Bisher haben wir uns in den ersten beiden Teilen dieser Serie insbesondere mit "schulischer Bildung" befasst und haben uns damit im Bereich "Teilhabe an Bildung" bewegt. Wichtigster Leistungsträger im Rahmen einer klassischen, sog. dualen Berufsausbildung (Berufsschule/Betrieb) für Menschen mit einer Behinderung ist aber die Arbeitsagentur - und damit sind wir plötzlich im Bereich der "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben". Hier richten sich die speziellen Fördermöglichkeiten für diesen Personenkreis nach dem Arbeitsförderungsgesetz (Sozialgesetzbuch Drittes Buch, abgekürzt: SGB III). Vorab: Dies ist kein schlechter Wechsel der Teilhabebereiche, denn die Leistungen im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben sind vielfältig!

Leistungen zur beruflichen Teilhabe

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass Leistungen zur beruflichen Teilhabe insgesamt nicht nur schwerbehinderten Menschen (mit einem Grad der Behinderung - GdB - von mindestens 50) zur Verfügung stehen, sondern auch sog. "Gleichgestellten", d. h. Menschen mit einem anerkannten GdB von mindestens 30, wobei diese Gleichstellung bei der Arbeitsagentur beantragt werden muss (vgl. § 2 Absatz 3 in Verbindung mit - i.V.m. - §151 SGB IX). Darüber hinaus können sogar "nur" von einer Behinderung bedrohte Menschen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten (vgl. § 49 Absatz 1 SGB IX).

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind umfassend in § 49 SGB IX beschrieben, und diese Vorschrift bietet mithin eine sehr gute Übersicht über das breite Leistungsspektrum an möglichen Unterstützungsleistungen, die für und während einer dualen Ausbildung gemäß § 115 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 49 Absatz 3 Nr. 5 SGB IX inklusive notwendiger Praktika (§ 49 Absatz 5 SGB IX) gewährt werden können.

Gemäß Absatz 4 werden bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt. Soweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt, wobei die hierdurch entstehenden Kosten (Reise, notwendige Kinderbetreuung oder Haushaltshilfen, etc.) übernommen werden (vgl. § 49 Absatz 7 SGB IX).

Die Leistungen umfassen

  • medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen,
  • Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
  • Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
  • die Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen (wenn die Leistungsberechtigten dem zustimmen),
  • die Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
  • Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz (unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen),
  • das Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
  • das Training motorischer Fähigkeiten,
  • die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  • die Beteiligung von Integrationsfachdiensten im Rahmen ihrer Aufgabenstellung (vgl. § 49 Absatz 6 SGB IX),
  • die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
  • den Ausgleich für unvermeidbare Verdienstausfälle des Leistungsberechtigten oder einer erforderlichen Begleitperson wegen Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, bei einem Träger oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen,
  • die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (insbesondere in der Ausbildung),
  • die Kosten für Hilfsmittel,
  • die Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
  • die Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang (vgl. § 49 Absatz 8 SGB IX).

Eignung und Neigung - Vom Finden geeigneter Maßnahmen

Wichtig ist, dass gem. § 49 Absatz 4 SGB IX die "Kernkriterien" für die Bestimmung der richtigen Maßnahme gleichgewichtig sowohl Eignung als auch Neigung des schwerbehinderten Menschen sein sollen!

