horus 4/2018

Titelbild: Globalisierung. Das ICC 2019: Eine Luftaufnahme aller Teilnehmer aus 17 Ländern, die an der Uferpromenade Zadars, Kroatien, das Logo und Schriftbild des ICCroatia bilden. Foto: STRIKOMAN.

Titelbild horus 4/2018: Globalisierung. Das ICC 2019: Eine Luftaufnahme aller Teilnehmer aus 17 Ländern, die an der Uferpromenade Zadars, Kroatien, das Logo und Schriftbild des ICCroatia bilden. Foto: STRIKOMAN.


horus 4/2018
Schwerpunkt: Globalisierung

Inhalt

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Vorangestellt

Claus Duncker

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn ich durch Marburg gehe, dann unterhalten sich heute die jungen Leute in allen möglichen Sprachen. Das war während meiner Studienzeit vor 40 Jahren ganz anders. Inzwischen ist es normal, ein, zwei Semester mal in einem anderen Land zu studieren oder sein ganzes Studium dort zu verbringen. Und das ist gut so. Marburg ist mit den vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern viel bunter geworden.

Nationale Grenzen haben im kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und vielen anderen Bereichen heutzutage eine immer geringere Bedeutung. Auch wenn zurzeit vielerorts andere Tendenzen an Zuspruch gewinnen. Aber wir sind so gut vernetzt, dass die natürlichen Grenzen von Zeit und Raum wegzufallen scheinen. Die Welt ist zusammengerückt, zum Dorf geworden; wir nennen das „Globalisierung“.

Welche Bedeutung hat aber diese Globalisierung im Lebensalltag von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung? Dieser Frage geht die aktuelle Ausgabe des horus nach.

Rebecca Daniel und Nina Odenius zeigen in ihren Beiträgen, dass es sich – auch und gerade – für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung lohnt, im Ausland zu studieren oder sich zu engagieren. Michael Herbst beschreibt ganz praxisnah, welche Herausforderungen ihm in seiner weltweiten Tätigkeit für die Christoffel-Blindenmission begegnen.

Ana Mikiashwili lenkt unsere Aufmerksamkeit nach Georgien, dem Land der diesjährigen Buchmesse. Sie hat mit ihrer blinden Schwester eine Organisation gegründet, die sich in Georgien für die Teilhabe von Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung engagiert.

Rostam Nazari ist sehend und kam eher zufällig an die blista. Er erzählt, wie er nach seiner Flucht aus Afghanistan über den Iran nach Deutschland sein neues Leben in Marburg begonnen hat. Im Bericht von Juliane Taubner lesen Sie, mit wieviel Freude Jugendliche aus verschiedenen Ländern gemeinsam gelernt und gelacht haben und – an der Auslandserfahrung – gewachsen sind.

Neugierde und die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen. Das eint die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe. Lassen Sie sich von der Lektüre anregen.

Herzliche Grüße

Ihr Claus Duncker

Foto: Claus Duncker. Claus Duncker lächelt in die Kamera. Er hat kurze graue Haare und trägt eine randlose Brille. Foto: Bruno Axhausen

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Aus der Redaktion

In diesem Heft begeben wir uns mit dem Aspekt der Globalisierung in die weite Welt – im kommenden Jahr kehren wir wieder in etwas engere Gefilde zurück. Das erste Heft 2019 wird sich um das Thema Gesundheit drehen. Gerade für blinde und sehbehinderte Menschen gehört die Begegnung mit dem Gesundheitswesen quasi zum Alltag: von problematischer Kommunikation mit dem behandelnden Arzt über die viel zu lange Genehmigungsdauer von Hilfsmitteln zu Neuentwicklungen in der Augenmedizin – wir holen die sprichwörtliche Machete raus, um uns „Durch den Gesundheitsdschungel“ zu kämpfen.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, auf welche Schwierigkeiten sind Sie mit dem Gesundheitswesen gestoßen? Oder berichten Sie uns auch gern von unerwartet positiven, rücksichtsvollen Begegnungen und konkreter, guter Unterstützung. Schicken Sie uns Ihren Beitrag bis zum 7. Januar 2019 per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Artikel für den Schwerpunkt können bis zu 12.000 Zeichen (inklusiv Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen, kürzere Meldungen bis 2.000 Zeichen.

Die Redaktion wünscht Ihnen wunderschöne Feiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr – wir lesen uns dann 2019!

Foto: Hand, die eine brennende Wunderkerze hält. Foto: Pixabay

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Schwerpunkt: Globalisierung

Michael Herbst

Die Wahrnehmung beginnt, wenn die Eindrücke sich ändern

"Silver bird" heißt das Taxi, das uns durch dichten Verkehr zum Hotel fährt. Die Kollegen in Jakarta haben den Shuttle-Service organisiert. Hinter uns liegen 14 Stunden Flug nach Indonesien plus vier Stunden stop over in Dubai. Susanne übernimmt den Großteil der Check-In-Prozedur. Sie ist noch nicht lange in meinem Team und ich weiß, dass ihr die Aussicht, zwei Wochen mit ihrem blinden Chef auf Dienstreise zu sein, ein flaues Gefühl verursacht. Das gestehe ich ihr zu. Ich spüre ihre Unsicherheit. Sie geht langsam, wenn es holprig wird. Sie sucht nach Worten, wenn sie mich durch die Security Prozedur weist. Das letzte Mal in Jakarta war das alles ganz anders…

Wie unter einer Käseglocke

Im Bus gab es WLAN, der Staatssekretär fuhr vor seiner Delegation im Botschaftswagen, drei Polizeimotorräder räumten uns mit Sirenen den Weg frei, wenn es irgendwie ging. Vom Hotel zum Gouverneur von Jakarta, dann zum Mittagessen mit Vertretern der parteinahen Stiftungen von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP, kurzer Stopp an einem Markt, Treffen mit dem Finanzminister usw. So ging es von morgens bis zum abendlichen Botschaftsempfang. Dann weiter nach Malaysia. VIP-Behandlung am Flughafen. Warten auf die Koffer in Kuala Lumpur. Dienstbare Geister holten sie, derweil wir in Ledersesseln lümmelten. Dann wieder Botschaftsempfang. Meine mich damals begleitende Mitarbeiterin und ich waren dankbar für einen entschleunigten Tag und einen netten Abend mit Freunden, die sie hier hat, bevor wir zurückflogen.

Nach Lateinamerika flog ich ohne Begleitung. Ich kannte nun die Abläufe und verordnete damit der Delegation eine gelungene Lektion in sozialem Lernen. Selbst als mich der Staatssekretär plötzlich Pressevertretern präsentieren wollte, wurde die Situation gemeistert und ich von schräg hinten ins Bild geschoben. Diesmal ging es über Land. Doch ob wir eine Taubblindenschule in Guatemala Stadt besuchten, deutsche Entwicklungserfolge im Kaffeeanbau im Hochland bestaunten, eine Schule im Nirgendwo von Honduras miteröffneten oder in Nicaragua einen Feuerwehrwagen tauften, alles wirkte irgendwie inszeniert, wie unter einer Käseglocke. Man zeigte uns, was wir sehen sollten. Erst als ich mich in Miami in einem Rollstuhl Richtung Abflugsteig wiederfand, lüftete sich die Glocke und entließ einen "blindwütig Behinderten".

Land und Leute

Diesmal ist die Reise selbst organisiert. Wir treffen die Kollegen im Landesbüro, fliegen nach Surakarta und sehen dort einen Projektpartner und zwei Selbsthilfegruppen, mit denen wir lange Gespräche führen. Dazwischen ein netter Abend mit Kollegen Tulix und Dolmetscherin Shienny. All das an Orten, wo Touristen üblicherweise nicht hinkommen.

Die CBM tut viel, um uns sicher auf Reisen und wieder zurück zu bekommen. Da gibt es Trainings zum Verhalten bei Raubüberfällen, bei Unfällen, bei terroristischen Anschlägen, in Erster Hilfe, zu guter Reiseplanung etc. Zum Standardprogramm vor einer Reise gehört nicht nur der ärztliche Check zu Impfungen usw., sondern auch ein verbindliches Briefing. Wir erhalten Informationen zur Sicherheitslage, zu kulturellen Besonderheiten und vieles mehr. Wer sich gründlich vorbereitet, der weiß bereits viel über das Land, bevor er dessen Boden betritt und blind geht es nicht ohne gute Vorbereitung.

Zusammen ist man weniger allein

Schließlich landen wir wieder in Jakarta. Im Flughafenhotel legen wir einen Arbeitstag ein. Abends geht es weiter nach Melbourne. Susanne ist sicherer im Umgang mit mir geworden. Vieles im Zusammensein mit ihr läuft unkompliziert, Dinge wie "wann treffen wir uns zum Dinner?" oder "wann schauen wir wo nach Souveniers?" klären sich zwischen uns schnell und einfach. Manchmal, wenn sie sich für meinen Geschmack z.B. zu sehr in den Vordergrund drängt, muss ich schlucken. Ihr gehen meine Marotten - "ich würde gerne noch eine Zigarette rauchen, bevor wir in das Terminal gehen" - sicher ebenso auf die Nerven.

Sozialkater und Abhängigkeit

Reisen in Begleitung stellt hohe Anforderungen an die soziale Kompetenz der Beteiligten. Daran scheitern mitunter sogar Liebespaare, hört man. Fast zwangsläufig stellt sich irgendwann ein Sozialkater ein. Man ist vom andern genervt, braucht Zeit für sich. Bei Dienstreisen mit Begleitung kommen das berufliche Verhältnis und meine Beeinträchtigung hinzu. Das kann in zweierlei Hinsicht kritisch werden:

  1. Ein schwelender dienstlicher Konflikt zwischen einer Mitarbeiterin und mir entlud sich bei einem Hotelfrühstück. Ich glaube, dass die meisten Menschen den Rest des Tages danach nicht miteinander verbracht hätten. Das taten wir aber, obgleich es ein Tag ohne dienstliche Obliegenheiten war. Sie mag das durchgezogen haben, weil ich ihr Chef und blind bin, ich womöglich deshalb, weil ich andernfalls blind in eine ungeplante Situation geraten wäre. Für mich kann ich sagen, dass ich das berufliche vom privaten trennen wollte. Aber was sie gedacht hat, werde ich letztlich nie wissen.
  2. Hotelrezeptionisten, Kellner, Taxifahrer, alle suchen Blickkontakt und halten sich also an den im Duett, der ihn erwidert. Das bringt einen oft nahe an die eigene Entmündigung. Hinzu kommen Haltungen wie "er ist eine Belastung", "ich zerbreche schier an meiner Verantwortung", "ich kann den Typen nicht alleine lassen", die sich hinterhältigerweise meist zwischen den Zeilen ausdrücken und auf jeden Fall verletzen, mich jedenfalls. Das ist wohl der tiefere Grund, warum ich gerne mit meinen Kindern reise, mit Max nach Kairo, mit Patrik nach New York. Wenn die von einem Hotelrezeptionisten auffordernd angeblickt werden, kommt schlicht "Papa, leg' los!". Dahinter liegen ein anderes Rollenverständnis und ein anderes Selbstverständnis zum Umgang mit Behinderung.

Wenn möglich, allein…

Ich sitze mit einem Kaffee vor dem Terminal in Melbourne, höre den fremd klingenden Vögeln zu und bin glücklich. In den kommenden Tagen werden Workshop-Teilnehmer und unsere australischen Kollegen dafür sorgen, dass Susanne mich weit weniger häufig um sich hat. Im Naturpark, beim Seminar, auf Erkundungstour durch die Stadt werde ich zum "Wanderpokal". Jeder darf, jeder muss mal… Den Rückflug bewältige ich dann in der Form, in der ich Dienstreisen wann immer sinnvoll am liebsten antrete - allein.

Das kostet meine Assistentin daheim in Bensheim zwar etliche Telefonate mit der Airline, aber letztlich geht alles glatt. Wie so oft gibt es spannende Reisebekanntschaften zu knüpfen. Dank Nick weiß ich z.B. jetzt, dass es wirklich Fans von Leeds United gibt. Dank Ken kann ich mein Versprechen, meiner Tochter den obligatorischen Schlüsselanhänger mitzubringen, doch noch einlösen. Dank Flugbegleiterin Sarah, die für mein persönliches Unterhaltungsprogramm an Bord sorgt, indem sie selbiges programmiert, lerne ich ein großartiges Album von Joe Satriani kennen. Wieder einmal muss ich an den Satz von André Gide denken: "Die Wahrnehmung beginnt, wenn die Eindrücke sich ändern, daher die Notwendigkeit der Reise."

Foto: Skyline von Jakarta. Glasbesetzte Hochhäuser unter blauem Himmel, im Vordergrund Baum- und Palmenwipfel

Zum Autor

Michael Herbst war von 2004 bis 2014 Geschäftsführer des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS e.V.). Zwischen 2002 und 2004 absolvierte er eine berufsbegleitende Fortbildung zum Fundraiser (Mittelbeschaffer) an der Fundraising-Akademie Frankfurt. Michael Herbst leitet heute den Bereich „anwaltschaftliche Arbeit“ bei der Christoffel-Blindenmission Deutschland e.V. (CBM). Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Bensheim und Marburg (Hessen).

Autorenbild: Michael Herbst. Michael Herbst hat kurze graue Haare und trägt einen Anzug. Er lächelt in die Kamera. Foto: DVBS

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Rebecca Daniel

Engagement im Ausland – barrierefrei und für alle

„Jetzt einfach machen!“ – lautet das Motto, unter dem „Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.“ (bezev) inklusive Freiwilligendienste im Ausland fördert. 2012 startete bezev das Pilotprojekt „weltwärts alle inklusive!“, mit dem 12 Freiwillige mit Beeinträchtigung/ Behinderung gemeinsam mit zahlreichen weiteren Freiwilligen am entwicklungspolitischen Freiwilligendienst weltwärts teilnahmen. Seitdem wächst die Zahl der Teilnehmenden mit Beeinträchtigung/ Behinderung im weltwärts-Programm und in anderen Angeboten des Auslandsengagements rapide: Bereits knapp 90 Freiwillige waren es alleine im weltwärts-Programm, die seit Beginn des Pilotprojekts durch bezev unterstützt ins Ausland gingen. Zahlreiche weitere Freiwillige anderer Organisationen und Programme des Auslandsengagements kommen noch hinzu.

Es gibt kurz-, mittel- und langfristige Möglichkeiten für Personen jeden Alters, die sich im Ausland freiwillig engagieren möchten. Freiwilligendienste, Workcamps, Praktika, Jugendbegegnungen oder Senior-Experten-Einsätze – dies sind nur einige von vielen Möglichkeiten des Auslandsengagements. Die freiwillig engagierten Menschen mit und ohne Beeinträchtigung/Behinderung reisen in andere Länder, sowohl des Globalen Südens als auch des Globalen Nordens, um sich vor Ort in die gemeinnützige Arbeit unterschiedlicher Partnerorganisationen einzubringen. Je nach Angebot reisen sie alleine, im Tandem mit einer/m anderen Freiwilligen oder als Gruppe. Einsatzbereiche können beispielsweise Waisenhäuser, Schulen, Krankenhäuser, Umweltorganisationen oder andere Nichtregierungsorganisationen sein.

Schritt für Schritt auf dem barrierearmen Weg ins Ausland

Ungefähr neun bis zwölf Monate vor der Ausreise der Freiwilligen beginnt i.d.R. die Vorbereitung für ein Auslandsengagement: Der Flug/die Anfahrt und die Unterkunft müssen organisiert werden, das Visum wird (wenn nötig) beantragt und notwendige Impfungen werden durchgeführt. Auch ist wichtig, dass die Freiwilligen mit dem Projekt im Zielland in Kontakt treten, damit sie sich über ihre Aufgaben im Klaren sind und die Bedingungen – zum Beispiel in Bezug auf Barrierefreiheit vor Ort – kennen. bezev unterstützt die Freiwilligen mit Beeinträchtigung/Behinderung bei allen Fragen rund um die Organisation und Finanzierung ihrer Mehrbedarfe: Spezielle Versicherungstarife werden abgeschlossen, Medikamentenvorräte angeschafft und deren Kühlung sichergestellt, eine weitestgehend barrierefreie Unterkunft und angemessene Vorkehrungen am zukünftigen Arbeitsplatz/Einsatzstelle werden organisiert, eine Mobilitätsbegleitung für Wege zur oder aber auch innerhalb der Einsatzstelle gefunden und vieles mehr.

Wichtig ist es dabei, viel zu kommunizieren und offen über Bedarfe und Barrieren zu sprechen – auch wenn das manchmal ungewohnt und sehr persönlich ist. Videos von und Telefonate mit den Partnerorganisationen/ Einsatzstellen im Ausland können dabei beispielsweise helfen oder auch Gespräche mit ehemaligen Freiwilligen, die im gleichen Projekt waren. Dabei sind eine gute Netzwerkarbeit und das entsprechende Wissen zu Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen hilfreich. Was alle Beteiligten davon lernen können: Menschen mit Beeinträchtigung/ Behinderung im In- und Ausland kennen ihre Bedarfe und die Möglichkeiten vor Ort selbst am besten. „Nichts über uns ohne uns!“ sollte also oberstes Leitprinzip sein.

Perspektiven wechseln auf inklusiven Seminaren

Macht man einen Freiwilligendienst, gibt es zudem Vorbereitungs-, Zwischen- und Nachbereitungsseminare, an denen alle Freiwilligen teilnehmen. Für die inklusiven Gruppen dieser Seminare werden ganz unterschiedliche Methoden angewandt. Für die Teilhabe von gehörlosen, blinden und körperlich beeinträchtigten Freiwilligen werden beispielsweise Gebärdensprachdolmetschende zur Verfügung gestellt, Präsentationen angepasst und barrierefreie Räume organisiert. Licht- und Geräuschverhältnisse in Räumen werden – je nach Bedarf der Teilnehmenden – zuvor getestet; Energizer und Spiele, die der Auflockerung im Seminartag dienen, werden auf ihren inklusiven Charakter hin überprüft und ggf. angepasst.

Auch das Thema Inklusion und der Umgang mit Beeinträchtigung/Behinderung im In- und Ausland ist häufig Teil der Seminarinhalte. Manche Freiwillige halten Präsentationen über ihre Beeinträchtigung oder ihren Bedarf; ehemalige, zurückgekehrte Freiwillige berichten über den Umgang mit Beeinträchtigung/ Behinderung im jeweiligen Zielland. Die zentrale Grundhaltung der Seminare ist: „Es ist normal, verschieden zu sein!“

Barrieren abschaffen – Hürden meistern

In jedem Freiwilligendienst gibt es auch Herausforderungen und Konflikte. Die möglichen Lösungen sind dabei so vielfältig wie die individuellen Bedarfe der Freiwilligen und deren Umfeld.

Die Erfahrung von bezev zeigt, dass viele Freiwillige mit Behinderung/ Beeinträchtigung schon gewohnt sind, Barrieren auch im „deutschen“ Alltag zu erleben und Frustrationen auszuhalten. Damit sind sie manch anderen Freiwilligen in der Vorbereitung sogar voraus.

Um die Herausforderungen gut zu meistern, hilft in einigen Programmen für Auslandsengagement auch, dass zahlreiche strukturelle Barrieren aus dem Weg geräumt wurden – im weltwärts-Programm gelang dies auch durch die kontinuierliche Gremienarbeit von bezev.

Die Zugangsvoraussetzungen zu den Programmen sind unterschiedlich. Meist genügen eine „persönliche Eignung“ oder ein niedriger Schulabschluss. In manchen Angeboten des Auslandsengagements gibt es Regelungen zur Finanzierung von Mehrbedarfen. Dann können zum Beispiel Kosten für eine Assistenz oder Anpassungen für Barrierefreiheit am Einsatzort gezahlt werden. Mitarbeitende in Entsende- und Partnerorganisationen können Schulungen und vor allem mehr Zeit bekommen, um sich gut auf die inklusive Arbeit vorzubereiten und Barrieren zu reduzieren. Oder um die Freiwilligen angemessen auf mögliche Barrieren im Ausland vorzubereiten, die es geben wird.

„Tut es einfach – ihr schafft das!“

Auch zahlreiche blinde und sehbeeinträchtigte Freiwillige waren schon im Ausland. So gingen zum Beispiel die blinde Lara und die sehbeeinträchtigte Julia nach Kamerun, um dort an einer Blindenschule und einer Selbstvertretungsorganisation für Frauen mitzuarbeiten. Lara wollte gerne in ein Projekt, an dem auch blinde Menschen sind. Julia war begeistert vom Ansatz ihres Projektes, das Frauen Mikrokredite und weitere Unterstützung bot, so dass diese ein selbständiges Leben führen können.

Auf die Frage in einem Interview, ob Lara nicht Angst gehabt hätte, als blinde junge Frau alleine in eine völlig fremde Umgebung nach Afrika zu gehen, antwortete sie: „Das fragen mich alle, das verstehe ich gar nicht! Ich bin von Geburt an blind und kenne keinen anderen Zustand. Ich empfinde mich auch nicht als behindert. […] Ich habe keine Lust, zu Hause zu sitzen. Wenn ich das tue, bin ich doch die Einzige, die das Nachsehen hat.“

Der Mut, neue Dinge auszuprobieren und neue Wege zu gehen, gehört schon auch zu so einem Auslandsjahr. Das fällt nicht allen Menschen leicht – und das hat erst einmal nichts mit einer Behinderung/ Beeinträchtigung zu tun. Dass es möglich ist, diesen Schritt zu wagen, zeigen Beispiele wie die von Julia und Lara. Ihre Erfahrungen schildern die beiden in Videos mit Audiodeskription und Audiobotschaften (online verfügbar hier: http://www.jetzt-einfach-machen.de/ oder hier: https://www.bezev.de/de/home/weltwaerts-mit-bezev/weltwaerts-alle-inklusive/erfahrungsberichte/).

Ermutigend ist auch das positive Feedback vieler Auslandspartner, die sich gezielt Freiwillige mit Beeinträchtigung/ Behinderung wünschen, da diese als „Rollenvorbild für andere Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung vor Ort“ gesehen werden. Dies ist auch eine der wertvollsten Erfahrungen des inklusiven Arbeitens im Auslandsengagement: Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung werden nicht mehr in der Rolle der unselbständigen Hilfeempfänger, sondern als die aktiven Bürger/-innen wahrgenommen, die sie sind und die sich weltweit für das Gemeinwohl und mit anderen gemeinsam engagieren.

Interesse?

bezev berät interessierte Menschen mit Beeinträchtigung/ Behinderung, die sich für ein Auslandsengagement interessieren. Bezev berichtet diesen über mögliche Wege ins Ausland, vermittelt an andere Organisationen und passende Einsatzstellen und unterstützt bei allen Fragen rund um Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen in Bezug auf die Beeinträchtigung/ Behinderung.

bezev steht zudem allen Entsende- und Partnerorganisationen motivierend, beratend und begleitend zur Seite und leitet diesen/ihnen zudem Bewerbungen von Interessierten mit Beeinträchtigung/ Behinderung an einem Auslandsengagement weiter.

Kontakt: Rebecca Daniel und Jelena Auracher; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen: www.bezev.de, unter www.jetzt-einfach-machen.de oder unter www.inklusivefreiwilligendienste.de

Foto 1: Die sehbehinderte Julia im „Einsatz“ in Kamerun. Sie steht mit drei weiteren jungen Frauen in blauen T-Shirts in einer größeren Gruppe Frauen. Die vier lächeln in die Kamera. Foto: bezev.

Foto 2: Gruppenfoto von den unterschiedlich beeinträchtigten Teilnehmer*innen eines Inklusionsseminars. Foto: bezev.

Foto 3: Die blinde Lara im Klassenzimmer der Blindenschule in Kamerun, in der sie arbeitete. Im Hintergrund mehrere Kinder, die an einem Tisch sitzen. Foto: bezev.

Zur Autorin

Rebecca Daniel ist Teamleiterin und Koordinatorin des Kompetenzzentrums für Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderung im Auslandsengagement.

Autorenbild: Rebecca Daniel. Rebecca Daniel hat lange dunkle Haare, die sie zu einem seitlichen Zopf gebunden hat. Sie lächelt in die Kamera. Foto: privat

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Dr. Juliane Bally

Andrea Bocelli – Internationaler Star auf globaler Bühne

„Musik kennt keine Grenzen“: Fragen an einen blinden Sänger auf Reisen

Der Name Andrea Bocelli ist wohl einer, der jedem bekannt ist. Der blinde Italiener ist zahlreich ausgezeichneter Sänger, Songwriter und Produzent und gehört zu den erfolgreichsten italienischen Sängern, die sich auch international profilieren konnten. Seine Karriere umfasst sowohl Popmusik, wobei er auch erfolgreiche Kooperationen mit namhaften Sängerinnen wie Sarah Brightman und Céline Dion schließen konnte, als auch Opernmusik. Trotz seiner vielen erfolgreichen Alben bevorzugt Bocelli den Live-Auftritt vor Publikum, da er so einen direkten Kontakt zu den Zuhörern hat. Seine Tourneen führen ihn um die ganze Welt; etwas, das auch dank der sehr guten Assistenz-Organisation durch sein Management reibungslos funktioniert.

Das Interview führte Dr. Juliane Bally.

Wie gehen Sie an ein Werk heran, das Sie neu einstudieren möchten?

