Schwerpunkt: "Glaube"

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie kennen doch das Sprichwort: Glaube versetzt Berge. Wir stehen vor einer Aufgabe, die nach dem Stand unserer Einschätzung und unseres Wissens schier unlösbar scheint. Aber wir schöpfen dann aus einer Quelle, die aus dem Glauben an unsere Stärken und Talente heraus uns die Kraft gibt, die Aufgabe anzupacken. Dann schaffen wir vieles, was wir für nicht erreichbar gehalten haben.

Woran glaubst Du? - Ob wir nun an Gott, an eine bestimmte Religion, an die Treue in einer Beziehung oder die Endlichkeit des Universums glauben. Es ist eine wichtige und lohnenswerte Aufgabe, sich mit unserem Glauben zu beschäftigen. Zu selten gibt uns unser stressiger und temporeicher Alltag die Zeit, uns die Fragen nach den eigenen Fundamenten und Werten, auf denen wir unser Handeln, unser Denken und Fühlen ausrichten, zu stellen. Dazu braucht es die Offenheit für neue Wege. Ich jedenfalls wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie ab und zu ihren inneren Kompass, Ihren Glauben an was oder wen auch immer, überprüfen und – wenn nötig - neu für sich justieren.

Wo wir unsere Stärke finden, davon lesen Sie auch in dieser horus-Ausgabe. Siegfried Preis war 35 Jahre als Gemeindepfarrer tätig und erzählt in seinem Beitrag davon, wie er zur Theologie und zu seinem Beruf kam. Savo Ivanic formuliert in seinem Artikel, wie er zum Glauben gefunden hat, während Isabella Brawata und Uwe Boysen schildern, weshalb sie sich nicht als gläubig bezeichnen würden.

Wie es sich anfühlt, als Blinde an einem Schweigeseminar teilzunehmen, davon lesen Sie im Text von Beate Schultes. Im Interview mit Andrea Katemann stellt Barbara Brusius die Arbeit des Dachverbandes der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge (DeBeSS) vor.

Und Rolf Stagge nimmt uns in seinem Artikel mit in die Zentralafrikanische Republik und berichtet über eine dortige Blindenschule, die vor über 30 Jahren durch eine Initiative einer nordhessischen Kirchengemeinde entstanden ist.

Eine anregende Lektüre - ich glaube, es lohnt sich!

Viel Spaß beim Lesen

Ihr

Claus Duncker

Foto 1. Bildunterschrift: Claus Duncker ist Direktor der blista. Foto: Bruno Axhausen

Beschreibung: Claus Duncker lächelt freundlich in die Kamera. Er hat kurze graue Haare und trägt eine randlose Brille.

In eigener Sache

horus spezial: Sonderheft erschienen

"Nanu?", werden sich einige horus-Abonnentinnen und Abonnenten der Schwarzschriftausgabe gewundert haben, "warum bekomme ich denn diesmal zwei Ausgaben?" Dies liegt an den Nachwirkungen des 100-jährigen Jubiläums von blista und DVBS. Der DVBS hatte im Jubiläumsjahr, genauer am 23. September 2016, die Fachtagung Megatrend Digitalisierung veranstaltet. Die in den dortigen Workshops entstandenen Impulse, die anregenden Vorträge und die vom Plenum verfassten Forderungen Keine Digitalisierung ohne Barrierefreiheit sollten, so der Wunsch vieler, ein angemessenes Format finden. Ergänzt um weitere Beiträge und Ideen, wie Teilhabe in den verschiedenen von Digitalisierung betroffenen Bereichen gelingen kann, entstand daher das Sonderheft horus spezial VIII: Digitalisierung und Teilhabe.

Alle Abonnentinnen und Abonnenten der Print- und der digitalen Ausgabe des horus erhalten horus spezial VIII automatisch als eine Art Bonusheft - gedruckt, digital oder als Hörfassung. Wer kein Abonnement hat, wende sich einfach an die DVBS-Geschäftsstelle, Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon: 06421 94888-0.

Vorschau auf horus 4/2017: Teilhabechancen

Die nächste Ausgabe des horus wird sich dem Schwerpunktthema Teilhabechancen widmen. Welche Assoziationen weckt dieser Begriff bei Ihnen? Welche Erfahrungen haben Sie etwa mit Institutionen und Ämtern gemacht, wenn Sie Teilhabe oder Nachteilsausgleiche eingefordert haben, z. B. bei Prüfungserleichterungen? Oder forschen Sie momentan zu diesem Thema?

Die Redaktion freut sich auf Ihre Beiträge. Ihre Texte können - jeweils inklusive Leerzeichen - bis zu 10.000 Zeichen lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen. Für kurze Meldungen sieht die Redaktion einen Umfang bis 2.000 Zeichen vor. Ihr Beitrag sollte bis zum Redaktionsschluss am 4. Oktober 2017 eingegangen sein, gerne per E-Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Abbildung: Titelblatt des horus spezial Digitalisierung und Teilhabe.

Schwerpunkt: Glaube

Andrea Katemann

Barrierefreiheit immer von Beginn an mitdenken - Interview mit Pfarrerin Barbara Brusius

Katemann: Frau Brusius, Sie arbeiten für den Dachverband der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge (DeBeSS). Eine Ihrer Aufgaben ist nach meiner Kenntnis die Vernetzung mit anderen Institutionen, die dann in Ihrem Auftrag Material in barrierefreie Form für blinde und sehbehinderte Menschen umsetzen. Sehe ich dies richtig?

Brusius: Es gibt vier Schlagworte, mit denen man unsere Arbeit für Menschen, die sie nicht kennen, zusammenfassen kann. Sie lauten: Vernetzen, unterstützen, sensibilisieren und informieren. Zu dem Stichwort "vernetzen" gehört die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, um barrierefreies Material für blinde und sehbehinderte Menschen anbieten zu können. Hier handelt es sich auch um Material, das für die Angebote in den Landeskirchen vor Ort benötigt wird.

Katemann: Wie unterstützen Sie ansonsten die Landeskirchen?

Brusius: Wir unterstützen die Landeskirchen nicht nur durch Materialien und Beratung, sondern auch durch die Organisation von Fortbildungen, Fachtagungen und Konferenzen, die mit dem Themenfeld der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge zu tun haben. Wichtig ist uns auch eine gute Zusammenarbeit mit den katholischen Kollegen. Außerdem wollen wir mit sämtlichen Organisationen der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe gut vernetzt sein.

Katemann: Es ist sicherlich nicht immer ganz einfach, Personen innerhalb der Landeskirche für die Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Menschen zu sensibilisieren.

Brusius: Wenn man über Barrierefreiheit spricht, denkt jeder sofort an einen Rollstuhlfahrer oder an gehbehinderte Personen. Die Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Personen sind oft nicht so bekannt. Wir bieten Informationsbroschüren an, damit Gemeinden eine Vorstellung davon bekommen, was man tun kann, damit beispielsweise Gottesdienste eben wirklich eine Heimat bieten können.

Katemann: Bei der Vielfalt an Materialien, die in der Gemeindearbeit benötigt werden, muss man sicherlich eine Auswahl treffen. Nach welchen Kriterien geschieht dies?

Brusius: Zunächst geht es sozusagen immer um eine Grundlagenversorgung. Wir stellen u.a. das evangelische Gesangbuch, die Losungen und unterschiedliche Bibelausgaben zur Verfügung. Sowohl bei Verlagen als auch bei der Bibelgesellschaft versuchen wir, darauf hinzuweisen, dass eine Umsetzung in eine barrierefreie Form von Beginn einer Publikation an mit gedacht bzw. berücksichtigt wird. Inzwischen kann Literatur über Apps, Homepages oder auch als sogenanntes E-Book zur Verfügung gestellt werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Wenn beispielsweise unsere Zentrale der Evangelischen Kirche in Deutschland etwas publiziert, versuchen wir, darauf hinzuweisen, dies in unterschiedlichen Formaten zu tun. Einige Veröffentlichungen, die u.a. in der Gemeindearbeit benötigt werden, lassen wir z. B. von der blista in Marburg als Hörbuch produzieren. Selbstverständlich sollen zentrale Werke auch in Punktschrift vorliegen.

Katemann: Gibt es in Ihrer Geschäftsstelle auch blinde und sehbehinderte Mitarbeiter?

Brusius: Unsere Geschäftsstelle ist nicht so groß wie man sie sich häufig vorstellt. Ich selbst werde noch von einer Sekretärin mit einer halben Stelle unterstützt. Dadurch, dass wir noch mit der Gehörlosenseelsorge und dem Dachverband der Schwerhörigenseelsorge in einer Bürogemeinschaft sitzen, können wir Dinge, die alle drei Teams benötigen, über gemeinsames Personal abdecken, Beispiele hierfür sind eine halbe Geschäftsführungsstelle und die Buchhaltung. In den Arbeitsbereichen der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge in den Landeskirchen arbeiten zurzeit zwei selbst betroffene Diakoninnen sowie ein blinder Pastor und eine sehbehinderte Pastorin, die bei Aktionen zur Sensibilisierung und Beratung gerne als Experten in eigener Sache herangezogen werden. Es ist immer anschaulicher, wenn Kollegen mit ihren Hilfsmitteln zu Veranstaltungen kommen und Dinge erklären. Dies macht viel mehr Eindruck, als wenn ich als Sehende dies ausschließlich mache.

Katemann: Weiß der Pfarrer in einer kleinen, dörflichen Gemeinde, dass es DeBeSS als Dachverband gibt? Wie bekannt sind Sie innerhalb der Landeskirchen?

Brusius: Wir als Dachverband existieren in dieser Art und Weise seit 2009. Es sollte so sein, dass jede Kirchengemeinde in Deutschland etwas über uns weiß. Wir haben versucht, Material an alle Gemeinden deutschlandweit zu geben. Dennoch kennt nach wie vor natürlich nicht jeder unsere Arbeit. Manche kommen zu uns, weil sie uns über Google finden oder auf den Seiten der Landeskirche nachsehen.

In den meisten Landeskirchen gibt es Beauftragte, die in der Seelsorge für blinde und sehbehinderte Menschen tätig sind. Dort können sich hilfesuchende Pfarrerinnen und Pfarrer auch direkt vor Ort beraten lassen. Sie sind näher am konkreten Geschehen und kennen die Situation in den jeweiligen Landeskirchen besser als wir in der Funktion eines Dachverbandes.

Immer wieder rufen uns blinde und sehbehinderte Menschen an, die uns mitteilen, dass ihre Gemeinde noch verunsichert ist. Auch vermitteln uns die betroffenen Menschen, dass sie noch nicht so weit sind, ihre Teilhabe aktiv einzufordern.

Katemann: Was verstehen Sie unter Inklusion?

Brusius: Unter Inklusion verstehe ich, dass jemand, der in eine Gemeinde kommt, aktiv und gleichberechtigt an Gottesdiensten und sonstigen Veranstaltungen teilnehmen kann. Der behinderte Mensch sagt, was er benötigt, und die Gemeindemitglieder freuen sich über dessen Kommen. Fordert er beispielsweise ein Gesangbuch ein, das er in Punktschrift oder als Hörbuch lesen kann, wäre es ideal, wenn eine Gemeinde sagen könnte, dass man diesem Anliegen problemlos nachkommen kann. Es ist wichtig, dass ganz verschiedene Menschen Kirche mitgestalten. Vielfalt ist etwas Wunderbares.

So funktioniert es durchaus nicht immer. Wir haben als DeBeSS-Mitarbeiter oft Kontakt zu Menschen, die älter und späterblindet sind, die sich eher zurückziehen, weil sie sich nicht mehr gut orientieren können, weil sie nicht mehr lesen können, weil für sie die Blindheit noch sehr anstrengend ist, und sie Mühe haben, ihren Alltag zu bewältigen. Prinzipiell haben viele von diesen Personen eine Kirchengemeinde, in die sie früher regelmäßig gegangen sind. Leider können wir uns nicht mit der notwendigen Intensität um jeden Einzelfall kümmern und sind dankbar, wenn es andere Organisationen vor Ort gibt, die hier helfen können.

Katemann: Haben Sie auch mit Konfirmanden zu tun?

Brusius: Oh ja, hier rufen häufig die Pfarrer oder Pfarrerinnen an und möchten Informationen zu barrierefreiem Material. Auch Eltern wünschen hier Rat. Es ist wie bei den Schulbüchern auch. Man muss sich schrittweise um eine barrierefreie Umsetzung von Material kümmern. Ein Projekt, das sich eher an jüngere Menschen richtet, ist die Gesangbuch-App. Wir möchten, dass sie barrierefrei wird.

Katemann: Sicherlich gibt es auch für Sie aufgrund der 500 Jahre Reformation einige besondere Aktivitäten.

Brusius: Ja, eine davon ist in Kooperation mit der blista die Umsetzung der neuen Lutherbibel als Volltext und Vollaudio-Daisybuch. Die Punktschriftausgabe wird von der Pauline-von-Mallinckrodt-Druckerei produziert. Die Schwarzschriftausgabe ist gerade zum Reformationsjubiläum erschienen.

Luthers Intension war es, eine Sprache zu benutzen, die von den in seiner Zeit lebenden Menschen verstanden wurde. Natürlich hat sich die deutsche Sprache fortwährend weiterentwickelt und verändert. Somit wurde über zehn Jahre lang intensiv daran gearbeitet, eine Bibel anbieten zu können, die zwar nahe an der Lutherübersetzung ist, aber doch so formuliert ist, dass sie heute verstanden werden kann.

Die Hörfassung bekommen wir von der Bibelgesellschaft. Sie wird von Rufus Beck gesprochen. Wenn das Daisybuch fertig ist, soll es nicht nur angenehm zu hören und gut navigierbar sein, sondern der Text ist auch auf der Braillezeile oder für sehbehinderte Menschen am Bildschirm lesbar.

Natürlich beteiligen wir uns auch an anderen Projekten. Viele Menschen wissen nicht, dass es viele unterschiedliche Bereiche in der Seelsorge gibt. So gibt es beispielsweise eine Krankenhaus-, eine Gefängnis- und eine Schaustellerseelsorge. Fünfundzwanzig Seelsorgebereiche der Evangelischen Kirche in Deutschland stellen sich in Wittenberg in der "Weltausstellung" zum Reformationsjubiläum vor. Dies machen sie nicht nur an einem Stand. Durch die Schaustellerseelsorge und deren Kontakte haben wir die Möglichkeit erhalten, uns mit einem Riesenrad zu präsentieren. Bis in den September hinein begleiten Teams am Riesenrad die Aktion jeweils für eine Woche, so sind wir auch im Juli mit dabei.

Zum Thema Reformation gibt es in den Landeskirchen unendlich viele Projekte mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. So gibt es das Bedürfnis, Luther für die heutige Zeit fass- und erlebbar zu machen.

Katemann: Als wir uns darüber unterhielten, ein Interview zu machen, sagten Sie mir, dass Sie auch mit Reisen für blinde und sehbehinderte Menschen zu tun haben. Könnten Sie hierzu noch etwas erzählen?

Brusius: Wir stellen jedes Jahr eine Liste mit Reisen zusammen, an denen blinde, sehbehinderte und sehende Menschen teilnehmen können. Die Reisen werden zwar von der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge einer Landeskirche angeboten, doch kann jeder daran teilnehmen, auch wenn er nicht aus der Region kommt. Die Liste kann bei uns angefordert werden. Es ist eine bunte Zusammenstellung mit unterschiedlichen Reisezielen und Programmangeboten.

Katemann: Frau Brusius, ich danke Ihnen sehr herzlich für diese interessanten Ausführungen.

Kontakt:

Pfarrerin Barbara Brusius, Theologische Referentin, Dachverband der evangelischen Blinden- und evangelischen Sehbehindertenseelsorge (DeBeSS), Ständeplatz 18, 34117 Kassel, Telefon: 0561 72987161, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.debess.de

Informationen zur Weltausstellung Reformation in der Lutherstadt Wittenberg gibt es im Internet unter https://r2017.org

Zur Autorin

Das Interview führte Andrea Katemann, Leiterin der Deutschen Blinden-Bibliothek an der Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista) in Marburg. In ihrer Freizeit schätzt sie als Chorsängerin vor allem die Bereitstellung von Textbüchern und Noten in Brailleschrift, auch in Gottesdiensten.

Der Beitrag enthält 3 Fotos und das DeBeSS-Logo.

Foto 1, Bildunterschrift: Wird von der blista in DAISY übertragen: Die revidierte Lutherbibel mit Infos zu Luther als Reformator und Bibelübersetzer. Die Playmobil-Figur "Luther" wurde anlässlich des Jubiläumsjahres zur Reformation 2017 von der Spieleindustrie herausgebracht. Foto: pixabay.com

Beschreibung: Die Bibel liegt quer im Bild. Sie hat einen weißen Einband und mittig ein rundes, grafisches Element, die Luther-Rose. Oben links auf der Bibel steht die Playmobilfigur Luther. Sie trägt einen schwarzen Talar, eine große Schreibfeder und hält eine Bibel in der Hand.

Foto 2 Bildunterschrift: Barbara Brusius setzt sich als theologische Referentin für die Barrierefreiheit innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland ein. Foto: privat. Beschreibung: Portraitfoto Barbara Brusius, Außenaufnahme. Barbara Brusius lächelt. Ihr schmales Gesicht wird von schulterlangen, glatten braunen Haaren gesäumt, die Ponyfransen fallen über die Stirn. Sie hat braune Augen und trägt zu einem dunklen Blazer eine schmale, silberfarbene Kette.

Foto 3: Andrea Katemann. Foto: Bruno Axhausen. Beschreibung: Andrea Katemann sitzt an einem Tisch einer Holzbanksitzgruppe im Außengelände. Sie trägt einen schwarzen Rollkragenpullover, lehnt ihren rechten Arm an den Tisch und hält ein Smartphone in der Hand, der Zeigefinger der linken Hand wischt über das Display. Sie lächelt. Im Hintergrund führt ein Weg bergab, rechts sind Treppen bergauf zu einem Gebäude zu sehen.

Beate Schultes

Schweige und höre - Eine Option für Blinde?

„Was, Du machst einen Schweigekurs? Das kann ich mir nicht vorstellen!“ In der Tat, wer mich kennt, kann sich das vielleicht nicht vorstellen. Wer mich aber näher kennt und weiß, dass mir mein Glaube sehr viel bedeutet, traut mir vielleicht doch zu, mich eine Woche lang in ein Kloster auf Schweigeexerzitien zu begeben.

Ich arbeite in einem Beruf, in dem viel geredet wird: Bei Gottesdiensten in der Kirche, auf mehr oder weniger sinnvollen Konferenzen, in der Schule im Religionsunterricht und bei seelsorglichen Gesprächen mit Menschen, die Hilfe suchen. Meist erwartet man von Leuten in kirchlichen Berufen, dass sie etwas Sinnvolles von sich geben, möglichst immer und genau passend zu jeder Situation. Flexibilität ist also angesagt. Da tut das freiwillige Schweigen im Kontrast zu den vielen nicht ganz freiwilligen Worten im Berufsleben erst mal gut.

Als ich zum ersten Mal einen Kurs im Schweigen mitmachte, war ich Mitte 20 und in meiner beruflichen Ausbildung zur Gemeindereferentin. Damals fiel das Schweigen mir sehr schwer, zumal einer meiner Freunde mit dabei war, der, genau wie ich, jede Gelegenheit suchte, sich über den Kurs und die anderen Teilnehmer lustig zu machen. Heute glaube ich, dass dies einer großen Unsicherheit gegenüber dem Schweigen entsprang. In dem damaligen Kurs wurde die Zen-Meditation eingeübt, in der es darum ging, leer zu werden und sich mit nichts gedanklich zu beschäftigen. Wir mussten viele Stunden des Tages auf Meditationsbänkchen verbringen und uns darin üben, leer und frei von Gedanken zu werden. Ich merkte bei diesem Kurs, dass dies nicht meine Meditationsform war.

2001 fuhr ich dann zum ersten Mal zu Ignatianischen Exerzitien in ein mir sehr gut bekanntes Kloster in die Niederlande. Das Haus ist mir vertraut, ich kenne die wichtigsten Wege. Die Schwestern kennen mich, denn ich bin schon als Jugendliche zu Kursen dort gewesen. Allerdings hatte ich dort noch nie geschwiegen. Als ich zum Kurs fuhr, war ich der festen Überzeugung, das Schweigen nicht aushalten zu können. Es dauerte auch etwas, bis ich zur inneren Ruhe kam. Ich versuchte damals nicht, mich mit Büchern abzulenken, sondern verbrachte meine Tage mit mir allein in meinem Zimmer oder in den verschiedenen Andachtsräumen des Klosters im Gebet.

Die Ignatianischen Exerzitien wurden von Ignatius von Loyola (1491-1556) entwickelt, der den Jesuitenorden gründete und ein wichtiger Impulsgeber der Gegenreformation war, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts als Reaktion auf die Reformation die katholische Kirche erneuerte. Eine Frucht dieser Erneuerungsbewegung sind diese speziell angelegten Exerzitien, die man auch geistliche Übungen nennen kann. Es geht darum, Gottes Wort für sein Leben zu entdecken und es in seiner Persönlichkeit und seinem Leben wirken zu lassen. Ignatius hat einen Wegweiser für diese Form der Exerzitien verfasst, der viele Erkenntnisse der modernen Psychologie vorwegnimmt.

Seine Exerzitien leben vom Schweigen, in das bewusst Impulse aus der Bibel gelegt werden. Mit diesen Impulsen wird innerlich gearbeitet. Die Teilnehmerin meditiert im Schweigen über den Impuls, der meist aus einer Bibelstelle besteht, und schreibt anschließend ihre Gedanken dazu auf. Es gibt Schritte der Anleitung, die die Meditation zur Bibelstelle in eine gewisse Ordnung bringen, damit man im Schweigen nicht abgelenkt wird. Dies war für mich auch eine wichtige Erfahrung. Es genügt nicht allein zu schweigen, man braucht auch eine Anleitung dabei, um sich nicht zu verlieren.

Diese Anleitung besteht in einem festen Tagesrhythmus und festen Meditationszeiten. Wichtig für den Tagesablauf sind auch die gemeinsamen Gebetszeiten und die Feier der Heiligen Messe, in der man zwar gemeinsam spricht, aber eben nicht miteinander. Diese Struktur ist sehr hilfreich. Sie funktioniert aber nur, wenn der Schweigende von einzelnen Situationen seines Lebens nicht zu sehr belastet ist. Wer sich in einer großen Krise befindet, sollte lieber keine Schweigeexerzitien machen, sondern eine andere Form wählen. Es besteht einfach die Gefahr, zu sehr mit sich allein zu sein und ins Grübeln zu geraten. Auch können intensive Erfahrungen während der Meditationen in Krisen sehr belastend sein. Auf Wunsch steht für solche Fälle immer der Leiter oder die Leiterin solcher Exerzitien, die übrigens eine spezielle Ausbildung dafür haben, für Gespräche zur Verfügung. Nach meiner Erfahrung sind solche Gespräche sehr klärend. Sie helfen, mit dem umzugehen, was während des Schweigens an inneren Bildern, Gedanken und Vorstellungen in einem hochkommt.

Wie reagierten nun die anderen Kursteilnehmerinnen (es waren überwiegend Frauen, meist Ordensschwestern) auf eine Blinde, die mit ihnen schweigt? Für manche der älteren Schwestern war ich Anlass, ihr Schweigen zu brechen. Ich hörte sie auf dem Flur über mich tuscheln und spürte oft, dass sie mich am liebsten ausgefragt hätten. So sehr ich mich über die Schwestern geärgert habe, so froh war ich über das Schweigegebot, das mich schließlich auch zu einer größeren Gelassenheit gegenüber den neugierigen Schwestern führte. Es wurde mir immer gleichgültiger, ob mich jemand beobachtete oder flüsternd über mich sprach.

Wenn ich heute Schweigeexerzitien mache, erlebe ich ein solches Verhalten anderer Teilnehmerinnen nicht mehr. Vielleicht sind neugierige Ordensfrauen eine aussterbende Spezies. Ich nehme aber oft wahr, dass jeder kleinste Anlass genutzt wird, um doch einige Worte ins Schweigen hinein zu flüstern. Das Schweigen ist einfach kein natürlicher Zustand für Menschen, die auf Gemeinschaft angewiesen sind und in ihr leben. Andererseits ist es sehr entlastend.

Während den Mahlzeiten ist es wunderbar, mit niemandem reden zu müssen. Ich nehme das, was ich esse, viel intensiver wahr. Ich achte darauf, wie und in welchem Tempo ich esse. Da das Essen meistens zum Tisch geholt werden muss, sorgt die Hausleiterin dafür, dass immer jemand neben mir sitzt, der mir sehr umsichtig hilft. Natürlich teilt dieser Mensch mir leise mit, was es zu essen gibt, wenn ich es nicht selber erriechen kann. Als ich einmal in einem anderen Haus bei einem Schweigekurs war und mir morgens mein Müsli selber holte, passierte es mir, dass ich statt Milch Orangensaft darauf schüttete. Ich hätte ja dran riechen können und hätte sofort den Unterschied bemerkt. So aß ich denn mein Müsli mit Orangensaft und lachte über mich selbst, anstatt mich zu ärgern. Schweigen bringt eben Gelassenheit. Es ist auch wunderbar, beim Essen zu sitzen und seine Gedanken schweifen zu lassen oder zu hören, wer sich wieviel Salz auf sein Ei streut, wer einen Apfel schneidet, wer schnell oder langsam isst. Die Ohren kann man nicht schließen. Da ich mich aber in Gelassenheit übe, mache ich mir keine Gedanken über die anderen Kursteilnehmer/-innen. Ich nehme sie nur wahr. Wir sind alle in Gemeinschaft auf unserem eigenen Weg. Wir brauchen nicht darüber zu reden. Das hat etwas Entlastendes.

