horus 1/2020
Schwerpunkt: "Vergessen - Erinnern - Verarbeiten"
Inhalt
- Vorangestellt
- Aus der Redaktion
- Schwerpunkt: "Vergessen - Erinnern - Verarbeiten"
- Dr. E.-M. Glofke-Schulz: Wenn der Sturm ums Haus pfeift: Vergessen, Erinnern und Verarbeiten traumatischer Erfahrungen
- A. Katemann: Heimweh verboten: Erfahrungen aus einem Internat in den achziger Jahren
- F. Mehler: In meinen Träumen kann ich manchmal wieder sehen: Bewusste und unbewusste Verarbeitungsprozesse meiner Erblindung
- Th. Abel: Foto oder Wimmelbild? Über unser Gedächtnis, Erinnern, Vergessen und Verarbeiten aus psychologischer Sicht
- I. Brawata: Den Horizont erweitern! "Psychotherapie von und für Menschen mit Behinderungen" - Eine Buchrezension
- G. Gipperich: Wenn der Boden unter den Füßen wegbricht: Das Trauma der Erkrankung und meine Auseinandersetzung mit ihr
- N. Schweppe: Was macht es mit uns, dass wir immer noch besser sein müssen als die anderen?
- Beruf, Bildung und Wissenschaft
- Recht
- Barrierefreiheit und Mobilität
- Aus der Arbeit des DVBS
- Aus der blista
- Dr. I. Troltenier: "Place-to-be" im August 2020
- Dr. I. Troltenier: blista bietet in den informationstechnischen Schlüsselberufen jetzt sechs Ausbildungen bzw. Umschulungen an
- Dr. I. Troltenier: BOSS-Tag öffnet Erfahrungsschatz für Ausbildung, Studium und Beruf
- P. Metz: Großartiges Benefizkonzert "Gut oder Bös"
- Bücher
- Panorama
- SightCity 2020 - Größte Hilfsmittelmesse jetzt mitten in Frankfurt Zentrum
- Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises 2020
- Abitur: Was nun? Orientierungsveranstaltung für blinde und sehbehinderte Studieninteressierte
- Ein cooles Sommer-Camp: Das "International Camp on Communication and Computers 2020" in Aveiro, Portugal
- Wir in Europa
- Inklusion wirksam gestalten: Paritätischer legt ersten Teilhabebericht zur Situation von Menschen mit Behinderung in Deutschland vor
- Impressum
- Kleinanzeigen
- Anzeigen
Vorangestellt
Uwe Boysen
Liebe Leserinnen und Leser, liebe DVBS-Mitglieder,
können Sie sich noch erinnern, z. B. an die Insekten mit den wunderbaren Namen Ackerwanderzirpe (Macrosteles laevis) oder den braunen Schnellkäfer (Athous subfuscus)? Oder an das nun wirklich nicht mehr ganz frische Lied von Reinhard Mey, "Es gibt keine Maikäfer mehr"? Auch ein weiteres Lied schlägt in meiner Erinnerung auf, "Big Yellow Taxi" von Joni Mitchell, in dem es prophetisch heißt, dass Bäume bald nur noch gegen Gebühr im Museum zu besichtigen sein würden. Ganz so weit ist es Gott sei Dank trotz des allseits beklagten Waldsterbens mit der Ausplünderung des Planeten namens Erde noch nicht.
Aber sich erinnern tut immer Not, um zu ermessen, wo wir im Kontinuum der Zeit stehen. Erinnern, das heißt jedoch immer auch zweifeln. Ist das, was ich mir aus der Vergangenheit erhalten habe, wirklich richtig, oder verkläre ich, beschönige ich, mache ich mir etwas vor? Erinnern hat aber nicht nur diese verunsichernde Funktion. Erinnern bedeutet auch den Versuch, sich Rechenschaft abzulegen: Wir müssen wissen, was wir waren, um zu verstehen, was wir heute sind und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Dieser Aufgabe unterziehen sich verschiedene Autorinnen und Autoren unseres Schwerpunktes in Heft 1 des horus. Ein wichtiges Thema - für blinde und sehbehinderte Menschen nicht erstaunlich - ist dabei die Erfahrung von Kindern und Jugendlichen in Internaten, die in zwei Beiträgen ähnlich, aber doch auch sehr unterschiedlich thematisiert wird (siehe Katemann und Schweppe). Hier wie auch in anderen Artikeln scheint immer wieder die Erfahrung durch, dass Erinnern eine sehr anstrengende Sache sein kann, wenn es mit einem unangenehmen Blick in die Vergangenheit verbunden ist, dass diese Anstrengung aber auch befreiend zu wirken vermag, indem sie zu Einsichten führt, die uns entlasten oder den Blick auf neue Möglichkeiten frei geben. Hier können uns ganz unterschiedliche Methoden helfen, die auch Psychologen und Psychologinnen aus unseren eigenen Reihen anwenden, die in einer Reihe von Erfahrungsberichten zu Wort kommen (siehe Abel und Glofke-Schulz).
Schätzen wir die Möglichkeiten des Nachfragens und des Sich-selbst-Befragens nicht gering, sondern nutzen wir sie, wenn wir den Eindruck haben, dass sie uns helfen können.
Das wünscht Ihnen, Euch und auch sich selbst
Ihr und Euer
Uwe Boysen
Autorenfoto: Uwe Boysen. Foto: DVBS. [Auf dem Portraitfoto trägt Uwe Boysen einen roten Pullover und eine dunkle Brille, seine Haare sind weiß. Das Sonnenlicht wirft gerade Flächen von Licht und Schatten an die Wand, auf Uwe Boysen fällt Licht. Er lächelt.]
Aus der Redaktion
Eine Zeitschrift lebt durch ihre Leserinnen und Leser. Und manchmal werden diese zu Autorinnen und Autoren. Wenn die Grenze zwischen Lesenden und Schreibenden eine fließende ist, Texte zum Gesprächsthema werden, dann erfüllt der horus seinen Sinn. Daher hat sich das Redaktionsteam bei der Zusammenstellung dieser Ausgabe besonders über die große Resonanz der Leserinnen und Leser gefreut, die dem Aufruf gefolgt sind und Beiträge zum Thema "Vergessen - Erinnern - Verarbeiten" eingereicht haben.
Wir waren positiv überrascht, wie stark die offene Auseinandersetzung mit diesem Thema ist, die in biographisch motivierten Erfahrungsberichten, aber auch in den Beiträgen blinder und sehbehinderter Psychologinnen und Psychologen deutlich wird. Daher haben wir uns entschlossen, Ihnen in dieser Ausgabe ausnahmsweise ungewohnt lange Beiträge zu bieten. Sie werden sehen: Die Lektüre lohnt sich!
"Sport"
Leiden Sie gerade in den Wintermonaten unter einer gewissen Trägheit, haben sich aber für 2020 vorgenommen, aktiver zu werden? Dann werden Ihnen der Frühling und die Mai-Ausgabe des horus frischen Anschub geben, denn das Schwerpunkt-Thema unserer nächsten Ausgabe lautet "Sport".
Im Jahr der Paralympics und des 50-jährigen Bestehens der Sehgeschädigtensportgemeinschaft SSG Blista Marburg e. V. soll einmal die Faszination des Sports im Vordergrund stehen. Welchen Sport mögen Sie? Wie erleben Sie sportliche Erfolge oder Niederlagen? Was bedeutet Sport für Sie, als Fan, Förderer und/oder sportlich aktiver Mensch? Von den Stunden im Fitness-Studio, auf der Tanzfläche, von Schach, E-Sport oder Leistungssport - berichten Sie uns von Ihrer Leidenschaft und Lust an Bewegung. Oder Abneigung, falls Sie es lieber wie Winston Churchill halten, der angeblich auf die Frage, wie er trotz Liebe zu Zigarren und sein hohes Alter erreicht habe, geantwortet hat: "No Sports!"
Senden Sie uns Ihren Beitrag für horus 2/2020 per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Artikel können inklusive Leerzeichen bis zu 12.000 Zeichen lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen, Meldungen bis zu 2.000 Zeichen. Redaktionsschluss ist der 23. März 2020. Bei Fragen oder Wünschen sind wir für Sie unter der Telefonnummer 06421 94888-0 gerne erreichbar.
Abbildung: pixabay [Schattenriss eines jungen Karatekämpfers, der frontal in breitem und stabilem Stand steht.]
Schwerpunkt: Vergessen - Erinnern - Verarbeiten
Wenn der Sturm ums Haus pfeift: Vergessen, Erinnern und Verarbeiten traumatischer Erfahrungen
Es ist eine raue, stürmische Herbstnacht. Der Wind heult ums Haus, als wolle er unsere Dachziegel in die weite Welt entführen. Behaglich in meine Daunendecke eingekuschelt liege ich unter der Schräge meines Dachzimmers und lausche fasziniert der Naturgewalt. In meinen sicheren vier Wänden fühle ich mich geborgen und heimelig, sanft eingehüllt zudem in das gemütliche, leise Schnarchen meines Führhundes Max, der neben mir in seinem Korb schlummert.
Dass sich diese Szene so idyllisch anfühlt, ist für mich nicht selbstverständlich. Während der ersten Jahrzehnte meines Lebens hätte ich Angst bis hin zur Panik bekommen - eine Angst, die ich nicht verstand. Außerhalb des Hauses, beim Spazierengehen in der Natur, fühlte ich mich bei Sturm pudelwohl und verschwendete keinen Gedanken an die reale Gefahr, dass mir im nächsten Moment ein umfallender Baum auf den Kopf fallen könnte. Wind, der ums Haus pfiff, war jedoch bedrohlich für mich. Wie passte das zusammen?
Nun, ich will die Lösung dieses Rätsels verraten: Als ich 4 Jahre alt war, wurde bei mir Retinitis pigmentosa diagnostiziert, das linke Auge war bereits fast blind. Mit der guten Absicht, das rechte Auge retten zu wollen, wurde ich in die weit entfernte Augenklinik gebracht. Dort wurde Placenta implantiert - eine belastende OP mit anschließender Fixierung ans Bett, damit ja nichts wackelte und verrutschte. So etwas können Kinder in den Armen eines geliebten Elternteils unbeschadet überstehen. 1963 war das jedoch nicht denkbar. Nicht einmal besuchsweise durften die Eltern kommen. Dazu wurde ich bei meinen ständigen Nachfragen auch noch belogen: "Die wollen nicht kommen, der Weg ist ihnen zu weit." Da fühlte ich mich verraten und verkauft, das vorher vermutlich ziemlich intakte Urvertrauen bekam Risse. Dass meine Eltern voller Sorge und unglücklich zuhause saßen und der - damals noch kaum hinterfragten - Autorität Arzt glaubten, Besuch und erneuter Abschied würde Kinder erst recht beunruhigen, wusste ich natürlich nicht.
Eine nicht enden wollende, vermutlich psychosomatisch zu verstehende Bronchitis im Anschluss an dieses Trauma führten zur erneuten Trennung von den Eltern, somit zur Retraumatisierung. Ich kam zur Luftkur in ein Kinderheim an die Nordsee, wieder allein - bingo, da haben wir den Sturm, der in angstvollen, verlassenen Nächten ums Heim auf der Nordseeinsel pfiff.
Da ich nach der "Kur" in ein liebevolles Elternhaus zurückkehren durfte, blieben die Schäden für mein Seelenheil wohl begrenzt. An meine insgesamt fröhliche und behütete Kindheit und Jugend habe ich neben belastenden auch wunderschöne Erinnerungen, die ich als Schatz bewahre und nach Kräften pflege. Was allerdings blieb, war eine Neigung zu Schlafproblemen, irrationalen Prüfungsängsten im Schulalter ("Wenn ich auf der Regelschule nicht gut genug bin, muss ich wieder weg von zuhause ins Internat"), überhöhten inneren Spannungen, einer extremen Wachsamkeit (Hypervigilanz) und eben dieser isolierten Angst bei Sturm. Heute weiß ich, dass das an sich harmlose Geräusch Trigger für ein Flashback war, also das plötzliche Eindringen und Wiedererleben bestimmter Aspekte der traumatisierenden Situation (Intrusion). Dieser Zusammenhang war mir jedoch lange nicht bewusst.
Das Leben hat uns die Fähigkeit mitgegeben, über uns selbst hinauszuwachsen und sogar größten Schwierigkeiten standzuhalten (Resilienz). So ist beispielsweise nicht jede(r), der oder die einen plötzlichen oder allmählichen Sehverlust zu verkraften hat, deswegen gleich traumatisiert. Viele von uns können mit dieser fraglos enormen Herausforderung mit Höhen und Tiefen gut umgehen, die Verluste betrauern und sich neu orientieren, ohne dabei psychisch völlig "aus den Latschen zu kippen". Sogar Neues und Beglückendes können wir in diesem Entwicklungsprozess erleben.
Zum Trauma wird ein herausforderndes Lebensereignis dann, wenn es unsere Möglichkeiten der Problemlösung, Verarbeitung und Bewältigung so überfordert, dass etwas in uns wenn nicht zerstört, so doch zumindest so sehr ins Wanken gebracht wird, dass wir nur schwer aus dem Stressmodus heraus- und wieder zu innerer Ruhe und Stabilität finden. Traumatisierend in meinem Fall waren vermutlich weniger die bedrohlichen und unverständlichen medizinischen Prozeduren per se als die Tatsache, diese als 5-jähriges Kind allein durchstehen zu müssen.
Die Unterscheidung zwischen herausforderndem und traumatisierendem Lebensereignis hat handfeste praktische Konsequenzen für den angemessenen Umgang damit, so auch in einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie.
Diese Erkenntnis hat sich in Forschung und Fachkreisen jedoch erst allmählich herauskristallisiert und durchgesetzt. Als ich mich ab 1987 im Rahmen meiner Weiterbildung einer psychoanalytischen Therapie unterzog, steckte die Behandlung Trauma bedingter Störungen noch in den Kinderschuhen. Damals galt unumstritten die Doktrin vom Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. Ein zuvor unbewusstes Thema taucht in der therapeutischen Übertragungsbeziehung, in Träumen und Phantasien auf. Verdrängte Erinnerungen werden wach. Das Erlebte wird so lange erzählt, gedeutet und zu verstehen versucht, bis es erfolgreich durchgearbeitet ist. Was ich während meines Klinik- und Heimaufenthaltes erlebt hatte, war jedoch keineswegs ins Unbewusste verdrängt. Ich erinnerte mich sehr genau an die Geschehnisse. Weniger zugänglich waren mir die dabei erlebten Gefühle, geschweige denn der Zusammenhang mit den geschilderten Symptomen. Das Geschehene in der Analyse wieder und wieder erzählen zu müssen, machte es nur schlimmer (eine Erfahrung vieler Trauma-Patienten). Dies manifestierte sich in schlaflosen Nächten, die ich zunächst nur unmittelbar vor den Sitzungen, dann auch immer häufiger während der ganzen Woche durchmachte.
Wäre uns damals der heutige Wissensstand zur Verfügung gestanden, hätten wir das Alarmsignal verstanden und aufgehört, das Trauma "wiederzukäuen". Wir hätten zunächst, wie heute in der Traumatherapie üblich, mit stabilisierenden Übungen und anderen Methoden (siehe unten) so lange für Ruhe und Sicherheit gesorgt, bis eine Konfrontation mit dem Trauma gefahrlos möglich geworden wäre. So aber handelte ich mir chronische und generalisierte Schlafstörungen ein, die mit der Zeit natürlich eine Eigendynamik bekamen und nur schwer zu beeinflussen waren. Eine Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse war somit erschwert, trotzdem mit der Zeit und mit zunehmendem Wissen über Traumabehandlung möglich. Mein Gehirn (oder nennen wir es ruhig meine Seele) musste sich in vielfacher Hinsicht neu organisieren. Ganz zentrale Bedeutung kam der imaginativen Arbeit zu, in der ich mich als Erwachsene liebevoll und fürsorglich des verängstigten, verlassenen und bedrohten 5-jährigen Mädchens annahm: So phantasierte ich, es bei der Hand zu nehmen, aus der Klinik zu führen und an einen sicheren, behüteten Ort (z.B. in einen Pferdestall) zu bringen. Oder ich stellte mir vor, wie ich die Kleine zwar in der Klinik ließ, jedoch bei ihr blieb, sie tröstete und im Arm hielt, ihr alles erklärte, Lieder vorsang oder Geschichten erzählte. Noch heute gehören Übungen zum Thema Selbstmitgefühl (vgl. Schneider 2017) zu meiner täglichen Meditationspraxis.
Trauma und Gehirn
Das sogenannte limbische System als Teil unseres Gehirns ist ein komplexes Netzwerk mehrerer Zentren mit verschiedenen Aufgaben. So sorgt der Mandelkern (Amygdala) für das Erkennen von Gefahr und reagiert mit einer - im Notfall lebensrettenden - Stressreaktion, die uns durch Kampf, Flucht oder Erstarrung beschützen soll. Bedrohungen jeder Art, Angriffe und Verletzungen, Schmerzen, Erkrankungen, psychologischer Stress, Umweltgifte und andere Gefahren können die Stressreaktion initiieren. Im günstigen Fall beruhigt sich das System, wenn die Gefahr überstanden ist. Gelingt dies nicht, weil das System überfordert ist, bleiben wir in der Traumaschleife gefangen. Was immer der ursprüngliche Auslöser gewesen sein mag, geraten wir in einen schwer zu durchbrechenden Teufelskreis. Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), chronische Schmerzen, Fibromyalgie, multiple Allergien, Erschöpfungssyndrome u.v.a.m. sind immer auch Erkrankungen des limbischen Systems. Verarbeiten heißt also, die Alarmreaktionen des limbischen Systems, allen voran der Amygdala, zu besänftigen und neue neuronale Verbindungen zu schaffen. Datenautobahnen sollen zu Trampelpfaden und Trampelpfade zu Autobahnen werden. Die enorme Wandelbarkeit unseres Gehirns (Neuroplastizität) macht das möglich.
Was können wir tun?
Die Arbeit am limbischen System ist unverzichtbar, wollen wir traumatische Erinnerungen, chronische Schmerzen, Allergien, Erschöpfungssyndrome und manch andere chronische Gesundheitsprobleme heilen oder zumindest deutlich lindern.
Als wichtigsten ersten Schritt müssen wir verstehen, dass wir uns immer wieder im Kampf- und Fluchtmodus unseres limbischen Systems verfangen. Wir können sensibel dafür werden zu merken, wann wir in die Traumaschleife geraten und aus Stressreaktionen wie Übererregung und negativen Denkspiralen nicht hinausfinden. Ein (leise oder laut) gerufenes "Stopp!", vielleicht sogar verbunden mit einer körperlichen Geste (z.B. Arme in die Luft werfen) kann den Teufelskreis unterbrechen.
Danach nehmen wir einige tiefe Atemzüge und haben nun Zeit, uns bewusst zu machen, wie wenig wir heute noch die einst schützende Alarmreaktion benötigen - sie gehört zu einer Situation in der Vergangenheit. Wir können beginnen, für Beruhigung und ein Gefühl innerer Sicherheit zu sorgen. Voraussetzung ist, diese Entspannungsreaktion und innere Stabilisierung zuvor geduldig eingeübt zu haben. Hierzu gibt es viele Möglichkeiten, nur einige seien genannt:
- Wir können lernen, ungünstige Denk- und Verhaltensmuster zu identifizieren und zu verändern (die kognitive Verhaltenstherapie hält hierfür einen gut gefüllten Werkzeugkasten bereit). Paradebeispiel sind Katastrophenerwartungen, die es zu hinterfragen gilt ("Was kann im Hier und Jetzt schlimmstenfalls passieren?").
- Stabilisierende Imaginationsübungen, z.B. einen sicheren inneren Ort oder ein Team innerer Helfer phantasieren (Übungsmaterial s. Huber 2006 und Reddemann 2001). Hierzu gehören auch die oben geschilderte Arbeit mit dem inneren Kind (z.B. Kahn 2010) und Meditationen zum Thema Selbstmitgefühl (z.B. Schneider 2017).
- Jede Art von Entspannungstraining, Yoga, Meditations-, Atem- und Achtsamkeitsübungen. Sehr bewährt hat sich das MBSR (mindfulness based stress reduction). MBSR-Kurse gibt es in nahezu jeder Stadt, Übungsmaterial findet sich im Internet und auf CD (z.B. Esswein 2010). YouTube ist voll von jeder Art geführter Meditationen.
- Pflege positiver Phantasievorstellungen und Erinnerungen aus jüngster Zeit und/oder aus der Zeit vor dem Trauma. Erfreuliche Erlebnisse, sogar schöne Momente im Zusammenhang mit der Behinderungsbewältigung können hier helfen: Wie befreit habe ich mich etwa gefühlt, als ich nach dem Mobilitätstraining zum ersten Mal entspannt und ohne Angst vor Stürzen mit dem Langstock unterwegs war! Wie viele glückliche Stunden haben mir meine Führhunde geschenkt! Da gibt es so viele wunderbare Erinnerungen, die es zu pflegen gilt.
- Wir können uns jeden Abend bewusst machen und vielleicht sogar aufschreiben, was heute gut war und wofür wir dankbar sind (es müssen keine großen Dinge sein). Belastendes können wir uns von der Seele schreiben und es damit (auch innerlich) zur Seite legen.
- Wir pflegen den Kontakt zu lieben Menschen oder Tieren - Bindungshormone reduzieren Stress.
- Lachen (auch Lachyoga), Summen, Singen oder Chanten löst im Körper Entspannungsreaktionen aus, ebenso sanfte Bewegung (Feldenkrais, QiGong u.a.).
- Nicht vergessen sollten wir, uns zu jedem Fortschritt zu beglückwünschen in dem Wissen, dass wir ihn mit einigem Aufwand erarbeitet haben.
- Tunlichst verzichten wir auf den übermäßigen Gebrauch von Genussgiften wie Koffein oder Nikotin, die Stressreaktionen auslösen.
Fazit
Vergessen werden wir traumatische Erfahrungen niemals. Das ist wohl nicht einmal wünschenswert, sind sie doch Teil unserer Biographie. Gelingt es uns (nötigenfalls mit professioneller Hilfe), aus alten Traumaschleifen auszusteigen und die Funktionsweise unseres limbischen Systems neu zu organisieren, werden wir stabil genug, uns den schlimmen Erinnerungen zu stellen, diese ohne Gefahr für unsere körperlich-seelische Gesundheit zu erzählen und allmählich zu verstoffwechseln. Stürmen verschiedener Art werden wir dann besser gewachsen sein, ohne in Panik zu geraten.
Tipps zum Weiterlesen und Üben
Esswein, Jan T.: Achtsamkeitstraining (Gräfe und Unzer, München 2010, mit CD)
Huber, Michaela: Der innere Garten. Ein achtsamer Weg zur persönlichen Veränderung (Junfermann, Paderborn 2006, mit CD)
Kabat-Zinn, Jon: Gesund durch Meditation (Knaur, München 2013)
Kahn, Gabriele: Das Innere-Kinder-Retten. Sanfte Traumaverarbeitung bei Komplextraumatisierung (Psychosozial-Verlag, Gießen 2010)
Reddemann, Luise: Imagination als heilsame Kraft (Klett-Cotta, Stuttgart 2001, dazu CD)
Schneider, Maren: Heilende Meditationen. Hilfe bei Erschöpfung, Schmerzen und chronischen Erkrankungen (Gräfe und Unzer, München 2017, mit CD)
Zur Autorin
Dr. phil. Eva-Maria Glofke-Schulz arbeitet nach langjähriger Tätigkeit in stationärer Psychiatrie und Psychosomatik seit 1994 als Psychologische Psychotherapeutin, Transaktionsanalytikerin und Verhaltenstherapeutin in eigener Praxis in Rosenheim. Die 61-Jährige engagiert sich seit 1981 ehrenamtlich in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und hat Bücher und Artikel über den Umgang mit Sehbehinderungen verfasst, wie z. B. "Löwin im Dschungel: Blinde und sehbehinderte Menschen zwischen Stigma und Selbstwerdung".
Foto: Herausfordernd oder traumatisierend? Die Auseinandersetzung mit stürmischen Zeiten lohnt und bringt Klarheit. Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio [Verhangener Wolkenhimmel über dem Meer. Am Horizont brechen Sonnenstrahlen durch die Wolken.]
Abb.: Entspannungstraining kann hilfreich sein. Abb.: pixabay [Zeichnung einer Frau mit rundem Bauch im Meditationssitz.]
Autorinnenfoto: Dr. Eva-Maria Glofke-Schulz. Foto: privat. [Portraitfoto: Dr. Glofke-Schulz hat kurz geschnittene, grau melierte Haare und braune Augen. Sie trägt Ohrringe und eine dreigliedrige Halskette in Naturtönen und lächelt.]