Wenn ich ein Musikstück höre, versuche ich zunächst herauszufinden, ob es zu mir passt. Welche Besonderheiten machen es aus und welche Änderungen müsste ich für meine Interpretation anbringen? Musik ist international und ich nutze die Möglichkeiten der Popmusik, denn sie lassen mir mehr Interpretationsfreiheit als das klassische Repertoire. Bei der Erarbeitung von Stücken aus dem Opernrepertoire gebrauche ich Braillenoten und Tonträger. Wenn ich Glück habe, kann ich sehr alte Aufnahmen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts verwenden. Schließlich versuche ich, eine persönliche Lesart der Musik zu finden, um den Kompositionsstil so genau wie möglich zu erfassen. Es ist mir wichtig, mich in den Dienst der Kunst zu stellen. Ob mir das gelingt, ist eine andere Frage.

Wie erlernen Sie ein Stück? Nutzen Sie eine spezielle Methode?

In einer autonomen Arbeitsphase steht mein Gesang im Mittelpunkt und in einer weiteren werde ich unterstützt. Die Dirigenten Carlo Bernini und Eugene Kohn sind mir dabei eine große Hilfe. Nach der ersten Partituranalyse folgt ein gemeinsames Nachdenken, Bewerten und meistens eine leidenschaftliche Diskussion.

Mit jeder Erfahrung wächst auch die Erkenntnis, dass jedes Stück ein nahezu endloses Abenteuer ist. Je tiefer ich in die Fülle der Informationen eindringe, desto mehr entdecke ich. Doch nur durch die Reaktion des Publikums kann ich verstehen, welche Effekte die Menschen weltweit ansprechen.

Welche Rolle spielt der Text, wenn Sie eine Arie oder ein Lied einstudieren?

Das kommt auf die Art des Textes an. Jede Sprache steht in einer bestimmten Tradition, hat spezifische Ausdrucksmöglichkeiten und besitzt eine Eigenmusikalität. Das Lied ist ein feingliedriges Kunstprodukt. Es gibt Stücke, wo der Text durch die Musik geradezu aufblüht und direkt die Herzen der Zuhörer berührt. In anderen Fällen ist der Text kaum mehr als eine klangliche Ausrede. Es geht weniger um den Inhalt, sondern eher um die bloße Aufeinanderfolge von Affekten. Jedes Lied trägt eine lebendige Welt in sich, die es zu entdecken gilt. Die besondere Chemie, die Text und Musik verbindet, kennt keine genauen Regeln. Hier zeigt sich die grenzüberschreitende Kraft der Musik.  

Wie ist der Ablauf an einem typischen Konzerttag?

Wenn möglich, ziehe ich mich zurück und suche die Stille. Ich brauche die Ruhe, um mich zu konzentrieren. Wenige Stunden vor dem Konzert führe ich meinem Körper eine ausreichende Menge an Energie in Form von Proteinen, Zucker und Kohlenhydraten zu, um fit für die Bühne zu sein. Während der Veranstaltung habe ich immer eine Flasche Mineralwasser dabei. Wenn das Konzert in Europa stattfindet, versuche ich, am selben Abend nach Hause zurückzukehren. Ich genieße die familiäre und häusliche Atmosphäre, auf die ich während einer Welttournee oft verzichten muss.

Kennen Sie Lampenfieber oder etwas Ähnliches? Wie gehen Sie damit um?

Trotz eines Vierteljahrhunderts internationaler Karriere ist das Lampenfieber ein Teil von mir. Eine Konzertreise ist immer Ausnahmezustand. Es gibt mindestens zwei Arten von innerer Unruhe, die mich bewegen. Die eine löst einen fast vollkommenen Glückszustand aus und die andere, gegensätzliche, raubt mir Kraft. Letztere versuche ich zu vermeiden, indem ich ein intensives Bewusstsein für den Ort entwickle, an dem ich dem Publikum körperlich begegne und dem ich meine Musik vermitteln möchte.

Können Sie die Zusammenarbeit mit internationalen Musikern beschreiben? Gibt es Unterschiede bei der Arbeit mit Sängern und Instrumentalisten?

Jedes Treffen ist anders und einzigartig. Jede Stimme ist eine Welt für sich, das Gleiche gilt für die Instrumente. Jedes Orchester besitzt seine eigene Chiffre, die den Charakter ausmacht. Gemeinsames Musizieren ist fast immer eine Freude und Herausforderung zugleich. Es ist wie eine Wette, die man eingeht, um ein gemeinsames Seelengespräch in Gang zu bringen. Musik verbindet die Menschen aus allen Kulturen, die künstlerische Qualifikation ist nachrangig.  

Wie sehen Sie sich selbst als ein Musikprofessor?

Das Unterrichten ist eine Kunst für sich und es fällt mir nicht leicht, andere zu beurteilen. Zur Lehre gehört Berufung, es ist eine Tätigkeit mit viel Verantwortung. Ich habe eine kritische Einstellung gegenüber Master Classes, die nur wenige Tage dauern. Um herausragende Ergebnisse zu erzielen, ist eine regelmäßige Arbeit mit den Schülern erforderlich. Ein Professor muss für seine Studenten ansprechbar sein und ich bin den größten Teil des Jahres auf Konzertreisen weltweit unterwegs. Im Laufe der Zeit habe ich viele Lehraufträge an internationalen Hochschulen erhalten. Aktuell kann ich sie nicht annehmen, da mein Beruf meine ganze Kraft beansprucht.

Welche Rolle spielt Flexibilität in Ihrer Karriere?

In erster Linie bin ich Opernsänger. Doch ich habe auch eine Vorliebe für das leichtere Repertoire, von der großen populären Romanze bis hin zur Volksweise, genau wie es Enrico Caruso oder Beniamino Gigli vor 100 Jahren pflegten.

Flexibilität gehört naturgemäß zum Leben eines Künstlers. Ich glaube, dass Toleranz und Flexibilität sich gegenseitig bedingen. Ohne diese beiden könnte ich keine Einblicke in fremde Musikkulturen gewinnen, die ich für meine Arbeit dringend brauche.

Foto: Andrea Bocelli singt mit geschlossenen Augen. Er steht neben einem Flügel, an dem ein Pianist spielt. Bocelli trägt Frack und Fliege, der Hintergrund ist schwarz. Foto: EuroVideo Medien.

Zur Autorin

Dr. Juliane Bally studierte Kommunikations- und Musikwissenschaft. Promovierte sich mit einer Arbeit über das Thema Miklós Rózsa – Ausbildung und kammermusikalisches Frühwerk als Basis für das filmmusikalische Schaffen am Beispiel „Ben Hur“. Nach Tätigkeit im wissenschaftlichen Projektmanagement und Wahrnehmung zahlreicher Lehraufträge, 2015 Beginn der Habilitation zum Thema Musikalische Kommunikation: Modus Braille.

Autorenbild: Dr. Juliane Bally. Dr. Juliane Bally hat kurze braune, gelockte Haare. Sie trägt eine weiße Bluse und lächelt in die Kamera. Foto: privat.

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Andrea Katemann

Interview mit Thomas Kahlisch über das DAISY-Konsortium

Vielen blinden und sehbehinderten Menschen ist der Begriff DAISY als Format für Hörbücher bekannt. Dem weltweit arbeitenden "DAISY-Konsortium" war es von Anfang an wichtig zu versuchen, DAISY als weltweiten Standard zu etablieren. Thomas Kahlisch gibt in seinem Interview einen Überblick über die breite Vernetzung und über die Aufgaben dieser Vereinigung.

Katemann: Sämtliche blinde und sehbehinderte Menschen nutzen inzwischen tagtäglich den sogenannten DAISY-Standard, um ihre Hörbücher und Zeitschriften zu genießen. Weniger bekannt ist den meisten, dass dieser Standard einerseits weltweit gelten sollte und andererseits maßgeblich durch das DAISY-Konsortium entwickelt und definiert wurde. Wann ist das Konsortium gegründet worden?

Kahlisch: Gegründet wurde es 1996. Von Anfang an hatte es sich zum Ziel gesetzt, ein digitales Hörbuchformat für die Blindenbibliotheken zu entwickeln. Eine Vollmitgliedschaft kostet vergleichsweise viel Geld, daher ist es vor allem für größere Einrichtungen interessant, dort Mitglied zu sein. So sind u.a. die führenden Bibliotheken in den USA dabei, das Royal National Institute for the Blind (RNIB), skandinavische Länder wie Schweden und Finnland, aus dem asiatischen Raum ist Japan und für Deutschland ist der Verein Medibus Mitglied. Ich erinnere mich daran, dass man viel gereist ist und sich erste Entwicklungen vorgestellt hat. So waren die Japaner in Deutschland und haben den deutschen Bibliotheken erste Standards vorgestellt. Aufgrund der recht hohen Mitgliedschaftsgebühren gibt es auch sogenannte assoziierte Mitglieder und solche, die mit dem Konsortium befreundet sind. Zu den Freunden gehören u.a. die Hersteller von DAISY-Playern und einige Verlage. Die befreundeten und assoziierten Mitglieder haben kein volles Stimmrecht, sind aber an den Entwicklungen von Standards beteiligt.

Katemann: Hat das Konsortium auch hauptamtliche Mitarbeiter?

Kahlisch: Ja, es gibt einen Geschäftsführer, Richard Own, und einen sogenannten "technical chief". An der Definition von Standards arbeitet immer noch maßgeblich der sich inzwischen im Ruhestand befindliche George Kershaw. Er ist gut vernetzt, hat in den USA die Etablierung des DAISY-Standards vorangetrieben und den Versuch unternommen, zu einer definitiven Gültigkeit eines weltweiten Standards zu gelangen.

Katemann: Entwickelt das Konsortium "nur" Definitionen für Standards?

Kahlisch: Nein, es entwickelt auch Tools, um Literatur barrierefrei umzusetzen. So ist die kostenlose DAISY-Software zur Umsetzung von Hörbüchern, OBi, und die ebenfalls kostenlose Software für die Produktion von Büchern, die Audio mit Text kombinieren, Tobi, entstanden.

Katemann: In Europa kennen wir vorwiegend einen reinen DAISY-Hörbuchstandard. Wie ist dies in anderen Ländern?

Kahlisch: In den USA und auch in Kanada wird häufig der DAISY-3-Standard verwendet. Er ermöglicht eine einfachere Einbindung von Texten in Audioformate, und man kann ihn auch als ausschließliche Möglichkeit verwenden, nur Text anzuzeigen und sich vorlesen zu lassen. Auch in den skandinavischen Ländern wird, um von mehr Strukturierungsmöglichkeiten für den Sach- und Fachbuchbereich Gebrauch machen zu können, ebenfalls häufiger der DAISY-3-Standard verwendet. Doch gerade ändert sich vieles in ganz Europa. Die Aufgaben der Blindenbibliotheken verändern sich. Sie richten sich immer stärker sowohl für lesebehinderte als auch für blinde und sehbehinderte Menschen aus. Für lesebehinderte Menschen sind natürlich vielfältige Möglichkeiten des DAISY-Standards interessant und nicht nur das reine Hörbuch. Daher wird auch in Europa zukünftig stärker u.a. der DAISY-3-Standard verwendet werden.

Katemann: Was wird sich noch verändern?

Kahlisch: Das DAISY-Konsortium setzt sich immer stärker für inklusives, barrierefreies Publizieren und damit einhergehend für die Weiterentwicklung von barrierefreien Formaten in der Verlagswelt ein. Die Vision ist es, dass schon am Beginn der Entstehung eines Werkes über dessen Barrierefreiheit nachgedacht wird. In diesem Zusammenhang diskutiert man immer wieder über die Verwendung des sogenannten Epub3-Standards. Auch er ermöglicht es, Audio- oder Textformate in strukturierter Form zu erzeugen. Das Epub3-Format ist zur Standardisierung beim "World Wide Web Consortium" (W3C) angesiedelt. In gewisser Hinsicht lässt sich das Umsetzen von barrierefreier Literatur auch mit der Gestaltung von Webseiten, zumindest was die Barrierefreiheit betrifft, vergleichen. Somit arbeitet das DAISY-Konsortium inzwischen eng mit dem W3C zusammen und bringt seine Expertise in Bezug auf Epub3 und Barrierefreiheit ein.

Katemann: Da schließt sich der Kreis einer breiten und in bester Hinsicht vernetzten Zusammenarbeit. Herr Kahlisch, ich bedanke mich für Ihre Ausführungen.

Zur Autorin

Andrea Katemann ist Leiterin der Deutschen Blinden-Bibliothek an der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) in Marburg und außerdem Vorstandsmitglied des DVBS.

Autorenbild: Andrea Katemann. Andrea Katemann sitzt lächelnd an einem Tisch in der Sonne und hält ein Smartphone in der Hand. Sie hat kurze grau-braune Haare und trägt einen schwarzen Pullover. Foto: Bruno Axhausen

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Juliane Taubner

ICCroatia – das International Camp on Communication and Computers in Kroatien 2018

Eine zehntägige Dienstreise ist ja nicht immer das, was man als “Spaß” versteht. Aber wenn einen diese Dienstreise im schönsten Sommer in das kroatische Zadar und damit direkt ans Mittelmeer führt, um sechs blinde und sehbehinderte Jugendliche zu begleiten, kommt man nicht umhin, dem Ganzen mit Begeisterung entgegenzusehen.

Es war für mich das erste ICC und so wusste ich nicht genau, was mich erwarten würde. ICC, das ist das International Camp on Communication and Computers, ist eine seit 1993 jährlich stattfindende Veranstaltung für blinde und sehbehinderte Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren, das jedes Jahr in einem anderen Land stattfindet. Doch was genau würde dort stattfinden, wie würde es ablaufen? Mir war klar, dass das ICC darauf ausgelegt ist, den teilnehmenden Jugendlichen, die aus ganz Europa kommen, durch zahlreiche Workshops Einblicke in die verschiedensten Thematiken zu geben und die dabei quasi ganz nebenher entstehenden Bekanntschaften durch gemeinsame Freizeitaktivitäten und Ausflüge zu vertiefen. Ich bereitete mich auf die beiden Workshops vor, die ich leiten und begleiten sollte – Networking und Newspaper – und war gespannt, wie sich die Zeit vor Ort gestalten würde.

Da ich selbst als Jugendliche an Jugendfreizeiten teilgenommen habe, hatte ich eine grobe Vorstellung davon, wie das Ganze ablaufen würde. Worauf ich nicht vorbereitet war, war der emotionale Eindruck, den diese zehn Tage sowohl bei mir und den anderen Begleitpersonen als auch bei „unseren“ Jugendlichen hinterlassen würde.

Schon beim ersten Treffen am Frankfurter Flughafen zeigte sich die erste Aufregung. Für einige der Teilnehmer*innen war es nicht nur das erste ICC, sondern überhaupt das erste Mal, dass sie alleine unterwegs waren – und dann direkt in ein anderes Land und zu einem Treffen, bei dem man sich nur auf Englisch verständigen kann! Es gab einige Unsicherheiten, ein vorsichtiges Aneinander-Herantasten und Kennenlernen. Schon im Flugzeug begegnete uns dann die erste weitere Teilnehmergruppe aus der Schweiz und vor Ort wurden wir unseren persönlichen Betreuern vorgestellt: jede Landesgruppe hatte einen der vielen kroatischen freiwilligen Helfer zugeteilt bekommen, der oder die für sie zuständig war. Wir hatten kurz die Möglichkeit, uns im Studentenwohnheim, in dem wir in Zweierzimmern untergebracht waren, heimisch zu machen und dann ging es durch die Stadt, am Jachthafen vorbei und über den mit römischen Ruinen gespickten Marktplatz zur Universität, wo das erste Kennenlerntreffen aller Teilnehmer war. Insgesamt waren 17 Länder mit insgesamt 133 Teilnehmern beteiligt, was einen großartigen und intensiven Austausch der unterschiedlichsten Kulturen bedeutete.

Die Universität liegt direkt am Meer – und wenn ich direkt sage, meine ich direkt: das Eingangstor öffnet sich direkt auf die Uferpromenade, auf der es auch diverse Einstiegsleitern zum Schwimmen gibt. Die folgenden Tage waren vollgepackt mit neuen Eindrücken und beeindruckenden Workshops. Morgens früh um 7.30Uhr ging es los zum Frühstück, um für den ersten Workshop, der um 9Uhr begann, gewappnet zu sein. Und die Vielfalt der Workshops war beeindruckend: von Networking über Arbeiten mit JAWS zu Exploring Space by Noises, Kreatives Schreiben oder Backen und Kochen, dazu diverse Workshops, die sich mit verschiedenen Computerprogrammen oder Apps für Handys beschäftigten war alles dabei. Bis 12Uhr waren die Teilnehmer dann mit Workshops beschäftigt, danach gab es Mittagessen und eine Pause bis 14Uhr. Anschließend gab es den zweiten Workshop bis 17Uhr, dann Abendessen und um 19Uhr begannen die Leisure Time Activities, die Freizeitaktivitäten. Auch hier gab es eine tolle Auswahl: vom Schwimmen im Meer über eine Stadtführung oder einen Ausflug in eine nahegelegene Saline bis hin zu gemeinsamem Musizieren, Tandemfahren oder Reiten.

Das klingt ziemlich vollgepackt? Das war es auch. Zumindest ich bin abends auch ganz schön erschöpft ins Bett gefallen – anders als der eine oder andere Teilnehmer, der noch bis nachts in Gespräche und Gelächter verwickelt war. Am meisten machte wohl allen nicht-kroatischen Teilnehmern die Hitze zu schaffen, die doch sehr erschöpfend war und alle Busfahrten zu eher ruhigen Ereignissen machte, da der Großteil Nickerchen machte.

Mit am schönsten war wohl die Fahrt nach Krka, einem der schönsten Nationalparks Kroatiens. Der Park existiert seit 1985 und ist ca. 80km von Zadar entfernt. Er ist nach dem gleichnamigen Fluss Krka benannt, der sich hindurchschlängelt, und umfasst über 109km². Wer noch nicht da war, dem kann man nur schwer vermitteln, wie beeindruckend das Erlebnis vor Ort war: der ganze Park ist voller Wasserfälle, die sich in kristallklare, türkisblaue Seen ergießen, bei denen man teils bis auf den Grund sehen kann. Der Weg hindurch führt auf Holzstegen, um den Wald zu schützen, und man ist von einem dauerhaften Konzert aus Zikadenzirpen, Wasserrauschen und Vogelgezwitscher umgeben. Alle Nuancen von Grün und Blau sind im Wasser und Wald sichtbar und man kann diverse Tiere beobachten: Libellen, Fische, Enten, Vögel und viele Arten von Eidechsen, um nur ein paar zu nennen. Der Ausflug endete mit einer Bootsfahrt und einem klassisch kroatischen Gericht. Die strahlenden Gesichter aller Teilnehmer vor Ort waren ein Beweis für das gelungen ausgesuchte Ausflugsziel.

Trotz des vollen Programms blieb Zeit, Bekanntschaften zu schließen und sich miteinander auszutauschen. Eines der Gespräche, das mir mit am meisten im Gedächtnis blieb, war das Gespräch mit Robert „Bob“ Crosset, einem belgischen Workshopleiter. Bob leitete den Workshop Echolocation, bei dem man durch den Klang, der durch ein scharfes Klicken mit der Zunge entsteht, Gegenstände im Raum verortet. Er hat diese Fähigkeit derart geschult, dass es ihm sogar möglich ist, Grundfarben zu erkennen – etwas, das er seinem beeindruckend staunenden Publikum mehr als einmal demonstrierte.

Aber auch der Austausch als sehende Person mit sowohl den blinden und sehbehinderten Teilnehmer*innen als auch anderen Betreuer*innen blieb mir nachhaltig im Gedächtnis. Es war für mich besonders beeindruckend zu erleben, wie unterschiedlich die Selbstsicherheit und auch Fähigkeiten der Teilnehmer*innen waren und dann durch Gespräche zu versuchen herauszuhören, woran dies liegen könnte und die etwas unsicheren in ihrem Tun und Sein zu bestätigen.

Am Ende der zehn Tage fiel wohl allen der Abschied schwer – sowohl von den vertraut gewordenen und lieb gewonnenen neuen Freunden als auch von der heißen, schönen Stadt am Meer. So einige Tränen wurden vergossen, als es hieß, „zurück nach Hause“, und Versprechen für ein baldiges Wiedersehen, spätestens beim ICC 2019, gegeben. Eines ist sicher: es war ein beeindruckendes, nachhaltiges Erlebnis, das allen Beteiligten noch sicher lange und positiv in Erinnerung bleiben wird.

Das ICC 2019

Wer jetzt Lust bekommen hat, auch einmal beim ICC dabei zu sein, der hat diese Chance wieder im kommenden Jahr: 2019 wechselt das ICC von der herrlichen Küste Kroatiens in das britische Hereford an das Royal National College for the Blind (RNC). Das Camp wird wieder Ende Juli/Anfang August stattfinden und ist dieses Mal von VICTA organisiert, einer britischen Selbsthilfeorganisation für blinde und sehbehinderte Kinder und junge Menschen.

Das deutsche Team, Teilnehmer und Betreuer, wird vom Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS, www.dvbs-online.de) zusammengestellt. Teilnahmebedingungen, Auskünfte zum Bewerbungsverfahren und zum Ablauf des ICC erteilt die nationale Koordinatorin, Ursula Weber, unter der Telefonnummer 0351/31553045 oder per E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, und die Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit des DVBS, Juliane Taubner, Tel. 06421/9488813 oder per Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Camp-Sprache ist Englisch. Die Kosten belaufen sich auf 500 € ohne Anreise. Finanzielle Unterstützung ist möglich.

Wir freuen uns darauf, euch im nächsten Jahr im deutschen Team begrüßen zu dürfen und mit euch unvergessliche zehn Tage zu erleben!

Foto 1: Die Uferpromenade vor der Universität Zadar. Ausblick auf das Meer unter Bäumen hindurch. Foto: privat.

Foto 2: Die deutsche Gruppe des ICC 2018 vor den Wasserfällen Krkas. Foto: privat.

Foto 3: Teilnehmer der deutschen Gruppe, die sich über ein Tastmodell des Parks von Krka beugen. Foto: privat.

Foto 4: ICCroatia. Luftaufnahme der Teilnehmer des ICC, die alle weiße T-Shirts tragen und gemeinsam das Logo von ICCroatia bilden. Sie sind an der Uferpromenade von Zadar aufgestellt. Foto: STRIKOMAN.

Zur Autorin

Juliane Taubner koordiniert seit Februar 2018 hauptamtlich die Öffentlichkeitsarbeit des DVBS und ist Redaktionsmitglied im horus.

Autorenbild: Juliane Taubner. Juliane Taubner hat blonde Haare, die sie im Nacken zusammengebunden hat. Sie trägt ein lila T-Shirt und lächelt in die Kamera. Foto: privat.

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Nina Odenius

Campus Visually Impaired – ein außergewöhnliches Seminar

Ziel des Campus Visually Impaired war die internationale Vernetzung zwischen Studierenden mit Sehbeeinträchtigung aus ganz Europa. Die Idee zu diesem Seminar entstand in meiner Zeit als Leitungsteam-Mitglied der Fachgruppe Studium und Ausbildung des DVBS. Wir wollten ein internationales Seminar für blinde und sehbehinderte Studierende ins Leben rufen. Das Seminar sollte nach Vorbild des ICC konzipiert werden. Das ICC „International Camp on Communication and Computers“ findet einmal pro Jahr in einem anderen europäischen Land statt und richtet sich an blinde und sehbehinderte Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren. Dort lernen die Jugendlichen in diversen Workshops verschiedene technische, aber auch lebenspraktische Dinge und haben die Möglichkeit, im Rahmen des einwöchigen Camps sich auszutauschen und zu vernetzen. Ein solches Event gab es bis dato nur für Jugendliche.

Und wie sieht es im Studium aus? Auslandsaufenthalte werden immer wichtiger und oft wird bei Bewerbungsgesprächen danach gefragt. Laut einer Studie der European Blind Union (EBU) trauen sich Blinde und sehbehinderte Studierende aber nicht immer ins Ausland zu gehen, um dort für ein oder mehrere Semester zu studieren. Sie scheuen oft die vielfältige Organisation eines solchen Aufenthaltes.

Wir als damaliges Leitungsteam der Fachgruppe Studium und Ausbildung wollten ein solches Seminar planen und durchführen, da wir während unseres Studiums selbst Auslandsaufenthalte durchgeführt und dabei sehr positive und bereichernde Erfahrungen gesammelt hatten. Wir holten uns Verstärkung bei unseren Fachgruppenmitgliedern und gründeten eine Arbeitsgruppe, die ausschließlich für die Seminarorganisation zuständig war. Die Arbeitsgruppe bestand im Kern aus vier Mitgliedern: zwei Blinden und zwei Sehbehinderten. Die Planungen dauerten mehr als zwei Jahre. Viele Themen standen auf unserer Agenda:

  • Einen Seminartitel kreieren
  • Das Seminarprogramm erstellen
  • Die genaue Zielgruppe für das Seminar definieren mit anschließender Teilnehmersuche
  • Sponsoren und adäquate Referenten finden
  • Eine passende Tagungsstätte reservieren

Dies alles war sehr langwierig und vor allem das Finden der Teilnehmer stellte sich als schwieriger heraus als wir gedacht hatten. Wir hatten verschiedene Blindenorganisationen und Verbände angeschrieben mit der Bitte, für unser Seminar aus ihrem Land passende Teilnehmer zu finden. Wir suchten nach Studierenden im Alter zwischen 18 und 29 Jahren mit und ohne Auslandserfahrung. Von einigen Organisationen erhielten wir keine Antwort auf unsere Anfrage, aber viele reagierten mit Begeisterung auf unser Projekt und erklärten sich bereit, uns bei der Teilnehmersuche zu unterstützen. Als Referenten konnten wir unter anderem Anca David von Views International, Wolfgang Angermann von der EBU, Christina Bohle vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Andrea Katemann von der Deutschen Blindenstudienanstalt, Michael Herbst von der Christoffel-Blindenmission und Rodolfo Cattani vom European Disability Forum gewinnen.

