horus 3/2024
Schwerpunkt: Künstliche Intelligenz
Titelbild: Oben: Möwe auf hellem Strandkorb. Foto: Claudia Gerike. Unten: KI-basierte Bildbeschreibung der App Be My Eyes auf dem Handybildschirm (5 Sätze): "Das Bild zeigt eine Möwe, die auf einem gelben Strandkorb sitzt. Der Strandkorb ist aus geflochtenem Matrial und hat eine gewölbte Oberseite. Im Hintergrund sind weitere Strandkörbe zu sehen, die in Reihen aufgestellt sind. Hinter den Strandkörben erstreckt sich eine grüne, bewaldete Hügelkette. Der Himmel ist blau mit einigen weißen Wolken." Foto: DVBS
Inhalt
- Vorangestellt
- F.-W. Steinmeier: Inklusion ist unser Auftrag - Grußwort des Bundespräsidenten
- Aus der Redaktion
- Schwerpunkt: "Künstliche Intelligenz"
- R. Feichtenbeiner, L. Reichert: Künstliche Intelligenz im Dienst der beruflichen Teilhabe? Eine Momentaufnahme
- A. Katemann: Künstliche Intelligenz als praktische Hilfe für den Alltag - ein Erfahrungsbericht
- O. Nadig: Der KI lieber doch nicht ganz blind vertrauen
- Dr. E. Irimia: Schreiben mit Künstlicher Intelligenz
- A. Schlegl: Dolly hat Sprechen gelernt! Chancen und Gefahren digitaler Stimmen-Zwillinge
- S. Jansen: Meine Erfahrungen mit KI
- W. Gerike: A-Dame, Du bist doof
- Recht
- Barrierefreiheit und Mobilität
- Mobilität für alle gewährleisten: Günstig Bahnfahren ohne Digitalzwang - Offener Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Dr. Richard Lutz
- Fachausschusses für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT): Barrierefreiheit von Webseiten und Accessibility Overlays - Stellungnahme
- Beitragsreihe "Digitale Barrierefreiheit" erschienen
- D. Böhringer: Skurril: Behinderte Menschen kämpfen gegen behinderte Menschen
- U. Zeun: Monokular-Schulung (Teil 1)
- Berichte und Schilderungen
- Aus der Arbeit des DVBS
- R. Schroll: TriTeam - Ein Jahr voller Empowerment und Wachstum
- J. Schäfer: Brailleschrift, Broschüren und Beratung - viel los am DVBS-Stand beim fünften Louis-Braille-Festival
- E. Knell, W. Wörder: Die Gemeinschaftsstiftung nach 25 Jahren - Auftakt zu einer Ewigkeit
- Seminare in der zweiten Jahreshälfte
- Aus der blista
- Bücher
- Panorama
- Impressum
- Anzeigen
Vorangestellt
Inklusion ist unser Auftrag
Grußwort des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für horus 3/2024
Berlin, im Mai 2024
Künstliche Intelligenz wird unser aller Leben radikal verändern. Ich bin dankbar, dass Sie sich in dieser Ausgabe diesem wichtigen Thema widmen. Wir alle haben erlebt, wie sehr das Smartphone unseren Alltag revolutioniert hat. Und durch neue Apps wird auch hier KI immer häufiger zur Anwendung kommen.
Gerade im Alltag von blinden und sehbehinderten Menschen erleichtert das Smartphone vieles. Schon jetzt hilft ihnen KI, Gegenstände, Bilder und Personen zu erkennen oder auch beim Vorlesen, selbst von handschriftlichen Texten. Sie bekommen durch KI Erläuterungen über die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Und sie hilft bei Fahrten mit Bus oder Bahn. Menschen, die sich in der Stadt oder in der Natur bewegen, unterstützt KI bei der Orientierung und stellt Informationen über die Umgebung bereit. Und neben dem Smartphone gibt es bereits weitere Hilfsmittel, etwa die KI-Brille oder den Navigürtel.
Es ist zu erwarten, dass KI Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am sozialen Leben weiter erleichtern wird. Wie genau diese Veränderungen aussehen werden, wie sich KI-gestützte Technologie und unsere sozialen Beziehungen gegenseitig beeinflussen werden, das ist heute noch weitgehend unbekanntes Terrain. Umso wichtiger ist es, dass wir auf diesem Weg in die Zukunft einen guten Kompass haben, der auf die Teilhabe der Menschen weist und stärkt, was uns verbindet. Dieser Kompass zeigt in Richtung Inklusion.
Es ist Aufgabe des Staates, die Rahmenbedingungen für mehr Inklusion zu gestalten. Unser Grundgesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention weisen den Weg, wenn es darum geht, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen, und die Bundesinitiative Barrierefreiheit der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Barrierefreiheit bedeutet aber auch möglichst wenig Bürokratie. Deshalb ist es wichtig, dass die Beschäftigten in den Verwaltungen sensibilisiert und geschult werden, um gesetzliche Regelungen gut anwenden zu können.
Um die Möglichkeiten der KI gut nutzen zu können, müssen nachhaltige KI-gestützte Lösungen etwa für die Gestaltung von Arbeits- und Lernprozessen entwickelt und erprobt werden. Entscheidend ist, dass Menschen mit Behinderungen an diesem Prozess beteiligt werden. Entscheidend ist aber auch, die Akzeptanz für diese Innovationen zu fördern, etwa in Unternehmen, die sogenannte Cobots zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung einsetzen können.
Ein weiterer Aspekt ist mir wichtig. Wenn wir den Einsatz von KI zur Unterstützung im Alltag und im Arbeitsleben, in Schule, Ausbildung, Studium und Beruf als Chance betrachten, müssen wir für eine datensichere Anwendung sorgen. Dafür brauchen wir sorgfältige Regeln, dafür brauchen wir aber auch die Vermittlung von KI-Kompetenz in Bildung und Weiterbildung. Eine der wichtigsten Aufgaben wird sein, es allen Menschen mit Behinderung, auch Kindern, zu ermöglichen, die technischen Innovationen zu nutzen - und zwar unabhängig von Einkommen und Bildung der Eltern.
In unserer Demokratie und für unsere Demokratie spielt Inklusion eine wichtige Rolle: Ohne die Anerkennung der menschlichen Vielfalt, des Selbstbestimmungsrechts aller Bürgerinnen und Bürger kann eine offene Gesellschaft nicht bestehen. Inklusion bedeutet immer auch, Menschen zusammenzubringen und damit den Zusammenhalt zu fördern, und das wird in einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen sich in Gruppen zurückziehen, umso wichtiger. Die Nutzung von KI muss deshalb möglichst auch mit persönlichem Austausch einhergehen.
Ich bin überzeugt: KI kann uns dabei helfen, das Ziel der inklusiven Gesellschaft zu erreichen.
Frank-Walter Steinmeier
Bild: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lächelt. Er hat weißes Haar, dunkle Augen und trägt eine Brille. Zum dunklen Anzug und weißen Hemd trägt er eine dunkelblaue, weiß gemusterte Krawatte. Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler
Wertschätzung
Viele Leserinnen und Leser des horus werden sich fragen, wie der vorstehende Beitrag des Herrn Bundespräsidenten zustande gekommen ist. Dieses Rätsel will ich gern auflösen.
Als Teilnehmer der Bremer Bürgerdelegation zum Tag der deutschen Einheit 2023 in Hamburg hatte ich am 3. Oktober vergangenen Jahres die Möglichkeit, mich etwas länger mit dem Bundespräsidenten zu unterhalten. Dabei konnte ich ihm berichten, dass wir ihn 2021 um einen Beitrag für den horus gebeten hatten, in dem es um Prominente und ihr Verhältnis zur Blindheit ging. Damals hatten wir leider eine Absage bekommen. Daraufhin bot er freundlicherweise an, uns für eine der Ausgaben des horus von 2024 einen Text zu übersenden, der sich hier findet. Darüber freue ich mich sehr und sehe das als Wertschätzung unserer Arbeit.
Uwe Boysen
Aus der Redaktion
Zur Begrüßung
Mit der letzten horus-Ausgabe hatten wir wehmütig Dr. Imke Troltenier aus der horus-Redaktion verabschiedet. Gespannt waren wir, wer ihre Nachfolge im Redaktionsteam übernimmt. Hier ist sie:
"Liebe Leser*innen,als neues Redaktionsmitglied möchte ich mich gerne vorstellen. Mein Name ist Amélie Schneider, ich bin Diplom-Pädagogin und Blinden- und Sehbehindertenpädagogin (M.A.).
Seit 2010 arbeite ich auf der Stabsstelle für Projektmanagement für die blista. In diesem Rahmen habe ich z. B. den pädagogischen Paradigmenwechsel hinsichtlich der UN-Behindertenrechtskonvention begleitet oder inklusive Projekte wie das Straßentheater "Hürdenlauf" entwickelt.
Aktuell koordiniere ich den Aufbau der "Hessischen Beratungsstelle für Menschen mit Hörsehbehinderung & Taubblindheit", befasse mich mit Gewaltprävention und unterstütze die Weiterentwicklung der Seniorenberatung. Und jetzt freue ich mich darauf, in die Redaktionsarbeit hineinwachsen zu dürfen und dabei meine vielfältigen Erfahrungen einbringen zu können."
Amélie Schneider hat bereits an der vorliegenden horus-Ausgabe mitgewirkt. Gemeinsam haben wir uns besonders über die Erfahrungsberichte mit KI gefreut, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, uns geschickt haben. Ein herzliches Dankeschön! Aus Platzgründen konnten nicht alle Berichte aufgenommen werden, deshalb wird in den kommenden Ausgaben das Thema "KI" hier und da wieder auftauchen.
Bild: Amélie Schneider hat ein offenes, freundliches Lächeln, braune Augen und schulterlanges braunes Haar. Sie trägt eine Brille mit brauner Fassung und zur hellblauen Bluse mit schmalen weißen Streifen eine zierliche Kette mit rundem Anhänger. Foto: privat
horus 4/2024
Das Schwerpunkt-Thema der nächsten horus-Ausgabe lautet "Kunst und Literatur". Wir wollen der Frage nachgehen, wie blinde und sehbehinderte Menschen in Literatur und Kunst dargestellt werden und was passiert, wenn blinde und sehbehinderte Menschen selbst zu Literatur- und Kunstschaffenden werden.
