkommen,
um nur die derzeit wichtigsten Entwicklungen zu benennen. Man sieht: An für uns relevanten Themen besteht wahrlich kein Mangel.
Mit Erfahrungsaustausch, Solidarität und Ideen sollte es uns auch als kleiner Gruppe von Menschen mit Seheinschränkungen gelingen, unsere Bedürfnisse und Ansprüche an die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von IT-Anwendungen wirksam zu vertreten, auch wenn uns allen die damit verbundenen Schwierigkeiten bewusst sind.
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Leitungsteam IG Digitale Barrierefreiheit
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Gesprächsreihe Blinde Wahrnehmung - Wahrnehmung der Blindheit
Von Fabian Korner
Eigene Erfahrungen reflektieren und kritisch hinterfragen, diese Aufgabe hat sich die Gesprächsreihe "Blinde Wahrnehmung - Wahrnehmung der Blindheit" gestellt. Von Fabian Korner, Mitglied der FG StAu, initiiert, fanden 2023 vier Online-Veranstaltungen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Umfeld der sozialwissenschaftlich orientierten Disability Studies statt.
Zum Auftakt diskutierte der Soziologe Miklas Schulz (Universität Hannover) mit den Teilnehmer*innen über die Aussage, Blindheit oder Sehbehinderung seien nicht zwangsläufig ein Defizit. Behinderung, so der Soziologe, solle nicht nur als eine fremdbestimmte medizinische Diagnose interpretiert werden. Vielmehr werden wir direkt durch fehlende Barrierefreiheit und durch unsere Umwelt beeinträchtigt. Die Teilnehmer*innen berichteten über Barrieren im Alltag und über biographische Ereignisse, in denen die Blindheit oder Sehschwäche zu Rechtfertigungen des eigenen Handelns zwang. Dass die eigene Unfähigkeit kein individuelles Versagen darstellt, sondern vielfach auf Umgebungsfaktoren beruht, war ein wesentliches Resultat des spannenden Diskurses.
Die Überlegungen wurden in der zweiten Veranstaltung mit der Siegener Soziologin Natalie Geese vertieft. Sie hat sich in ihrer Promotion mit den Voraussetzungen der Mobilität blinder und seheingeschränkter Verkehrsteilnehmer*innen auseinandergesetzt. In der Diskussion hierüber berichteten viele von Diskriminierungen, die sie im öffentlichen Raum beim Unterwegssein mit Langstock oder Führhund erleben. Insbesondere Frauen erzählten von unangenehmen Erfahrungen, etwa wenn sie von vermeintlich hilfsbereiten Menschen über eine Straße gezogen oder direkt berührt werden, ohne dass sie dies wünschen. Die Teilnehmer*innen setzten sich mit der Frage auseinander, ob und in welchem Maß eine Pflicht besteht, die eigene Wahrnehmungswelt Sehenden zu erläutern, und ob diese überhaupt am Orientierungs- und Mobilitätstraining beteiligt werden sollten.
In der blinden Wahrnehmung steckt viel positives Potenzial, das zeigte Sigfried Saerberg im dritten Vortrag unter dem Titel "(B)Low Vision". Der langjährige Aktivist und Professor für Disability Studies ließ zu Beginn einen Luftballon, auf dem ein Auge gezeichnet war, laut zerplatzen. Dass dieses "Zerplatzen" visueller Kultur notwendig ist, illustrierte er danach anhand mehrerer Romane, in denen Blindheit als Unwissenheit, Verblendetsein, Naivität oder als Hilflosigkeit dargestellt wird. Er hielt dem das positive Gegenbild eines blinden Wahrnehmungsstils entgegen. Dieser könne und solle sich, inspiriert vom Disability Art Movement, in eigenen Kulturschöpfungen, z. B. in Literatur, Musik oder anderen künstlerischen Aktivitäten, äußern. Die Teilnehmer*innen schlossen sich dieser Auffassung weitgehend an und forderten u. a., dass museale Kunst nicht bloße Beschreibungen, also Wahrnehmung aus zweiter Hand, bieten dürfe. Blinde Wahrnehmung müsse eine gleichberechtigte Teilhabe und Erfahrung an und mit Kunst ermöglichen. Es geht nicht darum, Blinde als Menschen mit besonderen Fähigkeiten oder als besonders hilflos zu beschreiben, auch wenn sich ein realistisches Alltagsbild nicht immer mit den Vorstellungen sehender Leser*innen deckt.
Die vierte Veranstaltung war als offene Werkstatt konzipiert. Zu ihrem Ergebnis gehört der Wunsch, dass die Reihe fortgeführt wird. Denn die Disability Studies tragen dazu bei, Behinderung, und exemplarisch Blindheit und Sehbeeinträchtigung, besser zu verstehen. Zu Beginn der Gesprächsreihe hatte Fabian Korner noch beklagt, der Beitrag der Disability Studies sei bisher nicht in der Selbsthilfe angekommen. Doch durch die hohe Teilnehmerzahl - meist waren es 50 pro Termin - wurde deutlich, dass Interesse am Thema durchaus vorhanden ist, vor allem bei Mitgliedern der DVBS-Fachgruppe StAu. Die Disability Studies sind ein relativ junger Forschungsbereich, aus dem insbesondere jüngere Menschen mit Behinderung viel Selbstbewusstsein gewinnen können.
Wer sich für das Thema interessiert, kann sich über die DVBS-Geschäftsstelle in die Mailingliste "Blindness-Studies" eintragen lassen.
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Eintrag in die Mailingliste:
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Leitungsteam FG StAu:
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Seminarplanung für die zweite Jahreshälfte
Haben Sie Lust auf Weiterbildung, veranstaltet von unserem Netzwerk blinder und sehbehinderter Menschen? In der zweiten Jahreshälfte 2024 bieten wir folgende Seminare an, die vier bzw. acht Tage Gelegenheit bieten, neue Erfahrungen zu sammeln. Unsere kompetenten Referent*innen vermitteln Wissen und Methoden barrierefrei und auf einprägsame Weise.
- 07. - 21.07.2024: "Biografisches Theater". Seminar der FG Wirtschaft in Herrenberg-Gültstein (Baden-Württemberg).
- 08. - 07.09.2024: Seminarwoche der IG Ruhestand in Saulgrub (Bayern).
- 19. - 22.09.2024: "Nicht sehend - nicht blind". Seminar der IG Sehbehinderte in Bad Soden-Salmünster (Hessen).
- 05. - 08.12.2024: "Gesprächsführung". Seminar der FG Wirtschaft in Herrenberg-Gültstein.
Außerdem plant die Fachgruppe "Soziale Berufe und Psychologie" ein Seminar zum Themenbereich "Resilienz", das voraussichtlich im November stattfinden soll.
Unsere Seminare stehen auch Nichtmitgliedern offen, sollten noch Plätze frei sein.