Nach vielen organisatorischen Vorbereitungen konnte es dann endlich losgehen. Vom 15. bis 19. August 2018 fand unser Seminar „Campus visually impaired – Studying in Europe without borders” in Frankfurt am Main statt. Als Tagungsort hatten wir die Sportschule und Bildungsstätte des Landessportbundes Hessen e.V. gewählt. Diese liegt in der Nähe des Frankfurter Flughafens und ist auch mit dem Zug gut erreichbar. Außerdem eignet sich das idyllisch in der Natur gelegene Haus gut für Tagungen und Sportveranstaltungen. Es kamen 21 Teilnehmer aus neun verschiedenen europäischen Ländern zusammen. Das Seminarprogramm war sehr vielfältig. Es gab beispielsweise Vorträge zu diversen blindenspezifischen Organisationen und Institutionen, wie beispielsweise die EBU oder Views International. Außerdem gab es einen Vortrag über die spezifischen Regularien für Auslandsaufenthalte für Menschen mit Behinderung vom DAAD. Die neuesten technischen Innovationen für das Studium wurden ebenfalls in einer Präsentation vorgestellt. Es gab aber nicht nur Vorträge, sondern auch Programmpunkte, an denen die Studierenden aktiv mitdiskutieren konnten. So wurden in Kleingruppen verschiedene Erfahrungen zur Vorbereitung eines Auslandsaufenthaltes diskutiert. Auch das Studium und die Unterstützung an den jeweiligen Heimatuniversitäten der Teilnehmer war ein Thema in den Kleingruppendiskussionen. Zusätzlich gab es ausführliche Erfahrungsberichte von Sehbehinderten und Blinden, die bereits im Ausland waren. Dabei wurde vor allem auf die Themen Finanzierung, Mobilität und soziale Integration eingegangen. In einer Podiumsdiskussion wurden die (Zukunfts-) Perspektiven beleuchtet, die Europa für blinde und sehbehinderte Menschen bietet. Die Themen waren hier der Marrakesch-Vertrag, die Mobilität von Menschen mit Seheinschränkung in Europa sowie der Arbeitsmarkt.

Aber auch die Freizeit sollte nicht zu kurz kommen. Im Rahmen eines Sportabends konnten die Teilnehmer Blindenfußball spielen. In einer barrierefreien Stadtführung wurde den Teilnehmern die Geschichte und die Sehenswürdigkeiten Frankfurts nahegebracht. Den Abschlussabend verbrachten wir in einer typisch hessischen Gaststätte und ließen uns traditionelle Köstlichkeiten schmecken.

Am Ende des Seminars erhielten wir von den Teilnehmern ein sehr positives Feedback. Sie waren von der Veranstaltung begeistert und einige von ihnen wurden durch die Informationen im Seminar inspiriert, in nächster Zeit einen Auslandsaufenthalt durchzuführen. Die Berichte in dem Seminar hätten ihnen gezeigt, dass dies auch als Studierender mit Seheinschränkung möglich ist. Zudem regten die Teilnehmer eine Folgeveranstaltung des Campus Visually Impaired in einem anderen europäischen Land an.

Auch wir Organisatoren sind mit dem Verlauf unseres Seminars sehr zufrieden. Es hätte nicht besser laufen können! Wir haben unser Ziel erreicht, Studierende aus verschiedenen Ländern Europas zusammenzuführen und ihnen die Möglichkeit zu geben, neues zu lernen und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Wir bedanken uns bei den Sponsoren für die finanzielle Unterstützung und beim DVBS für das Vertrauen und die tatkräftige Hilfe. Wir hoffen, dass es noch viele weitere Campus Visually Impaired in anderen Ländern geben wird.

Foto: Gruppenbild der Teilnehmer des Campus Visually Impaired. Foto: privat.

Zur Autorin

Nina Odenius wurde 1990 geboren und ist seit ihrer Geburt blind. Sie schloss ihr Masterstudium der Romanistik im Februar 2018 ab. Von 2014 bis 2016 war sie Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Studium und Ausbildung des DVBS. Von 2016 bis 2018 war sie Mitglied des Organisationsteams des Seminars „Campus visually impaired – Studying in Europe without borders.“

Autorenbild: Nina Odenius in Pisa. Nina Odenius hat lange, blonde Haare, die sie offen trägt. Sie stützt mit den Händen den schiefen Turm von Pisa. Foto: privat.

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Ana Mikiashwili

Mariani – für die Belange blinder und sehbehinderter Menschen in Georgien

Die Non-Profit-Organisation “Mariani” wurde im September 2012 von Mariam und Ana Mikiashwili gegründet. Seitdem leiten die beiden Gründerinnen die Organisation unverändert. Das Ziel der Organisation „Mariani“ ist, sehbehinderte und blinde Menschen durch Unterstützung ihrer Bildung und Rehabilitation vollständig in die Gesellschaft zu integrieren. Die Begünstigten der Organisation sind Menschen jeden Alters mit einer Sehstörung oder starken Sehbehinderung sowie ihre Familienangehörigen und Fachkräfte. „Mariani“ arbeitet nicht nur auf der Mikro- (mit sehbehinderten Menschen und ihren Familienangehörigen), sondern auch auf der Meso- (Gruppen, Schulen, Institutionen) und Makroebene (Recht, Infrastruktur, Politik, Staatliche Strategien usw.). Wir haben Projekte für die Schulung der Fachkräfte im Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen unterstützt. Wir versuchen, die georgische Regierung über Probleme aktiv zu informieren und so zu positiven Lösungen zu kommen.

Internationale Partner der Organisation „Mariani“ sind:

  • Internationaler Rat für Rehabilitation und Bildung von Menschen mit Sehbehinderung (ICEVI), dessen Vertreterin in Georgien die Gründerin der Organisation „Mariani“ Mariam Mikiashwili ist.
  • Freunde und Förderer der Blindenschule Tiflis (Marburg, Deutschland);
  • Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV, Berlin, Deutschland);
  • Polnische Botschaft in Georgien;
  • Stiftung Ariari (Warschau, Polen);
  • Studio Typhlo graphics (Posnan, Polen);
  • Schule für blinde Kinder in Zypern (Nicosia, Zypern);
  • Entwicklungsprogramme der Organisation der Vereinten Nationen - Büro in Tiflis (Tiflis, Georgien) u.a.

Wir arbeiten unter anderem eng mit verschiedenen georgischen Regierungsinstitutionen zusammen, darunter unter anderem das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Sport und Kultur, das Amt für Entwicklung der inklusiven Bildung, die Jugendabteilung, die Vorschulerziehungsabteilung und Berufsbildungsabteilung sowie das Entwicklungszentrum der Lehrkräfte und das Justizhaus.

Durch Unterstützung der deutschen und polnischen Partner im Hinblick auf die Rehabilitationsrichtung hat die Organisation „Mariani“ folgende wichtigste Maßnahmen organisiert:

In Georgien wurden Fachkräfte etappenweise im Zuge der Qualifikationserhöhung für räumliche Orientierung und Mobilität sowie frühzeitige Förderung von Kindern mit Sehbehinderung vorbereitet. Fachleute, die an unseren Projekten beteiligt waren, hatten die Möglichkeit, mit blinden und sehbehinderten Menschen unmittelbar zu arbeiten und ihr Selbständigkeitsniveau zu erhöhen. Hierzu ist zu sagen, dass die Vorbereitung der Rehabilitationsfachkräfte in Georgien schon 2011 durch Unterstützung der deutschen und polnischen Kollegen begonnen hat. „Mariani“ als eine Organisation kam ein Jahr später hinzu. Seit 2013 werden im Schulinternat für blinde Kinder die räumliche Orientierung und die Mobilität trainiert. „Mariani“ war aktiv an der Befürwortung der Genehmigung von Fachkräften für räumliche Orientierung und Mobilität in der Schule beteiligt.

„Mariani“ und ihre Erfolge

Es gab vor der Gründung der Organisation „Mariani“ bereits einige NGOs (Non-Governmental Organization) in Georgien, die mit den Problemen der sehbehinderten und blinden Menschen beschäftigt waren, aber das Thema Rehabilitation war neu. Deshalb fand „Mariani“ schnell ihre Nische als eine Organisation, die bei der Durchführung der Aktivitäten vorhandene soziale Modelle nutzte, während die meisten anderen Organisationen hauptsächlich medizinische und karitative Modelle bevorzugten.

Auf Initiative der Organisation „Mariani“ wurden in der öffentlichen Blindenschule Nr. 202 die Treppen gelb markiert. Anschließend wurden einige Tageszentren, eine Universität und ein Krankenhaus ebenfalls markiert. Später hat die Organisation „Mariani“ initiiert, im Justizhaus taktile Bodenbeläge zu installieren, eine Karte mit Brailleschrift aufzustellen und Sicherheitsmarkierungen an Glastüren für Menschen mit Seheinschränkung einzurichten.

„Mariani“ hat auch einen Zugänglichkeitsplan des Parlamentspalastes von Tiflis erstellt, auf dessen Grundlage die technische und architektonische Planung der Zugänglichkeit des Gebäudes gewährleistet wurde. Diese Normen werden derzeit umgesetzt. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es in Georgien kein Gesetz gibt, das die Regeln für den Zugang von Menschen mit Sehbehinderung zu Gebäuden oder anderen öffentlichen Einrichtungen regelt. Es gibt minimale Standards, aber diese werden nicht vollständig durchgesetzt und kontrolliert. Wenn die Baufirmen keinen guten Willen haben, sind die Gebäude für Menschen mit Sehstörungen nicht vollständig zugänglich. In diesem Prozess ist die Beteiligung unserer Organisation einerseits als Lobby und andererseits als Experten sehr wichtig, um zugängliche Bedingungen zu schaffen. „Mariani“ versucht aktiv, das Wissen und die Erfahrung ausländischer Kollegen zu teilen, um den Fachkräften in Georgien zu ermöglichen, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben und ihre Qualifikationen zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde Georgien mehrmals von Fachleuten aus Deutschland und Polen besucht, darunter auch aus der blista. Die durchgeführten Kurse wurden der räumlichen Orientierung und Mobilität sowie der frühzeitigen Förderung blinder Kinder gewidmet. Der Frühförderung von blinden und sehschwachen Kindern mit mehrfachen Behinderungen sollte eine eigene Richtung gegeben werden. Während der Besuche von ausländischen Kollegen in Georgien wurden nicht nur Schulungen durchgeführt, sondern auch Treffen mit Vertretern verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen. Die Beteiligung von Menschen mit Sehbehinderung ist in den Projekten so weit wie möglich vorgesehen. Die Fachkräfte arbeiten aktiv mit Eltern von blinden und sehbehinderten Kindern zusammen, um ihr Bewusstsein zu steigern und die richtigen Strategien für eine harmonische Entwicklung des Kindes zu finden.

Die Besuche der Rehabilitationsfachkräfte haben somit mehrere Ziele. Doch die Aktivitäten der Organisation umfassen nicht nur die Stadt Tiflis, sondern auch die Regionen. So waren die Rehabilitations- und Frühförderungsfachkräfte aus ganz Georgien an den oben genannten Weiterbildungen beteiligt. Besonders beachtenswert ist, dass in der südwestlichen Region Georgiens, der Autonomen Republik Adscharien, extra Kurse organisiert wurden, um örtliche Fachleute weiterzubilden. Rund 80 Prozent dieser TeilnehmerInnen sind derzeit in verschiedenen Schulen, Tages-, Rehabilitationszentren sowie in den Berufsschulen tätig und im Rahmen ihrer Tätigkeit haben sie ständige Kontakte mit den sehbehinderten Menschen. Die meisten davon arbeiten direkt in Richtung Rehabilitation oder Frühförderung.

Eines der wichtigsten Projekte wurde durch das Büro der Innovationsstiftung in Tiflis, der DVV International (Institut für Internationale Zusammenarbeit des Deutschen Volkshochschulverbandes) finanziert. Im Rahmen dieses Projektes wurde ein sogenannter Leitfaden „Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in informelle Bildungsaktivitäten“ für Ausbilder und Organisatoren erstellt und allen Interessierten und Trainern zur Verfügung gestellt.

Erwähnenswert ist auch das Projekt, das unter der Schirmherrschaft von ICEVI durchgeführt wurde. Dies war die 7. Internationale Konferenz für Osteuropa: „Die Rolle von Eltern und Fachkräften in der Bildung des blinden Kindes“. Auf dieser Konferenz haben uns bisher unbekannte Eltern kontaktiert, die spezielle Beratungen und Lesematerial von Fachleuten über Erziehung und Ausbildung von blinden Kindern erhalten hatten. Seitdem arbeiten wir aktiv mit diesen Eltern zusammen.

Die größten Herausforderungen für "Mariani"

Zwei Hauptprobleme stellen die größten Herausforderungen für „Mariani“ dar:

Zum einen die unstabile Staatsfinanzierung: NGOs, die in Georgien existieren, werden von internationalen Spendern finanziert. Der Prozess sieht folgendermaßen aus: Der Spender kündigt einen Zuschusswettbewerb mit bestimmten Themen und einem festgelegten Budget an. Interessierte Organisationen werden ihre Vorschläge einreichen und erhalten Mittel in Form von Zuschüssen. Es werden meistens die Organisationen bevorzugt, die schon große Erfahrungen haben und mindestens schon einmal durch die gleiche Organisation finanziert wurden. Dies bedeutet, dass es für kleine Organisationen wie „Mariani“ nur geringe Chancen auf eine Finanzierung gibt. Folglich kann die Organisation den Mitarbeitern keine stabile oder sogar nur geringe Entlohnung bieten. Deshalb müssen wir Mitarbeiter für einzelne Projekte einstellen, was zum Abfluss des professionellen Wissens und demzufolge zu Beginn jedes Folgeprojekts zu Schwierigkeiten führt.

Zum anderen hat „Mariani“ kein festes Büro: die meisten Zuschüsse und Spenden decken gerade mal die Projektkosten und die Gehälter der Mitarbeiter. Was kommunale und Bürokosten sowie Büromieten betrifft, sind wir in einer prekären Lage: Da die Büroausgaben nur durch hohe Zuschüsse finanziert werden können, die wiederum ohne Büro, stabile Mitarbeiter und nachhaltige Organisationsstruktur nicht zu erreichen sind, dreht man sich im Kreis. Schlechte Arbeitsbedingungen verhindern auch die Durchführung vieler Aktivitäten, für die keine Mittel benötigt würden, wie zum Beispiel Blindenclubs, Unterstützung der freiwilligen Trainingsgruppen, Freizeitaktivitäten und so weiter.

Ohne internationale Partner wie „Freunde und Förderer der Blindenschule Tbilisi“, könnte unsere Organisation nicht existieren und wäre nicht einflussreich in Richtung Rehabilitation und frühzeitige Förderung gewesen.

„Mariani“ hofft immer noch auf internationale Partner. Wir hoffen, dass unsere internationalen Kontakte weiter vertieft werden, damit wir einen Beitrag zur Einbeziehung der in Georgien lebenden Menschen in den Prozess der Integration leisten können.

Foto 1: Frühförderungsweiterbildung. Zwei Teilnehmerinnen mit Simulationsbrillen halten zwei Puppen in der Hand. Foto: privat.

Foto 2: Mitarbeiter kleben gelbe Sicherheitsstreifen auf Glastüren auf. Foto: privat.

Foto 3: Foto durch ein Treppenhaus nach unten. Ein Mitarbeiter mit gelbem Farbeimer in der Hand lächelt zur Kamera hoch. Die ersten Stufen sind gelb markiert. Foto: privat.

Foto 4: Zwei Teilnehmerinnen der Jugendarbeitsweiterbildung. Eine trägt eine große Simulationsbrille. Sie sehen nach links aus dem Foto heraus. Foto: privat.

Foto 5: Gruppenbild eines der durchgeführten Trainings. Foto: privat.

Zur Autorin

Ana Mikiashwili gehörte zu den ersten Teilnehmer*innen einer Reihe von Fortbildungen in "Orientierung und Mobilität" und "Lebenspraktischen Fertigkeiten", die vom ehemaligen Schulleiter der Carl-Strehl-Schule, Matthias Weström, mit Unterstützung der blista und des DBSV in Georgien erstmalig initiiert wurden. Heute leitet sie, inzwischen Schulpsychologin, zusammen mit ihrer blinden Schwester Mariam, die NGO "Mariani", welche die Regierung in Hinblick auf die Teilhabe von Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit in Georgien berät.

Autorenbild: Ana Mikiashwili. Ana Mikiashwili hat dunkle, lockige Haare, die sie zusammengebunden hat. Sie hält einen gelben Gegenstand in der Hand und lächelt über die Schulter in die Kamera. Foto: privat.

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Rostam Nazari

Mein Leben in Marburg

Die ersten Wochen brachten viele Erlebnisse mit sich. So besuchte ich in Marburg zum ersten Mal ein Schwimmbad zusammen mit der Wohngruppe und auch im Einwohnermeldeamt wurde ich, zusammen mit meinem Bruder und meinem Cousin, nun offiziell als Marburger eingetragen. In Marburg ging ich auch das erste Mal in eine Moschee, was mich unglaublich glücklich gemacht hat. In Afghanistan war ich noch zu jung dafür und im Iran gab es keine Moschee unserer Glaubensgemeinschaft.

Einige Zeit später gingen wir drei zusammen mit einer Betreuerin neue warme Klamotten und Schulsachen kaufen. 10 Tage nach dem Einzug in die Wohngruppe besuchte uns ein Lehrer und erzählte uns vom deutschen Schulalltag. Zusammen besichtigten wir dann die blista, auf welche wir zukünftig gehen sollten. Die blista wurde uns vom Schulamt zugeordnet. Gleich am ersten Schultag schrieben wir einen Test, damit der Lehrer die Deutsch-Kenntnisse der Geflüchteten einschätzen konnte. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt nur meinen Namen richtig schreiben und erreichte im Test deshalb 0%. Mit der Zeit hatte ich einen geregelten Alltag, welcher hauptsächlich aus der Schule und Lernen bestand. Trotzdem nahm ich mir auch die Zeit, fünf Mal am Tag zu beten.

Während der Zeit in Deutschland dachte ich sehr oft an meine Familie, da ich diese seit der Trennung im Iran nicht mehr gesehen hatte und auch nichts mehr von ihnen gehört hatte. In der Schule verbesserte sich meine Leistung auch, sodass ich eine Stufe höher gehen durfte.

Auch Weihnachten, Silvester und meinen Geburtstag feierte ich zusammen mit meiner Wohngruppe. Diese Feste hatte ich zuvor noch nie gefeiert, da man es in meiner Heimat Afghanistan nicht machte.

Acht Monate waren inzwischen vergangen und ich hatte immer noch nichts von meiner Familie gehört. Doch dann, an einem normalen Abend wie sonst auch, erreichte mich ein Anruf meiner Mutter und ich konnte endlich mit ihr, meinem Vater und den anderen Geschwistern sprechen.

In den folgenden Monaten ging das Alltagsleben für mich normal weiter und ich unternahm mit der Wohngruppe zusammen meinen ersten Urlaub nach Berlin. Im Januar hatten ich, mein Bruder und mein Cousin dann unsere Anhörung. Einen Monat später erfuhren wir von der Ablehnung des Asylantrages. Laut der deutschen Politik gilt Afghanistan als sicheres Herkunftsland, was für mich unerklärlich ist, da dort im Jahr 2015 rund 11.000 Menschen ermordet wurden. Trotzdem scheinen diese Zahlen für die Politiker nichts zu bedeuten. Auch dass in meiner Heimatstadt seit 40 Jahren Krieg herrscht, ist nicht bedeutend für die Politiker. Um meinen Hauptschulabschluss zu machen, wechselte ich Anfang Februar 2017 auf die Sophie-von-Brabant-Schule. Dort machte ich Anfang Mai meine Abschlussprüfungen. Ich hatte nun meinen Hauptschulabschluss mit einem Schnitt von 2,1 geschafft. Worauf ich selbst, aber auch meine Lehrer, sehr stolz waren.

Ende Juni feierte ich das Zuckerfest, welches auch “Fest des Fastenbrechens" genannt wird und am Ende des Ramadans stattfindet. Dort habe ich mich bei allen bedankt, die mir dabei geholfen haben, so weit zu kommen und dass ich meinen Abschluss schaffen konnte. Obwohl ich nicht viel Geld hatte, habe ich ein kleines Geschenk für meine Helfer gekauft. Aktuell mache ich eine Ausbildung zum Elektriker. Gegen den abgelehnten Asylantrag haben wir Klage eingereicht.

Mit meiner Familie habe ich viel Kontakt. Von dem abgelehnten Asylantrag habe ich der Familie noch nicht erzählt, damit sie sich nicht unnötige Gedanken macht. Wir drei sehnen uns immer noch danach, einmal wieder in unsere Heimat zurückzukehren, jedoch erst, wenn es dort wieder sicher ist. So lange versuchen wir, in Deutschland zu bleiben. Ich bin glücklich, dass ich momentan noch hier sein darf, aber auch traurig, weil meine Familie sich wieder auf der Flucht befindet. Nach Afghanistan können sie nicht zurück und im Iran wollen sie nicht bleiben. Meine Familie ist seit einigen Wochen in der Türkei angekommen. Sie wohnen in einem Keller und haben nicht viel Geld. Das traurigste ist, dass meine kleinen Geschwister nicht die Schule besuchen dürfen.

Wenn sie krank werden, müssen sie viel Geld bezahlen, weil sie keinen Aufenthaltsstatus in der Türkei haben. Mir ging es hier im Gegensatz dazu gut. Ich konnte zur Schule gehen und darf jetzt eine Ausbildung machen.

Zum Autor

Rostam Nazari wurde im Jahr 2000 in Afghanistan geboren. Im Alter von 8 Jahren floh er mit seiner gesamten Familie wegen des Bürgerkriegs in seiner Heimat in den Iran. Im Sommer 2015 floh er von dort nach Deutschland und beantragte Asyl. Rostam hat keine Sehbehinderung, kann also ganz normal sehen. Ab Oktober 2015 besuchte er die Intensivklasse für Geflüchtete an der blista. Als er nach Deutschland kam, konnte er weder lesen noch schreiben. Über seine Erfahrungen in Afghanistan, dem Iran und auf der Flucht, aber auch über sein neues Leben in Deutschland hat Rostam ein Buch geschrieben. “Rostams Reise. Von Afghanistan nach Deutschland”. Der erste Teil, der die ersten 15 Jahre seines Lebens bis zur Ankunft in Deutschland beschreibt, ist in der DBH unter der Bestellnummer 849561 ausleihbar. Im aktuellen “Kopfhörer”, dem Infomagazin der DBH, gibt es ein ausführliches Interview mit Rostam über sein Leben.

Autorenbild: Rostam Nazari. Rostam Nazari steht an einem Holzsteg vor einem See und sieht in die Kamera. Er hat kurze schwarze Haare und trägt ein T-Shirt und Jeans. Im Hintergrund sind Boote angedockt. Foto: privat.

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Bildung und Wissenschaft

Dr. Heinz Willi Bach

Arbeitsmarktperspektiven für gering qualifizierte, sehbehinderte Menschen und Langzeitarbeitslose

Digitalisierung, gering qualifizierte sehbehinderte Menschen und „Einfacharbeitsplätze“: Wo ist die Interessenvertretung? Wer kümmert sich um die Arbeitsmarktprobleme dieser besonders vulnerablen Behindertengruppen?

Bereits seit den 1970er Jahren sind zunehmende Schwierigkeiten zu beobachten, gering qualifizierte und nur bedingt qualifizierbare blinde, sehbehinderte und mehrfach behinderte Menschen mit geeigneten Arbeitsplätzen zu versorgen – dies zu einer Zeit, als Westdeutschland als das höchstindustrialisierte Land der Welt galt. Aus Sicht der Soziologie und Pädagogik wurde in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre ein Disput geführt, ob für diese Personenkreise Bildungsziele und Berufsziele jenseits der unbedingten Integration auf einem immer schwierigeren wettbewerblichen Arbeitsmarkt diskutabel seien (vgl. z.B. Thimm 1979). Meines Erachtens wurden diese Überlegungen seitens der Selbsthilfe zurückgewiesen – die Orientierung auf das gesellschaftliche Ziel der Teilnahme am wettbewerblichen Arbeitsleben sei unabdingbar, so schwer dies im Einzelfall auch zu verwirklichen sei.

Angesichts der Globalisierung und Digitalisierung werden wir u.U. zukünftig in einer Gesellschaft partiellen Überflusses leben, parallel dazu in der Situation, dass große Teile des Erwerbspersonenpotenzials nicht mehr mit Arbeit im heutigen Ausmaß versorgt werden können. Bedingungsloses, solidarisches oder wie auch immer bezeichnetes Grundeinkommen – ohne Gegenleistung – wird ernsthaft diskutiert, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren.

Stellen sich die Fragen der beruflichen Inklusion unserer Klientel auf dem Ersten Arbeitsmarkt angesichts solch großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umwälzungen neu und anders?