Heimweh verboten: Erfahrungen aus einem Internat in den achtziger Jahren
"Nun denk nicht immer an deine Eltern! Denk daran, dass du hier arbeiten musst!", sagte Frau L., die in Wirklichkeit anders hieß und in den achtziger Jahren in einem Internat arbeitete, dessen Ort in diesem Artikel keine Rolle spielen soll. Ich war im Alter von sechs Jahren in diese Einrichtung gekommen und hatte Heimweh. In den ersten Wochen war Frau L. in einer "Kur", man würde diese heute vielleicht als Reha bezeichnen, und niemand schien sich auf ihre Rückkehr zu freuen. Schon am ersten Abend mit Frau L. verstand ich, warum meine Mitschüler Frau L. sehr distanziert gegenüber traten. Mir wurde unmissverständlich klar gemacht, dass ich, wenn ich nicht "lieb" sei, vielleicht nicht mehr zu meinen Eltern nach Hause fahren könne, und man mich eventuell mal irgendwo alleine stehen lassen werde. Der Haken an der Angelegenheit war lediglich, dass ich überhaupt nicht verstanden habe, was ich eigentlich böses gemacht haben könnte. Bald lernte ich, dass Frau L. mit der sehr strengen und aus meiner Sicht immer laut sprechenden Heimleiterin per Du war, dass sie sich intensiv mit der aus meiner Sicht immer unangenehm aufdringlich und streng sprechenden Erzieherin aus dem Nachbarhaus unterhielt, und natürlich besonders gerne in unserem Beisein über uns, wobei nicht immer Namen genannt wurden, doch verstand man durchaus, wer gemeint war, und dass man beim Essen am besten nichts sprach, damit man ja nichts Falsches sagte. Frau L. war also in jenem Internat nicht das alleinige Problem.
Für ein Kind wie mich, das aus einer vielleicht konservativen, jedoch sehr freundlichen Großfamilie stammte, war der Ton in diesem Internat beinahe unerträglich. Mir kam es zunächst so vor, als ob man nur "ja bitte" und "nein danke" zu sagen habe, und als ob man ständig unter Beobachtung stehe. Auch Heimweh durfte man nicht haben.
Die Häuser, in denen wir wohnten, waren alle gleich eingerichtet. Zur Aufbewahrung unserer Sachen stand uns ein Bett, ein Schrank und ein Stuhl mit einer Schublade darunter zur Verfügung. Den Schrank teilte ich mir mit einer anderen Zimmergenossin. Bilder an den Wänden waren eher unüblich, und es gab kühlen PVC-Boden. Er wurde gefühlt jeden Tag "gebohnert". War man einmal krank, wurde man mit dem Lärm der Bohnermaschine konfrontiert. Dazu gab es eine ältere, nette, allerdings etwas schnarrend sprechende Putzfrau. Bei dem Lärm der Maschine war an erholsamen Schlaf zur Beförderung der Genesung kaum zu denken.
Überhaupt war das Thema Schlafen auch eine durchaus mit Ängsten besetzte Angelegenheit. Es gab eine Zeit, da musste ich um 21.00 Uhr ins Bett gehen. Um 22.00 Uhr kam Frau L., um nachzusehen, ob wir auch wirklich schlafen. Eine hörbare Uhr schlug zwischen 21.00 und 22.00 Uhr jede Viertelstunde, sodass man um 21.45 Uhr sehr wohl merkte, wenn man noch nicht eingeschlafen war. Selbstverständlich wurde es um 22.00 Uhr nicht mit erfreulicher Stimme kommentiert, wenn man noch nicht schlief. Am nächsten Morgen musste man vor dem Frühstück beten: "Wie fröhlich bin ich aufgewacht, wie hab' ich geschlafen so sanft die Nacht. Hab' Dank im Himmel Gott Vater mein, dass du hast wollen bei mir sein. Behüte mich auch diesen Tag, dass mir kein Leid geschehen mag." Dieses Gebet kam mir oft nur widerwillig über die Lippen, wobei es hier keine Rolle spielte, ob ich an einen Gott glaubte. Kein einziger der Verse passte auch nur annähernd in meine Gefühlslage.
Dabei muss man allerdings zwei Dinge ehrlich zugeben. Ich war überhaupt nicht diejenige, die am Schrecklichsten gepeinigt wurde. Meine Zimmergenossin Lüdia, die in der Realität anders hieß, war lernbehindert. Es war ihr nur mit Mühe möglich zu lernen, sich alleine aus- und anzuziehen. Ihren Problemen wurde mit ständiger Ungeduld begegnet. Außerdem konnte sie nicht lernen, was rechts und links bedeutet. Sie hatte eben kein Empfinden für Richtungen. Dies wurde ihr sehr oft massiv zum Verhängnis. Immer, wenn ihr etwas herunterfiel, und sie dirigiert wurde, damit sie den vermissten Gegenstand wiederfinden sollte, endete dies sehr Böse. Ich gestehe, dass ich noch heute daran denken muss, wenn mir mal etwas herunterfällt, und ich eine Zeit lang danach Suche.
Der zweite Punkt, den ich absolut dringend erwähnen muss, ist, dass es Mitschülerinnen und Mitschüler aus meiner Generation gab, die in anderen Internaten schrecklichere Geschichten erlebt haben als ich. Ich kenne Erzählungen von Menschen, die gezwungen wurden, Dinge zu essen, obwohl sie diese nachweislich überhaupt nicht mochten. Ich hatte immer ein Zweier- oder Dreier-Zimmer. Hier gab es auch noch zu Beginn der achtziger Jahre Schlimmeres zu hören. Auch gab es die Geschichten von den geistig behinderten Jungen, denen die Hände festgebunden wurden, damit sie nicht onanieren konnten. Vereinzelt gab es auch Berichte von Schülern meiner Generation, die körperliche Gewalt zur Bestrafung erleben mussten. All dies ist mir nie geschehen.
Schließlich gab es in jenem Internat, in dem ich die ersten sieben Jahre meiner Schulzeit verbracht habe, Kinder, die aus sehr schwierigen Elternhäusern kamen, und die fröhlich waren, im Internat sein zu dürfen. Sie waren offensichtlich froh darüber, überhaupt beachtet zu werden. Die Mitschüler in meiner ersten Internatsgruppe hatten einen unglaublich guten Zusammenhalt. Bei ihnen konnte man so etwas wie Geborgenheit finden. Außerdem hatte ich ebenfalls Glück mit einer jüngeren Erzieherin, die darum bemüht war, einen anderen Tonfall in die Einrichtung zu bringen. Doch gestand sie uns in meinem letzten, dortigen Jahr, als sämtliche ältere Herrschaften gegangen waren, dass auch sie sich zum Teil habe anpassen müssen, was wir natürlich gemerkt haben.
Lüdia haben wir versucht zu helfen, so gut wir konnten. Doch sind Kinder manchmal auf ihre Weise grausam. So habe auch ich am Anfang nicht verstanden, warum es für sie so schwer war, bestimmte, vermeintliche Selbstverständlichkeiten zu lernen. Je mehr ich sie kennenlernte, desto mehr lernte ich damit umzugehen, dass für sie Dinge schwierig waren, die für mich kein Problem darstellten.
1988 kam ich an die blista. Für mich war, im Gegensatz zu meinen Eltern, immer klar, dass ich dorthin gehen wollte. Eine damalige Freundin von mir war zwei Jahre vor mir an die blista gegangen und erzählte sensationelle Geschichten. Man dürfe die Betreuer dort duzen, und sie habe ein Einzelzimmer mit Waschbecken. Außerdem wohne sie in der Stadt in einem gewöhnlichen Haus und lerne gerade, mit dem Bus in die Schule zu fahren. Letzteres war mir natürlich sehr weit weg, denn es lag mir fern, mir so etwas für mich vorzustellen, lag doch meine damalige Schule lediglich zwei Minuten Fußweg von dem Internatshaus, in dem ich wohnte, entfernt. Tatsächlich verließen wir unser Schulgelände auch durchaus mal zu gemeinsamen Gruppenspaziergängen, doch habe ich diese als anstrengend in Erinnerung. Wir liefen alle ohne Stock, lediglich mit einer Armbinde gekennzeichnet, und das Anlegen derselben wurde als großes Ritual gestaltet. Die Geschichten über die tolle Atmosphäre an der blista beeindruckten mich nachhaltig. Als ich dann selbst in meinem Einzelzimmer mit Waschbecken, einem Schrank, einem Regal, einem Schreibtisch mit dem dazugehörigen Stuhl, einem Sessel, einem Nachtschrank und einem Bett stand, war ich sehr beeindruckt. Allerdings habe ich in der ersten Woche oft gedacht, dass ich alles nur Träume, dann aufwache und wieder in anderen Verhältnissen leben muss. Ich brauchte eine Weile, zu verstehen, dass nun alles so herrlich weiter gehen sollte.
Nach meinem Abitur studierte ich Germanistik und Politik. Direkt in meinem zweiten Semester belegte ich ein Seminar über Biographisches Schreiben, das erlebte Kinderwelten zum Schwerpunkt hatte. Eine der dort zu analysierenden Biographien regte mich dazu an, mich schreibend mit meiner Internatsvergangenheit auseinanderzusetzen. Tatsächlich war dies für mich eine Art "Bewältigung". Der Autor der Biographie, die für mich als Vorbild galt, versuchte immer, seinen Leser so mitzunehmen, dass er, obwohl er von der Welt, in der der Autor lebte, nichts verstand, alles aus dessen Sicht erklärt bekam. Genauso machte ich es auch. Dies zwingt einen zu klarer Reflexion und zu der Beantwortung von Fragen, die man sich ansonsten nie stellen würde.
An einem Abend schrieb ich bis um 3.00 Uhr Nachts, was wirklich gegen meine Gewohnheit ist. Als ich ins Bett ging, graute mir ein wenig vor dem Aufstehen, doch merkte ich, als ich erwachte, nachdem ich vier Stunden geschlafen hatte, dass ich mich angenehm entspannt und beinahe fit fühlte. In jener Nacht gab es viele Momente aus meiner Kindheit, die ich wieder durchlebt und durchlitten habe. Doch genau das war wunderbar, denn ich hatte die Gewissheit, alles einmal festgehalten zu haben, und konnte vieles, was geschehen ist, mit weniger Grauen betrachten, denn ich weiß, dass die Ideale der Internatserziehung der achtziger Jahre endgültig Geschichte sind.
Rechnet man heute faktisch das Alter der damaligen Erzieher nach und vergegenwärtigt man sich deren Sozialisation, kommt man sehr leicht zu dem Ergebnis, dass sie zum Teil während der NS-Zeit sozialisiert worden sind. Freunden und Bekannten, die mit der Internatsszene nicht in Kontakt gestanden haben, erzähle ich immer, dass die 68er Bewegung an den meisten traditionellen Blindenschulen in Deutschland komplett vorbeigegangen ist. Kinder sollten nicht zu mündigen Bürgern, sondern zu ja-sagenden, zu tolerierenden, auch gnädigerweise von dieser Gesellschaft akzeptierten Blinden erzogen werden.
Dies hat sich, Gott sei Dank, komplett geändert.
Foto: Ja nichts Falsches sagen - schwierige Zeiten als Internatskind. Foto: pixabay [Ausschnitt des Gesichts einer jungen Frau mit Sommersprossen. Sie hält ihren Zeigefinger vor den Mund. Ihre Augen sind nicht mehr im Bild.]
Abb.: Heimweh nach Familie. Foto: pixabay [Kinderzeichnung zweier lachender Erwachsener mit Brille, in ihrer Mitte ein lachendes Kind. Links läuft eine gelbe Katze.]
In meinen Träumen kann ich manchmal wieder sehen: Bewusste und unbewusste Verarbeitungsprozesse meiner Erblindung
Seit meiner Kindheit habe ich gewusst und befürchtet, dass ich einmal erblinden könnte, da ich vor 68 Jahren mit einer Augenkrankheit (chronisches juveniles Glaukom) geboren wurde. Immer wieder musste ich mich Augenoperationen unterziehen, durch die bis zum 65. Lebensjahr ein Sehrest erhalten werden konnte. Ich hatte mich daran gewöhnt, mit zehn bis zwanzig Prozent Sehvermögen und einem eingeschränkten Gesichtsfeld ganz gut durchs Leben zu kommen. Nach sechs Jahren in der Sonderschule für sehbehinderte Kinder in Bremen konnte ich 1963 ein neusprachliches Gymnasium besuchen und bestand dort 1970 mein Abitur. Während meiner Schulzeit musste ich immer in der ersten Reihe sitzen, durfte immer an die Tafel gehen und musste meine Schulbücher mit einer Lupenbrille lesen.
Ich studierte dann in Göttingen Pädagogik, Politik und Soziologie. Die ersten zwanzig Jahre meines Berufslebens arbeitete ich in einem Jugendzentrum, hielt mich fast ein Jahr in den USA auf, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität und in der Politik. Während dieser ersten Hälfte meines Berufslebens hatte ich keinen Schwerbehindertenausweis. Ich wollte den damals auch gar nicht haben. Erst mit der Möglichkeit als Berufsschullehrer zu arbeiten, musste ich einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Ich arbeitete bis zu meiner Pensionierung 2016 als sehbehinderter Lehrer an der Fachschule Sozialpädagogik. Im letzten Dienstjahr verschlechterte sich mein Sehen immer mehr, und ich musste akzeptieren, dass ich erblindet war.
Vor drei Jahren erlernte ich den Umgang mit dem weißen Langstock, um mich wieder allein in der Stadt bewegen zu können. Als wichtiges Hilfsmittel kam der Umgang mit dem iPhone hinzu, das Sehbehinderten und Blinden viele elektronische Möglichkeiten bei der Bewältigung des Alltags bietet.
Seit einem Jahr bin ich Vorsitzender der Regionalgruppe Hannover des Blinden- und Sehbehindertenverbands Niedersachsens. Ich nehme inzwischen an einem Konversationskurs in spanischer Sprache als einziger Blinder teil und tanze mit einer sehenden Partnerin in einer Tanzschule in Hannover.
Schwierig war für mich der Übergang zwischen starker Sehbehinderung und Erblindung. Ich brauchte ungefähr ein halbes Jahr, bis ich akzeptiert hatte, dass zur Orientierung im öffentlichen Raum der weiße Langstock notwendig war, um mein Ziel wieder allein erreichen zu können. Ich verließ meine Wohnung nur noch selten allein. Freunde und Familienmitglieder beobachteten das und rieten mir, mich an den Blinden- und Sehbehindertenverband in Hannover zu wenden. Im Januar 2017 begann ich mit dem Mobilitäts-Training und konnte mich bald wieder vorsichtig allein in meinem Stadtteil bewegen. Mir half es sehr, dass ich die Straßenführung in meiner Umgebung kannte und bei meiner Orientierung auf die gespeicherten Routen in meinem Gedächtnis zurückgreifen konnte. Natürlich funktioniert die Orientierung ohne den Sehsinn anders, und ich habe mich auch in meinem Viertel immer mal wieder verlaufen. Wichtig war aber die tägliche Übung, um tastbare und akustische Routenpunkte zu erlernen. Die Gewöhnung an die Immobilität dient der Ökonomie, sich unangenehme Begegnungen mit Gegenständen und Personen zu ersparen, aber das Leben wird dadurch weniger abwechslungsreich.
Immer wieder wurde und wird mir bei der Orientierungssuche im öffentlichen Raum Hilfe angeboten, die mich manchmal verwirrt. Oft wissen auch sehende Personen nicht, wie die Straße heißt, in der sie sich gerade befinden, und wie man die Straße erreichen kann, die nur 200 Meter entfernt liegt, weil sie sich nur an den sichtbaren Objekten ihrer Umgebung orientieren. Schnell erlernte ich für die Navigation in der Stadt auch den Umgang mit dem iPhone. In unbekannter Umgebung ist die selbständige Orientierung immer noch viel schwieriger, weil ein Rückgriff auf die gespeicherten Orientierungspunkte nicht möglich ist.
Egal in welchen Situationen man sich außerhalb der eigenen Wohnung befindet, Erinnerungen an die visuelle Wahrnehmung helfen, sich in unterschiedlichen Räumen zu bewegen, wenn man dies allein bewältigen muss. So ist zum Beispiel der Besuch auf der Herrentoilette immer mit einem gewissen Unbehagen verbunden, denn es besteht immer die Gefahr, verschmutzte Stellen anzufassen oder einen sehenden Mann beim Wasserlassen zu stören. Grundsätzlich kann man aber auf die im Gedächtnis gespeicherten Merkmale der räumlichen Struktur einer Herrentoilette zurückgreifen. Für die Orientierung in geschlossenen Räumen ist der Rückgriff auf die gespeicherten Strukturen im Gehirn immer hilfreich, auch wenn wir sie als Blinde neu kodieren müssen. Schwierig wird es immer dann, wenn sich Objekte in einem Raum befinden, die hier sonst nicht platziert sind - zum Beispiel zum Trocknen aufgestellte Regenschirme in der Herrentoilette.
Da ich mein Leben lang sehbehindert war, habe ich bei der Orientierung in der Welt neben dem Sehsinn immer schon akustische Signale, wie zum Beispiel den Hall, beachtet und Wege bevorzugt, auf denen ich mich auskannte, und schon damals hatte ich die Landkarte meiner Wege fast immer im Kopf. In meinem unübersichtlichen Schulgebäude kannte ich mich oft besser aus als einige meiner Schülerinnen. Andererseits habe ich erst als Blinder mit Begleitung eine Rolltreppe in einer großen unübersichtlichen U-Bahn-Station in Hannover entdeckt, die durch eine Säule verdeckt wird, und die ich als Sehbehinderter vierzig Jahre nicht wahrgenommen hatte.
Die Wahrnehmung sozialer Beziehungen gestaltet sich für mich als Blinder oft einfacher als zuvor, denn niemand erwartet mehr von mir, dass ich ihn erkenne und begrüße. Als Sehbehinderter wirkte ich manchmal arrogant und überheblich, weil ich Personen bei zufälligen Begegnungen in der Stadt nicht grüßte.
Die visuellen Erinnerungen an vertraute Gesichter und Gestalten verblassen langsam. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass auch visuelle Strukturen ähnlich wie Vokabeln wiederholt und angewendet werden müssen, sonst vergessen wir sie. Meine Unterschrift, die ich ja immer mal wieder leisten muss, soll nach wie vor gut lesbar sein. Die feinmotorische Bewegung beim Schreiben habe ich in meinem Leben oft durchgeführt, und durch die Wiederholung trainiere ich sie immer wieder, sodass ich jetzt alles blind unterschreiben kann.
Verwundert stelle ich fest, dass ich mir einbilde, mich manchmal an Gesichter und Gestalten von Personen erinnern zu können, die mir nicht besonders nahe standen, zum Beispiel einiger Kolleginnen oder Schülerinnen, mit denen ich nur beruflich zu tun hatte. Das Unbewusste scheint mein Erinnerungsvermögen stark zu beeinflussen, denn auch bei intensivem Nachdenken kann ich nicht klären, warum ich mich an das Gesicht von Kollegin Müller oder von Schülerin Julia genauer erinnere als an das einer Frau, mit der ich vor fünf Jahren eng befreundet war.
Aus der Psychoanalyse wissen wir, dass in unseren Träumen das Unbewusste der Drehbuchautor der Traum-Szenen ist. In meinen Träumen tauchen Personen auf, deren Gesichter und Gestalten ich so sehe, wie ich glaube, sie einmal gesehen zu haben. Aber wie in allen Träumen, sind auch in meinen Träumen die Zeit- und Raumebenen verschoben. Die Person A taucht dann zum Beispiel in einer Traumszene auf, die sich in der Realität so nicht ereignet haben kann, weil ich diese Person nie an diesem Ort getroffen habe, und ich sie zu der Zeit in meinem Leben noch gar nicht gekannt habe.
Manchmal bilde ich mir auch ein, im Traum zu merken, dass ich Personen, die ich im Traum wahrnehme, gar nicht mehr sehen kann, weil ich ja inzwischen erblindet bin. Ich habe dann nicht wie Robert Schumann im Traum geweint. Auch wenn ich erwachen sollte, vergewissere ich mich, dass ich nichts mehr sehen kann,und bin traurig und versuche mich zu erinnern, was ich jetzt vermisse. Ich bedauere es schon, dass ich Farben und Landschaften nicht mehr sehen kann. Diese lassen sich nicht hören oder ertasten. Ich bin auf meine Erinnerungen und gute Beschreibungen sehender Personen angewiesen.
Ich vermisse es auch, dass ich Frauen nicht mehr visuell wahrnehmen kann, auch wenn ich sie im Vergleich mit sehenden Personen nur verschwommen gesehen habe. Ich fand es schön, sie in ihren langen oder kurzen Röcken, hübschen Kleidern oder engen Hosen zu betrachten. Ich bilde mir auch ein, dass in meiner Erinnerung Bilder auftauchen, wenn ich ihren Duft wahrnehme, ihre Stimmen, das Knistern ihrer Nylonstrümpfe oder das Klappern ihrer High Heels höre und je nach Nähe der Beziehung vielleicht auch ihren Körper berühre.
In der Begegnung mit Frauen bemühe ich mich darum, nicht aufdringlich zu sein, wahre eher die Distanz und berühre sie nur dann, wenn die Aktivität von ihnen ausgeht. Selbst bei der flüchtigen Umarmung bei der Begrüßung oder Verabschiedung mir bekannter Personen bemühe ich mich, Grenzen nicht zu überschreiten. Wenn ich als blinder Mann blinde oder sehende Frauen näher kennen gelernt habe, bitte ich sie manchmal darum, ihre visuell wahrnehmbare Erscheinung zu beschreiben. Sie können dann selbst entscheiden, ob sie auf diesen Wunsch von mir eingehen und bestimmen, wie sie sich selbst präsentieren. Meine Bitte, sich selbst zu beschreiben, ist nicht so aufdringlich wie der gierige männliche Blick. Wenn ich eine Frau berühren möchte, frage ich sie, ob ich das darf, denn ich kann ja nicht sehen, ob sie mir durch ihre Gestik und Mimik mitteilt, dass sie meine Berührung als unerwünschten Übergriff empfindet. In intimen Situationen nehmen blinde Menschen die andere Person ausschließlich über den Geruchs-, Hör- und Tastsinn wahr. Den Lustgewinn bei der Betrachtung des nackten weiblichen Körpers habe ich noch in Erinnerung. In der Sexualforschung wird ja behauptet, dass Männer bei sexuellen Kontakten die visuelle Wahrnehmung wichtiger finden als Frauen. Allerdings finden viele Sehende es ja inzwischen sehr interessant, sich im Dunklen zu treffen und zu lieben.
Aber das ist wirklich ein weites Feld.
Zum Autor
Frank Mehler, geboren 1951, nutzt seine Pensionierung als Berufsschullehrer dazu, sich verstärkt ehrenamtlich in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe zu engagieren. Außerdem pflegt er verschiedene Hobbys, z. B. Klavier und Gitarre spielen.
Foto: Träumen hilft, Erfahrungen zu verarbeiten. Foto: pixabay [Die Glühfäden einer stilisierten Glühbirne bilden das Wort "Dreamer". Der Hintergrund ist himmelblau, links schwebt eine Wolke vorüber.]
Autorenfoto: Frank Mehler. Foto: privat [Portraitfoto im Freien. Frank Mehler trägt zu seinen kurzen grauen Haaren und der Brille ein schwarzes Shirt und eine schwarze Jacke. Er lächelt.]
Foto oder Wimmelbild? Über unser Gedächtnis, Erinnern, Vergessen und Verarbeiten aus psychologischer Sicht
Bedauerlicher- oder glücklicherweise ist unser Gedächtnis kein Fotoalbum, dessen Bilder wir zuverlässig und historisch korrekt immer und immer wieder neu und gleich aufrufen können. Es beginnt schon damit, dass sich zwei Menschen, die dieselbe Situation erlebt haben, nicht selten an zwei sehr unterschiedliche Ereignisse zu erinnern scheinen. Das macht Gespräche über gemeinsame Erinnerungen so spannend und wertvoll, aber auch verwirrend. Warum kann ich mich nicht an das Detail oder jene Bewegung erinnern, die für den anderen so ganz klar und deutlich sind? Warum erinnert der andere nur vage, was mir so wichtig war? Offenbar gleichen Erinnerungen mehr einem Wimmelbild, in dem man immer wieder anderes sieht, je nachdem, wie man es hält und wie man drauf schaut. Erinnern ist etwas sehr Individuelles und etwas sehr von der Situation Abhängiges. Deshalb möchte ich im Folgenden einige Erkenntnisse von Neuropsychologie, Psychoanalyse und Hirnforschung zusammenstellen, die verständlich machen sollen, wie unser Erinnern, Vergessen und davon abhängig unser Verarbeiten von Erlebtem und Erlittenem funktioniert.
