Endlich - nach fünf Jahren - fanden vom 18. bis zum 20. Mai 2023 wieder die Marburger Selbsthilfetage des DVBS statt. Auf den ersten Blick war alles wie früher: Nach dem Stelldichein am Donnerstagabend trafen sich die Gliederungen unseres DVBS in der blista. Dort gastierte am Abend das Duo Shtetldik. Am Samstag tagte die Mitgliederversammlung mit beinahe so vielen Mitgliedern wie vor fünf Jahren.
Doch in Wirklichkeit war diesmal beinahe alles anders! Dies zeigte sich schon bei der aufwändigen Vorbereitung. "So schwierig und umständlich war es noch nie!", meinte eine verdiente Mitarbeiterin, die schon oft Selbsthilfetage organisiert hatte. So fand das Stelldichein nicht in der blista statt, weil uns kein Caterer am donnerstäglichen Feiertag mit Essen und Trinken versorgen konnte. Zudem öffnete der blista-Hilfsmittel-Shop am Freitag nicht. Am Samstag mussten die Hauptamtlichen wegen der verweigerten Unterstützung des Hausmeisters auf die Ehrenamtlichen zurückgreifen, um den Tagungsraum im Bürgerhaus Cappel für die Mitgliederversammlung herrichten zu können. Auch bei den Aktivitäten der Vereinsgliederungen kam es zu bei früheren Selbsthilfetagen nicht vorstellbaren Veränderungen. So gab es kein Angebot der Fachgruppe Jura.
Und dennoch und trotz alledem waren diese Selbsthilfetage nach Ansicht vieler Besucher*innen ein voller Erfolg! Zum Stelldichein war der neue Geschäftsführer, Elias Knell, als Überraschungsgast geladen worden. Er stellte sich kurz vor und kam dann im Laufe des vergnüglichen Abends mit vielen Mitgliedern unseres Vereins, die ihn als sympathisch und zugewandt erlebten, ins Gespräch. Inzwischen hat er seine Tätigkeit in der Geschäftsstelle unseres DVBS aufgenommen.
Auf reges Interesse stießen am Freitag die für alle Mitglieder offenen Angebote der Fachgruppen Wirtschaft, StAu und MINT. Die Fachgruppe Wirtschaft hatte Thorsten Prenner von der Vermittlungsstelle für schwerbehinderte Akademiker der ZAV für Vortrag und Diskussion gewinnen können. Herr Prenner referierte auch bei der Fachgruppe StAu und ging ausführlich auf Fragen ein. Ganz im Zeichen des Mottos der Selbsthilfetage stand beim Treffen der Fachgruppe MINT die Präsentation eines in Deutschland für die Blindenbildung entwickelten, modernen Grafiklesegerätes, des Tactonom Readers. Der Freitag wurde abgerundet durch den sehr gelungenen Auftritt des Duos Shtetldik, das jiddische und andere Lieder vortrug.
Auf der samstäglichen Mitgliederversammlung stand das Motto der Selbsthilfetage "Verein im Wandel" im Vordergrund. Nach der Corona-Pandemie, in der der DVBS sehr erfolgreich mit Videokonferenzsystemen gearbeitet hatte, ging es um deren Für und Wider. Es nimmt nicht Wunder, dass zunächst technische Fragen wie Vor- und Nachteile von Videokonferenzen im Vergleich zu lange eingeübten Telefon-Chats diskutiert wurden. Vor dem Hintergrund schwindender Bereitschaft, sich etwa für ein Seminar auf eine lange Bahnreise am Wochenende zu begeben, wurden virtuelle und hybride Veranstaltungen in einigen Redebeiträgen favorisiert. Andere Teilnehmer*innen hoben hingegen den Wert von unmittelbaren Begegnungen bei Präsenzveranstaltungen hervor. Nur bei diesen sei der unverzichtbare, informelle Austausch überhaupt möglich. Beklagt wurde die nicht nur in der Selbsthilfe feststellbare Entwicklung, sich nur temporär in Projekten und nicht mehr kontinuierlich zu engagieren. Dies gelte vor allem für Berufstätige und Arbeitssuchende, aber auch für jene, die sich im Studium oder in Ausbildung befänden. Umso mehr freute sich der Vorstand über diejenigen, die zu den Selbsthilfetagen gekommen waren. Als kleine Willkommensgeste erhielten sie vom Vorstand des DVBS ein Dankeschön aus Text und Schokolade.
Obwohl bei der Mitgliederversammlung beinahe so viele Menschen wie bei der letzten in Präsenz im Jahre 2018 waren, stellte sich die Frage:
Quo vadis DVBS?
Vorgeschlagen wurde unter anderem eine sehr sorgfältig vorzubereitende Mitgliederbefragung.
Einstimmigkeit herrschte am Samstag bei der Verabschiedung einer Resolution, die ein Bündel an Maßnahmen zur Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes betrifft, um die Teilhabechancen Betroffener dringend zu verbessern (siehe nachfolgender Beitrag).
Wie weiter mit den Selbsthilfetagen?
Die Idee, diese in gewisser Weise neu zu erfinden, nahm während der Selbsthilfetage immer mehr Gestalt an. So wurde überlegt, sie 2025 von Marburg in ein Tagungshotel in das für Bahnreisende viel günstiger gelegene Kassel zu verlagern. Dies käme der steigenden Zahl von Mitgliedern entgegen, die keine blista-Vergangenheit haben und für die Marburg daher fremd ist. Diejenigen, die in alten Zeiten schwelgen wollten, könnten dies auch in Kassel tun.
Doch auch diese Idee muss noch reifen ...
So oder so: Auf zu neuen Ufern!