In den letzten beiden Kursen habe ich eine andere Teilnehmerin besser kennengelernt, eine Polizistin aus dem Ruhrgebiet. Da wir dann doch mal miteinander reden wollten, haben wir uns für die Mittagspausen zu Spaziergängen verabredet. Dort haben wir gesprochen, aber anders als in unserem Sprechalltag. Es gab auch oft Pausen, in denen wir schweigend miteinander gegangen sind. Für den Samstagabend hatten wir überlegt, in der Dorfkneipe ein Bier zu trinken und dann auch unser Schweigen zu brechen. Die Kneipe war normal besetzt, wie das an einem Samstagabend eben so ist. Es war uns zu laut. Wir tranken unser Bier und gingen wieder ins Schweigen zurück.

Wenn ich als Blinde an Schweigeexerzitien teilnehme, ist es für mich wichtig, das Haus, in dem diese Exerzitien stattfinden, gut zu kennen. In meinem Lieblingskloster ist das der Fall. In anderen Häusern suche ich mir vor Beginn oder zu Anfang des Kurses jemanden, der mit mir einmal die wichtigsten Wege im Haus geht. Mir ist wichtig, dass ich wegen organisatorischer Fragen keine unnötigen Worte machen muss! Wenn diese Dinge geklärt sind, komme ich auch besser ins Schweigen hinein und muss mir darüber keine Gedanken machen.

Im Schweigen spielt auch das Gebet eine wichtige Rolle, dient beides doch dazu, die Gottesbeziehung zu erneuern und zu intensivieren. Zu diesem Zweck sind übrigens die oft etwas verpönten alten Gebetsformen, wie etwa Stundengebet oder Rosenkranz sehr hilfreich. Ich wundere mich immer, warum viele Menschen, die sich für modern halten, sich über den Rosenkranz lustig machen, aber für buddhistische Mantras schwärmen. Gibt es da einen so großen Unterschied? Beides dient dazu, sich zu konzentrieren und das Gebet zu intensivieren. Das Beten wird im Schweigen auf jeden Fall intensiver. Man hat ja auch mehr Zeit dazu.

Nach der Teilnahme an vielen Schweigeexerzitien steht für mich fest, dass ich diese Form der Einkehr für mein geistliches Leben nicht mehr missen will. Es ist einfach gut, sich ab und an einmal zurückzuziehen und das Schweigen einzuüben, nicht sklavisch und verbittert, sondern freiwillig und gelassen. Dass das Hören gleichzeitig mit dem Schweigen auch intensiver ist, versteht sich von selbst. Für mich wird das Schweigen erfüllt in einem inneren Dialog mit dem, den auch die größten Worte nicht vollständig erfassen können. Im Schweigen komme ich ihm näher und bin offener für seine Nähe. Sicher ist aber das Schweigen auch für Menschen sinnvoll, die von sich aus keine Gottesbeziehung pflegen. Sie können im Schweigen Kraft tanken, gelassener werden, mehr Klarheit erlangen. Ob ich dabei sehe oder nicht, ist unerheblich. Wenn ich nicht sehe, muss ich darauf achten, dass der äußere Rahmen klar ist. Dann ist es einfach zu schweigen, zu hören und so intensiver zu leben.

Der letzte Tag der Schweigeexerzitien in meinem Lieblingskloster beginnt mit einer Messe. Beim anschließenden Frühstück darf natürlich wieder geredet werden. Jede Teilnehmerin findet dann an ihrem Platz eine Glückwunschkarte, und man beglückwünscht sich zu den guten Exerzitien, die man überstanden hat. Es ist also auch eine nicht immer so ganz einfache Leistung, dieses Schweigen. Wer das eine Woche lang aushält, der hat schon etwas geschafft!

Buchtipps der Autorin

Die folgenden Bücher können etwa über die Deutsche Katholische Blindenbücherei GmbH in Bonn (Telefon: 0228 55949-12) oder unter den angegebenen Bestellnummern bei der Deutschen Blinden Bibliothek in Marburg (DBH, Telefon: 06421 6060) ausgeliehen werden:

De Mello, Anthony: Gott suchen in allen Dingen. DBH-Bestellnummer 757691. Das Exerzitienbuch des Jesuitengründers Ignatius von Loyola (1491-1556) ist wohl eine der berühmtesten Meditationsanleitungen des Christentums. Der indische Jesuit Anthony de Mello führt durch die zentralen Elemente der 'Geistlichen Übungen' und stellt sie heutigen Leserinnen und Lesern als überraschungsreichen Weg der spirituellen Freiheit vor.

Jalics, Franz: Kontemplative Exerzitien. DBH-Bestellnummer 412142. Viele Menschen fragen in der Tiefe ihrer Seele nach Gott. In zehn Schritten führt der Autor, der lange Jahre Erfahrungen als Exerzitienmeister sammelte, zur unmittelbaren Erfahrung der Wirklichkeit Gottes.

Martini, Carlo Maria: Dein Stab hat mich geführt. DBH-Bestellnummer 496432. Ein achttägiger Exerzitienkurs, der die Gestalt des Mose als geistliches Vorbild auch für den Christen von heute begreift.

Zur Autorin

Beate Schultes lebt und arbeitet in Köln. Sie ist seit ihrer Geburt blind, studierte in Paderborn und Köln Religionspädagogik und Sozialarbeit und arbeitet als Gemeindereferentin in einer katholischen Kirchengemeinde und als Religionslehrerin an einer Gemeinschaftsgrundschule.

Foto 1, Bildunterschrift: Klöster laden zum Schweigen ein: Kreuzgang des Klosters Alpirsbach. Foto: Rainer Sturm /pixelio.de Beschreibung: Blick in den Kreuzgang des Klosters.

Foto 2, Bildunterschrift: Beate Schultes spricht als Gemeindereferentin während eines Gottesdienstes am Altar. Foto: privat / Walter Schlesinger. Beschreibung: Beate Schultes steht hinter dem Altar, an dem die Kerzen brennen, und blickt in den Raum. Im Hintergrund sind die Köpfe dreier Kinder zu sehen.

Ich war gerne Pfarrer

von Siegfried Preis

Eigentlich wollte ich ja Bahnwärter werden. So einer, der an einem viel befahrenen Bahnübergang die Schranken rauf und runterleiert – das hätte mir gefallen. Oder Lokführer, auch das hätte ich mir vorstellen können. Aber mit zwei Prozent Sehkraft hatte ich da schlechte Karten. Es wurde also nichts aus einer Eisenbahnkarriere. Aber das Interesse am Schienenverkehr ist mir zeitlebens erhalten geblieben, vielleicht gerade deshalb, weil es nicht durch womöglich schlechte Erfahrungen im Beruf beeinträchtigt werden konnte.

Während meiner blista-Schulzeit (1944-1949) wurde mir klar, dass die Auswahl an lukrativen Berufen, die für Sehbehinderte geeignet waren, doch sehr begrenzt war. Viele der damaligen Abiturienten entschieden sich für ein Jurastudium und schafften es in mehr oder weniger gehobene Positionen in Behörden und Verwaltungen. Ein bloßer Schreibtischtäter wollte ich nicht werden. Was also tun?

In meinem Heimatdorf, wo ich geboren und aufgewachsen war und wo mein Vater Pfarrer war, sagten viele zu mir: „Du kannst doch in die Fußstapfen deines Vaters treten! Dann brauchst du dir keine neuen Bücher zu kaufen, sondern kannst die von deinem Vater weiter nutzen.“ Das war zwar kein überzeugendes Argument, aber unabhängig davon überlegte ich doch, ob nicht ein Theologiestudium in Frage käme. Schließlich hat man es als Pfarrer in erster Linie mit dem gehörten und gesprochenen Wort zu tun. Etwas anderes kam aber noch hinzu: Ich fragte mich, ob man als Pfarrer nicht so etwas wie eine innere Berufung verspüren sollte, was bei mir seinerzeit keineswegs gegeben war. Hier hat mir mein damaliger Religionslehrer sehr geholfen. Er sagte mir: „Fang doch einfach an. Dann wirst du merken, ob das der richtige Weg ist oder nicht.“ So habe ich es dann gemacht.

Ich fing an, Hebräisch und Griechisch zu lernen und wuchs in die Theologie hinein. Die dabei gewonnenen Kenntnisse und Erkenntnisse waren zwar teilweise irritierend, haben sich aber in der Rückschau als außerordentlich hilfreich erwiesen. Durch freundschaftliche Kontakte hatte ich die Möglichkeit, an drei verschiedenen Orten zu studieren – Marburg, Heidelberg, Göttingen – und dadurch einen noch weiteren Horizont zu gewinnen. Dann bin ich 35 Jahre lang Gemeindepfarrer gewesen und weiß heute: Das war der richtige Weg für mich.

Vielen Menschen bin ich begegnet, die ich ein Stück ihres Weges begleiten durfte. Und ich konnte eine Botschaft weitergeben, die mehr ist als belanglose Formeln. Die Worte und Geschichten der Bibel erweisen sich immer neu als lebendig und kräftig, glaubwürdig und tragfähig.

Mit meiner Sehbehinderung war ich nicht unglücklich und habe nicht darunter gelitten. Sie gehörte eben zu meinem Leben und war für mich Normalzustand. Ich weiß: Bei Menschen mit plötzlichem oder allmählichem Sehverlust kann das ganz anders sein. Sie gehen auf ganz unterschiedliche Weise mit ihren Erfahrungen um. Ob Blindheit oder Sehbehinderung den Glauben fördert oder behindert – beides ist möglich –, darüber wäre in einem eigenen Beitrag nachzudenken.

Buchtipp des Autors:

Hans Rupp: Schlag die Hand nicht aus. Hinweise, Meinungen, Informationen zum Thema Blindsein und mit Blinden leben, DBH-Bestellnummer: 273422.

Zum Autor

Siegfried Preis, Jahrgang 1929, besuchte von 1944 bis 1949 die blista und war nach seinem Theologiestudium über 35 Jahre lang Gemeindepfarrer, unter anderem in Dienethal und Mornshausen (Gladenbach). 2017 feiert er sein 60jähriges Ordinatsjubiläum.

Foto 1, Bildunterschrift: Ist alles für den Traugottesdienst vorbereitet? Die Arbeit von Pfarrerinnen und Pfarrern ist vielfältig. Foto: pixabay.com

Beschreibung: Blick in einen modernen Kirchenraum. Ein Mann im Talar geht auf den Altar zu, man sieht nur seinen Rücken. Der Kirchenraum ist bestuhlt, die Stuhlreihen zum Mittelgang hin tragen Vasen mit weißen Blumen. Mittig vor dem Altar stehen zwei Stühle nebeneinander.

Foto 2, Bildunterschrift. Pfarrer Siegfried Preis i.R.

Beschreibung: Portraitfoto von Siegfried Preis, er wendet sein Gesicht dem Betrachtenden zu. Seine weißen Haare sind zurückgekämmt, die Augenbrauen haben die gleiche Farbe. Er trägt ein dunkelblaues Hemd und ein weißes Jackett.

Ungläubig, aber glücklich!

Von Isabella Brawata

Ich freue mich für Menschen, die im Glauben Halt und Stärke finden. Die meisten, denen ich täglich begegne, gehören dem christlichen Glauben an. Die Mehrzahl meiner muslimischen Bekannten ist nicht sonderlich gläubig und lehnt Religion eher ab.

Auf der Arbeit habe ich viel mit Menschen zu tun, die neu von einem Sehverlust betroffen sind. Viele erzählen mir, dass ihnen ihr Glaube in der schweren Lebenskrise Halt gibt. Wenn mich die Klienten, die von meiner Blindheit wissen, anschließend hoffnungsfroh fragen, ob mir mein Glaube auch weitergeholfen habe, ist es mir fast unangenehm, ihnen gestehen zu müssen, dass ich nicht gläubig bin, mit Jesus und Gott nichts anfangen kann.

Ich bin in Danzig geboren, wo ich die ersten sieben Jahre meines Lebens verbracht habe, ein Jahr davon in einem katholischen Internat. Aber: Nein, ich wurde nicht misshandelt oder missbraucht! Zumindest nicht körperlich. Doch mir wurde das Gefühl von einem strengen Gott vermittelt, der alle meine Sünden sieht, alles von mir weiß und alles an mir missbilligt. Das Lied von den Pet Shop Boys drückt es sehr treffend aus:

When I look back upon my life
it's always with a sense of shame
I've always been the one to blame
For everything I long to do
no matter when or where or who
has one thing in common too
It's a, it's a, it's a, it's a sin!
It's a sin!

Wir mussten vor Weihnachten Heu in eine Krippe werfen, das unsere Sünden und Verfehlungen symbolisierte und Buße tun. Von den Nonnen im Religionsunterricht wurden uns die schrecklichen Martern Christi in aller Ausführlichkeit geschildert: Die Nägel in Armen und Beinen, die Dornenkrone, die Lanze in seinem Körper. Und das alles hat der liebe Jesus nur deshalb erleiden müssen, weil wir so böse sind und so schlimm sündigen. In der Kirche wurden uns kleinen Knirpsen düstere Predigten gehalten, wie furchtbar es ist, zu stehlen, zu lügen, sodass ich völlig verängstigt und eingeschüchtert die Kirche verließ, obwohl ich keine Diebin war und mir nur ab und zu eine kleine Notlüge entfuhr.

Ich lehne den christlichen Glauben ab, weil er mir ein ständiges Gefühl der Unzulänglichkeit und Schuldgefühle vermittelt hat, von denen ich mich befreien musste.

Ein weiterer Punkt, der mir den Glauben an Gott verdorben hat, ist die häufig gehörte Aussage meiner gläubigen Mitmenschen: „Gott wird Dich heilen! Irgendwann wirst Du durch Gottes Hilfe wieder sehen können! Ich bete für Dich!“ Meine Eltern sind mit mir an irgendwelche heiligen Orte gereist, obwohl beide nicht besonders gläubig waren. Aber irgendwie hofften sie anscheinend doch, dass Gott ein Wunder an mir vollführen möge.

Es fällt mir schwer, mich einem Glauben anzuschließen, dessen Anhänger mich mit meinem Behindert-Sein nicht akzeptieren können.

Auch wenn ich weiß, dass man den christlichen Glauben anders auslegen kann, waren meine ersten und prägenden Erlebnisse bestimmt von dem strengen, strafenden Gott, der in mir nur eine erbärmliche Sünderin sieht und der trotz vieler gegenteiliger Behauptungen seine heilenden Wunderkräfte nicht an mir wirken ließ.

Doch während ich mich für meine gläubigen Mitmenschen freue, wenn ihnen ihr Glaube Trost und Freude bringt - unabhängig davon, welcher Religion sie angehören - und ich nicht versuche, sie von ihrer Überzeugung abzuhalten, lassen mich viele gläubige Menschen - interessanterweise bislang nur Christen und Personen mit esoterischen Ansichten - nicht in Ruhe. Ich muss leider immer wieder erleben, wie gläubige Christen oder überzeugte Esoteriker versuchen, mich zu ihrem Glauben zu bekehren oder für ihre Weltanschauung zu gewinnen. Einmal haben mir zwei junge Mädchen die Hände aufgelegt. Das fand ich irgendwie nett und lustig, aber meist ist es für mich einfach nur nervig, wenn Esoteriker mir wirre Geschichten von der Kraft der Erde, Schwingungen, Feldern, Samenkörnern … erzählen. Ich bin verärgert, wenn ich im Zug, im Bus, auf der Straße oder dem Bahnsteig, beim Arzt und sogar von einem Lieferanten von Tiefkühlkost mit der Aufforderung angesprochen werde, endlich zum Glauben zu finden, die Bibel zu lesen und das Heil in Jesus Christus zu finden, oder wenn mir dazu Materialien in Punktschrift oder auf CD in die Hand gedrückt werden. Ich bemühe mich, höflich und freundlich zu erklären, dass ich nicht gläubig und trotzdem keineswegs unglücklich bin. Aber häufig reagieren diese extrem religiösen Menschen dann böse oder beleidigt und geben mir das Gefühl, als wäre damit mein Schicksal besiegelt und ich müsste auf immer und ewig in der Hölle schmoren.

Erfreulicherweise sind jedoch die meisten Menschen sehr tolerant und akzeptieren es, dass es neben ihrer eigenen Weltanschauung noch viele andere Lebensentwürfe gibt, denn die Welt ist bunt! Und das ist auch gut so!

Zur Autorin

Isabella Brawata arbeitet als Reha-Beraterin an der blista Marburg. Sie unterstützt Blinde und Sehbehinderte darin, selbständig und erfolgreich im Beruf zu arbeiten - Faktoren, die zum Glücklichsein beitragen können.

Zwei Fotos ergänzen den Beitrag:

Foto 1, Bildunterschrift: Fegefeuer - Sünde und Buße auch über den Tod hinaus: Manche Aspekte der christlichen Religion sind keine echte Lebenshilfe. Foto: Petra Bork / pixelio.de. Beschreibung: Ein weißes Emailleschild trägt die rote Schrift „Fegefeuer“.

Foto 2, Bildunterschrift: Isabella Brawata. Foto: privat. Beschreibung: Isabella Brawata lacht. Sie trägt ihre braunen langen Haare als Zopf zurückgekämmt.

Gott sucht kein fehlerfreies Bodenpersonal - Warum sich Sehbehinderung und Glaube gut ergänzen

Von Savo Ivanic

„Wie kannst du mit deiner Seheinschränkung an einen guten und liebenden Gott glauben?“ – diese Frage habe ich schon mehr als einmal in meinem Leben gehört. Und ich würde sie als glaubenskritisch denkender Sehender wahrscheinlich genauso stellen.

Eines vorweg: Ich bin in keinem religiösen Elternhaus aufgewachsen. Ganz im Gegenteil. Meine Eltern stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien und hatten die sozialistische Staatsdoktrin vollkommen verinnerlicht. Religion war unter Staatsgründer Tito und seinen Nachfolgern zwar nicht verboten, aber streng auf das Privatleben beschränkt. In meiner Schule in Stuttgart hatte ich zwar katholischen Religionsunterricht, den ließ ich allerdings eher desinteressiert über mich ergehen. So wurde ich zu einem typischen Weihnachts- und - wenn es gut lief - Osterkirchgänger. Später tat das linksliberale bis sozialistisch angehauchte Klima am Institut für Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Uni Marburg sein Übriges, um mich von allzu metaphysischen Gedanken fernzuhalten. Es war also nur konsequent, dass ich gegenüber Menschen, die sich selbst als Christen bezeichneten, äußerst kritisch eingestellt war. Ich empfand sie oft als spießig, verklemmt und lebensfeindlich. So war ich nicht - und wollte es keinesfalls werden!

Neue Perspektiven

Zwei Dinge änderten das: Eine Lebenskrise, in der ich mich auf Sinnsuche begab und dabei anfing, nach dem Gott meines Religionsunterrichts zu fragen - und die Tatsache, dass ich fast zeitgleich Menschen begegnete, die ich auch bei kritischer Betrachtung als attraktiv anders wahrnahm. Das waren keine bigotten Sonntagskirchgänger, sondern authentische Gläubige, die ihren Glauben in ihren Alltag integrierten und dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - offen, fröhlich und weltzugewandt waren. Das fand ich ungemein anziehend! So begann tief in mir ein seltsamer und langwieriger Prozess, der sich über zehn Jahre hinzog. Ich verspürte den Wunsch, auch so zu sein und zu leben wie diese Menschen. Sie strahlten eine unglaublich ansteckende Freiheit aus: Freiheit im Reden, im Tun und im Geben, ja sogar im Denken und Glauben. Ich dagegen empfand mich oft als Gefangener meiner vermeintlichen oder tatsächlichen Sachzwänge, meiner Ichbezogenheit und Selbstgenügsamkeit und vor allem meiner eigenen Wünsche und Wege, die mich zu jenem Zeitpunkt erfolgreich in die private und berufliche Sackgasse geführt hatten.

Eine Lebenswende

Was ich zuerst an anderen kennen und schätzen gelernt hatte, begann schließlich Anfang 2005 auch für mich: Der durch Gott ausgelöste Prozess eines neuen Lebens. Er änderte alles: Meine Denkweise, meinen Glauben, meine Wertevorstellungen, meinen Lebensstil, meine Wünsche und Ziele. Ich lernte einen großartigen Gott kennen, der mich trotz meiner Fehler und Unzulänglichkeiten annahm und seitdem in meinem Alltag präsent ist. Egal ob im Büro, unterwegs oder zu Hause. Was jedoch keineswegs zu einem sorgenfreien Leben geführt hat. Ganz im Gegenteil: Ich habe eine gescheiterte Ehe hinter mir, eine mehrmonatige Erschöpfungsdepression und Phasen längerer Arbeitslosigkeit. Aber ich weiß, dass ich da nicht alleine durch muss. So bekommt das Wort Durchgangsstadium eine ganz neue Bedeutung. Und Scheitern wird zum Neuanfang…

Unvollkommenheit und Schwächen sind erlaubt

Und was die Sehbehinderung betrifft: Nun ja, niemand ist perfekt. Ein Blick in die Bibel genügt, um zu erkennen, dass Gott kein fehlerfreies Bodenpersonal sucht. Die großen Frauen und Männer des Alten und Neuen Testaments waren allesamt unvollkommene Menschen mit Schwächen, Fehlern und Unzulänglichkeiten: Petrus war wankelmütig und impulsiv, David hatte eine Affäre, Jakob war ein Betrüger, Marta machte sich Sorgen ohne Ende, Jona war zögerlich, Paulus hatte Menschenleben auf dem Gewissen (und Augenprobleme), Sara war ungeduldig, Elia depressiv, Thomas ein äußerst kritischer Zweifler. Alles ganz normale Menschen, mit denen ich mich identifizieren kann, keine Superhelden. Und trotzdem: Gott hat sie für kleine und große Dinge gebraucht. Also kann er das auch mit mir. Zumal in jeder Schwäche bekanntlich auch eine Stärke liegt.

Ich will hier nichts beschönigen. Natürlich wäre es auch für mich einfacher, wenn ich bei Projekttreffen, Messen oder in meiner Kirchengemeinde auf den ersten Blick bekannte Gesichter wahrnehmen könnte und gleich wüsste, mit wem ich es im persönlichen Gespräch zu tun habe. Oder wenn ich bei manchen Menschen, denen ich Interesse an einer Freundschaft signalisiere, nicht auf eine gewisse Reserviertheit träfe. Nicht immer, aber durchaus mitunter. Alles Dinge, die ein Leben ohne Sehbehinderung vermutlich einfacher machen würde. Andererseits: Ich habe gerade aufgrund meiner Seheinschränkung einen Lebensweg eingeschlagen, der mir unzählige schöne Erlebnisse beschert hat, die mir kein anderer Weg hätte bescheren können und die ich daher um keinen Preis der Welt missen möchte. Auch deshalb habe ich allen Grund, meine eingangs gestellte Frage nach der Vereinbarkeit meines Glaubens mit meiner Behinderung mit einem klaren Ja zu beantworten und dankbar für ein reiches und erfülltes Leben zu sein – allen Spannungen und Herausforderungen zum Trotz. Zumal es ja keineswegs so ist, dass Sehende diese nicht auch hätten…

Oder wie es der christliche Liedermacher Jürgen Werth in seinem Titel Leben ohne Schatten so schön ausdrückt:

„Leben ohne Schatten ist Leben ohne Sonne, wer nie im Dunkeln saß, beachtet kaum das Licht.

Leben ohne Tränen ist Leben ohne Lachen, wer nie verzweifelt war, bemerkt das Glück oft nicht.

Leben ohne Täler ist Leben ohne Berge, wer nie ganz unten war, schaut gleichgültig ins Tal.

Leben ohne Zweifel ist Leben ohne Glauben, wer niemals sucht und fragt, dessen Antworten sind schal.“

Zum Autor

Savo Ivanic hat neben Politikwissenschaft und Soziologie auch Friedens- und Konfliktforschung in Marburg studiert. Für den DVBS arbeitet er im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und ist Mitarbeiter im DVBS-Projekt inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB).

Zwei Fotos illustrieren den Beitrag:

Foto 1, Bildunterschrift: Auf diesem Planeten müssen die Bewohner nicht perfekt sein. Foto: ColiN008 / pixabay.com

Beschreibung: Die blaue Weltkugel schwebt über einer ausgestreckten linken Hand und wirft ihren Schatten. Der Hintergrund ist vollkommen schwarz.

Foto 2, Bildunterschrift: Savo Ivanic. Foto: privat

Bildbeschreibung: Savo Ivanic lächelt in die Kamera. Er sitzt auf einem Schreibtischstuhl und trägt einen grauen Pullover. Er ist glatt rasiert, sein Haarkranz ist stoppelkurz geschnitten. Auf die weiße Wand im Hintergrund fallen von schräg oben Schattenstreifen.