Ihre Beiträge für horus 4/2024 - bitte nicht länger als 12.000 Zeichen - sind bis zum Redaktionsschluss am 20. September willkommen. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Schwerpunkt: "Künstliche Intelligenz"
Künstliche Intelligenz im Dienst der beruflichen Teilhabe? Eine Momentaufnahme
Von Rolf Feichtenbeiner und Lorenz Reichert
Mit der Frage, ob Maschinen denken können, befasste sich schon 1950 der britische Mathematiker Alan Turing. Er schlug den Turing-Test vor, um zu testen, ob ein Computer von Nutzer*innen in einem Interview für einen Mensch gehalten wird und somit "intelligent" ist. (1) Auf der Dartmouth-Konferenz 1956 wurde schließlich der Begriff "Künstliche Intelligenz" (kurz: KI) geprägt. Die Computerpioniere machten sich auf den Weg, menschliche Fähigkeiten in Computersystemen nachzuahmen.(2)
Künstliche Intelligenz ist mehr als Maschinelles Lernen und ChatGPT
In der jüngeren Vergangenheit wurden große Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz erzielt, durch die KI mehr öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Dazu hat beigetragen, dass
- große Mengen digitaler Daten (auch als Big Data bezeichnet) unter anderem durch die Verbreitung des Internets und die Nutzung von Sensoren erzeugt wurden,
- die durch immer leistungsfähigere Computer verarbeitet und
- mithilfe neuer Fortschritte in KI-Methoden wie des Maschinellen Lernens analysiert und verwendet werden konnten.(3)
Maschinelles Lernen wird häufig mit KI synonym verwendet, obwohl es sich nur um einen KI-Teilbereich handelt.(4) Beim Maschinellen Lernen entwickelt ein System aus Beispiel-Daten, zum Beispiel aus Texten, Bildern oder Sensordaten, ein Modell. Dieses Wissens-Modell kann dann auch bei neuen, noch nicht bekannten Daten der gleichen Art genutzt werden: Ohne, dass Programmierer*innen dem System bestimmte Vorgaben gemacht haben, kann es dann Objekte klassifizieren, Empfehlungen ableiten oder Entscheidungen und Vorhersagen treffen.(5)
Jüngere Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens(6) sind Voraussetzung für bedeutende KI-Fortschritte, insbesondere im Bereich der Mustererkennung, des computergestützten Sehens, der Verarbeitung von Sprache und der Erzeugung von motorischen Bewegungen. So kann KI unter anderem
- Muster in medizinischen Daten erkennen und auf frühe Anzeichen von Krankheiten (z.B. Brustkrebs) hinweisen,(7)
- die Umgebung mithilfe von Kamerasystemen erkennen und beispielsweise Objekte benennen oder Texte vorlesen, (8)
- Sprachen erkennen und Texte automatisch übersetzen(9) und
- Geräte wie selbstfahrende Staubsauger oder autonome Fahrzeuge(10) (11)
Ein weiterer Meilenstein in der KI-Geschichte stellt die Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI im November 2022 dar. Generative KI wie ChatGPT, DALL-E und Stable Diffusion ist auf Aufforderung (sogenannter Prompt) nicht nur in der Lage, Texte zu schreiben und Bilder zu erstellen, sondern kann mittlerweile auch ganze Musikstücke und Videos erzeugen.(12)
Auch wenn Maschinelles Lernen und Generative KI derzeit in aller Munde ist, handelt es sich nur um Ausschnitte dessen, was Künstliche Intelligenz sein und leisten kann. KI ist ein dynamisches Forschungsfeld, in dem Forschende versuchen, menschliche Intelligenz und Fähigkeiten wie "logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität"(13) mit Computern zu imitieren. Russell und Norvig (2010)(14)) nennen als KI-Forschungsfelder unter anderem Problemlösen, Schlussfolgern, Maschinelles Lernen, Wahrnehmung, Verstehen von Sprache und Robotik.
Bisher existiert keine einheitliche Definition von KI. In einem Versuch, KI greifbar zu machen, beschreibt eine Sachverständigengruppe der OECD ein KI-System als ein "maschinenbasiertes System, das für bestimmte von Menschen definierte Ziele Vorhersagen machen, Empfehlungen abgeben oder Entscheidungen treffen kann, um eine reale oder virtuelle Umgebung zu beeinflussen".(15) KI-Systeme können in der Lage sein, zu lernen und ihr "Handeln anzupassen, indem sie die Folgen früherer Aktionen analysieren"(16) und können "autonom arbeiten".(17) Ein als autonom bezeichnetes System kann eine Zeit lang ohne menschliche Bediener arbeiten.(18) Prominente Beispiele für voll-autonome Systeme sind autonom fahrende Busse, bei denen Menschen hauptsächlich eine Passagierrolle einnehmen.(19)
KI erweitert digitale Assistenztechnologien und schafft neue Unterstützungsmöglichkeiten
An die Verbreitung und Entwicklung von KI ist die gesellschaftspolitische Erwartung geknüpft, dass sie Teilhabe-Barrieren für Menschen mit Behinderungen nicht weiter verstärken soll. Im besten Fall kann sie dabei helfen, vorhandene Barrieren abzubauen.(20)
Diese Erwartung wurde auch durch die europäische KI-Verordnung (Artificial Intelligence Act, kurz AI Act) untermauert, die im März 2024 beschlossen wurde und in den kommenden Jahren auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt wird.(21)
Eine besondere Bedeutung kommt hierbei (KI-gestützten) Assistenztechnologien zu. Im Hinblick auf die Teilhabe am Arbeitsleben sind dabei Assistenzsysteme gemeint, die Menschen mit (drohenden) Behinderungen bei Bildungs- und Arbeitsprozessen unterstützen, um vorhandene Fähigkeiten zu bewahren, zu verbessern oder zu erweitern. (22) (23) Bereits heute werden analoge Hilfsmittel nach § 139 SGB V wie Blindenlangstöcke oder Rollstühle (24) durch digitale Hilfsmittel wie Vergrößerungssoftware zur Unterstützung bei der Informationsaufnahme (Wahrnehmung), der Informationsverarbeitung (Entscheidungsfindung) und der Arbeitsausführung ergänzt.(25)
Assistenzsysteme werden dann als "KI-gestützte Assistenzsysteme" bezeichnet, wenn sie Methoden Künstlicher Intelligenz (KI) wie z. B. Maschinelles Lernen oder Natürliche Sprachverarbeitung verwenden.(26) KI ermöglicht neue Unterstützungsleistungen (z.B. Umgebungsbeschreibungen in Echtzeit) und wird zunehmend in bestehende, digitale Assistenzsysteme integriert, um neue Funktionen anzubieten. Ein Beispiel hierfür ist die App "Be My Eyes".(27)) Sie wurde zunächst als rein digitales individuelles Hilfsmittel für die alltägliche Unterstützung von blinden Menschen und Menschen mit Sehbehinderung entwickelt. Über einen Live-Videoanruf stellen Nutzende Freiwilligen Gesprächspartner*innen Fragen wie zum Beispiel, ob das Licht ausgeschaltet ist. Mittlerweile wurde die KI-Funktion Be My AI integriert. Nun können Nutzende selbst Bilder an die App senden. Be My AI beantwortet dann Fragen zu diesem Bild und liefert KI-generierte Bildbeschreibungen oder auch Übersetzungen von Texten.
KI-gestützte Assistenztechnologien können die berufliche Teilhabe von Menschen mit Sehbehinderungen verbessern
Im Projekt KI.ASSIST (28) wurden zwischen 2019 und 2022 erstmals die Potenziale KI-gestützter Assistenztechnologien für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland systematisch wissenschaftlich untersucht. Das Folgeprojekt KI-KOMPASS INKLUSIV (29) hat zum Ziel, ein Kompetenzzentrum für KI-gestützte Assistenztechnologien und Inklusion im Arbeitsleben aufzubauen. Menschen mit Behinderungen können sich für Informationen, Beratung, Schulung und Beteiligung an das Projektteam wenden. Beide Projekte sind durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsleben gefördert.
Mit dem Projektbereich Monitoring wurde bereits in KI.ASSIST und auch im laufenden Projekt der Frage nachgegangen, welche Produkte und welche abgeschlossenen Projekte mit Prototypen schon existieren. Insgesamt wurden im Monitoring des Projektes KI.ASSIST 157 KI-gestützte Assistenztechnologien recherchiert. (30) Nur bei 46% davon handelt es sich allerdings um marktreife Produkte, während die restlichen Technologien im Rahmen abgeschlossener oder noch laufender Forschungsprojektes entwickelt wurden oder noch entwickelt werden.(31) Ergebnisse der Recherchen zeigen, dass 78% der Technologien für bestimmte Behinderungsarten entwickelt wurden. 37% (58) der recherchierten Technologien richten sich explizit an Menschen mit Sinnesbehinderungen. Damit stellen Technologien für Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen den größten Anteil dar. KI-gestützte Assistenztechnologien, die Menschen mit Sehbehinderungen adressieren, unterstützen vor allem bei der Wahrnehmung, der Kommunikation, der Navigation und Orientierung, der Interaktion mit digitalen Medien und Geräten sowie ganz konkret beim Lernen und der Arbeit.(32)
Viele der identifizierten Technologien nutzen Methoden des computergestützten Sehens (Computer Vision), die in Navigationssystemen zur Hindernis- und Schlaglochdetektion(33) , für die Nutzung von Bussen(34) oder zur Erkennung von Treppenhäusern in Gebäuden(35) genutzt werden. KI-Systeme zur Objekterkennung können zudem zwischen verschiedenen Tabletten unterscheiden(36) und Geldscheine identifizieren(37) während die Gesichtserkennung bei der Kommunikation unterstützen kann.(38) Darüber hinaus können automatisch Alternativtexte für Bilder generiert werden.(39) Mithilfe von Texterkennung und Sprachgenerierung können Texte für Menschen mit Sehbehinderungen vorgelesen werden.(40)
Im Projekt KI.ASSIST konnten weitere wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Technologien wurden besonders dann positiv bewertet, wenn ihre Bedienung einfach zu erlernen war und sie weitestgehend unabhängig von anderen Menschen genutzt werden konnten. Wichtig war auch, dass ein langfristiger Einsatz möglich ist und Weiterentwicklungen verfügbar sind. In jedem Fall müssen sie eine echte Hilfe bei Arbeit und Ausbildung und einen großen Mehrwert hinsichtlich der Erhaltung und Verbesserung der Arbeit bieten.(41) Technologien, die sich an eine breite Anwender*innenschaft wenden, können auch besonders hilfreich für Menschen mit bestimmten Behinderungen sein. Nicht immer ist dann jedoch Barrierefreiheit gewährleistet.