Immer wieder hatte einer meiner Patienten einen Albtraum. Bei dem träumte er von Einbrechern, die durch die Wohnungstür in seine Wohnung kamen oder kommen wollten. Manchmal brachen sie die Wohnungstür gewaltsam auf, manchmal stand sie sperrangelweit offen, manchmal war sie nur scheinbar geschlossen, aber das Schloss defekt, das er schon lange hatte reparieren wollen, so dass die Einbrecher ganz einfach herein kommen konnten. Manchmal kämpfte er verzweifelt mit ihnen und konnte sie hinauswerfen, manchmal musste er wie gelähmt zusehen, wie sie seine Wohnung ausräumten. Immer spielten diese Wiederholungsträume in der Wohnung, in der er seine Erblindung erlebt hatte, in der er aber seit vielen Jahren nicht mehr wohnte. Allmählich verstanden wir die Einbrecher als Erinnerungen, die immer wiederkehrten, die er aber nicht haben wollte, weil es Erinnerungen an den schmerzhaften Verlust seines Sehvermögens waren. Die Einbrecher waren maskiert: Nicht jede Erinnerung gibt sich sofort zu erkennen. Manche erscheinen als unwillkommene Gäste in einer Verkleidung als plötzliche, ganz unverständliche Angst, als Herzrasen, als Leere oder Depression, scheinbar ohne Anlass (vgl. Mertens 2019). Manchmal versperren wir unseren Erinnerungen unsere Tür und sie kommen letztlich doch herein, manchmal öffnen wir ihnen die Tür, wollen sie dann aber doch nicht haben, manchmal bleiben wir unklar, verschließen zwar die Tür, aber mit einem Schloss, das nicht halten wird. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Arten von Einbrechern, von Türen und Schlössern gibt, also von Erinnerungen, vom Zulassen und Vergessen und vom Verarbeiten.
Das nicht-deklarative Gedächtnis
Ein autobiografisches Gedächtnis, in dem unsere Erfahrungen durch Bilder und Worte abgebildet sind, entsteht erst mit vier Jahren, nämlich in einer Zeit, in der das Selbst des Kindes mental über zusammenhängende Repräsentationen von Intentionen und Wünschen des anderen verfügt, die dessen Verhalten zugrunde liegen, sowie von sich selbst. Außerdem müssen die Kinder zeitliche Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen können. Zeigt man Kindern mit vier Jahren ein Video von ihrem Spiel, bei dem ihnen heimlich ein Sticker am Hinterkopf angeheftet wurde, greifen sie danach, weil sie wissen, dass er noch da sein muss. Kleinere Kinder können diese Schlüsse noch nicht ziehen. Trotzdem prägen sich die Erfahrungen der ersten vier Lebensjahre, ja sogar der Fetalzeit in unserem Gedächtnis ein. Wir nennen es das nicht-deklarative Gedächtnis, weil es keine Bilder oder sprachlichen Erfahrungen enthält, sondern emotionale Erfahrungen und Interaktionen mit wichtigen äußeren Objekten.
Die amerikanische Psychologin Mary Ainsworth gehört zu den wichtigsten Vertretern der Bindungsforschung, die belegen konnte, dass Säuglinge ein angeborenes Bedürfnis nach engen und emotional intensiven Beziehungen zu anderen Menschen haben. 1969 entwickelte sie zusammen mit ihren Kollegen eine experimentelle Situation, in der sie die Bindungsstile und Stressbewältigungsstrategien von 11 bis 18 Monate alten Kindern untersuchen konnte, die sogenannte Fremdensituation. Darin ließen die Mütter ihre Kinder drei Minuten mit einer ihnen fremden Untersucherin allein. Beobachtet und per Video aufgenommen wurde, wie die Kinder auf die Trennung und die Wiederbegegnung mit ihrer Mutter reagieren. Es fanden sich vier sehr unterschiedliche Bindungsmuster:
- Sicher gebundene Kinder verleihen ihren Gefühlen offen Ausdruck. Sie weinen und schreien, wenn ihre Mutter den Raum verlässt, krabbeln oder laufen ihr bis zur Tür hinterher und lassen sich von der Untersucherin nicht trösten. Kehrt Mutter zurück, wollen sie auf den Arm genommen werden und lassen sich schnell beruhigen. Die Trennung bedeutet Stress, was man anhand des Stresshormones Cortisol im Speichel messen kann. Der Cortisolspiegel geht schnell wieder herunter, sobald die Bezugsperson des Kindes zurückgekehrt ist, weil über die Nähe zu ihr, über die Bindung, die Stressregulation erfolgt.
- Unsicher vermeidend gebundene Kinder hingegen zeigen eine Pseudounabhängigkeit und verbergen ihre Gefühle. Nach Mutters Weggang beschäftigen sie sich scheinbar ungerührt weiter mit ihrem Spielzeug. Bei Mutters Rückkehr wird diese ignoriert. Die Regulierung von Stress erfolgt hier nicht über die Bezugsperson, sondern über Handeln, über das Spiel. Der Cortisolspiegel ist während der Trennung höher als bei sicher gebundenen Kindern und bleibt noch über Stunden erhöht.
- Unsicher ambivalente Kinder wirken völlig überwältigt vom Trennungsschmerz, wenn ihre Mutter den Raum verlässt. Bei ihrer Rückkehr klammern sie sich an sie an, wollen erst auf den Arm, dann wieder herunter, dann wieder hinauf und immer so weiter. Sie wirken wie hin und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Nähe zur und Ärger auf die Bezugsperson und lassen sich von ihr nicht beruhigen. Entsprechend bleibt auch hier der Cortisolspiegel über Stunden erhöht.
- Desorganisierte Kinder haben keine Verhaltensstrategien in bindungsrelevanten Stresssituationen, um mit Trennungen und Wiederbegegnungen umzugehen. Sie zeigen bizarre Verhaltensweisen, wie Erstarren, Schaukeln, andere Stereotypien, sowie völlige Emotionslosigkeit. Dies ist durch nicht integrierbare emotionale Bindungserfahrungen begründet, etwa wenn die Bezugsperson der einzige Mensch ist, der das Kind versorgt und ihm Sicherheit bietet, gleichzeitig aber auch die Quelle von Angst und Schmerzen ist, wie bei Misshandlungen. Hier ist der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht.
Es war für die Forscher eine Überraschung, bereits am Ende des ersten Lebensjahres vier klar voneinander unterscheidbare Bindungsstile vorzufinden. Ungefähr 70% der Kinder sind sicher, je 10% unsicher vermeidend oder unsicher ambivalent gebunden und 5% desorganisiert. Längsschnittstudien, wie zum Beispiel die der Grossmanns (2002, 2003) in Deutschland ergaben, dass diese Bindungsmuster bis ins Erwachsenenalter weitgehend konstant bestehen bleiben und den Umgang eines Menschen mit emotionalen Beziehungen und Nähe prägen. Niemand kann sich jedoch an diese frühe Zeit erinnern. Niemand könnte etwa sagen: "Ich bin als Säugling oft von meinen Eltern zurückgewiesen worden, wenn ich Gefühle zeigte, so dass ich lernen musste, mich selbst zu beruhigen und meine Gefühle besser nicht nach außen zu zeigen." So müsste es ein unsicher vermeidend gebundener Mensch sagen. Wir haben aus den ersten drei Lebensjahren kein deklaratives Material, keine Bilder, keine Worte o.ä. Die hier gemachten emotionalen Erfahrungen sind im nicht-deklarativen Gedächtnis gespeichert. Sie sind nicht vergessen, weil sie nie bewusst und direkt erinnerlich waren.
Wie kann man sich trotzdem an diese Erfahrungen erinnern? Sigmund Freud hat 1914 in seiner Schrift "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten" bereits auf das Wiederholen aufmerksam gemacht: Statt uns zu erinnern, reproduzieren wir etwas durch die Tat. Wir wiederholen alte Bindungsmuster, ohne zu wissen, dass wir sie wiederholen. Heute sprechen wir von "Enactments" oder auch Handlungsdialogen. Der oben erwähnte Patient mit den Einbrecherträumen trennte sich nach seiner recht plötzlichen Erblindung von seiner Partnerin. Statt von ihr oder anderen Trost oder Hilfe bei der Stressbewältigung zu bekommen, stürzte er sich in Arbeit und die praktische Bewältigung der Sehbehinderung. Wie die unsicher vermeidend gebundenen Kinder in der Fremdensituation kompensierte er seinen Stress durch Spielen, durch Tätigsein.
Ein sicher gebundener Mensch würde nach einem so schweren Verlust, wie dem des Sehvermögens, Unterstützung bei seinen wichtigsten Bezugspersonen suchen und von dieser Basis aus seinen neuen Weg im Leben explorieren. Ein unsicher ambivalent gebundener Mensch würde sich angstvoll an andere anklammern, ohne von ihnen wirklich Beruhigung oder Unterstützung zu erfahren. Er würde sie brauchen und dafür hassen, dass er sie braucht. Er würde Unterstützung einfordern und diese ausschlagen.
Natürlich finden auch in vielen kleinen, alltäglichen Szenen Handlungsdialoge statt. Mein obiger Patient wusste anfangs nicht, was er mit einer Therapie anfangen sollte. Er sprach nur über praktische Angelegenheiten, über das, was er tat, nicht über das, was er fühlte. Er vermittelte mir das Gefühl, mich gar nicht zu brauchen, höchstens einmal für einen Tipp bei der Bedienung der Sprachausgabe des iPhones. Als ich das ansprach, wurde ihm eine zunächst schwer begreifliche Angst bewusst, seine Gefühle zu zeigen. Allmählich konnten wir verstehen, was er aus seinem nicht-deklarativen Gedächtnis wiederholt, also erinnert. Als Therapeut besteht meine Aufgabe darin, diese bisher unbewussten, agierten Erfahrungen in ein deklaratives, sprachliches Erleben zu übersetzen und ihnen eine aufrichtige, alternative Erfahrung entgegen zu setzen, von Nichtzurückweisung und Einfühlung, die zum Ausgangspunkt für neue Bindungen und eine andere Stressbewältigung werden kann. Natürlich passiert so ein Überschreiben von Bindungserfahrungen nicht nur in einer Therapie, sondern auch in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen. Allerdings sind wir hier darauf angewiesen, die dafür geeigneten Menschen zu finden und trotz unserer Angst ihre emotionale Unterstützung auch annehmen zu können.
Das deklarative Gedächtnis
Wie oben bereits deutlich wurde, beginnt es seine Arbeit mit etwa vier Jahren. Es enthält bildhafte und emotional besetzte Erinnerungen. Wichtig für seine Funktion ist der Hippocampus, ein Nervenkern im Gehirn, der die Nervenbahnen von den Sinnesorganen mit dem Langzeitgedächtnis und mit dem limbischen System verbindet, dem Sitz der Gefühle. Erinnerungen werden nur dann aufgebaut, wenn wir mit einer Situation Gefühle verbinden, freudige, liebevolle, ängstliche, ärgerliche, traurige oder auch schamvolle. Wenn uns etwas nicht bewegt, wird es nicht gespeichert. Bei Faktenwissen muss wenigstens Interesse oder Angst vor der Prüfung vorhanden sein, um sie sich einzuprägen. Fakten werden vergessen, wenn sie nicht ständig wiederholt oder aufgefrischt werden, emotionale Erinnerungen werden nicht vergessen, außer in der Demenz und dort zuerst die der Gegenwart, später die der weiter zurück liegenden Vergangenheit.
Alfred Adler hielt die frühesten sechs Lebenserinnerungen für besonders bedeutsam. Man kann aus ihnen den Lebensstil eines Menschen, seine grundsätzliche Haltung zum Leben, zu sich und zu anderen ablesen. Sigmund Freud sprach von Verdrängung, wenn bei einem Kind schwer lösbare Konflikte zu viel Platz im Arbeitsgedächtnis beanspruchen. Dann werden Erinnerungen und die zu ihnen gehörenden Gefühle in einen uns nicht bewussten Bereich gedrängt, was jedoch viel Energie benötigt, weil die Verdrängung permanent aufrecht erhalten werden muss, da das Verdrängte immer wieder auf verschlungenen Wegen versucht, dem Vergessen werden zu entkommen und bewusst zu werden.
Erinnerungen, die nicht verdrängt werden, sind meist trotzdem kein fotografischer Abdruck des Geschehenen. Sie werden mehr oder weniger stark nachträglich bearbeitet und verzerrt, so dass sie zum persönlichen Mythos passen, wie es Kris (1977) nannte. Dieser ist die subjektive Theorie eines Menschen über sein Geworden sein und dient als Begründung seines Verhaltens und Erlebens. Beispielsweise kann eine Erinnerung betonen, dass ich wegen meiner Sehbehinderung abgelehnt wurde, mein eigenes garstiges oder unfreundliches Verhalten aber nur unscharf oder gar nicht abbilden. Geschieht dies mit vielen Erinnerungen, kann eine Opferidentität entstehen, in der ich mich als permanent benachteiligt und ausgegrenzt empfinde, ohne meine eigenen Anteile daran zu erinnern.
Muss ein Mensch traumatische Erfahrungen machen, wie sexuellen Missbrauch, körperliche oder seelische Misshandlung oder auch schwere körperliche Erkrankungen, wie eine Sehbeeinträchtigung, kann es zu noch gravierenderen Formen des Vergessens kommen. Eine ist die Amnesie, eine völlige Erinnerungslosigkeit für Phasen des Traumas oder den gesamten Zeitabschnitt seines Einwirkens. Trigger, bestimmte Reize, die mit dem Trauma assoziiert sind, können dann Flashbacks auslösen. Das sind plötzlich und unkontrolliert ins Bewusstsein schießende Erinnerungsbilder, die mit sehr starken Gefühlen verbunden sind, die denen während des Traumas gleichen. Die Betroffenen fühlen sich dadurch so, als wären sie wieder in der traumatischen Situation. Auch in Albträumen kann lange Vergessenes urplötzlich in die Gegenwart zurückkehren.
Eine spezielle Form des Vergessens ist die Dissoziation. Sie stellt eine Entknüpfung zwischen meinem Ich und der Realität dar oder zwischen verschiedenen Anteilen des Selbst. In ersterem Fall erleben Menschen ein traumatisches Ereignis so, als sei es gar nicht real, sondern ein böser Traum, aus dem sie irgendwann erleichtert aufwachen werden. Das schreckliche Erlebte fühlt sich in der Erinnerung unwirklich an, als sei es nicht geschehen, als habe man es sich eingebildet. Oft ist davon nicht nur die Erinnerung betroffen, sondern auch das Erleben der Realität, die ganz weit weg wahrgenommen wird, wie durch Watte oder eine Milchglasscheibe. Dieses Phänomen kann durch eine Sehbehinderung verstärkt oder begünstigt werden, weil die Realität dadurch ohnehin verschwommener wahrgenommen oder gar nicht mehr gesehen wird. Die zweite Form der Dissoziation führt dazu, dass die inneren Verbindungen des erwachsenen Ichs zu verletzten oder traumatisierten Selbstanteilen teilweise oder komplett unterbrochen sind. Das erwachsene Ich weiß dann nichts oder wenig von den Gefühlen und Erinnerungen eines jüngeren Ichs. Vergessen heißt hier Verknüpfungen trennen. Verarbeitung bedeutet, vorsichtig das Getrennte wieder zusammen zu bringen, in so kleinen oder großen Dosierungen, wie es der Betroffene ertragen kann. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass eine eingetretene Sehbehinderung leider real und kein böser Traum ist, ebenso wie die dadurch verändert wahrgenommene Realität. Es bedeutet auch, die Erinnerungen eines jüngeren Ichs, bei dem eine Sehbehinderung eingetreten oder das erstmals mit seiner Sehbehinderung konfrontiert wurde, ernst- und anzunehmen, aber auch die Erinnerungen des erwachsenen Ichs dem jüngeren Ich zur Verfügung zu stellen. Schließlich wird das erwachsene Ich auch Erinnerungen haben, die eine Ressource für jüngere Ichs darstellen, etwa Erinnerungen an bewältigte Krisen, bestandene Lebensprüfungen und überwundene Ängste.
Von Luise Reddemann, die sich im Bereich der Traumatherapie sehr verdient gemacht hat, stammt die Anregung, sich ganz bewusst mit guten, freundlichen Erinnerungen zu befassen, wenn wir an unsere Biografie denken. Wie und mit wessen Unterstützung haben wir Krisen und schwere Zeiten überstanden und bewältigt? Sie empfiehlt, gerade in aktuellen Krisen ein Freudetagebuch zu führen, in das wir jeden Tag mindestens ein freudiges, nur positives Ereignis eintragen. Hintergrund dafür ist, dass wir im Gehirn unterschiedliche Zentren für positive und negative Gefühle haben. Zentren im Gehirn erweitern sich durch Benutzung. Wenn ich mich nur mit traurigen Gefühlen beschäftige, werde ich deshalb nicht lernen können, mich zu freuen, ebenso wenig wie ich meinen rechten Bizeps kräftigen kann, wenn ich nur den linken trainiere.
Verarbeitung von Erinnerungen
Einiges wurde bereits zu diesem Thema gesagt. Auf eines der wichtigsten Werkzeuge zur Verarbeitung von Erfahrungen, das uns Mutter Natur in die Wiege gelegt hat, möchte ich aber noch aufmerksam machen: Aus der Hirnforschung wissen wir, dass fast alle Säugetiere im Schlaf träumen, und zwar überwiegend in der REM-Phase. Darin kommt es zu rapid eye movements, schnellen Augenbewegungen. Diese Bewegungen, die anscheinend keinen Sinn haben, da die Augen ja geschlossen sind, dienen der Stimulierung einer Erregung im Gehirn. Bewegen sich die Augen nach links, wird die rechte Hirnhemisphäre aktiviert, in der vor allem Gefühle und Bilder gespeichert sind, bewegen sie sich nach rechts, die linke Hirnhälfte, in der rationale und sprachliche Inhalte dominieren. Da beide Hirnhälften aktiviert sind, können neue Verbindungen von Bildern, Gefühlen einerseits und Gedanken und Wertungen andererseits erfolgen. Dadurch kann der Schlaf seine Aufgabe erfüllen, das Gehirn neu zu organisieren und Erinnerungen des Tages zu bewerten, zu vergleichen und einzuordnen. Anhand unserer Träume können wir dadurch einen Eindruck gewinnen, wie wir Erinnerungen verarbeiten oder bei Albträumen, aus denen wir hochschrecken, welche Erfahrungen wir nicht verarbeiten können. Die Funktion der Augenbewegungen macht man sich übrigens in einer Therapieform zunutze, dem EMDR, Eye Movement Desensitization and Reprocessing (Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen). Dabei folgen die Augen des Patienten dem hin und her wandernden Finger des Therapeuten, was zu einer Aktivierung beider Hirnhälften beiträgt. Die Methode funktioniert bei Sehbehinderten auch mit wechselseitigem Berühren beider Knie.
Die Verarbeitung von Erinnerungen des deklarativen Gedächtnisses ist grundsätzlich leichter als die von Erinnerungen des nicht-deklarativen Gedächtnisses, ebenso wie die Verarbeitung nichttraumatischer Erinnerungen leichter ist als die traumatischer Erinnerungen. Über eine Psychotherapie sollten wir immer dann nachdenken, wenn es uns trotz intensiven eigenen Bemühens und der Hilfe nahestehender Bezugspersonen nicht gelingt, schmerzliche Erinnerungen zu verarbeiten. Andernfalls werden sie immer wieder wie ungebetene Gäste in unsere innere Welt einbrechen, wie im eingangs beschriebenen Traum.
Literatur
Grossmann, K.E. und Grossmann, K. (2003): Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie. Klett-Cotta, Stuttgart
Grossmann, K. E.; Grossmann, K. und Köhler, L. (Hrsg.) (2002): Bindung und seelische Entwicklungswege. Klett-Cotta, Stuttgart
Freud, S. (1914): Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten. Weitere Ratschläge zur Technik der Psychoanalyse. GW 10, S. 126-136.
Kris, E. (1977 [1956]): Die Aufdeckung von Kindheitserinnerungen in der Psychoanalyse. Psyche 31, 732-768
Mertens, W. (2019): Wie zuverlässig und wirklichkeitsgetreu sind unsere Erinnerungen? Psychoanalytische Überlegungen zum Gedächtnis aus klassischer und zeitgenössischer Sicht. Psyche 73, 974-1001
Zum Autor
Der Diplom-Psychologe Thomas Abel arbeitet als Psychoanalytiker in eigener Praxis in Berlin (https://www.praxis-abel.de). Er hat sich u. a. auf die Behandlung von Traumafolgestörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Essstörungen spezialisiert. Er ist Supervisor, Lehranalytiker und Dozent im Bereich Psychoanalyse und Psychotherapie. Außerdem ist er in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe aktiv.
Foto: Wie erinnern wir uns an unsere Vergangenheit? Foto: pixabay [Die linke Gesichtshälfte eines gereiften Mannes in Schwarz-Weiß wird durch ein Smartphone überdeckt, das von Frauenhänden gehalten wird. Auf dem farbigen Display im Vordergrund blickt ein Baby mit großen blauen Augen den Betrachtenden an.]
Autorenfoto: Dipl.-Psych. Thomas Abel. Foto: privat [Thomas Abel sitzt in einem bequemen Ledersessel. Zur Jeans trägt er ein dunkles Jackett über dem lila Hemd. Im Hintergrund steht ein halbhohes Regal mit Büchern sowie zwei Büsten antiker Köpfe. Ein gerahmtes Foto von Sigmund Freud hängt an der Wand.]
Den Horizont erweitern! "Psychotherapie von und für Menschen mit Behinderungen" - Eine Buchrezension
Das Buch "Psychotherapie von und für Menschen mit Behinderungen" ist nicht nur für psychotherapeutisch tätige Menschen spannend, sondern für uns alle. Denn die Inklusion schreitet glücklicherweise voran und das bedeutet nicht nur, dass die sehende Bevölkerung sich gegenüber blinden und sehbehinderten Menschen öffnen muss, sondern dass auch wir Blinden und Sehbehinderten auf der Arbeit und in der Freizeit zunehmend auf Menschen mit anderen Behinderungen treffen werden.
Viele Fragen zu verschiedenen Behinderungsarten werden in diesem Buch spannend und kurzweilig beantwortet, denn selbst behinderte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten berichten über ihre Arbeit, ihre Behinderung und den Umgang damit.
Bemerkenswert ist, dass das therapeutische Personal die eigene Behinderung sehr unterschiedlich in die Psychotherapie einbaut. "In der Arbeit als Psychotherapeutin spielt mein Rollstuhl keine wesentliche Rolle", berichtet Anne Henchen. "Ich sehe keine Notwendigkeit darin, diesen zum Thema meiner Therapien zu machen ...". Christina Heil, blinde Psychotherapeutin, nutzt hingegen das Gespräch über ihre Blindheit, um zum Beispiel dysfunktionale Kognitionen aufzudecken. Bei Klientinnen und Klienten, die erleichtert sind, dass Heil sie nicht sieht, folgert sie, dass diese Personen die Grundannahme haben, "durch Blicke anderer Menschen negativ beurteilt zu werden." "Ich empfinde es für den therapeutischen Prozess und vor allem für die therapeutische Beziehung als sehr wichtig, zu wissen, wie Patienten meine Blindheit erleben."
Thomas Hill, blinder Hypnosetherapeut, möchte anderen Betroffenen und Angehörigen als Modell dienen, weil er zeigen kann, dass es auch mit Blindheit "möglich ist, den Alltag so zu leben, wie es sehende Menschen auch tun".