Wie gut ist Gott? Ein Zwischenruf

Von Uwe Boysen

Ach Du lieber Gott, so eine Frage am Ende des Sommers, wo doch alle Welt sich von den Ferien erholen muss? Aber immerhin hat der horus ja das Thema Glaube aufgegriffen, und da passt diese wahrlich nicht leicht zu beantwortende Frage gut hin.

Natürlich begebe ich mich da als Nichttheologe auf sehr dünnes Eis, mit dem ich glorreich einzubrechen drohe. Doch gibt es so einige Aspekte (viele von ihnen verdanke ich dem Buch von Susan Neiman, Das Böse denken: Eine andere Geschichte der Philosophie, 2004), die sich vielleicht gerade einem Agnostiker aufdrängen.

Fangen wir am Anfang an. Damals, so lehrt uns das Buch der Bücher, war alles gut. Adam und Eva lebten im Paradies. Sie brauchten nicht zu schuften. Alles gedieh prächtig, und sie litten weder Hunger noch Durst. Und dann kam die Geschichte mit der Schlange bzw. dem Apfel. Die Herrschaften übertraten ein Verbot, nun gut. Aber – als Jurist sei mir die Frage gestattet – war die darauf folgende Strafe wirklich angemessen? Wie schwerwiegend war das Verbrechen, oder sollte man nicht eher von einer Ordnungswidrigkeit sprechen? Hätte das Gottesurteil zur Überprüfung eines Berufungsgerichts gestanden, so wäre es gewiss aufgehoben und die Sache an den Schöpfer zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden. Aber es war ja alles noch schlimmer. Gott bestrafte nicht nur Adam und Eva, sondern sämtliche Nachkommen ebenso, also ein klassischer Fall von Sippenhaft, die hier durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt erscheint. Und dann lässt er es im Weiteren auch noch zu, dass Kain und Abel in ihr Verderben tappen. Wahrlich, keine Meisterleistung, mein Herr!

Schauen wir uns weiter um, so stoßen wir unweigerlich auf den Fall Hiob. Dass die ihm auferlegten Prüfungen im Ansatz auf eine Wette des Allmächtigen mit dem Teufel zurückgehen, Gott also Poker spielt, lässt die Beurteilung seines allgemeinen Handelns nicht gerade in einem günstigeren Licht erscheinen.

Natürlich gibt es auch etwas positivere Aspekte für den himmlischen Vater. So lässt er sich immerhin in seinem Streit mit dem Volk Israel am Berg Sinai auf die erste verbürgte Mediation mit Moses als Mediator ein, bei der die zehn Gebote herausspringen. Aber dann benimmt er sich im Neuen Testament doch wieder recht hartherzig, indem er seinen Sohn ans Kreuz nageln lässt. Von Vaterliebe und Familiensinn ist da wenig zu spüren. Und an so einen sollen wir ständig denken und uns von ihm leiten lassen, weil – wie viele von uns in der Kinderzeit gebetet haben – unser Herz ja rein ist und wir dadurch in den Himmel kommen?

Mit Verlaub, lieber Schöpfer, ich bin und bleibe skeptisch.

Zum Autor

Uwe Boysen war Vorsitzender Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Bremen und bis 2016 Vorsitzender des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS).

Foto 1, Bildunterschrift: Biblische Geschichten aus Sicht eines Juristen: Waren die 10 Gebote das Ergebnis einer Mediation? Foto: falco / pixabay.com Beschreibung: Ein buntes Wandgemälde zeigt Moses in einem roten Umhang. Er weist mit einem Stock auf ein aufgeschlagenes Buch aus Stein, das er eng am Körper hält. Der Text der 10 Gebote ist erkennbar.

Foto 2, Bildunterschrift: Uwe Boysen, Richter a. D. Foto: DVBS. Beschreibung: Uwe Boysen trägt eine dunkle Brille. Seine Haare sind weiß.

Blindenschule in der Zentralafrikanischen Republik: Wo die Not am größten ist, kann kaum geholfen werden

Von Rolf Stagge

Der Bürgerkrieg zwischen den muslimischen und christlichen Milizen hat unser Projekt schwer getroffen. Beinahe alles an Einrichtung, Schreibmaschinen, Büchern oder Produktionsgeräten wurde in den letzten zwei Jahren vernichtet oder gestohlen.

Vor wenigen Monaten hat der Wiederaufbau begonnen. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Stühle und Schulbänke gespendet. Wir haben die Mittel für Schränke und Schulmaterial zur Verfügung gestellt.

Es konnte eine Luftfrachtsendung mit neun Braille-Schreibmaschinen auf den Weg gebracht werden. Somit ist die Grundausstattung für den Unterricht wieder vorhanden und die ersten zwanzig Schüler - Blinde jeden Alters und Geschlechts - machen sich wieder jeden Tag auf den Weg, um in zwei Klassenräumen Gemeinschaft in der Not zu erfahren. Es wird gelesen, geschrieben, gesungen, gebetet und geschwätzt.

Das alles geschieht fast unverändert seit mehr als dreißig Jahren in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik.

Für die Betreuung und Finanzierung zeichnet eine kleine Gruppe privater Spender verantwortlich.

Das war nicht immer so. Anfangs hatte sich im nordhessischen Kirchenkreis Hofgeismar die Gruppe Hugenotten helfen neben anderen Initiativen für dieses Projekt stark gemacht. Initiator und bis heute verbliebenes Fördermitglied war und ist Rolf Stagge, der als vom Weltkirchenrat finanzierter Sozialarbeiter in einem Kulturzentrum arbeitete, in dem eine von der Christoffel-Blindenmission (CBM) betriebene Blindenschule und Teppichweberei zu Hause war. Nachdem die CBM-Vorschriften vorsahen, den blinden einheimischen Direktor durch einen sehenden zu ersetzen, wurde der Entschluss gefasst, eine unabhängige Schule zu gründen. Diese besteht nun seit zweiunddreißig Jahren. Die Gründungsmitglieder, der blinde Pastor Nodjidoum als Leiter und Rolf Stagge als Spendenbesorger, Organisator und Freund der Blinden, engagieren sich dort bis zum heutigen Tag. Die staatliche Anerkennung für die Einrichtung gibt es seit mehreren Jahren.

Die Sicherheitslage im Land macht es unmöglich, Hilfe von institutioneller Seite erwarten zu können. Umso mehr ist Hilfe von engagierten Menschen nötig, die ein Weiterexistieren der Einrichtung garantieren und – wenn es geht - sogar die Weiterentwicklung ermöglichen.

Die bisherigen finanziellen Mittel haben nur dazu gereicht, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten, die Miete und ein Lehrergehalt zu bezahlen sowie zwei kleine Mahlzeiten pro Woche anbieten zu können. Für kontinuierliche handwerkliche Tätigkeiten fehlen oft die Mittel. Dabei wäre mit kleinen Spenden bereits vieles möglich: Mit 20 Euro könnten fünfzehn Blinde eine Woche lang mit Mahlzeiten versorgt werden. Das Monatsgehalt eines Lehrers wäre mit 100 Euro Unterstützung bereits gedeckt. Und mit einer größeren Spende von 400 Euro könnte an der Schule sogar eine Palmöl- und Seifenproduktion finanziert werden, die es zukünftig erlauben würde, sich auch handwerklich zu betätigen und die eigenen Produkte zum Verkauf anzubieten.

Vor den Bürgerkriegszuständen kamen mehr als dreißig Blinde regelmäßig zum Treff. Es wird noch eine Weile dauern, bis diese zufriedenstellende Situation wieder erreicht ist.

Dieses Projekt braucht neue Mitstreiter mit Tatendrang und Mut. Die oben genannten Protagonisten sind beide über 70 Jahre alt und würden sehr gerne die Verantwortung allmählich an jüngere Menschen übertragen. Die Blinden von Bangui, viele kommen schon jahrelang, werden es von Herzen danken.

Es gibt vieles zu tun, das über das oben Beschriebene hinausgeht. Das Projekt sollte auf breitere Füße gestellt werden, der zurzeit eher klägliche Internetauftritt (CAFBAC) muss optimiert und die Akquise von Finanzzuwendungen intensiviert werden.

Im Herbst 2017 wird nach vier Jahren wieder die erste Besuchsreise stattfinden. Eine ehemalige Ministerin wird alles vor Ort organisieren. Blinde Freunde wiedertreffen, sich ein Bild von der Situation machen, Kostenvoranschläge für erforderliche Baumaßnahmen einholen, mit anderen internationalen Organisationen in Kontakt kommen, lange Gespräche mit dem warmherzigen und immer gut aufgelegten Leiter führen, Gottesdienste besuchen und anderes werden angesagt sein.

Wer möchte mit auf die Reise gehen - und die Blindenschule in Bangui auf ihrem Weg begleiten?

Infos zur Arbeit der Blindenschule in Bangui gibt es auch auf der Website cafbac.org. Der offizielle Name der Blindenschule lautet: Centre d'Alphabétisation et de Formation en Braille pour les Aveugles en Centrafrique (CAFBAC).

Zum Autor

Rolf Stagge ist Sozialarbeiter und unterstützt seit über dreißig Jahren mit seinem ehrenamtlichen Engagement die Blindenschule Bangui in der Zentralafrikanischen Republik. Die Wintermonate verbringt der 75jährige Nordhesse in Nicaragua, wo er sich in einem Projekt des Franziskanerordens um kranke, alleinstehende oder blinde Senioren kümmert. Kontakt per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Wer die Blindenschule Bangui unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto spenden:

Rolf Stagge, IBAN DE52520900000165733606, Verwendungszweck: Bangui

2 Fotos und eine Bildcollage gehören zum Beitrag.

Foto 1, Bildunterschrift: In der Hoffnung auf Nachricht von Frieden und Unterstützung - Die Blindenschule in Bangui hat durch den Bürgerkrieg gelitten. Ihre Leitung durch den blinden Pastor Nodjidoum ist ein Beispiel für das für das Engagement blinder Geistlicher. Foto: CAFBAC. Beschreibung: Ein schmaler Mann sitzt hinter einem großen Schreibtisch. Er trägt ein gelbes Hemd und eine dunkle Brille. Mit den Händen liest er in Papieren. Rechts von ihm steht ein kleines Kofferradio mit Antenne auf dem Tisch.

Foto 2, Bildunterschrift: Alphonse Nodjidoum, Pastor der Baptistischen Kirche von Ngou-ciment, leitet die Schule. Foto: CAFBAC. Beschreibung: Pastor Nodjidoum ist ein schmaler großer Mann. Er trägt eine dunkle Brille und einen hellen Hut mit Leopardenflecken. Sein dunkler Anzug hat große Taschen, er hat eine Krawatte an. In seiner rechten Hand hält er eine Aktentasche.

Fotocollage. Bildunterschrift. Eindrücke aus der Blindenschule in Bangui. In der zweiten Reihe von oben: Lehrerin Nanette Pake und Lehrer Lucien Kangue. Foto: CAFBAC. Beschreibung von links nach rechts: (1) Ein Junge mit dunkler Sonnenbrille blickt ernst in die Kamera. (2) Eine Gruppe von vier Frauen, im Hintergrund ein Mann, lächelt. Sie stehen vor einem Gebäude. (3) Nanette Pake, Lehrerin, sitzt an einem Schreibtisch und liest mit ihren Händen in einem Buch. (4) Lucien Kangue, Lehrer, am Schreibtisch mit zwei Schreibtafeln für Blindenschrift. Er trägt eine dunkle Brille. (5) Eine Frau mit gebundenem Kopftuch und dunkler Sonnenbrille lächelt. (6) Ein Schüler und eine Schülerin sitzen an der Schulbank und lesen Punktschrift. (7) Ein jugendlicher Schüler schreibt mit Hilfe einer Schreibtafel für Blindenschrift. (8) Außenaufnahme von fünf kleinen Kindern, die in einer Reihe stehen.

Bildung und Wissenschaft

Thorsten Büchner

Mehr als eine Addition aus schlecht sehen und schlecht hören: Hörsehbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler an der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista)

Für Klassenlehrerin Jutta Duncker und ihre Schüler aus der Jahrgangsstufe 8 waren es sehr intensive und beeindruckende Erfahrungen, die sie zu Beginn des vergangenen Schuljahres sammeln konnten. Eine Mitarbeiterin des Förderzentrums Hören aus Friedberg nahm sich einen Vormittag Zeit, um den blista-Schülerinnen und Schülern die Erfahrungs- und Wahrnehmungswelt eines ihrer Mitschüler näher zu bringen. Während des mehrstündigen Workshops ging es darum, besser zu verstehen, wie es sich anfühlt, zusätzlich zur Seheinschränkung auch noch schwer (mit Hörtechnik) oder wenig bis gar nicht (ohne Hörtechnik) hören zu können. Mit Hilfe von Schallsimulationen, die die Schüler über den Kopf ziehen mussten, konnte nachvollzogen werden, welcher undefinierbare Geräuscheteppich auf die hörsehbeeinträchtigten Mitschüler einprasselt. Zusätzlich wurden die Funktionsweisen von Hörgeräten und – im Falle der gehörlosen Schüler – Cochlea-Implantaten anschaulich erläutert. „Für das Miteinander innerhalb der Klasse war dieser Workshop eine absolute Bereicherung“, sagt Duncker.

Diese Workshops sind eines der ersten Ergebnisse einer neuen blista-Arbeitsgruppe, die sich mit der Situation von hörsehbeeinträchtigten Schülerinnen und Schülern an der Carl-Strehl-Schule beschäftigt. Unter der Leitung von Jutta Duncker besteht die Arbeitsgruppe aus Lehrerinnen und Lehrern, Mitarbeiterinnen aus dem Internat, der Rehabilitationseinrichtung (RES), der Öffentlichkeitsarbeit und einer Vertreterin des Elternbeirats, deren Kind selbst hörseheingeschränkt ist. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, diese Schülergruppe spezifisch zu fördern und – mehr noch als bisher schon – die Lern- und Lebensbedingungen für sie an der blista zu verbessern.

Momentan haben an der blista zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler zusätzlich zur Seheinschränkung eine Hörbeeinträchtigung. „Dabei reicht das Spektrum von einer mittelschweren Hörbeeinträchtigung bis hin zur völligen Gehörlosigkeit unter lautsprachlichen Kommunikationsbedingungen", erläutert Jutta Duncker.

Mit Florian Ott, seit einem Jahr Lehrer der Carl-Strehl-Schule, verfügt die neue Arbeitsgruppe über einen echten Experten, da dieser sowohl im Förderschwerpunkt Sehen wie im Förderschwerpunkt Hören ausgebildet ist. Ott hat einen Leitfaden mit Tipps und Infos zum Thema Hörsehbeeinträchtigung zusammengestellt, der an alle Lehrkräfte ausgeteilt wird, die einen hörsehbeeinträchtigten Schüler in der Klasse haben. „Gleichzeitig haben wir begonnen, am Kommunikationsverhalten in den Klassen zu arbeiten“, erklärt Duncker weiter. „Davon profitieren letztlich alle. Dem hörsehbeeinträchtigten Schüler ermöglicht es aber überhaupt erst, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen.“ Innerhalb der Klassen wird daher darauf geachtet, dass immer nur eine Person spricht. Durcheinanderreden soll vermieden werden. Eine deutliche und laute Aussprache, stets in Blickrichtung zum hörseheingeschränkten Mitschüler, ist unbedingt notwendig.

Für diejenigen Schüler, die ein Cochlea-Implantat oder ein Hörgerät nutzen, gibt es bei Bedarf Mikrofonanlagen. Jeder Mitschüler und die jeweilige Lehrkraft haben ein eigenes Mikrofon, so dass der hörsehbeeinträchtigte Schüler den Fachlehrer und seine Klassenkameraden gut verstehen kann. An diesem Punkt unterscheide sich die blista von den meisten anderen Schulen, auch in der Inklusion. Dort gebe es zwar stets Lehrermikros, aber für die Mitschüler eher selten.

Zudem soll nach und nach die Raumakustik der Unterrichtsräume verbessert werden. Auch hiervon profitieren alle, die Schülerinnen und Schüler genauso wie ihre Lehrer. „Das alleine reicht aber nicht aus. Eine Hörsehbeeinträchtigung ist mehr als nur die Addition von schlecht sehen und schlecht hören“, so Duncker.

Für viele Hörsehbeeinträchtigte sei es wichtig, die akustischen Informationen, die sie erhalten, auch visuell mitverfolgen zu können - wenn die Sehkraft es zulässt. „Da fangen wir nun wieder an, bestimmte Gesichtspunkte, die die Unterrichtsstunde gliedern, an die Tafel zu schreiben.“

Das Erlernen einer Fremdsprache stellt zusätzlich hohe Anforderungen an betroffene Schülerinnen und Schüler. Eine große Schwierigkeit ist die Wahrnehmung und Verarbeitung fremder Lautverbindungen. Außerdem weicht die Aussprache häufig vom Schriftbild ab, so dass diese Abweichungen nach anderen Regeln eingeprägt werden müssen. In diesen Fällen kann Betroffenen ein Nachteilsausgleich nützen: Unterrichtsmaterialien werden so aufbereitet, dass sie für den hörseheingeschränkten Schüler stress- und problemärmer wahrgenommen werden können.

“Wenn wir im Unterricht eine Radiosendung hören oder einen Film ansehen, dann geben wir sie dem hörseheingeschränkten Schüler mit nach Hause, damit er dort in Ruhe noch einmal nachhören kann. Oder wir übertragen verbale Informationen in Schriftform, so dass der Schüler im Idealfall mitlesen kann, was gerade gesprochen wird. Auch der Einsatz von spezieller Zusatztechnik, wie etwa Funkanlage und Adapter, kann in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein", verdeutlicht Jutta Duncker.

Nicht nur im Klassen- oder Fachraum findet an der blista Unterricht statt. Auch bei den vielen sportlichen Aktivitäten, wie etwa der Ruderfreizeit, wird Wert darauf gelegt, dass alle Schüler - ob blind, seheingeschränkt oder hörsehbeeinträchtigt -gleichermaßen teilnehmen und teilhaben können. „Dieses Jahr haben wir dank der guten Tipps und Hilfe von engagierten Eltern und der Kreativität von Lehrern eine hervorragende Lösung gefunden“, beschreibt Duncker das folgende Beispiel. Ein Schüler, der nahezu komplett gehörlos ist und nur dank Cochlea-Implantaten hören kann, war mit zur Ruderfreizeit am Edersee gewesen. Im Wasser durfte er die Implantate nicht ohne weitere Schutzmaßnahmen tragen, die das elektrische Hören leider wieder erschweren. Da sein Sehrest zu gering war, um Zeichen des Sportlehrers wahrzunehmen, griffen die Sportlehrer zu einem einfachen aber genialen Trick: Damit er im Einer-Ruderboot Signale der Lehrkräfte empfangen und wahrnehmen konnte, band sich der Achtklässler ein Gerät um das Handgelenk, welches, über Funksignale initiiert, Vibrationsimpulse übertragen kann. Die Sportlehrer konnten ihm so taktil wahrnehmbare Signale senden. Einmal vibrieren hieß: Weiter rudern, zweimal: Stopp.

Diese enge Zusammenarbeit mit den Eltern der hörseheingeschränkten Kinder und Jugendlichen möchte die Arbeitsgruppe gerne ausbauen. Im Rahmen des Sommerfests gab es bereits eine erste Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch. „Überhaupt werden wir in unseren Bemühungen sehr stark von den Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet unterstützt. So hat etwa die Leiterin des Deutschen Taubblindenwerks in Hannover bereits ihre Unterstützung angeboten. Außerdem sind wir mittlerweile gut in der Hörsehbehindertenszene vernetzt“, so die Leiterin der blista-Arbeitsgruppe.

Wie für die Schule, wird auch für den Internatsbereich und den Reha-Unterricht überprüft und überlegt, wie dort die Rahmenbedingungen verändert werden müssen, damit etwa morgens beim Frühstück in der WG der Tag nicht gleich mit einem stressigen Geräusch-Chaos beginnt; oder damit das Orientierungstraining am Nachmittag, was die akustische Reizüberflutung und das individuelle Richtungshörvermögen angeht, so optimal wie möglich ablaufen kann.

Viele der hörsehbeeinträchtigten blista-Schüler waren vorher auf Sehbehinderten-, Gehörlosen- oder Regelschulen. „Einige unserer Schüler haben uns davon berichtet, dass es leider selten so war, dass ganzheitlich gefördert wurde. Zumeist wurde sich auf eine Beeinträchtigung konzentriert und die besonderen Bedingungen, die man braucht, wenn man schlecht sieht und schlecht hört, waren häufig ausgeblendet. Das wollen wir gerne ändern“, fasst Duncker das Ziel ihrer Arbeitsgruppe zusammen.

Kontakt zur Arbeitsgruppe

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Zum Autor

Thorsten Büchner ist Mitarbeiter im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Blindenstudienanstalt, Marburg.

Foto 1, Bildunterschrift: An der blista lernen blinde, sehbehinderte und hörsehbeeinträchtigte Kinder gemeinsam. Auf dem Foto sieht man eine blista-Klasse mit ihrem Lehrer Florian Ott. Foto: Bruno Axhausen

Beschreibung: Eine Gruppe von elf Kindern sitzt auf den Stufen der neuen Aula, Florian Ott in dunkelgrünem Shirt links außen.

Foto 2, Bildunterschrift: Thorsten Büchner. Foto: privat.

Beschreibung: Thorsten Büchern lächelt den Betrachter an. Er trägt eine Brille mit schmalem dunklem Rahmen, ein dunkles Jackett und ein blaues Hemd. Er hat kurzgeschnittene, lockige braune Haare.

Christoffel Blindenmission

Taststock für die Bahn und dritte Augen: Sieger der CBM-Bundessonderpreise Jugend forscht ausgezeichnet

Heidelberg, 3. Juli 2017. Auf dem Rollstuhl-Marathon in Heidelberg hat die Christoffel-Blindenmission (CBM) am Sonntag, den 2. Juli 2017, die Sieger der CBM-Bundessonderpreise der Wettbewerbe Jugend forscht und Schüler experimentieren prämiert.

Den ersten Platz in der Alterskategorie Jugend forscht (15 bis 21 Jahre) belegen Nele Tornow (18) und Fabian Rimmele (18) aus Schleswig-Holstein mit ihrer Orientierungshilfe für Sehbehinderte im ÖPNV. Als zweite Sieger wurden Tobias Fleischer (18) und Max Fleischer (14) aus Baden-Württemberg für ein elektrisches Bordsteinüberwindungssystem für Rollatoren ausgezeichnet. Gewinner in der Kategorie Schüler experimentieren (bis 14 Jahre) ist Anton Lefel (13) aus Schleswig-Holstein mit den dritten Augen. Zweitplatzierter ist Luis Geissler (14) aus Rheinland-Pfalz, der Anti-Stolperschuhe entwickelt hat.

Der CBM-Sonderpreis Innovationen für Menschen mit Behinderungen zeichnet jedes Jahr kreative Studien und Erfindungen aus, die behinderten Menschen den Alltag erleichtern, Chancengleichheit fördern oder sich mit dem Zusammenhang von Krankheit und Behinderung befassen. Besonders Projekte, die einen Beitrag für Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern leisten, haben gute Gewinnchancen. Die ersten Plätze beider Altersklassen auf Bundesebene sind jeweils mit 300 Euro, die zweiten mit 200 Euro dotiert.

1. Platz Jugend forscht: Mit dem Taststock in die richtige Bahn

Nele Tornow und Fabian Rimmele wollen sehbehinderten Menschen das Bus- und Bahnfahren im Öffentlichen Nahverkehr erleichtern. Die Lösung sollte kostengünstig, kompakt und sinnvoll nutzbar sein. Sie installierten auf einem Bahnsteig vier Mikrophone und eine Kamera. Damit nahmen sie die Geräusche von einfahrenden Bahnen an verschiedenen Stellen des Bahnsteigs auf und verglichen mit der Kamera jeweils die Stellung des Waggons. Mit komplizierten Berechnungen aus dem Geräusch des einfahrenden Zugs und dessen Länge konnten die Jugendlichen die Position einer Waggontür voraussagen. Diese Methode kann in einen handelsüblichen Taststock integriert werden. Dieser wird dafür mit einer kleinen Kamera und einem Vibrationssignal versehen und lotst dann den Sehbehinderten zur Tür der S-Bahn.

2. Platz Jugend forscht: Sicher Stufen überwinden mit dem Rollator

Max und Tobias Fleischer haben ein hölzernes Steigrad entwickelt, das so groß wie ein Rollator-Rad ist und die Umrisse der Ziffer Sechs hat. Die Holzscheibe wird mit einem Gestell zwischen die Vorderräder eines Rollators montiert und über eine Fahrradkette mit einem kleinen Motor verbunden. Sobald der Motor über den Schalter am Lenker aktiviert wird, rotiert die Scheibe einmal um ihre Achse und hebt dabei die Vorderräder auf die Höhe des Bordsteins. Weil die Räder dabei gleichzeitig aufkommen und das Steigrad kurzfristig wie eine Stütze wirkt, bleibt der Rollator stabil und kann nicht kippen.