DVBS-Mitglieder mit geringem Einkommen und ohne institutionelle Förderung können einen Zuschuss aus unserem Solidaritätsfonds beantragen.
Bei Fragen zum Seminar- und Veranstaltungsprogramm des DVBS wenden Sie sich gerne an:
Kontakt
Christian Axnick
DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888 28
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Aus der blista
"blista setzt Maßstäbe": Einweihungsfeier für einen spannenden und vielfältigen Lernort: Montessori-Schule Marburg auf dem blistaCampus
Von Dr. Imke Troltenier
Der blistaCampus hat Zuwachs bekommen! Gleich nach den Ferien wurde das neue, große Gebäude mit seinen auffallend grünbunten Faschen um die unregelmäßig verteilten Fenster von den Schüler*innen und Lehrkräften in Besitz genommen.
Zur Einweihungsfeier am 29.02.2024 trafen weit über 100 Gäste auf dem blistaCampus ein. Von Montessori-Schüler*innen vergnügt und sicher geleitet fanden alle Ehrengäste, Mitglieder und interessierten Besuchenden ihren Weg zum neuen Gebäude Am Schlag 2a.
Zum Auftakt der Feier trugen die jüngsten Schüler*innen der Montessori-Grundschule ein Frühlingslied vor, anschließend begrüßte Patrick Temmesfeld, Vorstandsvorsitzender der blista, die Gäste. "Wir haben mit dem 29.02. ein ganz besonderes Datum im Schaltjahr gewählt, denn auch dieses Gebäude ist nicht nur einzigartig, auffällig und markant, es ist zugleich innovativ und zukunftsweisend. An dieser Stelle möchte ich meinen großen Dank zum Ausdruck bringen, dafür dass Sie alle dazu beigetragen haben."
"Mit der besonderen Idee von Inklusion und selbstbestimmtem Lernen hat die blista einen Campus entwickelt, der weit mehr ist als eine Schule", betonte Dr. Karsten McGovern, Verwaltungsratsvorsitzender der blista in seinem Grußwort. Dr. McGovern unterstrich: "Auf Basis einer hochqualifizierten Förderung wird hier ein Umgang mit Vielfalt gelebt und vorgelebt, der für die Teilhabe inmitten einer demokratischen und weltoffenen Gesellschaft beispielhaft ist."
Auch Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies strich in seinem Grußwort den Wert von Inklusion und Teilhabe heraus: "Die blista setzt seit Jahrzehnten Maßstäbe und heute ganz besonders", sagte er und erklärte: "Als Schule in freier Trägerschaft geht sie voran und zeigt, dass Inklusion funktioniert, dass alle davon profitieren. Auf diese Weise werden zugleich Prozesse in unserer breiten Bildungslandschaft angestoßen und beschleunigt, die das Lernen verbessern. Schulen müssen ein schöner Ort sein, wo Kinder sich wohlfühlen und glücklich sind. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Ereignis."
Jens Womelsdorf, Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf, freute sich über die Bereicherung der Schullandschaft. Er dankte für die Schaffung eines ganz besonderen Lernorts, für das große Engagement und die konstruktiven Auseinandersetzungen, auch mit der Widersprüchlichkeit der Person Maria Montessori. Den Schüler*innen wünschte er viel Freude. Auch dabei, den neuen Ort zu ihrem zu machen und in diesem Zuge vielleicht auch den einen unverwechselbaren Kratzer oder die andere persönliche Gebrauchsspur zu platzieren, an die man sich später so gern erinnert.
Dirk Bamberger, Mitglied des Hessischen Landtags, lobte: "Die blista ist ein Flaggschiff, sie setzt Impulse. Das braucht viel Mut." Dazu gratulierte er herzlich und wünschte eine glückliche Zukunft.
Im Anschluss an eine zweite, gekonnte Gesangseinlage der Schüler*innen unter Leitung von Olaf Roth dankte Claus Duncker, Vorstandsvorsitzender a.D., dem Schulamt für die Unterstützung beim Ausbau der Montessori-Schule Marburg von der sechsjährigen Grundschule zur Gesamtschule bis Klasse 10 und für die damit einhergehenden Möglichkeiten des Austauschs pädagogischer Konzepte auf dem blistaCampus. "Diesem Schulneubau gehört die Zukunft", sagte er und führte die Facetten barrierefreier Möglichkeiten anhand eines Beispiels aus: Durch die bauliche Konzeption der unterschiedlichen Fenstergrößen entstehen entsprechend unterschiedlich ausgeleuchtete Arbeitsflächen und werden individuellen Bedarfen der Kinder und Jugendlichen gerecht.
Architekt Karsten Schmidt spannte schließlich den Bogen von der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs im Jahre 2020 von der innovativen, ressourcen- und umweltsensiblen Planung über die ungeahnten logistischen und materiellen Herausforderungen der Pandemie bis zur Fertigstellung: "Ich bin froh, dass wir hier stehen. Das ist der Erfolg der guten Partnerschaft, in der wir uns bewegen." Er wünschte viel Freude mit dem Gebäude.
Last, not least begrüßte Melanie Grzimbke, Schulleiterin der Montessori-Schule Marburg, die Anwesenden.
Sie erläuterte Eckpunkte der Montessori-Pädagogik auf dem blistaCampus wie das individuelle und selbstbestimmte Lernen, die vorstrukturierten Lernumgebungen und das anregende Lernmaterial, das sich durch seinen Aufforderungscharakter auszeichne. Sie lud die Gäste aufs Herzlichste ein, die anwesenden Schüler*innen in die jeweiligen Lerngruppenräume zu begleiten und sich Einblicke in die Räume und Materialien zu verschaffen.
Gern griffen die Besucher*innen das Angebot für Gespräche mit Schüler*innen, Lehrkräften und Gästen auf.
Nachmittags waren alle weiterhin interessierten Kolleg*innen der blista und Eltern der Montessori-Schule eingeladen, sich die neuen Räumlichkeiten anzuschauen und vorstellen zu lassen. Architekt Karsten Schmidt und Schulleiterin Melanie Grzimbke informierten in ihren Vorträgen erneut und ausführlich. Bei Kaffee, Kuchen und Snacks kam anschließend auch der Austausch nicht zu kurz.
Die barrierefreie Ausstattung des neuen lernorts wurde mit freundlicher Unterstützung durch Aktion Mensch realisiert. Für die Förderung der energetischen Optimierung des Gebäudes bedankt sich die blista bei der KfW.
Bild: Auf dem Dachgarten der Montessori-Schule Marburg (MSM) anlässlich der Einweihung des Gebäudes auf dem blistaCampus. V.l.n.r.: Melanie Grzimbke (Leiterin MSM), MdL Angela Dorn, Michael Elias (MSM-Berater), Claus Duncker (blista-Vorstand a.D.), Landrat Jens Womelsdorf, Patrick Temmesfeld (blista-Vorstand) mit hüfthohem symbolischem Schlüssel, Bürgermeisterin Nadine Bernshausen.