Das Buch macht auf einen gravierenden Missstand aufmerksam. In ihrem Beitrag führt Heil aus, dass behinderte Menschen häufig beklagen, dass sie gar keine oder nur ungeeignete psychotherapeutische Hilfe erhalten, weil sie von den Fachleuten wegen ihrer Behinderung abgelehnt werden oder sich mit ihrer Behinderung unverstanden fühlen. Heil erläutert, dass sich Therapierende oft nicht zutrauen, behinderte Menschen zu behandeln oder keinen geeigneten Umgang mit diesem Personenkreis finden, weil sie aufgrund mangelnder Erfahrung befürchten, sich falsch zu verhalten und die Patienten "durch ungeschickte Fragen oder Äußerungen zu verletzen, zu beschämen oder zu verärgern". Die Begegnung mit einem behinderten Menschen "kann zu einer Abwehrhaltung führen, um sich vor belastenden Emotionen zu schützen." Heil ergänzt, dass Menschen im therapeutischen Bereich nicht über genügend Fachwissen zu unterschiedlichen Behinderungsarten verfügen. Ihnen fehlen, schreibt Heil, Kenntnisse über deren Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Doch nicht nur für Ratsuchende mit Behinderungen ist es schwer, einen Therapieplatz zu bekommen, auch Therapeutinnen und Therapeuten mit Behinderungen haben es schwer, aufgrund der Vorurteile im Kollegium einen Arbeitsplatz zu finden. ... Eine im Rollstuhl sitzende Psychotherapeutin mit Muskeldystrophie schildert: "Ich konnte es kaum glauben. Nach erfolgreichem Studium, Erlangung meiner Approbation, tadellosen Referenzschreiben und Zeugnissen zweifelten meine Kolleginnen und Kollegen tatsächlich an meiner beruflichen Kompetenz aufgrund meines Rollstuhls."
Auch die Organisationen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe werden sich die Frage stellen müssen, ob ihr Angebot nicht nur für ihre Klientel, sondern für alle Menschen barrierefrei ist. Zwar geht es in dem Buch um psychotherapeutische Angebote, aber Vieles, was im Buch erläutert wird, lässt sich auf andere Settings übertragen. Mein Eindruck nach Lektüre dieses Buches ist leider, dass bei den Organisationen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe noch sehr viel getan werden müsste, damit ihr Angebot auch Menschen mit weiteren Beeinträchtigungen offensteht.
Ich wünsche dem Buch eine große Leserschaft, da es meinen Horizont erweitert hat, weil ich erfahren durfte, wie sich andere Behinderungsarten als meine Blindheit auf das Leben der Betroffenen auswirken und mit welchen Schwierigkeiten sie im Alltag zu kämpfen haben. Das Buch hat mir Mut gemacht, weil es aufzeigt, welche Unterstützung man Menschen mit anderen Behinderungen geben kann, um ihre Umwelt für sie besser zu gestalten.
Früher hätte ich geschrieben, dass hinsichtlich der Barrierefreiheit noch viel Luft nach oben ist. Doch das werde ich künftig nicht mehr tun, denn bei genauer Betrachtung sind die Sprachbilder ziemlich schief und für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen ist eine eindeutige Sprache wichtig.
"Psychotherapie von und für Menschen mit Behinderungen", herausgegeben von Wolfram Dorrmann, Thomas Mösler, Andreas Rose, Sandra Poppek und Johannes Kemper. Psychotherapie-Verlag 2019, ISBN 978-3-86333-104-7 (€ 19,90).
Das Buch ist in den Blindenhörbüchereien erhältlich. In der DBH in Marburg hat es die Bestellnummer 859431.
Die Beiträge einiger der Autorinnen und Autoren sind außerdem im O-Ton als Videomitschnitte zugänglich unter https://www.ivs-nuernberg.de/fachtagung/fachtagung-2016/.
Bild 1: Titelbild des Sammelbandes. Foto: Psychotherapie-Verlag.
Foto: Lesetipp: Die Beiträge von Dipl.-Psych. C. Heil über Ansatzpunkte in der Psychotherapie für Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen sowie die Chancen und Herausforderungen als blinde Verhaltenstherapeutin. Foto: privat [Portraitfoto Dipl.-Psych. Christina Heil.]
Wenn der Boden unter den Füßen wegbricht: Das Trauma der Erkrankung und meine Auseinandersetzung mit ihr
Ich bin 33 Jahre alt und seit Anfang 2016 rechtlich gesehen blind mit einem Sehrest auf dem rechten Auge von zwei Prozent. Mitte 2019 musste mir das linke Auge komplett entfernt werden, so dass ich dort nun eine Glasprothese habe. Auf dem linken Ohr bin ich seit 2019 schwerhörig.
Die Behinderungen entstanden durch meine Grunderkrankung. Ich leide seit meinem 6. Lebensjahr unter dem Stevens-Johnson-Syndrom und der toxischen epidermalen Nekrolyse (TEN) bzw. der Übergangsform, man nennt sie auch die Krankheit der verbrühten Haut. Beides sind schwere allergische Reaktionen auf ein Medikament. Mit 6 Jahren bekam ich aufgrund von hohem Fieber sowie Bronchialproblemen ein Antibiotikum und reagierte darauf im schwersten Maße allergisch. Zu den schweren Folgen gehören u.a. eine ausgedehnte Blasenbildung und das daraufhin großflächige Ablösen der Haut. Außerdem werden die Schleimhäute (z.B. Mund, Augen, Atemwege) stark angegriffen. Ich lag zunächst einige Zeit auf der Intensivstation und insgesamt einen Monat in der Kinderklinik. Direkt im Anschluss wurde ich mehrmals in der Augenklinik der Universität Köln operiert.
An diese Zeit kann ich mich kaum erinnern und habe im letzten halben Jahr viel Aufarbeitungsarbeit geleistet, da ich mich mit allem befassen und mich wieder erinnern will.
Mittlerweile habe ich ca. 50 Operationen hinter mir und leide unter diversen Langzeitfolgen der Grunderkrankung. Dazu gehören u. a. Asthma, chronische Bronchitis, Zahnverluste, Hautprobleme, geschwächtes Immunsystem, Schwerhörigkeit sowie schwere Augenerkrankungen. Bis zu meinem 29. Lebensjahr war ich zunächst sehbehindert und später stark sehbehindert.
Aufgrund der Erkrankung und Operationen waren die Augen nicht mehr in der Lage, Bakterien, Viren oder Pilze abzuwehren, so dass ich ständig unter schweren Entzündungen, Geschwüren und wochenlang anhaltenden starken Augenschmerzen litt. Zum jahrelang schleichenden Sehverlust und meiner stärkeren Lichtempfindlichkeit trägt auch eine Schädigung der Hornhaut durch Wimpern bei, die nach innen wachsen. Sie müssen zweimal wöchentlich gezogen werden.
Den Großteil meines Restsehvermögens verlor ich nach einer schweren Pilzinfektion der Augen 2016. Zwei Jahre später riss die Hornhaut des linken Auges so schlimm, dass es kaum Hoffnung gab, das Auge zu retten, und ich die ständigen Schmerzen auf dem Auge einfach nicht mehr aushielt. Das Auge musste mir 2019 endgültig entfernt werden. Nach einem langen schmerzhaften Prozess erhielt ich eine noch vorläufige Glasprothese.
Obwohl ich die Entscheidung zur Amputation mitgetragen hatte, versetzte mir der Verlust meines linken Auges einen schweren Schlag. Es war schwierig, ein Körperteil zu verlieren - es ist nun nicht mehr da und hinterlässt nur komplette Schwärze.
Der plötzliche Verlust des Auges riss mir erst einmal den Boden unter den Füßen weg und ich war ganz plötzlich komplett hilflos. Bis dahin hatte ich weitestgehend alles selbstständig geregelt, hatte gearbeitet und gerade, Ende 2015, mein Fernstudium begonnen. Bis dato konnte ich noch einigermaßen Schwarzschrift lesen und vieles handschriftlich verfassen. An diese Zeit erinnere ich mich immer sehr schmerzlich zurück. Obwohl ich mich mit allem, was Sehbehinderung und Blindheit betraf, auskannte, da ich mein Abitur auf der blista absolviert hatte, versetzte mich dieser Zustand in Angst.
Ich wusste, dass ich einiges neu Lernen sowie meine Orientierung/Wahrnehmung verändern musste. Alles würde nun viel länger dauern und sich ändern. Ich würde viele Hilfsmittel und ein Mobilitätstraining benötigen. Mein Studium würde nun wesentlich langsamer verlaufen. Darauf musste ich mich einstellen und informierte mich eingehend.
Diese Zeit war sehr schwierig. Aber ich meisterte sie auch mit Unterstützung meines Mannes und meiner Mutter, die mir beide sehr geholfen haben.
Auch meine Augenarztpraxis, in der ich bereits seit 20 Jahren wöchentlich Patientin bin, half und unterstützte mich sehr. Auf dem rechten Auge bekomme ich immer noch ständig Infektionen und Geschwüre, was eine engmaschige Beobachtung und intensive Medikamententherapie erforderlich macht. Wir versuchen den Rest, den ich noch habe, so gut es geht zu schützen.
Ich habe lange Zeit gebraucht, um meinen Alltag wieder "normal" zu strukturieren.
Aufgrund eines gutartigen Tumors verlor ich 2019 außerdem fast mein gesamtes Hörvermögen auf dem linken Ohr. Durch Implantate kann ich zwar etwas hören, bin auf diesem Ohr aber nun schwerhörig und habe einen Tinnitus, welcher vielleicht nicht wieder weggehen wird.
Es war zunächst sehr schwierig, zusätzlich zum geringen Sehrest das verlorene Hörvermögen zu kompensieren. Vor allem mein Orientierungsvermögen wurde auf eine harte Probe gestellt. Denn ich bin viel in Köln unterwegs und es ist eine extreme Herausforderung, mich in den Menschenmassen zu bewegen.
Ich laufe zwar mit dem Blindenstock, fühle mich aber oft sehr unsicher, gerade auf unbekannten Strecken oder auf dem Weg zu meinen Ärzten. Daher ist meine Mutter seit längerer Zeit meine Begleitperson. Damit ich selbstständiger sein kann und mich sicherer fühle, habe ich Anfang 2018 einen Blindenführhund beantragt, der nach langem Kampf jetzt endlich genehmigt wurde. Ich werde meine Hündin Mitte 2020 bekommen.
Als ich im horus den Aufruf las, Beiträge zum Schwerpunktthema einzureichen, war das wie ein Zeichen. Denn ich befasse mich seit einiger Zeit sehr intensiv mit den Themen Vergessen, Erinnern und Verarbeiten. Ich habe schon einige Therapien gemacht, jedoch erst 2019 den Mut gefasst, mich mit meiner Biografie bzw. Erkrankung tiefergehend auseinanderzusetzen, vor allem mit dem Trauma der Erkrankung. Ende letzten Jahres habe ich begonnen, meine Autobiografie zu schreiben, um vieles Stück für Stück zu erinnern und zu verarbeiten. Zudem möchte ich auch Aktuelles, das mir in den letzten Jahren widerfahren ist, so aufarbeiten. Wenn möglich, möchte ich dies gerne irgendwann als Buch veröffentlichen.
Ich habe nie aufgegeben oder die Hoffnung verloren. Trotzdem gibt es manchmal Zeiten, in denen ich traurig bin, etwas nicht machen zu können. Ich vermisse es zum Beispiel sehr, Bücher zu lesen. Ich habe es geliebt, mich in einer gemütlichen Ecke in ein Buch zu vertiefen und dessen Geruch einzuatmen. Das kann mir ein Hörbuch nun mal leider nicht bieten. Zudem war es mir aufgrund meiner Erkrankung, den vielen Operationen, Krankenhausaufenthalten und der Behinderung nie möglich, meinen Lebenslauf so zu gestalten, wie ich es mir "erträumt" hatte. Ich musste und muss um vieles wesentlich härter kämpfen. Mein Studium an der Apollon Hochschule werde ich hoffentlich dieses Jahr abschließen, um in Zukunft ein einigermaßen "normales" Arbeitsleben führen zu können.
Was für mich aber u.a. am schwierigsten war und ist: Ich habe ein großes Maß meiner Selbstständigkeit verloren und werde diese auch nie wieder in der Art zurück erhalten. Aber ich bin sehr dankbar, dass mir zukünftig meine Hündin die Möglichkeit geben wird, ein Stück meiner Selbstständigkeit zurück zu erobern.
Zudem finde ich es sehr schade und schwierig, wie man oft in der Öffentlichkeit wahrgenommen, behandelt und in eine Schublade gesteckt wird. Ich habe in der Vergangenheit einige Situationen erlebt, die mich fassungslos machten.
Ich versuche, wenn möglich die Menschen über Sehbehinderung/Blindheit aufzuklären und ihnen zu zeigen, wie sie besser damit umgehen oder Hilfe leisten können. Diese Intention verfolge ich ebenfalls in meiner Autobiografie. Ich möchte ein anderes Bild vermitteln und zeigen, dass "nur", weil man krank und/oder behindert ist, das Leben nicht weniger wert/lebenswert ist. Oder, wie manche Menschen oft denken, man todunglücklich nur in seinen vier Wänden hockt. Gerade diese negativen Bilder möchte ich bei so vielen Menschen wie möglich verbessern.
Ein blinder Mensch hat genauso das Recht und Bedürfnis, sich schön zu machen, zu fühlen, sich "gut" zu kleiden oder als Frau zu schminken. Es sollte kein typisches, charakteristisches oder stigmatisierendes Bild von behinderten Menschen geben, das aber leider oft in der Öffentlichkeit noch besteht. Es gibt nicht "den" Blinden/Behinderten. Jeder Mensch mit Behinderung ist individuell und hat seine eigene Geschichte und eigenes Schicksal. Jeder geht anders mit seinem Leben und dessen Gestaltungsmöglichkeiten um.
Ich betreue u.a. Kommilitonen*innen mit Einschränkungen zu Beginn und während des Studiums. Ich versuche, ihnen den Einstieg zu erleichtern und/oder sie bei Schwierigkeiten oder Fragen zur Behinderung im Studium zu unterstützen. Zudem fungiere ich gemeinsam mit dem Studienservice als Ansprechpartnerin für Studierende mit Behinderung/Erkrankung bei Fragen rund um das Thema Nachteilsausgleich oder bezüglich Studium und Einschränkung.
Ich versuche, mein Leben so gut wie mir nur möglich zu gestalten und mit meiner Situation bestmöglich umzugehen und möchte andere Betroffene im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen. Ich bin sehr dankbar für das wenige Restsehvermögen, sowie für alles, was ich noch "sehen/wahrnehmen" kann.
Ich würde gerne jedem, der ein ähnliches Schicksal erfahren muss, Mut machen und ihm oder ihr sagen, dass es trotz allem so viel Lebenswertes im Leben gibt.
Zur Autorin
Gina Gipperich studiert Angewandte Psychologie mit dem Ziel B. SC. (https://apollon-erfahrungen.de/erfolgsgeschichten/gipperich/). Vor ihrem Studium hat sie eine Ausbildung als Heilpraktikerin Psychotherapie und als Entspannungstrainerin absolviert und war als Kursleiterin im Bereich Stressmanagement und Entspannung tätig.
Abb.: Weiter sehen trotz Sinnesbehinderungen - Betroffene ermutigen dazu. Abbildung: pixabay [Abstrakte Grafik eines Auges in poppigen Farben. An der rot-grünen Pupille fehlt schräg untern rechts ein kleiner Halbkreis]
Autorinnenfoto: Gina Gipperich. Foto: privat [Gina Gipperich trägt lange rote Haare und einen weißen Rollkragenpulli. Sie lächelt fröhlich.]
Was macht es mit uns, dass wir immer noch besser sein müssen als die anderen?
Als Frühchen von Krankenhaus zu Krankenhaus (im Jahre 1970 natürlich ohne Eltern), dann mit 6 Jahren ins Internat (inklusive Beschulung war damals noch völlig undenkbar) - und dann von Beginn an für alles allein die Verantwortung tragen (Hausaufgaben, selbstständig werden, sich in einer Gruppe behaupten) ... Wie wird man groß und selbstbewusst ohne Rückmeldung durch Erwachsene, denen man vertraut? Was passiert, wenn schon im ersten Lebensjahr keine sicheren Bindungen geknüpft werden können?
Ich habe es geschafft und bin erwachsen geworden. Ich arbeite heute im öffentlichen Dienst als Beraterin für blinde und sehbehinderte Menschen und freiberuflich in meiner Praxis für Ernährungsberatung und Persönlichkeitsentwicklung.
Viele Jahre lang dachte ich, das alles unbeschadet überstanden zu haben, bis ich im Jahre 2016 meine Stimme verloren habe.
Die Ursachen einer Stimmerkrankung können sehr vielfältig sein. Neben Zwangshaltungen, die aus der Blindheit resultieren, musste ich im Laufe meiner Stimmtherapie auch erkennen, dass ich Erfahrungen und Erlebnisse aus meiner Internatszeit abgekapselt hatte. Ich hatte sie mit mir herumgetragen und ignoriert.
Nachdem ich dann nach einer Stimmbandoperation nach mehreren Therapiestunden mit Sprech- und Atemübungen nicht wirklich erfolgreich war, hat die Therapeutin begonnen, mit mir psychotherapeutisch zu arbeiten. Noch heute bin ich überrascht darüber, was ich im Rahmen der Therapie über mich und meine Vergangenheit gelernt habe.
Durch die therapeutische Arbeit sind viele Ereignisse und Erlebnisse an die Oberfläche gekommen, über die ich nie mit neutralen Personen habe sprechen können. Wenn ich meinen Eltern vom Internat erzählt habe, bekam ich oft die Rückmeldung "So schlimm kann es doch gar nicht sein!". Als ich mal erzählen wollte, was es im Alltag bedeutet, blind klar zu kommen, sagte man mir: "Du kannst ja viel erzählen, aber wir können es nicht wirklich verstehen". Stimmt aus Sicht der Sehenden natürlich - macht es für die Betroffenen aber nicht wirklich leichter und besser.
Dann habe ich es doch lieber gelassen und meine Konflikte und Sorgen mit mir selbst ausgemacht.
Bis - ja - bis sich in mir alles so angestaut hatte, dass ich keine Worte mehr finden konnte. An der Stelle, wo andere vielleicht ein Magengeschwür bekommen, oder ein anderes Krankheitsbild entwickelt hätten, kam bei mir die Stimmerkrankung.
Viele ehemalige Internatsschüler berichten von Repressalien und Traumatisierungen, die sie durch altmodische pädagogische Ansätze sowie durch die Notwendigkeit erfahren haben, dass seinerzeit keine wohnortnahe Beschulung möglich war.
Diese Internatserfahrungen haben für viele Menschen schon in der Schule dazu geführt, dass sie falsch eingeschätzt und eingestuft wurden und somit ihr Leben lang unter ihren Möglichkeiten gelebt und gearbeitet haben.
Ich habe für mich festgestellt, und sicher trifft das auch auf viele weitere blinde und sehbehinderte Menschen zu, dass wir alle in Bezug auf Schule und Hilfsmittelbedienung sowie Mobilität und LPF fit gemacht werden, der Bereich der Persönlichkeitsentwicklung aber kaum Beachtung findet.
Wo stehen wir?
Wie ist unsere Position im Vergleich zu Menschen ohne offenkundige Behinderung? Was macht es mit uns, dass wir immer noch besser sein müssen als die anderen? Müssen wir überhaupt besser sein?
Könnte unsere Sehschädigung nicht auch etwas sein, was uns eine Stärke und Kompetenz verleiht, die die anderen nicht haben?
Leider findet die Bearbeitung dieser Fragen in Schule und Berufsausbildung kaum statt. Später dann, im Arbeitsleben, wenn man überhaupt einen Arbeitsplatz gefunden hat, ist man mit der Kompensation der Sehschädigung völlig ausgelastet.
Aus meiner eigenen Erfahrung möchte ich alle Leserinnen und Leser ermutigen, selbst Fürsorge zu betreiben und sich neben aller Reha und Alltagsanforderung auch Zeit für sich selbst zu nehmen.
Negative Glaubenssätze abzulegen, die uns das Leben eingepflanzt hat, lässt uns wachsen und der Welt und dem Leben mit mehr Selbstbewusstsein und gelassener Haltung entgegentreten. Wenn wir uns selbst mehr lieben, was nicht mit Egoismus gleichzusetzen ist, und wenn wir uns klar machen, dass wir so, wie wir sind, richtig sind und unseren Platz in der Gesellschaft haben, dann werden Barrieren nicht verschwinden und es wird noch genug Menschen geben, die an unseren Fähigkeiten und Fertigkeiten zweifeln. Es wird aber leichter werden, diese Dinge auszuhalten und der Umwelt zu signalisieren, dass wir alles mitbringen, um dem Alltag Standzuhalten.
Wenn Sie das Gefühl haben, nicht genug zu leisten, den Anforderungen nicht entsprechen zu können, oder wenn Sie den Eindruck haben, dass niemand Ihnen etwas zutraut, dann ist es Zeit für eine Maßnahme im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Ich möchte allen, die so etwas spüren, Mut machen, sich einen Coach oder Psychologen zu suchen, um zu einer besseren inneren Haltung zu kommen und sich zu entlasten.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es schwer fällt, sich Schwächen einzugestehen und zur Bewältigung professionelle Hilfe anzunehmen. Mich überkam auch immer wieder das Gefühl, dass ich das nur wegen meiner Behinderung brauche.
Aber seitdem ich mich ausführlich mit diesen Themen beschäftige, ist mir deutlich geworden, dass viele Menschen in der heutigen Zeit Coachings oder Therapien besuchen, entweder um wieder gesund, oder besser gar nicht erst krank zu werden.
Auch wenn es schmerzhaft sein kann, die Vergangenheit nochmals aufleben zu lassen, kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass ich keine Sitzung bereue. Ich habe gelernt, mich zu positionieren, mich nicht mehr zu überlasten und konnte so meine Teilhabemöglichkeiten um ein vielfaches verbessern.
Ich wünsche Ihnen allen, dass auch Sie diese Erfahrung machen dürfen.
Zur Autorin
Nina Schweppe ist seit 2001 als Sozialpädagogin im Hamburger Beratungszentrum Sehen, Hören, Bewegen, Sprechen schwerpunktmäßig für Blinde und sehbehinderte Menschen tätig.
Barrierefreie Beratung ist für sie ein zentraler Aspekt, den die 50-Jährige auch als zertifizierte Ernährungsberaterin in ihrer eignen Praxis, die sie seit 2017 unterhält, umsetzt (www.beb-schweppe.de, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon 040 94996747).
Foto: Zeit für sich selbst nehmen, wieder Aufatmen und die eigene Stimme finden sind für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Foto: pixabay. [Eine Frau steht am Strand und breitet ihre Arme zum blauen Meer hin weit aus. Ein Schwarm Möwen fliegt über die Uferwellen.]
Autorinnenfoto: Nina Schweppe. Foto: privat [Nina Schweppe hat kurze rot-braune Haare und eine Brille. Sie trägt ein orangefarbenes Schultertuch.]
Beruf, Bildung und Wissenschaft
blista und DVBS zeichnen Prof. Dr. Wolfgang Seitter mit Carl-Strehl-Plakette aus
Im Rahmen der 83. Mitgliederversammlung der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) überreichten Ursula Weber, die erste Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS), und Bernd Höhmann, der Vorsitzende des blista-Verwaltungsrats, die Carl-Strehl-Plakette an Prof. Dr. Wolfgang Seitter von der Philipps-Universität Marburg.
"Prof. Seitter hat seit zwölf Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Philipps-Universität zu einem aktiven Standort bei Qualifikation, Lehre und Forschung zum Thema "Sehen" in Deutschland entwickelt", begründete blista-Direktor Claus Duncker die Auszeichnung und führte in seiner Laudatio aus: "Durch unsere einzigartige Kooperation ist Marburg zu einem der wichtigsten Kompetenzzentren in der Pädagogik und Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen in Deutschland geworden."
Zusätzlich zu mehreren wichtigen Forschungsprojekten im Kontext von Sehbehinderung und Blindheit sowie Inklusion zählen neu entwickelte Qualifizierungsangebote wie der Zertifikatskurs "Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung", kurz "GRIP-BS" und der Masterstudiengang "Blinden- und Sehbehindertenpädagogik" zu den Angeboten der Philipps-Universität in Kooperation mit der blista. Seit 2010 konnte etwa ein Drittel der Gymnasiallehrerinnen und -lehrer der Carl-Strehl-Schule mit dem Masterstudiengang eine zusätzliche Lehrbefähigung für den Förderschwerpunkt "Sehen" erwerben.
Gemeinsam ehren blista und DVBS mit der Carl-Strehl-Plakette Persönlichkeiten, die ganz besondere Verdienste um Menschen mit Seheinschränkungen erworben haben. Die Auszeichnung soll zugleich an das Lebenswerk des Mitbegründers beider Vereine erinnern.
Die Auszeichnung ist mit keiner materiellen Zuwendung verbunden, sie soll laut Vergabeordnung "... ihren Wert vielmehr durch die sorgfältige Auswahl der zu Ehrenden erhalten (...)".
Unter www.blista.de/carl-strehl-plakette werden die Preisträger und Preisträgerinnen mit der jeweiligen Laudatio aufgeführt.