1. Platz Schüler experimentieren: Die dritten Augen aus der Ferne

Anton Lefels Oma sieht mittlerweile so schlecht, dass sie Telefonnummern, Beipackzettel oder eine Zutatenliste nicht mehr lesen kann. Weil alle Familienmitglieder tagsüber entweder bei der Arbeit oder in der Schule sind, kam es oft vor, dass die 89-Jährige bis zum Abend auf Hilfe warten musste. Das Problem: Die alte Dame hat weder ein Smartphone noch einen Internetzugang, kann also nicht einfach ein Foto verschicken, wenn sie wissen will, ob sie eine Hand- oder Schuhcreme vor sich hat. Anton konstruierte ein etwa aktenordner-großes Gerät, an dem eine Webcam wie eine Leselampe an einem Stativ montiert ist. Ein einzelner Druckknopf aktiviert die Kamera und sendet das entstandene digitale Foto über einen USB-Speichermedium in eine Cloud. Gleichzeitig wird eine E-Mail an alle Familienmitglieder geschickt, die den Speicherort des Fotos angibt. So kann jeder, der gerade Zeit hat, das fotografierte Schriftstück lesen, bei der sehbehinderten Person anrufen und den Text vorlesen.

2. Platz Schüler experimentieren: Anti-Stolperschuhe warnen vor Hindernissen

Inspiriert von seiner Oma wollte Luis Geissler etwas bauen, das sehbehinderten Menschen im Alltag hilft und Hindernisse für sie erkennt. Er konstruierte ein kostengünstiges Navigationssystem, das in den Schuhen installiert ist. Auf der Schuhkappe hat der Schüler kleine Infrarotsensoren installiert, die wie die Rückfahrhilfe beim Auto funktionieren. Die reflektierten Wellen aktivieren den Minicomputer im Fersenbereich der Schuhsohle, der kleine Vibrationsmotoren startet. Luis hat diese Motoren aus einem ausrangierten Handy ausgebaut und so am Schuh angebracht, dass sie unterhalb des Knöchels vibrieren. Aktiviert werden die Schuhe über Kabel, die die Schnürsenkel ersetzen und für den Start zusammengesteckt werden müssen. Aufgeladen werden können die Akkus in der Sohle über einen Schuhschrank, der wie ein Induktionsherd funktioniert.

Seit über 100 Jahren Entwicklungshilfe

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den größten und ältesten Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland. Sie fördert seit über 100 Jahren Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern. Die Aufgabe der CBM ist es, das Leben von Menschen mit Behinderungen zu verbessern, Behinderungen zu vermeiden und gesellschaftliche Barrieren abzubauen. Die CBM unterstützt zurzeit 650 Projekte in 63 Ländern. Weitere Informationen unter www.cbm.de.

Foto 1, Unterschrift: (v.l.) Fabian Rimmele (18) und Nele Tornow (18), Schüler an der Alfred-Nobel-Schule in Geesthacht, haben eine Orientierungshilfe für sehbehinderte Menschen entwickelt, mit der diese den Einstieg bei Bussen und Bahnen leichter finden. Foto: CBM

Beschreibung: Fabian Rimmele und Nele Tornow stehen in einem Garten vor einem Baum und halten gemeinsam einen Blindenstock in den Händen. Am Stock ist hinter dem Griff ein rotes Kästchen montiert.

Foto 2, Unterschrift: Der Sieger der Bundespreisverleihung Schüler experimentieren Anton Lefel (13) aus Schleswig-Holstein für seine Erfindung Das dritte Auge. Foto: CBM

Beschreibung: Lefel steht mit seiner Siegerurkunde vor der CBM-Fahne und der Sponsorenwand. Mit links hält er seine Erfindung.

horus-Zeitreisen

Zur Einleitung

Von Uwe Boysen

Die heutigen Zeitreisen zeigen uns, dass die Bäume des Sozialstaates auch schon Anfang der 1980er Jahre nicht in den Himmel wuchsen. Hatten wir in den Jahrzehnten zuvor erhebliche Verbesserungen erreichen können, zeigte sich jetzt, dass diejenigen Linken, die schon früh von der "Sozialstaatsillusion" sprachen, nicht so Unrecht hatten wie man teilweise glauben wollte. Dass sich die Kämpfe um das Blindengeld aber später noch dermaßen verschärfen würden, hat wohl dennoch 1981 niemand wirklich vorausgesehen.

Aber lesen Sie selbst, was der erste Geschäftsführer des heutigen DVBS, Wolfgang Angermann, damals in den "Marburger Beiträgen" schrieb.

Die heutige Quelle: Angermann, Wolfgang: Ausklang 1981. Erschienen in: Marburger Beiträge zur Integration Sehgeschädigter, 6/1981, S. 702-707 (nur in Punktschrift).

Wolfgang Angermann

Ausklang 1981

Mit zahlreichen wohlklingenden Reden wurde dieses "Jahr der Behinderten" eingeleitet, und so manchem, der etwas genauer hinhörte, klang das, was da gesagt, erklärt und versprochen wurde, gar zu programmatisch und zu optimistisch. An die Stelle der Worte treten nun - gegen Ende dieses Jahres - Taten, die allerdings nicht geeignet sind, uns optimistisch zu stimmen.

Gleich in drei Bundesländern schickt man sich an, die Leistungen für Blinde im Interesse der allgemeinen Sparmaßnahmen anzugreifen: In Berlin möchte der Senat die monatlichen Leistungen für Blinde nur noch alle zwei Jahre erhöhen. In Rheinland-Pfalz sollen sie auf dem derzeitigen Stand "eingefroren", für Heimbewohner ganz gestrichen und - was den Beginn der Leistungen angeht - mit einer sechsmonatigen Wartezeit verbunden werden. In Nordrhein-Westfalen hat der Landschaftsverband Rheinland in einer Presseerklärung kürzlich mitgeteilt, er sehe sich nicht mehr in der Lage, das Blindengeld in gesetzlicher Höhe von Januar 1982 an die Anspruchsberechtigten zu zahlen und werde dieser Notwendigkeit entsprechend handeln.

Es ist sicherlich keine Frage, dass auch die blinden Bürger dieses Staates bereit sind, die notwendigen Einsparungen in den öffentlichen Haushalten mitzutragen. Den beschriebenen Plänen in allen drei Bundesländern ist jedoch eines gemeinsam: Die Gleichbehandlung aller Blinden, ob sie nun durch Kriegseinwirkung, Unfall oder Krankheit blind wurden, würde durch die geplanten Maßnahmen aufgehoben. Sowohl § 67 des Bundessozialhilfegesetzes als auch die entsprechenden Vorschriften in den Landesblindengeldgesetzen orientieren sich, was die Höhe der monatlichen Blindenhilfe angeht, an der Bestimmung des § 35 des Bundesversorgungsgesetzes, in der die Höhe der sogenannten Pflegezulage für Kriegsblinde geregelt ist. Eben diese Kopplung wollen die Gesetzgeber in Berlin und Rheinland-Pfalz wieder beseitigen, um in Zukunft eigenständig (z.B. durch Rechtsverordnung) die Höhe des Blindengeldes regeln zu können. Auch die Ankündigung des Landschaftsverbandes Rheinland hat unseres Erachtens den Zweck, politischen Druck auf den Gesetzgeber des Landes Nordrhein-Westfalen auszuüben.

Die Blindenselbsthilfeorganisationen haben unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne ihre Gegenargumente bei den zuständigen Körperschaften vorgetragen. (…)

Im Zusammenwirken mit dem Allgemeinen Blindenverein Berlin und dem Deutschen Blindenverband, dessen zweiter Vorsitzender, Herbert Demmel, sowohl in Berlin als auch in Rheinland-Pfalz sich persönlich darum bemühte, dass die vorliegenden Gesetzesänderungsentwürfe zurückgenommen wurden, scheint es heute, als sei zumindest in Berlin ein in unserem Sinne positives Ergebnis erzielt worden.

Bei der Sitzung des DBV-Verwaltungsrates am 27./28.11.1981 wurden drei Entschließungen gleichen Inhalts verabschiedet, die an die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, den Landtag von Rheinland-Pfalz und - als Schreiben des DBV - an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gerichtet sind. Auch in ihnen wird noch einmal verdeutlicht, dass durch die geplanten Maßnahmen schwere Eingriffe in das System der Rehabilitation, insbesondere durch den Abbau des sozial unabdingbaren Finalitätsprinzips, vorgenommen würden.

Es ist zu hoffen, dass auch die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dem Beispiel Berlin folgen und nach Möglichkeiten der Einsparung von Haushaltsmitteln suchen, die nicht eine bestimmte, dazu noch kleine Bevölkerungsgruppe, mit einem Sonderopfer belasten.

Recht

Dr. Michael Richter

Rechte behinderter Menschen wirklich ernst nehmen: Neue Möglichkeiten zur Umsetzung von Aspekten der Barrierefreiheit durch ein von der Rechte behinderter Menschen gGmbH durchgeführtes Projekt für alle Menschen mit Behinderungen

Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 durch die Bundesrepublik Deutschland ist die Inklusion von Menschen mit einer Behinderung eine Zielvorgabe für unsere Gesellschaft. Im Unterschied zur Integration ist die Inklusion sehr viel mehr dadurch geprägt, dass die Gesellschaft stärker dazu aufgerufen ist, die Rahmenbedingungen für die Einbeziehung von Menschen mit einer Behinderung zu verbessern. Das hierfür wohl wichtigste Instrument ist die Herstellung von Barrierefreiheit, vorrangig im öffentlich zugänglichen Raum. Wie das zu geschehen hat, wird für die Bundesebene wesentlich im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG), auf Landesebene und zumeist für die Kommunen in den jeweiligen Landesbehindertengleichstellungsgesetzen (LGG) grundsätzlich geregelt und im Einzelnen dann in den Fachgesetzen, wie beispielsweise in den Straßen- und Wegegesetzen oder Bauordnungen der Länder, fortgeschrieben. Weiterhin ist bei der dann vorzunehmenden Umsetzung noch auf die Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) und auf einschlägige DIN-Normen abzustellen.

Zwar werden heute deutlich häufiger als noch Anfang dieses Jahrhunderts die Belange von behinderten Menschen, gerade bei der Berücksichtigung von Aspekten der Barrierefreiheit, insbesondere bei öffentlichen Neu- und Umbauten, ernst genommen, und zumeist wird auch versucht, Fachleute in eigener Sache, oder sogar professionelle Expertise von Behindertenverbänden bei der Planung und Umsetzung einzubeziehen. Trotzdem kommt es natürlich immer wieder vor, dass auf guten Rat nicht gehört, anderen Belangen der Vorrang gegeben, oder einfach - ohne Kenntnis der einschlägigen Regelwerke - Barrierefreiheit umgesetzt wird, was dann zu fragwürdigen oder katastrophalen Ergebnissen führt. In diesen Fällen ist bisher guter Rat teuer, da einzelnen behinderten Menschen wegen des Kostenrisikos einer Klage kaum die wirksame Einforderung der korrekten Umsetzung der barrierefreien Gestaltung zuzumuten ist, oder wegen fehlender unmittelbarer Betroffenheit auch schlichtweg gar kein Klagerecht zusteht.

Diesen Aspekt hatten auch die Gesetzgeber bei der Verabschiedung der Behindertengleichstellungsgesetze im Auge. Deshalb wurde für diese Fälle bei besonders relevanten Bereichen das sogenannte Verbandsklagerecht vorgesehen. Wenn sich ein Verband satzungsgemäß besonders einem Thema zuwendet, hier z.B. der Verbesserung der Teilhabechancen von Menschen mit einer Behinderung durch die Umsetzung von Aspekten der Barrierefreiheit, so kann er mit Hilfe der Verbandsklage im eigenen Namen durch ein Gericht feststellen lassen, dass in einem konkreten Fall die einschlägigen Vorschriften zur Barrierefreiheit nicht oder nicht richtig berücksichtigt wurden.

Das Verbandsklagerecht nach dem BGG oder den LGGs erscheint als richtiges Mittel, um Belangen der Barrierefreiheit nachhaltig Geltung zu verschaffen. Es wurde allerdings in den vergangenen Jahren wenig und zumeist nur erfolglos eingesetzt. Die Gründe für die bisher sehr begrenzte Durchschlagskraft dieses Instrumentes liegen nach Einschätzung der Wissenschaft und der Experten der klageberechtigten Verbände im Bereich der Auswahl geeigneter Fälle und im begrenzten Wissen um die praktische Umsetzung einer Verbandsklage. So stellen sich etwa folgende Fragen: Was kostet ein solches Verfahren? Wie lange dauert es? Und was muss ein Verband im Vorfeld einer solchen Klage beachten? Das sind Fragen und Probleme, die übrigens auch beim Verbandsklagerecht für Verbraucherschutzverbände lange den wirksamen Einsatz dieses Instrumentes in den 1980er und 1990er Jahren verhinderten. Diese Informationsdefizite konnten allerdings mit Hilfe von gezielter Beratung und Coaching der Verbände durch Rechtsexperten überwunden werden. Heute ist dieses Instrument zu einer scharfen Waffe bei der Durchsetzung von Verbraucherschutzbelangen geworden.

Genau eine solche Beratung und solches Coaching für kleinere und mittlere Selbsthilfeverbände, die zumeist über keine hauptamtliche Rechtsexpertise verfügen, soll dieses ab dem 1. Januar 2017 drei Jahre laufende Projekt bieten. In dessen Rahmen werden Verbände zunächst für die zuvor beschriebene Problematik sensibilisiert, sollen einschlägige Fälle gesammelt, priorisiert, ggf. vor die seit diesem Jahr eingerichtete Schlichtungsstelle des Bundes (§ 16 BGG) und/oder vor Gericht gebracht und umfangreich öffentlich dokumentiert werden, so dass am Ende des Projektes hoffentlich das Verbandsklagerecht für Behindertenselbsthilfeverbände endlich ein wirksames Instrument zur Durchsetzung von Aspekten der Barrierefreiheit wird.

Besonders erwähnenswert erscheint bei diesem Projekt, dass der Deutsche Blinden-und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) als Projektträger diese Leistung auch Verbänden für Menschen mit anderen Behinderungen anbietet und für die praktische Umsetzung weitestgehend seine Tochtergesellschaft Rechte behinderter Menschen gGmbH (rbm) beauftragt, die so ihrem Namen durch die Vertretung der Interessen auch anderer Behindertengruppen gerechter werden kann.

Dieser Artikel soll zunächst einmal über die neu geschaffenen Ressourcen im Rahmen des Projektes und die hierdurch entstehenden Möglichkeiten informieren. Konkret sind behinderte Menschen ab dem 1. Januar 2017 aufgerufen, Fälle evidenter Verstöße gegen Belange der Barrierefreiheit bei der rbm zu melden, woraufhin deren Geeignetheit für eine Verbandsklage dann geprüft, ggf. Kontakt mit dem einschlägigen Behindertenselbsthilfeverband aufgenommen und die Umsetzung dann geplant würde.

Für diesen Zweck hat die rbm die Mailadresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! eingerichtet und nimmt Fälle auf diesem Weg, aber auch telefonisch in den eingerichteten Sprechzeiten unter den veröffentlichten Durchwahlnummern an (siehe www.rbm-rechtsberatung.de).

Letztlich soll aber vor zu großen Erwartungen gewarnt werden, denn wie bereits dargestellt, waren die bisherigen wenigen Verbandsklagen nur von äußerst mäßigem Erfolg gekrönt. Deshalb wird es in einem ersten Schritt darauf ankommen, Fälle auszuwählen, die ein positives Gerichtsurteil erwarten lassen und das Instrument der Verbandsklage zur Durchsetzung von Barrierefreiheit in der Rechtsprechung etablieren. Dies werden extreme Fälle sein, d.h. Fälle, in denen die Nichtbeachtung von Aspekten der Barrierefreiheit nicht nur die Zugänglichkeit oder Nutzbarkeit von öffentlichen Einrichtungen betreffen, sondern darüber hinausgehend sogar die Sicherheit von Menschen mit einer Behinderung bedrohen, z.B. falsch verlegte Bodenindikatoren, die bei Benutzung zu einer massiven Gefährdung von blinden Menschen im Straßenverkehr führen.

Wenn Ihnen solch evidente und eindeutige Fälle bekannt sind oder werden, scheuen Sie nicht, Kontakt mit uns aufzunehmen. wir prüfen dann, ob nicht gerade Ihr Fall geeignet ist, die Trendwende bei den Verbandsklagen nach dem BGG oder dem jeweiligen LGG herbeizuführen, um so mit Ihrer Hilfe ein wenig "Rechtsprechungsgeschichte" zu schreiben.

Zum Autor

Dr. Michael Richter ist Geschäftsführer der Rechte behinderter Menschen gGmbH (rbm) und früherer Geschäftsführer des DVBS.

Portraitfoto: Dr. Michael Richter. Foto: itrol/ DVBS

Beschreibung: Dr. Richter hat einen kurzen Oberlippenbart und kurzgeschnittene dunkle Haare. Unter dem schwarzen Jackett trägt er ein blaues Hemd.

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Antidiskriminierungsstelle des Bundes u. a.

Erhebung zu Diskriminierung in Deutschland: Gemeinsamer Bericht an den Deutschen Bundestag zeigt Benachteiligungsrisiken in der Arbeitsvermittlung

Bei der Arbeitsvermittlung in Deutschland bestehen teils gravierende Diskriminierungsrisiken. Das geht aus dem gemeinsamen Bericht an den Deutschen Bundestag hervor, den die Antidiskriminierungsstelle des Bundes am Donnerstag in Berlin gemeinsam mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und mit der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen vorgestellt hat.

Diskriminierungserfahrungen bei der Arbeitsvermittlung können demnach individuelle Ursachen haben wie beispielsweise offen diskriminierende Einstellungen von Fachpersonal. Von weitaus grundsätzlicherer Bedeutung sind jedoch Diskriminierungsrisiken in Verfahrensabläufen. Diese können dazu führen, dass Menschen bei der Arbeitssuche nicht ausreichend unterstützt werden – und im schlimmsten Fall dauerhaft arbeitsuchend bleiben.

Als problematisch sehen die Antidiskriminierungsstelle und die beiden Beauftragten beispielsweise das Kennzahlensystem an, das von Arbeitsagenturen und Jobcentern angewendet wird. Fachkräfte richten demnach ihre Vermittlungsanstrengungen zu wenig an Arbeitsuchenden aus, die ihnen auf den ersten Blick arbeitsmarktfern erscheinen – beispielsweise Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderungen.

Auch Informations- und Beratungsdefizite sowie Barrieren beim Zugang zu Dienstleistungen von Arbeitsagenturen und Jobcentern können institutionelle Diskriminierungsrisiken darstellen. Dazu zählt etwa fehlende Barrierefreiheit (z.B. keine Angebote in Leichter Sprache) oder der eingeschränkte Einsatz von Dolmetscherdiensten für Zugewanderte.

„Beim Übergang in eine Erwerbstätigkeit sind viele Menschen auf Unterstützung dringend angewiesen. Arbeitsagenturen und Jobcenter machen hier einen guten Job. Aber an manchen Stellen könnte es noch besser sein. Gerade Benachteiligungen in Verfahrensabläufen können fatale Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Wir machen uns dafür stark, dass Jobcenter und Arbeitsagenturen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch besser ausbilden, um Diskriminierung zu vermeiden. Außerdem sollte es unabhängige Ombudsstellen geben, um Betroffenen besser helfen zu können“, sagte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Staatsministerin Aydan Özoguz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, sagte: „Die Teilhabe am Arbeitsleben ist ein tragender Faktor für gesellschaftliche Zugehörigkeit und somit auch für Integration. Diskriminierung im Arbeitsleben hat daher einen bedeutenden Einfluss auf die soziale und gesellschaftliche Teilhabe. Wir wissen von vielen Studien, dass es Bewerber mit ausländischen Wurzeln, vor allem mit ausländischem Namen auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben – auch mit gleicher oder sogar besserer Qualifikation.

Die Arbeitsverwaltungen sind hier in einer Schlüsselposition. Sie müssen insbesondere Bewerber mit familiären Einwanderungsgeschichten gut informieren, passgenaue Angebote machen und zum Beispiel durch eine assistierte Ausbildung oder erforderlichenfalls über die Anerkennung von Ausbildung oder früherer Berufspraxis den Weg in Ausbildung oder Arbeit ebnen. Auch die Arbeitgeber brauchen Informationen und Ansprechpartner, wenn sie selbst an ihre Grenzen stoßen.“

Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, betonte: „Neben dem Schwerpunkt-thema Arbeitsvermittlung, bei dem es weiterhin vieles zu verbessern gilt, um Diskriminierungen zu vermeiden, werden im ersten Teil des Berichts auch andere Formen der Benachteiligung deutlich. Die meisten Beschwerden beziehen sich auf den privaten Bereich und zeigen, dass in der privaten Wirtschaft noch viele Barrieren gerade für Menschen mit Behinderungen bestehen. Deshalb rate ich dringend dazu, nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) nun das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu erweitern. Das Verweigern von angemessenen Vorkehrungen durch Läden, Restaurants und Arztpraxen muss als eine Form der Diskriminierung in das AGG aufgenommen werden.“

Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der beiden Beauftragten kann der Mehrzahl der institutionellen Diskriminierungsrisiken effektiv und mit einem vertretbaren Aufwand begegnet werden. Im Bereich der Arbeitsvermittlung fordern sie unter anderem, die Kennzahlensteuerung hinsichtlich der vorhandenen Diskriminierungsrisiken zu prüfen und wenn nötig anzupassen. Das in Arbeitsagenturen und Jobcentern bestehende Kundenreaktionsmanagement sollte um unabhängige Ombudsstellen ergänzt werden, an die Kundinnen und Kunden sich auch bei Diskriminierung wenden können. Darüber hinaus sollten Arbeitsagenturen und Jobcenter Leistungsberechtigte noch stärker vorab über Verfahrensrechte wie Akteneinsicht oder mögliche zusätzliche Anträge und über den Anspruch auf Barrierefreiheit informieren. Das Weiterbildungsmanagement sollte stärker auf Sensibilisierung zu Diskriminierungsthemen abzielen.

In einem weiteren, allgemeinen Teil des Berichts ziehen die Antidiskriminierungsstelle und die beiden Beauftragten überdies eine Bilanz zu Benachteiligungserfahrungen, zur Rechtsprechung und zu typischen Fallkonstellationen in den vergangenen vier Jahren.

Für den Bericht wurden Beratungsanfragen ausgewertet, die von 2013 bis 2016 bei der Antidiskriminierungsstelle und den genannten Beauftragten sowie weiteren staatlichen und nichtstaatlichen Antidiskriminierungsstellen eingegangen sind. Die Ergebnisse der Großerhebung Diskriminierungserfahrungen in Deutschland liegen dem Bericht ebenfalls zugrunde. In dieser umfassenden Gesamtdarstellung hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes erstmals systematisch dargelegt, wo Diskriminierung in Deutschland auftritt und welche Personengruppen besonders betroffen sind. Daneben wurde die Rechtsprechung auf nationaler und europäischer Ebene analysiert. Die Antidiskriminierungsstelle hat mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge, der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen, dem Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags den gemeinsamen gesetzlichen Auftrag, alle vier Jahre dem Parlament einen Bericht über Diskriminierungen vorzulegen sowie Empfehlungen zu ihrer Beseitigung und Vermeidung zu geben.

Weitere Ergebnisse im Überblick:

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) erhielt im Berichtszeitraum 2013 – 2016 rund 9.100 Beratungsanfragen. Diese Fälle betreffen vor allem das Arbeitsleben (41 Prozent). Auch in der Studie Diskriminierungserfahrungen in Deutschland geben 48,9 Prozent der Personen mit Diskriminierungserfahrungen an, in den vergangenen zwei Jahren in diesem Bereich Benachteiligung erfahren zu haben. Hier geht es einerseits um den Einstieg in den Arbeitsmarkt – etwa wenn Bewerber wegen eines höheren Alters oder ihrer Religion nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Andererseits geht es um bestehende Beschäftigungsverhältnisse, also beispielsweise die schlechtere Bewertung von Leistungen, Entgeltungleichheit und das Übergehen bei Beförderungen. Ein Viertel der Anfragen bei der ADS im Bereich Arbeitsleben betreffen Geschlechterdiskriminierung.

Im Bereich Güter und Dienstleistungen sind nach den Erfahrungen aller Beratungsstellen Benachteiligungen wegen ethnischer Herkunft und Behinderung besonders häufig. Hier geht es einerseits insbesondere um Zutritts- oder Einlassverweigerungen zu Diskotheken oder Fitnessstudios, andererseits um mangelnde Barrierefreiheit.

Auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich, dass vor allem die ethnische Herkunft das Risiko für eine Diskriminierung erhöht. Ein häufiges Fallmuster ist es, dass ein Besichtigungstermin oder Mietvertrag aufgrund eines nicht-deutschen Namens oder des Migrationshintergrunds nicht zustande kommt. Teilweise werden bestimmte Gruppen, Nationalitäten oder Asylsuchende in Wohnungsinseraten von vornherein ausgeschlossen.

Im Bereich der Ämter und Behörden beklagen Betroffene beispielsweise benachteiligende gesetzliche Regelungen und die Nicht-Gewährung von Leistungen. Menschen mit Behinderungen werden z.B. Anträge im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht gewährt. Oder gleichgeschlechtliche Paare sehen es als Diskriminierung seitens staatlicher Stellen, dass es ihnen nicht möglich ist, eine Ehe einzugehen oder gemeinsam Kinder zu adoptieren.