In einem Praxislabor des Projekts KI-Kompass Inklusiv wird erforscht, welche noch ungenutzten Potentiale KI für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen besitzt. Dazu werden die Unterstützungsbedarfe von Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf ihre berufliche Teilhabe mit dem aktuellen Stand der Technologien abgeglichen. Hier werden auch die Möglichkeiten Generativer KI wie ChatGPT für Menschen mit Behinderungen genauer untersucht.
Abschließend bleibt zu empfehlen, die Entwicklungen im Bereich Inklusiver KI weiter zu beobachten. Bei Künstlicher Intelligenz handelt es sich um ein dynamisches Technikfeld, das sich kontinuierlich weiterentwickelt und neue Unterstützungsmöglichkeiten hervorbringt. Vor allem Menschen mit Behinderungen können den persönlichen Nutzen neuer KI-Technologien für sie, ihren Alltag und ihr Berufsleben am besten einschätzen. Nur durch die Zusammenarbeit von KI-Forschenden und Menschen mit Behinderungen, können die tatsächlichen Bedürfnisse und Anforderungen berücksichtigt und geeignete und barrierefreie KI-Technologien entwickelt werden.
Zu den Autoren
Rolf Feichtenbeiner M.A. ist seit 2019 als Wissenschaftler am Educational Technology Lab des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) tätig und widmet sich in den Projekten KI.ASSIST und KI-Kompass Inklusiv den Themen KI und Inklusion.
Lorenz Matthias Reichert B. Sc. arbeitet als Wissenschaftliche Hilfskraft ebenfalls innerhalb dieses Forschungs- und Projektbereichs.
Mehr über das DFKI, eine renommierte wirtschaftsnahen KI-Forschungseinrichtung mit bundesweit sieben Standorten und Firmensitz in Kaiserslautern, gibt es unter https://www.dfki.de.
Bild: Rolf Feichtenbeiner hat dunkle Augen, dunkles Haar und einen kurzen Vollbart. Er trägt zum blauen Hemd ein Jackett in Anthrazit. Foto: privat
Bild: Lorenz Reichert trägt ein schwarzes Shirt. Sein kurzes dunkles Haar ist zurückgekämmt. Foto: privat
Anmerkungen
(1) OECD (2020), Künstliche Intelligenz in der Gesellschaft, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/6b89dea3-de.zurück
(2) OECD, 2020. zurück
(3) LeCun, Y., Bengio, Y., & Hinton, G. (2015). Deep learning. nature, 521(7553), 436-444. zurück
(4) Wrobel, S., Joachims, T. & Morik, K. (2013). 12 Maschinelles Lernen und Data Mining. In G. Görz, J. Schneeberger & U. Schmid (Ed.), Handbuch der Künstlichen Intelligenz (pp. 405-472). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. https://doi.org/10.1524/9783486719796.405 zurück
(5) Döbel, I., Leis, M., Vogelsang, M. M., Neustroev, D., Petzka, H., Rüping, S., ... & Welz, J. (2018). Maschinelles Lernen-Kompetenzen, Anwendungen und Forschungsbedarf. Fraunhofer IAIS, Fraunhofer IMW, Fraunhofer Zentrale. 2020(21). zurück
(6) LeCun et al., 2015. zurück
(7) McKinney, S. M., Sieniek, M., Godbole, V., Godwin, J., Antropova, N., Ashrafian, H., ... & Shetty, S. (2020). International evaluation of an AI system for breast cancer screening. Nature, 577(7788), 89-94. zurück
(8) SeeingAI (o.D.). An app for visually impaired people that narrates the world around you. Microsoft. https://www.microsoft.com/en-us/garage/wall-of-fame/seeing-ai/ zurück
(9) Popel, M., Tomkova, M., Tomek, J., Kaiser, L., Uszkoreit, J., Bojar, O., Žabokrtský, Z. (2020). Transforming machine translation: a deep learning system reaches news translation quality comparable to human professionals. Nature communications, 11(1), 1-15. zurück
(10) Murphy, R. R. (2019). Introduction to AI robotics. MIT press. zurück
(11) Bonnefon, J. F., Shariff, A., & Rahwan, I. (2016). The social dilemma of autonomous vehicles. Science, 352(6293), 1573-1576. zurück
(12) Fui-Hoon Nah, F., Zheng, R., Cai, J., Siau, K., & Chen, L. (2023). Generative AI and ChatGPT: Applications, challenges, and AI-human collaboration. Journal of Information Technology Case and Application Research, 25(3), 277-304. https://doi.org/10.1080/15228053.2023.2233814 zurück
(13) Themen. Europäisches Parlament (2023, 20. Juni). Was ist künstliche Intelligenz und wie wird sie genutzt? Europäisches Parlament. https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20200827STO85804/was-ist-kunstliche-intelligenz-und-wie-wird-sie-genutzt zurück
(14) Russell, S. J., & Norvig, P. (2010). Artificial intelligence: A modern approach (3. Aufl.). Prentice Hall. zurück
(15) OECD, 2020, S. 24. zurück
(16) Themen. Europäisches Parlament, 2023, 20. Juni. zurück
(17) Themen. Europäisches Parlament, 2023, 20. Juni. zurück
(18) Bartneck, C., Lütge, C., Wagner, A., & Welsh, S. (2019). Ethik in KI und Robotik. Carl Hanser Verlag GmbH Co KG. zurück
(19) Automatisierungsstufen (o.D.). Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). https://www.kba.de/DE/Themen/Marktueberwachung/Produktpruefungen/AutomatisiertesAutonomesFahren/Automatisierungsstufen/Automatisierungsstufen_node.html zurück
(20) Touzet, C. (2023), Using AI to support people with disability in the labour market: Opportunities and challenges, OECD Artificial Intelligence Papers, 7, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/008b32b7-en. zurück
(21) Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. (2024). Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der Union. (2024/XXX). https://www.euaiact.com/ zurück
(22) Apt, W., Schubert, M., & Wischmann, S. (2018). Digitale Assistenzsysteme. Perspektiven und Herausforderungen für den Einsatz in Industrie und Dienstleistungen. zurück
(23) Revermann, C., & Gerlinger, K. (2009). Technologies in the context of disability compensation at the workplace. Summary. zurück
(24) GKV Spitzenverband (2024, o.D.). Hilfsmittelverzeichnis. GKV Spitzenverband. https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/home zurück
(25) Link, M., & Hamann, K. (2019). Einsatz digitaler Assistenzsysteme in der Produktion. Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 114(10), 683-687. zurück
(26) Feichtenbeiner, R. & Beudt, S. (2022). Transformation, KI und Inklusion. Gestaltungsansätze für die Entwicklung, Einführung und Anwendung KI-gestützter Assistenztechnologien in der beruflichen Rehabilitation und auf dem Arbeitsmarkt. Ergebnisbericht des Projekts KI.ASSIST. Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V. zurück
(27) Be My Eyes (o.D.). See the world together. Be My Eyes. https://www.bemyeyes.com zurück
(28) https://www.ki-assist.de/ zurück
(29) https://ki-kompass-inklusiv.de/ zurück
(30) Blanc, B. & Beudt, S. (2022). Monitoring KI-gestützter Assistenztechnologien für Menschen mit Behinderungen. Stand der Entwicklungen und Trends. Ergebnisbericht des Projekts KI.ASSIST. Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V.
Download unter: https://www.ki-assist.de/fileadmin/ki_assist/Medienkatalog/Blanc_2022_KI.ASSIST_Monitoring_final.pdf zurück
(31) Blanc & Beudt, 2022. zurück
(32) Blanc & Beudt, 2022. zurück
(33) WeWALK (2024, o.D.). Introducing Brand New AI Integrated Smart Cane. WeWalk. https://wewalk.io/en/ zurück
(34) Zhou, H., Hou, K. M., Zuo, D., & Li, J. (2012). Intelligent urban public transportation for accessibility dedicated to people with disabilities. Sensors, 812(), 10678-10692. zurück
(35) Venkat (2018, 15. August). HoloLens App Can Help Blind People Navigate. Assistive Technology Blog. https://assistivetechnologyblog.com/2018/08/hololens-blind-people-navigate.html zurück
(36) Chang, W. J., Chen, L. B., Hsu, C. H., Chen, J. H., Yang, T. C., & Lin, C. P. (2020). MedGlasses: A wearable smart-glasses-based drug pill recognition system using deep learning for visually impaired chronic patients. IEEE Access, 8, 17013-17024. zurück
(37) SeeingAI, o.D. zurück
(38) OrCam (o.D.). OrCam MyEye 3 Pro. OrCam. https://www.orcam.com/en-us/orcam-myeye-3-pro zurück
(39) Be My Eyes, o.D., SeeingAI, o.D. zurück
(40) SeeingAI, o.D. zurück
(41) Blanc & Beudt, 2022. zurück
Künstliche Intelligenz als praktische Hilfe für den Alltag - ein Erfahrungsbericht
Von Andrea Katemann
Eine Bahnfahrt mit Problemen und Erkenntnissen
Ich war, so dachte ich, mit der Bahn auf der Reise von Gießen nach Marburg. Doch bald merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Ein Ort, der sich wie "Wetzlar" anhörte, wurde durchgesagt. Ich stieg aus dem Zug, weil ich inzwischen bemerkt hatte, dass ich durch ein Missverständnis meiner sehenden Begleitperson, die mich in Gießen in den Zug brachte, im falschen Zugteil saß. Ich stand an einem Bahnhof, es raste ein Güterzug vorbei. Links befand sich das Gleis, rechts die Böschung. Eine Durchsage gab es nicht, die im Zug hatte ich nur halb verstanden. Ich zückte mein Smartphone, öffnete eine App und machte ein Foto. Ich erhielt die Beschreibung, dass ich mich an einem Bahnhof befände, gegenüber, auf der anderen Seite gäbe es eine Überdachung, einen Fahrplan und ein Schild mit der Aufschrift "Bahnhof Werdorf". Nach dieser Beschreibung begann ich mich, interessanterweise, schon etwas wohler zu fühlen. Natürlich war mir noch überhaupt nicht klar, ob ich auf die andere Seite musste, um wieder in die richtige Richtung fahren zu können, denn die Gleisnummer, an der ich mich befand, war mir nicht vorgelesen worden. Auch war mir nicht bekannt, wo ein Weg auf die andere Seite führte, denn eine Treppe oder Ähnliches fand ich nicht. Sehr schnell lösten sich zum Glück alle Probleme, denn es kam eine nette Frau, die mich auf die andere Seite brachte. Man musste noch über eine Brücke laufen, und die Treppen hinunter waren sehr ungleichmäßig.