Foto 1: Bernd Höhmann (links) und Ursula Weber (rechts) überreichen Plakette und Urkunde an Prof. Dr. Wolfgang Seitter (mitte). Foto: blista
Foto 2: Die Carl-Strehl-Plakette zeigt das Profil des gleichnamigen Mitbegründers der blista. Foto: blista
Blinde im Sozial- und Erziehungsdienst: Nur Mut!
Einleitung
Ich habe im Sozial- und Erziehungsdienst gearbeitet, allerdings nicht mit Kindern, sondern mit erwachsenen Menschen mit kognitiven Einschränkungen, und möchte von meinen Erfahrungen berichten. Vielleicht kann mein ungewöhnlicher Entwicklungsweg dazu beitragen, dass sich mehr Menschen mit Seheinschränkungen zu einer Ausbildung in einem pädagogischen Beruf entschließen, selbst wenn Hindernisse, z. B. seitens der Arbeitsverwaltung, auftauchen. Denn schließlich mangelt es nicht an Arbeit, sondern an zeitgemäßen Berufen für Menschen mit Seheinschränkung und an Institutionen mit innovativem Denken.
Ich nutze im Folgenden zur Unterscheidung Begriffe wie "niedere Bildung" und "höhere Bildung" oder auch "subalterne Berufe". Hierdurch soll sich bitte niemand diskriminiert fühlen, denn mein Ziel ist es, Berufsperspektiven aufzuzeigen und dazu beizutragen, mutig den eigenen Weg einzuschlagen. Auch wenn ich die maskuline Form anwende, sind Frauen und Menschen mit anderen Identitäten gleichwertig mit gemeint.
Nach der Einleitung schildere ich in Punkt I meinen beruflichen Werdegang. Unter II. stelle ich den Betrieb, in dem ich arbeite, und seine Klientel dar. Unter III. kristallisiere ich die eigenen Ressourcen und die nötige Fremdhilfe heraus, die erforderlich sind, um die beruflichen Anforderungen im Sozial- und Erziehungsdienst zu erfüllen. Abschließend fasse ich den Text zusammen und wage einen Ausblick.
I. Mein Weg in den Beruf
Ich habe eine Blindenschule in Nordrhein-Westfalen besucht, erfolgreich beendet und den Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters erlernt. Nach zehn Jahren Schule wollte ich damals einen praktischen Beruf erlernen. Es fehlte mir an eigener und äußerer Motivation, um im Bildungssystem zu bleiben und zu studieren.
Das Studieren wurde Blinden von Mitarbeitern der öffentlichen Arbeitsverwaltung schon seit jeher ausgeredet. Bevorzugt angeboten werden hingegen subalterne Berufe, wozu auch der Masseur und der medizinische Bademeister gehören. Die wahre Subalternität wird durch einen Blick in die Berufsgesetzgebung und die Gehaltstabellen deutlich: Der Masseurberuf ist erst seit 1994 ein anerkannter Fachberuf, vorher hatte er den Status eines "Heil-Hilfsberufes", also eher einen "Hilfsarbeiterstatus". Subalterne Berufe werden von der öffentlichen Arbeitsverwaltung für Blinde glorifiziert und überhöht dargestellt. Mir fehlten damals jedoch das Wissen und die Erfahrung, um die Darstellung der öffentlichen Arbeitsverwaltung als einen Weg in eine Sackgasse zu erkennen.
In den Jahren nach der Ausbildung arbeitete ich in einem Krankenhaus und einigen medizinischen Massagepraxen, ohne dass ich in der Zeit einen festen Arbeitsvertrag hatte. Einige Male musste ich mich arbeitslos melden.
Kollegen, die nicht arbeitslos waren, zeigten mir zunehmend und unverhohlen ihre tiefe Unzufriedenheit mit dem Beruf: Die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten fehlen, die finanzielle Zukunft sieht entsprechend schlecht aus.
Ich verzichtete diesmal darauf, mich in dieser Situation an eine Berufsberatung zu wenden. Jetzt musste für mich eine Lösung her, koste es, was es wolle. Ich beschloss, das Problem selbst anzugehen. Finanziell gestützt durch den erlernten Beruf und das Blindengeld, begann ich meine Weiterbildung. An einem Regelschulbetrieb legte ich im Alter von 28 Jahren auf dem zweiten Bildungsweg das Fachabitur Sozial- und Gesundheitswesen ab. Danach studierte ich an der Katholischen Fachhochschule NRW, heute KatHO, in Köln Sozialarbeit und schloss ein berufsbegleitendes Magister-Studium an der FU Hagen in den Fächern Soziologie und Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Rehabilitations- und Sonderpädagogik an. Ich wurde zur Promotion in Soziologie zugelassen und warte momentan auf einen Termin zur Disputation meiner Doktorarbeit.
Bevor die staatliche Anerkennung für den Beruf des Diplom-Sozialarbeiters erteilt wurde, musste ich ein Anerkennungsjahr absolvieren. Ich leistete es bei einer Landesorganisation ab und arbeitete das erste halbe Jahr in einem Heilpädagogischen Zentrum (HPZ), die letzten sechs Monate auf einer Drogenentgiftungsstation einer psychiatrischen Klinik.
Gegen Ende des Anerkennungsjahres bewarb ich mich und erhielt eine unbefristete Festanstellung im HPZ, das ich aus dem Anerkennungsjahr kannte. Sechs Wochen nach Ausbildungsende konnte ich beginnen. Die Stelle verhalf mir zu einem Einkommen, das netto ungefähr dreimal höher als das eines Masseurs war. Die Beratungsleistung der öffentlichen Arbeitsverwaltung von damals offenbarte damit erneut ihre tiefgreifende Unzulänglichkeit.
Ich wurde im "Sozial- und Erziehungsdienst" eingesetzt. Die Klientel bestand aus erwachsenen Menschen mit kognitiven Einschränkungen, später kamen auch Menschen mit weiteren Behinderungen hinzu. Zu meinen Aufgaben gehörten die Beratung von Klientinnen und Klienten sowie Angehörigen, die mit der Tätigkeit verbundene Verwaltungsarbeit und die Planung und Durchführung vorwiegend pädagogischer Projekte. Aufgabe des HPZ ist es, eine Tagesstruktur anzubieten und Betroffene auf eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) vorzubereiten. Auch Rentner werden mit einer Tagesstruktur versorgt.
Als das HPZ einige Jahre später in eine Nachbarstadt verlegt wurde, ging ich mit. Nach einigen Jahren bewarb ich mich in ein anderes Dezernat, wurde Fallmanager und vertrete jetzt die Seite des Kostenträgers. Ich wollte den Wechsel, weil die neue Stelle näher an meinem Wohnort liegt und die Fahrtzeit deutlich kürzer ist.
II. Der Betrieb und dessen Klientel
Die Landesorganisation - mein Arbeitgeber - ist für unterschiedliche, vorwiegend soziale Angelegenheiten zuständig. Sie ist der Kostenträger für Einrichtungen im Kinder- und Jugendhilfebereich. Sie bietet Hilfen in den Bereichen Inklusion, Rehabilitation, Sozialhilfe und für behinderte Menschen an. Außerdem gehört das Amt für Boden- und Denkmalpflege dazu.
Dem Dezernat, in dem ich damals begann, sind die psychiatrischen Kliniken und die Heilpädagogischen Heime unterstellt. Heilpädagogische Heime dienen der Wohnhilfe und Förderung erwachsener Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Sie sind infolge der Psychiatriereform entstanden, so dass Menschen mit kognitiven Einschränkungen aus psychiatrischen Kliniken entlassen und in eigenen Wohn- und Fördereinrichtungen speziell begleitet werden. Wohnen und Arbeit bilden die Tagesstruktur, die in Wohnheimen und Werkstätten stattfindet.
Für Menschen, die noch nicht so weit sind, dass sie in einer WfbM leben können, gibt es unterschwellige Angebote, wie die Heilpädagogischen Zentren (HPZ). Ich bezeichne die HPZs auch als die "Volkshochschulen" der Heilpädagogischen Heime, weil dort neben anderem auch Bildungsarbeit geleistet wird.
In den Heilpädagogischen Heimen werden vorwiegend Erwachsene mit geistigen Behinderungen gefördert. Die Klientel weist jedoch auch Mehrfachdiagnosen auf, wie etwa körperliche, psychische oder Sinnesbehinderungen. Auch schwerstmehrfachbehinderte Bewohner gehören dazu. In der praktischen Arbeit bedeutet dies, dass eine verbale Kommunikation mit den Menschen möglich ist, die eine leichte geistige Behinderung haben, mit den schwersteingeschränkten Menschen meistens aber nicht. Hier sind Betreuer auf Blickkontakte, Lautieren oder andere Signale eines Klienten angewiesen.
III. Persönliche Voraussetzungen und die nötige Fremdunterstützung
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Hat ein Mensch mit Seheinschränkung keine weiteren wesentlichen Behinderungen, verfügt er über eine durchschnittliche Intelligenz, eine gute blindentechnische Grundausbildung, mindestens die mittlere Reife, soziale und kommunikative Kompetenzen, traut er sich etwas zu, plant er sein Leben strategisch bzw. taktisch, hat er gelernt, sein gestecktes Ziel kleinschrittig zu erreichen, hat er einen langen Atem, steckt Rückschläge weg und lässt sich nicht beirren, so hat er gute Chancen, auch in den für deutsche Verhältnisse sogenannten untypischen Blindenberufen Fuß zu fassen.
Eine gute Orientierung und Mobilität sowie lebenspraktische Fähigkeiten sind absolut wichtig.
Leider wird in der Blindenbildung gerade das unterschätzt. Die Methoden müssen wesentlich früher gelehrt und eingesetzt werden, was zu früherem und höherem Selbstbewusstsein führt und der Reifung der Persönlichkeit dient.
Ich musste beispielsweise für Weiterbildungen und berufliche Tätigkeiten oft längere Strecken, stellenweise bis zu 50 km, zurücklegen.
Wer als selbst Betroffener in unbekanntes Land vorstößt, sollte sich nicht auf den "warmen Stein setzen" und warten, bis er dort abgeholt wird.
Neben den üblichen blindentechnischen Ausstattungen war für mich damals auch die Zusammensetzung des Kollegenteams entscheidend. Es bestand aus zwei Diplompädagogen, Heilerziehungspflegern, Erziehern, Zivildienstleistenden und Hilfskräften, sodass ich bei Bastelangeboten oder Ausflügen Kollegen um Unterstützung bitten konnte. Ich war nicht auf Assistenz angewiesen, wie sie von der Hauptfürsorgestelle oder dem heutigen Amt für Inklusion finanziert wird. Außerdem unterhält mein Arbeitgeber einen Fuhrpark mit unterschiedlich großen Bussen, sodass Ausflüge in die weitere Umgebung möglich sind.
Ferner sollte man bezüglich Hilfe und Unterstützung die Aktivität der Klientel nicht unterschätzen. Sie unterstützten durch ihre Handreichungen sowohl mich, aber auch andere, z. B. schwächere Klienten.
Ähnliches kann ich mir bei der Arbeit mit Kindern in einer Kindertagesstätte durchaus vorstellen. Wer im Kindergarten arbeitet, wird außerdem einen blindentechnischen Arbeitsplatz mit Assistenz finanziert bekommen und innerhalb der Organisation Unterstützung durch Kollegen mit Fachausbildung oder Hilfskräfte haben.
Kreativ werden!
Für meine Projekte habe ich meist mehrere Komponenten eingesetzt, um Sachverhalte zu erläutern. Dazu gehörten beispielsweise Kurzvorträge, Filmvorführungen oder ähnliche Darstellungsformen sowie Ausflüge.
Bei den Bastelangeboten habe ich Modelle bevorzugt, die sowohl eine dreidimensionale als auch haptische Erfahrung ermöglichen. Das Erstellen von Modellen hatte ich aus der Blindenpädagogik übernommen und damit großes Interesse bei der Klientel hervorgerufen, weil das für sie etwas völlig neues war.
Zusammenfassung und Ausblick
Meiner Erfahrung nach ähneln Arbeitsämter "hilflosen Helfern". Ratsuchenden Behinderten wurden Berufe empfohlen und Ausbildungen oder Umschulungen finanziert, die sich nach erfolgreicher Beendigung der Maßnahme für den Arbeitsmarkt als unbrauchbar erwiesen haben. Auf der anderen Seite haben Arbeitsämter Betroffenen mit Nachdruck Berufe ausgeredet, die sich als Volltreffer bei der beruflichen Integration entwickelt haben.
Mein eigenes Beispiel zeigt das umfänglich. Auch mir wurden sogenannte klassische Blindenberufe vorgeschlagen, die es heute nicht mehr gibt. Für mich stellt sich die Frage, ob die Berufe jemals attraktiv waren.
Ferner spielt es eine Rolle, in welcher Region das Arbeitsamt des Ratsuchenden liegt. Gibt es in der Region keine Einrichtung der Blindenbildung, werden die Mitarbeiter eher wenig anbieten können. Es fehlt fachlich die Nähe zu den Problemen behinderter Menschen am ersten Arbeitsmarkt. Entsprechend mager sind die Beratung und das Angebot.
Es gibt Fälle von Betroffenen mit einem Bildungsabschluss unterhalb der mittleren Reife, die auf den dritten Arbeitsmarkt abgeschoben werden - um die Vermittlungsbilanz zu schönen? Wer zur öffentlichen Arbeitsverwaltung geht, sollte meiner Meinung nach einen eigenen Willen, die Bereitschaft zu Widerspruch, Durchsetzungsfähigkeit und einen Anwalt mitbringen.
Wenn ich meine persönlichen Erfahrungen als Behinderter mit denen anderer Behinderter, die ich kenne, zusammenfasse, entsteht leider Gottes der Eindruck, dass Deutschland bei weitem nicht so progressiv ist, wie es sich selbst gerne darstellt. Ganz objektiv betrachtet zeigt sich ein signifikanter Nachholbedarf, vor allem was das Verständnis in der Gesellschaft zur Teilhabe am selbstbestimmten Leben anbetrifft. Bei der Entwicklung individueller Profile - diese, und nur diese helfen! - liegen anglo-amerikanische Gesellschaften vorne. Die Niederlande spielen sowieso in einer ganz anderen Liga und sollten meiner Auffassung nach endlich als richtunggebend ernsthaft wahrgenommen werden.
In der Bundesrepublik werden Hilfeleistungen von Behörden bzw. Ämtern verwaltet. Das trägt dazu bei, dass individuelle Profile verloren gehen. Wenn sich aber Ämter als Bremsklötze individueller Entwicklungen erweisen - was sie häufig tun -, könnte auch über eine private Finanzierung von Hilfe nachgedacht werden, wie beispielsweise Spenden.
Es wäre gut, wenn die Lebenswelt Betroffener in der Bundesrepublik regelmäßig wissenschaftlich untersucht würde, um sie mit anderen westlichen Ländern zu vergleichen und das deutsche System auf den Prüfstand zu stellen - so, wie es die OECD-Studien beispielsweise im Bereich Bildung tun.
Schön wäre es auch, wenn mein Text eine Diskussion eröffnet und ein "Think Tank" entsteht, der im Blindenbereich sehr notwendig ist.
Abbildung: Tipp: Beim Weg in den Beruf den eigenen Wünschen folgen! Abb.: pixabay [Zeichnung einer jungen Frau mit dunklen, langen Haaren, die auf dem Boden sitzt und Stift und Block in den Händen hält. Sie blickt nach rechts oben, wo in einer runden Blase "Your Dream" zu lesen ist.]
Recht
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV)
Verbandsklagen-Checkliste veröffentlicht
Um die Benachteiligung behinderter Menschen zu verhindern und Barrierefreiheit voranzubringen, gibt es eine ganze Reihe von Regelungen, die man unter anderem in den Gleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern findet. Weil jedoch der einzelne behinderte Mensch oft nicht in der Lage ist, seine Rechte durchzusetzen, gibt es seit vielen Jahren die Möglichkeit, mit einer Verbandsklage gegen Barrieren und Diskriminierung zu kämpfen. Leider wurde dieses Mittel von den Verbänden bisher selten genutzt.
Der DBSV startete deshalb im Januar 2017 gemeinsam mit der Rechtsberatungsgesellschaft "Rechte behinderter Menschen" (rbm) ein behinderungsübergreifendes Verbandsklage-Projekt (www.dbsv.org/verbandsklageprojekt.html). Mit Förderung der Aktion Mensch wurden Selbsthilfeverbände zum Verbandsklagerecht informiert, beraten und gecoacht.
Am 15. November 2019 fand in Berlin der Abschlussworkshop statt. Das Projektteam zog Bilanz und stellte als eines der Arbeitsergebnisse eine Checkliste vor. Behindertenorganisationen können damit zu einer ersten Einschätzung kommen, ob in einem konkreten Fall eine Verbandsklage sinnvoll ist und was es dann zu beachten gilt.
Die Verbandsklagen-Checkliste finden Sie unter folgendem Link: https://www.dbsv.org/files/blindheit-sehbehinderung/beratung-reha/rechtliches/checkliste-verbandsklagen.pdf
Angehörigen-Entlastungsgesetz zum 1.1.2020 in Kraft
Das Gesetz vom 10.12.2019 (BGBl. I. S. 2135) enthält drei zentrale Regelungen, die für Menschen mit Beeinträchtigungen relevant sind. Eine betrifft die durch das Bundesteilhabegesetz neu eingeführte Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Während sie bislang nur befristet war, wird sie nunmehr über das Jahr 2022 hinaus finanziert und damit zu einem Regelangebot für Menschen mit Beeinträchtigungen, was auch für unsere Verbände relevant ist.
Eine zweite besonders für die Arbeitswelt bedeutsame Verbesserung stellt klar, dass es sich bei der Bewilligung von Arbeitsplatzassistenz nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, sondern hierauf konkret ein Rechtsanspruch besteht (§ 185 Abs. 5 Satz 2 SGB IX), wobei Streit über dessen Höhe im Einzelfall natürlich nicht prinzipiell ausgeschlossen ist.
Schließlich beseitigt das neue Gesetz, wie schon sein Name sagt, Härten für Angehörige von Menschen mit Sozialhilfeansprüchen. Diese werden jetzt in aller Regel nicht mehr auf Erstattung von Leistungen des Sozialamtes herangezogen werden. Damit darf das Sozialamt auf das Einkommen volljähriger Kinder, deren Eltern Sozialhilfe, z. B. zur Deckung ihrer Pflegekosten oder auch in Form der Blindenhilfe erhalten, erst dann zurückgreifen, wenn deren Bruttoeinkommen jeweils 100.000 Euro übersteigt. Umgekehrt gilt dies auch für Eltern von volljährigen sozialhilfebedürftigen Kindern. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Behörden ein Einkommen über der Schwelle vermuten, müssen Betroffene ihr Einkommen offenlegen. Erhält man als volljähriger behinderter Mensch Eingliederungshilfeleistungen, wird auf das Einkommen und Vermögen der Angehörigen künftig gar nicht mehr zurückgegriffen.
Zeitweise hatte es den Anschein, als ob der Bundesrat den Änderungen wegen Bedenken der Länder und Gemeinden nicht zustimmen würde. Nicht zuletzt auf Druck der Verbände behinderter Menschen konnte jedoch die Verabschiedung in dem geschilderten Umfang erreicht werden.
Häufige Fragen zum Angehörigen-Entlastungsgesetz werden auf der Webseite des BMAS beantwortet.
Barrierefreiheit und Mobilität
Sonar im Gaumen
Manche Blinde verfügen über erstaunliche Fähigkeiten, sich anhand selbst erzeugter Töne und ihrer Echos zu orientieren. In Deutschland ist diese Methode noch wenig verbreitet - obwohl Studien zeigen, wie gut sie funktioniert.
Sein Lieblingssport? "Fußball", sagt Jason ohne zu zögern. "Fußball macht Spaß." Er überlegt kurz. Seine braunen Augen irren in die Ferne. "Und Judo", ergänzt er dann. Er lässt seinen Langstock von links nach rechts pendeln und geht etwas schneller. "Judo ist insgesamt sehr beliebt an der Schule." Warum das so ist? Er zuckt mit den Achseln. "Vielleicht, weil man dafür nicht sehen können muss."
Die Sonne hat an diesem Spätherbsttag in Marburg keine Chance. Das wenige Licht, das durch die graue Wolkendecke auf das Gelände der deutschen Blindenstudienanstalt blista fällt, wirft keine Schatten. Ein paar hundert Meter entfernt erhebt sich das Landgrafenschloss imposant über die Altstadt. Jason bleibt dieser Anblick verschlossen: Er ist blind. Kurz nach seiner Geburt verlor der Zwölfjährige sein Augenlicht. Viele seiner Klassenkameraden können zumindest noch Helligkeitsunterschiede oder Schemen erkennen. Bei ihm ist das anders. Solange er zurückdenken kann, umgibt ihn pechschwarze Nacht.
Beim Kicken ist das kein großes Problem - in den Ball sind Rasseln eingenäht; er klingt daher so etwa wie der Schellenring einer Samba-Kombo. Denn wenn das Augenlicht fehlt, werden Geräusche für die Orientierung umso wichtiger: das "Tack - Tack - Tack" der Ampel. Das schnelle Piepen, wenn sie auf grün schaltet. Schlagende Türen. Sich nähernde Schritte. Stimmen. Raschelndes Laub. Ein Ort ohne Geräusche ist dagegen doppelt dunkel: ein schwarzes Loch.
Jason wird langsamer. Seit anderthalb Jahren besucht er nun die Carl-Strehl-Schule der blista. Die meisten Wege auf dem Internats-Gelände kennt er inzwischen in- und auswendig. Hier am Oberstufen-Gebäude ist er allerdings erst selten gewesen. Er öffnet den Mund und stößt eine Serie kurzer Klicklaute aus. Dann ertastet er die Tür und öffnet sie.
Das Klicken ist gewissermaßen Jasons Taschenlampe. Kein gleißender LED-Strahler, das nicht. Eher eine trübe Funzel, die nur Schemen hervortreten lässt. Aber immerhin: Mit Hilfe seiner Zungenschnalzer verschafft er sich eine grobe Vorstellung davon, was sich vor oder neben ihm befindet: Eine Wand. Ein Durchgang. Ein Auto. Wie er das weiß, kann er selbst nicht so ganz genau erklären. "Je nach Umgebung gibt es mehr oder weniger Schall", sagt er vage.
Dass Sehbehinderte sich anhand von Echos orientieren, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Allerdings machen sie das meist mehr oder weniger unbewusst: Die eigenen Schritte hallen in großen Räumen stärker als in kleinen; das schleifende Geräusch des Langstocks klingt in der Nähe einer Mauer anders als auf einem breiten Weg. Der reflektierte Schall liefert ihnen so wichtige Hinweise darauf, wo sie sich gerade befinden.
Fledermäuse nutzen diese Informationsquelle sehr gezielt. Der US-amerikanische Zoologe Donald R. Griffin hatte bereits in den 1930er Jahren erkannt, dass sie dazu Ultraschall-Pulse erzeugen. 1944 prägte er für die Fähigkeit, sich anhand von Echos zu orientieren, den Begriff "Echo-Lokalisation". Auch manche Blinde verlassen sich nicht auf zufällige Schallreflexe, sondern produzieren ganz bewusst Töne, um sich besser zurecht zu finden. In Deutschland nutzen bislang nur Wenige diese Art der Orientierung, anders als etwa in den Niederlanden oder Österreich. "In meiner Klasse gibt es nur einen, der das auch macht", sagt Jason.
Für "das" hat sich statt des sperrigen Echo-Lokalisation hierzulande inzwischen der eingängigere Begriff Klicksonar eingebürgert. Die meisten Sehbehinderten, die sich so orientieren, erzeugen dazu nämlich mit ihrer Zunge ganz ähnliche Klicklaute wie Jason. Wissenschaftler haben inzwischen damit begonnen, die dabei erzeugten Schall-Pulse systematisch zu untersuchen. Die bislang wohl umfangreichste Analyse ist erst vor wenigen Monaten erschienen - ein Gemeinschaftsprojekt, an dem Forscher aus dem Vereinigten Königreich, aus China und den USA beteiligt waren. Fast 10.000 Zungenschnalzer haben sie darin ausgewertet.
Der typische Klick-Laut währt demnach nur drei oder vier Millisekunden (eine Millisekunde ist eine tausendstel Sekunde). Dadurch sinkt die Gefahr, dass das Echo bereits zurückkommt, während der Mund noch den Puls erzeugt. Der Schallreflex wäre sonst schwerer zu hören. Die Klicks breiten sich zudem etwas gerichteter aus als beispielsweise Sprache. Mit dem Sonar lassen sich also vergleichsweise gezielt bestimmte Regionen im Raum erkunden.