Der Bildungsbereich spielt insbesondere für die Arbeit nichtstaatlicher Beratungsstellen eine große Rolle – rund 90 Prozent von ihnen erhalten hierzu Beratungsanfragen. Insbesondere geht es hier um Diskriminierungen an Schule und Hochschule wegen der ethnischen Herkunft und Religion, einer Behinderung oder der sexuellen Identität.

Beim Umgang von Betroffenen mit Diskriminierung zeigt sich ein durchwachsenes Bild: Wie die Studie „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“ zeigt, wird der Mut, sich gegen eine Benachteiligung zur Wehr zu setzen, häufig nicht belohnt: Bei rund einem Viertel derjenigen, die Maßnahmen gegen eine Diskriminierung ergriffen hatten, wiederholte sich die Diskriminierung. Gut jeder und jede Zehnte berichtete sogar von einer Zunahme. Nur 18 Prozent sprachen von positiven Folgen wie einer Entschuldigung oder Wiedergutmachung. Insgesamt gehen vier von zehn Betroffenen nicht gegen eine Diskriminierung vor. Dabei berichten Befragte, dass die Erfahrungen sie belasten, sie misstrauischer werden, soziale Kontakte abbrechen oder sogar krank werden.

Rund 70 Prozent der von Diskriminierung betroffenen Befragten kennen keine Beratungsstelle in ihrer Nähe, bei der sie Unterstützung finden können. Immerhin 76,4 Prozent der Personen, die nach eigenen Angaben Diskriminierung erlebt haben, kennen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Den Schutzumfang schätzen sie aber mehrheitlich als nicht ausreichend ein.

In gemeinsamen Handlungsempfehlungen kommen die Beauftragten unter anderem zu dem Schluss, dass der rechtliche Schutz vor Diskriminierung und die Rechtsdurchsetzung verbessert werden müssten. Hierzu zählen neben der Einführung eines Verbandsklagerechts und der Verlängerung der Fristen auch Klärungen bei der Beweislastregelung und die Überprüfung der Deckelung des Entschädigungsanspruches.

Im AGG sollte klargestellt werden, dass es eine Diskriminierung darstellt, Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen zu versagen - das heißt im Einzelfall notwendige und geeignete Maßnahmen, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt teilhaben können.

Des Weiteren muss ein umfassender Diskriminierungsschutz für alle geschützten Merkmale des AGG im Bereich Güter und Dienstleistungen gewährleistet werden. Auch der Schutz auf dem Wohnungsmarkt reiche nicht aus. Hier empfiehlt der Bericht eine Streichung des § 19 Abs.3 AGG, mit dem Wohnungsunternehmen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können.

Der Anwendungsbereich des AGG sollte außerdem um ein Diskriminierungsverbot in Bezug auf staatliches Handeln ergänzt werden. Lücken im Diskriminierungsschutz in diesem Bereich sollten durch Landesantidiskriminierungsgesetze geschlossen werden.

Zudem wird ein zeitnaher und flächendeckender Ausbau staatlicher und nichtstaatlicher Antidiskriminierungsstellen auf Landes- und kommunaler Ebene empfohlen. Dafür braucht es eine langfristige institutionelle Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen.

Ergänzende Informationen:

Die Broschüre steht als PDF-Datei zum Download unter http://www.antidiskriminierungsstelle.de bereit:

Die Print-Ausgabe ist kostenlos erhältlich und kann per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder telefonisch (Tel. 030 18555-1855) bestellt werden.

Bibliographische Angaben: Diskriminierung in Deutschland: Dritter Gemeinsamer Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages. Herausgegeben von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Berlin, Juni 2017.

Ergänzendes Foto, Bildunterschrift: Christine Lüders, Verena Bentele und Aydan Özoguz stellen den Bericht zum Thema Diskriminierung in Deutschland vor. Foto: Ingo Heine

Beschreibung: Die drei Frauen halten gemeinsam ein Exemplar des Berichts - eine dicke Broschüre mit rotem Titelblatt.

Bücher

Thorsten Büchner

Hörbuchtipps aus der blista: Neue Hörbücher in der DBH

Martin Suter: Elefant

Diogenes, Zürich, 2017. Bestellnummer: 819361, Laufzeit: 7 Std. 11 Min.

Ein kleiner rosa Elefant, der im Dunkeln leuchtet und lebt? Der Obdachlose Schoch traut seinen Augen nicht ... kümmert sich aber fortan liebevoll um seinen Findling. Doch Genforscher heften sich an seine Fersen, ist das Tier doch das Resultat eines misslungenen Gen-Experiments – Der neue Krimi des preisgekrönten Bestsellerautors.

Tina Uebel: Uebel unterwegs. Skurriles und Bemerkenswertes vom Landweg Hamburg-Shanghai

Delius Klasing, Bielefeld, 2016 Bestellnummer: 818161, Laufzeit: 9 Std. 41 Min.

Deutschland - Serbien - Bulgarien - Türkei - Iran - Turkmenistan - Usbekistan - Kasachstan - China. Sieben Wochen lang ist Tina Uebel unterwegs von Hamburg nach Shanghai - und das allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Uebel erzählt von ihren Begegnungen in den Zügen dieser Welt, von ihren ganz persönlichen Begegnungen mit den fremden Kulturen der verschiedenen Länder, die sie passiert.

Norbert Nedopil: Jeder Mensch hat seinen Abgrund

Goldmann, München, 2016. Bestellnummer: 814421, Laufzeit: 8 Std. 20 Min.

Prostituiertenmörder, Briefbombenleger, Kinderschänder, Akteure im NSU-Prozess: Schon viele Menschen haben Norbert Nedopil einen tiefen Einblick in ihre Seele gewährt. Ein grundlegendes Interesse an der menschlichen Psyche lässt den bekanntesten forensischen Psychiater Deutschlands auf Spurensuche gehen: Welche Faktoren führen dazu, dass ein Verbrechen geschieht? Wann muss ein Täter ins Gefängnis, wann in die Psychiatrie? Was passiert nach dem Strafvollzug? Pointiert entschlüsselt Nedopil die gesellschaftlichen und psychologischen Dimensionen des Verbrechens und gibt Einblicke in seine spektakulärsten Fälle.

Ada Dorian: Betrunkene Bäume

Hörbuch Hamburg, Hamburg, 2016. Bestellnummer: 823711, Laufzeit: 6 Std. 50 Min.

Erich befindet sich im hohen Alter und merkt, dass ein selbstbestimmtes Leben immer schwieriger wird. Neben ihm zieht die Ausreißerin Katharina ein. Die beiden lernen sich kennen und können voneinander lernen, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe, Treue, Heimat, Freundschaft – Weil Ada Dorians Großmutter blind war und gerne Hörbücher der DBH hörte, war es der Schriftstellerin ein Anliegen, dass ihr Debütroman auch Blinden und Sehbehinderten zugänglich wird. So erlaubte sie der DBH, die ungekürzte kommerzielle Fassung von Betrunkene Bäume in die Ausleihe zu übernehmen.

Klaus Zeyringer: Olympische Spiele. Band 1: Sommer

  1. Fischer, Frankfurt/Main, 2016. Bestellnummer: 811781, Laufzeit: 25 Std. 25 Min.

Eine Kulturgeschichte der Olympischen Spiele von 1896 bis heute: Die Wandlung vom idealistischen Sportereignis zum kommerziellen Massenspektakel unter Berücksichtigung politischer, kultureller und sozialer Aspekte der jeweiligen Zeit.

Hörbücher zum Schwerpunktthema „Glaube“

Thomas Kaufmann: Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation

Beck, München, 2016. Bestellnummer: 814891, Laufzeit: 18 Std. 49 Min.

Die Reformation entstand fernab der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentren Europas und hat doch den gesamten Kontinent in Aufruhr versetzt. Der Kirchenhistoriker zeigt, wie Europa umgestaltet wurde und welche Nachbeben die Reformation bis heute auslöst.

Waltraud Lewin: Feuer. Der Luther-Roman

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2014. Bestellnummer: 774381, Laufzeit: 13 Std. 15 Min.

Die Romanbiografie zeichnet Luther als einen schwierigen, zerrissenen Menschen, der sich zwischen alle Stühle setzt, und legt den Schwerpunkt auf das innere Ringen des Reformators und auf die gesellschaftlich-politischen Auswirkungen seines Schaffens.

Deborah Feldman: Unorthodox

Secession Verlag für Literatur, Zürich, 2016. Bestellnummer: 802161, Laufzeit: 13. Std. 35 Min.

Die Autorin (geb. 1986) erzählt ihre Flucht aus den Fesseln religiöser Extremisten lebensnah, analytisch klug und literarisch anspruchsvoll. In der chassidischen Satmar-Gemeinde in Williamsburg, New York, herrschen die strengsten Regeln einer orthodoxen jüdischen Gruppe weltweit. Die Satmarer leben abgeschirmt, man spricht nur Jiddisch, und Frauen werden unterdrückt. Die Geschichte einer Befreiung.

Ihr Kontakt zur DBH

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Postfach 1160, 35001 Marburg, Telefon: 06421/606-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! … oder in unserem barrierefreien Online-Katalog unter www.katalog.blista.de

Grafik "Luther 2017" mit Text "Am Anfang war das Wort. Luther 2017. 500 Jahre Reformation". Beschreibung: Grafische Bearbeitung eines Lutherportraits in schwarz-weiß auf rotem Hintergrund mit Schrift.

Thorsten Büchner:

Buch- und Zeitschriftentipps aus der blista

Fabian Vogt: Wenn Engel lachen: Die unverhoffte Liebesgeschichte der Katharina von Bora

Hansisches Druck- und Verlagshaus, Frankfurt/Main, 2015. Bestellnummer: 4878, 1 Band, KR, 21,50 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich).

Weder die eigenwillige Katharina von Bora noch der ehrenwerte Professor Martin Luther hätten gedacht, dass aus ihnen mal ein Paar werden würde. Denn Katharina war unsterblich in einen Patriziersohn verliebt, während Luther ein Auge auf Katharinas Freundin Ava geworfen hatte. Beide wollten sie ein gutes Wort für den jeweils anderen einlegen. Wie aus dieser Abmachung im Atelier von Lukas Cranach schließlich doch eines der berühmtesten Paare unserer Geschichte wird, erzählt Fabian Vogt höchst unterhaltsam. Und nimmt uns mit hinein in eine Liebe, in der sich die ganze Dynamik der Reformation widerspiegelt. Ein mitreißendes Lesevergnügen.

Johann Hinrich Claussen: Die 95 wichtigsten Fragen - Reformation

Beck, München, 2016. Bestellnummer: 4879 2 Bände, KR, 42 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich).

Verdanken wir der Reformation die Demokratie, den Kapitalismus und die Menschenrechte? Oder steht sie vor allem für ein moralisches und religiöses Eiferertum, das heute überholt ist? Und was war überhaupt Luthers Problem?

Über Luther und die Reformation sind auch 500 Jahre nach dem Thesenanschlag von Wittenberg viele Fragen offen. Johann Hinrich Claussen erklärt in seinem elegant und voraussetzungslos geschriebenen Buch, was die Reformatoren wollten, warum sie die Kultur in Europa nachhaltig verändert haben und was heute von der Reformation zu halten ist. - Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Braille-Zeitschriften aus Marburg

Bei der blista kann man monatlich vier Braille-Zeitschriften mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten im Abonnement beziehen. Ein kostenloses Probeexemplar schicken wir Ihnen gerne zu.

Das Beste aus Readers Digest

Interessante Artikel aus allen Bereichen des Lebens, spannende Lebensschicksale, Wissenswertes aus dem Tierreich, Reiseberichte und Lustiges. Eine unterhaltsame Mischung.

Medienart: Reformierte Kurzschrift (KR), 12 Ausgaben pro Jahr bieten wir zum Abonnementpreis von 148,80 Euro.

Die Brücke

Die Zeitschrift für junge Leute. Sie informiert zu den Themen Musik, Mode und Lifestyle, Technik, Berufe für Blinde und Sehbehinderte, Politik, Wissenschaft, Mediennutzung, heiße Tipps aus der Jugendarbeit, Hilfsmittel und mehr.

Medienart: Reformierte Kurzschrift (KR) – Umfang ca. 48 Seiten, 12 Ausgaben pro Jahr bieten wir zum Abonnementpreis von 24,50 Euro.

Das Büro

Die Fachzeitschrift für blinde und sehbehinderte Menschen in Büro- und Verwaltungsberufen. Neben Informationen zu den neuesten technischen und digitalen Entwicklungen greift die Zeitschrift auch Fragen aus dem Arbeitsalltag auf. 4x jährlich mit einer EDV-Beilage.

Medienart: Reformierte Kurzschrift (KR), 12 Ausgaben pro Jahr bieten wir zum Abonnementpreis von 79,20 Euro.

Unter uns

Eine Zeitschrift mit Themen für Frauen und Mädchen. Es gibt Informationen zu allen Bereichen, die Frau interessieren: Leben, Gesundheit, Haushalt, Geld/Recht, Reise und Literatur. Als lose Blattsammlung liegen leckere Rezepte bei.

Medienart: Reformierte Kurzschrift (KR), 12 Ausgaben pro Jahr bieten wir zum Abonnementpreis von 87,00 Euro.

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Bundeszentrale für politische Bildung

Informationen zur politischen Bildung aktuell: Bundestagswahl 2017

Am 24. September 2017 wird der Deutsche Bundestag gewählt. 61,5 Millionen Menschen sind dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben und die zukünftige Bundesregierung zu bestimmen. Eine aktuelle Ausgabe der "Informationen zur politischen Bildung" liefert auf verständliche Weise alles Wissenswerte zu Prinzipien und Ablauf der Wahl. Autor Frank Decker erklärt unter anderem das Thema der Überhangmandate, blickt auf die vergangene Legislaturperiode zurück und analysiert die Ausgangslage vor der Wahl 2017.

Herausgegeben werden die Informationen von der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Neben der Printversion ist dort die DAISY-Hörversion auf CD kostenlos erhältlich (Bestellnummer: 4031) und steht als ZIP-Datei auf der Website zum Download bereit. Wer die Hörfassung lediglich ausleihen möchte, kann sich an die Deutsche Zentralbücherei für Blinde (DZB) wenden und die Hörbuchnummer H039306 angeben.

Kontakt: Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Telefon: 0228 99515-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Download-Link: http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/info-aktuell/247719/bundestagswahl-2017

Teilhabebericht zum Zuhören

Die Bundesregierung erstellt in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Der aktuelle, zweite Bericht (Stand: Dezember 2016) kann als Daisy-Hörfassung kostenlos bestellt werden (Tel.: 030 185270) und steht als PDF-Datei unter "Publikationen" auf www.bmas.de zum Download bereit.

Panorama

Andrea Kurtenacker

talentplus.de: REHADAT-Infoportal ist mit neuen Inhalten online

REHADAT hat sein Informationsportal zum Thema Arbeitsleben und Behinderung talentplus.de komplett überarbeitet und durch neue Inhalte ergänzt. Das Portal beantwortet praxisnah alle Fragen, die sich aus Sicht von Arbeitgebern und Beschäftigten mit Behinderung im Arbeitsleben ergeben.

Die neue Hauptnavigation des barrierefreien Portals gliedert die umfangreichen Inhalte in folgende Rubriken: Personalgewinnung, In Beschäftigung, Förderung und Wer hilft? Sie leiten den Nutzer zu konkreten Themen weiter, wie beispielsweise Fachkräftesuche, Ausbildung, Hintergrundinformationen zu unterschiedlichen Behinderungsarten, Gesetzen und Urteilen, Fördermöglichkeiten oder Prävention. Dabei liefert talentplus.de die konkreten Kontaktdaten der unterstützenden Institution gleich mit. Ein umfassendes Fachlexikon mit mehr als 300 Begriffen zum Thema Arbeitsleben und Behinderung rundet das Angebot ab.

„Der neue Internetauftritt ermöglicht Arbeitgebern und Arbeitnehmern einen einfachen und schnellen Zugang zum komplexen Thema der beruflichen Inklusion“, erläutert Petra Winkelmann, Leiterin des IW-Kompetenzfelds Berufliche Teilhabe und Inklusion. „In Zeiten des Fachkräftemangels und einer immer älter werdenden Belegschaft ist das enorm wichtig. Die Möglichkeiten der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sind noch nicht ausgeschöpft“.

REHADAT ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.

Bild: Logo der talentplus-Plattform.

Andrea Kurtenacker

Wer fördert die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung? - REHADAT-Förderfinder-App online

REHADAT hat die erste App zur Suche nach Fördermöglichkeiten für die berufliche Teilhabe von (schwer)behinderten Menschen in Deutschland veröffentlicht. Arbeitgeber, Berater und Betroffene können nach bundesweiter Regelförderung oder nach Sonderförderprogrammen der Länder suchen – bis jetzt sind über 50 verschiedene Fördermöglichkeiten vorhanden.

Der Nutzer kann die Suche individuell gestalten und erfährt in der Detailansicht mehr über Zielgruppe, genaue Inhalte, Laufzeit und Umfang der Förderung. Außerdem bekommt er nützliche Links zu Ansprechpartnern oder direkt zum jeweiligen Programm. Ein umfangreiches Lexikon der beruflichen Teilhabe ergänzt die barrierefreie App.

Zum Hintergrund: Die berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt soll in Deutschland weiter erhöht werden. Deswegen wird die Ausbildung, Einstellung und Weiterbeschäftigung von behinderten, schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen gefördert. Es gibt Förderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Form von finanziellen Zuschüssen, Darlehen und Prämien. Darüber hinaus erhalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfangreiche kostenfreie Beratung oder Coachings durch Integrationsberater der Kammern, der Rehabilitationsträger, der Integrationsämter und durch Berater anderer Dienstleister.

Die kostenlose Förderfinder-App ist bei Google Play (https://play.google.com) oder bei iTunes (https://itunes.apple.com) erhältlich. Die Verlinkung zu beiden finden Interessierte auf dem REHADAT-Portal zu Arbeitsleben und Behinderung talentplus.de (https://www.talentplus.de/foerderung/foerderfinder-app/index.html)

Kerstin Tack

Bundesfreiwilligendienst inklusiv ausgestalten und notwendige Assistenz ermöglichen

Bundesfreiwilligendienstleistende mit Behinderungen haben derzeit keinen Anspruch darauf, dass der Bund ihre Assistenzleistungen übernimmt. Aus diesem Grund nahm der Deutsche Bundestag am 29. Juni 2017 einen Antrag an, der fordert, zukünftig auch Menschen mit Behinderungen die Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst (BFD) barrierefrei zu ermöglichen (Drucksache 18/12945).

„Assistenzleistungen wie das Gebärdensprachdolmetschen sollen beim Bundesfreiwilligendienst (BFD) künftig vom Bund übernommen werden", erläutert Kerstin Tack, die behindertenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, gemeinsam mit ihrer Kollegin Svenja Stadler, der engagementpolitischen Sprecherin. "Das bedeutet, dass beispielsweise Gehörlose barrierefrei an Bildungsseminaren des BFD teilnehmen können. Diese Assistenzleistungen sollen unbürokratisch beim Familienministerium abgerufen werden können."

Darüber hinaus soll es einen gemeinsam mit der Bundesfachstelle Barrierefreiheit entwickelten Kriterienkatalog zur inklusiven Ausgestaltung des BFD geben. In Zusammenarbeit mit den Trägern, Einsatzstellen und allen anderen beteiligten Akteuren soll daraufhin ein Konzept entwickelt werden, um die Inklusion im BFD auf allen Ebenen zu gewährleisten. Der Bund soll ein Budget in Höhe von zwei Millionen Euro pro Haushaltsjahr zur Verfügung stellen, aus dem angemessene Vorkehrungen und Assistenzleistungen finanziert werden.

"Wir wollen, dass die Möglichkeit, sich zu engagieren, allen Menschen offen steht, unabhängig von Alter, sozialem Status, Bildungshintergrund und Einwanderungsgeschichte", so Tack.

Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)

Inklusives Design: Sehbehindertengerecht und doch für Sehende attraktiv

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat Designer, Experten für Barrierefreiheit und Vertreter verschiedener Augenerkrankungen im Projekt "Inklusives Design" zusammengebracht und praxistaugliche Empfehlungen für die Gestaltung von Printprodukten und Webseiten erarbeitet.

Wer ist nicht schon über schlecht lesbare Texte gestolpert? Auf Lebensmittelverpackungen, in Prospekten, in Zeitschriften, aber auch im Internet? Zu klein oder zu eng gesetzt, zu unübersichtlich, zu bunt, zu schwache Kontraste. Sehbehinderte Menschen kennen das Problem besser, als ihnen lieb ist. Unter schlechter Gestaltung leiden aber auch sehende Menschen, in unserer alternden Gesellschaft sogar immer häufiger. Bei der Gestaltung von Printprodukten und Webseiten haben Grafiker die Bedürfnisse von Menschen mit Seheinschränkung nur selten im Blick. Die bestehenden DIN-Normen und Empfehlungen für barrierefreies Design werden ignoriert.

Wie aber sollten Printprodukte und Webseiten gestaltet sein, damit sie gut lesbar und zugleich gut gestaltet sind? Im Rahmen des Projekts Inklusives Design sind Empfehlungen zur Gestaltung sehbehindertengerechter Medien entwickelt worden. Dabei geht es um geeignete Schriften und Schriftgrößen, um Abstände und Hervorhebungen, um Kontraste und Bilder, um Unterschiede zwischen Print- und Webbereich. Alles verständlich und mit neuen Anwender-Tools praxistauglich aufbereitet - für Profis wie für Laien. Informationen und nützliche Helferlein wie Schriftgrößen- oder Kontrastrechner findet man auf der Online-Plattform www.leserlich.info.

Lydia Barkhau

Den Alltag bewältigen lernen in Boltenhagen

Im Boltenhagener Aura-Hotel "Ostseeperlen", einer Einrichtung des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Mecklenburg-Vorpommern e.V., stehen 2018 wieder Kurse zur Bewältigung des Alltags im Programm.

Durch die Vermittlung der Braille-Voll- und Kurzschrift etwa lernen blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen, wieder selbständig zu schreiben und zu lesen. Die Brailleschrift erhöht die Selbständigkeit der Kursteilnehmer wesentlich. Der Kurs besteht aus fünf einwöchigen Präsenzphasen und kann mit einem Zertifikat abgeschlossen werden. Natürlich ist es möglich, auch nur die Vollschrift zu lernen.

Auch ein Kurs zum Erlernen des Zehnfingerschreibens auf der PC-Tastatur wird angeboten. Das Zehnfingerschreiben ist für Blinde und stark Sehbehinderte eine notwendige Voraussetzung, um einen PC ohne Maus zu bedienen. Ein Zertifikat kann im letzten der drei Kursteile erworben werden.

Außerdem werden die bewährten PC-Kurse "Windows 7 mit Jaws" und "Internet mit Jaws" durchgeführt - für Einsteiger jeweils im März 2018, für fortgeschrittene Anwender im Oktober. Ebenfalls im Oktober wird ein Excelkurs stattfinden.

Für weitere Infos, etwa zu Terminen, Teilnehmergebühren, Fördermöglichkeiten oder Kursinhalten sowie für die Anmeldung wenden Sie sich bitte an:

Lydia Barkhau, Tel.: 038203 62993 (abends) oder 038203 62029 (tags), E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

oder an das

Aura Hotel „Ostseeperlen“ Boltenhagen, Strandpromenade 53, 23946 Ostseebad Boltenhagen, Tel.: 038825 3700, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Homepage: www.ostseeperlen.de.

Foto: Das Aura-Hotel heißt blinde und sehbehinderte Gäste willkommen. Foto: BSVMV. Beschreibung: Blick durch einen Gartentorbogen auf den Eingangsbereich des Aura-Hotels: Eine weiße Leitlinie führ zu einer roten Eingangstür.

Dr. Imke Troltenier

RehaFair 2017 – EDV-Ausstellung am 17. November in Marburg: Namhafte Firmen präsentieren ihre Produktneuheiten

In diesem Jahr wird der Campus der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg wieder zum Treffpunkt in Sachen Hilfsmittel für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. Ob für Schule, Ausbildung, Beruf oder für den Alltagsgebrauch, viele namhafte Firmen aus dem Hilfsmittelbereich präsentieren ihre Produkte.

Die RehaFair richtet sich an Jung und Alt. Von 10 bis 16 Uhr können die Besucher die neusten Trends und bewährte Hilfsmittel-Klassiker ausprobieren und sich in ruhiger Atmosphäre aus erster Hand informieren und kompetent beraten lassen.

Neben zahlreichen Ausstellern sind auch die Rechtsberatungsgesellschaft Rechte behinderter Menschen gGmbH (rbm) und das Reha-Beratungszentrum sowie die Seniorenberatung der blista auf der RehaFair präsent. Auch der blista-Hilfsmittelshop ist während der Ausstellungszeiten geöffnet.

Die RehaFair findet am Freitag, dem 17. November von 10 bis 16 Uhr in der Sporthalle der Carl-Strehl-Schule auf dem blista-Campus statt. Der Eintritt ist frei.

In diesem Jahr lohnt sich der Besuch für ältere Menschen und ihre Angehörigen ganz besonders, denn am Nachmittag gibt es spezielle Führungen sowie nützliche Infos über Hilfsmittel, die den Alltag erleichtern können.