Jede Person, die blind ist und die regelmäßig Zug fährt, hat sich sicherlich schon einmal in einer ähnlichen Situation befunden und konnte (hoffentlich) für sich eine Lösung finden.
Ist künstliche Intelligenz hier nötig?
Man kann sich nun fragen, an welcher Stelle mir die künstliche Intelligenz geholfen hat, denn ein Standort, an dem man sich gerade befindet, lässt sich auch ohne eine App, die meine Umgebung fotografiert und sie mir dann beschreibt, herausfinden. Allerdings hatte ich durch die App das Gefühl, herausgefunden zu haben, dass es sich hier tatsächlich um einen kleinen Bahnhof handelt, denn bei einem weiteren Foto wurden mir auch Parkplätze beschrieben. Es gab aber einen anderen, in der Situation hilfreichen Punkt: Ich war vollkommen fasziniert davon, wie genau ich mir mit den Apps "Be My Eyes" und "Seeing AI" die Umgebung beschreiben lassen konnte. Ich war also abgelenkt und beschäftigt. Auf diese Weise habe ich die unterschiedlichen Stärken der beiden Apps herausgefunden.
Ein Blick zurück: Die App "TapTapSee"
Das Beschreiben von Bildern begann bereits vor neun oder zehn Jahren mit der App "TapTapSee". Diese habe ich am Bahnhof nicht benutzt. Damals war sie geradezu revolutionär, und wir feierten im Dienst beim Mittagessen, dass sie tatsächlich ein Braille Buch als solches erkannt hatte, was einem heute beinahe selbstverständlich vorkommt. Trotzdem habe ich sie noch gerne auf meinem Smartphone, und sie soll nachfolgend kurz vorgestellt werden, bevor ich dann auf die moderneren, zur Verfügung stehenden Apps eingehe.
TapTapSee bietet die Möglichkeit, sehr schnell eine kurze Bildbeschreibung zu bekommen. In den Einstellungen lassen sich die Bilder beim Fotografieren auch automatisch in der Galerie speichern, sodass man sie auch weiter verschicken könnte. Die Beschreibungen gehen über Sätze wie "Eine Frau vor einem Computer auf einem braunen Holztisch" nicht hinaus. Doch ist für mich immer noch wichtig, dass man recht schnell die Farben von Kleidungsstücken herausfinden kann. Auch werden Gegenstände recht zuverlässig erkannt. Manche Lebensmittel sind auch grob erkennbar. So erhält man die Beschreibung einer Müslipackung, doch die entsprechende Marke wird nicht immer dazu gesagt.
Künstliche Intelligenz ersetzt Gemeinschaft? Eindrücke zu "Be My Eyes"
"Be My Eyes" ist ursprünglich entstanden, um für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen eine Möglichkeit zu bieten, für Hilfe, die sich aus der Ferne erledigen lässt, schnell weltweit Personen zur Verfügung zu haben. Es gibt die Option, über die App einen Anruf auszulösen und eine Person, die gerade Zeit hat, meldet sich. Menschen, die blind oder sehbehindert sind, können dieses bei der Installation der App angeben und Menschen, die ehrenamtlich als Hilfspersonen zur Verfügung stehen, ebenfalls. Hat man dann die "Hilfsperson" am Handy, kann man sich bei allem, was über die Kamera am Smartphone sichtbar ist, helfen lassen. Diese Hilfe kann beispielsweise darin bestehen, aus einem Dokument eine bestimmte Passage vorgelesen zu bekommen, die Farbe eines Kleidungsstückes zu erkennen, Lebensmittel zu sortieren oder man möchte Hilfe bei medizinischen Tests. In meinem Bekanntenkreis gibt es Personen, die auf diese Weise einen Corona-Test gemacht haben.
Spannend ist aber nun ein ganz anderer Punkt: Inzwischen benötigt man für viele Hilfeleistungen keine sehende Person mehr, da die App selbst mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz Bilder beschreibt, und man zudem die innovative Möglichkeit hat, gezielt Fragen zu einem Foto zu stellen. Manchmal hat man beispielsweise die Situation, dass der Computer unter Windows nicht mehr spricht. Selbst wenn man dann drei Screenreader auf dem Rechner hat und in der Lage ist, alle drei durch Tastenkombinationen zum Sprechen zu bringen, kann es immer noch passieren, dass man nichts hört. Nun kann man mit Be My Eyes ein Foto machen. Man erfährt dann vielleicht, dass ein Computerbildschirm mit unterschiedlichen Symbolen darauf zu sehen ist. Nun kann man fragen, ob weitere Details sichtbar sind, und sich auf diese Weise durch Fragen und evtl. durch ein neues Foto aus einer anderen Perspektive erschließen, dass gerade mal wieder eines der beliebten Windows Updates installiert wird, und der Computer gerade deshalb außergewöhnlich lange schweigt. Auch lässt sich auf diese Weise das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln herausfinden, da nicht nur Bilder beschrieben werden, sondern auch der Text auf den Bildern vorgelesen wird. Auch lässt sich durchaus ein Urteil dazu bekommen, ob sich auf Kleidungsstücken Flecke oder Flusen befinden. Immer, wenn man diese App einsetzt, so mein Eindruck, entdeckt man wieder etwas Neues. Genau darin liegt der Vorteil im Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Praxis. Die Programme sind sehr schnell trainierbar. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass man über die App auch ein Verzeichnis mit Kontaktadressen zu Institutionen finden kann, die sich mit dem Thema Blindheit beschäftigen. Hier kann man auch Organisationen melden, die in das Verzeichnis aufgenommen werden sollen.
Licht-, Farb-, Personen- und Texterkennung in einer App
Eine weitere App, die ich unter anderem auf dem Bahnhof in Werdorf benutzt habe, heißt "Seeing AI". Hier werden unterschiedliche Funktionen angeboten: Das Erkennen von Text, das Lesen eines Dokumentes, die Zuordnung von Lebensmitteln, das Erfassen von Währung, eine Möglichkeit zu hören, wieviel Licht um einen herum ist, und die interessanten beiden Funktionen des Beschreibens einer Szene und einer Person. Auf dem Bahnhof in Werdorf hatte ich einerseits Zeit und andererseits Lust, mich mit dem Beschreiben von Szenen genauer zu beschäftigen. Macht man ein Foto, erhält man eine sehr kurze Beschreibung, wie man sie beispielsweise auf einer Webseite als kurzer "Alternativtext" finden würde wie "zwei Personen auf einer Straße" oder "eine Straße mit Bäumen". Es gibt dann die Möglichkeit, sich die Szene detailliert beschreiben zu lassen. So bekommt man ein Bild davon, auf welche Weise die fotografierten Gegenstände zueinander in Beziehung stehen. Weiterhin gibt es einen Modus, mit dem man die Beziehung von Gegenständen zueinander eigenständig versuchen kann zu "begreifen". Man fährt mit seinem Finger über den Bildschirm des Smartphones und bekommt gesagt, welcher Gegenstand sich gerade unter dem Finger befindet. Die Möglichkeit eines Chats, also zur genaueren Nachfrage, welche Details auf einem Bild noch zu sehen sind, hat man nicht. Man kann allerdings die beiden Apps auch miteinander kombinieren, denn Seeing AI bietet die Möglichkeit, Fotos zu Speichern. Somit lassen sie sich auch an sehende Freunde verschicken oder aber, wenn sie gespeichert sind, in Be My Eyes importieren und beschreiben. Bei beiden Apps lässt sich sagen, dass sie sowohl für das iPhone als auch für Smartphones mit dem Android- Betriebssystem verfügbar sind. Sie sind recht intuitiv bedienbar.
Komfortables Lesen der Post mit dem Smartphone
Früher war es üblich, seine Post, sofern man sie sich nicht von einem Menschen vorlesen ließ, mit einem Scanner am PC durchzusehen. Heute wird dieses, so mein Eindruck, häufig am Smartphone erledigt, und ich gehöre sozusagen auch zum Mainstream. Für mich ist hier eine echte Glanzleistung die App "Lookout" von google, die es leider nur für Android-Geräte gibt. Geburtsblind stehe ich immer wieder vor dem Rätsel, wie weit man die Kamera des Smartphones vom Papier weghalten muss, damit die Schrift gelesen werden kann. Auch ist es mit etwas Übung verbunden zu lernen, die Kamera gerade zu halten. Hier bietet die App aus meiner Sicht sehr gute Unterstützung. Sie macht Live Videos von meinen Aktionen und hat somit die Möglichkeit, mich beim Lesen von Dokumenten sehr exakt zu dirigieren. Man hört Sätze wie "Gerät näher heranbewegen", "Gerät nach unten links bewegen", "Gerät nach oben bewegen" usw.
Auf die Weise habe ich immer mehr Übung darin bekommen, mit der Kamera Texte zu erkennen. Andere Erkennungsapps sagen Dinge wie "nicht alle Kanten sind sichtbar", was auch schon eine Hilfe ist, doch komme ich mit den eben genannten, exakten Anweisungen besser zurecht. Lookout bietet Funktionen wie Bildbeschreibung, einen Erkundungsmodus, einen zum Erkennen von Währung, einen zum Suchen von Gegenständen und denjenigen zum Beschreiben von Bildern an. Der Modus zur Suche ist noch in der Beta-Phase, könnte aber, wenn er noch optimiert wird, eine Hilfe sein, da er Gegenstände, die man aus einer Liste auswählt, in Beziehung zur persönlichen Position setzt. So sagt er durchaus zutreffend an, wenn sich ein Stuhl rechts neben der Person befindet. Dabei wäre es besonders gut, wenn man Elemente des jetzigen Erkundungs- mit dem Suchmodus mischen könnte, denn im Erkundungsmodus werden einem zwar Gegenstände genannt, die sich in der Nähe befinden, doch bekommt man nicht mitgeteilt, wo sie sind. Da Lookout in sämtlichen Situationen in der Lage ist, Text zu erkennen, habe ich auf die Weise schon aus dem fahrenden Bus ein Werbeplakat für eine Theateraufführung gelesen, als ich die Kamera aus dem Fenster gehalten habe. Das hat mich, ich gebe es zu, sehr beeindruckt.