Bilder: Logos "Gefördert durch die Aktion Mensch" (re) und KfW (li).
So modern und notwendig wie vor 70 Jahren
Siebzig Jahre Hörbuchproduktion in den Studios der Deutschen Blinden-Hörbücherei (DBH)
Von Andrea Katemann, Leiterin der DBB
Am 23.02.1954, also vor 70 Jahren, entstand die DBH. Aus heutiger Sicht wirkt es umständlich, Bücher auf Tonbänder zu sprechen und diese dann an blinde und sehbehinderte Menschen zu verschicken. So wurde die damals neueste Technik genutzt, um späterblindeten und kriegsblinden Menschen einen Zugang zu Literatur zu ermöglichen. Technisch klingen die Aufnahmen von damals verrauscht und etwas dumpf - und doch lässt sich die Mühe und die Leidenschaft erahnen, mit der die ersten Werke aufgesprochen wurden. Den Sprecher*innen wurde recht bald die Aufgabe gegeben, mehr mitzuteilen, als sich heute in einem gekauften Hörbuch finden lässt. So wurden, insbesondere in populärwissenschaftlicher oder philosophischer Literatur, Zitate kenntlich gemacht und Grafiken beschrieben. Dieses Vorgehen wird bis heute - mit technisch anderen Möglichkeiten - beibehalten.
Die Hörbücher wurden an blinde und sehbehinderte Menschen ausgeliehen. Verschickt wurden sie in großen Versandboxen. Schon mit der technischen Möglichkeit, Werke auf Tonkassetten zu kopieren, wurden die Versandboxen kleiner und handlicher. Durch das Verschicken der Bücher als CDs passen die Boxen nun wirklich in jeden Briefkasten. Heute sind im Bestand unserer Hörbücherei ca. 70.000 Hörbücher aus sämtlichen Genres und zu aktuellen Themen zu finden. Genutzt werden dürfen die Werke von blinden, seh- und lesebehinderten Menschen, die beispielsweise aufgrund einer körperlichen Behinderung ein Buch nicht halten können, oder aber von Personen, die eine attestierte Lese-Rechtschreibschwäche haben. Ausleih- und abspielbar ist alles über die App "Leselust". Sie ist für iOS und Android Smartphones verfügbar. Auch über die Seite https://katalog.blista.de lassen sich die Bücher nach Registrierung herunterladen und mit jedem gängigen MP3-Player abspielen.
Moderne Möglichkeiten erlauben es heute, die Kommunikation mit den Hörer*innen in vielfältiger Weise zu führen. So freuen wir uns über alle Buchvorschläge, die über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! an uns geschickt werden. In Online-Veranstaltungen, an denen auch eine telefonische Teilnahme möglich ist, informieren wir regelmäßig über unser Angebot.
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"Wir lernen reden ..."
Debattierclub-AG der Carl-Strehl-Schule (blista) erhält von der jungen Sanum Stiftung großartige Spende über 10.000 Euro
"Wir lernen reden", erzählt die Oberstufenschülerin Frida und bringt damit auf den Punkt, worum es in der Debattierclub-AG der Carl-Strehl-Schule geht: "Eigentlich rede ich von Natur aus viel und gerne, in der AG geht es aber darum, die Gedanken in der vorgegebenen Zeit klar auszuführen, zum Ende zu bringen und zugleich auch auf die eigene Ausstrahlung zu achten", sagt sie. Ihr Mitschüler Lukas erklärt: "Vorab werden in der Vorbereitungszeit die Rollen verteilt, etwa Regierung und Opposition. In jeder Gruppe werden die Fakten und Argumente gesammelt, es wird recherchiert und schließlich überlegt, worauf es besonders ankommt." Dabei zu lernen, wie man in Diskussionen strukturiert und zugleich respektvoll vorgeht, gefällt Leonie in der Debattierclub-AG besonders gut. Aber auch die nachträgliche Reflexion, die Möglichkeit, auch mal Positionen zu vertreten, die nicht die eigenen sind, um Gegenpositionen besser kennenzulernen, und den schönen Zusammenhalt in der AG finden die drei Schüler*innen wertvoll.
Durch die großzügige Spende des Stifterehepaares Eva Helena und Fabian Maier von 10.000 Euro wird es für die 12-köpfige AG und ihre Lehrkräfte Carl Philipp Seitz und Olga Frederix möglich, Reisen zum Hessischen Landtag in Wiesbaden oder zum Bundestag in Berlin zu planen, an Wettkämpfen teilzunehmen, Fortbildungen wahrzunehmen und nicht zuletzt auch an das eigene Equipment zu denken. Ein höhenverstellbares Rednerpult, ein eigenes Debattierclub-Emblem, das auf einen Schal oder ein T-Shirt gedruckt werden könnte - da überlege man noch und debattiere.
"Das ist eine ganz tolle Sache, gerade in der jetzigen Zeit sind Debatten, die wertschätzend und konstruktiv geführt werden, besonders wichtig", freut sich Patrick Temmesfeld, Vorstandsvorsitzender der blista. Schulleiter Peter Audretsch ergänzt: "Es ist ein wichtiger Baustein im Angebot unserer Schule und wird auch später im Berufsleben eine Bedeutung haben." Beide richten ein großes Dankeschön an die Stifter. Der Förderbetrag, so Fabian Maier, wurde mit freundlicher Unterstützung der Hertie-Stiftung als Partnerin der gleichfalls gemeinnützigen Sanum Stiftung zur Verfügung gestellt.
Bild: v.l.n.r.: Patrick Temmesfeld, Vorstandsvorsitzender der blista; Eva Helena Maier, Vorstandsvorsitzende der Sanum Stiftung; Frida, Leonie und Lukas, Schüler*innen der Carl-Strehl-Schule; Olga Frederix und Carl Philipp Seitz, Lehrkräfte, und Peter Audretsch, Leiter der Carl-Strehl-Schule. Foto: blista
Bilder: Logo Sanum Stiftung (li) und Logo Gemeinnützige Hertie Stiftung (re)
Bücher
Hörbuchtipps aus der blista
Von Thorsten Büchner
Hörbücher aus der DBH
Jürgen Fleger: Aus dem Tagebuch eines Blindgängers
Escales, Hamburg, 2023. Buch-Nr. 1609011, Spielzeit: 145 Minuten.
15 Kurzgeschichten zum Schmunzeln über Erlebnisse aus dem Alltag eines Blinden. Jürgen Fleger beschreibt seine Erfahrungen als Blinder mit viel Humor. Mit seinem Werk zeigt er, wie man seine Blindheit und daraus resultierende vermeintliche negative Erfahrungen in ein positives Licht rücken kann. Das Buch gibt vor allem nicht betroffenen Menschen tiefe Einblicke in den Alltag der Blinden und worauf es im Umgang mit diesen ankommt.