Ein weiterer Befund: Jeder Mensch "klickt" zwar etwas anders. Wenn man mehrere Pulse von ein und derselben Person vergleicht, sind diese einander aber frappierend ähnlich. Beides deckt sich mit den Ergebnissen früherer Studien. Die individuelle Klang-Signatur erleichtert es Blinden vermutlich, die Echos aus Umgebungsgeräuschen herauszuhören - ähnlich, wie einem eine vertraute Stimme aus einer Gruppe redender Menschen "ins Ohr sticht".
Wichtig ist noch ein zusätzlicher Punkt: die spektrale Zusammensetzung. Jeder Klick-Puls enthält viele verschiedene Frequenzen; er ist "breitbandig". Dadurch kann das Sonar mehr Informationen liefern. Wie bedeutsam das ist, weiß jeder, der schon einmal für eine Party die weiße Glühbirne im Wohnzimmer gegen eine rote ersetzt hat. Im Schein des (schmalbandigen) Rotlichts sind die Gegenstände im Raum viel schlechter zu erkennen.
Der US-Amerikaner Daniel Kish hat diese Vorzüge früh für sich entdeckt. Der heute 52-Jährige erkrankte als Kleinkind beidseitig an einem bösartigen Tumor der Netzhaut. Im Alter von sieben Monaten entfernten ihm die Ärzte sein rechtes Auge. Sein linkes folgte ein halbes Jahr später. Irgendwann begann er, mit seinem Mund Klick-Töne zu erzeugen und so Informationen über seine Umgebung zu gewinnen. Inzwischen bringt er die Methode Kindern und Jugendlichen rund um den Globus bei, in Australien, Belize und Chile, aber auch in Deutschland.
Wozu ihn sein Sonar befähigt, ist in der Tat bemerkenswert. Auf der Webseite seiner Non-Profit-Organisation "World Access for the Blind” sind Videos zu sehen, die ihn beim Mountainbiken zeigen; SPIEGEL TV hat ihn vor einiger Zeit zusammen mit seinen Schülern beim Bergwandern in den Canyons Kaliforniens gefilmt, spektakulär am Rande Schwindel erregender Schluchten. "Ich habe ein Blickfeld von 360 Grad", sagte er 2015 in einem Interview. "Mein Sonar arbeitet ebenso gut hinter mir wie vor mir. Es funktioniert um die Ecke und durch Oberflächen."
Kein Wunder, dass Kish in den Medien schnell ein zugkräftiger Name verpasst wurde: "real-life Batman" - der Mann, der sich so gut orientieren kann wie eine Fledermaus. Ein Label, das dem Münchner Neurobiologen Lutz Wiegrebe nur ein Schnauben entlockt. "Fledermäuse sind uns Menschen haushoch überlegen", betont er. "Einfach deshalb, weil sie in 50 Millionen Jahren Evolution hoch spezialisierte Strukturen für die Echo-Ortung entwickelt haben." Diesen Vorsprung könnten Menschen in den 80 oder 100 Jahren, die sie leben, niemals aufholen. "Wir können das nur mehr schlecht als recht imitieren."
Wiegrebe hat selbst schon mit Daniel Kish zusammengearbeitet. Auch ihn erfüllt mit Hochachtung, was der US-Amerikaner mit seinen Klick-Lauten wahrzunehmen im Stande ist. Der Medienhype habe der Sache aber womöglich nicht nur genutzt. "Es kann gut sein, dass durch derartige Berichte Erwartungen geweckt werden, die sich später nicht erfüllen", sagt er. "Hinter dem, was Daniel Kish macht, steckt lebenslanges Training. Und auch Daniel Kish geht, vermute ich, nicht jeden Tag Fahrrad fahren."
Niemand dürfe erwarten, dass er sich mit Echo-Ortung so orientieren könne wie ein sehender Mensch. Das sei völlig unmöglich. Gleichzeitig ist Wiegrebe aber davon überzeugt, dass es sich für jeden Blinden lohnen würde, die Methode zu trainieren. "Es ist ein extrem hilfreiches Tool", betont er. "Eines, das die Navigation deutlich einfacher machen kann und für das man keinerlei zusätzliches Hilfsmittel benötigt!"
"Klick - Klick - Klick." In Marburg, fünf Autostunden weiter nördlich, betritt Jason gerade fremdes Terrain: einen Aufenthaltsraum für die Oberstufe. Es ist halb eins; die Schülerinnen und Schüler sind noch im Unterricht, die Stühle leer. "Ein sehr großer Raum", stellt Jason etwas überrascht fest. "Klick - Klick." Vorsichtig schreitet er voran. Er touchiert einen Stuhl und schiebt ihn beiseite. Sein Sonar funktioniere am besten für Objekte auf Augenhöhe, hat er vorhin erzählt. Normalerweise benutzt er daher zusätzlich den Langstock, vor allem in fremden Umgebungen. Heute jedoch nicht. Er geht weiter, Schritt für Schritt, immer wieder klickend. Nach etwa zehn Metern bleibt er stehen. "Dort ist ein Fenster", sagt er und deutet auf die Scheibe vor ihm.
Aus Echos lassen sich jede Menge Informationen gewinnen. Zum einen bewegt Schall sich nicht unendlich schnell. In einer Sekunde legt er rund 340 Meter zurück. Wir nutzen das etwa aus, wenn wir die Entfernung zu einem Gewitter schätzen: Eigentlich erfolgen Blitz und Donner gleich zeitig. Licht ist jedoch viel schneller als Schall. Aus einem Kilometer Entfernung sehen wir den Blitz daher fast ohne Verzögerung. Der Donner kommt dagegen erst drei Sekunden später bei uns an.
Der Klicklaut braucht von Jasons Mund zum Fenster und wieder zurück zu seinen Ohren eben falls ein kleines Weilchen. Bei zwei Metern Abstand sind es etwa zwölf Millisekunden, bei einem Meter nur sechs. Daraus kann er die Entfernung zur Scheibe abschätzen. Allerdings hat das menschliche Gehör nur ein begrenztes zeitliches Auflösungsvermögen. Ob das Echo nach zwölf oder nach sechs Millisekunden kommt, kann unser Gehirn noch unterscheiden. Laufzeitunterschiede von weniger als zwei Millisekunden entgehen ihm dagegen. Wenn ein Gegenstand 120 cm entfernt ist und ein zweiter 150 cm, lässt sich das daher allein aus der Laufzeit der Echos nicht heraushören. Dennoch können manche Blinde Studien zufolge noch Distanzunterschiede von gut zehn Zentimetern erlauschen. Möglicherweise stützen sie sich dabei auf ein Phänomen, das im Englischen unter dem Namen "repetition pitch" (frei übersetzt: Tonhöhenänderung bei Wiederholung) firmiert. Dieser Effekt tritt ein, wenn das Echo sehr kurz nach seinem Auslöser bei den Ohren ankommt: Wir nehmen beide dann als einen einzigen Ton wahr, der allerdings etwas höher klingt als das Original. Je schneller Echo und Originalton aufeinander folgen, desto stärker wird diese scheinbare Tonhöhenverschiebung.
Wenn Jason ein Fenster erklickt, weiß er aber nicht nur seinen ungefähren Abstand. Er kann auch sagen, ob es sich direkt vor ihm befindet oder etwas weiter rechts oder links. Denn was seine beiden Ohren hören, ist nicht identisch. Sein Gehirn setzt diese Abweichungen zu einem räumlichen Eindruck zusammen. Es wertet dazu nicht nur Unterschiede in der Lautstärke des Echos aus, sondern vergleicht auch, wann es beim linken Trommelfell ankommt und wann beim rechten.
Diese Fähigkeit besitzt im Prinzip jeder Mensch mit einem intakten Hörvermögen. Bei Beethovens "Ode an die Freude" hören wir daher mit geschlossenen Augen, wo die Streicher sitzen und wo die Pauken. ...
Auf der Homepage des Autors und Wissenschaftsjournalisten Frank Luerweg unter: https://wissenschaftsgeschichten.de/sonar-im-gaumen/ geht der Artikel mit hochinteressanten Fakten weiter.
Foto: Jason orientiert sich mit dem Langstock, aber auch mit Hilfe von Klicklauten, die er mit der Zunge erzeugt und für eine Art Echo-Ortung nutzt. Foto: © Frank Luerweg
Aus der Arbeit des DVBS
Selbsthilfetage und Mitgliederversammlung 2020: Es wird spannend!
Im Mai finden wieder die DVBS-Selbsthilfetage in Marburg statt. Nach dem beliebten "Stelldichein" am Donnerstagabend, dem 21. Mai, wird es auf dem blista-Campus am darauf folgenden Freitag etliche interessante Veranstaltungen der Fach- und Interessengruppen geben. Für einige dieser Gruppen sind neue Leitungsteams zu wählen. Bitte nehmen Sie an den Veranstaltungen der Gruppen, denen Sie angehören oder denen Sie sich zugehörig fühlen, teil, um mitzubestimmen, wer die Leitung künftig übernehmen soll und welche Schwerpunkte für die Arbeit gesetzt werden. Eine detaillierte Liste, wer sich wann wo trifft, erhalten Sie mit der Einladung, die Ihnen im Frühjahr zugehen wird.
Und auch am Samstag, den 23. Mai, wird es bei der Mitgliederversammlung im Bürgerhaus Marbach spannend. Zum einen wird es erneut um einen Antrag zur Namensänderung unseres Vereins gehen, zum anderen ist der Vorstand neu zu wählen. Diesmal stellen sich erfreulich viele Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Nehmen Sie also teil und stimmen Sie mit ab!
Falls noch nicht geschehen, notieren Sie sich also bitte folgende Termine:
21.05.2020 abends: Stelldichein
22.05.2020 Treffen der Fach- und Interessengruppen; abends Revue
23.05.2020 Mitgliederversammlung im Bürgerhaus Marbach
Wir freuen uns auf Sie!
Fotos: Von den amtierenden Vorstandsmitgliedern U. Weber, U. Bruchmüller, A. Katemann, K. Sommer und W. Wörder (v. o. n. u.) werden A. Katemann und U. Bruchmüller nicht wieder kandidieren. Fotos: Ursula Weber Avigro, sonst DVBS
Ines Nowack, Marianne Preis-Dewey
PRO RETINA - Eine Partner-Organisation stellt sich vor
Kontakte zwischen DVBS und PRO RETINA Deutschland gibt es nicht nur auf Verbandsebene seit langem, sind doch beide Vereine korporative Mitglieder im DBSV. Auch auf regionaler Ebene arbeiten PRO RETINA und DVBS in einigen Bereichen nun enger zusammen. Ziel ist, durch die Vernetzung Menschen mit Problemen der Netzhaut noch besser zu beraten und zu unterstützen.
Im Zuge dieser Zusammenarbeit sind alle DVBS-Mitglieder herzlich eingeladen, an Veranstaltungen der PRO RETINA teilzunehmen. Sie brauchen dafür nicht selbst PRO RETINA Mitglied zu werden. Für PRO RETINA-Mitglieder wiederum stehen DVBS-Stammtische, Telefon-Chats, Vorträge und Seminare offen, wie zum Beispiel Veranstaltungen der DVBS-Interessengruppe Sehbehinderte.
Wir haben PRO RETINA um eine kurze Selbstdarstellung gebeten, um ihre Arbeit vorzustellen. So können sich DVBS-Mitglieder selbst ein Bild von den unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten und Gemeinsamkeiten beider Organisationen bilden. Hier ist die Antwort der PRO RETINA auf unsere Anfrage:
PRO RETINA: Aktiv für Menschen mit Netzhauterkrankungen
Es gibt mehr als 30 Formen oder Syndrome unter den Netzhauterkrankungen. Deren Symptome, Ausprägungen und Verläufe sind so verschieden wie wir Menschen. Eines haben alle Netzhauterkrankungen aber gemeinsam: Sie gelten bislang als schwer oder in den meisten Fällen nicht heilbar und führen meist schleichend zu starken Beeinträchtigungen des Sehens oder gar zur Erblindung. Und das bedeutet für betroffene Menschen jeden Alters, sich im Alltag immer wieder neu zurechtzufinden und die eigene Zukunft zu prüfen und ggf. anzupassen.
Sehverlust nicht allein bewältigen
In mehr als 40 Jahren entstand in der PRO RETINA ein einzigartiges Kompetenznetzwerk im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe in allen Fragen der Bewältigung einer Netzhauterkrankung. Die rund 6.000 Mitglieder der PRO RETINA treffen sich regelmäßig in den bundesweit annähernd 60 Regionalgruppen. Sie unterstützen sich gegenseitig in ihren verschiedenen sozialen, beruflichen und privaten Herausforderungen. Sie machen auf vielfältige Art einander Mut und bewältigen gemeinsam ihre Erkrankung.
Experte in eigener Sache sein
PRO RETINA bildet selbst Menschen mit Netzhauterkrankungen aus, die für andere Betroffene im Sinne des Peer-Gedankens beratend tätig sind. 2018 führten die rund 150 Beraterinnen und Berater der PRO RETINA hunderte Gespräche am Telefon und in den PRO RETINA-Sprechstunden an inzwischen zehn Augenkliniken und Augenzentren der Bundesrepublik. Sie bieten Expertise aus eigener persönlicher Erfahrung zu Hilfsmitteln und unterstützenden Sehhilfen, wie zum Beispiel Apps, oder diagnosespezifischen und sozialen Fragen, aber auch zu psychischen und psychosozialen Unsicherheiten aufgrund der Erkrankung, auch innerhalb der Familie oder des Freundeskreises.
Im vergangenen Jahr waren in der PRO RETINA rund 250 Ehrenamtliche aktiv. Die jungen und älteren Aktiven bringen viele Ideen und viel Engagement auch für Patientensymposien, Fachtagungen, alltagsrelevante Trainings, Workshops und Seminare ein oder arbeiten in Arbeitskreisen und an spannenden Aufklärungsprojekten. Das Team der hauptamtlichen Geschäftsstelle unterstützt sie dabei.
Engagiert für wirksame Forschung
PRO RETINA Deutschland bringt Patienten, Ärzteschaft und Wissenschaft zusammen, um Therapien für die Behandlung von Netzhaut-Degenerationen zu finden. Zur gezielten Forschungsförderung ist dafür im Jahr 2007 die "Stiftung zur Verhütung von Blindheit? gegründet worden. Mithilfe engagierter Forscher und Augenärzte ist bis heute ein hoch geschätztes Netzwerk gegenseitiger Information und Beratung entstanden. Forschungsprojekte können so angeregt werden. Wissenschaftlicher Nachwuchs wird mit der Vergabe von Forschungspreisen darin bestärkt, weiter zu Netzhauterkrankungen zu forschen. Mit der Zulassung der ersten Gentherapie zur Behandlung einer Netzhautdegeneration in Europa verbinden sich nun viele Hoffnungen auf weitere Meilensteine in der Forschung und Therapie von Netzhaut-Degenerationen.
Um wirksame wissenschaftliche Studien dafür noch stärker zu forcieren, hat PRO RETINA Deutschland 2016 ein eigenes überregionales Patientenregister eingerichtet. Es erleichtert Patientinnen und Patienten den Zugang zu klinischen Studien und hilft Forscherteams beim Rekrutieren geeigneter Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Inzwischen haben sich mehr als 1.000 Menschen dort registriert.
Mit uns, statt über unsere Interessen
PRO RETINA vernetzt sich auf allen Ebenen der politischen und Interessenvertretung für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen, klärt Öffentlichkeit auf und arbeitet in einer Vielzahl von gesundheitspolitischen Gremien und Arbeitskreisen aktiv mit.
Jüngster Erfolg war die Aufnahme der Untersuchung per OCT (Optische Kohärenztomographie) in die Regelversorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Langfristiges Ziel ist die barrierefreie Information und Mobilität, etwa durch verbesserte Orientierungshilfen für Sehbehinderte und Erblindete im öffentlichen Raum, das Einhalten gesetzlicher Richtlinien bei visuellen Kontrasten oder mehr Zutrittsrechte für Blindenführhunde.
Selbstbestimmung in allen gesellschaftlichen Bereichen muss immer wieder neu erstritten werden. Dafür macht sich PRO RETINA Deutschland nun auch in Berlin mit einem eigenen Hauptstadtbüro stark. Viele spannende Aufgaben warten bundesweit.
Kontakt:
PRO RETINA Deutschland e. V.
Telefon: 0228 227217-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.pro-retina.de
DVBS-Ansprechpartnerin bei Fragen rund um die Kooperation beider Verbände:
Marianne Preis-Dewey
Telefon: 06421 94888-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
2 Abbildungen: Logo PRO RETINA und Titelblatt des Flyers "Pro Retina Patientenregister für Menschen mit Netzhauterkrankungen".
Die Berufsbiografie im Blickpunkt
"Zurückblicken um nach vorn zu schauen", dieses Angebot macht die Fachgruppe Wirtschaft im DVBS blinden und sehbehinderten Arbeitnehmenden, Arbeitssuchenden, Auszubildenden, Studierenden, Rentnern und Pensionären und allen anderen Interessierten. Das "Programm zur beruflichen Inklusion" wird realisiert in Form eines knapp dreitägigen Seminars, das regelmäßig einmal pro Jahr an einem verlängerten Wochenende in der Tagungsstätte Herrenberg in der Nähe von Stuttgart stattfindet.
Welches Angebot verbirgt sich nun hinter der Überschrift? "Nach einiger Zeit im Berufsleben, in Studium/Ausbildung oder längerer erwerbsloser Zeit schaut fast jeder von uns zurück auf seine bisherige (berufliche) Biografie und fragt sich, ob man jetzt da angekommen ist, wo man hin wollte und wie es künftig weitergehen soll. Die Arbeitsbiografien von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung sind manchmal mehr, manchmal weniger stark beeinflusst von ihrem Handicap." (Ausschreibungstext des DVBS)
Die aktive Teilnahme am Seminar eröffnet die Möglichkeit, mehr Klarheit über Bedeutung und Auswirkungen der eigenen Behinderung in seinem bisherigen beruflichen Lebensweg zu erlangen, kann wichtige neue Perspektiven eröffnen und zu mehr individueller Zufriedenheit, Sicherheit und Gesundheit beitragen.
Geleitet wird die Fortbildung von dem Diplom-Pädagogen Karl Elbl, der am Landesförderzentrum Sehen, Schleswig beratend und unterstützend im Rahmen der schulischen und beruflichen Inklusion arbeitet, u. a. theaterpädagogische Projekte mit Schülerinnen und Schülern mit Blindheit und Sehbehinderung durchführt und in der Lehrerweiterbildung tätig ist.
Zentrale Eckpfeiler des Seminars sind Methoden aus der Biografiearbeit, der Theaterpädagogik und dem Psychodrama.
Eine gemeinsame Beschäftigung mit den individuellen (Arbeits-) Biografien kann nur gelingen, wenn sehr rasch und glaubwürdig eine vertrauensvolle Atmosphäre in der Teilnehmergruppe entsteht. Gegenseitige Unterstützung und Beratung sind wesentliche Aspekte der Seminararbeit. Zum Einstieg sind spielerische Bewegungsaktionen aus der Theaterpädagogik hilfreich. Durch die Verwendung berufstypischer Körperhaltungen und Sätze nähern sich die Teilnehmenden dabei bereits dem eigentlichen Thema an.
Der nächste Punkt ist eine intensive Reflexion der eigenen Berufs- (Ausbildungs-) Biografie in Einzelarbeit. Bei der anschließenden Vorstellung der Biografien ist den Teilnehmenden die Form der Präsentation freigestellt. Vom kleinen Vortrag über visuelle oder taktile Montagen bis hin zu musikalischen Darbietungen war im Laufe der Jahre schon Vieles dabei. An dieser Stelle geht es darum, wichtige Wendepunkte, Erfolge und Misserfolge, Wünsche und Ziele für sich zu erkennen und mit den anderen Gruppenmitgliedern zu teilen.
"In der Biografiearbeit geschieht Einbeziehung von Vergangenheit in Gegenwart mit Blick auf mögliche Zukunft." Und: "Im Kern ist Biografiearbeit auf Zukunft gerichtet. Indem das Vergangene wahrgenommen wird, werden Begründungen möglich, warum die Zukunft lohnenswert ist." (1)
Die Herausforderung einer Präsentation seiner Berufsbiografie vor der Gruppe verursacht verständlicherweise zunächst das eine oder andere Herzklopfen. Das differenzierte und wertschätzende Feedback aus der Gruppe aber macht dieses dann mehr als wett. Bei aller, oft genug sehr selbstkritischen Herangehensweise an die eigene Biografie werden durch den respektvollen Umgang in der Gruppe damit eben auch die eigene Leistung und die möglichen persönlichen Perspektiven deutlich. Dabei wird das vermeintlich Misslungene bewusst mit einbezogen, denn auch diese Erfahrungen gehören zum Reichtum des Lebens und sind oft genug der Impuls für neue Wege. An dieser Stelle können individuelle Pläne, Vorhaben oder Kurskorrekturen ihren Anfang nehmen.
Der weitere Verlauf des Seminars wird von der Methode des Psychodramas bestimmt. Der Begriff Psychodrama löst nicht selten falsche Assoziationen aus, die mit der eigentlichen Methode wenig zu tun haben. Jacob Levi Moreno, dem Begründer des Psychodramas, ging es um die Entwicklung einer Methode der handelnden Darstellung des inneren Erlebens eines Menschen. "Auf der Bühne bearbeiten Menschen persönliche oder berufliche Lebenssituationen, indem sie bestimmte Situationen szenisch darstellen, anstatt darüber zu sprechen. Dabei ist es gerade das Handeln und Erleben, das zu anderen Einsichten und Ergebnissen führt als der immer gleiche Weg 'durch den Kopf'. Der praktische, spielerische Zugang weckt ganz andere Ressourcen in uns." (2)
Ein wichtiger und außerordentlich praxistauglicher Begriff im Psychodrama ist der der Rolle. Die Fragen, die sich im Seminar nun anschließen, sind: Welche Rollen habe ich in meiner Arbeitssituation, welche sind frei gewählt, welche wurden mir zuerkannt oder auch auferlegt, welche möchte ich gerne haben, welche lieber loswerden etc.? Dabei geht es gar nicht so sehr um die fest definierten Berufsrollen, wie Mitarbeiter, Vorgesetzter, Auszubildender ..., sondern vor allem um die sozialen Rollen wie Antreiber, Verantwortungsträger, Dirigent, Erneuerer, Bremser, Sündenbock, Harmonisierer und viele, viele mehr. Die Teilnehmenden sind in dieser Phase des Seminars aufgefordert, kreative Namen für ihre Rollen zu finden, um auf diese Weise einen neuen, ungewohnten, aber meist sehr erhellenden Blick auf ihre Situation zu erlangen.
Die zweite Hälfte der Fortbildung ist reserviert für die Bearbeitung der individuellen Themen der Teilnehmenden. Dabei ist auch dieser Schritt selbstverständlich freiwillig.
Die Situationen, die mit Hilfe der Gruppe im Spiel bearbeitet werden, können sich sehr konkret und real auf Zukünftiges oder Vergangenes beziehen, aber ebenso auch reine Fiktion, Wünsche, Träume oder Phantasien thematisieren. Die Erlebniswelt jeder einzelnen Person wird mit Hilfe des Anleiters auf eine fiktive "Bühne" gebracht. Es geht dabei um das Ausprobieren, Aufarbeiten und Neu-Betrachten von (lebens-)bedeutsamen Themen in angeleiteten Spielszenen mit aktiver Unterstützung der Gruppe. So können wichtige Aspekte und Fragen spürbar und Lösungen gesucht werden. Im Psychodrama kann man lernen, Konfliktsituationen spielerisch zu inszenieren und neue Strategien zur Konfliktbewältigung zu erarbeiten. Aber auch das Probehandeln für neue Ideen und Pläne bietet eine gute Möglichkeit, in schwierigen Entscheidungssituationen einen Schritt weiter zu kommen.
"Psychodrama hilft das Ausgeliefertsein zu überwinden und eigene Rollen aktiv zu gestalten."(3) An jede individuelle Spielszene, die unterschiedlich umfangreich sein kann, schließt sich ein intensives Feedback an.