"Neue" Fragen zur eigenen Verantwortung und zum Datenschutz
Als ich nun im richtigen Zug nach Marburg saß, machte ich Fotos, indem ich meine Kamera aus dem Zugfenster hielt. Doch da meldete sich ein anderer Gedanke: Bekomme ich gerade eine Person auf mein Bild? Was denkt sich die Person über mich? Möchte sie überhaupt fotografiert werden? Darf ich das Bild überhaupt speichern? Bei welchen Aktivitäten "erwische" ich Personen? Mir ist klar, dass ich oft fotografiert werde, ohne dass ich es merke. Anschließend werden meine Bilder vermutlich wesentlich häufiger, als ich es denke, in sozialen Netzwerken geteilt.
Bisher musste ich mich bezüglich des Fotografierens nicht mit meiner eigenen Verantwortung für die Themen Datenschutz und Achtsamkeit bei Personen beschäftigen, habe ich doch bisher kaum Fotos "geteilt". Auf meiner Zugfahrt ging es mir überhaupt nicht darum, Bilder weiter zu verbreiten. Ich wollte ausschließlich wissen, was mir alles beschrieben wird. Natürlich habe ich es, das gebe ich zu, interessant gefunden, eigenständig etwas mehr darüber herauszufinden, was Personen um mich herum machen. So habe ich wahrgenommen, dass der Mensch mir gegenüber, er wurde als Mann erkannt, gelesen und "nachdenklich" aus dem Fenster gesehen hat. Bei aller Faszination über die Bildbeschreibungen habe ich mich dann bald dazu entschlossen, das Fotografieren zu stoppen und Musik zu hören. Ich bin gespannt, ob bei meinen nächsten Zugfahrten das Interesse darüber, was die Personen um mich herum machen, oder dasjenige des Zweifelns darüber, ob man aus Datenschutzgründen Fotos machen sollte, siegt. Ich sehe immer noch einen Unterschied zu den Fotos von sehenden Menschen: Sie können, wann immer sie wollen, beobachten, was Personen um sie herum machen, und im Zug ist dies absolut normal. Für mich ist das eigenständige "Beobachten" immer noch etwas Besonderes.
Bildcollage: Wer eine Szene (großes Bild links) mit dem Handy fotografiert hat (kleines Bild oben) kann sie sich z. B. mit der KI-basierten App Be My Eyes beschreiben lassen (kleines Bild unten) und erfährt so Näheres, beispielsweise über Strandkörbe, Möwe, Waldnähe und Bewölkung. Foto mit Möwe: Claudia Gerike
Der KI lieber doch nicht ganz blind vertrauen
Von Oliver Nadig
Seite 7 in einem Skript zur theoretischen Informatik; ich stoße auf die erste bedeutungstragende Abbildung. "a b c d Grafik" sagt mein Screenreader, als ich im Adobe Acrobat Reader die entsprechende Stelle erreiche. "Ein kleines Beispielnetzwerk aus vier Knoten", vermute ich und bin neugierig, wie die Netzwerkknoten untereinander in Verbindung stehen. Ich drücke EINFÜGEN+LEERTASTE, danach ein P, danach ein C. Auf diese Eingabefolge hin übergibt der Screenreader die fokussierte Grafik zur Analyse und Beschreibung an eine KI - und die sagt mir das Folgende:
"Das Bild zeigt ein einfaches Diagramm mit vier Kreisen, die durch Linien miteinander verbunden sind. Die Kreise sind mit den Buchstaben ‚A’, ‚B’, ‚C’ und ‚D’ beschriftet. ‚A’ ist mit ‚B’ und ‚D’ verbunden. ‚B’ ist zusätzlich mit ‚D’ verbunden. ‚C’ steht isoliert und hat keine Verbindung zu den anderen Kreisen".
Diese Information ist für das Verständnis der sogenannten Netzwerktopologie vollkommen ausreichend, das heißt, ich weiß - vermutlich - jetzt, welcher der vier Knoten mit welchen anderen Knoten direkt oder indirekt kommunizieren kann. Details dazu, welcher Netzknoten wo auf der Abbildung platziert ist, hat mir die KI noch nicht verraten. Kein Problem: Unterhalb der Beschreibung gibt es den Link "Weitere Informationen bekommen", den ich umgehend aktiviere. In den nun eingeblendeten Erläuterungen erfahre ich, dass zum Einholen detaillierterer Informationen gleich zwei KIs befragt werden, nämlich Claude und ChatGPT.
Claude hat die folgenden Informationen für mich:
"Das Bild zeigt vier graue, kreisförmige Objekte, die durch Linien miteinander verbunden sind. In der Mitte jedes Kreises befindet sich eine dunkle, undeutliche Form. Die Kreise sind in einer Art Rechteck angeordnet. Der Hintergrund ist verschwommen und hell, möglicherweise weiß oder hellgrau. Es handelt sich offensichtlich um eine abstrakte, geometrische Darstellung ohne erkennbaren Kontext oder tiefere Bedeutung".
Alles klar, das war ein Reinfall, also schnell weiter zu den Erkenntnissen von ChatGPT:
"Das Bild zeigt ein einfaches Diagramm bestehend aus vier Kreisen, die durch Linien miteinander verbunden sind. Jeder Kreis enthält einen Buchstaben:
- Der obere linke Kreis enthält den Buchstaben ‚A’.
- Der obere rechte Kreis enthält den Buchstaben ‚B’.
- Der untere linke Kreis enthält den Buchstaben ‚C’.
- Der untere rechte Kreis enthält den Buchstaben ‚D’.
Die Kreise sind durch Linien wie folgt verbunden:
- ‚A’ ist mit ‚B’ und ‚C’ verbunden.
- ‚B’ ist mit ‚D’ verbunden.
- ‚C’ ist mit ‚D’ verbunden.
Dieses Diagramm könnte einen einfachen grafischen Netzwerkplan darstellen."
So, nun kann ich's mir aussuchen: Laut der ersten Beschreibung ist "C" ein isolierter Knoten, weil er keinerlei Verbindung zu einem anderen Element hat; laut Detailbeschreibung hat sowohl "A" als auch "D" eine Verbindung zu "C". Insgesamt ergibt sich aus der Detailanalyse von ChatGPT eine ganz andere Netzwerkstruktur als durch die Anfangserläuterungen.
Glücklicherweise muss ich weder verzweifeln noch eine sehende Assistenzperson zu Hilfe rufen: Unterhalb der Abbildung wird im Skript die Netzwerktopologie in Textform wiedergegeben. Ich erfahre, dass die einfache Anfangsbeschreibung der KI richtig, die Detailangaben von ChatGPT entsprechend falsch sind. Leider verfügt keine andere Grafik im Skript über eine derartige Textbeschreibung - Verwirrung ist deshalb bei den Folge-Abbildungen wohl garantiert!
"Aller guten Dinge sind mindestens zwei", denke ich und gebe der KI noch eine Chance für eine wiederholte Detail-Erläuterung. Hat ChatGPT im ersten Durchgang noch eine Verbindung zwischen "C" und "D" erkannt, so fehlt diese Verbindung in der zweiten Beschreibung. Hat die erste Detailbeschreibung durch ChatGPT noch nahegelegt, dass die vier Knoten die vier Ecken eines Rechtecks bilden, schreibt die KI im zweiten Anlauf:
"Die Kreise und Linien bilden eine Art geometrische Anordnung, die einem Dreieck mit einem zusätzlichen Punkt in der Mitte ähnelt."
Kurzer Themenwechsel. Kommen wir von künstlichen neuronalen Netzen zu einer Technik, der ich mehr Vertrauen entgegenbringe: Meiner sprechenden Personenwaage. "Dieses Teil weiß wenigstens, wovon es redet", möchte ich sagen, und das hat zwei Gründe: Eine Personenwaage "misst" immer genau das, was sie messen soll: Das Gewicht - nicht den Blutdruck, nicht die Zimmertemperatur, nicht meine morgendliche Laune - nein: stets das Gewicht! In der Messtheorie sagt man: Wenn ein Messinstrument genau die Eigenschaft misst, die es zu messen vorgibt, so produziert es eine valide Messung. Die Waage arbeitet aber nicht nur valide, sie misst auch verlässlich bzw. genau oder "reliabel", wie es in der Messtheorie heißt: Wenn ich mich direkt nacheinander mehrmals in identischer Weise auf die Wiegeplattform stelle, ermittelt die Waage - von kleinen Toleranzen einmal abgesehen - auch stets das gleiche Gewicht. Fazit: Ein Analyse-Werkzeug ist erst dann vertrauenswürdig, wenn seine Angaben sowohl valide als auch reliabel sind.
... Und nun zurück zu den KIs und unseren Bildbeschreibungen: Claude hat keine valide Beschreibung geliefert, sondern sozusagen das Thema verfehlt. Anstatt das abgebildete Objekt als Netzwerk zu erkennen, hält er es für "eine abstrakte, geometrische Darstellung ohne erkennbaren Kontext". ChatGPT hat zwar in beiden Fällen das gezeigte Objekt als Netzwerk erkannt, sich aber hinsichtlich der Details (der Art und Weise, wie die Netzknoten untereinander verbunden sind) zweimal auf verschiedene Weise geirrt und damit keine reliablen Angaben gemacht.
Wären die gerade geschilderten KI-Irrtümer selten oder ließen sie sich schwer reproduzieren, würde ich sie als bedauerliche Einzelfälle abtun und die KIs verteidigen: Seht mal, diese generativen großen Sprachmodelle wie ChatGPT, Claude und Co. sind erst wenige Jahre alt, das steckt doch alles noch in den Kinderschuhen und verbessert sich laufend - man weiß ja, dass künstliche Intelligenz nicht perfekt ist, schließlich ist es die natürliche auch nicht - Halluzinieren gehört eben zum Handwerk ha, ha, ha ...
Es ist aber nun einmal so, dass ich viele mathematisch-naturwissenschaftliche Fachtexte lese und die geschilderten Ungereimtheiten bei gefühlt jeder zweiten KI-generierten Bildbeschreibung auftreten.
Andere Menschen haben andere Hobbys, und ich selbst weiß aus eigenen Versuchen, dass KIs bei der Bildbeschreibung wesentlich besser performen, wenn sie Szenen aus dem Alltagsleben analysieren sollen. Wer sich also beispielsweise mit der App "Be my Eyes" in der Wohnung oder im Freien gemachte Fotos erläutern lässt, hat vielleicht noch nie wirklich negative Erfahrungen mit KI-generierten Bildbeschreibungen gemacht. Umgekehrt muss ich aber alle, die mir Bildbeschreibungen mittels KI als nahezu perfektes Werkzeug anpreisen, mit meinen durchwachsenen Ergebnissen im Bereich mathematisch-naturwissenschaftlicher Abbildungen konfrontieren.