Bernhard Schlink: Das späte Leben
Diogenes Verlag, Zürich, 2023. Buch-Nr. 1615281, Spielzeit: 253 Minuten.
Martin, sechsundsiebzig, wird von einer ärztlichen Diagnose erschreckt: Ihm bleiben nur noch wenige Monate. Sein Leben und seine Liebe gehören seiner jungen Frau und seinem sechsjährigen Sohn. Was kann er noch für sie tun? Was kann er ihnen geben, was ihnen hinterlassen? Martin möchte alles richtig machen. Doch auch für das späte Leben gilt: Es steckt voller Überraschungen und Herausforderungen, denen er sich stellen muss.
Zana Ramadani/Peter Köpf: Woke. Wie eine moralisierende Minderheit unsere Demokratie bedroht
Quadriga, Berlin, 2023. Buch-Nr. 1612271, Spielzeit: 630 Minuten.
Die "Aktivisten" der Wokeness halten sich für klüger als die Mehrheit. Im Kampf für immer mehr angebliche Opfergruppen nötigen sie der Mehrheit neue Regeln auf - ohne demokratische Legitimation. Was die WOKEN für eine egalitäre Politik halten, ist eine elitäre. Wer sich wehrt, wird ausgegrenzt und diffamiert. Wohin aber gehen Menschen, wenn sie sich von den Säulen des Staats bevormundet sehen? WOKENESS ist toxisch für die Demokratie, ein Segen für die Rechtsaußen. Eine muslimisch-migrantische Feministin und ein "alter weißer Mann" fürchten: Unsere Demokratie ist in Gefahr.
Navid Kermani: Das Alphabet bis S
Hanser, München, 2023. Buch-Nr. 1609461, Spielzeit: 1379 Minuten.
Inmitten des Erfolgs und persönlichen Tiefs kämpft eine Schriftstellerin. Gescheiterte Ehe, Verlust der Mutter, Zweifel am intellektuellen Lebensentwurf. Trotzdem bieten Bücher und unscheinbare Augenblicke Halt gegen Schrecken, Trauer und Scham. Navid Kermani verwebt virtuos zeitgenössische Themen wie Krieg, Geschlecht und Identität mit dem Alltäglichsten. Sein Hörbuch ist wie die Heldin ein Solitär: Roman und Journal, eine Hommage an den Zauber der Literatur.
Hörbücher zum Schwerpunkt "Mehrfachbeeinträchtigung"
Gudrun Lemke-Werner/Hanne Pittroff (HRSG): Taubblindheit, Hörsehbehinderung - ein Überblick
Edition Bentheim, Würzburg, 2012. Buch-Nr. 1490711, Spielzeit: 1050 Minuten.
Taubblindheit bzw. Hörsehbehinderung kann für die Betroffenen ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Diese hängen entscheidend vom Grad der Beeinträchtigung des Hörens und des Sehens ab, von zusätzlichen Behinderungen und vor allem vom Zeitpunkt des Eintritts der Sinnesschädigung. Diese Sammlung von Fachartikeln zum Thema Taubblindheit macht dies deutlich.
Sandra Roth: Lotta Schultüte. Mit dem Rollstuhl ins Klassenzimmer
Kiepenheuer und Witsch, Köln, 2018. Buch-Nr. 856951, Spielzeit: 680 Minuten.
Lotta freut sich schon sehr auf die Schule. Doch während Lottas Kita ihren Eltern täglich zeigt, wie gut das Zusammensein von Kindern mit und ohne Behinderung gelingen kann, stößt Sandra Roth bei der Schulsuche für ihre Tochter auf Ablehnung. Zu volle Klassenzimmer, nicht genügend Sonderpädagogen, fehlende Mittel - Sandra Roth trifft auf Rektoren, die beim Tag der offenen Tür die Arme verschränken. Nicht nur bei der Schulsuche, auch in vielen Alltagssituationen merken Lottas Eltern, wie viel noch fehlt zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft. Wie müsste eine Welt aussehen, die Lotta mehr sein lässt als nur behindert? Die sie sehen könnte, wie sie ist - schön, unbekümmert, behindert, fröhlich und charmant?
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Aus der Braille-Druckerei: Neuerscheinungen mit und ohne Zucker
Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer
Hier ist wieder eine Auswahl neuer Bücher, überwiegend mit Unterhaltungsliteratur für Kinder und Jugendliche - zuvor aber kommen zwei Sachbücher, die buchstäblich "nicht aus Zucker" sind; es handelt sich um zuckerfreie Backbücher. Eltern liegt die Gesundheit ihrer Kinder besonders am Herzen, und gerade bei Babys und Kleinkindern sollte auf gute Ernährung geachtet werden. Aber auch für die ganze Familie sind diese Bücher interessant, wenn es um gesunde und abwechslungsreiche Ernährung geht:
Veronika Pichl: Snacks zuckerfrei für Kinder
Riva, München, 2022/23. 1 Band in reformierter Kurz-, 2 Bände in Vollschrift, Bestell-Nr. 6341.
40 schnelle, abwechslungsreiche und unkomplizierte Rezeptideen für Snacks zum Selbermachen - für eine ausgewogene Ernährung. Außerdem enthält das Buch wichtige Ernährungstipps und Infos, wie Zucker auf gesunde Weise ersetzt werden kann. Von süß bis herzhaft: Riegel, Energiekugeln, Gemüsewaffeln, Muffins und mehr.
Franka Lederbogen: Zuckerfrei backen für Babys
Veggie +, Aachen, 2023. Je 2 Bände in reformierter Kurz- und Vollschrift, Bestell-Nr. 6342.
Das große Backbuch mit zuckerfreien Beikost-Rezepten, speziell für Babys und Kleinkinder, mit einer Fülle an gesunden Nasch- und Backideen. Neben fundiertem Ernährungswissen gibt es eine Menge Rezeptideen für Leckereien, die Babys selbstständig oder mit Unterstützung essen können. Viele dieser zuckerfreien Rezepte sind bereits ab Beikostreife (ungefähr 6 Monate) geeignet, aber natürlich auch ein Genuss für ältere Kinder. Dank der Tipps müssen Kinder nicht komplett auf Süßigkeiten verzichten - aber diese sind eben "nicht aus Zucker".
Wir kommen jetzt zur Unterhaltungsliteratur:
Anja Janotta: Fanny und der fast perfekte Fee
Beltz, Weinheim, 2022. 1 Band in reformierter Kurz-, 2 Bände in Vollschrift, Bestell-Nr. 6292.
Fanny will sich mit Kim anfreunden, der als Einziger nach der vierten Klasse auf ihre neue Schule gehen wird. Leider ist das Kim ziemlich egal. Da taucht Jerome bei Fanny auf. Ein männlicher Fee in Ausbildung, der mehr Chaos anrichtet als ihm lieb ist. Und ausgerechnet der soll die Sache mit Kim regeln?
Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht
Beltz, Weinheim, 2022. 3 Bände in reformierter Kurz-, 5 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6272.