„Die Zahl der betroffenen gering qualifizierten sehbeeinträchtigten Menschen ist nicht sehr groß. Wir dürfen sie nicht der Langzeitarbeitslosigkeit und dem Vergessen ausliefern“, formulierte der Verfasser dieses Beitrags in der Fachzeitschrift horus, Ausgabe 4/2017. Gleichlautende Aussagen sind dem Bericht der letztjährigen Tagung „Das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen aus internationaler Perspektive“ zu entnehmen (Bach 2018). Diese Appelle richteten sich auch an den Verbandstag des DBSV, der vom 28. bis 30. Juni 2018 stattgefunden hat.

Der Verbandstag hat die Arbeitsgruppe „Berufliche Teilhabe im Spannungsfeld des digitalen Wandels“ durchgeführt und sich dabei auch mit der Frage beschäftigt, ob es unter blinden und sehbehinderten Menschen auch Verlierer der digitalisierten Arbeitswelt gibt und welche Alternativen entwickelt werden können.

Am 29. Juni 2018 hat der Verbandstag eine wuchtige Resolution (ca. 1280 Wörter) „Forderungen des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes zur Sicherung und Förderung der beruflichen Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen“ verabschiedet, die hoffentlich Aufsehen erregen wird.

Wer allerdings in der Resolution speziell Forderungen des DBSV zur Bildungs- und Arbeitsförderung und gleichberechtigter beruflicher Teilhabe für gering qualifizierte blinde, sehbehinderte und mehrfach behinderte Menschen sucht, findet lediglich im Abschnitt zu „Forschung“ einen einzigen Satz. Dieser Absatz lautet:

„Forschung stärken! Zur Sicherung und Erweiterung der beruflichen Einsatzmöglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen müssen Forschungsprojekte aufgelegt werden, insbesondere zur Erschließung neuer Tätigkeiten und Geschäftsfelder, neuer Berufsfelder und zur Weiterentwicklung vorhandener Berufsbilder - vor allem unter dem Aspekt der digitalisierten Arbeitswelt.“

Hier schließt sich der einzige Satz an, der sich speziell mit gering qualifizierten blinden, sehbehinderten und mehrfach behinderten Menschen in der Arbeitswelt beschäftigt:

„Parallel sollten sich weitere Projekte mit gering qualifizierten blinden und sehbehinderten Menschen befassen, um für diese Zielgruppe neue Tätigkeitsfelder auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erschließen.“

Das ist zwar nicht verkehrt, aber reicht das, um dem Problemdruck gerecht zu werden?

Einzuwenden, dass jede Aussage der Resolution ja auch gering Qualifizierte umfasse, ist weder sachlich angemessen, noch wird dies dem Problemdruck dieser Gruppen gerecht. Darüber hinaus sind diverse Berufsgruppen und -bereiche sowie Tätigkeitsschwerpunkte in der Resolution herausgehoben und differenziert betrachtet worden.

Die Resolution fordert zu Recht, langzeitarbeitslose Menschen effektiv zu fördern. Leider haben wir keinen aktuellen Befund über das Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit, noch weniger bei gering qualifizierten blinden Menschen. Laut Schröder (1997) lag die Unterbeschäftigungsquote blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen 1993 bei 21 Prozent, die Arbeitslosenquote bei 16 Prozent (vgl. Schröder 1997 u. eig. Berechnungen). Das sind unsere „aktuellsten empirischen Daten“.

Verschiedene Berechnungen neueren Datums gehen von zwischen 79.000 und 150.000 blinden Personen aus, von denen zwischen 25.000 bis 47.000 im erwerbsfähigen Alter sind, aber nur zwischen 6.500 und 12.000 auch tatsächlich berufstätig sind.

Da Bundesarbeitsminister Heil in seinem Redebeitrag beim Verbandstag DVBS 2018 am 29.6. von „gegenwärtig mehr als 145.000 blinden und 500.000 sehbehinderten Menschen“ sprach, können wir diese Zahlen als „amtlich“, daher realistisch unterstellen. Wir gehen also von etwa 12.000 Berufstätigen aus, aber von fast 35.000 blinden Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben. Wie viele davon sind langzeitarbeitslos? Wie viele sind gering qualifiziert? Wie ist die Lage bei sehbehinderten und hochgradig sehbehinderten Arbeitsuchenden? Wir wissen es nicht. Warum nicht?

Bei Schröder (1997) erfahren wir lediglich, wie umfangreich und zäh die Langzeitarbeitslosigkeit bei blinden Menschen andauert, wenn sie einmal eingetreten ist: Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe lag damals bei ca. elf Jahren.

Von 2008 bis 2015 ist die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter von 166.000 auf 178.000 angestiegen bei gleichzeitig starkem Rückgang der Arbeitslosigkeit allgemein (Teilhabebericht der Bundesregierung 2016, Abb. 49 S. 189). Besonders betroffen sind ältere schwerbehinderte Menschen, und das, obwohl schwerbehinderte allgemein im Vergleich zu nichtbehinderten Arbeitslosen überdurchschnittlich qualifiziert sind. Dies gilt auch für blinde und sehbehinderte Menschen. Vor diesem Hintergrund hat es sich das Projekt "Aktivierung und Integration (langzeit-) arbeitsloser blinder und sehbehinderter Menschen" (aktila-bs) zur Aufgabe gemacht, Forschungsfragen wie die nach den Gründen für die geringe Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen am Arbeitsleben nachzugehen, ein eigenes Modellprojekt zur beruflichen Inklusion durchzuführen und so einen „Werkzeugkasten“ erfolgversprechender Maßnahmen und Instrumente zu entwickeln. Aktila-bs wird aus Mitteln der Ausgleichsabgabe vom BMAS gefördert und unter der Federführung des BFW Würzburg von allen vier spezialisierten BFWs, der blista und vom DVBS gemeinsam durchgeführt.

Das Integrationsprojekt läuft derzeit und zeigt bereits bei einem großen Teil der Geförderten hohe Motivation und im Einzelfall erstaunliche und erstaunlich schnelle Integrationserfolge. Es zeigt sich aber auch, dass es große Schwierigkeiten bei einzelnen Teilnehmenden gibt, Menschen noch einmal zu motivieren, nachdem sie sich bereits angesichts früherer Misserfolge bei der Arbeitssuche z.T. seit Jahren resigniert vom Arbeitsmarkt zurückgezogen und eine lebbare Alternative gefunden haben. Wir wissen aber auch, wie hoch der gesellschaftliche Stellenwert der Erwerbsarbeit auch bei blinden Menschen ist.

Der Arbeitsmarkt wird „von unten geräumt“, heißt, die Arbeitsplätze werden immer mehr angereichert und immer komplexer. Dem ist nicht jede*r gewachsen. Traditionelle blindengeeignete Tätigkeiten – Blindenhandwerk, einfache industrielle Tätigkeiten, Textverarbeitung, Telefonvermittlung – sind weitgehend verschwunden. Die neuere Literatur sieht durch Digitalisierung Arbeit mittleren Niveaus zunehmend gefährdet, während einfache Tätigkeiten u.U. vermehrt nachgefragt werden. Behinderungsbedingt ist dies jedoch kaum eine Lösung für unser Klientel, da die meisten Hilfstätigkeiten, Werker-, angelernten und ungelernten Tätigkeiten durch ihre Art ungeeignet, oftmals befristet oder in Zeitarbeit ausgeführt werden und durch dort üblichen oftmaligen Arbeitsplatzwechsel charakterisiert sind.

Arbeitsmarktpolitische Erfahrungen zeigen: Langzeitarbeitslosigkeit (nicht nur bei blinden Menschen) wird viel wirksamer bekämpft, indem weniger Menschen langzeitarbeitslos werden. Eingetretene Langzeitarbeitslosigkeit aufzulösen ist viel schwieriger, kostspieliger und weniger erfolgversprechend.

Was bedeutet das alles für gering qualifizierte und begrenzt qualifizierbare blinde Menschen? Einige Stichworte:

  • Es dürfen keine längeren Perioden von ungewollter Untätigkeit entstehen. Dafür müssen Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik sorgen ebenso wie die unverzüglich notwendige ophthalmologische Rehabilitation bei Sehverlust
    und, wo nötig, anschließend oder verzahnt berufliche Rehabilitation.
  • Die Vermittler und Berater (Reha/SB) dürfen die Klienten nicht aus den Augen verlieren. Sie müssen aktiv gehalten und „beschäftigt“ sein. Manchmal hilft sogar eine „fürsorgliche Belagerung“. Aktivierung, auch wenn sie zuerst nicht immer geschätzt wird.
  • Sozialer Arbeitsmarkt: Die Politik weiß es schon lange, zieht aber jetzt Konsequenzen daraus, dass es für einen (kleinen) Teil der Arbeitsuchenden effektiv so gut wie kein Angebot gibt, und kreiert dauerhafte Zuschüsse zur Kompensation von Produktivitätsdefiziten. Diese Politik muss auch unserem Klientel zugutekommen.
  • Assistierte Ausbildung, modulweise Qualifizierung, oder Training on the job, wenn reguläre Ausbildung oder Umschulung nicht erfolgversprechend oder nicht gewollt sind, sind probate Mittel.
  • Budget für Arbeit auch für gering qualifizierte und/oder mehrfach behinderte blinde Menschen öffnen, muss dringende Forderung der Selbsthilfe werden.
  • Forcierte Schaffung regionaler Vermittlungszentren zur Bündelung von Kompetenz, Erfahrung und Interesse bei der Vermittlung blinder Menschen in Arbeit. Die Vermittlung muss bewerberorientiert erfolgen und potenzial- statt defizitorientiert.
  • Kompensation für das von der schwarz/gelben Koalition abgeschaffte Blindenwarenvertriebsgesetz – moderne Blindenwerkstatt am ersten Arbeitsmarkt erscheint längst wieder erforderlich.

Die Problematik Langzeitarbeitslosigkeit wird sich (auch) im Zuge der Digitalisierung gerade für gering qualifizierte und nur begrenzt qualifizierbare blinde, sehbehinderte und/oder mehrfach behinderte Menschen noch verschärfen. Wir dürfen den Moment nicht verpassen, an dem man noch gegensteuern kann. Deshalb: Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke, Selbsthilfe und alle, die nützen können:

Kümmert Euch!

Den in der Einführung erwähnten Beitrag von W. Thimm hat Jochen Schäfer freundlicherweise digitalisiert. Er steht Ihnen auf Anfrage beim Verfasser (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) oder der horus-Redakteurin (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) zur Verfügung.

Das weitere Literaturverzeichnis finden Sie als PDF online unter https://dvbs-online.de/images/uploads/Literatur-Arbeitsmarktperspektiven-4-2018.pdf

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100 Jahre horus

Jochen Schäfer

Die ersten 100 Jahre - eine historische horus-Revue in vier TeilenTeil 3: 1949-1989

Das Blindenwesen im Auf- und Umbruch (1. Abschnitt: 1949-1968)

Auch dieser Teil ist, genau wie der vorige, in 2 Abschnitte untergliedert. So können wir besser auf bestimmte Vorgänge eingehen und es wird nicht zu lang; der 2. Abschnitt folgt in horus 1/2019.

1949: Die „Marburger Beiträge“ kommen zurück

Nach dem Zusammenbruch 1945 lag Deutschland am Boden, und die „Stunde 0“ machte auch vor dem Blindenwesen nicht Halt. Der „Reichsdeutsche Blindenverband“ wurde aufgelöst und gründete sich 1949 als „Deutscher Blindenverband“ neu. Anders der Marburger Verein. Er machte direkt 1945 mit neuem Namen weiter und nannte sich von nun an „Verein der blinden Geistesarbeiter“ (ab 1954 „Verein der blinden Geistesarbeiter Deutschlands“, VbGD). An der Carl-Strehl-Schule der blista ging der Unterricht ohne Unterbrechung weiter, wie aus den fortlaufenden Klassenbüchern hervorgeht. Die Erklärung der Militärregierung, dass „der Lehrbetrieb an sämtlichen Bildungseinrichtungen der [amerikanischen] Besatzungszone bis auf Weiteres verboten“ sei, fand an der blista keine Geltung.

Mit der Publikation von Fachzeitschriften sollte es jedoch etwas länger dauern. Während in der Ostzone bereits 1947 eine völlig neue Zeitschrift mit Namen „Die Gegenwart“ aus der Taufe gehoben wurde, ging es in den Westzonen erst 1949 nach Gründung der Bundesrepublik weiter, und zwar mit unseren „Marburger Beiträgen (MB)“, die zunächst nur in Punktschrift erschienen, da Strehl besonderen Wert auf die Information seiner blinden Vereinsmitglieder legte. In jenem Jahr sind 2 Doppelhefte erschienen, und wer im Westen 1949 über das Blindenwesen publizieren wollte, musste dies in unseren „Beiträgen“ tun. So finden wir in Heft 1/2 z. B. einen Beitrag des Blindenpädagogen Dr. Aloys Kremer, der sonst nur im „Blindenfreund“ publizierte, unter dem Titel „Blindenlehrer und Blindsein“.

In Heft 3/4 erfahren wir von Vereinsneugründungen wie jener des oben erwähnten „Deutschen Blindenverbandes (DBV)“, dessen Zeitschrift „Die Blindenwelt“ ab 1950 wieder erschien. 1950 wurde auch der „Verein Deutscher Blindenlehrer“ als Organisation der Pädagogen neu gegründet, und „Der Blindenfreund“ erschien nach 10-jähriger Pause ab 1951 wieder. Es ist interessant, dass die Namen der alten Zeitschriften nach dem Krieg nicht geändert wurden.

1949 wurde die Diskussion um eine Blindenrente wieder aufgegriffen. Dr. Alfons Gottwald, der spätere Vorsitzende des DBV, schrieb in Heft 3/4 (1950 auch in der „Blindenwelt“) einen längeren Artikel: „Eine allgemeine Blindenrente in Deutschland eine sozialpolitische Notwendigkeit“ (Wiederabdruck in horus 1/2016). Hierdurch wird der Streit zwischen den sogenannten Kriegs- und Friedens- bzw. Zivilblinden deutlich. Da die Kriegsblinden durch das Bundesversorgungsgesetz entschädigt wurden, erwarteten nun auch die Zivilblinden einen Nachteilsausgleich, und sie sollten ihn bekanntlich auf Länderebene bekommen. Schon 1949 wurde in Bayern das sogenannte „Blindenpflegegeld“ gewährt, 1950 folgten Hessen sowie nach und nach die anderen Bundesländer.

1950 informierte Prof. Dr. Bruno Schultz, Dresden, über „Die Rentenversorgung der Blinden in der Ostzone“ (MB H. 1/2). Dieser Beitrag ist ein besonderes Zeitzeugendokument. Schultz bezieht sich dabei auf den oben erwähnten Gottwald-Artikel und schreibt, dass Ansätze zur Verwirklichung der dort gestellten Forderungen in der DDR teilweise schon vorhanden seien. So werde einem großen Teil der Blinden ein Pflegegeld gewährt, nämlich dann, wenn sie Unfall-, Kriegs- oder Invalidenrentner sind und nicht im Heim leben.

Ab 1950 erschienen die „Beiträge“ wieder in 6 Doppelheften pro Jahrgang. Sie waren bis 1968 immer sehr kurz und enthielten außer Aufsätzen und Beiträgen noch „Kurze Hinweise“, Buchbesprechungen sowie einmal im Jahr den Vereinsgeschäftsbericht. In dieser Zeit lag die inhaltliche Hauptverantwortung bei Strehl. Anfang 1952 wurde über eine Erweiterung um eine Schwarzschriftversion nachgedacht (siehe dazu „‘Beiträge‘ in Schwarzdruckausgabe, ja oder nein?“, H. 1/2 1952); 1954 wurde diese Frage positiv beantwortet (s.u.).

Carl Strehl in internationalen Gremien

Nach dem Krieg war Strehl als Vorsitzender beider Marburger Einrichtungen wieder international aktiv. Es begann 1949 mit seiner Teilnahme an der Internationalen Konferenz des Blindenwesens in Oxford/England als „ganz gewöhnlicher“ westdeutscher Delegierter. In Westdeutschland regte sich 1949 niemand darüber auf, dass Strehl in Oxford bei der Konferenz war - anders im Osten. Max Schöffler, der erste Nachkriegsdirektor der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig, der während des 3. Reiches im Widerstand lebte und mindestens fünfmal verhaftet wurde, schrieb in der „Gegenwart“ (1949, H. 9/10, S. 63-66 PS, S. 212-214 SS) eine aus heutiger Sicht sehr ergreifende Stellungnahme. Stein des Anstoßes war die handschriftliche Punktschriftübertragung des Buches „Hier spricht Hans Fritzsche“ durch die blista 1949. Fritzsche war neben Goebbels einer der führenden Ideologen, die im Radio für die Verbreitung des Nazi-Terrors sorgten. Nach dem Krieg wurde er verhaftet und hat im Gefängnis sein Tagebuch geschrieben. Es soll nun kurz aus dem Schöffler-Original zitiert werden, um nochmal „die andere Seite“ Strehls zu beleuchten: „[...] Man sieht, es muss ein wirklich demokratisches Gefängnis sein, das einem solchen Menschen Feder und Papier liefert, damit er noch aus seinem Gefängnis das deutsche Volk anöden kann. Ein solches Buch darf Fritzsche nicht nur schreiben, nein, seine Rechtfertigung wird auch noch gedruckt und verlegt, und zwar in einem Schweizer Verlag. [...] Uns Blinde aber interessiert dieser Vorgang deshalb besonders, weil die Bücherliste Nr. 8/9 1949 der Blindenhochschulbücherei und Studienanstalt in Marburg dieses Buch in Blindendruck ankündigt. Der Leiter dieses Instituts ist Prof. Dr. Strehl. Er war ein ebenso guter Antisemit, wie er ein treuer Freimaurer, später ein begeisterter Nationalsozialist war und heute sicherlich ein ebenso überzeugter Demokrat ist. [...] Er, der 1940/41 die Zerschlagung Englands als den höchsten Triumph des nazistischen Reiches prophezeite, hat gar keine Skrupel, 1949 als Delegierter der westdeutschen Blinden nach Oxford (England) zum internationalen Blindenkongress zu gehen und Gast des Landes zu sein, dessen Untergang er mit den Nazis gefeiert hätte. [...]“

In Oxford wurde 1949 der Internationale Ausschuss für die Blindenwohlfahrt gegründet, der 1951 zum Weltrat für die Blindenwohlfahrt wurde. Strehl war lange Jahre in dessen Arbeitsausschuss und von 1952-1957 Vorsitzender des Technischen Unterausschusses, dessen 1. Sitzung in der blista stattfand. Strehl war als blista-Direktor außerdem maßgeblich an der Organisation der „Internationalen Konferenz zur Erziehung der blinden Jugend“ beteiligt, die alle 5 Jahre tagte, zum ersten Mal 1952 in Bussum/Niederlande.

1954: „Marburger Beiträge“ in Schwarzschrift

Ab 1954 wurden 2 Hefte pro Jahrgang in Schwarzschrift gedruckt, um auch Sehbehinderte, vor allem aber Behörden über die Tätigkeit der beiden Marburger Einrichtungen zu informieren. Bis 1957 wurden sie als Doppel-, ab 1958 als Einzelhefte gezählt und brachten einen geringen Teil der Artikel, die in Punktschrift produziert wurden, vereinzelt sogar nur in Kurzfassung. 1956-1968 wurde jede Schwarzschriftausgabe mit Biographien blinder Geistesarbeiter eingeleitet, um aufzuzeigen, was Blinde leisten können.

Aufbruch in der blista

Am 23.02.1954 wurde die „Deutsche Blinden-Hörbücherei gGmbH“ gegründet. Sie war die erste Hörbibliothek in Deutschland, nicht aber im deutschsprachigen Raum, denn 1952 entstand schon eine in der Schweiz. Strehl hat sich schon zu Beginn der 50er Jahre für eine deutsche Blindenhörbücherei stark gemacht. 1955 machte die blista eine beträchtliche Erbschaft. John Peter Koch, der in Deutschland geboren wurde, in frühen Jahren in die USA auswanderte und sehr reich war, verfügte, dass ein Großteil seines Vermögens einer zentralen deutschen Blindeneinrichtung zugutekommen sollte. Als Koch 1952 starb, bestimmte Bundeskanzler Dr. Adenauer, dass die blista die begünstigte Einrichtung wurde (MB 1955, H. 11/12 PS und 1956, H. 1/2 PS).

1956 wurde der Grundstein für ein neues Schulgebäude gelegt (MB 1956, H. 9/10 PS / H. 3/4 SS). 1957 fand das Richtfest statt (MB 1957, H. 5/6 PS / H. 3/4 SS) und am 31.10.1958 die feierliche Einweihung der „Carl-Strehl-Schule“ (siehe MB 1958, H. 11/12 PS / 1959, H. 1 SS sowie die Festschrift als Beilage zu diesen Ausgaben in PS/SS). Ende der 50er kam ein Lehrmittelfertigungs- und Lagerhaus dazu (Richtfest: MB 1959, H. 11/12 PS, Einweihung: MB 1961, H. 5/6 PS / H. 2 SS), Anfang der 60er eine Turnhalle (Richtfest: MB 1961, H. 3/4 PS / H. 2 SS, Einweihung: MB 1962, H. 11/12 PS / 1963, H. 1 SS).

„Sei’s im Westen, sei’s im Osten“

Über das westdeutsche Blindenwesen wurde regelmäßig berichtet, aber als 1957 der „Allgemeine Deutsche Blinden-Verband (ADBV)“ der DDR entstand, fand dies in den „Beiträgen“ damals keine Erwähnung. Sozialpolitisch gab es aber eine gewisse Angleichung: Blindengeld ohne Einkommensgrenze. Damit begannen die westdeutschen Bundesländer schon in den späten 50er Jahren, und aus der DDR erfahren wir darüber 1959/60 (siehe MB 1959 H. 11/12 PS / 1960, H. 1 SS). In der BRD kam ab 1961 die ergänzende Blindenhilfe hinzu, die durch das Bundessozialhilfegesetz gewährt wurde.

1966 fand in Leipzig eine Konferenz von Vertretern des DBV und des ADBV statt (siehe Geißler: „Ein Blick über die Mauer“ in MB 1966, H. 5/6 PS). Daraufhin wurde der ADBV 1967 Mitglied im Weltrat für die Blindenwohlfahrt und man begann, diesen auch international als gleichberechtigten Partner anzuerkennen.

Veränderungen der 60er Jahre

Am 17.12.1962 beschloss der Bundesgerichtshof: „Ein Blinder kann nicht zum Notar bestellt werden“ (siehe MB 1963, H. 7/8 PS mit anschließendem Kommentar von Dr. Schulze). Am 22.06.1964 wurde dieses Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt/Main bestätigt (siehe MB 1965, H. 5/6 PS). Es sollte nicht die einzige Schlechterstellung blinder Juristen sein, wie wir im 2. Abschnitt von Teil 3 erfahren werden.

1965 beendete Strehl seine Tätigkeit als blista-Direktor (siehe „An alle, die es betrifft“, MB 1965, H. 5/6 PS / H. 2 SS). Anlässlich seines 75. Geburtstages hatte er zuvor von der Philipps-Universität einen Ehrendoktortitel erhalten (siehe MB 1961, H. 5/6 bzw. 7/8 PS / H. 2 SS). Diese Ehrung war, im Gegensatz zur Ehrenprofessur 21 Jahre vorher, unumstritten.

Ab 1965 lenkte Dr. Horst Geißler die Geschicke der nun als „Deutsche Blindenstudienanstalt“ bezeichneten Einrichtung. 1966 feierten blista und VbGD 50-jähriges Jubiläum. Heft 2 (SS) ist diesem Großereignis gewidmet, das sich natürlich auch in der Punktschrift wiederfindet. Stellvertretend sei auf Strehls „Abschiedsgruß und Dank 1916-1965“ verwiesen (MB 2/1966 SS, Wiederabdruck in MB 4/1996 / horus 3/1996).

1968 legte Strehl auch das Amt des Vorsitzenden des VbGD nieder. Sein Nachfolger wurde Privatdozent Dr. Heinrich Scholler, dessen Lebenslauf wir im selben Jahr finden (siehe MB 1968, H. 7/8 PS / H. 2 SS). Damit wurde der Weg frei für bedeutende Veränderungen, doch mehr davon im nächsten Abschnitt (horus 1/2019).

Foto: Der Weltrat für die Blindenwohlfahrt Paris 1954. I.d. vordersten Reihe sitzend: Henri Amblard, Prof. Carl Strehl, Col. E.A. Baker, George L. Raverat, Eric T. Brulter.

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Recht

Uwe Boysen

Gutachten zu angemessenen Vorkehrungen im Behindertengleichstellungsgesetz veröffentlicht

Bei dieser Begrifflichkeit handelt es sich nach § 7 Abs. 2 Satz 2 des BGG um Maßnahmen, die für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen geeignet und erforderlich sind. Werden sie versagt, so stellt das eine Benachteiligung dar, wie § 7 Abs. 2 Satz 1 des BGG feststellt.

Das vorliegende Gutachten von Welti und Mitarbeitern beschäftigt sich nun mit der Frage, welche Auswirkungen die angemessenen Vorkehrungen auf das Sozialrecht und hier insbesondere auf das Bundesteilhabegesetz (SGB IX) haben und versucht, Anwendung und Reichweite der Begrifflichkeit zu klären. Dabei spielen auch internationale Vorschriften wie die UN-Behindertenrechtskonvention, die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) sowie die Europäische Menschenrechtskonvention eine wesentliche Rolle.