Ihr Kontakt

Manfred Duensing, Koordination, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

blista-Öffentlichkeitsarbeit
blista, Am Schlag 2-12, 35037 Marburg, www.blista.de

Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)

Barrierefreiheit und Mobilität

Sehen im Alter - Aktionsplan 2022

Das Aktionsbündnis Sehen im Alter setzt sich dafür ein, vermeidbaren Sehverlust zu verhindern und Menschen mit Sehverlust optimal zu unterstützen. Es versteht sich als Impulsgeber und als Akteur. Es setzt auf Innovation und Kooperationen. Dafür wirbt es um weitere Partner im Gesundheitswesen, in Politik und Gesellschaft.

Vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) 2014 gegründet, gehören dem Aktionsbündnis inzwischen 30 Fachverbände und Institutionen sowie 88 Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen (Augen-)Medizin, Augenoptik, Rehabilitation, Altersforschung, Pflege, Politik, Verwaltung, Selbsthilfe und Seniorenvertretungen an.

Für die nächsten Jahre gibt sich das Bündnis folgenden Aktionsplan:

1. Das Sehen im Blick haben - Qualität in der Pflege verbessern

Das Aktionsbündnis fordert eine Qualitätsoffensive in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Der Bedarf hierfür ist durch Projekte und Studien belegt.

Neben einer Checkliste für den Erstkontakt werden dafür Mindeststandards der Barrierefreiheit und Angebote für Mitarbeiterschulungen bereitgestellt. Durch ein Siegel können Einrichtungen mit vorbildlicher Expertise und Barrierefreiheit ihre Qualität sichtbar machen.

Es sind weitere Handlungsbedarfe, Maßnahmen und Inhalte zu definieren, die helfen, das Sehen zu erhalten sowie die Sicherheit und die Aktivität von Senioren mit Sehbeeinträchtigung zu verbessern. Die Beteiligung am Runden Tisch der Stiftung Auge zu den Erkenntnissen der OVIS-Studie wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten.

2. Versorgungsforschung stärken

Die junge Disziplin der versorgungsnahen Forschung steht auf dem Gebiet der sensorischen Beeinträchtigung erst am Anfang. Dennoch müssen unabhängig von Einzelinteressen und Kostenfragen Unter- und Fehlversorgung ermittelt werden. Basierend auf einer Landkarte der Versorgungsforschung sollen Erkenntnisse transparent gemacht, Lücken identifiziert und Forschungsprojekte gezielt angestoßen und unterstützt werden. Belastbare Daten zu Ansätzen der Rehabilitation, der Telemedizin etc. können helfen, die Versorgungsplanung zu verbessern. Dazu will das Aktionsbündnis seinen Beitrag leisten.

3. Prävention für Millionen

Das Wissen um Erkrankungen und Risikofaktoren ermöglicht sinnvolle Prophylaxe und rechtzeitige Behandlung. Deshalb spricht sich das Aktionsbündnis für öffentlichkeitswirksame Aufklärungs- bzw. Präventions-Kampagnen zum Erhalt der Augengesundheit aus. Dafür werden weitere Partner gewonnen und die Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vertieft.

Geeignete Inhalte reichen von Risikofaktoren für altersbedingte Augenerkrankungen über sinnvolle Strategien zur Primärprävention in den ersten Lebensjahrzehnten bis hin zu Chancen von Früherkennung und verbesserter Behandlung für den Erhalt von Selbstbestimmung, Aktivität, Teilhabe und Lebensqualität im Alter.

4. Aktionsplan Rehabilitation und Teilhabe

Sehverlust wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus und beeinträchtigt Alltagsaktivitäten, vor allem in den Bereichen Informationsaufnahme, Kommunikation, Orientierung und Mobilität. Folgeerkrankungen, der Verlust der Selbstständigkeit, soziale Isolation und sogar Pflegebedürftigkeit drohen. Gleichzeitig fehlen spezifische Unterstützungsdienste und -leistungen für sehbeeinträchtigte Senioren.

Im Wissen um den Wert des Sehens und die besondere Lebenssituation von Senioren müssen deshalb bereits heute mögliche Einzelmaßnahmen der Rehabilitation bekannt gemacht und ausgebaut werden. Vorhandene Angebote der (mobilen) geriatrischen Rehabilitation sollen um den Aspekt der speziellen Förderung visuell beeinträchtigter Menschen ergänzt werden. Eine medizinisch ausgerichtete ganzheitliche Rehabilitation nach Sehverlust muss entwickelt und etabliert werden.

Dafür unterstützt das Aktionsbündnis wissenschaftlich begleitete Modellprojekte und die Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation und der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.

5. Netzwerke und Zusammenarbeit fördern

Die Aussicht auf konkrete Erfolge ist größer, wenn regionale Aktivitäten gestärkt und erfolgreiche Modellprojekte verstetigt und institutionalisiert werden. Deshalb werden weitere regionale Bündnisse zu Sehen im Alter in allen Teilen Deutschlands angestrebt. So kann sich die multidisziplinäre Zusammenarbeit in den Ländern fortsetzen und den Lebensalltag der betroffenen älteren Menschen wirksam verbessern. So kann die Barrierefreiheit im Wohnumfeld, in den Einrichtungen des Gesundheitswesens etc. vorangebracht werden. Auch können spezifische Angebote ebenso wie inklusive Settings entwickelt werden.

Das Aktionsbündnis Sehen im Alter versteht sich als multidisziplinärer Unterstützer und Begleiter zukunftsorientierter Initiativen und Projekte. Es schafft Synergieeffekte, nutzt diese und stärkt gemeinsame Modellprojekte.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Fachtagung Sehen im Alter am 8. Juli 2017 in Bonn

Die zweite Fachtagung Sehen im Alter fand unter dem Motto Prävention: Gemeinsam vorausschauend handeln am 7 .und 8. Juli in Bonn statt. Sie wurde vom DBSV in Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veranstaltet und von der Aktion Mensch gefördert. Der Aktionsplan 2022 bildet die Abschlusserklärung der Tagung.

Kontakt:

Christian Seuß , Koordinator des Aktionsbündnisses Sehen im Alter, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: http://www.sehenimalter.org.

Foto, Bildunterschrift: Im höheren Alter lohnt es sich, Augen und Sehschärfe regelmäßig überprüfen zu lassen. Foto: Andreas Friese / DBSV

Beschreibung: Eine ältere Dame sitzt in einem Optikerladen auf einem Stuhl und liest von einem Blatt. Der vierzeilige Text wird von Zeile zu Zeile kleiner und lautet: "Es freut mich, dass Sie lesen können". Die Optikerin setzt Linsen in ihr variables Brillengestell ein.

Dr. Imke Troltenier

Vielfältiger Beruf mit Zukunft: Reha-Fachkräfte sind gesucht

Das Berufsbild von Fachkräften der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation (kurz Reha-Lehrer) ist so vielfältig wie die Menschen, die trotz ihrer Einschränkung inmitten unserer Gesellschaft leben möchten. Wer in diesem Beruf arbeitet, bietet blinden und sehbehinderten Menschen eine qualifizierte Unterstützung in Form von Schulungen an.

So lernt ein hochgradig sehbehindertes Kind, sich in seiner neuen, inklusiven Schulklasse zurechtzufinden. Eine blinde IT-Spezialistin, der ein Karriereschritt gelungen ist, findet so die kompetente Unterstützung, um den Weg zur neuen Arbeitsstelle mit Bus und Bahn einzuüben und sich auch in der neuen Umgebung sicher zu orientieren. Ein älterer Herr, der zunehmend an Sehkraft verliert, schöpft nun wieder Mut: Er lernt Hilfsmittel kennen und Techniken anzuwenden, sicher die Straße zu überqueren und kann anschließend wieder selbstständig einkaufen und Spiegeleier braten, zum Kirchenchor und Schachverein gehen. Er muss seine ruheständlerische Selbstbestimmtheit noch lange nicht aufgeben.

Grundpfeiler der Arbeit von Fachkräften der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation sind Einzelschulungen, die sich an den Bedürfnissen und individuellen Voraussetzungen der betroffenen Personen orientieren.

Die breit gefächerte Fachlichkeit ist eine wichtige Grundlage des Arbeitsalltags. Sehbehinderung ist vielfältig. Man muss die Befunde der Augenärzte genauso verstehen wie die psychologischen Prozesse, die mit einem Sehverlust einhergehen. „Individuell auf die Menschen eingehen zu können ist eine tolle Sache“, sagt Jürgen Tiemann, der den Beruf seit 28 Jahren im Team ausübt. Häufig geht es um Orientierung und Mobilität rund um den Wohnort. Man sei dabei viel draußen, an verschiedenen Orten unterwegs und weitaus seltener im Büro.

Oft ist neben der Fachlichkeit auch Kreativität gefragt und manchmal muss man dabei helfen, Einschränkungen und Grenzen zu akzeptieren. Dann geht es darum, ressourcenorientiert zu beraten, gemeinsam neue Verhaltensmuster und Handlungsstrategien zu entwickeln, die Familie und Freunde einzubinden und den Weg zu neuen Kontakten und in Netzwerke zu eröffnen. Auch die Information von Angehörigen und Interessierten ist eine zentrale Aufgabe der Rehabilitation.

Wie wird man zur Reha-Fachkraft für blinde und sehbehinderte Menschen?

Die Vollzeitausbildung dauert 18 Monate. Als berufliche Weiterbildung richtet sie sich an Personen, die über den mittleren Bildungsabschluss verfügen, eine pädagogische, medizinische, therapeutische oder rehabilitative Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben und Berufserfahrung mitbringen. Am Ende der Ausbildung steht der Abschluss als Staatl. anerkannte Fachkraft der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation mit der Doppelqualifikation in den Reha-Feldern Orientierung und Mobilität (O&M) und Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF).

Die Fachschule für Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg ist die bundesweit einzige staatlich anerkannte Ausbildungsstätte für Reha-Lehrer. Neben der Vermittlung theoretischer Grundlagen in verschiedenen medizinischen, psychologischen und pädagogischen Fächern bildet das praktische Lernen und Lehren den Schwerpunkt.

„Die Weiterbildung an der blista kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt“, erzählt Dario Rizzo, der zuvor als Ergotherapeut tätig war und den Beruf der Reha-Fachkraft seit nunmehr elf Jahren ausübt. Es sei die Nähe zu den Menschen und ihrem Alltag, die ihm Freude mache: „Man schaut, was jemand mitbringt, wo er oder sie offene Türen hat und setzt dort mit seinen konzeptionellen und didaktischen Überlegungen an.“

„Für mich war die Weiterbildung eine interessante und sehr erfüllende Zeit. Vieles lernte man unter der Augenbinde, erlebt also alles auch als persönliche Erfahrung. Und man wird auf die vielen Facetten des späteren Berufsalltags gut vorbereitet“, resümiert Christoph Erbach, der zunächst eine Erzieherausbildung absolviert hatte.

Freiberuflich oder angestellt: Inklusion braucht Qualität.

So unbekannt das Berufsbild von Fachkräften der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation ist, so gesucht sind die qualifizierten Wegbegleiterinnen und -begleiter: Inklusion braucht Qualität, damit blinde und sehbehinderte Kinder und Jugendliche nicht an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden, genauso wenig wie diejenigen, die mitten im Leben stehen und sich neue Perspektiven erschließen , sowie die stark wachsende Zahl der alterserblindenden Seniorinnen und Senioren. „Schlimm, wenn das hinten runter fällt“, weiß Sabine Lütkens aus 15-jähriger Erfahrung.

Rund 250 bis 300 Rehalehrer gibt es deutschlandweit. Sie arbeiten freiberuflich oder als Angestellte in Schulen, Beratungsstellen und Zentren von und/oder für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. Die Nachfrage ist groß und ein gutes Auskommen habe man, insbesondere als Freiberufler, durchaus. Die Fachlichkeit braucht es, um den großen und kleinen Klienten wirksam helfen zu können, betont auch Wiebke Zapkau, die als Sportlehrerin den Kontakt zur blista bekam: „Die Arbeit ist sehr befriedigend, weil man etwas erreicht. Es ist einfach jedes Mal schön zu erleben, dass die vielen unterschiedlichen Menschen von den Schulungen profitieren.“ Der Beruf sei sehr passend für alle, die gern mit Menschen zu tun haben.

Neben der Vollzeitausbildung bietet die blista auch berufsbegleitende Qualifizierungskurse für Teilnehmende an, die bereits im Tätigkeitsfeld der Arbeit mit und für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung beschäftigt sind. Die modular aufgebaute Weiterbildung, die in Zusammenarbeit mit Partnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt wird, führt zu einer Qualifikation für einen der Schulungsbereiche, d. h. für Orientierung und Mobilität, für Lebenspraktische Fähigkeiten oder für Low Vision.

Kontakt

Rehabilitationseinrichtung (RES) der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista), Fachschule für Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation, Biegenstraße 22, 35037 Marburg, Tel.: 06421 606-173, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.blista.de/reha-fachkraft.

Bundesverband der Rehabilitationslehrer /-lehrerinnen für Blinde und Sehbehinderte e.V., c/o Regina Beschta, Hartstraße 5/1, 71394 Kernen-Stetten, Tel.: 07000 2662738, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.rehalehrer.de.

Zur Autorin

Dr. Imke Troltenier leitet die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) in Marburg.

Foto 1, Bildunterschrift: Wie orientiere und bewege ich mich als Blinde oder Sehbehinderte in der Stadt? Reha-Fachkräfte schulen gezielt vor Ort. Foto: blista

Beschreibung: Eine Jugendliche läuft mit Blindenstock auf einem Kirchplatz. Links parallel neben ihr läuft ein Mann, der kurze Hosen und eine gelbe Regenjacke trägt. Er wendet ihr sein Gesicht zu.

Foto 2, Bildunterschrift: Möhren schneiden und schälen - Reha-Fachkräfte vermitteln lebenspraktische Fähigkeiten. Foto: blista

Beschreibung: Am Küchentisch sitzend schneidet eine Jugendliche lächelnd Möhren. Sie hat eine rote Küchenschürze umgebunden. Im Hintergrund am Tisch schaut ihr eine Erwachsene zu.

Ulli Staniullo, Arbeitskreis Umwelt und Verkehr des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg (BSVH)*

Besichtigung des ICE4 am Bahnhof Altona

Auf unserer Januar-Sitzung des AK Umwelt & Verkehr berichtete ein Teilnehmer, dass er mit dem neuen ICE4 der Deutsche Bahn (DB) von München nach Hamburg gefahren sei. Er sei sehr angetan von der blinden- und sehbehindertengerechten Ausstattung dieser neuen Baureihe, von der die DB seit Herbst 2016 mehrere Exemplare zu Testzwecken und Sammeln von Erfahrungen auf die Strecke Hamburg/München schickt. Ich setzte mich mit Mitarbeitern der DB in Verbindung und äußerte unser Begehr, den ICE4 einmal in Ruhe zu erkunden. Und so hat die DB uns den Zugtyp am 3. April 2017 am Bahnhof Altona auf Gleis 5 als Anschauungsobjekt bereitgestellt.

Auch wenn wir diese Veranstaltung wegen der Kurzfristigkeit nicht mehr veröffentlichen konnten, war die Resonanz der Interessenten sehr groß, und wir konnten am 3. April zwei Gruppen mit je ca. 30 Besucherinnen und Besuchern begrüßen.

Bereits beim Einstieg war ein akustisches Türauffindesignal zu vernehmen. Mit etwas Übung fand man auch die Taster zum Öffnen und Schließen der Türen. Beim Öffnen der Türen wird automatisch ein Treppchen ausgefahren, was den Einstieg erleichtert. Beim Festhalten am Haltegriff konnte man gleich in Braille- und erhabener Profilschrift ertasten, in welche Wagenklasse man einsteigt. Im Einstiegsbereich befindet sich ein visueller und taktiler Übersichtsplan, wieder in Braille- und Profilschrift, der Infos über den betretenen Wagen, Wagenreihung mit Richtungsangabe und mehr vermittelte. Leider ist die Schrift transparent, also nur fühlbar, und daher für sehbehinderte Fahrgäste nicht sehr gut sichtbar.

Zwei Besichtigungsteilnehmer hatten zu Testzwecken ihr Tandem mitgenommen. Der Einstieg mit einem derartigen Fahrradtyp ist zwar nicht ganz einfach, aber durchaus zu schaffen. Leider sind die Aufhängevorrichtungen für Fahrräder allesamt für Tandems ungeeignet. Es ist zwar möglich, das Tandem vor dem Fenster stehend und sicher verzurrt unterzubringen, so dass weder der Durchgang noch das Einhängen anderer Fahrräder behindert werden, was von den anwesenden DB-Mitarbeitern durchaus anerkannt wurde. Doch dies ist seitens der DB in Fernzügen, in denen eine Fahrradstellplatzreservierung vorgeschrieben ist, nicht erwünscht. Somit müssen sehgeschädigte Radfahrer, die auf ein Tandem angewiesen sind, auch weiterhin bis auf seltene Ausnahmen auf Nahverkehrszüge ausweichen.

Beim weiteren Begutachten der Wagen, bei denen sich alle Zwischentüren automatisch öffnen, konnten wir feststellen, dass seitlich an den Rückenlehnen der Sitze die Platznummerierung ertastbar und optisch gut lesbar angebracht ist. Im Mittelgang gibt es Monitore, auf denen die entsprechenden Infos auch für Sehbehinderte gut lesbar erscheinen. Für Langstockgeher befinden sich auf dem Mittelgang Orientierungs- und Tastleisten. Es ist positiv zu vermerken, dass die Gepäckablagen über den Sitzen wieder mehr Platz für größere Gepäckstücke am Platz anbieten. In der Mitte jedes Wagens sind weitere Staumöglichkeiten in Regalen vorhanden. So wird es nun leichter möglich sein, Gepäck im Wagen besser im Blick zu behalten.

Die Sitze sind komfortabel und mehr als in den älteren Modellen mit festen Tischen versehen. In jedem Wagen gibt es je zwei mal zwei WCs, deren ebenfalls in vorbenannter Weise beschilderte Objekte wie Wasser, Handtuch, Seife etc. gut angeordnet und ohne langes Suchen auffindbar sind.

Im ICE4 haben über 800 Fahrgäste Platz. Neben dem Bordbistro und dem Fahrradabteil gibt es auch ein spezielles Rollstuhlabteil bzw. Rollstuhlplätze, ein Familienabteil und ein „Kinderzimmer“, außerdem ein rollstuhlgerechtes WC mit Wickeltisch für Kleinkinder.

Wir meinen, dass die DB mit der Planung dieser neuen Wagenklasse auf dem richtigen barrierefreien Weg für unseren Personenkreis ist. Allerdings scheint der Bewegungsraum in den Gängen und auf den WCs enger geworden zu sein. Wenn in weiterer Zukunft die neuen ICE4 dann auf Strecke sind, werden die ersten Kinderkrankheiten, die es sicherlich noch gibt, ausgeschaltet sein.

Liebe Leserinnen und Leser, diejenigen, die mit bei der Besichtigung waren, oder diese Zugreihe demnächst selber nutzen werden, können das hoffentlich bestätigen. Ich habe hier nicht alles beschrieben, und es wird bestimmt noch Verbesserungs- und Veränderungsvorschläge seitens der Nutzer geben, wie sich nach der Besichtigung in Einzelgesprächen herausgestellt hatte.

Auf diesem Weg darf ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DB ganz herzlich danken, dass sie uns diese Besichtigung ermöglicht haben und auch mit ihren Auskünften zu unseren Fragen bereit standen.

*Der leicht gekürzte Beitrag ist mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift des BSVH „Augenblick mal“ entnommen.

Zum Autor

Ernst-Ulrich Staniullo wurde 1945 in Sachsen geboren. Er ist seit seiner Geburt nahezu blind. Nach Abschluss an der Blinden- und Sehbehindertenschule in Hamburg 1964 arbeitete er zehn Jahre lang als blinde Schreibkraft in der Hamburger Steuerverwaltung und war anschließend als Sachbearbeiter im Bürgerservice der Auskunftstelle für allgemeine Lohnsteuerfragen tätig. Seit 2005 ist Ernst-Ulrich Staniullo im Ruhestand.

Foto, Bildunterschrift: Eine positive Erfahrung: Im Eingangsbereich der ICE-4 Wagen befinden sich visuelle und taktile Übersichtspläne. Beschreibung: An der Glastür ist über dunkelblauen Piktogrammen mit weißer Schrift auch transparente Punktschrift angebracht. Die Infos betreffen u. a. die Wagenklasse. Ein Mann fühlt die Punktschrift.

Berichte und Schilderungen

Mariam B., Abi 2014

Zeitenwende – Vom Leben nach der blista: Odyssehrestverschlechterung - Die Irrfahrt von Marburg nach Marburg

Geschafft!

  1. Juno 2014. Die Abiturnoten werden verkündet! Endlich haben das Lernen und die Aufregung ein Ende. Doch die großen Gefühle blieben aus - vorerst. Irgendwie hatte ich mir mein Abi emotional außergewöhnlicher vorgestellt. Die Emotionen kamen dann doch - beim Auszug aus meiner Wohngruppe in der Biegenstraße - als es hieß Abschied nehmen und raus in die Welt, von der ich nicht wusste, was sie für mich bereithalten würde.

Meine Irrfahrt nach dem Abitur

Wieder zuhause bei meinen Eltern - ich bin das jüngste Kind einer marokkanischen Einwanderungsfamilie - tat sich erst einmal ein großes Loch auf, denn ich war mir immer noch unsicher, was ich studieren wollte. Ich träumte davon, eine erfolgreiche Journalistin zu werden, und wenn das nicht klappen sollte, wollte ich irgendwo im Medienbereich Karriere machen. Also bewarb ich mich an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main für Film-, Theater- und Medienwissenschaften (FTM) und an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz für Publizistik und Soziologie. Beide Studiengänge waren zulassungsbeschränkt. Da mein Abidurchschnitt nicht ausreichte, musste ich einen Härtefallantrag stellen.

Da ich ganz sicher gehen wollte, im Wintersemester 2014/15 ein Studium beginnen zu können, bewarb ich mich außerdem für den zulassungsfreien Studiengang Germanistik und Empirische Sprachwissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität.

Mein Augenarzt am Heimatort verstand allerdings nicht so recht, wie er das Gutachten für den Härtefallantrag zu formulieren hatte. Folglich wurde ich an den beiden zulassungsbeschränkten Unis abgelehnt – auch ein Widerspruch hatte keinen Erfolg.

Infolgedessen fand ich mich im Herbst 2014 im Studiengang Germanistik - meinem Plan C - wieder. Dort war das Arbeitstempo von Anfang an hoch; die Rücksichtnahme auf meine starke Sehbehinderung war gering, dazu kamen die mir völlig neue Umgebung und Arbeitsatmosphäre, und zu allem Übel stellte mein USB-Speichermedium, der die Vergrößerungssoftware für meinen Laptop enthielt, seine Dienste ein. Außerdem fehlten mir soziale Kontakte. Obwohl ich immer wieder ins Gespräch mit Kommilitonen kam, schaffte ich es nicht, diese Kontakte aufrecht zu halten. Auch erwartete ich, dass die Leute zu mir kämen und mich ansprächen, da ich Schwierigkeiten hatte, ihre Gesichter wiederzuerkennen. Rückblickend kann ich noch nicht einmal sicher sagen, ob ich meine Behinderung in Gesprächen je thematisiert habe. Zu schaffen machte mir aber auch mein Einzug zurück ins Elternhaus. Die doch ziemlich beengten Wohnverhältnisse boten weder eine Privatsphäre noch eine geeignete Arbeitsatmosphäre. Ich war unzufrieden, überfordert und hörte bald auf, meine Veranstaltungen zu besuchen.

Rückblick

Zwei Monate vor dem Ende meiner blista-Zeit – ich lief gerade den blista-Berg hinunter – wurde mir von einer Sekunde auf die andere schwarz vor Augen. Ich vermag nicht zu sagen, wie lange dieser Moment der Blindheit andauerte. Aber: Es war das Fanal für die kommende Zeit. Ich erklärte meinem Augenarzt, dass meine Hell-Dunkel-Adaption einen eigenen Willen bekommen habe. Ich kannte dieses Auf und Ab aus früheren Jahren, als in meiner Kindheit erstmals meine Augenentzündung aktiv wurde, bevor sich der Zustand für neun Jahre „stabilisierte“. Er könne nichts für mich tun, sagte er, und wir beließen es dabei.

Meine Augenkrankheit hat den Namen Uveitis Intermedia. Uveitis ist eine Entzündung und ist bei mir autoimmun bedingt, d.h. die körpereigene Abwehr richtet sich in meinem Fall gegen Teile des Auges. Da meine Entzündung chronisch und sehr stark ist, ist bei mir das komplette Auge betroffen. In meiner Kindheit musste ich mich diversen Operationen unterziehen, die mein Sehen immer weiter verschlechterten.

Wir schreiben den 04. Februar 2015

Ein erneutes Gutachten meines Augenarztes war dieses Mal formgerecht gewesen. Meine Bewerbung an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz für den Studiengang Publizistik und Soziologie zum Sommersemester, das im April begann, war erfolgreich. Während dieses ersten Semesters kam es bei mir dann zu einer rapiden Sehrestverschlechterung. Da ich im Juni einen Facharzttermin in der Uniklinik Tübingen haben sollte, verzichtete ich darauf, meinen Augenarzt zu konsultieren. „Ich kann für Sie nichts tun!“, hörte ich ihn noch beim letzten Mal sagen. Ich versuchte, mich auf mein Studium in Mainz zu konzentrieren. Obwohl ich weiterhin Schwierigkeiten hatte, soziale Kontakte zu knüpfen und mich etwas einsam fühlte, war ich zufrieden. Ich fühlte mich endlich angekommen.