Mischa findet die Sprüche seines besten Freundes Nits super. Der bewundert den rundum talentierten Mischa, weil er tausend Tatsachen über Tiere weiß - aber sind es wirklich Tatsachen? Nits hätte Mischa bedingungslos alles geglaubt, bis er über immer mehr Lügen stolpert und erfährt, dass hinter alldem ganz andere Wahrheiten stecken. Aber, wie kann es sein, dass er all das nicht gesehen hat!? Eine aufwühlende Geschichte, in der es um Armut, Scham und Ungerechtigkeit geht.
Cornelia Funke/Tammi Hartung: Das grüne Königreich
Dressler, Hamburg, 2023. 3 Bände in reformierter Kurz-, 4 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6332.
Die 12-jährige Caspia muss den Sommer in Brooklyn im US-Bundesstaat New York verbringen - dabei hasst sie Großstädte. Im Kinderzimmer ihres Apartments entdeckt sie Briefe von einem blinden Mädchen, das Pflanzen auf ihre ganz eigene Art beschrieben hat. Caspia löst die enthaltenen Pflanzenrätsel und lernt dabei unterschiedlichste Pflanzen und auch die Orte und Menschen in ihrer neuen Nachbarschaft kennen - und schlägt nach und nach Wurzeln an einem Ort, von dem sie es nie vermutet hätte.
Antje Herden: Keine halben Sachen - ein Jugendroman
Beltz, Weinheim, 2021. 2 Bände in reformierter Kurz-, 3 in Vollschrift, Bestell-nr. 6297.
Der 15-jährige Robin ist einsam und gelangweilt, bis er Leo trifft, der so cool und selbstsicher ist, wie es Robin gern wäre. Leo verführt ihn zu Drogen und Mädchen. Robin verliebt sich in Karla und erfährt, was ein richtiger Rausch ist, körperlich und geistig. Während Leo unverändert gelassen bleibt, stürzt Robin ab. Erst am Ende wird er merken, dass seine Realität eine andere ist, und dass Leo vielleicht gar nicht so über den Dingen steht, wie Robin glaubt.
Der Roman wird aus Robins Perspektive erzählt, der ihn Leo widmet. Er ist sehr lebendig geschrieben, wobei aber die Sprache wegen der benutzten Imperfekt-Form an manchen Stellen etwas untypisch für Jugendliche klingt; sie würden z.B. nicht sagen "Du ließest mich dann los". Dafür werden aber Robins Absturz und seine Situation danach brutal offen geschildert. Ein Aufklärungsbuch in Romanform für Jugendliche über die Gefahren des Drogenkonsums - sehr zu empfehlen!
Dominik Bloh: Unter Palmen aus Stahl - die Geschichte eines Straßenjungen
Ankerherz, Hollenstedt, 2017. 3 Bände in reformierter Kurz-, 4 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6330.
Ein autobiografischer Roman. Der Autor wuchs in einem schwierigen Elternhaus auf, und als die Großmutter starb, kam sein Absturz. Dominik Bloh war noch ein Teenager, als seine Geschichte auf den Straßen Hamburgs begann. Mehr als ein Jahrzehnt schlief er immer wieder auf Bänken oder unter Brücken - und versuchte, trotz Hunger, Kälte und Einsamkeit zwischen Schule, Hiphop und Basketballplatz ein möglichst großes Maß Normalität aufrecht zu erhalten.
Maurizio de Giovanni: Frost in Neapel - Lojacono ermittelt
Rowohlt E-Book, Reinbek, 2017. 6 Bände in reformierter Kurz-, 8 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6340.
Es herrscht bittere Kälte in Neapel. Ein junger Biochemiker und seine bildhübsche Schwester werden tot in ihrer gemeinsamen Wohnung aufgefunden. Wer steckt hinter dem skrupellosen Doppelmord? Der Vater, der sechzehn Jahre wegen Totschlags im Gefängnis saß? Der Verlobte der Frau, ein Provinz-Rockstar, der die Modelkarriere seiner Frau und das gute Verhältnis zum Bruder eifersüchtig beäugte? Wenn der Fall nicht schnell aufgeklärt wird, droht dem Kommissariat von Pizzofalcone die Schließung. Doch erst als Inspektor Lojacono und seiner Truppe aufgeht, dass es der Mörder vielleicht nicht auf beide Geschwister abgesehen hatte, kommt Bewegung in den Fall.
Ein italienischer Krimi, der Hochspannung garantiert!
In der DBH auch als Hörbuch produziert (Nr. 011607871).
Bestelladresse
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
blistaCampus, Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-0
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Wenn Sie Vorschläge oder Wünsche für Neuübertragungen von Büchern in Punktschrift haben, dann schicken Sie sie doch bitte ebenfalls an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; wir freuen uns auf Ihre/Eure Anregungen.
Linktipp
Von Dr. Imke Troltenier
Taub und Blind. FREI von der Leber.
"Einfach mal reden - FREI von der Leber weg", das ist das Motto des Podcasts von Tobias Josef und Marcell Feldmann. Seit Dezember 2023 sprechen die beiden ca. wöchentlich über ihre eigene Taubblindheit und das Usher-Syndrom. Rund eine Stunde berichten sie von ihrem herausfordernden Alltag, geben mit schönem Witz Anekdoten zum Besten. Das Zuhören lohnt sich, das Themenspektrum ist kreativ und vielfältig. Sie unterhalten sich mit Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, über seine Aufgaben und Möglichkeiten, machen ihre eigene medizinische Reha zum Thema, plaudern mit Anke Engelke über Hörer*innen, berichten vom Musikerleben oder "schnacken einfach mal" mit Fans und Freund*innen.
Ihr Anliegen: "Wir wollen mit anderen betroffenen Menschen sprechen, und wir wollen mit Freunden und Angehörigen, sowie mit Menschen sprechen, die sich mit Taubblindheit beschäftigen. Einfach mal reden über Taubblindheit, Hörsehbehinderung, Usher-Syndrom und den ganz normalen Spaß des Lebens."
Den Podcast gibt es bei Spotify, YouTube, Amazon Music und Apple Podcasts unter den folgenden Links:
- https://podcasters.spotify.com/pod/show/taubundblind
- https://www.youtube.com/@TaubundBlind.FreivonderLeber
- https://music.amazon.de/podcasts/65d2f580-235d-48fa-bff3-1f2d6e71b27b/taub-und-blind-frei-von-der-leber
- https://podcasts.apple.com/us/podcast/taub-und-blind-frei-von-der-leber/id1720426676?mt=2Liste
Panorama
100 Jahre Hörspiel
2024 ist ein besonderes Jahr für das Hörspiel, denn es wird 100 Jahre alt. Nicht lange nachdem der erste offizielle deutsche Radiosender in Berlin am 29. Oktober 1923 auf regelmäßigen Sendebetrieb ging, wurde 1924 auch der Begriff "Hörspiel" geprägt. Die BBC-Ausstrahlung "Gefahr" (Original: A Comedy of Danger) von Richard Hughes im Januar 1924 gilt hierfür als wichtiger Schritt. Seitdem hat sich das Hörspiel zu einem eigenständigen literarischen Genre entwickelt, für das es zahlreiche Preise gibt.