Aufschlussreich ist die im Gutachten gemachte Unterscheidung zwischen dem Begriff der Barrierefreiheit und dem Gebot angemessener Vorkehrungen. „Barrierefreiheit ist ein generalisierendes und präventives Gebot und Konzept, um Benachteiligungen für einen unbestimmten Personenkreis zu vermeiden. Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen im Einzelfall, die Barrieren und Benachteiligungen (…) vermeiden, überwinden und ausgleichen sollen. Angemessene Vorkehrungen können zu mehr Barrierefreiheit beitragen, ersetzen sie aber nicht.“

Das Gebot angemessener Vorkehrungen ist laut Gutachten „namentlich zu beachten bei der Ausgestaltung der Beratungspflichten (§§ 14, 15 SGB I), bei der Amtsermittlung (§ 20 SGB X), bei der Auslegung und Begrenzung von Mitwirkungspflichten (§§ 60-66 SGB I) und bei der Individualisierung der Sozialleistungsansprüche unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 33 SGB I; § 8 SGB IX) und bei der Ausübung von Ermessen (§ 39 SGB I).“ Insgesamt gibt das Gutachten Rechtsanwendern wesentliche Auslegungshilfen, wenn es um die genannten Bereiche des Sozialrechts geht.

Das Rechtsgutachten „Angemessene Vorkehrungen und Sozialrecht“ von Welti/ Frankenstein/ Hlava kann heruntergeladen werden unter https://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Downloads/DE/SchlichtungsstelleBGG/Forschungsgutachten.pdf?__blob=publicationFile&v=1.

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Andrea Katemann

Der Vertrag von Marrakesch zum internationalen Literaturaustausch: ein Dokument mit guten Absichten, aber mit einer schlechten Umsetzung ins deutsche Urheberrecht

"Wir sind mit dem Gesetz der Umsetzung zur Richtlinie des Vertrages von Marrakesch recht zufrieden", hörte man bei einer Anhörung am 8.Oktober im Rechtsausschuss des deutschen Bundestages einige der Urhebervertreter sagen. Die Vertreter der Blindenbibliotheken und der Selbsthilfe sind mit dem Gesetz ganz und gar nicht zufrieden und brachten dies auch zum Ausdruck. Die Umsetzung von Literatur in barrierefreie Formate ist in Deutschland nicht verpflichtend und sicherlich in manchen Kontexten auch wirtschaftlich nicht machbar. Denkt man zum Beispiel an Schulbücher oder an Literatur für Aus- und Weiterbildung, ist kompetentes Personal nötig, um Werke mit vielen Abbildungen, Tabellen und Aufgabenstellungen, die stark von visuellen Elementen ausgehen, aufzubereiten. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sagte bei der Anhörung, dass sich bereits viele Verlage im Bereich der barrierefreien Literaturproduktion engagieren würden. Bei genauerer Nachfrage ging seine Vertreterin allerdings lediglich darauf ein, dass Verlage Blindenbibliotheken und Umsetzungsdiensten Literatur in elektronischen Formaten herausgeben würden, um diesen die Umsetzung zu erleichtern. Die Texte der Verlage sind jedoch keineswegs barrierefrei.

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Marrakeschvertrages ist am 18.10. vom deutschen Bundestag beschlossen worden. Nun werden alle Stellen, die zukünftig Literatur für blinde und sehbehinderte Menschen produzieren wollen, unter die Aufsicht des Deutschen Marken- und Patentamtes gestellt. Für die Bibliotheken bedeutet dies erheblich mehr Verwaltungsaufwand und andere Einrichtungen wie Medienzentren an Schulen, Stellen an Hochschulen und Institutionen, die berufsbegleitend oder aber für Weiterbildungen Literatur umsetzen wollen, werden vor die Herausforderung gestellt, sich als sogenannte "befugte Stelle" zu registrieren, was personell kaum zu leisten sein wird. Dies kann eine gravierende Verschlechterung der Literaturversorgung in der Fläche bedeuten. Für die Umsetzung von Literatur ist eine angemessene Vergütung an die Urheber zu zahlen. Diesen Punkt sieht der Marrakeschvertrag keineswegs als zwingend, sondern als Kann-Bestimmung vor. Trotz erheblichen Verwaltungsaufwands für die Urheber, der von ihnen in den Anhörungen durchaus benannt wurde, ist weder der Gesetzgeber noch sind die Urheber bereit, auf eine Vergütung zu verzichten. Zwar hat man den Blindenbibliotheken eine einmalige finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt, doch damit ist zum einen diesen nicht geholfen und zum anderen bleiben sämtliche anderen Institutionen, die sich um die barrierefreie Umsetzung von Literatur kümmern, außen vor.

Bei der letzten Anhörung haben die blinden und sehbehinderten Anwesenden gefordert, dass alle Punkte zur barrierefreien Literaturumsetzung im Gesetz selbst und nicht in einer zusätzlichen Verordnung geregelt werden sollen. Momentan wird die Beaufsichtigung durch das Deutsche Patent- und Markenamt in einer Verordnung geregelt, die man politisch wesentlich einfacher ändern kann, als dies bei einem Gesetz der Fall ist.

Eine Verordnung muss dem Parlament beispielsweise nicht vorgelegt werden, wodurch zu ihrer Änderung kein breiter Diskussionsprozess notwendig ist. Bei diesen Diskussionen verliert man die eigentlichen Absichten des Vertrages von Marrakesch beinahe aus den Augen: Der Vertrag will den internationalen Literaturaustausch regeln. Dabei setzt er nicht auf bürokratische Hürden, sondern auf Regeln, die sich die Institutionen, die Literatur barrierefrei umsetzen, selbst geben. Die Regeln müssen für jeden transparent sein. In manchen Meldungen wird der Vertrag als "Blindenvertrag" bezeichnet. Dies trifft seinen Kern nicht vollständig. Er schließt auch Menschen mit einer Lesebehinderung ein, die aufgrund seelischer oder körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage sind, ein gedrucktes Werk zu lesen.

Wir werden mit dem Justizministerium im Gespräch bleiben und generell öffentlichkeitswirksam darauf hinweisen, dass eine finanzielle Absicherung für die barrierefreie Umsetzung von Literatur sichergestellt werden kann. Über weitere Entwicklungen wird zu berichten sein.

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Bücher

Buchtipps aus der Brailledruckerei

Das System der deutschen Brailleschrift

Nach den Beschlüssen vom 14. November 2015 in Frankfurt am Main.

Bestellnummer: 4838, KR, 2 Bände. Als Papierbraillefassung entweder im Ringhefter für 30 Euro oder in zwei Punktschriftordnern für 50 Euro sowie für die Braillezeile (30 Euro) erhältlich. Die Schwarzschriftausgabe kostet 30 Euro und hat die Bestellnummer 7625.

Maurizio de Giovanni: Das Krokodil

Kindler, Reinbek, 2014 Bestellnummer: 4866, 3 Bände, KR, 64,50 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Drei junge Menschen werden tot aufgefunden, kalt gemacht durch ein und dieselbe Waffe. Den Täter nennt die Presse nur "das Krokodil". Weil er am Tatort ein Taschentuch mit Tränenflüssigkeit hinterlässt. Weint er Krokodilstränen um seine Opfer? Und weil er, wie das gleichnamige Raubtier, eine perfekte Mordmaschine ist. Inspektor Lojacono wurde von Sizilien nach Neapel strafversetzt. Jetzt sitzt er in einem tristen Polizeibüro und dreht Däumchen. Bis die schöne Staatsanwältin Laura Piras sein Talent erkennt und ihn mit dem Fall betraut. Und so treffen sie in einem morbiden Neapel aufeinander: Der Inspektor und der Killer.

Michael Horeni: Asphaltfieber

Baumhaus-Verlag, Köln, 2016 Bestellnummer: 4856, 2 Bände, KR, 43 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Zwei Welten prallen aufeinander: Sammy aus Neu-Kölln, der sich durchschlagen muss, trifft Dani aus Dahlem, der sehr behütet aufwächst. Doch eines haben beide Jungs gemeinsam: Die Leidenschaft für Käfigfußball. Und für Mädchen, die gut Fußball spielen. Jede freie Minute verbringen sie im Käfig. Als Ahmet, Jugendtrainer bei Hertha BSC, die Fünfer-Truppe um Sammy beim Spielen beobachtet, entdeckt er sofort ihr Talent. Von da an geht es bergauf, doch der Weg nach oben ist alles andere als einfach. Vor allem die Armut in Sammys Familie treibt den guten Spieler immer wieder fast ins Abseits. Aber mit Danis Hilfe schaffen sie es zum großen Berliner Käfig-Cup. Jetzt heißt es: Alles auf Sieg!

Ihre Bestellungen richten sie bitte an:

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Am Schlag 2-12, 35037 Marburg.

Telefon: 06421/606-0 

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über unseren barrierefreien online-Katalog unter https://katalog.blista.de

Foto: Aufgeschlagenes Buch, auf dem getrocknete Blätter liegen, davor eine Tasse mit Kaffee und Pulswärmer. Foto: Pixabay.

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Hörbuchtipps aus der blista

Neue Hörbücher aus der DBH

Dieter Boden: Georgien. Ein Länderporträt

Links, Berlin, 2018 Bestellnummer: 854501 Laufzeit: 7 Std. 29 Min.

Für viele Russen lag das Paradies früher nicht im Jenseits, sondern in Georgien. Das hatte zu tun mit der mediterranen Lebensfreude seiner Bewohner, der exzellenten Küche und dem Wein, den atemberaubenden Gebirgslandschaften und den subtropischen Schwarzmeerstränden. In der Antike und zu byzantinischer Zeit gehörte das kleine Kaukasusland ganz selbstverständlich zu Europa. Danach konnte es seine Kultur trotz jahrhundertelanger Fremdherrschaft behaupten. Seit der Unabhängigkeit 1991 strebt die ehemalige Sowjetrepublik gegen den hinhaltenden Widerstand Russlands zurück nach Westen. Dieter Boden kennt das faszinierende Land seit Jahrzehnten und zeichnet ein facettenreiches Bild seiner Geschichte und Gegenwart. Georgien war im Oktober 2018 Ehrengast der Frankfurter Buchmesse.

Kai Blum: Man erntet, was man sät

Booquell-Verlag, Meerbusch, 2014 Bestellnummer: 847391 Laufzeit: 4 Std. 32 Min.

Nord-Dakota,1883. Die Aufnahme des Dakota-Gebietes in die Vereinigten Staaten zeichnet sich ab und zur Geldgier in den jungen Präriestädten gesellt sich das Streben nach politischer Macht. Vor diesem Hintergrund sieht sich Sheriff Jack Hunhoff mit einem Doppelmord konfrontiert. Verdächtige gibt es viele, konkrete Anhaltspunkte jedoch keine. Nur eines weiß der Sheriff, der sich in Kürze selbst zur Wahl stellen muss, mit Sicherheit: Sollte er diesen Fall nicht umgehend aufklären, stehen sowohl seine berufliche Existenz als auch sein persönliches Glück auf dem Spiel.

Gregor Gysi: Ein Leben ist zu wenig. Die Autobiographie

Aufbau, Berlin, 2017 Bestellnummer: 839351 Laufzeit: 21 Std. 49 Min.

Gregor Gysi hat linkes Denken geprägt und wurde zu einem seiner wichtigsten Protagonisten. Hier erzählt er von seinen zahlreichen Leben: als Familienvater, Anwalt, Politiker, Autor und Moderator. Seine Autobiografie ist ein Geschichtsbuch, das die Erschütterungen und Extreme, die Entwürfe und Enttäuschungen des 20. Jahrhunderts auf sehr persönliche Weise erlebbar macht.

Wolfram Fleischhauer: Das Meer

Droemer, München, 2018 Bestellnummer: 839321 Laufzeit: 15 Std. 06 Min.

Teresa verschwindet spurlos im Einsatz auf einem modernen Fischfangschiff auf hoher See. Entsetzt ist nicht nur ihr Geliebter und Ausbilder John Render von der zuständigen EU-Behörde in Brüssel. Genauso am Boden zerstört sind Ragna di Melo und ihre Truppe von radikalen Umweltaktivisten, die eine mörderische Methode entwickelt haben, die skrupellose Ausbeutung der Meere zu beenden.

Als Ragnas Vater, ein schillernder Schweizer Lobbyist, Wind von den Aktivitäten seiner Tochter bekommt, die auch seine eigenen Geschäftsinteressen berühren, muss er handeln. Noch bevor das ganze Ausmaß der Bedrohung bekannt wird, reist er nach Südostasien, wo Ragna sich versteckt halten soll. Er weiß, dass seine Tochter niemals mit ihm sprechen wird. Daher heuert er den jungen Dolmetscher Adrian an, der zu Schulzeiten eine leidenschaftliche Affäre mit Ragna hatte – ohne ihn jedoch in die wahren Gründe einzuweihen. Der brutale Apparat der globalen Fischereimafia, eine gleichgültige Öffentlichkeit und eine handlungsunfähige Politik: Wolfram Fleischhauer entwirft ein erschreckend realistisches Katastrophenszenario.

Hörbücher zum Schwerpunkt „Globalisierung“

Gaston Dorren: Sprachen. Eine verbale Reise durch Europa

Ullstein, Berlin, 2017 Bestellnummer: 839361 Laufzeit: 11 Std. 55 Min.

Wieso sind die Holländer wahre Könige des Genderbendings? Warum klingt Spanisch wie ein Maschinengewehr? Was haben Sepp und Ferrari gemeinsam? Und weshalb ist Litauen der beste Ort, um den Ursprung der europäischen Sprachen kennenzulernen?

Gaston Dorren ist ein multilinguales Genie. In kurzweiligen Kapiteln geht er den Kuriositäten rund um Europas Sprachen auf den Grund und erzählt, was diese jeweils so einzigartig macht. Dabei beschäftigt er sich nicht nur mit ihrer Herkunft, sondern hebt vor allem verblüffende Besonderheiten hervor. Von der Grammatik bis zur Sprechweise, von der Gesellschaft bis zur Politik greift er die verschiedensten Themen auf. Er nimmt den Leser mit auf eine unterhaltsame Reise voller kluger Beobachtungen und zeichnet so ein neues, spannendes Bild der europäischen Nationen.

Juan Pablo Cardenal, Heriberto Araújo: Freundliche Übernahme. Chinas Griff nach Europa

Hanser, München, 2017 Bestellnummer: 839871 Laufzeit: 15 Std. 27 Min.

Die Wirtschaftskrise von 2008 hatte eine Folge, deren Konsequenzen immer spürbarer werden: In der Not wurden europaweit strategisch wichtige Unternehmen an China verkauft. Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo bringen uns die stille Revolution vor unserer Haustür nahe. Denn wenn chinesische Staatsunternehmen europäische Telekommunikationsfirmen aufkaufen und europäische Arbeitsgesetze an chinesische Vorgaben angepasst werden, wie in Grönland, dann zeigt sich, dass China längst unsere Lebensumstände prägt. Dabei wird eines klar: Wirtschaft und Politik in Europa schwächeln weiterhin, und es ist höchste Zeit für ein besseres Verständnis von Chinas Einfluss auf unser aller Leben.

Ihr Kontakt zur DBH

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Am Schlag 2-12, 35037 Marburg.

Telefon: 06421/606-0 

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über unseren barrierefreien Online-Katalog unter https://katalog.blista.de

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Panorama

Audiospaziergang durch das Gelände des Louis Braille Festivals

Der Hauptveranstaltungsort des Louis Braille Festivals 2019 in Leipzig ist die Kongresshalle am Zoo Leipzig. Das imposante Gründerzeitgebäude aus dem Jahr 1900 wurde komplett saniert und 2015 als hochmodernes Tagungszentrum neu eröffnet. Die Räume der Kongresshalle sind unterschiedlich in Größe und Stil und bestens geeignet für das abwechslungsreiche Festival-Programmangebot mit Kultur zum Genießen, Aktionen zum Mitmachen, Ständen zum Informieren und für Gastro-, Flanier- und Entspannungsbereiche.

Ronald Kötteritzsch vom Team der Kongresshalle am Zoo Leipzig und ein echter Kenner des Hauses hat den Leipziger Journalisten und Mediensprecher Florian Eib durch die Räumlichkeiten geführt. Dabei ist der Audiospaziergang Kongresshalle am Zoo Leipzig entstanden, mit dem Sie bereits jetzt durch die Räume der Kongresshalle flanieren und viel zur Architektur und Geschichte dieses traditionsreichen Veranstaltungsortes erfahren können.

Sie finden den Audiospaziergang zum Download im MP3- und DAISY-Format unter https://www.dbsv.org/veranstaltungsorte-festival.html#audiospaziergang-kongresshalle und als Buch 24 auf der DBSV-Inform 11/2018.

Die vierte Ausgabe des deutschlandweit größten Festivals der Blinden- und Sehbehinderten-Selbsthilfe wird im Sommer 2019, vom 5. bis zum 7. Juli, in der Messestadt Leipzig stattfinden.

Informationen und Anmeldungen beim Festivalbüro unter Tel.: 03 41 / 22 82 10 54, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.dbsv-festival.de

Zimmerbuchung (akd congress & events) unter Tel.: 03 41 / 26 82 76 34 (Mo., Di. und Do. 9:30-12:00 und 14:30-18:00 Uhr)

Foto: Louis Braille Festival 2019 – Komm nach Leipzig! Ein stilisierter Löwe im Blindenhundgeschirr auf grüner Wiese, im Hintergrund die Kongresshalle. Illustration: Robert Deutsch

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Aktualisierte Broschüre zum Einsatz von Einkommen und Vermögen, Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz

Bereits im letzten Jahr hat das Netzwerk für Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung und Assistenz (NITSA) eine Broschüre zum Einsatz von Einkommen und Vermögen und den Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz veröffentlicht. Diese wurde gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben in Nordrhein-Westfalen (KSL.NRW) aktualisiert. Die Broschüre gibt einen Überblick über die Veränderungen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen beim Bezug von Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und/oder Grundsicherung. Berücksichtigt sind die Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) seit 2017 und ab 2020. Im Anhang der Broschüre sind Tabellenblätter zur Berechnung zu finden. Die Broschüre finden Sie als PDF zum Download unter http://dvbs-online.de/images/uploads/Einkommen-und-Vermgen-2018.pdf

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BAGSO-Vorsitzender Franz Müntefering wiedergewählt

Franz Müntefering steht für weitere drei Jahre an der Spitze der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. Die Mitgliederversammlung der BAGSO wählte ihn mit überwältigender Mehrheit wieder. Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsminister steht der BAGSO seit 2015 vor.

„Interessenvertretung ist Teil lebendiger Demokratie. Sie muss auch den vielfältigen Wandel der Zeit aufnehmen. Das tut die BAGSO für die Älteren“, sagte Franz Müntefering nach der Wahl. „Die BAGSO steht entschieden zu den Werten unserer Demokratie, zur Selbstbestimmung des Einzelnen und zur solidarischen Mitverantwortung. Dafür will ich mich als BAGSO-Vorsitzender in den kommenden Jahren weiter einsetzen.“

Neben Franz Müntefering, der vom Deutschen Olympischen Sportbund vorgeschlagen wurde, wählten die Delegierten Dr. Regina Görner zur Stellvertretenden Vorsitzenden. Die ehemalige saarländische Sozialministerin wurde von der IG Metall vorgeschlagen und gehört dem Vorstand ebenfalls seit 2015 an. Bestätigt wurden auch Karl Michael Griffig (Kolpingwerk) als Stellvertretender Vorsitzender und Schatzmeister sowie Katrin Markus (Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen) und Rudolf Herweck (SPD AG 60plus). Neue Mitglieder im Vorstand sind Jens-Peter Kruse (Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit in der EKD) und Margit Hankewitz (Sozialwerk Berlin).

Prof. Dr. Ursula Lehr wird Ehrenvorsitzende

Zur Ehrenvorsitzenden der BAGSO war bereits am Vortag Frau Prof. Dr. Ursula Lehr ernannt worden. Die 88-jährige Gerontologin und ehemalige Bundesfamilienministerin war von 2009 bis 2015 Vorsitzende, anschließend Stellvertretende Vorsitzende der BAGSO. Franz Müntefering würdigte ihr Engagement für die BAGSO ebenso wie ihren maßgeblichen Beitrag zur Verbreitung eines positiven Bildes vom Älterwerden.

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Barrierefreiheit

Erwin Denninghaus

Sicherstellung der barrierefreien Nutzbarkeit des öffentlichen Personenverkehrs und des Individualverkehrs der Zukunft durch blinde und sehbehinderte Menschen

Im Verkehrswesen vollzieht sich eine digitale Revolution. Weltweit wird an Fahrerassistenzsystemen geforscht, die private und professionelle Autofahrer unterstützen und die Gefahr von Verkehrsunfällen durch menschliches Fehlverhalten reduzieren sollen. Am Ende dieser Entwicklung steht das autonome, vernetzte Fahrzeug, das sich völlig ohne direktes menschliches Zutun im Straßenverkehr bewegt.

Im Wesentlichen sind zwei Strategien zu beobachten:

Die traditionelle Automobilindustrie stattet ihre Fahrzeuge mit immer leistungsfähigeren Assistenzsystemen aus, die mittlerweile automatisch einparken, die Spur oder den Abstand zu voranfahrenden Fahrzeugen halten oder im Schritttempo ohne Fahrer rangieren. Die nächste Generation von Systemen, die selbständig offenkundiges Fehlverhalten des Fahrers korrigiert, wurde bereits im Jahr 2017 ausgeliefert.

Die Computerindustrie, angeführt von Google und Apple, verfolgt ein anderes Paradigma: Sie arbeitet an Sensoren und Algorithmen, um autonomes Fahren ohne den Umweg über die Fahrerassistenzsysteme zu ermöglichen. Insbesondere Google (Alphabet) verfügt mittlerweile über umfangreiche Erfahrungen und kann eine Bilanz von mehr als zwei Millionen gefahrenen Kilometern ohne nennenswerten Unfall aufweisen.

Die technische Entwicklung über das automatisierte hin zum autonomen Fahren wird von den Regierungen der Industriestaaten als Schlüsseltechnologie eingestuft und gefördert. Die Prognosen für die Marktreife autonomer Fahrzeuge reichten vor zwei Jahren von 2018 (Tesla, Google) bis 2030 (Deutsche Autoindustrie). Mittlerweile hat Volkswagen angekündigt, ab 2021 vollautonome Fahrzeuge in Serie bauen zu wollen (Becker 2018). Auch die Versicherungswirtschaft setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander. Sie sieht keine grundsätzlichen Probleme, die mit dem vollautomatisierten Fahren verbundenen Risiken zu versichern (vgl. Horus 1/2018, S. 57) und arbeitet an den erforderlichen Rechenmodellen zur Risikobewertung. Einig sind sich die Experten darin, dass das Geschäft der Zukunft nicht mehr der Verkauf von Autos, sondern von Mobilitätsdienstleistungen sein wird.

Die Grenzen zwischen Individualverkehr und öffentlichem Personenverkehr werden daher in den kommenden Jahren verschwimmen. Die großen Autohersteller verstehen sich immer mehr als Mobilitätsdienstleister und investieren in bzw. kooperieren mit Dienstleistern wie Uber, Didi Chuxing oder Gett. Denn insbesondere junge Menschen sind weniger am Besitz eines Fahrzeuges interessiert als an der Beförderungsdienstleistung.

Der Einsatz autonomer Fahrzeuge wird also nicht auf den Privatbereich begrenzt bleiben. Vielmehr werden bereits Praxistests mit autonom fahrenden Kleinbussen durchgeführt, u. a. im schweizerischen Sion/Sitten mit Bussen der französischen Firma Navya (Sperlich 2016).

Von wenigen U-Bahnlinien und Sonderfahrzeugen, wie z.B. dem Skytrain am Düsseldorfer Flughafen, abgesehen, werden öffentliche Verkehrsmittel wie Taxis, Busse und Bahnen bis heute von Menschen gesteuert. Diese sehen von sich aus in bestimmten Situationen den Hilfebedarf von Passagieren (Weißer Stock, Rollator, Rollstuhl), und sie sind auch immer von Fahrgästen ansprechbar, die einen Informationsbedarf haben oder der Assistenz bedürfen. In autonom fahrenden öffentlichen Verkehrsmitteln wird Assistenz in dieser Form nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie muss auf anderem Wege sichergestellt werden.

Bedeutungsvolle Entwicklung

Für blinde und sehbehinderte Menschen ist diese Entwicklung in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Werden die Anforderungen an Barrierefreiheit (Accessibility und Usability) bei diesen Entwicklungen berücksichtigt und umgesetzt, können sie ihre Mobilitätsbedürfnisse zukünftig wesentlich besser befriedigen als bisher. Es drohen allerdings auch Gefahren, die ihre Mobilität in der Zukunft deutlich beeinträchtigen können.

