Wie kommunizieren taubblinde Menschen?
Der DVBS e.V. informiert über das Kulturgut Lorm-Alphabet
Heinrich Landesmann, alias Hieronymus Lorm, der Erfinder des Lorm-Alphabets, hat Geburtstag. Er wurde am 9. August 1821 geboren und wuchs als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Wien auf. Im Alter von 15 Jahren ertaubte Hieronymus Lorm und verlor einen Großteil seiner Sehkraft. Deshalb musste er sein Studium der Musik aufgeben. Doch fest entschlossen bildete er sich weiter, wurde Schriftsteller und Dichter. Seine Erfindung, das Lorm-Alphabet, ermöglicht bis heute, dass taubblinde Menschen mit ihrer Umwelt kommunizieren können. In Deutschland gibt es nach offiziellen Angaben circa 12.000 taubblinde Menschen, doch die Dunkelziffer dürfte höher liegen.
Eva-Maria Müller vom Deutschen Katholischen Blindenwerk e.V. und dort zuständig für die Taubblindenarbeit, erklärt, dass überwiegend Menschen, die von Geburt an blind und gehörlos sind, über das Lormen kommunizieren. Aber auch blinde Menschen, die im Laufe ihres Lebens ihr Hörvermögen verlieren, nutzen das Taubblinden-Alphabet. Beim Lormen schreibt ein Mensch über bestimmte Berührungen der Handinnenfläche des Gegenübers einzelne Zeichen. Mit Punkten, Strichen und Kreisen werden die Worte geformt. „Wer das gut beherrscht, kann normale Gespräche führen. Besonders gut funktioniert das, wenn sich zwei geübte Menschen im Dialog begegnen“, sagt Eva-Maria Müller.
Das Kulturgut „Lorm-Alphabet“ ist jedoch gefährdet. Kinder, die gehörlos geboren werden, erhalten inzwischen oft schon als Baby oder Kleinkind ein Cochlea-Implantat, mit dem sie wieder hören können. Sie sind erfreulicherweise nicht mehr auf das Lorm-Alphabet angewiesen.
Gehörlose Menschen lernen bereits in jungen Jahren die Gebärdensprache. Erblinden sie im Laufe ihres Lebens steigen sie eher auf taktiles Gebärden um, da es ihnen näher liegt als Lormen. Hierbei legt einer der beiden seine Hände auf die des Gegenübers und führt taktile Gebärden aus. „Das taktile Gebärden bietet aber nicht die gleichen differenzierten Möglichkeiten, sich auszudrücken wie das Lormen, da routinierte Lormende auch die Rechtschreibung berücksichtigen“, erklärt Eva-Maria Müller. Die Routine beim Lormen entwickelt sich langsam. Viele taubblinde Menschen haben Assistenten, die sie in Alltag und Beruf unterstützen. Stabile, langfristige Assistenzbeziehungen sind für eine gute Lorm-Kommunikation sehr wichtig.
„Es wäre zu begrüßen, wenn das Lorm-Alphabet in der Taubblinden-Assistenzausbildung (TBA) einen höheren Stellenwert bekäme“, sagt Nina Odenius, Vorstandsmitglied des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS). „Insbesondere, da es immer Menschen geben wird, die auf diese spezielle Kommunikationsform angewiesen sind. Zudem ist ein direkter Dialog zwischen blinden und gehörlosen Menschen ohne Dolmetscher nur durch Lormen möglich.“