In den letzten zwölf Monaten wird kein anderes Thema so kontrovers und impulsiv diskutiert wie das Thema Künstliche Intelligenz. Die Gründe liegen auf der Hand: KI-Systeme lernen und trainieren durch die vom Benutzer eingegebenen Daten. Trainierende Systeme können über kostenlos bereitgestellte Schnittstellen, wie Google, die Datenkraken großer Konzerne füttern. Diese wiederum schaffen durch die Art und den Umfang der Bereitstellung von Daten eine Abhängigkeit.
Im Hinblick auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz bestehen zurecht große Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Künstliche Intelligenz kann nicht nur Text erzeugen, sondern ebenso Bilder, Videos und Toninhalte. Auch hier besteht das Risiko, dass sich personenbezogene Daten im Trainingsmaterial befinden und diese im finalen Ergebnis wiederfinden. Die Verwendung von Bildern oder Stimmen real existierender Personen kann einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte darstellen. Bedenklich ist, dass manche KI-Systeme ihre Berechnungen nicht lokal, sondern auf Servern des Anbieters ausführen. Hier droht die Übermittlung personenbezogener Daten auf fremde Systeme, die sich womöglich außerhalb des Landes oder gar außerhalb der EU befinden. Der Datenschutz ist dort unter Umständen nicht gewährleistet.
Ich arbeite als Filmbeschreiberin, Sensitivity Readerin und Autorin. In diesem Beitrag möchte ich einen Überblick über den Einsatz der künstlichen Intelligenz geben.
Für mich bedeutet KI eine Umstrukturierung meines beruflichen Alltags, aber vor allem ein Umdenken.
In der Audiodeskription wird der Anteil der Audiodeskription für Text to speech (TTS) ansteigen. Netflix lässt bereits seit mehreren Jahren die Texte der Filmbeschreibung komplett von einer KI sprechen.
Für Texter und Redaktionen bedeutet das, dass bei der Texterstellung nicht nur die Inhalte des Films richtig beschrieben werden müssen, sondern dass auch auf die korrekte Aussprache und Betonung durch die künstliche Stimme geachtet werden muss. Ich muss der KI beibringen, wie Ausdrücke ausgesprochen und betont werden sollen. An einem einfachen Beispiel erklärt bedeutet das, dass ich "Älex" anstatt "Alex" schreibe, wenn die KI den Namen, dem Ton im Film entsprechend, englisch aussprechen soll.
Doch nicht nur Streamingdienste wie Netflix und Amazon, sondern auch andere Filmproduktionen beauftragen, trotz der höheren Kosten, zunehmend die Erstellung einer Audiodeskription für TTS.
Auf dem Buchmarkt hat die Künstliche Intelligenz längst schon Fuß gefasst. 2019 erschien bei Springer Nature das erste wissenschaftliche Werk. Am 26.08.2021 erschien in Südkorea der erste vollständig von einer KI geschriebene Roman. Wer heute bei Amazon reinschaut, entdeckt immer mehr Buchveröffentlichungen mit dem Zusatz: "von der künstlichen Intelligenz geschrieben". Gleiches trifft für Wettbewerbe zu. Hier gibt es inzwischen eine gesonderte Sparte für KI-geschriebene Romane.
Als problematisch angesehen werden könnten dabei all die Fälle, bei denen eine KI zur Recherche eingesetzt wird oder um den Roman zu planen. Hier gilt noch keine Kennzeichnungspflicht, da von einer Urheberschaft der jeweiligen Autoren ausgegangen wird.
Wird mir, im Rahmen des sensiblen Lesens, ein Roman zum Lektorat vorgelegt, ist die Recherche nach einem Synonym gelegentlich notwendig. Viele Sensitivity Reader nutzen zur Recherche ChatGPT von OpenAI. Ich gebe einen Begriff bei OpenAI ChatGPT ein und prompte dann. Prompten heißt, dass ich der KI konkrete Anweisungen gebe, was sie tun soll. Angenommen ich suche einen anderen Ausdruck für: "Sitzt im Rollstuhl", dann schreibe ich in das Eingabefeld: "Sitzt im Rollstuhl". Darunter schreibe ich als Anweisung für ChatGPT: "1. Suche ein anderes Wort oder Synonym." Die KI sucht mir darauf ein Synonym.
Möchte ich mit Hilfe der künstlichen Intelligenz einen Roman schreiben, muss ich einiges beachten. Bevor ich meinen Roman entwickeln und planen kann, muss ich der KI ihre Rolle zuweisen.
Dazu schreibe ich bei ChatGPT in das Eingabefeld die Rolle, die ich der KI zuweisen will. Anschließend schreibe ich die Romanidee in einem kurzen Text, den ich dann unter die zugewiesene Rolle in das Eingabefeld der KI einfüge. Darunter prompte ich wieder.
Das könnte so aussehen:
"ChatGPT du bist eine Krimi-Autorin. 1. Schreibe mir einen Plot. 2. Welches Motiv könnte Sibylle haben, Gerry zu töten? 3. Wer könnte hier noch als Verdächtiger infrage kommen? 4. Wie könnte sich Antons Flucht aus dem Bunker abspielen?"
Aber das Prompten will auch gelernt sein, denn das Ergebnis ist lediglich so gut wie die eingegebenen Anweisungen.
Allerdings sollte das Ergebnis nicht eins zu eins übernommen werden. Vielmehr dient es lediglich als Grundlage des Romans. Der so gewonnene Text der Romanhandlung muss noch durch Erfahrungen des Autors und durch Emotionen ersetzt werden. Noch sind die Kenntnisse der künstlichen Intelligenz, was Emotionen betrifft, sehr rudimentär. Das aber kann sich, vor allem durch spezifische Tools, rasch ändern.
Zukünftig werden für die einzelnen Berufsfelder spezifische Tools entwickelt werden, die die eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Seit drei Jahren entwickeln und planen Autoren ihre Romane bereits mit der künstlichen Intelligenz Neuroflash. Diese bietet ein einfacheres und schnelleres Arbeiten an als es ChatGPT kann. Zudem beherrscht sie bereits ein Spektrum an menschlichen Emotionen, Empfindungen und Stimmungen. Zudem handelt es sich um ein geschlossenes System.
Wegen der fehlenden Barrierefreiheit kann das KI-Tool jedoch nicht von blinden und sehbehinderten Anwendern genutzt werden.
KI wird zukünftig sowohl unser Privatleben als auch unseren beruflichen Alltag verändern. Bisher bekannte Berufe und Kompetenzen werden durch neue Berufe und Kompetenzen, wie etwa die des Promptens, abgelöst werden. Künstliche Intelligenz wird den Menschen nicht völlig ersetzen. Wichtig ist ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit den eingegebenen Daten und den Folgen des Einsatzes der Künstlichen Intelligenz.
Zur Autorin
Dr. Elke Irimia (Pseudonym: Elke Jan) studierte zunächst Rechtspflege und arbeitete im Öffentlichen Dienst. Daneben studierte sie Pädagogik, Psychologie, Soziologie und außereuropäische Ethnologie und promovierte. Anschließend schloss sie u. a. Ausbildungen als Biografin, Schreibgruppenleiterin für kreatives Schreiben, im Genreschreiben sowie ein zweijähriges Studium zum Drehbuchautor ab. Ehrenamtlich engagiert sich Dr. Irimia im Leitungsteam der DVBS-Bezirksgruppe Bayern. Mehr über sie gibt es auf der Webseite https://www.elkes-schreibatelier.de