Folgende Aspekte müssen daher beachtet werden, um die Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen sowie anderer Personen mit Assistenzbedarf auch in der Zukunft sicherzustellen:

  1. Smartphone-Applikationen zur Anforderung öffentlicher und privater Verkehrsmittel müssen barrierefrei programmiert sein und für Personen mit Bewegungseinschränkungen auch verbal bedienbar sein.
  2. Die Applikationen müssen die Möglichkeit bieten, besondere Anforderungen an das Fahrzeug zu stellen, wie z. B. Mitnahme eines Blindenführhundes, eines Rollstuhls, Rollators, Kinderwagens, eines Fahrrades etc.
  3. Die Applikation muss gemäß dem Zwei-Sinne-Prinzip visuell und akustisch Rückmeldung geben, wann und wo genau der Nutzer mit der Ankunft des Fahrzeuges rechnen kann.
  4. Alternativ muss es weiterhin die Möglichkeit geben, ein Fahrzeug telefonisch anzufordern.
  5. Durch geeignete technische Vorrichtungen (Kombination mit einer Fußgängernavigation) oder einen Assistenten, der elektronisch hinzugeschaltet werden kann, muss dem Nutzer mit besonderem Assistenzbedarf die Möglichkeit gegeben werden, sein Fahrzeug zu finden. Das gilt sowohl für liniengebundene Fahrzeuge als auch für ungebundene Fahrzeuge.
  6. Bei Sammeltaxisystemen muss dem Nutzer vorher angesagt werden, ob er das Fahrzeug allein nutzt oder ob er beim Einsteigen auf andere Passagiere Rücksicht nehmen bzw. sich mit ihnen beim Platznehmen abstimmen muss.
  7. Das Fahrzeug bzw. die Applikation muss auch blinden Menschen die Möglichkeit geben, selbständig ein Fahrziel zu bestimmen und zu definieren, auf welcher Straßenseite der Fahrgast aussteigen möchte, so dass das unnötige Überqueren von Straßen vermieden wird.
  8. Eine Notbremse bzw. Nothalt muss auch für blinde Menschen leicht aufzufinden und zu betätigen sein. Hier ist eine Normierung der Platzierung und der Bedienbarkeit erforderlich, um das Bedienelement im Bedarfsfall schnell auffinden zu können.
  9. Bei liniengebundenen Fahrzeugen müssen die Zwischenhalte sowie das Fahrziel kurz vor Erreichen auf Anforderung des Fahrgastes rechtzeitig angesagt werden.
  10. Nicht liniengebundene Fahrzeuge müssen so anhalten, dass blinde und sehbehinderte bzw. andere Fahrgäste mit Assistenzbedarf sicher aussteigen können. Ggf. muss das System notwendige Umweltinformationen geben, wie z.B.: „Steigen Sie in Fahrtrichtung rechts aus!“ oder „Sie halten neben einem Radfahrweg rechts. Öffnen Sie die Tür nur ganz langsam und geben Sie ein Zeichen mit Ihrem Langstock!“
  11. Es müssen technische Vorrichtungen vorgesehen werden, die das Öffnen von Türen oder das Aussteigen in den fließenden Verkehr verhindern.
  12. Die Applikation muss mit einer barrierefrei benutzbaren Fußgängernavigation verbunden sein, um sicherzustellen, dass blinde und sehbehinderte Nutzer den Weg vom Fahrzeug zum Ziel sicher bewältigen können.

Im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sind autonome Fahrzeuge bisher nicht explizit erfasst. Im Paragraf 8 heißt es:

  • 8 Förderung der Verkehrsbedienung und Ausgleich der Verkehrsinteressen im öffentlichen Personennahverkehr

(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.

(2) Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet.

Autonome Fahrzeuge können liniengebunden oder auch nicht liniengebunden gemäß individueller Anforderung verkehren. Sie können also sowohl unter Abs. 1 als auch unter Abs. 2 des § 8 PBefG fallen. In jedem Fall bedürfen sie der oben beschriebenen besonderen Vorkehrungen, wenn die in Abs. 3 des § 8 PBefG geforderte Barrierefreiheit des öffentlichen Personenverkehrs bis zum 1.1.2022 tatsächlich erreicht werden soll.

(3) Für die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind die von den Ländern benannten Behörden (Aufgabenträger) zuständig. Der Aufgabenträger definiert dazu die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in der Regel in einem Nahverkehrsplan. Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Die in Satz 3 genannte Frist gilt nicht, sofern in dem Nahverkehrsplan Ausnahmen konkret benannt und begründet werden. Im Nahverkehrsplan werden Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen getroffen. Bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans sind die vorhandenen Unternehmer frühzeitig zu beteiligen; soweit vorhanden, sind Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte, Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und Fahrgastverbände anzuhören. Ihre Interessen sind angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen. Der Nahverkehrsplan bildet den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Länder können weitere Einzelheiten über die Aufstellung und den Inhalt der Nahverkehrspläne regeln.

Die Zukunft hat schon begonnen

Am 26.2.2018 hat die kalifornische Verkehrsbehörde beschlossen, dass ab April 2018 Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale sowie ohne den bisher vorgeschriebenen Sicherheitsfahrer auf öffentlichen Straßen verkehren dürfen (Handelsblatt, 27.02.2018). Die Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen sollte sich bei den Entwicklern, den Mobilitätsdienstleistern und bei den für die Zulassung und Lizenzierung der Systeme Verantwortlichen für die Erfüllung der oben aufgeführten Anforderungen einsetzen. Eine Fortschreibung des Personenbeförderungsgesetzes wäre sicher hilfreich, um den Entwicklern eine klare Zielperspektive vorzugeben. Es wäre bedauerlich, wenn auch bei dieser absehbaren technischen Entwicklung der Zug wieder ohne blinde und sehbehinderte Menschen sowie weitere Personengruppen mit Assistenzbedarf abfahren sollte.

Literatur:

Becker, Joachim: Roboterflüsterer. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 16, 20./21.01. 2018, S. 64.

Personenbeförderungsgesetz (PBefG). www.gesetze-im-internet.de (Download am 03.03.2018).

Handelsblatt: Autonomes Fahren: Kalifornien lässt Autos ohne Menschen am Steuer zu. 27.02.2018 - 07:05 Uhr http://www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/autonomes-fahren-kalifornien-laesst-autos-ohne-menschen-am-steuer-zu/21007238.html (Download vom 3.3.2018)

Römstedt, Brigitte: Blind – und doch mobil: Mehr Selbständigkeit ist ein Herzenswunsch. In: Horus, Ausgabe 1/2018, S. 57 – 59.

Sperlich, Tom: Autonomer Postbus: Ein „Meilenstein für den öffentlichen Nahverkehr. 25.06.2016, 17:48 h. https://www.heise.de/newsticker/meldung/Autonomer-Postbus-Ein-Meilenstein-fuer-den-oeffentlichen-Nahverkehr-3249008.html (Download am 03.03.2018).

Foto: Der selbstfahrende Skytrain in Düsseldorf. Foto: Pixabay.

Autor:

Dipl.-Psych. Erwin Denninghaus ist 1955 in Hagen (Westfalen) geboren. Er arbeitet seit 1988 im Berufsbildungswerk für Blinde und Sehbehinderte in Soest und hat 2016 dessen Leitung übernommen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Berichte und Schilderungen

Jochen Schäfer

Glückwunsch für Dr. Vollert zum 80. Geburtstag

Am 18.09.2018 feierte Dr. Hans-Helmut Vollert in Schleswig seinen 80. Geburtstag. 14 Jahre war er Mitglied des DVBS-Vorstandes, außerdem der „dienstälteste“ Bezirksvorsitzende der Vereinsgeschichte!

Geboren wurde Vollert in Hennstedt in Schleswig-Holstein und besuchte zunächst die Blindenschule in Hannover, da es in seiner Region keine Blindenbildungseinrichtung mehr gab. Von 1952-1959 war er Schüler der Marburger Blindenstudienanstalt. Dort legte er das Abitur ab - zusammen mit seinem Alters- und späteren Berufsgenossen Otto Hauck. 40 Jahre später hat sich die „Absolvia 1959“ übrigens in unserer Zeitschrift verewigt (siehe den Bericht von Ute Viehbacher in horus 1999, H. 4 Punkt-, H. 3 Schwarzschrift).

Vollert studierte Jura in Kiel und promovierte. Später wurde er Richter am Oberlandesgericht Schleswig und arbeitete dort in einem Strafsenat. Ende der 60er Jahre heiratete er seine Frau Heidemarie, mit der er noch heute zusammenlebt.

Zur Selbsthilfe fand Dr. Vollert schon sehr früh, trat Anfang 1957 dem „Verein der blinden Geistesarbeiter Deutschlands“ (dem heutigen DVBS) bei und war von 1974-1988 Beisitzer im Vorstand. Noch bekannter wurde er aber durch seine intensive Bezirksarbeit. 1972 wurde er Vorsitzender in Schleswig-Holstein, löste seinen langjährigen Vorgänger Dr. Bruno Geisler ab und blieb bis 2016 an der „Bezirksspitze“ des nördlichsten Bundeslandes. Regelmäßig gibt es Beiträge von ihm über eine „Bezirksversammlung in Schleswig-Holstein“ (von 1973-2003 finden wir diese Überschrift 15-mal in der horus-Datenbank). 1980 schrieb er auch einmal allgemeine „Gedanken zur Bezirksarbeit“ (siehe „Marburger Beiträge (MB)“, H. 4/1980 bzw. horus, H. 2/1980). Wichtig war ihm immer die Zusammenarbeit mit den Nachbarn. So wurden oft gemeinsame Bezirksversammlungen durchgeführt, anfangs mit Hamburg, später mit Mecklenburg-Vorpommern, was mittlerweile zu einer richtigen Tradition geworden ist.

Nicht unerwähnt darf seine Tätigkeit für den „Gemeinsamen Fachausschuss Umwelt und Verkehr“ bleiben, dem er über eine ganze Reihe von Jahren angehörte und dadurch auch zur Verbesserung der Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen beitragen konnte.

2003 wurde Dr. Vollert pensioniert, worüber die „Schleswiger Nachrichten“ in ihrer Ausgabe vom 19.09.2003 berichteten (abgedruckt in horus 6/2003). Danach rief er die „IRIS-Stiftung“ ins Leben, mit der das Hamburger „Institut für Rehabilitation und Integration Sehgeschädigter (IRIS)“ und damit die Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen gefördert wird. Dafür wurde Dr. Vollert am 05.11.2016 mit dem 1. Platz des Schleswig-Holsteinischen Stifterpreises geehrt.

Bei der Bezirksversammlung in Schleswig-Holstein am 20.05.2016 trat Dr. Vollert nach 44 Jahren nicht erneut zur Wiederwahl an. Seitdem lenkt Marion Malzahn aus Husum die Geschicke des Bezirks.

Was Dr. Vollert Zeit seines Lebens ausgezeichnet hat, sind seine Verlässlichkeit und Beständigkeit, sein Wille zu helfen, gepaart mit der Bereitschaft, Aufgaben zu übernehmen und gewissenhaft zu erfüllen. Bei Diskussionen und der Erarbeitung von Problemlösungen gibt er mit der ihm eigenen Bedächtigkeit und unaufgeregten Beharrlichkeit wertvolle Denkanstöße, nicht selten gepaart mit einem verschmitzten Lächeln. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, Minderheitenpositionen zu vertreten, die er aber stets mit guten Argumenten zu begründen weiß.

Im Namen des DVBS-Vorstandes und der horus-Redaktion möchte ich Ihnen danken für alles, was Sie für unseren Verein und allgemein für blinde und sehbehinderte Menschen getan haben. Möge Ihnen und Ihrer Frau noch ein langer Lebensabend beschieden sein.

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Manchmal unbequem, immer engagiert und anregend –Laudatio auf Dr. Johannes-Jürgen Meister

Über 20 Jahre lang leitete Dr. Johannes-Jürgen Meister die Interessengruppe Ruhestand des DVBS. Im Laufe dieser langen Zeit plante er nicht nur Seminare und suchte Referenten, sondern suchte und hielt auch den Kontakt zu Mitgliedern und Geschäftsstelle. Als Bildungsexperte brachte er sein Wissen und Gespür stets auch in die Vereinsarbeit mit ein, was sich insbesondere auch in der Auswahl der Referenten für die diversen Seminare der Gruppe Ruhestand widerspiegelte. Das Erreichte trug er weiter in die BAGSO, wo er ebenfalls in vielen Gremien aktiv war und stets um Vernetzung bemüht war – alles im Sinne des lebenslangen Lernens für blinde und sehbehinderte Menschen jeglichen Alters, aber insbesondere auch für ältere Menschen. Dr. Meister war mehrfach ein energischer Initiator von Innovationen für den DVBS. Dabei war er nicht nur Ideengeber, sondern stets auch bereit, die Umsetzung von Innovationsideen in die Vereinspraxis, z.B. in sogenannten Strukturkommissionen zu moderieren und inhaltlich zu begleiten. Konnte er sein Ziel nicht erreichen, machte ihn das nie mutlos, sondern forderte ihn eher zu neuen Ansätzen heraus. Die Reorganisation der DVBS-Bezirke zur heutigen bewährten Form und die Öffnung der Satzung für die Mitgliedschaft aller berufstätiger und in Ausbildung befindlicher blinder und sehbehinderter Menschen sind ihm zu verdanken. Dieses Jahr legte er die Leitung der Interessengruppe Ruhestand in die Hände eines neuen Teams. Seine langjährige Mitarbeit in der Leitung des Arbeitsausschusses endet mit dessen Sitzung am 24.11. 2018. Auch in dieser Rolle war er nicht nur ein manchmal unbequemer Kritiker sondern auch ein konstruktiver Ideengeber und Motor für die Weiterentwicklung des Vereins. Wir danken Dr. Meister für seine unermüdliche und bemerkenswerte Arbeit und sein erfolgreiches Engagement ganz herzlich und wünschen ihm alles Gute.

Foto: Dr. Johannes-Jürgen Meister. Dr. Meister erkundet die Schriftkugel des Bildhauers Fritz Koenig bei der Ausstellung in den Boboli-Gärten in Florenz September 2018. Foto: Ulrike Bayer

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Eveline Seidel

Zeitenwende – vom Leben nach der blista

Anders als einige meiner Mitschüler hatte ich nach dem Abitur keine konkreten Vorstellungen oder Wünsche bezüglich meines Berufs. Für mich war damals nur klar, ich wollte studieren und in der Nähe meines Heimatortes Speyer bleiben. Die Universität Mannheim war daher meine erste Wahl – vor allem weil mir die Stadt bereits aus meiner Grundschulzeit bekannt und ans Herz gewachsen war. Praktischere Gründe beinhalteten die erheblichen Einsparungen bei Miete und Lebenshaltungskosten, da ich während meines Studiums zu Hause leben konnte. Witzigerweise brauchte ich oft auch viel weniger Zeit, um zur Uni zu gelangen, als einige meiner in Mannheim lebenden Kommilitonen.

Bei der Wahl meiner Studienfächer orientierte ich mich an meinen Leistungsfächern und bewarb mich bei der Uni Mannheim für den Studiengang Bachelor Kultur und Wirtschaft, mit Anglistik als Kern- und Betriebswirtschaftslehre als Beifach, und wurde angenommen. Nachdem das erste Semester herum war, zog ich eine Zwischenbilanz: Während sich meine Entscheidung für Anglistik als goldrichtig herausgestellt hatte, zeichnete sich bei BWL ein anderes Bild ab. An sich ist BWL ein sehr interessantes Fach; jedoch kam in mir während des Semesters nie die Begeisterung für das Fach auf, die nötig ist, um das (besonders am Anfang) sture Auswendiglernen heil zu überstehen. Das zweite Semester bestätigte meine Vermutung, dass mir das Studienfach BWL nicht liegt. Also wechselte ich im Beifach zu Germanistik und sattelte auf den Bachelor of Arts um. Diesen Wechsel habe ich nicht bereut, da ich mich auch in der Germanistik wie zu Hause fühlte und sich das Fach als vorteilhaft auf meinen späteren Beruf auswirkte.

Mit Sehbehinderung ins Studium der Literaturwissenschaften

In der Anglistik und Germanistik studiert man anfangs Literaturwissenschaft und Linguistik zu gleichen Teilen, mit ein wenig Kulturwissenschaft und Geschichte gewürzt. Später muss man sich für eine Kerndisziplin entscheiden, so wie ich für die Literaturwissenschaft. Das faszinierende an der Literaturwissenschaft ist, dass man nicht einfach Bücher lang verstorbener Autoren seziert, sondern sich mit den unterschiedlichsten, oft tagesaktuellen Themen im Kontext der Literatur auseinandersetzt. So gut wie jede meiner Vorlesungen und Seminare im literaturwissenschaftlichen Bereich überschnitt sich an einer oder mehreren Stellen mit anderen Fächern. Manche machten dies sogar explizit zum Programm, wie mein germanistisches Hauptseminar zum Thema „Der Teufel und das Böse“, das Literatur mit Theologie kombinierte und von Studenten beider Studienfächer besucht werden konnte.

Im Laufe des Studiums eignete ich mir neben fachlichem Wissen aber auch die Fähigkeit an, selbstständig zu arbeiten. Man erlernt wichtige Arbeitstechniken zum richtigen Recherchieren, Zeitmanagement, sorgfältigen Schreiben von Texten aller Art und – besonders wichtig – Selbstorganisation. Denn anders als in der Schule tragen einem die Professoren an der Uni nichts hinterher. Wer die Hausaufgaben nicht macht und deshalb schlechte Prüfungen schreibt oder Abgabetermine nicht einhält – wer ohne Selbstdisziplin ins Studium geht –, dem wird keine Standpauke gehalten, der fällt durch.

Hinzu kommt: Wer studieren will, muss das Lesen mögen. Nicht nur die Geisteswissenschaften sind äußerst leseintensiv. In BWL verschlingt man ebenfalls mehrere Bücher pro Semester. Wer jedoch trotz Sehbehinderung dazu bereit ist, diese Herausforderung mit Enthusiasmus anzunehmen, dem kann ich ein Studium – egal welches Fach einen begeistert – nur empfehlen.

Allerdings sollte ich hinzufügen, dass ich mit meinem Sehrest von ca. fünf Prozent glücklicherweise noch recht gut sehe und die Bücher meist ohne Lesehilfen bewältigte. Nur bei sehr klein gedruckten Texten und Abbildungen musste ich auf eine handliche kleine Lupe zurückgreifen, und meine Kurzsichtigkeit glich ich in Vorlesungen und Seminaren leicht mit Hilfe eines Monokulars aus. Um auf Nummer sicher zu gehen, nahm ich die Veranstaltungen zusätzlich auch mit einem Diktiergerät auf, damit ich mich auf die Vorträge konzentrieren und meine Notizen später ergänzen konnte.

Obwohl das alles etwas einschüchternd klingen mag, muss man sich keine Sorgen machen, dass man mit einer Sehbehinderung im Uni-Alltag alleine dasteht. Die erste Anlaufstelle für Behinderte an der Uni ist die Behinderten-Beauftragte. An der Uni Mannheim unterstützte mich Frau Knapp immer freundlich und hilfsbereit bei allem, was ich benötigte. Das stellte sich als wahrer Segen heraus als die ersten Prüfungen anstanden und sie mir mit dem Papierkram für die Prüfungsformalien (z.B. Antrag auf Zeitverlängerung und Prüfungslaptop) half.

Besonders bei Prüfungen war richtiges Zeitmanagement essentiell – nicht nur fürs Lernen. So sollte man dem Professor nicht erst zwei Tage vor der Prüfung Bescheid geben, dass man einen Laptop mit Drucker für die Prüfung braucht. Besonders bei großen Veranstaltungen mit mehreren Behinderten musste ein separater Raum oder ein Büro organisiert werden, worin wir die Prüfung in Ruhe schreiben konnten. Im Idealfall wurden die Dozenten sowohl von mir als auch von Frau Knapp über solche Dinge zwei bis drei Wochen vor der Prüfung informiert.

Das ist jedoch nur einer der Gründe, warum man sich als Sehbehinderte weniger Berührungsängste mit Professoren leisten kann als ein nichtbehinderter Student. Da viele der Vorlesungssäle recht groß und nicht alle Dozenten mit der Optimierung der Lesbarkeit von Präsentationsfolien vertraut sind, ist es vorteilhaft, weiter vorne zu sitzen, um alles gut mitzubekommen. Da kam es schon mal vor, dass ich ganz allein in den vordersten Rängen saß, während meine Kommilitonen alle hinten in Deckung gingen. Allerdings machte ich mit den Dozenten ausschließlich gute Erfahrungen, was den Umgang mit meiner Sehbehinderung angeht. Manche merkten von selbst (wahrscheinlich durch den häufigen Gebrauch meines Monokulars und meiner Sitzplatzwahl), dass ich sehbehindert war. Einige sprachen mich sogar früh von sich aus darauf an und fragten, ob ich der Veranstaltung gut folgen könne oder ob sie etwas verbessern könnten. Und auch diejenigen, die nur wenig bis gar keine Erfahrung mit behinderten Studenten hatten, waren sehr aufgeschlossen und entgegenkommend, solange man offen auf sie zuging und etwaige Fragen und Probleme rechtzeitig klärte.

Das gleiche galt für die Zusammenarbeit mit meinen Kommilitonen. Selbst wenn ich in einigen Seminaren kein einziges vertrautes Gesicht antraf, begegneten mir die meisten, die auf meine Sehbehinderung aufmerksam wurden, mit Neugier und Hilfsbereitschaft. Oft arrangierten wir uns zu einem Team – jemand machte Fotos von Zeichnungen und Texten an der Tafel, und ich verschickte im Gegenzug Kopien meiner Audio-Aufnahmen.

Durch Selbstanalyse zum Traumberuf

Da ich ohne konkrete Berufswünsche ins Studium gegangen war, stellte das Pflichtpraktikum zunächst eine Herausforderung für mich dar, weil ich mich dafür zumindest zeitweise für ein Berufsfeld entscheiden musste. Um einen Eindruck davon zu erhalten, welche Möglichkeiten Absolventen der Geisteswissenschaften offen stehen, besuchte ich einige Veranstaltungen aus der Vortragsreihe „Wohin denn ich?“, die die Uni Mannheim zusammen mit der Studierendeninitiative Artes Liberales e.V. regelmäßig organisiert. Dazu werden Geisteswissenschaftler aus den unterschiedlichsten Branchen eingeladen, von ihrer Arbeit zu erzählen und mit den Studenten zu diskutieren. Leider wurde ich dort jedoch nicht fündig.

Stattdessen besann ich mich auf meine persönlichen Interessen – allem voran meine Liebe zu Büchern und Geschichten. Dank eines Schülerpraktikums wusste ich, dass ich nicht zur Buchverkäuferin taugte. Also durchforstete ich die Verlagsbranche und stieß auf das Berufsbild des Lektors. Danach begann die langwierige Bewerbungsphase: Ich holte Informationen über Verlage in meiner Umgebung ein und verschickte meine Bewerbungsschreiben. Auf viele Absagen kam dann endlich eine Zusage: Der Wellhöfer Verlag, ein kleiner Verlag für regionale Literatur in Mannheim, sicherte mir für das kommende Frühjahr einen Praktikumsplatz zu. Sofort beantragte ich bei der Uni ein Urlaubssemester, um mich voll und ganz dem Praktikum zu widmen, das ich dank dieser freien Zeit später verlängern konnte. Die Arbeit im Lektorat des Verlags, die in erster Linie die Korrektur und Bearbeitung von Autorenmanuskripten beinhaltete, machte mir große Freude. Da ich das ausdauernde und aufmerksame Lesen schon vom Studium gewohnt war, machte mir auch meine Sehbehinderung keine Schwierigkeiten. Ich hatte meinen Traumberuf gefunden!

Nach einigen Monaten war mein Praktikum leider bereits vorbei, und es wurde Zeit, mich wieder auf mein letztes Semester an der Uni und meine Abschlussprüfungen vorzubereiten. Bei einem Abschiedsessen in kleiner Runde erfuhr ich, dass Herr Wellhöfer mich gerade wegen meiner Behinderung als Praktikantin ausgewählt hatte. Da die Augen eines der wichtigsten Werkzeuge eines Lektors sind, war er gespannt gewesen, wie viel Ehrgeiz hinter meiner für eine Sehbehinderte recht ungewöhnlichen Berufswahl stecken mochte. Ein klarer Beweis dafür, dass ein offener und selbstbewusster Umgang mit der eigenen Behinderung nicht unbedingt ein Nachteil bei einer Bewerbung sein muss.

Nach dem Studium

Nach meinen Abschlussprüfungen nahm ich sofort alles Amtliche in Angriff: Exmatrikulation beantragt, beim Arbeitsamt gemeldet und bei der Krankenkasse vorbeigeschaut (besonders der letzte Schritt sollte zeitig erledigt werden, da bei der Krankenversicherung wichtige Fristen leicht verschlafen werden können). Der nächste Schritt auf dem Berufsweg eines Lektors ist eigentlich ein Volontariat, weshalb ich wieder nach Verlagen suchte und Bewerbungen verschickte, bisher jedoch ohne Erfolg.

Zeitgleich streckte ich aber auch meine Fühler aus und fragte beim Wellhöfer Verlag an, ob sie eine Aushilfe im Lektorat gebrauchen könnten. Schon nach kurzer Zeit erhielt ich Antwort und konnte nur einen Monat nach Beendigung meines Studiums meine Arbeit als Lektorin aufnehmen. Hier zeigte sich, welchen Wert persönliche Kontakte und Netzwerke für das spätere Berufsleben haben.

Nebenher bereite ich mich auf die Selbstständigkeit als Freiberuflerin vor, was heutzutage die Norm für viele Lektoren darstellt. Immer weniger Verlage stellen Lektoren fest an, und die eigentliche Arbeit am Manuskript wird größtenteils an Freiberufler outgesourct, während Verlagslektoren mehr als Manager agieren.