Wichtig ist es zu betonen, dass es sich auch in dieser Phase des Seminars nicht um Psychotherapie handelt. Es geht hier ganz eindeutig um den Einsatz des Psychodramas als Methode der Erwachsenenbildung. Der Seminarleiter achtet darauf, dass die Grenze zum Therapeutischen nicht überschritten wird. In einzelnen Fällen wurden Empfehlungen ausgesprochen, eventuell therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Im Lauf der Seminare wurden unterschiedlichste Themen mit psychodramatischen Methoden bearbeitet. Beispielhaft seien hier genannt:
- Berufliche Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten oder Kundinnen und Kunden und Klientinnen und Klienten,
- Reaktionen der (betrieblichen) Umwelt auf die Behinderung,
- Probleme, Irritationen auf Seiten der Betroffenen oder der Kommunikationspartner,
- Fragen zur Erläuterung der Auswirkungen der Behinderung im beruflichen Kontext,
- Entwicklung von individuellen Strategien zum Umgang mit der Behinderung am Arbeitsplatz,
- Familiäre Konflikte mit Auswirkungen auf die Arbeitssituation,
- Aufarbeitung von lange zurückliegenden Erfahrungen mit aktuellen Konsequenzen,
- Vorbereitung auf wichtige Gespräche in verschiedenen Arbeitszusammenhängen,
- Entwicklung von mehr Selbstvertrauen über Probehandeln,
- Hilfe bei wichtigen Entscheidungsfindungen,
- ...
Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestätigen, dass sich hier ein Fortbildungskonzept entwickelt hat, das dazu geeignet ist, Menschen mit Sehschädigung in Beruf, Ausbildung/Studium und beruflicher (Neu-)Orientierung individuell bedeutsame Standortbestimmungen und das Entwickeln von neuen Perspektiven zu ermöglichen.
Das nächste Seminar findet unter dem Titel "Biografisches Theater" vom 10. bis 13.9.2020 in der Tagungsstätte Herrenberg statt. Eine Förderung der Teilnahme durch das Integrationsamt ist möglich.
Anmerkungen
(1) Ruhe, Hans G.: Methoden der Biografiearbeit. Lebensspuren entdecken und verstehen (Beltz, Weinheim, Basel, Berlin, 2. Aufl. 2003, S. 10 f.) zurück zum Text
(2) u.(3) Was ist Psychodrama?; Institut für Psychodrama Dr. Ella Mae Shearon, www.psychodrama-ems.de/methode/ zurück zum Text
Foto 1: Eine Bühne nutzen, um sich der eigenen Rolle klar zuwerden - das ist im Seminar der DVBS-Fachgruppe Wirtschaft möglicz. Foto: Stephanie Hofschlaeger / pixelio. [Figuren, die erwachsene Menschen darstellen, stehen in Gruppen oder Einzeln auf einer flachen Ebene.]
Foto 2: Wertschätzendes Feedback bereichert. Foto: Gerd Altmann / pixabay [Auf einem Tafelhintergrund wurde in weißer Kreide "feedback" geschrieben.]
Autorenfoto: Karl Elbl. Foto: privat
DVBS-Seminarvorschau 2020
DVBS-Seminare
02.-05.04.2020: "Nicht sehend - nicht blind". Ein Seminar der IG Sehbehinderte in Herrenberg-Gültstein mit drei parallelen Workshops:
- In Führung gehen - Arbeitsassistenz gut anleiten und berufliche Partner im Umgang mit der Sehbehinderung sensibilisieren
- Kreativ schreiben - ein Schlüssel zur Aktivierung beruflicher Ressourcen
- iPad für Fortgeschrittene: Einsatzmöglichkeiten im beruflichen Alltag
Anmeldeschluss ist der 2. März 2020.
02.-05.07.2020: "Gesprächsführung". Ein Seminar der FG Wirtschaft in Herrenberg-Gültstein.
10.-13.09.2020: "Biographisches Theater". Ein Seminar der FG Wirtschaft mit Karl Elbl in Herrenberg-Gültstein.
19.-26.09.2020: Seminar der IG Ruhestand in Timmendorfer Strand.
DVBS-Ehrenamtsakademie
Für die Ehrenamtsakademie, deren Projektlaufzeit bis Ende Oktober 2020 verlängert wurde, sind momentan folgende Seminare in Planung:
- Barrierefreiheit in den Köpfen - Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen mit und ohne Behinderung
- European Accessibility Act - Inhalt und Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Umsetzung
- Begehungen zur Barrierefreiheit in Bezug auf Blindheit / Sehbehinderung - Überblick über grundlegende Normen und das Verfahren
- Praxisworkshop: Verbandsarbeit in der Region oder der Kommune
- Erfahrungsaustausch für Leitungsteams
Welche Seminare der Ehrenamtsakademie 2020 tatsächlich durchgeführt werden, hängt unter anderem vom Ergebnis unserer vereinsinternen Umfrage ab, die an DVBS-Leitungsteams gerichtet wurde.
Übrigens: An Seminaren der DVBS-Ehrenamtsakademie können im Sinne inklusiver Bildungsarbeit Menschen mit und ohne Behinderung, die ehrenamtlich aktiv sind oder aktiv werden möchten, teilnehmen. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Bei Fragen zum Seminarangebot oder besonderen Wünschen wenden Sie sich an Christian Axnick, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon: 06421 94888-28.
Termine, Ausschreibungen und weitere Informationen finden Sie auf der DVBS-Webseite unter: http://www.dvbs-online.de/index.php/angebote-3/seminare/dvbs-seminare
Aus der blista
"Place-to-be" im August 2020
VBS-Kongress auf dem blistaCampus: Programm ist online!
Mitten in den sonst so ruhigen Sommerferien verwandelt sich der blistaCampus 2020 zum "Place-to-be" rund um die Themen "Leben.Bildung.Partizipation" bei Blindheit und Sehbehinderung. Vom 3. bis zum 7. August werden rund 800 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Forschung, Lehrende, Fachkräfte, Studierende und Interessierte zum 37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in der Universitätsstadt Marburg erwartet.
Neben über 150 wissenschaftlichen und praxisrelevanten Vorträgen und interaktiven Workshops steht der spannende Austausch unter den Fachleuten aus Theorie, Praxis, Politik und Selbsthilfe im Mittelpunkt des internationalen Kongresses. Unter das Motto "individuell - spezifisch - flexibel" stellt der "Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik" (VBS) den alle vier Jahre stattfindenden Kongress, der nach Graz und Chemnitz in diesem Jahr in Kooperation mit der "Deutschen Blindenstudienanstalt e.V." (blista) zum zweiten Mal nach 1993 in Marburg stattfindet.
Vier Themenbänder ermöglichen es den Kongressteilnehmenden, die Schwerpunkte gezielt anhand der eigenen Interessen zu wählen und sich intensiv mit Forschungsstand, Entwicklungen, Methoden und Trends zu den übergreifenden Themen "Digitalisierung", "Qualifizierung, Professionalisierung, Interdisziplinarität", "Bildung" sowie "Wohnen, Arbeit und Freizeit" zu beschäftigen.
Ob "Judo inklusiv" oder "Krater und Gipfel beim Science on Stage" - die blista stellt ihre neuesten, spannenden Angebote unter dem Motto "blista bewegt" vor.
Ein buntes Rahmenprogramm erwartet die Teilnehmenden des 37. VBS-Kongresses auf dem blistaCampus und in der Stadt Marburg. Zur Halbzeit findet traditionsgemäß ein Kongressabend mit Livemusik, Kulturprogramm und kulinarischen Verlockungen statt. "Der Kongress tanzt" sozusagen, bevor er sich am Donnerstag wieder den inhaltlichen Aspekten seiner Zusammenkunft widmet.
Das gesamte Kongressprogramm ist unter www.vbs2020.de abrufbar. Eine frühzeitige Anmeldung lohnt sich. Für Kurzentschlossene besteht bis zum 30. April die Möglichkeit, für den Kongress Frühbuchertickets zu wesentlich günstigeren Konditionen zu erwerben. Zur Auswahl stehen dabei Tickets für den kompletten Kongress, für jeweils drei Kongresstage (von Montag, dem 3., bis Mittwoch, dem 5. August 2020 oder von Mittwoch, dem 5., bis Freitag, dem 7. August 2020) sowie einzelne Tagestickets. Dabei legen die Organisatoren großen Wert darauf, dass die Kongresstickets für Studierende in jedem Fall besonders preisgünstig zu beziehen sind.
Der stellvertretende blista-Direktor und VBS-Vorstandsmitglied, Patrick Temmesfeld, freut sich schon jetzt auf den Kongress auf dem blistaCampus: "Die blista wird sich als großartiger Gastgeber präsentieren, sich um ihre Gäste kümmern und neugierig machen auf das, was hier tagtäglich geleistet wird. Wir erwarten einen bunten Kongress mit bis zu 800 Teilnehmenden, die zu den brennenden und entscheidenden Fragen der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in Austausch treten und Impulse für die zukünftige Arbeit setzen."
Alle Infos rund ums Programm, die Anmeldung, die Ticketpreise und die Unterbringungsmöglichkeiten in Marburg finden Sie auf der Webseite des 37. VBS-Kongresses unter www.vbs2020.de
Abb.: VBS-Veranstaltungsplakat
blista bietet in den informationstechnischen Schlüsselberufen jetzt sechs Ausbildungen bzw. Umschulungen an
Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 sind Schlagworte, die fast täglich in den Medien auftauchen. Damit ist die Digitalisierung von Produktion, Dienstleistung, Verwaltung und Arbeit gemeint. Dieser Trend betrifft nahezu alle Wirtschaftsbereiche und benötigt spezielle Fachkräfte, die die technischen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Digitalisierung beherrschen. Mit dem Ausbildungsjahr 2020/2021 - also ab August 2020 - wird es daher im blista-Kompetenzzentrum für berufliche Bildung neue Angebote im Umfeld der Informationstechnik geben.
Die erfolgreichen "Evergreens" der Informationstechnik stehen dabei weiterhin zur Wahl. Wie sollten sich Unternehmen auch ohne informationstechnische Schlüsselkompetenzen weiterentwickeln? Die Fachinformatik-Berufe haben sich seit ihrer Einführung vor über zwanzig Jahren beständig weiterentwickelt und gehören zu den am meisten nachgefragten und anerkannten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt.
Kaufleute für Digitalisierungsmanagement
... sind Profis im Umgang mit Daten und Prozessen. Sie analysieren und gestalten Prozesse, um sie schlank und produktiv zu machen. Dabei steht die betriebswirtschaftliche Perspektive im Vordergrund. Sie machen Informationen und Wissen verfügbar, um aus der zunehmenden Digitalisierung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen und "managen" die Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Kaufleute im Digitalisierungsmanagement sind die Nachfolger der Informatikkaufleute. Sie finden Jobs in Unternehmen aller Branchen.
Kaufleute für Büromanagement
... besetzen wichtige Funktionen in der unternehmerischen Organisation. Sie sind Fachleute für Kommunikation, für Textverarbeitung und Prozessorganisation. Sie kennen sich mit Kalkulationen, Angeboten und Informationsrecherche aus. An der blista bieten wir mit den Wahlqualifikationen zugleich Ausbildungsschwerpunkte an, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung abgestimmt sind und ein breites Beschäftigungsfeld und einen großen Arbeitsmarkt erschließen.
Kaufleute im E-Commerce
... gibt es seit 2018 als neuen kaufmännischen Schlüsselberuf für die professionelle Mitarbeit im Online-Handel. Hier sind alle richtig, die Lust haben, mit einem Webshop zu arbeiten, ein stimmiges Produktportfolio aufzubauen und zu betreuen, mit Kunden online zu kommunizieren und dabei die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht außer Acht zu lassen. Die Planung von kreativen Marketingaktionen, die Arbeit mit Kennzahlen und die Rechnungsbearbeitung vervollkommnen das Tätigkeitsprofil.
Fachinformatiker/-innen für Daten- und Prozessanalyse
... sorgen mit ihrer Arbeit für die informationstechnische Datenbasis digitaler Geschäftsprozesse. Sie kümmern sich um die Bereitstellung, Qualität und Quantität der benötigten Daten und Informationen und entwickeln informationstechnische Lösungen, mit denen die digitalen Prozesse gestaltet, gesteuert und optimiert werden. Absolventinnen und Absolventen dieser Ausbildung finden Jobs in Unternehmen, die Digitalisierung für sich als zukünftige Unternehmensstrategie erkannt haben. Auch Beratungsdienstleister sind oft attraktive Arbeitgeber.
Fachinformatiker/-innen für Anwendungsentwicklung
... entwickeln und programmieren Software und Informationssysteme von der App bis zu komplexen Steuerungssystemen. Sie testen bestehende Anwendungen, passen sie an und entwickeln nutzerfreundliche Bedieneroberflächen. Fehler beheben sie mithilfe von Experten- und Diagnosesystemen. Sie arbeiten meist in Unternehmen, die eigene Produkte und Dienstleistungen anbieten oder einsetzen: in Software- und Systemhäusern, bei Multimedia-Dienstleistern und Mobilfunkanbietern, bei Herstellern von Geräten und Einrichtungen der Telekommunikationstechnik, Anbietern von Lernsoftware, EDV-Consulting-Firmen oder betriebsinternen Fachabteilungen.
Fachinformatiker/-innen für Systemintegration
... realisieren Informations- und Kommunikationslösungen. Hierfür vernetzen sie Hard- und Software-Komponenten zu komplexen Systemen, die den Austausch und die Speicherung von Daten ermöglichen. Darüber hinaus beraten und schulen sie die jeweiligen Anwenderinnen und Anwender. Als Fachleute sind sie in öffentlichen Verwaltungen und in Unternehmen nahezu aller Wirtschaftsbereiche gefragt.
Kontakt:
blista-Zentrum für berufliche Bildung
Ressortleiter Otfrid Altfeld
Tel.: 06421 606-541
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.blista.de/ausbildungen-und-umschulungen
Bild: An der blista finden IT-Ausbildungen in einer offenen und lebendigen Atmosphäre statt. Foto: blista
BOSS-Tag öffnet Erfahrungsschatz für Ausbildung, Studium und Beruf
Alumni berichten vom Leben und Lernen nach der blista
Der Name "BOSS" steht für die Berufsorientierung von jungen Leuten mit Blindheit und Sehbehinderung. In diesem Rahmen hat der BOSS-Tag an der blista eine lange Tradition. Diesmal waren es rund 30 blista-Alumni, die BOSS-Koordinator Christian Hinrichs im Vorfeld kontaktiert und eingeladen hatte. Rostock, München, Bremen ... - aus dem gesamten Bundesgebiet angereist standen sie den rund 70 Oberstufenschülerinnen und -schülern der Carl-Strehl-Schule (blista) gern zu Fragen rund um Ausbildung, Studium und Beruf Rede und Antwort.
Dabei ging es neben der Fachlichkeit, den Berufsfeldern und Verdienstmöglichkeiten auch gezielt um die Herausforderungen, mit denen sich junge Leute mit einer Sehbeeinträchtigung in Ausbildung, Studium und Beruf auseinandersetzen müssen. Die barrierefreie Zugänglichkeit von Informationen, etwa von Vorlesungsmanuskripten, Mietverträgen, Lernplattformen oder Arbeitsumgebungen, sei auch im "Zeitalter der Digitalisierung" längst nicht selbstverständlich.
"Mir macht mein Beruf als Erzieher richtig Spaß, durch die eigene Betroffenheit kann ich in der Betreuung von Internatsschülerinnen und -schülern mit Einschränkungen viel weitergeben", erzählt einer der Alumni. Natürlich sei dabei das Thema "Aufsichtspflicht" aufgrund der visuellen Einschränkung vorab offen mit dem Arbeitgeber zu besprechen. Letztendlich habe er sich aber bei diesem Gespräch über das Vertrauen und die Zuversicht, mit der man ihm begegnet sei, sehr gefreut. Wie man seine Rolle trotz bzw. wegen einer Einschränkung im Beruf voll ausfüllen könne, sei daher auch eines der Themen gewesen, die er an diesem Tag gern mit den Schülerinnen und Schülern diskutiert habe.
Ein anderer Alumni berichtete Spannendes aus der Medienbranche. Als TV-Redakteur entwickelt er Comedy-Inhalte, Spiele und Quiz-Fragen für Unterhaltungs-Shows. Ein andermal ist er auf der Suche nach "Erlebnis-Kandidaten", imposanten Persönlichkeiten mit skurrilen Hobbys oder Fähigkeiten. Im Hinblick auf die Medienbranche sei das Interesse der Schülerinnen und Schüler riesengroß gewesen. Gleichwohl habe er dabei festgestellt, dass sich das Medienverhalten in den fünf Jahren nach seinem Abi bei den jungen Leuten rasant verändert habe: "Die sind alle voll auf Streaming, da hat seit Jahren keiner mehr Fernsehen geguckt ..."
Ob Ausbildungswege, duales Studium, BWL, Jura, Architektur, Psychologie, Pädagogik, Entwicklungshilfe oder soziale Berufe; Medien, Politik, Lehramt, Geschichte, IT oder Naturwissenschaften - die ehemaligen blista-Schülerinnen und Schüler öffneten die Schatztruhe ihrer Erfahrungen und berichteten gern darüber, wie sie ihr "Leben und Lernen nach der blista" gestalten, welche Klippen sie gemeistert oder zum Kurswechsel veranlasst hatten, wo neue Strategien nötig und Netzwerke hilfreich waren. Die Oberstufenschülerinnen und -schüler freuten sich über die vielen Tipps und die nette Bereitschaft der jeweiligen Referentinnen und Referenten, ihnen beiseite zu stehen.
Bild: Eröffnung des BOSS-Tages 2019. Foto: blista [Die Schülerinnen und Schüler blicken gespannt zu den vorne stehen Vortragenden.]
Großartiges Benefizkonzert "Gut oder Bös"
Die Aula der blista strömte "karge Wohnzimmer-Atmosphäre" aus: ein Konzert-Flügel, ein Ledersessel, eine Stehlampe. Der rote Bühnenhintergrund war dezent in Bernsteinlicht getaucht. Mehr Requisiten bedurfte es nicht, um die Herzen und den Verstand der Zuhörerschaft durch die Kraft des gesprochenen Wortes und der eindringlichen Musik zu rühren.
Im "Concert de Sens" unter dem Titel "Gut oder Bös" präsentierte Ellen Greiner zusammen mit Ulrich Steiner am 1. November 2019 Ausschnitte aus musikalisch bedeutenden Tanz-Dramen des 19. und 20. Jahrhunderts: in fünf Beiträgen aus Tschaikowskys "Schwanensee", Adolphe C. Adams "Giselle", Beethovens Klavierkonzert Nr.4, 2. Satz "Andante con Moto", Wilhelm Hauffs "Das kalte Herz" und besonders aus dem Anti-Kriegs-Tanzdrama "Der grüne Tisch" von Kurt Joos und Fritz Cohen, das 1932 in Paris uraufgeführt wurde und später von den Nazis verboten worden war.
Ellen Greiner und Ulrich Steiner wechselten sich in Wort und Ton ab; so verliehen sie den insgesamt 17 dargestellten janusköpfigen Figuren der Erzählungen wie in einem Stummfilm einen besonderen musikalischen Charakter. Die Pianistin musste sich in Sekundenschnelle auf neue und teils parallel verlaufende Handlungen der Ballette und auf das Instrument einstellen. Die Auswahl der Passagen stellte höchste Ansprüche an Konzentration und pianistische Kunstfertigkeit, die Ellen Greiner souverän präsentierte. Ulrich Steiner führte mit markanter Stimme einfühlsam in die spannende Handlung der jeweiligen Erzählung und in die widersprüchlichen Figuren ein, sodass auch den sog. "Ballett-Unkundigen" transparente Einblicke zuteil wurden.
Ellen Greiner und Ulrich Steiner beeindruckten ihr Publikum nachhaltig. Kein Wunder, dass das Konzert bei seiner Wiederholung am 22. November 2019 in Köln-Rodenkirchen ein noch größeres Publikum erreichen konnte. Den Erlös der Konzerte spendeten die Künstler der Abteilung "Blindentechnische Grundrehabilitation" (BtG) der blista. Die Spende kommt direkt den Rehabilitanden zugute und soll für die Finanzierung barrierefreier sportlicher Aktivitäten, wie z. B. Bogenschießen oder Klettern, genutzt werden.
Foto: Ellen Greiner (mitte) mit Ulrich Steiner (3. v.r.) und Moderator Pit Metz (2. v.r.), Dr. Imke Troltenier (rechts) sowie Dr. Werner Hecker (1. v.li) und annette Stelker (2. v.li.), beide blista). Foto: blista [Gruppenfoto]
Bücher
>Hörbuchtipps aus der blista
Sorj Chalandon: Am Tag davor
Deutscher Taschenbuch-Verlag, München, 2019 Bestellnummer: 873941 Laufzeit: 9 Std. 20 Min.
Der Tag vor der Katastrophe: Der 16-jährige Michel fährt mit seinem geliebten großen Bruder Joseph auf dem Moped durch die Straßen seiner französischen Heimatstadt. Gemeinsam fühlen sie sich unbesiegbar. Am Tag darauf kommen bei einem Grubenunglück 42 Bergmänner aufgrund eines fatalen Fehlers der Werksleitung ums Leben - Joseph stirbt infolge seiner Verletzungen. Michel flüchtet sich nach Paris, auch um die Worte des Vaters zu vergessen: "Du musst uns rächen!" Sein Schmerz aber vergeht nicht, und so beginnt Michel Jahre später einen Rachefeldzug. Noch weiß er nicht, dass die Nacht vor dem Unglück anders war, als er es in Erinnerung hat.
Ines Geipel: Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass
Klett-Cotta, Stuttgart, 2019 Bestellnummer: 869921 Laufzeit: 6 Std. 34 Min.
Fremdenfeindlichkeit und Hass auf "den Staat": Verlieren wir den Osten Deutschlands? Das Buch sucht Antworten auf das Warum der Radikalisierung, ohne die aktuell bestimmende Opfererzählung nach 1989 zu bedienen. Es erzählt von den Schweigegeboten nach dem Ende der NS-Zeit, der Geschichtsklitterung der DDR und den politischen Umschreibungen nach der deutschen Einheit. Verdrängung und Verleugnung prägen die Gesellschaft bis ins Private hinein, wie die Autorin mit der eigenen Familiengeschichte eindrucksvoll erzählt.
Joel Dicker: Das Verschwinden der Stephanie Mailer
Piper, München, 2019 Bestellnummer: 870171 Laufzeit: 21 Std. 07 Min.
Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau.
Ysbrand van der Werf: Ausgeschlafen. Alles über guten Schlaf
Patmos Verlag, Ostfildern, 2019 Bestellnummer: 870621 Laufzeit: 4 Std. 59 Min.
Schlaf, so selbstverständlich er uns erscheint, ist ein geheimnisvoller Zustand. Die Neurowissenschaft bringt täglich neue Erkenntnisse ans Licht. Klar ist, dass ein gesunder Schlaf eine immens große Rolle für unser körperliches und psychisches Wohlbefinden, für Lernprozesse, Kreativität und die Genesung von Krankheiten spielt. Der Schlafforscher Ysbrand van der Werf beleuchtet die neuesten Erkenntnisse über guten Schlaf auf eine frische und unterhaltsame Weise. Wie viel muss man wirklich schlafen? Wird man im Schlaf kreativ? Warum träumt man? Und warum schlafen Tiere eigentlich so viel? Er stillt damit Wissensdurst, bietet aber auch sachkundige Hilfe bei Schlafproblemen aller Art.
Ihr Kontakt zur DBH
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Buchtipps aus der Braille-Druckerei
David van Reybrouck: Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist
Wallstein, Göttingen, 2016 Bestellnummer: 4871, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)
Es ist seltsam mit der Demokratie. Jeder ist dafür, aber keiner glaubt mehr so recht daran, dass sie funktioniert, jedenfalls nicht durch Wahlen. Wenn die Ergebnisse anders lauten als gewünscht, ist rasch der Vorwurf des Populismus im Raum. Immer weniger Menschen gehen wählen, die Mitgliederzahlen der politischen Parteien gehen dramatisch zurück. Wie kann überhaupt eine Demokratie effizient arbeiten und langfristig tragfähige Entscheidungen treffen, wenn die Politiker ihr Handeln vor allem an einem ausrichten müssen: Bei der nächsten Wahl wollen sie wiedergewählt werden. David Van Reybrouck beschreibt diesen Mechanismus mit bestechend klaren Argumenten als 'demokratisches Ermüdungssyndrom'. Wie kommen wir davon weg? Vielleicht sind ganz neue Wege nötig, auch wenn sie auf den ersten Blick ganz weltfremd erscheinen?
Karl Olsberg: Boy in a White Room
Loewe, Bindlach, 2018 Bestellnummer: 4905, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)
Eingesperrt, ohne Erinnerung, erwacht Manuel in einem weißen Raum. Er weiß weder, wer er ist, noch, wie er hierher kam. Sein einziger Kontakt ist eine computergenerierte Stimme namens Alice, durch die er Zugriff auf das Internet hat. Stück für Stück erschließt sich Manuel online, was mit ihm passiert ist: Bei einem Entführungsversuch wurde er lebensgefährlich verletzt. Doch wie konnte er diesen Anschlag überleben? Ist das tatsächlich die Wahrheit? Und wer ist Manuel wirklich?