Leider ging es mit meinem Sehvermögen sehr schnell bergab – bald war es mir mit meinen Arbeitstechniken nicht mehr möglich, erfolgreich am Studium teilzunehmen.

11. Juno 2015

Ich sitze in der Tübinger Augenklinik auf dem Untersuchungsstuhl. „Ihr Visus ist prozentual nicht mehr feststellbar. Wir messen nur Handbewegungen“, lautete die „frohe“ Botschaft. Ich wurde weiterhin darüber informiert, dass mir jahrelang die Augen durch falsche Behandlungsmethoden verpfuscht worden waren. Nun war ich rechtlich blind, mit einem winzigen Sehrest, an den ich mich klammerte – und total am Boden zerstört. Aber ich war ja gezwungen weiterzumachen, musste meine Trauer kontrollieren, meine Wut ignorieren, und wollte ich weiter studieren, führte für mich kein Weg an einer Blindentechnischen Grundrehabilitation (BTG) vorbei.

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Meine Exmatrikulation gestaltete sich zunächst schwieriger als erwartet, aber Frau Stelker, die Leiterin der BTG, beriet mich während dieser Zeit in allen bürokratischen Angelegenheiten. In meinem ersten Telefonat mit ihr traf mich mein Eingeständnis, dass ich blind bin, härter als erwartet. In diesem Gespräch machte mir Frau Stelker klar, dass das keine Sache von drei bis vier Monaten sein würde, und sagte: „…und wenn es einen selbst trifft, dann ist es doch etwas Anderes.“ In diesem Gespräch begriff ich erstmals so richtig, dass es sich bei meiner Erblindung um keinen wieder vergehenden Zustand handelte. Nachdem ich aufgelegt hatte, ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf - aber nur kurz. Es passte einfach nicht in mein Selbstbild - wer will schon eine Heulsuse sein! Und ich hatte ja noch einen kleinen Sehrest, den ich nutzen konnte!

Am 14. Juli 2015 absolvierte ich meine Orientierungstage als BTG-Hospitantin an der blista. Alles lief super! Ich konnte also ganz relaxed und zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Nach vier Monaten des Kämpfens und Wartens war es endlich so weit: Am 23.11.2015 durfte ich mich als Rehabilitandin bezeichnen und war in einer Vierer-Frauen-WG untergebracht.

Anfangs war ich etwas irritiert, dass mein Unterricht im BTG recht kurz war – von Abitur und Uni war ich anderes gewöhnt. Ich fühlte mich unterbeschäftigt, doch das sollte sich schnell ändern. Die Eingewöhnungsphase war bald zu Ende. Nun verbrachte ich die Vormittage und die meisten Nachmittage am Schlag 4 in den Räumen der BTG. Das Erlernen der Punktschrift erwies sich als schwieriger als erwartet, und mein Lesetempo ließ zu wünschen übrig. Ich war frustriert, und mein anfänglicher Enthusiasmus und Elan verließen mich nach und nach. Ich hätte natürlich mehr Punktschrifttexte lesen sollen, aber ich war jede Woche zwei von sieben Tagen krank, da ich meine Immunsupressiva nicht gut vertrug. Ich machte mir Gedanken, ob ich wohl jemals von diesen Medikamenten wegkommen würde.

Immer häufiger überkam mich ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht; ich begann zu grübeln. Mich überforderten schon die kleinsten Konflikte, und ich zog mich immer mehr zurück. Die Kraft, meine Bedürfnisse zu formulieren, geschweige denn durchzusetzen, hatte ich nicht. Ich befand mich in mitten einer tiefen Krise. Je schlechter mein Sehvermögen wurde, je unzufriedener ich mit meiner Therapie und der Auskunft der Ärzte wurde, je intensiver ich mit meinem Psychologen an meinen Problemen arbeitete, desto ausgelaugter und erschöpfter fühlte ich mich. Verschärfend kam dann hinzu, dass ich Anfang März 2016 einen weiteren OP-Termin in der Tübinger Augenklinik hatte. Der Eingriff sollte besseren Diagnosemöglichkeiten dienen, um den weiteren Verlauf meiner Behandlung genauer bestimmen zu können. Dabei wurde auch meine Linse etwas korrigiert. Leider wurde auch festgestellt, dass meine Netzhaut irreparable Schäden durch die Entzündungen davongetragen hatte. Erst nach drei bis vier Wochen - nach vollständiger Genesung meines Auges - würde ich dann wissen, ob und welcher Sehrest mir durch die Linsenkorrektur bleiben würde.

Nach meiner Entlassung genoss ich für eine kurze Zeit meinen leicht verbesserten Seheindruck, aber ich wusste aus vorherigen Erfahrungen, dass sich mein Sehen innerhalb weniger Wochen stark verschlechtern konnte. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Natürlich trat die Verschlechterung ein und war zu allem Überfluss auch noch von Schmerzen begleitet. In einem Zeitraum von vier Wochen konnte ich auf meinem iPhone zuerst die großen Ziffern der Uhrzeit auf dem Bildschirm nicht mehr erkennen. die Zahlen verzerrten immer mehr, bis ich schließlich überhaupt nicht mehr ausmachen konnte, wo sie sich auf dem Bildschirm befanden. Es hatte sich ein Nachstar gebildet. Auf diese Prognose hatten mich meine Ärzte in Tübingen vergessen hinzuweisen – und ich hatte vergessen, zu fragen. Der Nachstar bildet sich immer. Das ist quasi ein Naturgesetz und mit keinem Medikament zu verhindern. Ich ärgerte mich über mich selbst; war frustriert, weil ich einfach nicht in der Lage war, bei Ärzten die entscheidenden Fragen zu stellen. Ich machte mir schwere Vorwürfe. Daran, dass ein junger Mensch von solchen Situationen einfach völlig überfordert ist, dachte ich nicht. Mit der Aussicht, meinen noch verbliebenen winzig kleinen Sehrest völlig zu verlieren, hätte ich mich vielleicht nicht für die Operation entschieden.

In diesen für mich unheimlich harten Wochen hätte ich mir mehr Unterstützung im BTG gewünscht. Aber dort lief alles weiter wie ein Uhrwerk. Ich war in dieser Zeit sehr zart besaitet, haderte mit der Organisation und Planung des Unterrichts, wollte mehr Transparenz und eindeutigere Strukturen. Ich fühlte mich oft im Dunkeln gelassen und verstand Ziele, Inhalte und Schwerpunktsetzungen nicht, konnte aber meine Bedürfnisse auch nicht klar formulieren, hatte einfach keine Kraft mehr, mich für meine Interessen einzusetzen. Was mir in dieser Zeit fehlte war mehr Sensibilität für meine Situation.

Aber ich habe aus dieser Zeit einiges mitnehmen können, und so schaue ich alles in allem durchaus positiv auf die Monate in der BTG zurück. Denn ich habe viel über mich gelernt; vor allem, dass meine Mitmenschen nicht in mein Inneres schauen können, dass ich meine Bedürfnisse auch artikulieren muss und nicht so tun darf, als hätte ich keine Probleme, bis dann irgendwann das Fass beginnt überzulaufen. Und ich kam in den Genuss, bei Herrn Nadig eine Internetschulung zu machen. Er ist quasi eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Ich habe viel von ihm gelernt. Auch im Bereich O&M habe ich, dank meiner kompetenten und genauen Lehrerin Frau Paproth, mehr Sicherheit und Selbstvertrauen bekommen. Insgesamt hatte ich oft Spaß im und am Unterricht. Egal wie unsinnig ich manche Übungen, zum Beispiel im Fach Bewegungsförderung, fand, habe ich doch immer etwas gelernt. Auch wenn es nur die Erkenntnis war, dass so etwas mir keinen Spaß macht.

Sommer 2016 Neustart

Nachdem ich in Marburg mühselig die Wege gelernt und eine gewisse Sicherheit im Straßenverkehr erlangt hatte, sprach vieles für ein Studium an der Philipps Universität. Mein Ziel war es jetzt, mich ausschließlich auf mein Studium konzentrieren zu können und mich den Herausforderungen, die meine Blindheit mit sich brachte, zu stellen.

Ich entschied mich für den Studiengang Sprache und Kommunikation, meine Alternative zu Publizistik. Die Inhalte wirkten attraktiv und interessant - die Studienberatung wusste mich zu begeistern. Aber machen wir es kurz: Der zu belegende Spanischkurs war überlaufen und ich scheiterte mit meiner Anmeldung. Meine Seminare zum wissenschaftlichen Arbeiten und Morphologie besuchte ich genau ein Mal und die Einführung in die Linguistik nur doppelt so oft. Ich merkte schnell an den online bereitgestellten Dateien, wie schwierig dieses Studium würde. Es war nicht möglich, eine Lehrbuchdatei von Jaws oder OpenBook anständig lesen zu lassen, weil überall Tabellen, Symbole und ähnliches eingebaut waren. Ich hatte meine Gesamtsituation völlig falsch eingeschätzt und wusste schnell: Ohne Assistenz wird das nichts. Auch versäumte ich gleich zu Anfang des Semesters aufgrund einer Grippe - das Immunsupressivum lässt grüßen - die Einführungswoche.

In der Studiensprechstunde wurde ich von einem Professor gefragt, warum ich nicht Jura, Geschichte oder Psychologie studiere, wie die meisten Blinden - er wollte mir nur helfen. Ich hatte keine Antwort auf diese Frage und verließ sein Büro, wohl wissend, dass ich mit Sprache und Kommunikation abgeschlossen hatte. So war der Oktober noch nicht vorbei, aber mein Studium war schon beendet.

Winter 2016

Erneut war da dieses Nichts, das mich zu verschlingen drohte. Aber in meiner neuen WG in Marburg lebten auch zwei Jura-StudentInnen. Ich begann, mit meiner Mitbewohnerin Vorlesungen zu besuchen und mir Gedanken nicht nur über meine berufliche Zukunft zu machen, sondern auch über mich selbst. Ich bemerkte, dass ich immer noch mit meinem Schicksal haderte und die Blindentechniken auch noch nicht wirklich angenommen hatte und anwendete. Auch hatte ich noch immer völlig unausgegorene Vorstellungen von meinen Möglichkeiten als Blinde. Und da waren da noch die Worte meines Professors: Jura, Geschichte und Psychologie sind von Blinden häufig gewählte Fächer.

Also habe ich mich nun dafür entschieden, das Jura-Studium, das ich zum Sommersemester 2017 begonnen habe, als Selbstfindungsexperiment anzusehen – als eine Suche nach meinen Grenzen, Möglichkeiten, nach hilfreichen Anregungen und Ideen und neuen Bekanntschaften. Ich freue mich darauf und hoffe auf das Beste!

Foto, Bildunterschrift: Ist mir dieses Lehrbuch auch als Blinde oder Sehbehinderte zugänglich? Die Antwort kann den Erfolg eines Studiums bestimmen. Foto: pixabay.com

Beschreibung: Eine junge Frau steht in einem schmalen Gang zwischen hohen Bücherregalen und hat ein Bibliotheksbuch aufgeschlagen. Sie schaut den Betrachter zentral an.

Aus der Arbeit des DVBS

Savo Ivanic

Projekt iBoB – Erste Zwischenbilanz und Ausblick

Am 1. November 2016 hat das neue DVBS-Projekt iBoB - inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren - seine Arbeit aufgenommen. Ziel: Die Verbesserung der Voraussetzungen blinder und sehbehinderter Berufstätiger bei der Teilnahme an beruflichen Weiterbildungen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds für drei Jahre gefördert.

Anfang Mai wurde der erste Meilenstein des Projekts erfolgreich abgeschlossen. Das iBoB-Team präsentierte und diskutierte die Ergebnisse aus den drei Arbeitspaketen Weiterbildungsberatung und Mentoring, Analyse des Weiterbildungsmarkts und Barrierefreiheit mit seinen Kooperationspartnern bei einem Treffen in Frankfurt. Ziel aller Beteiligten: Den Wandel in der Arbeitswelt als Chance begreifen und mitgestalten. An diesem Treffen nahmen Delegierte der Wirtschaft, wie die Interessensgemeinschaft der Behindertenvertreter der 30 deutschen DAX-Konzerne, sowie des UnternehmensForums ebenso teil wie Vertreterinnen und Vertreter von Berufsförderungs- und Berufsbildungswerken, Schwerbehindertenvertretungen, Integrationsämtern, Forschungseinrichtungen, Bildungsträgern und Berufsvereinigungen. DVBS-Vorsitzende Ursula Weber eröffnete die Veranstaltung dankenswerterweise mit einem Vortrag.

Darüber hinaus präsentierte iBoB-Mitarbeiter Reiner Filla die ersten Ergebnisse der Erhebung zu den Weiterbildungserfahrungen und -bedarfen betroffener Berufstätiger auf dem SightCity-Forum. Die Ergebnisse überraschen vor allem hinsichtlich der Veränderungserwartungen an den Arbeitsmarkt: Trotz allgegenwärtiger Digitalisierung erwartet ein Großteil der Befragten entweder keinerlei einschneidende Veränderungen für den eigenen Arbeitsplatz oder ist sich unsicher. Diejenigen, die einen Weiterbildungsbedarf wahrnehmen, sehen ihn vorrangig in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie bei Sozial- und Führungskompetenzen. Diese Einschätzung zeichnet sich auch bei der Erhebung unter Arbeitgebern und Schwerbehindertenvertretungen ab.

Die Umfrageergebnisse mit einer vorläufigen Interpretation sowie Ursula Webers Eröffnungsvortrag und die Pressemitteilung zum Kooperationspartnertreffen finden Sie auf der Projekt-Webseite http://ibob.dvbs-online.de.

Die Umfrage ist noch mindestens bis September online. Wenn Sie teilnehmen möchten, melden Sie sich einfach per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Mit dem nächsten Projektmeilenstein nimmt das iBoB-Team unter anderem das Mentoring-Programm in Angriff. Mentoring, das zeigt schon das DVBS-Projekt TriTeam, ist eine Erfolgsmethode in der Selbsthilfearbeit. Erfahrenere, ähnlich Betroffene tauschen sich auf gleicher Augenhöhe mit weniger Erfahrenen aus und geben ihr Wissen um gute Lösungen, gemachte Fehler, Tipps und Tricks oder wertvolle Kontakte weiter.

Bei iBoB dient Mentoring der Unterstützung blinder und sehbehinderter Berufstätiger in ihren Weiterbildungsbemühungen und ihrer Karriereplanung. Wenn Sie also erfolgreich im Beruf stehen, gerade auch in einer nichtakademischen Tätigkeit, und Interesse haben, als Mentor im Projekt mitzuwirken, melden Sie sich bitte per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Das iBoB-Team nimmt den Kontakt zu Ihnen auf und informiert Sie ausführlicher.

Andreas Wohnig

Seminarvorschau

30. September bis 7. Oktober 2017: Seminar der Gruppe Ruhestand in Saulgrub

Zum 30. Mal findet das Seminar der Gruppe Ruhestand im DVBS statt. Unter dem Motto Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden in Referaten und Workshops gesellschaftspolitische Themen, gesundheitsbezogene sowie selbsthilferelevante Inhalte bearbeitet. Auch neue technische Entwicklungen und deren Bedeutung für ältere blinde und sehbehinderte Menschen werden betrachtet.

13. bis 15. Oktober 2017: Seminar der Fachgruppe Verwaltung in Marburg

Im Mittelpunkt des Seminars steht ein Workshop zur Kommunikation am Arbeitsplatz; Themen sind daneben betriebliches Eingliederungsmanagement sowie Arbeitsplatzassistenz und Hilfsmittelbeschaffung. Außerdem werden aktuelle Hilfsmittel für den beruflichen Einsatz vorgestellt, z.B. die OrCam.

21. bis 22. Oktober 2017: Seminar Teilhabekompetenz stärken in Frankfurt am Main

Am Beispiel der EU-Richtlinie zu barrierefreien Websites sollen exemplarisch Kompetenzen in der Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen erarbeitet und ausprobiert werden. Zielgruppe sind Mitglieder, die als IT-Fachleute, Juristen oder Verwaltungsfachkräfte arbeiten oder Experten aus dem Umfeld der Digitalisierung verschiedener Lebensbereiche sind.

3. bis 5. November 2017: Selbsterfahrungsseminar für blinde und sehbehinderte Menschen in Marktbreit bei Würzburg

Eine besondere Möglichkeit zur Selbsterfahrung unter Betroffenen bietet der Referent Thomas Reichel für blinde und sehbehinderte Menschen bei dieser fachgruppenübergreifenden Veranstaltung. Neben der Auseinandersetzung mit der eigenen Beeinträchtigung kommt auch die Entspannung nicht zu kurz.

17. bis 19.11.2017: Fortbildung ehrenamtlicher DVBS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bad Soden-Salmünster

Einladungen und Programm werden rechtzeitig verschickt.

Die jeweiligen ausführlichen Ausschreibungen finden Sie in der Rubrik Seminare auf der Homepage des DVBS: www.dvbs-online.de/php/aktuell.php

Weitere Veranstaltungen sind in Planung und werden so bald wie möglich veröffentlicht.

100 Jahre DVBS - 100 Jahre DVBS-Jahresbericht

Dass das Jahr 2016 stark im Zeichen des 100-jährigen Jubiläums unserer Selbsthilfeorganisation stand, spiegelt sich natürlich auch in den Beiträgen des eben erschienenen DVBS-Jahresberichts 2016 wieder. Es ist der 100. Jahrgang dieser kompakten und übersichtlichen Publikation, die Ereignisse eines vergangenen Jahres noch einmal kurz wiedergibt. Hier werden die Höhepunkte der Vereinsarbeit skizziert, die wichtigsten Zahlen zu Mitgliederstruktur und Finanzen aufgeführt und an die Satzungsänderungen, die durch die Mitgliederversammlung beschlossen wurden, erinnert.

Die Broschüre steht ganz ohne Geburtstagsschleife und Trara auf der DVBS-Website in der Rubrik Infothek zum Download bereit.

Sabine Hahn

DVBS bringt neuen horus spezial heraus

Die Teilhabechancen und -risiken sehbehinderter und blinder Menschen angesichts der durch die Digitalisierung angestoßenen Veränderungen standen im Zentrum der Fachtagung Megatrend Digitalisierung, die der DVBS im September 2016 veranstaltet hatte. Nun ist in der Reihe horus spezial ein Band erschienen, der nachträglich Einblick in die Tagung erlaubt. Denn neben dem Programm sowie den einleitenden Begrüßungsworten am 23. September sind auch der Eingangsvortrag von Prof. Schönefeld, Impulse und Ergebnisse der fünf Workshops sowie die Forderungen enthalten, die im Abschlussplenum verabschiedet worden waren.

Doch horus spezial VIII bietet mehr als eine Tagungsdokumentation. Zusätzliche vier Beiträge nehmen das Thema der Fachtagung auf, um auf Gestaltungsmöglichkeiten und Perspektiven einzugehen. Hier wird etwa Barrierefreiheit in der IT für die Zukunft gedacht (Uwe Boysen), zeigt ein USA-Reisebericht, wie Barrierefreiheit auf Amerikanisch aussieht (Prof. Klaus Miesenberger) oder es geht darum, ob bzw. wie Inklusion mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln die Arbeitsmarktchancen behinderter Menschen beeinflusst (Michael Große-Drenkpohl).

Wie umfangreich die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe das Thema barrierefreie Digitalisierung weiter behandeln kann, skizzieren abschließend Klaus Winger und Uwe Boysen. Sie stellen zehn verschiedene Optionen an Forschungsvorhaben vor, die lohnenswert wären. Ziel aller Aktivitäten in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung konkreter Forderungen zur Sicherung der Teilhabe in den verschiedenen von der Digitalisierung betroffenen gesellschaftlichen Bereichen, ihre Verbreitung in der Öffentlichkeit und ihre Durchsetzung auf allen Ebenen der Politik, von der Kommune bis zur EU. So ist zu erwarten, dass die Stichworte Digitalisierung und Teilhabe noch über eine ganze Reihe von Jahren den Schwerpunkt der Arbeit des DVBS bilden werden. Denn schließlich sollten Gestaltungsräume genutzt werden, oder, wie Prof. Frank Schönefeld in seinem Tagungsvortrag bemerkte: "Zukunft passiert nicht, Zukunft kann gestaltet werden."

horus spezial VIII Digitalisierung und Teilhabe ist erhältlich in der DVBS-Geschäftsstelle, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel. 06421 94888-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Printausgabe, digital und/oder im DAISY-Hörformat).

Mitglieder werben - für eine starke Gemeinschaft.

Jedes Mitglied zählt. Unterstützen Sie den DVBS durch Ihre Mitgliederwerbung - überzeugen Sie Betroffene von der Qualität unserer Selbsthilfearbeit. Sie stärken damit unsere gemeinsame Selbsthilfe und erweitern unser Netzwerk. Damit wir in Politik und Gesellschaft gehört werden und Zukunft gestalten können.

Infomaterial erhalten Sie in der DVBS-Geschäftsstelle. Kontakt: André Badouin, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon 06421 94888-13.

Übrigens: Der DVBS fördert Sie durch das Knowhow seiner rund 1350 Mitglieder, durch Mentoring, Seminare, Weiterbildungs- und Beratungsangebote.

Aus der blista

Dr. Imke Troltenier

ABItioniert! Abschlussschüler der Carl-Strehl-Schule der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

„ABItioniert! Gekämpft, gelernt, gesiegt“ – im Rahmen einer bunten Abschlussfeier gestalteten die blista-Absolventinnen und Absolventen die Verabschiedung und die Zeugnisübergabe zusammen mit dem blista-Vorstand, der Schulleitung und musikalischen Einlagen.

Ausgezeichnet wurden dabei die drei Jahrgangsbesten, Lena Michels, Leon Porz und Anna Tabea Müller, die einen Notenschnitt von 1,0 erreicht hatten. Für ihre Leistungen im Bereich der Naturwissenschaften wurden Leon Porz und Anna Tabea Müller darüber hinaus geehrt.

Im Gymnasium am 16. Juni 2017 bestandene Reifeprüfung:

Laura Bohnet, Yvonne Christoph, Artur Fink, Johannes Christian Grell, Lena Kerbein, Marta Anna Kotula, Katharina Kühnlein, Lena Michels, Anna Tabea Müller, Schugga Nashwan, Khoi Nguyen, Leon Portz, Lutz Rach, Christopher Ritschard, Nicole Siebachmeyer und Melda Yesil.

Im beruflichen Gymnasium – FR Wirtschaft am 16. Juni 2017 bestandene Reifeprüfung:

Tim Bingemann, Tulga Leonardo Demirel, Jan-Lucas Martin, Anissatou Ouro-Djobo und Florian Poetsch.

Mit der Abschlussprüfung erlangten am 23. Juni 2017 die Fachhochschulreife in der Fachoberschule -FR Sozialwesen:

Büsra Demirci, Lea Hoebel und Lewin Strassnigg.

Mit der Abschlussprüfung erlangten am 23. Juni 2017 die Fachhochschulreife in der Fachoberschule - FR Wirtschaft:

Erik Dörr Deniz, Hassan Zain-Alabden, Ahmed Ibisi, Philipp Kolb, Almir Masinovic, Nicole Neumeister und Abdullah Yilmaz.

Kaufmännische Assistenten für Informationsverarbeitung:

Florian Beer, Max Hlawatschek und Jens Thumann

Kaufmännische Assistentinnen für Fremdsprachen:

Maria Dechant, Maschenka Jennert, Lisa Paus und Hikmet Soykarci.

Foto. Bildunterschrift: Allen blista-Absolventinnen und -Absolventen herzliche Glückwünsche zu den bestandenen Prüfungen! Foto: blista

Beschreibung: 28 junge Menschen haben sich zum Gruppenfoto im Freien aufgestellt. Im Hintergrund ist das Marburger Schloss zu sehen.

Dr. Imke Troltenier

Gut für den 1. Arbeitsmarkt vorbereitet: Abschlussjahrgang der blista-IT-Ausbildung

Acht Absolventinnen und Absolventen der IT-Ausbildung der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) starten nach der bestandenen Abschlussprüfung vor dem IHK-Prüfungsausschuss als gut ausgebildete Fachkräfte in das Berufsleben:

Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung:

Jan-Patrick Baldus, Benedikt Eifried, Carsten Hese und Thomas Stopinski.

Informatikkauffrau/mann:

Lydia Lindemeyer, Laura Schönbohm, Marcel Frank und Thorsten Oberbossel.

Drei Absolventen dürfen sich bereits jetzt auf eine Beschäftigung bei namhaften Unternehmen freuen, die sie mit ihren Fähigkeiten als Software-Entwickler oder kaufmännische Mitarbeiterin bereits ab August dieses Jahres unterstützen werden.

Die von der Arbeitsagentur und anderen Kostenträgern wie JobCenter und Rentenversicherung finanzierten dualen Ausbildungen sind eine Erfolgsgeschichte in der beruflichen Qualifizierung junger Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung. Sie schaffen ein gutes Fundament für die berufliche Zukunft. Während die zweijährigen IT-Umschulungen bereits am 1. Juli begonnen haben, starten die dreijährigen IT-Ausbildungen am 1. September.