Persönliches Fazit

Auch wenn man nach dem Abitur keinen perfekt ausgearbeiteten Lebensplan hat, ist das kein Grund zur Panik. Solange man flexibel ist, sich die eigenen Schwächen und Stärken bewusst macht, sich in Disziplin und Arbeitseifer übt und gewillt ist, viel Energie und Zeit zu investieren, kann man seinen Weg finden und Berufe ergreifen, die von außen betrachtet für einen Sehbehinderten abwegig erscheinen mögen.

Foto: Universität Mannheim. Foto: pixabay

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Dr. Heinz Willi Bach

Eine ausgebildete Fachkraft – Inklusion kann einfach sein

 „Ich war völlig blind, als ich geboren wurde – grauer Star“, erzählt er mir. „Bei der Operation ging das eine Auge kaputt, auf dem andern bin ich hochgradig sehbehindert“, berichtet der mittlerweile Anfang Fünfziger. Ich habe ihn bei einer Freizeit kennen gelernt. „Ich war keinen Tag arbeitslos“, sagt er stolz. Das interessiert mich näher. Ein Beispiel gelungener Inklusion? Offenbar. Wie lief denn das? Insbesondere, da er noch eine weitere körperliche Beeinträchtigung hat. Die ist zwar im Lauf der Zeit besser geworden, näher möchte er darauf nicht eingehen.

Er lebt in einer kleinen Gemeinde im Speckgürtel eines großen Agglomerationsraumes und ging in der Sehbehindertenschule der zentralen Großstadt zur Schule. Allerdings konnte er dort nicht bleiben, denn, so erzählt er, „die sagten, sie wären nicht in der Lage, ihm mittags zuverlässig eine halbe Tablette zu geben.“ Die nächste Sonderschule, sagte man damals, etwa 50 km entfernt, beschulte nur blinde Kinder. Mit Glück gelang es, dass er in das Internat der Sonderschule des benachbarten Bundeslandes wechselte. „Hier hat’s mir eigentlich gefallen. Ich habe den Abschluss gemacht und dann auch da Bürsten- und Pinselmacher gelernt. Ich wär‘ damals auch ganz gern ins Büro gegangen, aber dafür hat’s nicht gereicht.“

Etliche Jahre war er anschließend in der Blindenwerkstatt in Heimarbeit tätig. Er galt als zuverlässig, akkurat und fleißig, die Arbeit gefiel ihm. „Ich habe eigentlich nie krank gefeiert“, berichtet er mit Stolz. „Wenn’s mir nicht gut ging, habe ich zwei Tage ausgesetzt und anschließend Sonderschicht gefahren, auch am Wochenende.“ Warum tat er das? „Wenn ich krank feierte, musste unheimlich viel an die Krankenkasse geschrieben werden. Auch die Verwaltung war froh, dass uns das erspart blieb.“

Nach der Jahrhundertwende geriet die Blindenwerkstatt zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Er wurde nur noch in Teilzeit beschäftigt. Das Geld reichte nicht vorn und nicht hinten. Wie sollte es weitergehen? Die Interventionen und Vorsprachen bei der Gemeinde führten zum Erfolg. Die Gemeinde hatte Bedarf an Pflegeleistungen in den Außenanlagen und Grünanlagen rund ums Rathaus und stellte ihn ein. „Sie wollten mich eigentlich in ein Büro stecken, aber ich hab‘ ihnen gleich gesagt, das wär‘ nichts für mich.“ Vier Jahre später verlor er seine Arbeit bei der Blindenwerkstatt ganz. Die Gemeinde machte nicht viel Federlesens und erhöhte seine Arbeitszeit von 15 auf 25 Stunden in der Woche. „Reicht Dir das denn zum Leben?“, frage ich ihn. „Ja, wo ich allein lebe, geht’s. Ich hab‘ ja noch das Sehbehindertengeld. Für ‘ne Familie würd’s nicht reichen. Die Arbeit und die Arbeitszeit von 7 – 12 Uhr, das ist in Ordnung.“ Er legt Wert auf die Feststellung, dass er eine ausgebildete Fachkraft ist. Womit er recht hat.

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Hans Sülau

Nachruf auf Hans Cohn

Am 21. Januar diesen Jahres ist Hans Cohn in London im Alter von 94 Jahren verstorben. Er wurde 1923 in Berlin geboren. Sein Vater, ein deutsch-jüdischer Anwalt, arbeitete mit dem berühmten Theaterregisseur Max Reinhardt zusammen.

Nach 1933 erlitt Hans Cohn eine Verletzung im Auge durch eine Auseinandersetzung mit einem anderen Schüler, der Mitglied der Hitlerjugend war. Letzterer Umstand führte dazu, dass sich deutsche Augenärzte weigerten, den Fall zu behandeln. Nach Verzögerungen kam es in Holland zu einer augenärztlichen Behandlung; leider ohne Erfolg und am Ende waren beide Augen erblindet. Nunmehr wurde nach einer blindengemäßen Beschulung gesucht, aber im Jahre 1938 gab es dazu in Deutschland keine Möglichkeit mehr. Ein jüdischer Schüler wurde in Marburg abgelehnt. Eine blindengerechte Ausbildung fand sich für Hans Cohn schließlich am Worcester College in England. Hier durchlebte er den Krieg. Sein Vater kam im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben. Hans Cohn übernahm eine Berufstätigkeit als Physiotherapeut und gründete in London eine eigene Praxis. Die eigentlich angestrebte juristische Laufbahn ließ sich nicht verwirklichen.

Bemerkens- und achtenswert sind die vielen Aktivitäten, denen Hans Cohn nachging. Das reichte vom Klavierspielen bis zum Skilanglauf. Sein besonderes Engagement galt der Beteiligung in den Schachvereinen für Blinde, auf national-englischem Gebiet und im europäischen Zusammenhang. Verbunden damit sind intensive Kontakte und Bekanntschaften im deutschen Sprachraum entstanden.

Weitere Berichte

Auch in seiner Wahlheimat Großbritannien wurde Hans Cohn gedacht. Die Braille Chess Association schreibt: „Hans Cohn starb im Alter von 94 Jahren: mit seinem Tod verlor die blinde Welt einen beeindruckenden Mann und einen unermüdlichen Aktivisten.“ Den ganzen Nachruf finden Sie auf Englisch unter http://braillechess.org.uk/obituaries/cohnh.html

Das New College Worcester, das Hans Cohn seine Ausbildung ermöglichte, hat ebenfalls einen langen Bericht über seinen ehemaligen Schüler veröffentlicht, der auch einen von Hans Cohn selbst geschriebenen Artikel über sein Leben beinhaltet. Sie finden den Nachruf auf Englisch unter https://connect.ncw.co.uk/news/births-deaths-and-marriages/21/21-Hans-Cohn-A-Remarkable-Man

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Aus der Arbeit des DVBS

Uwe Boysen

Nachhilfestunde für Landtagsabgeordnete

Ein kleiner Plausch in Frankfurt

Es war wahrscheinlich schon ein wenig dem hessischen Wahlkampf geschuldet, dass am späten Nachmittag des 15. Oktober auf Einladung der Bezirksgruppe Hessen des DVBS und in Kooperation mit der blista und dem Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen tatsächlich fünf Abgeordnete der im hessischen Landtag derzeit vertretenen Parteien bereit waren, mit uns über digitale Barrierefreiheit zu diskutieren. Konkreter Anlass war die anstehende Novellierung des Hessischen Behindertengleichstellungsgesetzes, die sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindet. Diese Überarbeitung ist wiederum zu großen Teilen der Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zu barrierefreien Websites und mobilen Anwendungen geschuldet – eine zugegebenermaßen nicht ganz leicht zu durchschauende Materie.

Entsprechend zeigten sich die Volksvertreter und -vertreterinnen etwas hilflos und wichen gern auf kleine Geschichten aus, die sie persönlich mit Barrierefreiheit oder ihrem Fehlen verbinden. So mussten wir feststellen, dass sie von der Notwendigkeit, das Behindertengleichstellungsgesetz des Landes zu ändern, erst nach den Sommerferien erfahren hatten, als von den Regierungsfraktionen der konkrete Gesetzentwurf eingebracht worden war. Dass hier seit Ende 2016 im Lichte der genannten EU-Richtlinie Handlungsbedarf bestand, worauf der DVBS jedenfalls das Sozialministerium immer wieder hingewiesen hatte, war ihnen nicht bekannt.

Viel Kritik erntete auch das von uns als mangelhaft angesehene Anhörungsverfahren, bei dem die Regierungsfraktionen eine mündliche Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss gegen den erbitterten Widerstand der Opposition abgelehnt hatten. Nun wissen wir aus – teilweise leidvoller – Erfahrung, dass solche Anhörungen häufig nicht zu entscheidenden Änderungen der Gesetze führen. Gleichwohl sollten sie zur Basis parlamentarischen Handelns gehören. Mündlich lassen sich wesentliche Punkte herausstreichen, die bei einer breiter angelegten schriftlichen Stellungnahme vielleicht eher in den Hintergrund geraten.

Diskutiert haben wir auch über die Frage der Einbeziehung von Privaten in den Anwendungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes. Die Meinungen der Abgeordneten gingen von klarer Zustimmung bis zu vorsichtiger Skepsis, wobei wir betonten, dass es nicht darum geht, kleine und mittlere Unternehmen vor unüberwindbare Hürden zu stellen, aber angesichts der Dominanz des privaten Sektors in unserer Gesellschaft zwingend auch hier für Fortschritte gesorgt werden müsse und das auch mit gesetzlichen Regelungen.

Ich glaube, die Initiative, mit Abgeordneten des Hessischen Landtags ins Gespräch zu kommen, war richtig, auch wenn wir nicht den Eindruck hatten, dass die Bereitschaft besteht, am Gesetz noch entscheidende Änderungen vorzunehmen. Ein kleiner Wermutstropfen war die verhältnismäßig geringe Teilnehmerzahl unserer Mitglieder, die uns gelegentlich fragen lässt, ob trotz unserer intensiven Bemühungen die Tragweite der durch die EU-Richtlinie eröffneten Chancen für mehr digitale Barrierefreiheit von blinden und sehbehinderten Menschen in Studium und Beruf noch nicht umfassend wahrgenommen wird.

Foto: Die Podiumsdiskussion in Frankfurt. Uwe Boysen sitzt am Tisch, der mit einem DVBS-Tischtuch bedeckt ist. Neben ihm v.l.n.r.: Bodo Pfaff-Greiffenhagen (CDU) und Sigrid Erfurth (Bündnis 90/Die Grünen) links neben Uwe Boysen, rechts folgen Stefan Müller (FDP), Ernst-Ewald Roth (SPD), Marjana Schott (LINKE). Foto: Imke Troltenier

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Neue Geschäftsführerin Marianne Preis-Dewey stellt sich vor

Liebe Leserinnen und Leser,

am 1. November 2018 habe ich die Geschäftsführung und die Leitung der Geschäftsstelle des DVBS in Marburg übernommen. Darum möchte ich mich Ihnen kurz vorstellen:

Ich bin diplomierte Übersetzerin und habe viele Jahre angestellt und freiberuflich als Fachübersetzerin für Technik in der Sprachrichtung Deutsch-Englisch gearbeitet. 2015 nahm ich eine Stelle bei capito Frankfurt an, einem Dienstleister, der sich auf zahlreichen Ebenen für Barrierefreiheit und die Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen einsetzt. Nebenbei bin ich seit 2010 freiberuflich als Business Workshop-Trainerin für den Dialog im Dunkeln® tätig.

In der Selbsthilfe, für die mir die Leidenschaft quasi durch meinen Vater in die Wiege gelegt wurde, bin ich seit den frühen 90er Jahren aktiv, darunter auch einige Jahre in den USA.

Gerne werde ich meine Erfahrungen aus den verschiedenen Bereichen beim DVBS einsetzen und meine Kenntnisse ausbauen und vertiefen, um zur Weiterentwicklung des Vereins beizutragen.

Ich freue mich darauf, mit Ihnen in Kontakt zu kommen bzw. zusammenzuarbeiten.

Foto: Marianne Preis-Dewey. Marianne Preis-Dewey hat lange braune Haare, die sie offen trägt. Sie trägt einen grauen Blazer und eine goldene Kette. Sie lächelt in die Kamera. Foto: privat

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Neue Stellungnahmen des DVBS

Verschiedene politische Entwicklungen erfordern auch eine klare Positionierung des DVBS e.V. Auf unserer Homepage https://www.dvbs-online.de/ finden Sie unter Aktuelles > Stellungnahmen gleich mehrere neue Stellungnahmen:

Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Bayerischen Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung

Die Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen enthält das Potenzial, um in diesem Bereich zu einer wesentlichen Verbesserung der Barrierefreiheit zu kommen. Hierzu ist es aus Sicht des DVBS e.V. erforderlich, den vorgelegten Entwurf deutlich zu verbessern.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter https://www.dvbs-online.de/images/uploads/Stellungnahme-zum-Entwurf-einer-Verordnung-zur-nderung-der-Bayerischen-Barrierefreien-Informationstechnik.pdf

Stellungnahme zum Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung und zum Schutz der digitalen Verwaltung in Niedersachsen

Der vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport am 3. Juli 2018 vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und zum Schutz der digitalen Verwaltung in Niedersachsen und zur Änderung des Niedersächsischen Beamtengesetzes betrifft blinde und sehbehinderte Menschen in besonderer Weise. Ohne die erforderlichen Regelungen zur Barrierefreiheit werden sie vom E-Government ausgeschlossen. Entgegen der Begründung des Gesetzentwurfs werden ihre Belange allerdings nicht berücksichtigt. Der DVBS e.V. fordert daher eine Ergänzung des Gesetzesentwurfs um die erforderlichen Regelungen zur Barrierefreiheit.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter https://www.dvbs-online.de/images/uploads/Stellungnahme-DVBS-zum-Entwurf-fr-ein-NDIG.pdf

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren hat am 14. Juni 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Schleswig-Holstein vorgelegt, durch den die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen umgesetzt werden soll. Leider führt der Gesetzentwurf, gemessen an der gegenwärtig geltenden Rechtslage, in Teilen sogar zu einer Verschlechterung. Der Gesetzentwurf ist daher um die erforderlichen Regelungen zu ergänzen.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter https://www.dvbs-online.de/images/uploads/DVBS---Stellungnahme-zur-LBGG-Novelle.pdf

Stellungnahme zum zweiten Gesetz zur Änderung des Hessischen Gleichstellungsgesetzes

Die hessische Landesregierung strebt eine Änderung des Hessischen Gleichstellungsgesetzes an, wobei sie sich an den Leitlinien der UN-Behindertenrechtskonvention orientieren will. Leider wird der vorliegende Entwurf, wie noch auszuführen ist, diesem Anspruch nur in Teilen gerecht und bedarf daher dringend der Nachbesserung.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter https://dvbs-online.de/images/uploads/Stellungnahmen/Stellungnahme-Zweites-Gesetz-zur-nderung-des-HBGG.pdf

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg

Der vorliegende Entwurf soll die digitale Barrierefreiheit voranbringen. Leider hat der Gesetzentwurf insoweit jedoch noch eine Reihe von Schwachstellen, die verschiedene Änderungen erforderlich machen.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie unter https://dvbs-online.de/images/uploads/Stellungnahmen/Stellungnahme-zum-Entwurf-eines-Gesetzes-zur-nderung-des-LBGG-Ba.-W.pdf

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Sachstand Projekt iBoB

Das Angebot auf der iBoB-Weiterbildungsplattform (https://weiterbildung.dvbs-online.de) umfasst mittlerweile ca. 140 Kurse und wächst stetig. Weitere Weiterbildungsangebote prüft das iBoB-Team derzeit auf Barrierefreiheit.

Die Weiterbildungs- und KODE-Beratung wird inzwischen gut angenommen. Schwerpunkte der Weiterbildungsberatung sind Themen wie berufliche Neuorientierung, Sehverlust und Vorschläge hinsichtlich sinnvoller Weiterbildungsangebote.

Neben den Selbsthilfeorganisationen, der regionalen Presse und Bildungsportalen wie www.kursfinder.de und InfoWeb Weiterbildung (unter http://www.iwwb.de/?kat=meldungen&num=1690&) haben unter anderem die Mitarbeiterzeitschrift der Bundesagentur für Arbeit sowie das Magazin „ZB Behinderung & Beruf“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und der Arbeitsagentur über iBoB berichtet (PDF unter https://www.integrationsaemter.de/files/200/ZB_2_2018.pdf).

Um sicherzustellen, dass das auf der iBoB-Weiterbildungsplattform präsentierte Bildungsangebot auch weiterhin den Bedürfnissen und Interessen der Betroffenen entspricht, wurde eine kurze Umfrage mit 5 bis 10 Fragen entworfen.

Antworten auf Fragen wie „Planen Sie für das kommende Jahr eine oder mehrere Weiterbildungen? Wenn ja, welche Weiterbildungen möchten Sie gerne vornehmen?“ bilden eine wichtige Grundlage für die Auswahl von weiteren Bildungsanbietern, die wir für die barrierefreie Gestaltung ihrer Angebote gewinnen wollen.

Wir würden uns freuen, wenn Sie sich ebenfalls an der Umfrage beteiligen würden. Sie finden sie unter: https://www.surveymonkey.de/r/2W87D8G

Logo: iBoB

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Dr. Katarzyna Kalka

Qualifizierungsangebote der Ehrenamtsakademie - Rückblick auf das Jahr 2018

Ehrenamtliche des DVBS sowie unterschiedlicher Selbsthilfeorganisationen hatten in der zweiten Jahreshälfte 2018 rege die Möglichkeit genutzt, an Seminaren der DVBS-Ehrenamtsakademie teilzunehmen. Um welche Themen ging es, was konnten Teilnehmende „mit nach Hause“ nehmen? Hier ein kurzer Rückblick.

Bereits Anfang Juni fand im Tagungshaus des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland e. V. (CJD) in Bonn das Seminar zum Thema „Arbeitstechniken und Zeitmanagement“ statt. Unter der Leitung des Dozenten Christof Dahms lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Techniken des effektiven Arbeitens kennen. Damit können sie nun sogenannte „Zeitfresser“ meiden, Arbeit besser planen und persönlich gesteckte Ziele leichter erreichen. Im Seminar ging es auch darum, wie zufrieden jeder einzelne im Leben ist, motiviert arbeiten und sich kleine realistische Ziele setzen kann, um später glücklich auf das eigene Leben zurückblicken zu können.

Mitte Juli versetzten sich die Teilnehmer des Seminars „Stil- und Farbberatung für den öffentlichen Auftritt“ in die Welt der Farben. Die Veranstaltung fand in der Sportschule Frankfurt am Main statt. Die Referentin Christiane Grübbel brachte Erfahrungen im Bereich Farbberatungen für blinde und sehbehinderte Menschen mit und hat mit sehr viel Gefühl die Farben präsentiert und erprobt. Jeder Teilnehmer erhielt eine persönliche Farbberatung. Dabei wurden unterschiedliche Stoffe, die alle anfassen konnten, ausprobiert. Interessant für alle Teilnehmer war die Erfahrung, wie unterschiedlich die Farbtypen sind und welche Farbkombinationen harmonisieren. Der zweite Schwerpunkt dieser Veranstaltung war der (Kleidungs-)Stil. In der Gruppe gab es beispielsweise jeweils einen rockigen, sportlichen, klassischen und extravaganten Typ. Bei zehn Teilnehmern zeigten sich dann aufgrund der Tipps zum Stiltyp, die die Wahl der Kleidung und entsprechender Accessoires betrafen, deutliche Unterschiede zwischen „Vorher“ und „Nachher“. Als Einkaufshilfe bekam jeder Teilnehmer einen kleinen Farbpass mit.

Im August ging es nach Hannover in das barrierefreie Tagungshaus der Sportakademie. Ein kleiner Kreis von acht Ehrenamtlichen befasste sich mit dem Thema „Pressearbeit für Selbsthilfeorganisationen“. Die Referentin Christina Denz, Journalistin, Korrespondentin und Seminarleiterin der Stiftung Mitarbeit, hatte viele praktische Übungen vorbereitet.

Zunächst befassten sich die Teilnehmer sowohl theoretisch als auch praktisch mit Pressetexten. Am zweiten Tag ging es darum, einen Text zu formulieren, mit dem gezielt eine bestimmte Persönlichkeit für eine Organisation begeistert werden kann. Diese Persönlichkeit wurde unter anderem mit Hilfe von Requisiten entwickelt. Zum Schluss beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Mitteln und Vorteilen einer Kampagne.

Mitte September verbrachten zehn Ehrenamtliche ihr gemeinsames Wochenende in Hannover, wieder in der Akademie des Sports. Diesmal handelte es sich um ein Coaching für blinde und sehbehinderte Menschen zum Thema Selbstpräsentation. Zusammen mit Ute Mölter, Leiterin des Reha-Beratungszentrums der blista (RES), befasste sich die Gruppe mit den Aspekten, wie präsentiere ich meine Fähigkeiten dem Gegenüber, wie bereite ich mich auf diese Präsentation vor und wie präsentiere ich meine Seheinschränkung mit dem Ziel, mein Gegenüber, das keine Erfahrungen in dem Bereich hat, positiv zu überzeugen? Die Theorie wurde durch die Videoaufnahme einer Bewerbung und einer Präsentation erprobt. Jeder Bewerber erhielt in einer ausführlichen Feedbackrunde Verbesserungstipps.

Im Oktober schloss die Ehrenamtsakademie das Seminarangebot für 2018 mit einem komplexen Thema ab: „Expertenwissen für Laien – was ist ein barrierefreies Dokument und nach welchen Kriterien kann ich es prüfen?“. Als Referent konnte der Experte auf diesem Gebiet, Oliver Nadig, Diplom-Psychologe und Rehabilitationslehrer des RES, gewonnen werden.

Die Teilnehmer lernten vieles über den Aufbau und die Anforderungen an barrierefreie Dokumente, die Umwandlung eines Dokuments in verschiedene Dateiformate und die Überprüfung der Barrierefreiheit. Darüber hinaus ging es darum, wie Barrieren in PDF-Dokumenten beseitigt werden können oder wie eine Vorlage gestaltet sein sollte, aus der verschiedene Medienformen - z. B. Brailleschrift, Großdruck oder DAISY - generiert werden können. Oliver Nadig stellte EDV-Programme wie RTFC, Max DAISY Player und Leganto vor. Im Laufe von zwei Tagen wurde ein Spektrum an Möglichkeiten gezeigt, barrierefreie Dokumente zu erstellen.

Wie der Rückblick zeigt, hat die Ehrenamtsakademie 2018 ein vielfältiges Angebot an Seminaren vorbereitet und realisiert, welches insgesamt auf großes Interesse gestoßen ist. Einige der bisherigen Themen werden 2019 wiederholt, neue werden möglicherweise hinzukommen. Über das aktuelle Angebot können sich Interessierte über die DVBS-Webseite, die DVBS-Seminarübersicht im horus oder durch einen Anruf in der DVBS-Geschäftsstelle informieren. Gerne senden wir Ihnen einen Flyer mit Terminen für das erste Halbjahr 2019 zu. Die DVBS-Ehrenamtsakademie freut sich über Ihre Lust am Lernen und den Austausch unter ehrenamtlich Aktiven in der Behindertenselbsthilfe.

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Christian Axnick, Dr. Katarzyna Kalka

DVBS-Seminarvorschau 2019

DVBS-Seminare

17.-20.1.2019: Seminar "Nicht sehend - nicht blind" mit drei Workshops zu berufsbezogenen Inhalten, Interessengruppe Sehbehinderte, Herrenberg

18.-19.1.2019: Tagung des Netzwerks zur Braillenotenschrift in Leipzig

1.-3.3.2019: Seminar für den musikalischen Nachwuchs, Fachgruppe Musik, Hannover

11.-14.4.2019: "Biografisches Theater - zurückblicken, um nach vorn zu schauen", Fortbildungsseminar der Fachgruppe Wirtschaft, Herrenberg

19.-22.9.2019: Fortbildungsseminar der FG Wirtschaft in Herrenberg, voraussichtlich „Reden und Präsentieren vor großen und kleinen Gruppen“

Aktualisierte Termine und Ausschreibungen zu allen Seminaren finden Sie auch immer auf der Homepage des DVBS in der Rubrik "Angebote/Seminare", weitere Informationen auch gerne telefonisch unter 06421 94888-0.