Bewährtes nicht zu schnell aus der Hand geben
Zugegeben, die vorangegangenen rund 7.000 Zeichen KI-Kritik sind mir nicht ganz leicht gefallen, denn Künstliche Intelligenz hat auch mir schon viele wertvolle Dienste erwiesen: Gezielte Fragen zu vorher hochgeladenen Speisekarten Marburger Restaurants richtig beantwortet, Anregungen zur Klausur-Erstellung anhand meiner Lehrtexte gegeben und mich in Grundfragen des Rechnungswesens weitergebildet. Immer wieder aber begegne ich Menschen, die KI vom wertvollen Werkzeug zur Lösung nahezu aller Probleme hochstilisieren, und zwar insbesondere derjenigen, vor denen wir als Menschen mit Sehbehinderung bzw. Blindheit stehen. Davor möchte ich ausdrücklich warnen und auch davor, bewährte Werkzeuge aus Zeiten vor Künstlicher Intelligenz überhastet zum "alten Eisen" zu legen.
Ein Beispiel gefällig: Am 26.06. gab es eine englischsprachige Online-Veranstaltung mit folgendem, von mir ins Deutsche übersetztem Titel: "Wird KI es uns erlauben, alle oder die meisten Vorschriften zur Barrierefreiheit aufzuheben?" Im Original heißt es: "Will AI allow us to dispense with all or most accessibility regulations?" Dieses Meetup mit dem provokanten Titel wird nicht etwa von Barrierefreiheitsgegnern oder politisch rechts orientierten Technik-Profis ausgerichtet. Laut Veranstaltungswebseite https://meetu.ps/e/Nf3h9/Hd0f6/i sind Persönlichkeiten wie Gregg Vanderheiden und Jennison Asuncion beteiligt. Gregg Vanderheiden ist einer der Autoren der WCAG, also der Zugänglichkeitsrichtlinien für barrierefreie Webinhalte, und hat damit den technischen Standard zur barrierefreien Webgestaltung schlechthin entscheidend mitgeprägt; Jennison Asuncion hat 2012 den Welt-Barrierefreiheitstag (Global Accessibility Awareness Day, GAAD) mit ins Leben gerufen. Dieser wird am dritten Donnerstag im Mai weltweit begangen und ist eine Werbeplattform für digitale Zugänglichkeit und Nutzbarkeit.
Selbst wenn der Titel hauptsächlich als Publikumsmagnet oder Denkanstoß dienen sollte: er ist unglücklich gewählt. Gerade, wenn KI beim Prüfen und Herstellen von digitaler Barrierefreiheit unterstützen soll, dann muss sie das doch nach klaren Regeln tun, die wir Menschen vorgeben! Man hätte besser gefragt: "Wird es uns möglich sein, zukünftig Aufgaben im Zusammenhang mit digitaler Barrierefreiheit an die KI abzugeben?".
Passen wir also gemeinsam auf, dass uns auf der wackeligen Grundlage zukünftiger Verheißungen keine gegenwärtig wertvollen Instrumente wie die Bemühungen um - aktuell noch meist manuell hergestellte - digitale Barrierefreiheit aus der Hand genommen werden. Ganz persönlich tanze ich nämlich äußerst ungern zu Zukunftsmusik. Schon meine Oma hat mir Anfang der 1980er Jahre versprochen, dass die Menschheit in spätestens zehn Jahren künstliche Augen herstellen könnte - in Japan gäbe es die eventuell sogar schon. Weil das aber mit den künstlichen Augen augenscheinlich nichts geworden ist, mag ich auch der Künstlichen Intelligenz lieber nicht ganz blind vertrauen.☺
Literaturhinweis
Wer selbst einmal die KI seines Vertrauens mit der oben beschriebenen Netzwerk-Abbildung auf die Probe stellen möchte, lädt sich unter https://www.tcs.uni-luebeck.de/de/mitarbeiter/tantau/lehre/lectures/TheoretischeInformatik-2009.pdf das Vorlesungsskript "Theoretische Informatik", Wintersemester 2009, Fassung vom 25. November 2018 von Prof. Till Tantau, Universität Lübeck herunter. Auf Seite 7 unter dem Text "Beispiel: Graphen als Texte" befindet sich die besagte Grafik.
Zum Autor
Dipl.-Psych. Oliver Nadig ist Rehabilitationslehrer für EDV und elektronische Hilfsmittel. Der 51-Jährige hat in den 1990er Jahren Psychologie und Informatik in Marburg studiert und ist seit 2001 Mitarbeiter der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista). Er ist Mitglied im Fachausschuss für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT) der überregionalen Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfeorganisationen und Autor mehrerer Beiträge zur Barrierefreiheit, unter anderem einer Anleitung zur Nutzung von PDF-Dokumenten für blinde Computernutzer. Ehrenamtlich engagiert er sich außerdem im Leitungsteam der DVBS-Fachgruppe MINT.
Bild: Oliver Nadig lächelt. Er hat braune Augen und braunes Haar und trägt ein helles, fliederfarbenes Hemd. Foto: privat
Schreiben mit Künstlicher Intelligenz
KI im beruflichen Alltag einer Autorin
Von Dr. Elke Irimia
In den letzten zwölf Monaten wird kein anderes Thema so kontrovers und impulsiv diskutiert wie das Thema Künstliche Intelligenz. Die Gründe liegen auf der Hand: KI-Systeme lernen und trainieren durch die vom Benutzer eingegebenen Daten. Trainierende Systeme können über kostenlos bereitgestellte Schnittstellen, wie Google, die Datenkraken großer Konzerne füttern. Diese wiederum schaffen durch die Art und den Umfang der Bereitstellung von Daten eine Abhängigkeit.
Im Hinblick auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz bestehen zurecht große Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Künstliche Intelligenz kann nicht nur Text erzeugen, sondern ebenso Bilder, Videos und Toninhalte. Auch hier besteht das Risiko, dass sich personenbezogene Daten im Trainingsmaterial befinden und diese im finalen Ergebnis wiederfinden. Die Verwendung von Bildern oder Stimmen real existierender Personen kann einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte darstellen. Bedenklich ist, dass manche KI-Systeme ihre Berechnungen nicht lokal, sondern auf Servern des Anbieters ausführen. Hier droht die Übermittlung personenbezogener Daten auf fremde Systeme, die sich womöglich außerhalb des Landes oder gar außerhalb der EU befinden. Der Datenschutz ist dort unter Umständen nicht gewährleistet.
Ich arbeite als Filmbeschreiberin, Sensitivity Readerin und Autorin. In diesem Beitrag möchte ich einen Überblick über den Einsatz der künstlichen Intelligenz geben.
Für mich bedeutet KI eine Umstrukturierung meines beruflichen Alltags, aber vor allem ein Umdenken.
In der Audiodeskription wird der Anteil der Audiodeskription für Text to speech (TTS) ansteigen. Netflix lässt bereits seit mehreren Jahren die Texte der Filmbeschreibung komplett von einer KI sprechen.
Für Texter und Redaktionen bedeutet das, dass bei der Texterstellung nicht nur die Inhalte des Films richtig beschrieben werden müssen, sondern dass auch auf die korrekte Aussprache und Betonung durch die künstliche Stimme geachtet werden muss. Ich muss der KI beibringen, wie Ausdrücke ausgesprochen und betont werden sollen. An einem einfachen Beispiel erklärt bedeutet das, dass ich "Älex" anstatt "Alex" schreibe, wenn die KI den Namen, dem Ton im Film entsprechend, englisch aussprechen soll.
Doch nicht nur Streamingdienste wie Netflix und Amazon, sondern auch andere Filmproduktionen beauftragen, trotz der höheren Kosten, zunehmend die Erstellung einer Audiodeskription für TTS.
Auf dem Buchmarkt hat die Künstliche Intelligenz längst schon Fuß gefasst. 2019 erschien bei Springer Nature das erste wissenschaftliche Werk. Am 26.08.2021 erschien in Südkorea der erste vollständig von einer KI geschriebene Roman. Wer heute bei Amazon reinschaut, entdeckt immer mehr Buchveröffentlichungen mit dem Zusatz: "von der künstlichen Intelligenz geschrieben". Gleiches trifft für Wettbewerbe zu. Hier gibt es inzwischen eine gesonderte Sparte für KI-geschriebene Romane.
Als problematisch angesehen werden könnten dabei all die Fälle, bei denen eine KI zur Recherche eingesetzt wird oder um den Roman zu planen. Hier gilt noch keine Kennzeichnungspflicht, da von einer Urheberschaft der jeweiligen Autoren ausgegangen wird.
Wird mir, im Rahmen des sensiblen Lesens, ein Roman zum Lektorat vorgelegt, ist die Recherche nach einem Synonym gelegentlich notwendig. Viele Sensitivity Reader nutzen zur Recherche ChatGPT von OpenAI. Ich gebe einen Begriff bei OpenAI ChatGPT ein und prompte dann. Prompten heißt, dass ich der KI konkrete Anweisungen gebe, was sie tun soll. Angenommen ich suche einen anderen Ausdruck für: "Sitzt im Rollstuhl", dann schreibe ich in das Eingabefeld: "Sitzt im Rollstuhl". Darunter schreibe ich als Anweisung für ChatGPT: "1. Suche ein anderes Wort oder Synonym." Die KI sucht mir darauf ein Synonym.
Möchte ich mit Hilfe der künstlichen Intelligenz einen Roman schreiben, muss ich einiges beachten. Bevor ich meinen Roman entwickeln und planen kann, muss ich der KI ihre Rolle zuweisen.
Dazu schreibe ich bei ChatGPT in das Eingabefeld die Rolle, die ich der KI zuweisen will. Anschließend schreibe ich die Romanidee in einem kurzen Text, den ich dann unter die zugewiesene Rolle in das Eingabefeld der KI einfüge. Darunter prompte ich wieder.
Das könnte so aussehen:
"ChatGPT du bist eine Krimi-Autorin.
- Schreibe mir einen Plot.
- Welches Motiv könnte Sibylle haben, Gerry zu töten?
- Wer könnte hier noch als Verdächtiger infrage kommen?
- Wie könnte sich Antons Flucht aus dem Bunker abspielen?"