Aus Anlass des Jubiläums präsentieren ARD und Deutschlandfunk Kultur noch bis Juli 2024 jeden Freitag den Podcast "100 aus 100". Nora Gomringer und Jörg Albrecht stellen seit Oktober 2023 hundert kuratierte Hörspielproduktionen aus den 1920er Jahren bis heute vor. Dazu gehören etwa Orson Welles "The War of the Worlds", "Fünf Mann Menschen" von Friederike Mayröcker und Ernst Jandl und zeitlose Klassiker der Radiogeschichte wie "Unter dem Milchwald" von Dylan Thomas. 100 Stunden einfach nur Zuhören - ein Genuss für alle Hörspiel-Fans! Mehr Infos zum Projekt und zu den Stücken gibt es unter https://1.ard.de/100aus100
Gefeiert wird das Jubiläum sicher aber auch beim 15. Berliner Hörspielfestival, das vom 12. bis 15. September 2024 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg stattfindet. Das Berliner Hörspielfestival bietet eine Plattform für freie Hörspiele, Features und Klangkunst, die außerhalb etablierter Institutionen entstehen. Weitere Informationen zum Festival gibt es unter berliner-hoerspielfestival.de/teilnehmen-bhf-2024/
Wer forscht in Deutschland zu Rehabilitation, Teilhabe und Inklusion?
Im Verzeichnis "Rehabilitations- und Teilhabeforschende - Akteurinnen, Akteure und Themen in Deutschland 2024" werden insgesamt 268 Reha-Forschende aus allen Fachdisziplinen der Rehabilitation und Teilhabe aufgeführt. Die Steckbriefe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler enthalten persönliche Kontaktdaten, Forschungsthemen und -bereiche, Mitgliedschaften, Veröffentlichungen sowie Informationen über die Anwendung der ICF-Klassifikation in ihren Arbeiten.
Dieses "Who is Who" erscheint jährlich anlässlich der Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquien und wurde 2024 u. a. durch Forschungsthemen wie Veränderungen durch den Klimawandel, Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit, die digitale Transformation sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz erweitert. Ziel der Publikation ist, zu mehr Transparenz über die Vielfalt und Weiterentwicklung der Forschungslandschaft beizutragen. Forschende haben außerdem die Möglichkeit, sich im Verzeichnis zu registrieren und damit Kooperation und Netzwerkbildungen zu unterstützen.
Bereitgestellt wird das Verzeichnis Online und als Download (PDF-Datei) bei REHADAT-Forschung, einem unabhängigen Informationsportal zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V., gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem Ausgleichsfonds.
Hier kommt der Link zur Ausgabe 2024:
www.rehadat-forschung.de/forschende/reha-teilhabeforschende
"Mehr Patientensicherheit": Webportal für Berichte von Versicherten über die medizinische Versorgung
Versicherte der Ersatzkassen und anderer Kassenarten haben erstmalig in Deutschland die Möglichkeit, auf einer Internet-Plattform über kritische Ereignisse, aber auch über positive Erfahrungen in der medizinischen Versorgung anonym und in strukturierter Form zu berichten. Diese Schilderungen sollen genutzt werden, um aus den Erfahrungen der Versicherten zu lernen und die Patientensicherheit zu verbessern. Das System wurde im Auftrag der Ersatzkassen entwickelt und ist ein zunächst auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt.
Ob im Krankenhaus, in der ambulant-ärztlichen Versorgung oder in einer Pflegeeinrichtung: In den überwiegenden Fällen läuft die Behandlung problemlos. Doch manchmal kommt es zu kritischen Ereignissen oder auch vermeidbaren Fehlern. Das können beispielsweise Medikamentenverwechslungen, falsch gedeutete Symptome oder das unbeabsichtigte Hinterlassen eines Tupfers bei einer Operation sein. Aus diesen Erfahrungen können alle an der Gesundheitsversorgung Beteiligten lernen. Deshalb haben der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) und seine Mitgliedskassen im Februar 2024 das Portal "Mehr Patientensicherheit" online gestellt.
Die Berichte werden von Expertinnen und Experten der Deutschen Gesellschaft für Patientensicherheit analysiert und erst dann in anonymisierter Form veröffentlicht. Zudem werden Handlungsempfehlungen und Maßnahmen abgeleitet, die die Sicherheit der Patientinnen und Patienten erhöhen, wie der "Tipp des Monats". Auch Einrichtungen des Gesundheitswesens wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), die Bundesärztekammer und Hersteller von Medizinprodukten und Pharmazeutika sollen künftig über die Ergebnisse informiert werden. Ziel ist es, durch die systematische Einbeziehung der Versicherten wertvolle Impulse zur Verbesserung der Versorgung zu erhalten.
Link zum Portal: mehr-patientensicherheit.de
Studie "Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention" erschienen
In der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) haben sich bislang 186 Staaten verpflichtet, die darin festgeschriebenen Menschenrechte in ihrem Land zu verwirklichen. Alle vier Jahre müssen sie Rechenschaft darüber ablegen. Daraufhin formuliert der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung "Abschließende Bemerkungen" (Concluding Observations), in denen er festhält, welche Fortschritte das jeweilige Land gemacht hat und wo er Handlungsbedarf sieht.
Gelobt hatte der Ausschuss bei der letzten Prüfung, die im September 2023 abgeschlossen war, verschiedene gesetzliche Neuregelungen in Deutschland. Beispielsweise die Reform des Betreuungsrechts, das sich jetzt deutlicher am Willen der unterstützten Person orientiert. Oder das Bundesteilhabegesetz, wodurch Leistungen für Menschen mit Behinderungen nun personenzentriert und nach den Wünschen der Menschen angeboten werden sollen. Auch die Aufhebung des bis 2019 geltenden Wahlrechtsausschlusses für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderung zählt zu diesen Fortschritten.
Doch speziell bei den Artikeln der Konvention, in denen es um den Abbau von Sonderstrukturen und Diskriminierung geht, hagelte es deutliche Kritik. Der UN-Ausschuss fordert Deutschland nachdrücklich auf, Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Werkstätten oder auch große Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen abzubauen. Außerdem wird Deutschland dafür kritisiert, dass das alltägliche Leben vieler Menschen mit Behinderung durch einen eklatanten Mangel an Barrierefreiheit geprägt ist, etwa beim Zugang zu Kultur- und Freizeitangeboten oder auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Auch der Aufbau eines inklusiven Gesundheitssystems wird angemahnt.
