Von Christian Axnick (1)
Am 13. Juni 2023 wurde das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts verkündet, das am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Vorgesehen sind unter anderem die Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe und die Konzentration der Mittel aus der Ausgleichsabgabe auf die Förderung der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Daneben findet sich in Artikel 2 eine unscheinbare Formulierung, mit der die Möglichkeit, ein Bußgeld im Falle vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen zu verhängen, abgeschafft wird.
Unscheinbare Änderungen können weitreichende Folgen haben. Das lässt bereits die Begründung für diese Streichung befürchten:
„Wenn die Arbeitgeber, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, künftig eine erhöhte Ausgleichsabgabe zahlen müssen, hält es die Regierung für nicht mehr angemessen, die Nichtbeschäftigung zusätzlich mit einem Bußgeld zu sanktionieren.“
Das ist eine Vermischung zweier grundsätzlich verschiedener Dinge: Das Bußgeld ist eine Sanktion – etwas, das die Ausgleichsabgabe gerade nicht ist.
Wenn die Sanktion gestrichen wird, weil die Ausgleichsabgabe steigt, wird dem – oft gewollten – Missverständnis Vorschub geleistet, wonach die Zahlung der Ausgleichsabgabe von der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen befreie.
Der Versuch, die bisherige Durchführung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens wirkungsvoll zu gestalten, wurde unterlassen. Statt wie bisher die Bundesagentur für Arbeit mit dieser Aufgabe zu betrauen, wäre sie besser beim Zoll angesiedelt worden. Erst wenn auf diese Weise Erfahrungen gesammelt worden wären, hätte man beurteilen können, ob die Bußgeldregelung tatsächlich so nutzlos ist, wie behauptet wurde – oder nicht vielmehr bei angemessener Durchführung Wirkung zeigt.
Es mag zunächst nicht auffallen, aber die so begründete Streichung der Bußgeldregelung legitimiert das Missverständnis vom Freikauf von der Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Menschen durch die Ausgleichsabgabe. Das wird den inklusiven Arbeitsmarkt gerade nicht fördern.
Woran liegt es, dass wir trotz des Engagements einzelner Unternehmen zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in diesem Bereich mit einem strukturellen Stillstand konfrontiert sind? Möglicherweise spielen unscheinbare Klauseln wie diese dabei eine Rolle.
Anmerkung
(1) Der Autor ist Mitarbeiter des DVBS-Projekts agnes@work. Der Text stammt aus: Infobrief: Unterstützung für die erfolgreiche Interessenvertretung sehbeeinträchtigter Menschen Nr. 1/2023, Juli 2023 (siehe https://www.agnes-at-work.de/aktuelles/infobriefe/sbv-infobrief-1-2023/). Das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes wurde im Bundesgesetzblatt Nr. 146 vom 13.06.2023 veröffentlicht, siehe https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/146/VO.html