In diesem Jahr hat die blista das IT-Ausbildungsspektrum erweitert. Ab sofort kann man zwischen drei Fachrichtungen wählen: Fachinformatik für Systemintegration, Fachinformatik für Anwendungsentwicklung oder die kaufmännische Informatikausbildung. Für alle drei IT-Ausbildungsgänge können sich Interessierte auch kurzfristig noch anmelden.

Wir nehmen uns gerne Zeit und beraten eingehend.

Kontakt:

Otfrid Altfeld, Stabsstelle Ausbildungsentwicklung, Tel.: 06421 12139, Fax.: 06421 12130, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.blista.de/it-ausbildungen-und-umschulungen.

Thorsten Büchner

"Immer den richtigen Ton“: blista verabschiedet Jochen Lembke in den Ruhestand

“Nirgends wird so viel gelogen wie auf Verabschiedungsfeiern und Beerdigungen. Außer heute. Heute stimmt alles“, zog Jochen Lembke mit seiner trockenen, norddeutschen Art selbst das Fazit seiner Verabschiedungsfeier. Viele Weggefährten aus seinen 37 Jahren blista, die Schülerinnen und Schüler der Carl-Strehl-Schule sowie Freunde und Familie waren in die bis auf den letzten Platz gefüllte Sporthalle der blista gekommen, um dem langjährigen Schulleiter ihre Wertschätzung und Dankbarkeit zu bekunden.

Mit einer getragenen Verabschiedungsfeierhatten diese neunzig Minuten jedoch nichts gemein. Bisweilen fühlte man sich wie in einem Fußballstadion. Da traten Cheerleader auf, die das Publikum mit „Jochen, Jochen“-Sprechchören anheizten, die dominierenden Farben waren Blau, Weiß und Schwarz. Es wurde viel mit Fußballmetaphern gearbeitet. Grund dafür ist die bedingungslose Liebe von Jochen Lembke zum Hamburger SV. Die blista wollte es ihrem Schulleiter zum Abschied so heimelig wie möglich machen.

Blista-Schüler Marvin Berner führte zusammen mit Gerd Rust, einem intimen Kenner des Wirkens von Jochen Lembke an der blista, und Karin Edtmüller, der stellvertretenden Schulleiterin, gekonnt und kurzweilig durchs Programm.

Claus Duncker, blista-Direktor und über viele Jahre zusammen mit Jochen Lembke ein zumindest in der Kreisliga gefürchtetes Tennis-Doppel, würdigte zu Beginn der Veranstaltung die Fähigkeiten und das Einfühlungsvermögen seines Kollegen: „Du hast immer den richtigen Ton getroffen, ob im Umgang mit den Schülern oder deinen Kollegen.“ Außerdem habe Lembke das „Management by walking“ erfunden, führte Duncker aus. Er kenne niemanden, der so gekonnt durch gezielte Rundgänge über den blista-Campus hier und da stehenbleibt, Gespräche führt, Probleme anspricht und an Lösungen arbeitet. Lembke sei „ein engagierter Streiter für die gerechten Teilhabechancen von Blinden und Sehbehinderten“. Mit niemandem habe er so eng zusammengearbeitet wie mit Jochen Lembke, der fast so etwas wie ein großer Bruder geworden sei. Besondere Ironie sei es, dass nun ausgerechnet er (Duncker) bei Lembkes Verabschiedungsfeier spreche. Damals, als Claus Duncker 1992 zum Vorstellungsgespräch an die Carl-Strehl-Schule kam, saß ihm der damalige stellvertretende Schulleiter Jochen Lembke gegenüber und machte ihm klar, dass „sie sich erstmal nur auf ein Jahr blista einstellen“ können, da Duncker zunächst lediglich einen befristeten Vertrag erhielt. „So ist das mit Prognosen.“

Begleitet wurde die Feier durch den Lehrerchor, bei dem, wenn man genau hinhörte, stets die kräftige Stimme von Jochen Lembke herauszuhören war. Mit Liedern aus Lembkes norddeutscher Heimat entführten die Päd Boys das andächtig lauschende Publikum auf hohe See und an die Küste Schleswig-Holsteins.

Für Überraschungen sorgte der Leiter des Staatlichen Schulamts Marburg, Ulrich Müller, mit seiner Laudatio. Müller zitierte aus diversen Zeugnissen und Beurteilungen. So entdeckte Müller beispielsweise, dass im Abiturzeugnis unter dem Stichwort Chor lediglich „teilgenommen“ stand, während bei Theater-AG „sehr gut“ zu finden war. Neben diesen launigen Bemerkungen brachte Müller seine tief empfundene Bewunderung für das Wirken von Jochen Lembke zum Ausdruck. Ihn habe es sehr beeindruckt, dass immer, wenn er Lembke bei blista-Besuchen begleitete, der Schulleiter jeden Schüler mit Namen kannte und wusste, was die Schüler aktuell bewegt. Darauf angesprochen habe Lembke nur gesagt: „Das ist doch eine meiner zentralsten Aufgaben als Schulleiter: Zu wissen womit sich meine Schüler gerade beschäftigen und wie es ihnen geht.“

Nach weiteren respektvollen und – durchaus – humorigen Bemerkungen schritt Müller dann zur Tat und bat den zukünftigen Pensionär auf die Bühne, um ihm die „Entlassungsurkunde zur Versetzung in den Ruhestand“, verbunden mit dem Dank des Landes Hessen, auszuhändigen.

Die Schüler der Klasse 5, unterstützt durch ihre Kollegen aus der Jahrgangsstufe 8, untermauerten den Anlass der Veranstaltung mit ihrem selbst getexteten Lied „Rente ist schön!“.

Nachdem Gerd Rust, zusammen mit Karin Edtmüller, Babsi Zink und Olga Fredericks, einen Sketch zum Besten gab, der auf augenzwinkernde Weise die Gemeinsamkeiten eines Schulleiters mit einem Sportdirektor eines Fußballvereins betonte („Das Wichtigste ist die gute Zusammenstellung der Mannschaft!“), wobei Rust in die Rolle von Jochen Lembke schlüpfte, verlasen drei blista-Schüler Grußbotschaften. Der Fanbeauftragte des HSV, der ehemalige Jugendtrainer von Jochen Lembke aus seiner Zeit beim TSV Todesfelde und – eine ganz besondere Überraschung – die Fußballikone „Uns Uwe“ Seeler ließen es sich nicht nehmen, Jochen Lembke alles Gute für die Zukunft zu wünschen. Die Schülervertretung überreichte ein Geschenk und bedankte sich bei „unserem coolen Schulleiter“ für die gute Zusammenarbeit.

Zwischendurch konnten sich die Festgäste vom kabarettistischen Talent Jochen Lembkes überzeugen. Videoimpressionen aus mehreren Programmen des legendären Lehrerkabaretts aus den 1980er Jahren ließen erahnen, mit welch vielfältigen Talenten Jochen Lembke gesegnet ist. So konnte ihn das staunende Publikum als Tänzerin oder – ganz der Pädagoge – als resoluten Erdkundelehrer erleben.

Künstlerisch verabschiedeten sich auch die blista-Theatergruppen, die Lembke während seiner zehn Jahre als Schulleiter stets unterstützt hat, indem sie in tänzerischen Choreographien Abschiedsgesten wie Winken oder Handküsse in Richtung des allmählich bewegten Schulleiters warfen.

Doch der Höhepunkt der Veranstaltung sollte vom zu Ehrenden selbst beigesteuert werden. Ganz zum Schluss griff Jochen Lembke zum Mikrofon, bedankte sich in bewegenden Worten bei allen, die ihn in den letzten Jahren und Jahrzehnten unterstützt haben, besonders bei seiner Frau Inga. Begleitet von der Lehrerband, die vorher bereits mit einem Schlagberg-Song auf die Melodie von Blueberry Hill begeistern konnte, sang Jochen Lembke inbrünstig und gefühlvoll eine Hymne auf seine beiden großen Lieben: Hamburg und Marburg.

Mit diesen bewegenden Klängen ging eine lockere, aber würdevolle Veranstaltung zu Ende, nicht ohne stehende Ovationen für einen begnadeten Schulleiter, der neben fundierter Fachlichkeit und Menschlichkeit auch über eine gehörige Portion Witz und Temperament verfügt. Beim anschließenden Umtrunk trugen sich viele der Festgäste in das liebevoll gestaltete Erinnerungsbuch für Jochen Lembke ein und standen noch lange mit dem frisch gebackenen Rentner zusammen.

Foto: Jochen Lembke nimmt Abschied von der Carl-Strehl-Schule. Foto: Bruno Axhausen. Beschreibung: Jochen Lembke steht links im Bild vor der weißen Wand, auf der die Worte „Carl-Stehl-Schule“ angebracht sind. Er trägt zur Jeans ein weißes Hemd, eine dunkelrote Krawatte und ein braunes Jackett.

Dr. Imke Troltenier

3D-Druck in drei Tagen lernen

Kurz vor den Sommerferien fand das Angebot des blista-Lehrers Knut Büttner sowohl am Gymnasium Elisabethschule wie auch an der blista viel Anklang. Insgesamt 20 Schüler beider Schulen lernten unter der versierten und ansprechenden Anleitung von Tulga Demirel (blista-Abiturient), die gewünschten Objekte am Computer zu gestalten. Ausgedruckt wurde anschließend im 3D-Labor.

Schnell gelernt

Leon (E-Schule, 8a) hat ein Container-Schiff auf dem Bildschirm und seinen Prototypen, ein luxuriöses Gebäude mit Swimmingpool, in roter Farbe ausgedruckt und auf seiner Tastatur platziert.

Noch nicht ganz sauber gedruckt

Tom (CSS, 11a) tüftelt am Schach-König. Das Kreuz oben auf der Figur muss noch korrigiert werden, weil sich beim Druck die heiße Masse der Schwerkraft folgend nach unten biegt.

Leider bald Ferien

Jason (CSS, 11c) hat bereits eine Miniversion eines CD-Regals konstruiert und ausgedruckt. Dann einen Stifte-Halter. Jetzt tüftelt er an einem dekorativen Plastikschlüssel. „Das macht Spaß, jederzeit wieder, leider habe ich in den Ferien keinen 3-D-Drucker zur Verfügung.“

Zum ersten Mal an der blista

Aaron (E-Schule, 8d) hat einen Diamanten entworfen und ausdrucken lassen. Darüber hinaus arbeitet er an weiteren Formen, eine Blume ist noch nicht ganz so, wie sie werden soll. „Ich finde es sehr gut, dass ich mitgemacht habe.“

translate [(a,b,0)], cylinder (h=6, r=2.5) …

Pascal konstruiert ein Blindenschachbrett mit dem kompletten Figurensatz zum Stecken und Daniel (Foto, beide CSS, 11c) ein Gehäuse zum Schutz der Festplatte im Homeserver. Beide geben via OpenSCAD Zahlen und Befehle ein und schaffen es, sich die 3-dimensionale Umsetzung vorzustellen.

Ein chemisches Modell

Tim (CSS, 11b) hat sich ein Element aus der Chemie vorgenommen. Die Aufgabe ist sehr anspruchsvoll. „Mit dem Programm OpenSCAD muss man sich alles räumlich genau vorstellen können, das kann sehr komplex werden. Jetzt versuche ich es daher gerade noch auf dem visuellen Weg."

Der Buchstabe F

Felix (E-Schule, 8a) hat neben dem ersten Buchstaben seines Namens auch einen kleinen Pokal entworfen. „2,5 Zentimeter, der druckt gerade noch“, erzählt er: „Es hat Spaß gemacht hier an der blista, und Tulga hat uns alles erklärt, wir haben uns gut verstanden.“

Foto: Tim will ein chemisches Element drucken. Foto: blista. Beschreibung. Ein junger, blonder Mann schaut auf seinen großen Bildschirm. Er sitzt eng davor und stützt das Kinn in seine Hand.

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Dr. Imke Troltenier

Ausbildung erfolgreich abgeschlossen: Acht neue Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation künftig bundesweit aktiv

„Menschen zu befähigen, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen, ist eine so verantwortungsvolle wie schöne Aufgabe“, sagte blista-Direktor Claus Duncker bei der Zeugnisübergabe an Elmar Brathe, Antje Grünewald, Markus Hüskes, Susanne Kemper, Leila Obeid, Felix Opel, Nicole Roos und Annika Treptau. Mit dem neuen Berufsabschluss als Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation seien sie alle nun sehr gefragt.

Was vor 18 Monaten mit einem „Frühstück unter der Augenbinde“ begann, habe sich in engmaschiger Verknüpfung mit der Praxis und einer Fülle von fachlichen und wissenschaftlichen Lernfeldern fortgesetzt, erklärte Dr. Werner Hecker, stellv. Leiter der Rehabilitationseinrichtung der blista (RES). Alle Fachschüler hätten die Prüfungen erfolgreich absolviert und sich damit eine gute Grundlage für einen wichtigen Job geschaffen.

Hamburg, Luzern, Frankfurt, Bayern und Marburg – die meisten der frischgebackenen Reha-Fachkräfte wissen schon genau, wo sie künftig tätig sein werden. Wenn man die 18 Ausbildungsmonate Revue passieren lasse, dann – so das einhellige Fazit – sei es am beeindruckendsten gewesen, wieviel an Teilhabe, Mobilität und Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen möglich sei.

Ganz herzlich bedankten sich die glücklichen Absolventen bei dem fünfköpfigen Ausbilder-Team mit Dorothee Lembke (Leitung), Christel Burghof, Ute Hawerkamp, Kathrin Laux und Gert Willumeit, das durch Christian Gerhold und Frank Stollenwerk hervorragend unterstützt worden sei.

Zwei Ausbildungsmöglichkeiten bietet die blista für Reha-Fachkräfte an:

Der nächste Kurs der Vollzeitausbildung über eineinhalb Jahre startet im Februar 2018, es sind noch Plätze frei. Die blista-Fachschule ist die bundesweit einzige staatlich anerkannte Fachschule für Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation. Die Absolventen erlangen eine Qualifikation für beide Schulungsbereiche, d. h. für O&M und für LPF.

Die berufsbegleitende Qualifizierung für Teilnehmende, die bereits im Tätigkeitsfeld der Arbeit mit und für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung beschäftigt sind, ist eine modular aufgebaute Weiterbildung. Sie wird in Zusammenarbeit mit Partnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeboten und führt zu einer Qualifikation für einen der Schulungsbereiche, d. h. für Orientierung und Mobilität, für Lebenspraktische Fähigkeiten oder für Low Vision.

Ausführliche Informationen zur Ausbildung gibt Dr. Werner Hecker, stellvertretender Leiter der Rehabilitationseinrichtung der blista (RES), Telefon: 06421 606-173, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.blista.de/reha-fachkraft.

Unterschrift zum Foto: (V.l.n.r.) blista-Direktor Claus Duncker, Dr. Werner Hecker und die acht neuen Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation. Foto: blista

Beschreibung: Gruppenaufnahme in einem Innenraum. Fünf Frauen und drei Männer halten jeweils ihre Zeugnisse, teilweise auch ein Geschenk, in den Händen. Links am Rand der Gruppe stehen Claus Duncker und Dr. Hecker. Alle lächeln in die Kamera.

Blista-Bildungsangebote

R - Die barrierefreie Statistik-Software

Workshop für blinde und sehbehinderte Anwenderinnen und Anwender und für interessierte Lehrpersonen

Der produktive Einsatz von Statistik-Software stellt Menschen mit Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung vor besondere Herausforderungen, denn die auf visuelle Interaktion ausgerichteten Bedienoberflächen sind meist nur begrenzt barrierefrei. Auch müssen die entscheidenden statistischen Kennwerte oft mühsam in umfangreichen, grafikgespickten Ausgabeprotokollen gesucht werden.

Das freie Statistik-Programm R stellt alternative und äußerst barrierefreie Wege der Nutzung bereit, von denen blinde und hochgradig sehbehinderte Computeranwender profitieren.

Termin: 03.11.2017 13:00 - 18:00 Uhr und 04.11.2017 09:00 - 15:30 Uhr, Teilnehmerzahl: 8 Personen, Anmeldeschluss 27.09.2017 und Teilnahmebeitrag 180€.

Erste Hilfe – Lehrgang für Blinde und Sehbehinderte (ab 16 Jahren)

Die Grundlagen der Ersten Hilfe besitzen auch für blinde und sehbehinderte Personen Bedeutung. Sie können ebenso im Ernstfall Erste Hilfe leisten. Es will nur gelernt sein.

In diesem Lehrgang vermitteln wir die Grundlagen der lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine praxisnahe und zielgruppengerechte Ausbildung. Materialien und Vermittlungsmethoden sind speziell auf die Bedarfe von blinden und sehbehinderten Lernenden abgestimmt. Die Teilnehmer erhalten eine Erste-Hilfe-Fibel als DAISY-CD, um die Inhalte auch nach dem Kurs wiederholen und festigen zu können.

Termin: 04.11.2017, 09:00 - 18:00 Uhr und 05.11.2017, 09:00 - 14:00 Uhr, Teilnehmerzahl: 12 Personen, Anmeldeschluss: 27.09.2017 und Teilnahmebeitrag: 95€

Ihre Anmeldung

Weitere Informationen und die barrierefreie Anmeldung finden Sie im Internet unter www.blista.de/bildungskatalog

Dr. Imke Troltenier

blista-Stand auf dem Hessentag

„Ein bisschen höher halten, mehr rechts – nein, ich sehe nur die Decke, jetzt das Handy etwas nach unten neigen, nicht ganz so stark, höher, etwas zurück, mehr links – ah jetzt! Ja, super, das Hemd ist hellblau gestreift und fleckenfrei strahlend, die Hose schwarz.“ Für den blista-Stand im Ausstellungszelt des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration war Dresscode angesagt: Oben hell, unten dunkel. Was die einen vor Kleiderschrank und Spiegel entschieden, organisierten die anderen über Ratgeber im fernen Saarland und die Kamerafunktion einer Smartphone-App*. Und dann ging’s los, 6:30 Uhr vom verabredeten Treffpunkt, im vollgeladenen blista-Bus, am 15. Juni gen Rüsselsheim...

Arbeitswelt Hessen lautete das übergreifende Thema des Ministeriums, das die blista-Projektlinie Inklusion & Innovation und damit den (Wieder-)Einstieg in den Beruf von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung seit 2013 fördert. Der weiträumige Stand bot Platz für mehr: Zum Hessentag 2017 verknüpfte die blista das Thema Arbeitsmarktintegration mit dem Abbau von Barrieren in den Köpfen, mit Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für die Bedarfe von Menschen mit hochgradigen Seheinschränkungen. Am Stand und in einer Talkrunde informierten Stabsstellenleiter Otfrid Altfeld, die IT-Auszubildenden Tanja Panter und Thilo Lutz - moderiert von Thorsten Büchner - darüber, wie hervorragend blindes Programmieren durch den Einsatz von modernen Hilfsmitteln funktionieren kann.

Nicht zuletzt aber waren es einmal mehr die wandernden Themeninseln aus der blista-Ausstellung blick:punkte, die sich bei den vielen, vielen großen und kleinen Hessentagsbesuchern als magische Anziehungspunkte erwiesen: Exponate zum Anfassen und Ausprobieren, Antworten auf Fragen wie: Waren Sie schon einmal mit einem blinden Freund in der Stadt unterwegs? Wollten Sie schon einmal einem blinden Menschen helfen und waren sich nicht sicher, wie Sie sich dabei verhalten sollten? Wurden Sie schon einmal von einem hochgradig sehbehinderten Menschen beim Einkaufen oder auf dem Bahnhof um Unterstützung gebeten? Der blista-Film informierte auf vergnügliche Weise.

Gefühlte 1000 Würfelspiele, Namensübertragungen in Braille und Gespräche später, ergänzt durch drei Durchläufe des zehnminütigen blista-Films With a little Help im Großformat, zogen zum Glück erst gegen Abend die angekündigten Gewitterwolken auf. Schnell wurde abgebaut und eingeladen, statt der Infomaterialien waren nun viele neue Kontakte im Gepäck.

*) Es gibt inzwischen mehrere Apps, die im Alltagsleben für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung mit Informationen aufwarten. Die Entwicklungen schreiten rasant voran. So bringt beispielsweise Be My Eyes sehende, sehbehinderte und blinde Nutzer via Crowdsourcing zusammen. Bei TapTapSee erfolgt zunächst eine maschinelle Erkennung, erst wenn diese nicht präzise genug ist, wird das Foto an menschliche Helfer weitergeleitet. Die App Aipoly vision nutzt künstliche Intelligenz, um Bilder zu erkennen, und bei WhatsApp reicht es, beim Telefonat mit sehenden Personen die Kamerafunktion anzutippen.

IT-Ausbildung an der blista

Die von der Arbeitsagentur und anderen Kostenträgern wie JobCenter und Rentenversicherung finanzierten dualen Ausbildungen sind eine Erfolgsgeschichte in der beruflichen Qualifizierung junger Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung. Sie schaffen ein gutes Fundament für die berufliche Zukunft.

Dabei hat die blista ihr Ausbildungsspektrum jetzt erweitert, ab 2017 kann man zwischen drei Fachrichtungen wählen: Fachinformatik für Systemintegration, Fachinformatik für Anwendungsentwicklung oder die kaufmännische Informatikausbildung. Die dualen IT-Ausbildungen starten am 01.09.2017. Für alle drei IT-Ausbildungsgänge können sich Interessierte auch kurzfristig noch anmelden. Wir nehmen uns gerne Zeit für Sie und beraten Sie eingehend.

Kontakt für IT-Ausbildungen an der blista: Otfrid Altfeld, Stabsstelle Ausbildungsentwicklung, Tel.: 06421 12139, Fax.: 06421 12130, www.blista.de/it-ausbildungen-und-umschulungen.

Ausstellung blick:punkte

Inklusiv, interaktiv und hörbar lebendig: Zugänglich und barrierefrei erzählt die Ausstellung blick:punkte von der Entwicklung der blista inmitten der Universitätsstadt Marburg. Es geht um die Gründung im Ersten Weltkrieg, das Naziregime, eine Zeit unmenschlicher Verbrechen, es geht um Mythen, Macher, die stürmische Zeit des Aufbruchs. Und um Exponate zum Anfassen und Ausprobieren, die Entdeckung immer neuer Möglichkeiten für ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben: Bücher, die für Blinde lesbar werden; Apps, die Farben erkennen, Computer, die sprechen - zugleich geht es um das Hier und Jetzt, das gesellschaftliche Miteinander von blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen.

Die Ausstellung auf dem blista-Campus steht großen und kleinen Besuchern offen. Angeschlossen ist eine touristische Tour durch die Universitätsstadt unter dem Titel Blindenstadt Marburg.

Kontakt: Dr. Imke Troltenier, Leitung Öffentlichkeitsarbeit, blista, Am Schlag 2-12, 35037 Marburg, Tel.: 06421 606-220, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!besuch@blista.de.

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Foto 1 Bildunterschrift: Die Talkrunde der blista auf dem Hessentag 2017. Foto: blista

Beschreibung: Blick auf ein Podium mit weißem Pult, an dem drei Männer und eine Frau mit Mikrofonen stehen. Im Hintergrund trägt die Leinwand den Schriftzug: "blista, Bundesweites Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung. RES. IT. Ausbildung".

Foto 2 Bildunterschrift: Mensch-ärgere-Dich-nicht unter der Augenbinde. Foto: blista.

Beschreibung: Ein Mann mit einer Sehbehinderten-Simulationsbrille und ein Mädchen mit schwarzer Augenbinde sitzen auf Hockern und spielen Mensch-ärgere-Dich-nicht. Das Spielbrett und die Spielfiguren lassen sich blind bedienen und unterscheiden, die Figuren sind in das Spielbrett steckbar.

Foto 3 Bildunterschrift: Der blista-Film With a little Help war auf großer Leinwand zu sehen. Foto: blista

Beschreibung: Sechs Menschen in Sommerkleidung, teils auf Hockern sitzend, befinden sich in einem geöffneten Zeltstand. Im Hintergrund auf der Leinwand ist das schwarz-weiß-Bild des Protagonisten des Films (Thorsten Büchner) zu sehen.

Impressum

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

Für den DVBS: André Badouin, Uwe Boysen, Andrea Katemann und Mirien Carvalho Rodrigues sowie für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck ‑ auch auszugsweise ‑ nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)

Erscheinungsweise

Der horus erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

Jahresbezugspreis

22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe und 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf, IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80, BIC: HELADEF1MAR

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389, Jg. 79 der Schwarzschriftausgabe

Punktschriftdruck:

Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg

Digitalisierung und Aufsprache:

Geschäftsstelle des DVBS, Marburg

Schwarzschrift-Druck:

Druckerei Schröder
35081 Wetter/Hessen
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die Herausgabe der Zeitschrift horus wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der Glücksspirale unterstützt.

Titelbild:

Lesung während eines Gottesdienstes durch eine blinde Gemeindereferentin.
Foto: privat / Walter Schlesinger

Nächste Ausgabe (horus 4/2017)

Schwerpunktthema: Teilhabechancen
Erscheinungstermin: 27. November 2017
Anzeigenannahmeschluss: 27. Oktober 2017
Redaktionsschluss: 4. Oktober 2017