Michael Lüders: Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet
Beck, München, 2015 Bestellnummer: 4833, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)
Der Autor beschreibt die westlichen Interventionen im Nahen und Mittleren Osten seit der Kolonialzeit und erklärt, was sie mit der aktuellen politischen Situation zu tun haben. Das Buch liest sich wie ein Polit-Thriller - nur leider beschreibt es die Realität. - Wer wissen will, wie in der Region alles mit allem zusammenhängt, der greife zu diesem Schwarzbuch der westlichen Politik im Orient.
Claus Mikosch: Der kleine Buddha: Auf dem Weg zum Glück
Herder, Freiburg, 2019 Bestellnummer: 4914, 1 Band, KR, 21,50 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)
Es war einmal ein kleiner Buddha. Täglich sitzt er unter seinem Bodhi-Baum und meditiert. Das tut er gern, und er liebt seinen Platz unter dem alten Baum. Doch etwas fehlte in seinem Leben, das ihm weder die Wolken am Himmel, noch die Bäume am Boden geben konnten. Also begibt er sich auf eine Reise und trifft dort auf Menschen, die jeder für sich eine Antwort darauf gefunden haben, was im Leben wirklich zählt. Und der Buddha weiß: Es sind immer die kleinen Dinge, die das Geheimnis des Glücks ausmachen.
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Panorama
SightCity 2020 - Größte Hilfsmittelmesse jetzt mitten in Frankfurt Zentrum
blista und DVBS informieren über ihre Angebote
Haben Sie sich schon den Termin für die nächste SightCity notiert? Die große internationale Fachmesse für blinde und sehbehinderte Menschen findet vom 27. bis 29. Mai 2020 nach vielen Jahren an einem neuen Ort statt, nämlich im Kap Europa, dem Kongresshaus der Messe Frankfurt, ungefähr zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt.
An drei Tagen können Besucherinnen und Besucher verschiedene Hilfsmittel testen und Beratungsangebote kennenlernen. Neben blista und DVBS sind viele weitere Verbände, Ausbildungsanbieter und Reiseunternehmen unter den Ausstellern. Der Eintritt ist frei.
Täglich bietet das SightCity Forum mit einem umfassenden Vortrags- und Weiterbildungsprogramm Einblicke in den Stand von Medizin und Rehabilitation. Dort wird unter anderem
- am Donnerstag, dem 28.05.2020, ein Vortrag des DVBS zu hören sein. Unter dem Motto "Vielfältiger als man denkt" ist eine Vorstellung der unterschiedlichen Angebote, die der DVBS vorhält, geplant: national und regional, für Jung und Alt, für Berufstätige und Arbeitsuchende, für Fachleute und Laien, für Betroffene und Interessierte, für Leistungsträger und Leistungsnehmer, für Behörden und Unternehmen, für ... ach, kommen Sie doch einfach vorbei und hören Sie es sich an! Der halbstündige Vortrag beginnt voraussichtlich um 13:30 Uhr. Gern informiert der DVBS bei der Gelegenheit auch über neue Projekte und die neue Tochterfirma AbD - Agentur für barrierefreie Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt).
- am Freitag, dem 29.05.2020, ein Vortrag aus der blista unter dem Titel "Judo - Eine perfekte Sportart für Menschen mit Seheinschränkungen und Blindheit?!" angeboten. Während der Schulsport an der Carl-Strehl-Schule und die sportlichen blista-Freizeit-AGs besonders vielfältige Möglichkeiten eröffnen, sich die Bewegungs- und Sportwelt zu erschließen, bietet der blistaCampus auch leistungsinteressierten jungen Leuten tolle Chancen. Para Sport Trainer Markus Zaumbrecher informiert im SightCity Forum von 13 bis 13.45 Uhr über Erfahrungen aus dem Talentzentrum blista Marburg.
Helle, großzügige und leicht begehbare Räume sorgen für einen entspannten Messebesuch. Und eine moderne Rasenfläche für Hunde bietet die Gelegenheit, Blindenführhunden kleine Pausen zu gönnen.
Auf dem Messegelände selbst bieten SightCity-Messeguides (gelbe T-Shirts) Unterstützung an. Ein halbstündlicher, kostenfreier Abholservice durch die Guides bringt Messegäste außerdem vom Hauptbahnhof aus sicher zur Messe. Für die kostenpflichtige, persönliche Begleitung "Rent-a-Guide" empfiehlt sich eine Vorreservierung auf www.sightcity.net - Direktbuchungen auf der Messe können nur begrenzt angenommen werden.
Sie finden blista und DVBS am gemeinsamen Messestand L1.01. Wir freuen uns auf Sie!
SightCity
Kap Europa
Osloer Straße 5
60327 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten:
- und 28. Mai 2020: 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr
29. Mai 2020: 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr
Weitere Informationen unter: www.sightcity.net
Foto: Auf der SightCity können Besucherinnen und Besucher Produktneuheiten und bewährte Hilfsmittel direkt ausprobieren. Foto: © Kerstin Philipp/SightCity [Zwei Frauen testen ein Gerät im Handyformat, das vor eine Zeitungsseite gehalten wird. Auf dem Display ist invertierte Schrift sichtbar.]
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband
Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises 2020
Prominente Gäste werden am Dienstagabend, dem 17. März 2020, in der Telekom Hauptstadtrepräsentanz Berlin erwartet. Denn der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) verleiht im Rahmen einer festlichen Veranstaltung den Deutschen Hörfilmpreis 2020. Er zeichnet damit herausragende Hörfilme sowie Projekte, die diese barrierefreien Filmerlebnisse voranbringen, aus.
Für 2020 wurden 16 Filme nominiert, die sich mit hochwertigen Bildbeschreibungen qualifiziert haben. Darunter sind Filme wie "Der Junge muss an die frische Luft", "Polizeiruf 110 - Dunkler Zwilling", "Die Versteigerer - Profiteure des Holocaust" und "Der König der Löwen". Verliehen wird der begehrte Preis seit 2002 jährlich in den vier Kategorien Kino, TV, Dokumentation und Kinder-/Jugendfilm. In Anlehnung an den Begriff Audiodeskription (AD) wird der Preis auch "ADele" genannt. "Um Filme zu lieben, muss man sie nicht sehen!", so lautet der Slogan, der vor allem blinden und sehbehinderten Filmfans aus dem Herzen spricht.
Weitere Infos gibt es unter: https://deutscher-hoerfilmpreis.de/der-hoerfilmpreis.html. Ein aktuelles Programm zu Hörfilmen in TV, Kino und auf DVD ist zugänglich unter https://hoerfilm.info/
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Abitur: Was nun? Orientierungsveranstaltung für blinde und sehbehinderte Studieninteressierte
Im Mai 2020 ist es wieder so weit: Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 13 sowie Studieninteressierte aus dem deutschsprachigen Raum sind nach Karlsruhe eingeladen. Dort können sie sich in einer dreitägigen Veranstaltung zu Fragen über studentisches Wohnen, Orientierung und Mobilität, die persönliche Hilfsmittelausstattung, die Rolle von Behindertenbeauftragten und vor allem über spezifische pädagogische und technische Unterstützungen im Studium informieren. Dazu stehen Experten der jeweiligen Themenkomplexe und Studierende mit Blindheit und Sehbehinderung aus höheren Semestern zur Verfügung.
Die Orientierungsveranstaltung wird vom Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) angeboten und findet vom 18.-20. Mai 2020 am KIT in Karlsruhe statt. Sie wendet sich an alle Studieninteressierten mit Sehschädigung, unabhängig vom Studienort Karlsruhe.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Anfahrt und Unterkunft müssen von den Teilnehmenden selbst getragen werden. Begleitpersonen, z. B. Eltern, sind ebenfalls willkommen, für sie wird zum Teil ein gesondertes Programm angeboten.
Detaillierte Informationen und ein Anmeldeformular gibt es unter https://www.szs.kit.edu/484.php oder telefonisch unter 0721 608-41937. Um rechtzeitige Anmeldung bis spätestens 4. Mai 2020 wird gebeten.
Marianne Preis-Dewey, Ursula Weber
Ein cooles Sommer-Camp: Das "International Camp on Communication and Computers" 2020 in Aveiro, Portugal
Maritime Kultur genießen, PC-Kenntnisse vertiefen, internationale Freundschaften schließen und ganz nebenbei die Englischkenntnisse aufpolieren: Das und noch vieles mehr erleben die Teilnehmenden beim jährlich stattfindenden International Camp on Communication and Computers (ICC).
2020 lädt der portugiesische Host nach Aveiro ein. Vom 21.-30. Juli 2020 erwartet das Team ca. 60 blinde und sehbehinderte Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren sowie deren Begleiter aus zahlreichen europäischen Ländern.
Zehn Tage voller technischer, sozialer und kultureller Workshops sowie ein spannendes Freizeitangebot auf dem Areal der Universität von Aveiro versprechen ein attraktives Angebot. Da ist für jeden etwas dabei! Der fest im Programm verankerte Exkursionstag bietet möglicherweise spannende sportliche Aktivitäten oder führt in einen Nationalpark, Workshops können z.B. zu interkulturellen Themen oder zur Handy-Programmierung angeboten werden. Noch befindet sich vieles in der Planung. Grundsätzliche Informationen - auch zu früheren Camps - finden sich auf der ICC-Webseite https://www.icc-camp.info/.
Veranstalter des ICC 2020 sind der Lions Club Aveiro und die Universität Aveiro, Portugal. Das deutsche Team stellt der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) zusammen (https://dvbs-online.de). Camp-Sprache ist Englisch. Die Kosten belaufen sich auf 500 € ohne Anreise, finanzielle Unterstützung ist möglich. Fragen zu Teilnahmebedingungen, zum Bewerbungsverfahren und zum Ablauf des ICC beantwortet die nationale Koordinatorin Ursula Weber, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon: 0171 1222600.
Alle früheren Teilnehmenden schwärmen von diesem coolen Camp. Also: informieren, so rasch wie möglich anmelden und dann im Juli 2020 die Koffer packen!
Abb.: Flagge Portugal
Wir in Europa
Eine starke Behindertenbewegung ist nötiger denn je. Nicht zuletzt deshalb will die Europäische Blindenunion (EBU) in den kommenden vier Jahren blinde und sehbehinderte Menschen und ihre Mitgliedsorganisationen stärken. Dies betonte der neu gewählte Präsident der EBU, Rodolfo Cattani (Italien), auf der 11. Generalversammlung der EBU, die unter dem Motto "Niemanden zurücklassen" vom 28.-30. Oktober 2019 in Rom stattfand.
Wie Cattani in einer eindrücklichen Rede ausführte, steht das Projekt Europa seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 unter zunehmendem Druck, was zu immer mehr Sparmaßnahmen innerhalb vieler Länder geführt hat. Infolgedessen würde Integration beinahe vollständig gestoppt. Cattani wies darauf hin, dass es in den meisten Ländern auch keine weitere Unterstützung der Behindertenbewegung gibt. So sind einige Mitgliedsorganisationen beispielsweise nicht in der Lage, ihre Beiträge an die EBU zu bezahlen.
Er sprach außerdem schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Menschen mit Behinderungen an. Die Rechte von Frauen und Kindern mit Behinderungen würden nicht effektiv geschützt. Überdies sind auch Menschen mit Behinderungen von der Flüchtlingskrise betroffen.
Regierungen halten laut Cattani an Systemen fest, die im Konflikt zur UN-Behindertenrechtskonvention stehen. Er kritisierte nachdrücklich, dass trotz Fortschritten weiterhin Institutionalisierung, soziale Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in ganz Europa bestehen. Cattani wies darüber hinaus auf die Krise der Brailleschrift, die Arbeitslosigkeit blinder und sehbehinderter Menschen und auf die in etlichen Ländern für viele unerschwingliche Informations- und Kommunikationstechnologie hin.
In diversen Beiträgen ging es um die 2012 von der UN beschlossenen und 2016 in Kraft getretenen Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs): politische Zielsetzungen, die weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene dienen sollen. Unter Bezugnahme auf einzelne SDGs wurde erläutert, wie diese argumentativ in politischen Verhandlungen eingesetzt werden können, um die sich wandelnden gesetzlichen Grundlagen, die sich unmittelbar auf die Rechte von Menschen mit Behinderung - speziell Blindheit und Sehbehinderung - auswirken, zu verbessern. Relevant wird dies u.a. bei der bevorstehenden Umsetzung des European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht.
Zu den vier Beschlüssen, die die Delegierten der Generalversammlung fassten, gehört der Aufruf an alle europäischen Organisationen, die Teilnahme am Weltblindengipfel in Spanien zu gewährleisten, der vom 19.-24. Juni 2020 in Madrid stattfinden wird. Außerdem soll die EBU-Verfassung um ein Quotensystem ergänzt werden, damit Frauen und Männer aller Altersgruppen im Vorstand ausgewogen vertreten werden.
Deutscher Vertreter im EBU-Präsidium ist Wolfgang Angermann, der nicht mehr als EBU-Präsident kandidiert hatte. Er vertritt ebenfalls die EBU in der Weltblindenunion (WBU). Zur deutschen Delegation, die im Oktober nach Rom gereist war, gehörten Andreas Bethke und Peter Brass (DBSV), Dieter Feser (Verband für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik) und DVBS-Geschäftsführerin Marianne Preis-Dewey. Am Rande der Konferenz konnte Judith Faltl für die BBSB-Aktion "Wir gehen in die Schulen" den EBU-Preis "Vision for Equality" entgegen nehmen.
Weitere Informationen zur EBU-Generalversammlung sind online zugänglich unter http://www.euroblind.org/newsletter/ebu-focus-german/2019/december/de
Foto: V. l. n. r.: Wolfgang Angermann, Marianne Preis-Dewey, Peter Brass, Dieter Feser, Judith Faltl und Andreas Bethke in Rom. Foto: Dieter Feser
Inklusion wirksam gestalten: Paritätischer legt ersten Teilhabebericht zur Situation von Menschen mit Behinderung in Deutschland vor
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat erstmals einen eigenen Teilhabebericht vorgelegt. Schwerpunkt ist die Lebenssituation von Menschen ab einem Alter von 65 Jahren, die beeinträchtigt oder schwerbehindert sind und in Privathaushalten leben.
Das Fazit der Studie: Ob Gesundheit, Freizeit, soziale Lage oder Wohnsituation: in fast allen Bereichen bestehen weiterhin erhebliche Barrieren für Menschen mit Behinderung, so dass von gleichberechtigter Teilhabe keine Rede sein kann. Keine Unterschiede gebe es hingegen in der verbreiteten Sorge um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft.
Der Paritätische skizziert konkrete Handlungsempfehlungen und fordert unter anderem eine Mobilitätsoffensive zur Schaffung von Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, insbesondere im ÖPNV sowie den massiven Ausbau von geeigneten Wohnformen. Notwendig seien auch ein deutlich verbesserter Nachteilsausgleich durch mehr Fördermittel und die Streichung von Abschlägen für Erwerbsgeminderte, die zudem auch Ansprüche auf die geplante Grundrente erhalten sollen. Insgesamt seien die Interessen von Menschen mit Behinderungen künftig stärker bei politischen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Für den Paritätischen Teilhabebericht 2019 zur Situation älterer Menschen mit Beeinträchtigungen haben die Expert*innen der Paritätischen Forschungsstelle auf Befragungsdaten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) zurückgegriffen und Fallanalysen auf Basis von Interviews mit Betroffenen durchgeführt. Der Bericht ist entstanden im Rahmen des Projektes "Teilhabeforschung: Inklusion wirksam gestalten", unterstützt durch die Aktion Mensch Stiftung. Die Arbeit im Projekt wird durch einen Beirat mit Vertreter*innen von Betroffenenorganisationen, Wissenschaft, Bundesregierung und der Aktion Mensch Stiftung begleitet. "Es geht darum, soziale Lagen zu beschreiben, Handlungsbedarfe nachzuweisen und dazu beizutragen, Lebensbedingungen ganz praktisch zu verbessern", so Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands.
Der Bericht ist online zugänglich unter: https://www.der-paritaetische.de/publikation/paritaetischer-teilhabebericht-2019/
Impressum horus 1/2020
Jg. 82 der Schwarzschriftausgabe
Herausgeber
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
Redaktion
- für den DVBS: Uwe Boysen, Andrea Katemann und Mirien Carvalho Rodrigues
- für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier
Koordination
DVBS-Geschäftsstelle, Sabine Hahn, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de
Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.
Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)
Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)
Verlag
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389
- Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
- Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
- Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Erscheinungsweise
Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.
Jahresbezugspreis
- 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
- 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.
Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
Bankkonto des DVBS
Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR
Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.
Titelbild
Auge. Von Wessels De Wet auf pixabay [Grafik eines Auges in poppigen Farben. An der rot-grünen Pupille fehlt schräg untern rechts ein kleiner Halbkreis.]
Nächste Ausgabe (horus 2/2020)
Schwerpunktthema: "Sport"
Erscheinungstermin: 25. Mai 2020
Anzeigenannahmeschluss: 24. April 2020
Redaktionsschluss: 23. März 2020
Kleinanzeigen
Private Kleinanzeigen bis zu einer Länge von 255 Zeichen werden kostenlos abgedruckt. Danach werden 17 Euro pro angefangene 255 Zeichen berechnet. Für die korrekte Wiedergabe ihres Inhalts (z. B. Namen, Anschriften usw.) kann keine Haftung übernommen werden.
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PROJob
Gut im Job ankommen PROJob bietet eine verlässliche Unterstützung bei Ihrem (Wieder-)Einstieg in Ausbildung und Beruf. Dabei liegt der Fokus darauf, Sie durch eine gute Standortanalyse, eine sehbehinderten und blindenspezifische Bewerbungsbegleitung und ein barrierefreies Vermittlungs-Coaching zu stärken.
Anhand Ihrer beruflichen und behinderungsspezifischen Kompetenzen entwickeln wir gemeinsam realistische berufliche Ziele. PROJob unterstützt Sie dabei, diese Schritt für Schritt umzusetzen.
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Reha-Beratungs- und Schulungszentrum für die Region Rhein-Main
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Bundesweites Beratungs- und Schulungszentrum
Biegenstraße 20 1/2, 35037 Marburg
Ute Mölter, Leiterin und JobCoach
Telefon: 06421 606-500
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www.blista.de/ausbildung-und-beruf
DVBS
Mitglieder gewinnen: für eine starke Gemeinschaft
Als DVBS-Mitglied unterstützen Sie den DVBS auch durch Ihre Empfehlung und Mitgliederwerbung im Bekannten- und Kollegenkreis. Mit jedem neuen Mitglied gewinnen wir an Stärke und Expertise bei unserem Engagement für bessere Teilhabechancen im Beruf und beim Lebenslangen Lernen.
Mitglieder profitieren von unseren Angeboten zur Vernetzung, von Fachinformationen und DVBS-Seminaren, von Beratung, Coaching oder Mentoring und unserer Zusammenarbeit mit Weiterbildungsanbietern im Rahmen aktueller Projekte.
Fördermitglieder helfen uns ideell.
Weitere Infos:
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS)
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-0
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Help Tech GmbH
Endlich wieder selbst lesen können?
Gemeinsam finden wir die passende Hilfsmittelausstattung:
- Low Vision-Produkte wie z.B. Elektronische Lupen, Kameralesegeräte und Bildschirmlesegeräte
- Handy Tech-Braillezeilen und Vorlesesysteme
- Vergrößerungs-Software & Screenreader JAWS
SightCity 2020 - 27. bis 29. Mai 2020
Achtung: Neuer Standort - Kap Europa Frankfurt, nur wenige Meter bis zum Frankfurter Hbf.
Besuchen Sie uns auf der SightCity, in der Etage 4.
Unser Service für Sie: Beratung, Abwicklung mit dem Kostenträger, Schulung und Support nach dem Kauf.
Help Tech GmbH
www.helptech.de
iDiese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Stuttgart 0711-2202299-0
Köln 0221-921556-0
Marburg 06421-690012-0
Lüneburg 04131-699698-0
Bildbeschreibung: Ein Mädchen sitzt an einem Tisch. Auf dem Tisch befindet sich ihr mobiles Kamerasystem Prodigi Connect, auf dem das Schulbuch vergrößert abgebildet wird. Im Hintergrund befindet sich eine Schultafel.
horus
horus - Marburger Beiträge zur Integration Blinder und Sehbehinderter
Schenken macht Sinn ...
... zum Beispiel mit einem Jahresabonnement der Fachzeitschrift "horus".
Für nur 22 Euro jährlich (Inlandspreis) erfahren die Beschenkten,
- wie blinde und sehbehinderte Menschen Beruf und Alltag bewältigen und ihre Träume leben,
- was schulische und berufliche Bildung blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen bietet,
- wofür sich die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe aktuell engagiert.
Bestelladresse:
DVBS
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
IPD
Entdecken Sie bei IPD die neueste Version von JAWS 2020 mit folgenden Neuerungen:
- bessere Performance in Office
- wesentliche Verbesserung der Braillenavigation in Office 365
- aktualisierte Bildschirmtexterkennung
- wesentliche Verbesserung des JAWS Cursor unter Windows 10
Neugierig? - Jetzt updaten!
Sprechen Sie mit uns, wenn Sie auf eine qualifizierte Beratung und Betreuung Wert legen. Wir sind für Sie da!
Ihre IPD
Tel.: 0511 9363090
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: www.ipd.gmbh
Papenmeier
Papenmeier Hotline Service
Unser WIR für Ihren Notfall
kostenfreie Hotline: +49 2304 946 118
F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG
Talweg 2
58239 Schwerte
Telefon: 02304-946-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Internet: www.papenmeier-rehatechnik.de
Bildbeschreibung: Unser WIR für Ihren Notfall: Es ist eine Gruppe von drei RehaTechnik Mitarbeitern, zwei Männer und eine Frau, zu sehen, die lächelnd in die Kamera schauen.
RTB
Ampel - Detektion - Parken - E-Mobilität
LOC.id
Per App sicher unterwegs
- Gezielte Steuerung der Signale
- Immer sicher unterwegs
- Ohne Anwohnerkonflikte
- Kostenfreie Smartphone-App
www.rtb-bl.de
Tel.: +49 5252 97060
Bildbeschreibung: Nächtlicher Blick auf die Akustikanlage einer Ampel. Im Hintergrund Lichter der Straßenbeleuchtung und Häuser.]
SightCity Frankfurt.
Achtung! Wir ziehen um. Neuer Standort im Kap Europa - nur wenige Meter bis zum Hauptbahnhof Frankfurt.
29. Mai 2020 Kap Europa Frankfurt
27. + 28. Mai 10 bis 18 Uhr
29. Mai 10 bis 16 Uhr
Die weltweit führende Fachmesse für Blinden- und Sehbehinderten-Hilfsmittel
- Freier Eintritt
- Abholservice für sehgeschädigte Besucher vom Messebahnhof
- Persönliche Messeguides
Hochklassiges Vortragsprogramm
- Medizinische Fachvorträge, Fortbildungen und Podiumsdiskussionen zu aktuellen Themen
- Weiterbildungen für Ärzte und Fachberufe
- Beratung durch Selbsthilfegruppen und Institutionen
- BBWs und BFWs informieren über Arbeit, Ausbildung und Beruf
Für medizinische Fragen rund um das Thema Augen steht Ihnen werktags unsere Telefon-Hotline 01805 870018 am 20.05.2020, 22.05.2020, 25.05. - 29.05.2020 sowie dem 02.06.2020 von 10:00 bis 16:00 Uhr zur Verfügung!
Neuer Standort: Kap Europa Frankfurt, Osloer Str. 5, D-60327 Frankfurt am Main
Kontakt:
SightCity GmbH
c/o Metec AG
Hasenbergstrasse 31
D-70178 Stuttgart
Telefon: +49 (0) 711 6660318
Fax: +49 (0) 711 6660333
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.sightcity.net
SynPhon
Elektronische Hilfen für Sehgeschädigte GmbH
Im Hilfsmittelkatalog gelistet: Der EinkaufsFuchs Produkterkenner sagt ganz einfach, was es ist. Abermillionen Waren erkennt er bereits und er merkt sich auch alle Dinge, die man selbst damit kennzeichnet.
"Tütütüt, Hallo!", begrüßt Sie der EinkaufsFuchs, und dann piepst er, sobald er den Produktcode erblickt. Sofort spricht er, was es denn diesmal ist: "Vollmilchschokolade, 100 Gramm ...". Er liest und spricht exakt und sehr sehr deutlich alle Produktangaben. Leichter kann Dinge unterscheiden nicht sein.
Haben Sie Fragen? Rufen Sie an!
Telefon 07250 929555
www.synphon.de