Elias Knell ist seit dem 1. Juli 2023 Geschäftsführer des DVBS. In horus 3/2023 stellte er sich kurz den Lesern vor, in dieser Ausgabe gibt er im Interview mit Peter Beck Auskunft über seine Arbeit und den Verein.
Beck: Beim Rundfunk, von dem ich beruflich herkomme, gab es gelegentlich die Frage: „Was macht eigentlich ein Sendeleiter“; und meist wurde darauf mit der Gegenfrage geantwortet „Was macht eigentlich ein Zitronenfalter“. Drum frage ich Sie: Was macht eigentlich ein Geschäftsführer den ganzen Tag?
Knell: Das ist irgendwo zwischen Entscheider und Mädchen für alles. Ich versuche meine Rolle so zu interpretieren, dass ich für das Ehrenamt und die Vereinsmitglieder alle Prozesse und Organisationsfragen im Hintergrund löse und mit den Mitarbeitern organisiere. Dann können sich die Mitglieder auf das konzentrieren, warum sie im Verein sind, nämlich um ihre eigenen Interessen zu artikulieren, gemeinsam zu finden und sich auf einem Weg zu einer barrierefreien Gesellschaft gemeinsam zu organisieren und ihre Interessen dann auch durchzusetzen.
Was heißt das in der Tagespraxis?
Das heißt in der Tagespraxis zum Beispiel heute, dass ich mich mit dem Rundfunk-Beitragsservice auseinandersetze, ob wir als Verein nicht weniger Rundfunkbeitrag bezahlen können. Insgesamt geht das von den großen Themen wie Personalführung, Kontakte mit der Berufsgenossenschaft, bis zur Buchhaltung, dem Jahresabschluss und der Kommunikation mit dem Steuerbüro.
Was hat Sie denn gereizt, vom Landeswohlfahrtsverband zu einem relativ kleinen Verein zu wechseln?
Tatsächlich war die Größe ausschlaggebend, weil es für den Einzelnen in einer so großen Organisation schwierig ist, etwas umzusetzen. Und diese behördliche und schwerfällige Struktur wollte ich in meinem Arbeitsumfeld nicht mehr haben und habe deshalb nach was Kleinerem gesucht, wo ich selbst in Verantwortung gehen kann und flexibler bin – das war eine ganz bewusste Entscheidung.
Wo steht der DVBS gerade: Wie viele Mitglieder hat er, wie ist die Altersstruktur und wie verteilt sich das auf die Fachdisziplinen?
Derzeit hat der DVBS rund 1350 Mitglieder. Davon sind etwa 700 berufstätig, 200 im Ruhestand, 200 im Studium oder in einer Ausbildung und rund 100 arbeitssuchend. Bei den Bezirksgruppen sind die größten Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Was vielleicht auch noch interessant ist: Rund 700 Mitglieder sind blind, 400 sind hochgradig sehbehindert, 200 sind sehbehindert. Neben der Regionalstruktur gibt es verschiedene Interessen-, Fach- und Projektgruppen, in denen man sich organisieren kann. Zum Beispiel „Soziale Berufe und Psychologie“, „Jura“ und Naturwissenschaft. Erst jüngst hat die Fachgruppe MINT sich mit barrierefreien Computerspielen auseinandergesetzt.
Sie sind jetzt (beim Erscheinen des Interviews) fünf Monate beim DVBS, wo steht der Verein heute?
Ich denke, dass der Verein eine gute Zukunft hat; und ich denke, dass, wenn das Interview erscheint, wir einige Prozesse, die in der Vergangenheit nicht gut gelaufen sind, abgeschlossen haben und dass wir uns nach und nach wieder auf den Weg machen können, eine gut laufende Geschäftsstelle zu haben, die dann auch die Vereinsaktivitäten noch besser unterstützt. Das ist das Ziel, das ich derzeit vor Augen habe.
Als normales Mitglied ist mir aufgefallen, dass es im Verein rumpelt. Es wurde aber nie richtig klar, was los ist, und ich hatte den Eindruck, wer viel fragt, bekommt umso weniger Antworten.
Da ich erst kurz dabei bin, kann ich mich mangels Kenntnis nicht so klar äußern, wie’s in der Vergangenheit im Verein war, ich kann aber sagen, dass wir einige Hausaufgaben zu machen haben.
Und konkreter möchten Sie da nicht werden?
Zum Beispiel die Frage der Einziehung der Mitgliedsbeiträge, die wir für 2023 noch nicht gemacht haben, und die wir gerade finalisieren.
Und da gab es unklare Betriebsabläufe, oder was ist schiefgelaufen?
Ich denke, es war ein Mix aus Personalfluktuation, Corona und ungeklärten Zuständigkeiten und der Wechsel des Steuerbüros. Es ist also nicht das eine Problem, das dazu geführt hat.
Haben Sie vor, die Arbeit des Vereins, was Vorstand und Geschäftsführung betrifft, für die Mitglieder transparenter und nachvollziehbarer zu machen, oder ist das nicht auf Ihrer Agenda?