Aber das Prompten will auch gelernt sein, denn das Ergebnis ist lediglich so gut wie die eingegebenen Anweisungen.
Allerdings sollte das Ergebnis nicht eins zu eins übernommen werden. Vielmehr dient es lediglich als Grundlage des Romans. Der so gewonnene Text der Romanhandlung muss noch durch Erfahrungen des Autors und durch Emotionen ersetzt werden. Noch sind die Kenntnisse der künstlichen Intelligenz, was Emotionen betrifft, sehr rudimentär. Das aber kann sich, vor allem durch spezifische Tools, rasch ändern.
Zukünftig werden für die einzelnen Berufsfelder spezifische Tools entwickelt werden, die die eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Seit drei Jahren entwickeln und planen Autoren ihre Romane bereits mit der künstlichen Intelligenz Neuroflash. Diese bietet ein einfacheres und schnelleres Arbeiten an als es ChatGPT kann. Zudem beherrscht sie bereits ein Spektrum an menschlichen Emotionen, Empfindungen und Stimmungen. Zudem handelt es sich um ein geschlossenes System.
Wegen der fehlenden Barrierefreiheit kann das KI-Tool jedoch nicht von blinden und sehbehinderten Anwendern genutzt werden.
KI wird zukünftig sowohl unser Privatleben als auch unseren beruflichen Alltag verändern. Bisher bekannte Berufe und Kompetenzen werden durch neue Berufe und Kompetenzen, wie etwa die des Promptens, abgelöst werden. Künstliche Intelligenz wird den Menschen nicht völlig ersetzen. Wichtig ist ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit den eingegebenen Daten und den Folgen des Einsatzes der Künstlichen Intelligenz.
Zur Autorin
Dr. Elke Irimia (Pseudonym: Elke Jan) studierte zunächst Rechtspflege und arbeitete im Öffentlichen Dienst. Daneben studierte sie Pädagogik, Psychologie, Soziologie und außereuropäische Ethnologie und promovierte. Anschließend schloss sie u. a. Ausbildungen als Biografin, Schreibgruppenleiterin für kreatives Schreiben, im Genreschreiben sowie ein zweijähriges Studium zum Drehbuchautor ab. Ehrenamtlich engagiert sich Dr. Irimia im Leitungsteam der DVBS-Bezirksgruppe Bayern. Mehr über sie gibt es auf der Webseite https://www.elkes-schreibatelier.de
Bild: Dr. Irimia lächelt. Sie hat blaue Augen, silbergrau schimmert der flotte Kurzhaarschnitt. Sie trägt eine weiße Bluse mit Längsstreifen in Pastelltönen. Foto: privat
Dolly hat Sprechen gelernt! Chancen und Gefahren digitaler Stimmen-Zwillinge
Von André Schlegl
Die Weltöffentlichkeit hielt vor Staunen und Skepsis den Atem an, als am 5. Juli 1996 das weltweit erste geklonte Säugetier das Licht der Welt erblickte. Schnell wurden berechtigterweise nicht nur tierschutzpolitische, sondern auch ethische Fragen laut. Werden bereits Menschen geklont? Wie würden sich geklonte Menschen auf das allgemeine Leben auf der Welt auswirken? Und wie nahe sind wir dem Szenario, in dem Menschen nur aus militärischen Gründen geklont und als Armee gegen andere Völker eingesetzt werden?
Diese Fragen kommen zunächst sehr hochtrabend daher. Jedoch können deren Antworten durchaus das Ende bestimmter Gedankenketten bedeuten. Ähnliche Fragestellungen werden beim Thema laut, wenn sogenannte Deepfake-Skandale bekannt werden. Unter Deepfakes versteht man den Aufbau einer Täuschung, mit der anderen Menschen vorgegaukelt werden soll, es handle sich bei einer Audio- oder Videoaufnahme um eine ernstgemeinte und vor allem echte Botschaft.
Ein Beispiel:
Erst vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass beim britischen Ingenieurkonzern Arup ein Mitarbeiter dazu gebracht wurde, umgerechnet 23 Millionen Euro an Betrüger zu überweisen. Innerhalb einer Videokonferenz wurden derart komplexe Audio- und Videoaufnahmen durch künstliche Intelligenz (KI) angefertigt, dass der Angestellte glaubte, mit dem Finanzvorstand des Konzerns zu kommunizieren. Hierbei war die Technik des Voiceclonings, auch "audio deepfake" genannt, maßgeblich mitbeteiligt.
Der digitale Stimmen-Zwilling - Spielerei oder absolute Gefahr?
Seit Beginn der 2020er-Jahre erfreuen sich sämtliche KI-Lösungen, wie ChatGPT, Midjourney, Suno oder ElevenLabs, größter Beliebtheit. In kürzester Zeit lassen sich von ChatGPT Zeitungsartikel verfassen, welche mittels ElevenLabs vertont und mit ansprechenden Fotos von Midjourney ergänzt werden. Da bleibt es nicht fern, dass in privaten Kreisen mal Sätze fallen wie: "Wow, lass mich doch mal singen wie Künstler XY" oder "Ich kaufe mir jetzt nur noch Bücher im ePub-Format und lasse sie von Hollywood-Synchronsprechern lesen."
Seit geraumer Zeit gibt es Dienste, mit denen sich Hörbücher per KI generieren lassen. Jedoch arbeitet die KI nur so gut wie das Transkript, also das Schriftgut, welches der KI-Technik zu Grunde liegt. Hinzukommen die Herausforderungen, wenn es darum geht, das Schriftgut in natürlich klingende Stimme zu verwandeln. Durch stetige Weiterentwicklung existieren mittlerweile KI-Lernmodelle, die nicht nur Frequenz, Tongeschlecht oder grundlegende Melodiemuster von Sprachaufnahmen imitieren, sondern auch mit einer gewissen Trefferwahrscheinlichkeit Satzmelodien und sogar emotionale Stimmlagen auf Basis des vorliegenden Manuskripts berechnen und in Audiosignal umwandeln können.
Wie funktioniert KI und die Technologie des Voiceclonings?
Eine KI funktioniert grundsätzlich nur in einem Verbund. Viele kleinere Programme mit spezifischen Aufgaben analysieren Daten und werden anschließend zusammengetragen und von übergeordneten Programmen ausgewertet. Diese Ergebnisse werden wiederum verarbeitet und erneut von einem Kollektiv aus kleineren Programmen verarbeitet und ausgewertet. Dies geschieht so lange, bis das neuronale Netzwerk mit dem Ergebnis "zufrieden" ist und das Ergebnis nun in Form von Audio, Bild, Video oder Text ausgegeben werden kann. Unser menschliches Gehirn funktioniert exakt genau nach diesem Prinzip. Dabei entsteht das "Zufriedenheitsgefühl" aus der Summe der Teilergebnisse sämtlicher Gruppen innerhalb des Kollektivs.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Wenn Sie beispielsweise einen Kuchenteig kneten, dann tun Sie dies auch nur so lange, bis Sie der Meinung sind, dass jetzt genug geknetet wurde.
Während Sie im Allgemeinen damit beschäftigt sind, einen Kuchenteig zu Kneten, arbeitet Ihr neuronales Netzwerk auf Hochtouren. Sensoren in Ihren Fingerspitzen nehmen die Struktur und Temperatur des Kuchenteigs wahr, Muskeln und Sehnen melden an sämtliche Nervenbahnen, wie leicht oder schwer der Teig zu kneten ist. Aus gelernten Erfahrungen wissen Sie, wie ein Teig grundsätzlich beschaffen sein muss, um als geeignet für die weitere Verarbeitung zu gelten. Haben Sie diese Vorerfahrung nicht, so müssen Sie mit dieser Vorerfahrung "gefüttert" werden. Dies passiert dann wiederum über Bücher zum Thema Backen oder Sie fragen im Kreis Ihrer Freunde oder Familie nach. Wiederholen Sie den Vorgang viele Male und das auch noch intensiv, so spricht man vom sog. "Deep Learning". Sie merken also, eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie "gefüttert" wird, und wie lernbereit diese ist. Übertragen auf die Technologie des Voiceclonings lernt eine KI anhand des vorliegenden Audiomaterials sämtliche Stimmeneigenschaften wie Satzmelodie, Tonhöhe, Formanten etc. auswendig, um die Stimme nachbilden zu können.
Ethische und Sicherheitstechnische Bedenken
Eine der größten Sorgen im Zusammenhang mit Voicecloning ist das Potenzial für Missbrauch. Täuschend echte Stimmnachbildungen könnten für Betrug, Identitätsdiebstahl oder die Verbreitung von Desinformation genutzt werden. Siehe das obige Beispiel hinsichtlich des Ingenieurkonzerns. Ebenso politische Gegner könnten gefälschte Aussagen generieren, um das Ansehen eines Politikers zu schädigen. Solche Szenarien unterstreichen die Notwendigkeit strenger gesetzlicher Regelungen und technischer Schutzmaßnahmen.
Datenschutz und Einwilligung
Ein weiterer kritischer Aspekt betrifft den Datenschutz und die Einwilligung der betroffenen Personen.
Die Erstellung eines Voiceclones erfordert umfangreiche Sprachproben, ein bis drei Stunden Audiomaterial der Zielperson. Ohne deren ausdrückliche Zustimmung stellt dies einen gravierenden Eingriff in die Privatsphäre der Person dar, deren Stimme geklont wird.
Hier müssen klare Richtlinien und ethische Standards entwickelt werden, um den Missbrauch zu verhindern und die Rechte der Individuen zu schützen. Hierzu hat die EU mit dem "AI Act" im Mai 2024 erste Grundlagen zur Regulierung von KI-Technologien gelegt. So werden beispielsweise Gefahrenpotenziale in Gefahrengruppen eingeteilt. Bedeutet: Ein Backautomat mit intelligenter Bilderkennung zur Bestimmung des perfekten Bräunungsgrads von Brötchen bekommt das Prädikat "Bedenkenlos - MINIMAL RISK", während eine KI zur Erzeugung von fotorealistischen Misshandlungen von Menschen das Prädikat "absolute Gefährdung - UNACCEPTABLE RISK" bekommt.
Positive Aspekte und Chancen für Menschen mit Behinderungen
Trotz der genannten Bedenken bietet Voicecloning erhebliche Vorteile, insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Die Technologie kann dazu beitragen, technische Barrieren zu überwinden und die Lebensqualität Betroffener erheblich zu verbessern.