In der Praxis von Leistungsträgern überwiegt jedoch zumeist der Fokus auf einer äußerst umfänglichen Eignungsabklärung (z. B. Stellungnahme eines medizinischen Dienstes, psychologische Gutachten oder Tests, etc.). Allerdings sind diese Kriterien im "Licht" von Art. 12 GG (Berufs- und Berufswahlfreiheit) auszulegen, d. h. der Neigung des schwerbehinderten Menschen muss bei der Maßnahmenbestimmung unbedingt eine maßgebliche Rolle eingeräumt werden. Inwieweit überhaupt eine "Eignungsprüfung" zulässig ist, wenn der behinderte Mensch die formalen Zugangsvoraussetzungen für eine Maßnahme (z.B. Realschulabschluss für eine bestimmte Ausbildung) erfüllt, ist sicherlich eher restriktiv auszulegen. Im Gesetzestext heißt es dementsprechend ja auch: "Soweit erforderlich ...". Eine zusätzliche Eignungsüberprüfung ist ohne Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Nichteignung dementsprechend nicht "erforderlich". Anhaltspunkte für eine Eignungsüberprüfung könnten sicherlich beispielsweise eine extrem schlechte Schulnote in den Fächern Mathematik oder Informatik im Rahmen einer Ausbildung zum Informatiker, eine körperliche Schwäche im Zusammenhang mit einer Ausbildung zum Physiotherapeuten und Ähnliches sein.

Weitere legitime Kriterien bei einer Maßnahmenfindung sind "die Lage auf dem Arbeitsmarkt" und "bisherige Tätigkeiten". Beide Kriterien sind wiederum im Lichte einer grundgesetzkonformen Auslegung zu sehen, d.h. eine Ausbildungsmaßnahme darf mit Blick auf die Berufswahlfreiheit nicht bereits deshalb abgelehnt werden, weil ein anderes Berufsbild vielleicht noch bessere Chancen bietet, kann aber ausgeschlossen werden, wenn es rein faktisch wohl keine Beschäftigungschancen bieten würde. Weitere Unterstützungsleistungen wie z.B. eine Berufsorientierung, ein Zuschuss zur Ausbildungsvergütung oder die Kosten für eine sog. assistierte Ausbildung richten sich nach den Abschnitten 3- 5 des SGB III.

Kostenübernahme für Ausbildungen an BBWs und BFWs

Die Kosten für Ausbildungen für behinderte Menschen an Berufsbildungs- oder Berufsförderungswerken werden hingegen in der Regel nach § 112 ff. SGB III in Verbindung mit § 51 SGB IX erbracht. Hier heißt es in § 51 Absatz 1 SGB IX:

“Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, soweit Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Erfolges die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. ...”

Zur "Rechtsstellung der Teilnehmenden" in § 54 SGB IX wird dann weiter ausgeführt, dass, wenn Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt werden, die Teilnehmenden nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert werden.

“Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere Vertreter. Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen jedoch entsprechend angewendet.”

Ich hoffe, dass dieser kurze Überblick zu den Fördermöglichkeiten für eine nichtschulische berufliche Ausbildung gezeigt hat, dass wirklich ein sehr umfangreiches Instrumentarium an Hilfen gewährt werden kann und es dem Gesetzgeber offensichtlich extrem am Herzen liegt, Berufsausbildungen auf alle erdenklichen Weisen auch für Menschen mit einer Behinderung zu ermöglichen.

Berufswahlfreiheit

Eigentlich steht dem "Traumberuf" nichts entgegen. Wie immer entstehen aber natürlich die Probleme in der Praxis im Detail, und ganz oft halten z.B. Rehaberater von Arbeitsagenturen es eher für ihre Aufgabe, Menschen mit einer Behinderung darüber aufzuklären, was alles nicht geht und was nach ihrer Ansicht sinnvoll wäre, als dass sie zunächst einmal fragen: "Was würden Sie denn beruflich gerne machen?" Gerade dies wäre aber im Lichte der Berufswahlfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz) und auch im Sinne der einfach gesetzlichen Vorschriften im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben, wie z.B. § 112 Absatz 3 SGB III und § 49 Absatz 4 SGB IX, zur Abklärung der Eignung und Neigung ihre Aufgabe!

Denken Sie dran, der gewählte Beruf wird Sie vermutlich einen ganzen Lebensabschnitt begleiten, insbesondere, weil ein Anspruch auf Gewährung behinderungsbedingt notwendiger Hilfen im Rahmen einer 2. Ausbildung in der Regel erst nach einer Wartezeit von mindestens drei Jahren und vergeblicher, intensiver Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt in Betracht kommt.

Wonach suchen Sie?