Doch, auf jeden Fall. Als Mitglied in Vereinen und als Vorstand in anderen Vereinen weiß ich, wie wichtig es ist, mit den Mitgliedern zu kommunizieren und auch Angebote für die Mitglieder zu schaffen, so dass jetzt eins der vordringlichen Projekte ist, die Webseite des Vereins neu aufzusetzen, eine Informations- und Kommunikationsplattform für die Mitglieder anzubieten, die auch zeitgemäß ist.
Was ist daran nicht zeitgemäß?
Zum Beispiel die Art, wie wir auf der Seite Spenden einwerben.
Wie sehen Sie die Aufgaben des Vereins in den nächsten fünf Jahren?
Wir sollten die guten Aktivitäten beibehalten und ausbauen, wir sollten insbesondere im Bereich der barrierefreien Webseiten unsere Kompetenzen stärken, das wird für Unternehmen und damit Arbeitgeber in den nächsten Jahren zunehmend interessant, hier sollten wir die Beratungsleistung für Mitglieder und Berufstätige ausweiten. Ich persönlich würde mir wünschen, dass sich der DVBS in den nächsten fünf Jahren wieder öfter politisch Gehör verschafft.
Was macht der Verein im Augenblick außer agnes@work?
Der Verein lebt natürlich in seinen Bezirksgruppen und Fachgruppen, darüber hinaus läuft das TriTeam Mentoringprogramm, was auch in jedem Fall fortgesetzt werden soll, und sonst ist das agnes-Projekt in seiner Schlussphase, da sichern wir gerade die Ergebnisse, damit sie im Verein weiter angeboten werden können. Weiterhin sind wir dabei, die BITV-Prüfungen im Angebot des Vereins zu halten.
Was ist bei agnes konkret herausgekommen?
Gut handhabbar und vorzeigbar sind die beiden Quick Guides, wie man barrierefreie Word-Dokumente und PowerPoint-Folien erstellt. In den wenigen Monaten, in denen ich dabei bin, habe ich da viel positive Resonanz erhalten, sowohl beim VBS-Kongress in Marburg als auch wenn ich die Dokumente an Privatleute weitergereicht habe. Ein Quick Guide zu Excel und eine Handreichung zu barrierefreiem PDF sind in Arbeit, möglicherweise sind sie schon verfügbar, wenn unser Interview erscheint. Außerdem sind Handreichungen zur Weiterbildungsberatung und E-Learning-Module entstanden. Dabei wird eine Reihe von Themen im Bereich der Barrierefreiheit behandelt.
Stehen die auf Ihrer Seite?
Die stehen auf der Website agnes-at-work.de und werden natürlich auch nach Projektende noch zur Verfügung stehen.
Sehen Sie den DVBS als politischen Lobbyisten?
Politischer Lobbyist hat so eine negative Konnotation. Ich sehe die Aufgabe der Geschäftsführung darin, den Vorstand zu unterstützen, sich politisch artikulieren zu können. Am Ende geht es ja um Fragen der Gesetzgebung, die neben einer sozialen und gesellschaftlichen Sensibilisierung auch relevant sind. Ein Beispiel sind die Landesblindengelder, bei denen es für einen Selbsthilfeverein angemessen ist, sich in politischen Netzwerken zu artikulieren. Da sehe ich mich aber nicht als Person im Vordergrund, da bin ich eher Zuarbeiter.
Funktioniert das von Marburg aus gut, Berlin ist weit?
Das halte ich für kein Hindernis. Erstens ist Berlin gut zu erreichen und zweitens sind wir eine Bundesrepublik und keine Zentralrepublik, und viele andere Interessenverbände haben ihre Geschäftsstellen auch verteilt. Aber natürlich muss man dann auch in Berlin mal präsent sein bei Veranstaltungen oder Gesprächen.
Ist es noch zeitgemäß, in Berlin mit verschiedenen Stimmen zu sprechen, oder sollte die politische Arbeit mit dem DBSV zusammengelegt werden?
Ich würde grundsätzlich sagen, dass es sinnvoll ist, mit verschiedenen Stimmen zu sprechen. Die Verbändelandschaft in Deutschland ist korporativ geprägt. Es macht gar nichts, wenn zwei, drei oder mehr Verbände das gleiche Thema ansprechen; das erhöht nur die Schlagkraft im Thema. Es ist sinnvoll, sich abzustimmen, das macht man ja mit dem DBSV und mit anderen Verbänden auch, so dass man da die gute Kooperation beibehalten sollte.
Nennen Sie mir bitte fünf Gründe, warum ein Unentschlossener in den DVBS eintreten sollte.
- Man trifft auf Gleichgesinnte.
- Man kann vom Erfahrungsschatz der verschiedenen Mitglieder profitieren.
- Man kann ein breites Netzwerk entwickeln.
- Es gibt sehr spannende Informationen.
- Es lohnt sich immer, sich im Ehrenamt zu engagieren. Das bringt einen nicht nur persönlich weiter, sondern ist auch für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wichtig.
Bild: DVBS-Geschäftsführer Elias Knell lächelt offen. Er hat braune Augen und blondes Haar und trägt zum hellblauen Hemd einen braungrünen Sakko. Im Hintergrund stehen Sträucher im Herbstlaub. Foto: DVBS