Eine im Auftrag der Aktion Mensch durchgeführte Studie hat nun untersucht, inwiefern sich die Fortschritte der Vertragsstaaten miteinander vergleichen lassen. Hierfür hat die Rechtswissenschaftlerin Dr. Fiona MacDonald 29 Abschließende Bemerkungen analysiert, die der UN-Ausschuss im Prüfverfahren 2011 bis 2015 an 16 Staaten, bzw. im Prüfverfahren 2019 - 2023 an 13 von ihnen gerichtet hat. Auch wenn die Datenlage noch dünn ist, zeichnet sich ab, dass Deutschland in wichtigen Bereichen stärker auf der Bremse steht als andere Länder.
Die 40-seitige Studie von Januar 2024 ist auf Englisch und in deutscher Übersetzung auf der Webseite der aktion-mensch.de zugänglich:
Laengsschnittstudie-Umsetzung-UN-Behindertenrechtskonvention.pdf
Deutscher Hörfilmpreis 2024
Prominente aus Film und Fernsehen, Wirtschaft und Politik kamen am 19. März nach Berlin, um an der feierlichen Verleihung des 22. Deutschen Hörfilmpreises teilzunehmen. Durch den spannenden Abend führte Nadine Heidenreich, die Live-Audiodeskription der Veranstaltung übernahm Anke Nikolai. Vergeben wurden sieben Auszeichnungen für hervorragende Audiodeskriptionen (ADele) vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Nominiert waren 21 Filme in sechs Kategorien, aus denen die Jury die Gewinner wählen konnte. Seit 2002 wird durch die Auszeichnung die Kunst der Audiodeskription gewürdigt, bei der in Dialogpausen zentrale Elemente der Filmhandlung sowie Gestik, Mimik und Ausstattung beschrieben werden.
In der Kategorie "Spielfilm - Kino" ging eine ADele an das Beziehungsdrama "Roter Himmel" von Regisseur Christian Petzold und das AD-Team von audioskript.
In der Kategorie "Spielfilm - TV/Mediatheken/Streaming" wurde die Spielfilmversion des Disneyklassikers "Arielle, die Meerjungfrau" ausgezeichnet, die AD hatte FFS Film- & Fernseh-Synchron produziert.
In der Kategorie "Serie" wurde die ADele an die packende Drama-Miniserie "Deutsches Haus" auf Disney+ verliehen - eine zweite Auszeichnung für FFS Film- & Fernseh-Synchron.
Den Preis in der Kategorie "Kinder- und Jugendfilm" erhielt die Hörfilmfassung des Animationsfilms "Wo ist Anne Frank" von Ari Folman und das AD-Team rund um Barbara Fickert.
Für die Naturdokumentation "Unsere Meere - Unbekannte Ostsee" nahm der Norddeutsche Rundfunk die ADele in der Kategorie "Dokumentation" entgegen. Tom Synnatschke von NDR Naturfilm freute sich gemeinsam mit dem AD-Team darüber.
In der Kategorie "Filmerbe" konnte der DEFA-Klassiker "Jakob der Lügner" von Frank Beyer dank des AD-Teams überzeugen.
Zum Abschluss der Preisverleihung wurde der begehrte Publikumspreis vergeben. Er ging an "Sörensen fängt Feuer" vom Norddeutschen Rundfunk und das AD-Team.
Alle Informationen zur Preisverleihung und den Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie online unter deutscher-hoerfilmpreis.de/hoerfilmpreis-2024
Europawahl: Inhalt der Stimmzettel telefonisch und online abrufbar
Am 9. Juni 2024 findet in Deutschland die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Erstmals besteht bundesweit die Möglichkeit, Informationen zu den Inhalten der Stimmzettel barrierefrei auch im Internet und telefonisch zu erhalten.
- Tel.: 0800 00 09 67 10 (gebührenfrei)
- www.dbsv.org/wahlen
Dies ist dank eines Pilotprojekts des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) möglich. Das Verfahren wurde bereits erfolgreich bei Wahlen in Nordrhein-Westfalen angewandt.
Wie gewohnt, können blinde und sehbehinderte Menschen mit Hilfe einer Wahlschablone an der Europawahl teilnehmen. Die Wahlschablone kann zusammen mit einer Informations-CD bei den Landesverbänden des DBSV kostenlos angefordert werden. Wer Mitglied eines der DBSV-Landesverbände ist oder als DVBS-Mitglied einen Wohnsitz in Hessen hat, erhält diese Unterlagen automatisch per Post. Bitte denken Sie als Mitglied unbedingt daran, eine eventuelle Adressänderung rechtzeitig mitzuteilen!
Kontakt
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
Torsten Resa
Ansprechpartner "Barrierefrei Wählen"
Tel.: 030 285387-281
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Impressum
horus 2/2024
Jg. 86 der Schwarzschriftausgabe
Jg. 98 der Brailleausgabe
Herausgeber
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
Redaktion
- für den DVBS: Peter Beck, Leonore Dreves und Andrea Katemann,
- für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier
Koordination
DVBS-Geschäftsstelle
Sabine Hahn
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: dvbs-online.de
Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.
Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)
Andrea Katemann (DVBS) und
Dr. Imke Troltenier (blista)
Verlag
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg
ISSN 0724-7389
Punktschriftdruck
Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
blistaCampus, Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
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Digitalisierung und Aufsprache
Geschäftsstelle des DVBS
Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg
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Schwarzschrift-Druck
Druckerei Schröder, Lindauer & Wolny GbR
Schuppertsgasse 2, 35083 Wetter/Hessen
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.druckerei-schroeder.de
Erscheinungsweise
Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.
Jahresbezugspreis
40 Euro (Versandkosten Inland inklusiv).
Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
Bankkonto des DVBS
Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR
Anzeigen
Informationen und Preise zu gewerblichen Anzeigen und Beilagen finden Sie in den horus-Mediadaten, die wir Ihnen auf Anfrage gerne zusenden.
Private Kleinanzeigen bis zu einer Länge von 250 Zeichen werden kostenlos abgedruckt.
Vorschau horus 3/2024
Schwerpunkt: Künstliche Intelligenz
Erscheinungstermin: 26.08.2024
Anzeigenannahmeschluss: 19.07.2024
Redaktionsschluss: 25.06.2024
Anzeigen
Fließtextanzeigen
(gew) IPD: Professionelle Betreuung am Arbeitsplatz und Zuhause
Seit 29 Jahren ist IPD als Hilfsmittelanbieter tätig und bietet Ihnen:
- Hilfsmittel zahlreicher renommierter internationaler Hersteller,
- Individuelle Lösungen für Braille-Arbeitsplätze, für Arbeitsplätze mit vergrößernden Sehhilfen und Software sowie für Mischarbeitsplätze
- Individuelle Anpassungen von JAWS für spezielle Anwendungen wie Telefonanlagen, Branchenlösungen und vieles mehr
- Auf Ihren Bedarf abgestimmte Trainings
- Neuheiten: Seit Winter 2023/2024 ist das Update auf Android 12 für die Braille Sense 6 Geräte verfügbar.