Ehrenamtsakademie

23./24.02.2019: „Mitglieder motivieren, aktivieren“, Hotel Stadt Baunatal

23./24.03.2019: „Stil– und Farbberatung für blinde und sehbehinderte Menschen bei öffentlichen Auftritten im Ehrenamt“, Sport- & Bildungsstätte Frankfurt

04./05.05.2019: „Selbstpräsentation - Coaching für blinde und Sehbehinderte Menschen“, Hotel Stadt Baunatal

11./12.05.2019: „Wie wirke ich auf Publikum? Gestik, Mimik, Körpersprache“, CVJM Tagungshaus Kassel

29./30.06.2019: „Arbeitstechniken und Zeitmanagement“, CVJM Tagungshaus Kassel

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Aus der blista

Amélie Schneider

blista-Seniorenberatung gewinnt den Hessischen Demografie-Preis 2018

Bereits seit 2012 möchte die blista mit ihrer Initiative „Rat und Hilfe bei Sehverlust –Wir besuchen Seniorinnen und Senioren mit dem SEHmobil in ihrem Zuhause“ älteren Menschen mit Seheinschränkungen Mut machen, ein weiterhin selbstbestimmtes Leben in ihrem gewohnten Umfeld zu führen. Dazu bieten wir kostenfreie Hausbesuche an. Mit dem SEHmobil, einem Kleinbus voller Hilfsmittel, fährt der Seniorenberater Bernd Wilhelm hinaus ins Marburger Umland; die Wohnorte der Klientinnen und Klienten erstrecken sich bis zu einem Umkreis von 60 km. Dank des SEHmobils können die Ratsuchenden viele Alltagshelfer und Sehhilfen zu Hause ausprobieren. Auch Freizeitgestaltung und Kontakte zu Selbsthilfegruppen sind Thema. Oft kennen die Personen die medizinischen Aspekte der eingetretenen Behinderung nicht richtig. Neben Erläuterungen enthalten die Gespräche einen hohen Anteil psychosozialer Beratung; die persönliche Zuwendung empfinden die Seniorinnen und Senioren als sehr positiv. Die Seniorenberatung hat bereits über 472 Personen besucht. Zwei Drittel der Ratsuchenden leben im ländlichen Umfeld und kämpfen mit erheblichen Mobilitätsbarrieren und infrastrukturellen Mängeln. Eine Studie der Philipps-Universität Marburg ergab, dass sich die Beratung auf die Lebensqualität in den Bereichen Aktivität, Freizeit und Mobilität auswirkt. Die blista-Seniorenberatung leistet einen wirksamen Beitrag für den Erhalt der Autonomie von Seniorinnen und Senioren. Seit 2013 bereits wird das Engagement aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen finanziert, da es aufgrund einer fehlenden belastbaren Gesetzesgrundlage nicht möglich ist, Kostenträger für eine regelhafte Förderung zu gewinnen.

Mit der Auslobung des Hessischen Demografie-Preises durch die Hessische Staatskanzlei im Februar 2018 erhofften wir uns eine Chance, der Seniorenberatung ein Preisgeld und öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Preis wurde zum Motto „Wo Ideen Freiraum haben! Leben auf dem Land“ in sieben Kategorien ausgeschrieben und fragte u. a. nach Ansätzen, die es älteren Menschen ermöglichen, lange und selbstbestimmt im vertrauten Umfeld zu leben.

Zwei Runden – zwei Hürden

Das Bewerbungsverfahren war in zwei Runden unterteilt. Zunächst wurden über 90 schriftliche Bewerbungen ausgewertet und sechs Projekte nominiert. Es hat uns unglaublich gefreut, dass wir diese Hürde nehmen konnten. Wir erhielten daraufhin Besuch von Staatsminister Wintermeyer, dem Chef der Hessischen Staatskanzlei. Man hatte uns gebeten, das Besuchsprogramm mit Leichtigkeit zu gestalten. In einer blista-Wohngruppe fand bald darauf ein großes Kaffeekränzchen statt. Staatsminister Wintermeyer, drei Seniorinnen aus Marburg und Stadtallendorf, der mittelhessische Regionalbeauftragte Herr Scherf, der Marburger Bürgermeister Stötzel, der Erste Kreisbeigeordnete Zachow, die blista-Vorsitzenden Herr Duncker und Herr Nagel sowie Frau Arnold, eine Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte, tauschten bei Kaffee und Kuchen mit und ohne Simulationsbrillen Erfahrungen aus, führten sprechende Waagen und Markierungspunkte vor und begutachteten gemeinsam den reichhaltigen Inhalt des SEHmobils. Es war ein erlebnisreicher Nachmittag und wir gingen mit positiver Energie in die zweite Runde.

Die Jury erwartet uns!

Im August sollten wir die Seniorenberatung vor der Jury in Wiesbaden vorstellen. Frau Pfeifer und Frau Hirsch, die Herrn Wilhelm und mich unterstützten, machten sich sogleich an die ersten Ideen. Frau Pfeifer, Jahrgang 1930, schlug vor, die Vielfalt an Hilfsmitteln anhand eines Tagesablaufes zu demonstrieren. Frau Hirsch, Jahrgang 1956, ergänzte um eine Szene, in der sich die beiden Seniorinnen im Café über den Besuch von Herrn Wilhelm unterhielten. Dieser sollte zum Abschluss noch die professionelle Perspektive auf sein Arbeitsfeld zum Besten geben. Nun trafen wir uns zur Generalprobe und zum Mittagessen, telefonierten ab und an, um Details zu vertiefen und wuchsen in gemeinsamer Vorfreude zu einem kleinen Team zusammen.

Am 9. August fuhren wir dann im SEHmobil nach Wiesbaden, standen eine Stunde im Stadtstau, es schüttete wie aus Eimern, das vermeintlich nahe Parkhaus war einen längeren Fußmarsch von der Staatskanzlei entfernt, unterdessen durften wir noch eine Verhaftung auf offener Straße erleben… und wir schafften es erschöpft, aber noch rechtzeitig zur Präsentation. Der Stress der Anreise war verflogen, als wir den Saal betraten und der fast 20-köpfigen Jury gegenüberstanden. Wir begannen mit unserem kleinen Schauspiel und wichen im Laufe der Präsentation charmant immer mehr vom Skript ab. Frau Hirsch und Frau Pfeifer erwiesen sich als mitreißende Improvisationstalente und so konnten wir die Jury im Anschluss an unsere 15 Minuten Präsentationszeit sogar noch für einige Fragen gewinnen. Ein gutes Zeichen?!

Zufrieden stiegen wir wieder ins SEHmobil und verbrachten eine redselige Heimreise; die beiden Seniorinnen ließen uns an vielen Erfahrungen aus ihren Leben teilhaben. Haben Sie gewusst, dass man im rollenden Hotel durch Japan reisen kann? Schon beinahe zu Hause angekommen, klingelte das Handy: Wir waren unter den ersten drei Preisträgern! Frau Schüfer, Referentin in der Staatskanzlei, die uns während des Bewerbungsprozesses hilfreich zur Seite stand, berichtete, dass die Jurymitglieder von den ehrlichen Schilderungen der Seniorinnen darüber, was ein Sehverlust im Alter bedeute, beeindruckt waren; die Jurorinnen und Juroren wünschten sich allesamt einen „Herrn Wilhelm“ für ihre Gemeinden. Die Freude war riesig. Welchen Platz genau wir erzielt hatten, sollten wir jedoch erst bei der Preisverleihung erfahren.

Die Preisverleihung

Am Tag vor der Preisverleihung kündigte sich unerwartet der Hessische Rundfunk an, um am gleichen Tag noch einen Fernsehbeitrag für die Hessenschau zu drehen. Frau Pfeifer fand sich schon wenige Stunden später in ihrer Wohnung vor der Kamera wieder, Herr Wilhelm fuhr mit Filmteam und SEHmobil durch Marburg und Herr Nagel gab ein Interview … ein weiteres Zeichen?!

Gemeinsam mit Herrn Duncker und Herrn Nagel besuchten wir am 6. September 2018 die Preisverleihung in der Hessischen Staatskanzlei. Der Preis wurde vom Ministerpräsidenten Bouffier übergeben, was eine große mediale Aufmerksamkeit mit sich brachte. Frau Hirsch war besonders aufgeregt, da sie sich bereits seit Wochen darauf freute, Herrn Bouffier persönlich zu treffen. Nach kurzweiligen Wortbeiträgen und der Rede des Ministerpräsidenten sollten die Umschläge geöffnet werden. Der dritte Platz ging an die Sportjugend im Werra-Meißner-Kreis und ihren „Sportpass“. Die evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck erhielt die zweite Auszeichnung für das Online-Angebot „Unser Dorf: Wir bleiben hier". Nachdem die beiden tollen Projekte verdient gewürdigt wurden, war es klar: Die blista hat den ersten Platz erreicht! Es folgten freudestrahlende Gesichter auf den obligatorischen Fotos und für Herrn Wilhelm und die blista-Vorsitzenden einige Presseinterviews und Gespräche mit politischen Vertretern. Frau Pfeifer und Frau Hirsch verarbeiteten ihre Freude bei einem leckeren Imbiss, bevor sich Herr Nagel und Herr Duncker mit dem Scheck über 10.000€ auf die Heimreise und unser kleines Team sich in die Innenstadt Wiesbadens begab, um bei einem Eisbecher den Erfolg noch etwas zu feiern. Das hatten sich vor allem Frau Hirsch und Frau Pfeifer verdient. Ohne ihren tatkräftigen und herzlichen Einsatz wäre dieser Gewinn wohl nicht möglich gewesen!

Foto 1: Eine große Runde: Der blista-Vorstand und Marburger Seniorinnen empfangen die politischen Vertreter des Landes Hessen, des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Universitätsstadt Marburg. Foto: blista

Foto 2: Frau Pfeifer, Staatsminister Wintermeyer und der Regionalbeauftragte für Mittelhessen Scherf (v.l.n.r.). Wintermeyer und Scherf tragen am Kaffeetisch Simulationsbrillen. Foto: blista

Foto 3: Preisverleihung: Birgit Imelli, Staatsminister Wintermeyer, Bernd Wilhelm, Amélie Schneider, Christa Pfeifer, Ministerpräsident Bouffier, Claus Duncker, Jürgen Nagel, Linda Hirsch (v.l.n.r.). Foto: blista

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Dr. Imke Troltenier

Zertifikatskurs mit bestem Erfolg absolviert

Am 14. September wurde in der „Lern- und Forschungswerkstatt“ des Fachbereichs Erziehungswissenschaften gefeiert. Der vierte Durchgang des Zertifikatskurses „Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung“ an der Philipps-Universität Marburg fand seinen gelungenen Abschluss.

„Herzlichen Glückwunsch! Alle 13 Teilnehmenden“, so stellte Professor Eckhard Rohrmann heraus, „haben den Abschluss sehr erfolgreich absolviert. Sie haben interessante Aspekte mitgenommen, die sicherlich zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit beitragen werden – Ihrer und der Menschen, mit denen Sie arbeiten.“

„Ein spannendes Jahr liegt hinter uns“, bestätigte Dr. Sabine Lauber-Pohle und hielt mit ihrem großen Lob in Richtung der Absolventinnen und Absolventen nicht hinterm Berg: „Sie haben in diesem vierten Durchgang im Vergleich mit Ihren Vorgängern die mit Abstand besten Leistungen erzielt.“ Sie gratulierte den Absolventinnen und Absolventen und wünschte mit der erworbenen Fachexpertise für die nächsten beruflichen Etappen viel Glück und Erfolg. Der stellvertretende Direktor der blista, Jürgen Nagel, verwies auf die zentrale Bedeutung des berufsbegleitenden Qualifizierungsangebots:

„Das ist ein schöner Abend. Die blista ist stolz auf diese gemeinsame Veranstaltung in Kooperation mit der Philipps-Universität. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels im Bereich der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation hat der Zertifikatskurs für uns einen besonders hohen Stellenwert.“

Die Absolventinnen und Absolventen gaben das Lob gern zurück. Das erworbene Wissen und die gemeinsame Reflexion werden den beruflichen Alltag bereichern. Für die nette Zusammenarbeit und die „supergute Unterstützung“ bedankten sie sich mit einem imposanten Präsentkorb mit Spezialitäten aus ihren unterschiedlichen Herkunftsregionen.

Den Zertifikatskurs erfolgreich abgeschlossen haben: Conni Eff (Blindeninstitut Schmalkalden), Oliver Decker (blista), Simone Dengel (Nikolauspflege Heidenheim), Nadja Gehre (SPZ Chemnitz), Nadine Hechler (Nikolauspflege Stuttgart), Laura Jäger (blista), Christine Jenß (ÜPZ Sehen Neukloster), Regina Kaiser (CDV Luxemburg), Alisa Lerch (Blindeninstitut Rückersdorf), Andreas Nerling (Soest), Astrid Scheuß (Mediclin Reha am Hahnberg), Verena Schreiner (Blindeninstitut Rückersdorf), Karin Ulrich (Nikolauspflege Stuttgart), Selina Wiedermann (Nikolauspflege Stuttgart).

Foto: Die Absolventinnen und Absolventen des Zertifikatskurses. Foto: blista

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Dr. Imke Troltenier

Jetzt auch in der Region Rhein-Main:
„blista Frankfurt“ feiert Eröffnung

“Liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren, wir heißen Sie ganz herzlich willkommen und freuen uns sehr, dass Sie unserer Einladung zur Eröffnung unseres neuen Standorts ‚blista Frankfurt‘ gefolgt sind“, begrüßte der stellvertretende Direktor der blista, Jürgen Nagel, die zahlreichen Gäste vonseiten der Stadt Frankfurt, der Agentur für Arbeit, der Kostenträger, Integrationsämter und der Interessierten aus den unterschiedlichen Organisationen der Selbsthilfe.

„Mit ‚blista Frankfurt‘ möchten wir die Angebote zur beruflichen Integration und Teilhabe für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen auch in der Rhein-Main-Region erreichbar machen“, betonte Jürgen Nagel und führte weiterhin aus: „In enger Zusammenarbeit mit der blista in Marburg geht es um Beratungsangebote zur beruflichen Orientierung, um Begleitung und Unterstützung in Ausbildung, Praktikum, Studium und Beruf. Wichtige Themen sind dabei die Beratung und Schulung in den Bereichen EDV und elektronische Hilfsmittel, die Low Vision-Beratung und die Unterstützung blinder und sehbehinderter Menschen beim Einstieg bzw. Wiedereinstieg in Beruf und Karriere. Hier in der Börsenstraße sind wir dafür am richtigen Ort, im Herzen der Rhein-Main-Region, zentral in Frankfurt – unter einem Dach mit guten Partnern.“

Auch Klaus Meyer, Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenbundes in Hessen e.V. (BSBH), gab in seinem Grußwort der Freude über den gemeinsamen Standort Ausdruck. „Herzlich willkommen in der Börsenstraße, herzlich willkommen zum Tag des weißen Stocks! Dass wir hier die Kräfte dreier Einrichtungen bündeln und uns mit der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) und dem Berufsförderungswerk Würzburg (BFW) zu dritt für die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen einsetzen können, ist großartig. Als ehemaliger Blistaner und Mitglied im Aufsichtsrat des BFW freut mich die breite Palette der Angebote, die Menschen mit Seheinschränkungen hier nun unter einem Dach finden, besonders.“

Die rund 50 Gäste informierten sich im Anschluss in den neu eingerichteten Räumlichkeiten über die Angebote von „blista Frankfurt“, ließen sich einen blindengerechten Arbeitsplatz erläutern und die Möglichkeiten elektronischer Lupen demonstrieren, sie diskutierten über die Notwendigkeit digitaler Barrierefreiheit und netzwerkten in angeregten Gesprächen.

blista Frankfurt. Reha-Beratungs- und Schulungszentrum

Börsenstraße 14 / Ecke Hochstraße, 60313 Frankfurt
Tel.: 069 40356135, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die Terminvergabe für die Low Vision-Beratung erfolgt durch den Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e.V. (BSBH) und Blickpunkt Auge.

Logo: blista

Logo: Blickpunkt Auge

Foto: v.l.n.r.: Klaus Mayer, BSBH-Geschäfts führer; Jürgen Nagel, stellv. Direktor der blista; Bruno Kuhn, Case Manager beim BFW; Susanne Patze, blista-Beraterin für berufliche Teilhabe. Foto: blista

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Thorsten Büchner

Bildung integriert, Wohnen verbindet

blista weiht neue, inklusive Appartements ein

Lebendige Standbilder der blista-Theatergruppe „Nachtsicht“ wiesen den rund 60 Gästen am Samstag, 8. September 2018, den Weg hinauf auf die Dachterrasse des neuen blista-Gebäudes „Am Schlag 11“. Bei sommerlichen Temperaturen und sanften Jazzklängen wurden insgesamt 20 Wohnungen und mehrere Schulungs-, Seminar- und Gemeinschaftsräume ihrer Bestimmung übergeben.

blista-Direktor Claus Duncker freute sich bei seiner Begrüßung über die Fertigstellung der inklusiven Appartements. Das Gebäude, in dem Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung gemeinsam mit sehenden Studierenden und Auszubildenden wohnen, „setzt das Bestreben der blista nach gleichberechtigter und selbstverständlicher Teilhabe auf ideale Weise um“, so Duncker.

Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies hob in seinem Grußwort die jahrhundertelange, soziale Tradition der Universitätsstadt an der Lahn hervor und verwies dabei besonders auf die Erfolge der blista. „Die blista ist seit über 100 Jahren fester Bestandteil Marburgs. Sie verharrt nicht im Erreichten, sondern ist stets an der Spitze der Bewegung, um neue, innovative Konzepte, wie dieses schöne Gebäude, auszuprobieren.“ Das Stadtoberhaupt wünschte sich eine Zukunft, bei der „Inklusion und Teilhabe so selbstverständlich ist, dass man die dazugehörigen Wörter nicht mehr braucht.“

Karin Szeder, die für den Landkreis Marburg-Biedenkopf gekommen war, verdeutlichte am Motto der kleinen Feierstunde: „Bildung integriert, Wohnen verbindet“ die Bedeutung des gemeinsamen Wohnens für das harmonische Miteinander auf Augenhöhe. Szeder war von der Vielfalt der Bewohnerschaft beeindruckt: „Hier leben volljährige blista-Schülerinnen und -Schüler, blinde und sehbehinderte Auszubildende im IT-Bereich, Studierende mit und ohne Sehbeeinträchtigung zusammen unter einem Dach. Dazu kommen noch Menschen, die mitten im Leben eine Sehverschlechterung erleiden und hier an der blista eine blindentechnische Grundrehabilitation absolvieren, und Auszubildende, die an der staatlich anerkannten „‚Fachschule für Fachkräfte der Blinden- und Sehbehindertenrehabilitation‘ lernen. Das nenne ich wirklich ein tolles Konzept!“

Karsten Schmidt vom ausführenden Architekturbüro „Schmidt+Strack“ beschrieb den „mitunter steinigen“ Weg der Bauarbeiten, bedankte sich bei den Nachbarn für ihre Geduld und beschrieb, wie sich der Gebäudekomplex in seiner mehrstufigen Bauweise der topographischen Lage anpasst. Die „Stiftung Deutsche Blindenstudienanstalt“ wurde von ihrem Vorsitzenden, Stephan Peters, vertreten. Er verknüpfte seine Ausführungen und Wünsche für die Zukunft mit seinen Erlebnissen vom Vortag, während der beeindruckenden Großkundgebung auf dem Marburger Marktplatz gegen Rechtsextremismus: „Zusammenhalt macht stark! Das passt auch hier und heute für uns.“

Zum Abschluss übergaben Karsten Schmidt und Bauherr Peters symbolisch die Schlüssel des neuen Gebäudes an Claus Duncker, der sich bei allen Beteiligten am Bauprozess bedankte.

Gern nutzten anschließend viele Gäste die angebotenen Führungen, um Einblicke in die barrierearmen Appartements und die Schulungsräume zu werfen. Andere stürzten sich ins bunte Getümmel des blista-Sommerfests und genossen bei traumhaftem Wetter die unterschiedlichsten Mitmachangebote und Präsentationen auf dem blista-Campus.

Foto: v.l.n.r.: OB Thomas Spies, Karin Szeder, blista-Direktor Claus Duncker, Karsten Schmidt (Schmidt+Strack), Stephan Peters (Stiftung Deutsche Blindenstudienanstalt)

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Impressum

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: Uwe Boysen, Andrea Katemann, Mirien Carvalho Rodrigues und Juliane Taubner
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck ‑ auch auszugsweise ‑ nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)

Erscheinungsweise

Der „horus“ erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und digital (wahlweise auf einer CD-ROM oder als Download-Link). Die digitale Ausgabe enthält die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version sowie die Braille-, RTF- und PDF-Dateien.

Jahresbezugspreis

  • 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
  • 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonto des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf

IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80

BIC: HELADEF1MAR

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389

  • Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
  • Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
  • Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen

Die Herausgabe der Zeitschrift „horus“ wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der „Glücksspirale“ unterstützt.

Logo: Glücksspirale

horus 4/2018, Jg. 83 der Schwarzschriftausgabe

Titelbild: Globalisierung. Das ICC 2019: Eine Luftaufnahme aller Teilnehmer aus 17 Ländern, die an der Uferpromenade Zadars, Kroatien, das Logo und Schriftbild des ICCroatia bilden. Foto: STRIKOMAN.

Nächste Ausgabe (horus 1/2019)

Schwerpunktthema:                    „Durch den Gesundheitsdschungel“

Erscheinungstermin:                   25. Februar 2019

Anzeigenannahmeschluss:         25. Januar 2019

Redaktionsschluss:                     07. Januar 2017

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Non-24.de: Eine zyklische Schlaf-Wach-Rhythmusstörung bei völlig blinden Menschen

Sind Sie völlig blind? Fühlen Sie sich oft nicht fit und unkonzentriert? Schlafen Sie nachts schlecht und sind tagsüber sehr müde?

Die Ursache: Ihre innere Uhr

Jeder Mensch besitzt eine innere Uhr. Der wichtigste Taktgeber ist das Tageslicht. Es setzt die innere Uhr immer wieder auf exakt 24 Stunden zurück. Völlig blinden Menschen fehlt die Lichtwahrnehmung, deshalb kann es dazu kommen, dass der Körper nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden kann. Diese Menschen leiden an der Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Rhythmusstörung, kurz Non-24.

Wie äußert sich Non-24? Betroffenen fällt es phasenweise sehr schwer, sich tagsüber wachzuhalten und zu konzentrieren. Nachts hingegen signalisiert der Körper oftmals kein Schlafbedürfnis.

Werden Sie aktiv: Ein Termin bei einem Arzt ist der nächste Schritt.

Rufen Sie das Team des Non-24 Service an. Die erfahrenen Mitarbeiter finden den richtigen ärztlichen Ansprechpartner in Ihrer Nähe und beantworten Ihre indivi- duellen Fragen. Sie sind rund um die Uhr erreichbar unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 24 321 05 oder per E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Dies ist ein Service der Firma Vanda Pharmaceuticals Germany GmbH.

SynPhon

Das Arbeitstier EinkaufsFuchs

Herausforderungen im Beruf werden leicht mit dem Produkterkenner,

Abermillionen Produkte, die in vielen Berufen zum Einsatz kommen, erkennt der Einkaufs-Fuchs bereits mit einem Pieps - vom Kopierpapier bis zum Sprühkleber. Damit geht Ihnen die Arbeitsorganisation ganz schön leicht von der Hand. Ein Alleskönner ist der Einkaufs-Fuchs wenn es darum geht, einen Arbeitsplatz perfekt zu organisieren oder die Ablage übersichtlich zu halten. Dank des Systems aus aufklebbaren Strichcodes und zuordenbaren Sprachinformationen lässt sich jede noch so anspruchsvolle berufliche Ordnungsaufgabe sicher meistern. Das handliche Hilfsmittel liest dann mit einem Pieps klar und deutlich die Informationen vor, die Sie zuvor per Strichcode erfasst haben.

Er ist im Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen gelistet.

SynPhon - Elektronische Hilfen für Sehgeschädigte GmbH, Im Steinig 6, 76703 Kraichtal, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Telefon 07250 929555, www.synphon.de

RTB

RTB: Sie gibt den Ton an. Wir auch!

Akustik für Lichtzeichenanlagen

RTB, www.rtb-bl.de, RTB GmbH & Co. KG, Tel. 0049 (0)5252 9706-0

Bildbeschreibung Das Foto zeigt eine singende junge Frau mit rotbraunen langen Haaren. Sie trägt eine schwarze Lederjacke und hält ein Mikrofon in der Hand. Links im Vordergrund steht ein Scheinwerfer, am rechten Bildrand ist die Box der Lichtzeichenanlage zu sehen.

blista

Orientierungswochen an der blista!

Gymnasiale und berufliche Bildung an der Carl-Strehl-Schule, anerkannte IT-Ausbildungen und vieles mehr. Wir laden sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler wieder herzlich dazu ein, sich mit dem Leben und Lernen an der blista vertraut zu machen.

Orientierungswochen für Schülerinnen, Schüler

  • Zielklassen 5 und 6: Mo, 28.01. – Do, 31.01.2019 (Anreise: So, 27.01.)
  • Zielklassen 7 bis 10: Mo, 11.02. – Fr, 15.02.2019 (Anreise: So, 10.02.)
  • Zielklassen 11 AG/BG: Mo, 18.02. – Fr, 22.02.2019 (Anreise: So, 17.02.)
  • Zielklassen 11 AG/BG und berufliche Schulzweige: Mo, 11.03. – Fr, 15.03.2019 (Anreise: 10.03.)
  • Nachzügler: Mo, 13.05. - Do, 16.05.2019 (Anreise: 12.05.)

Duale IT-Ausbildung oder -Umschulung mit IHK-Abschluss

Das Zentrum für berufliche Bildung, unser Ausbildungsbetrieb, bietet Ausbildungen und Umschulungen in zukunftssicheren und nachgefragten Berufen an: Informatikkaufmann/-frau, Fachinformatiker/in für Anwendungsentwicklung, Fachinformatiker/in für Systemintegration, Orientierungswoche: Mo, 28.01 - 02.02.2019 (Anreise 27.01.).

Sprechen Sie uns an, wir informieren Sie gern näher!

Infos, Kontakt und Anmeldung: Ihre Ansprechpartnerin für ein persönliches Info- und Beratungsgespräch ist Barbara Krönert-Ritz, Tel.: 06421 606-339, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Für Infos zu den IT-Ausbildungen: Herr Altfeld, Tel. 06421 12139, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

www.blista.de

Bundesweites Kompetenzzentrum für Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung

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