Die Envision Glasses Pro ist jetzt als Hilfsmittel anerkannt und kann auch über die Krankenkasse versorgt werden! Einen unabhängigen Test als Podcast finden Sie auf www.sightviews.de
Besuchen Sie uns auf der Sight City in Frankfurt/Main vom 15. bis 17. Mai 2024, Näheres auf www.sightcity.net
Sprechen Sie mit uns, wenn Sie auf eine qualifizierte Beratung und Betreuung rund um Hilfsmittel für Sehgeschädigte Wert legen.
Ihre IPD
Tel.: 0511 9363090
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.ipd.gmbh
Grafisch gestaltete Anzeigen
Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e. V. (BSVS)
Landeshilfsmittelzentrum
Kompetenz und Beratung inklusive!
- Text- und Grafikservice
- Erstellung von Hörbüchern
- Mobile, persönliche und telefonische Beratung
- Alltagshilfsmittel- und Low-Vision-Beratung
- Peerberatung - Betroffene beraten Betroffene
- Telefonfachvorträge, Telefonkonferenzen
- Vorstellen von Alltags- und Freizeitangeboten
- Anamnese - aktuelle Hilfsmittelnutzung
- Kontaktaufnahme soziale Dienste, Ämter
- Unterstützung bei Antragstellungen
- Einreichung Verordnungen bei Kostenträgern
- Versand von Alltagshilfsmitteln
Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen e. V. - Landeshilfsmittelzentrum
Louis-Braille-Str. 6, 01099 Dresden
Telefon: (0351) 80 90 624
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.landeshilfsmittelzentrum.de
Onlineshop: www.lhz-dresden.de
blista
Schnuppern macht Spaß!
Reinschauen in eine Schule mit einem einmaligen Profil, kleinen Klassen, ganzheitlicher Förderung und tollen Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Auch alle Quereinsteiger*innen sind herzlich willkommen!
Schnuppertage jeweils samstags von 10 Uhr bis 15 Uhr: 05.10.2024, 09.11.2024, 18.01.2025, 22.03.2025 (www.blista.de/schnuppertage). Hier erwartet dich eine breite Auswahl an Schul- und Berufsabschlüssen: Allgemeines Gymnasium, Berufliches Gymnasium (Wirtschaft), Fachoberschulen für Gesundheit und Sozialwesen (nähere Infos unter: www.blista.de/css).
PROStart für alle, die sich beruflich orientieren möchten: 03. bis 07.06.24, 27. bis 31.01.25, 03. bis 07.03.25, 05. bis 09.05.25, 02. bis 06.06.25.
Am blista-Zentrum für berufliche Bildung stehen dir 6 Ausbildungen und Umschulungen zur Wahl. Sie schaffen ein gutes Fundament für die Zukunft.
Bei der blista bist du richtig!
Deutsche Blindenstudienanstalt e. V. (blista)
blistaCampus, Am Schlag 2-12, 35037 Marburg
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel.: 06421 606-339
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. 06421 606-541
blistaCampus Bildung für alle
Deutscher Hilfsmittelvertrieb gem. GmbH (DHV)
Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte
Der Deutsche Hilfsmittelvertrieb gem. GmbH (DHV) bietet Ihnen Hilfsmittel für hochtradig sehbehinderte und blinde Menschen aller Altersgruppen. Ob für Haushalt, Beruf oder Hobby - unsere Produkte und Dienstleistungen sollen den Alltag erleichtern und Ihnen ein weitgehend selbstständiges Leben ermöglichen.
Gerne sind wir Ihnen bei der Beantragung geeigneter Hilfsmittel über diverse Kostenträger, wie z.B. gesetzliche Krankenkassen behilflich. Sie können unseren gesamten Hilfsmittelkatalog als Druckvariante und auf Hör-CD erhalten, oder besuchen Sie uns im Internet.
Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf!
Deutscher Hilfsmittelvertrieb gem. GmbH
Bleekstraße 26
30559 Hannover
Telefon: 0511 95465-0
Fax: 0511 95465-37
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.deutscherhilfsmittelvertrieb.de
Abbildung: 4 Produktkategorien aus dem Angebot: Smartphones, gefalteter Langstock, Anstecker, Uhr.
Draeger Lienert GmbH & Co. KG
Sehbehinderte und blinde Menschen arbeiten mit DL® Produkten einfach und wettbewerbsfähig.
DL® reduziert die Abhängigkeit von Technik.
DL® entwickelt ausschließlich barrierefreie Anwendungen.
DL® kümmert sich darum, dass Fachanwendungen generell nur noch barrierefrei entwickelt werden.
Vom Standard-Blindenarbeitsplatz bis zu Roboteranbindungen, alles, was einen Behindertenarbeitsplatz ermöglicht, wird umgesetzt. Vom Einzelarbeitsplatz bis zum Infrastrukturprojekt - DL® rollt moderne Technik aus.
Melden Sie sich! Wir schicken Ihnen gerne Informationen auf einem Audioplayer.
Drager Lienert GmbH & Co. KG
www.dlinfo.de
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Tel.: +49 (0) 6421 952 400
Nikolauspflege
Den Menschen sehen. Jetzt Termin zur persönlichen Beratung vereinbaren.
Fit für den Beruf durch Schule, Ausbildung und Berufliche Reha!
Gemeinsam entwickeln wir Perspektiven und begleiten blinde und sehbehinderrte Jugendliche und Erwachsene in Stuttgart sowie regional und wohnortnah.
Ihre berufliche und gesellschaftliche Teilhabe ist unser Anliegen: An der inklusiven Tilly-Lahnstein-Schule, im Berufsbildungswerk Stuttgart und in der beruflichen Reha.
Wie sieht Ihr Traumjob aus? Wir finden es raus!
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel.: (0711) 65 64-128
www.bbw-stuttgart.de
www.tilly-lahnstein-schule.de
www.nikolauspflege.de/berufliche-reha-fuer-erwachsene
Papenmeier RehaTechnik
Unser WIR für Ihren Hifsmittelnotfall
Kostenfreie Hotline: +49 2304 205 250
F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG
Talweg 2
58239 Schwerte
Telefon: +49 2304 205 0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.papenmeier-rehatechnik.de
Bildbeschreibung: Es ist eine Gruppe von drei RehaTechnik Mitarbeitern, zwei Männer und eine Frau, zu sehen, die freundlich in die Kamera schauen.
RTB
Gezielte Steuerung der Signale - Per App sicher unterwegs
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Kostenfreie Smartphone-App
LOC id kompatibel
LZA - Detektion - Parken - E-Mobilität
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www.rtb-bl.de
Tel.: +49 5252 9706-0
Bild: Bunte Grafik eines bärtigen Mannes mit dunkler Brille und weißem Langstock, der an einer belebten Straße steht. In der Brusttasche ein Smartphone, das Signale aussendet, im Hintergrund Hochhäuser.