Für Menschen, die ihre Stimme aufgrund von Krankheiten wie ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) oder aufgrund von Unfällen verloren haben, kann Voicecloning eine revolutionäre Lösung darstellen. Durch die Nutzung früherer Sprachaufnahmen kann eine KI die verlorene Stimme nahezu originalgetreu rekonstruieren. Dies ermöglicht Betroffenen, ihre eigene Stimme in der Kommunikation zu nutzen, was eine tiefgehende emotionale Bedeutung hat und die Lebensqualität deutlich steigern kann.
Voicecloning kann auch für personalisierte Assistenzsysteme verwendet werden. Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen Einschränkungen, die auf Sprachassistenten angewiesen sind, könnten von einem System profitieren, das speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene, vertraute Stimmen verwendet. Unternehmen wie Acapella bieten dies bereits seit geraumer Zeit an. Es lässt sich quasi eine Sprachausgabe mit der eigenen Stimme erzeugen. Wenngleich bei einigen Unternehmen derzeit die Erstellung einer solchen KI noch nicht barrierefrei möglich ist und das Aufnehmen von Audiodaten noch fremder Hilfe bedarf.
Die Technologie kann ebenfalls dazu beitragen, barrierefreie Medienangebote zu schaffen. Hörbücher, Nachrichtensendungen und andere audiovisuelle Inhalte könnten mit einer vertrauten Stimme bereitgestellt werden, was für Menschen mit Sehbehinderungen oder Leseschwierigkeiten von großem Vorteil ist. Mittlerweile finden sich auf vielen Nachrichtenportalen Buttons wie "Vorlesen". Hierbei handelt es sich mittlerweile nicht mehr um einfach "Text zu Sprache"-Anwendungen, sondern um KI-Lösungen, die eben nicht nur mittels einer roboterähnlichen Stimme sämtlichen Text zum Klingen bringen, sondern um komplexere Programme, die versuchen, kontextbezogene Emotionen mit in den hörbaren Vortrag aufzunehmen. Dies gelingt, trotz intensiver Entwicklung, derzeit noch mittelmäßig gut. Während nahezu reine Sachtexte gut bis sehr gut vorgetragen werden, bleibt die passende Emotion bei belletristischen oder gar ironischen Texten teilweise aus oder wird fehlinterpretiert, was zu einem negativen Hörerlebnis führt. Anzumerken sei hier, dass Ironie für eine KI ein Meisterstück der Meisterklasse darstellt. Ironie ist menschengemachte Komplexität in Reinform und bildet ein Kommunikationsverhalten, welches sich bisher nur mit sehr viel Aufwand künstlich nachbilden lässt.
Zum Autor
André Schlegl ist Tontechniker sowie Informatikkaufmann. Seit 2016 arbeitet er in der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) und ist dort für die Deutsche Blinden-Hörbücherei (Audioproduktionen), das Kompetenzzentrum für barrierefreie IT (u. a. Zugänglichkeitstests sowie Schulung externer Kunden zur Barrierefreiheit) und die Veranstaltungstechnik tätig. Er unterstützt außerdem Schüler*innen mit Hör-Sehbeeinträchtigungen hinsichtlich akustischer Hilfsmittelsysteme.
Bild: André Schlegl sitzt mit Kopfhörer im DBH-Tonstudio vor zwei Bildschirmen. Er hat dunkles, welliges Haar und ein markantes Nasenprofil. Foto: blista
Meine Erfahrungen mit KI
Von Stefan Jansen
Zu meiner Person
Ich bin fast 50 Jahre alt und seit Geburt an vollblind. Zusammen mit meiner Lebenspartnerin, die ebenfalls blind ist, lebe ich in einer Wohnung in Tübingen. Wir gestalten dort unseren Alltag so selbstständig wie möglich, was bedeutet, dass wir beispielsweise auch unseren Haushalt ohne fremde Hilfe führen. Von Beruf bin ich Software-Entwickler, was nahelegt, dass ich mich schon von Berufs wegen hin und wieder mit künstlicher Intelligenz beschäftige, da sie auch dort in vielen Bereichen Einzug hält.
KI in meinem Alltag
Zu Hause beschränkt sich der Einsatz von KI bisher auf die Nutzung der Sprachassistentin Alexa auf diversen Smartspeakern sowie gelegentlich die Bildbeschreibung von Be My Eyes. Wenn man von KI spricht, muss man sich der enormen Spannbreite dieses Teilgebiets der Informatik bewusst sein. Außerdem ist die Frage, was man nun genau unter Künstlicher Intelligenz oder unter Intelligenz im Allgemeinen versteht, gar nicht so leicht zu beantworten. Viele Softwaresysteme, die intelligent wirken, weil sie beispielsweise auf menschliche Sprache reagieren und mehr oder weniger gut mit dem Benutzer einen Dialog führen können, sind es in Wirklichkeit nicht. Andere Dinge, die man früher noch auf klassische Weise mit herkömmlichen Algorithmen gelöst hat, sind heutzutage KI-basiert, einfach weil KI eben gerade einen großen Hype erfährt. Wer mit KI arbeitet, ist innovativ und modern, ob es nun notwendig ist oder nicht.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch meine Erfahrungen mit KI sehr heterogen sind. Schon oft habe ich mich im Nachhinein geärgert, wenn ich Alexa danach gefragt habe, wie das letzte Fußballspiel meiner Lieblingsmannschaft ausgegangen ist, und als Antwort bekam, dass die Mannschaft XYZ im Jahr 2015 gegen ABC 0 zu 1 verloren hat. Denn ein Spiel von vor fast 10 Jahren interessiert mich nicht und ist auch nicht die adäquate Antwort auf meine Frage. Hätte ich mich an den PC gesetzt und einfach die Suchmaschine meiner Wahl verwendet, wäre ich in diesem Fall schneller zum Ziel gekommen und hätte auch noch gleich gewusst, aus welcher Quelle denn die Antwort stammt.
KI ist heute noch nicht so weit, dass man sich sicher sein kann, dass die Antworten tatsächlich stimmen. OK, auch Google-Resultate verweisen oft auf Webseiten, auf denen allerlei Unsinn verbreitet wird. Aber man hat dann zumindest die Chance, entsprechende Kommentare zu lesen, Bewertungen zu studieren oder alternative Quellen zu analysieren. Alexa hingegen gibt halt eine Antwort und das war's dann.
Die Bildbeschreibung von Be My Eyes hingegen half mir neulich dabei, festzustellen, ob meine Spülmaschine schon fertig ist oder nicht. Unsere Spülmaschine ist vollintegriert, hat also keine Tasten und kein Display, die im geschlossenen Zustand sichtbar sind. Lediglich ein roter Laserpunkt, den das Gerät im eingeschalteten Zustand auf den Fliesenboden projiziert, zeigt an, dass man mit dem Ausräumen noch warten muss. Dies bot sich als Test für die KI-Bilderkennung von Be My Eyes an. Also richtete ich die Kamera auf den Küchenboden und tatsächlich, die KI beschrieb eine Szene mit Fliesenboden und Küchenschrank. Auf dem Boden sei ein roter Punkt zu sehen, wahrscheinlich von einem Laser. Prima, Ziel erreicht. Aber was macht man nun, wenn kein roter Punkt in der Beschreibung auftaucht? Heißt das, dass die Spülmaschine schon fertig ist, oder nur, dass die KI den Punkt nicht als hinreichend wichtig eingeordnet hat, um ihn zu beschreiben? Oder vielleicht auch, dass ich die Kamera nicht gut ausgerichtet habe?
Resümee
Natürlich sind dies nicht die einzigen Erfahrungen mit KI. Sie zeigen aber aus meiner Sicht, wo wir heute stehen. KI bietet uns viele interessante Möglichkeiten. Die perfekte Alternative zu barrierefrei nutzbaren Geräten, die zuverlässig ihren Betriebszustand, beispielsweise per Sprachausgabe, ansagen, zu Ansagen an Bushaltestellen oder zu Leitlinien zur Orientierung, ist sie aber nicht. Was bringt mir die KI, wenn sie mir den vor mir auftauchenden Abgrund nicht ansagt? Und wenn ich dann gestolpert bin und die KI mir dann sagt: "Entschuldigung, da habe ich mich wohl geirrt."? Wir sollten KI zwar unbedingt als Chance begreifen. Sie kann uns bei vielen Dingen helfen, die uns bisher schwergefallen sind. Sie kann und darf jetzt noch nicht als die Heilslösung für alle Probleme der Barrierefreiheit und der für uns notwendigen Unterstützung im Alltag gesehen werden.
Zum Autor
Stefan Jansen hat Informatik studiert und ist seit 2004 als Software-Entwickler bei der Mercedes-Benz AG in Sindelfingen tätig, wo er sämtliche Schnittstellen der UI-Software für das Fahrer- und Headup-Display verantwortet. Ein großes Interessengebiet des 49-Jährigen ist die digitale Barrierefreiheit, insbesondere im Bereich Amateurfunk, seinem großen Hobby.
A-Dame, Du bist doof
Von Wilhelm Gerike
Ein Satz vorweg: Ich verwende hier mit Absicht keine Klarnamen. Wer sich diesen Artikel entweder von Herrn Duensing oder über eine Sprachausgabe vorlesen lässt, erlebt es sonst vielleicht, dass sich der ein oder andere Sprachassistent meldet. Das stört, und das wollen wir nicht.
Als die A-Dame zu uns kam und was wir mit ihr erlebten
"Na, dann kauf doch so ein Teil." Die beste Ehefrau von allen lässt sich nicht leicht überzeugen, also habe ich sie überredet. Unser Radio in der Küche machte Ende 2020 allmählich schlapp. Statt fröhlicher Musik kam nur noch ein Krächzen aus den Lautsprechern. Das Teil hatte uns viele Jahre gut gedient, hatte es doch auch einen CD-Player eingebaut, auf dem die ein oder andere Silberscheibe gern abgespielt wurde.
Kurz nach Weihnachten stand das Paket vor der Haustür. Auspacken und Anschließen war kein Problem, und die auf dem iPhone laufende App half mir bei der Inbetriebnahme. Ich freute mich wie ein Kind, als die künstliche weibliche Stimme das erste Mal mit mir sprach. Frisch ans Werk und los. "A-Dame, spiele meinen Lieblingssender." Das wurde bestätigt, und schon war der wunderbare Dudelfunk-Sender zu hören. Mit "A-Dame, stopp!" kehrte wieder Ruhe ein. Na, das klappt doch. Auch Songs des Lieblingsinterpreten wurden ohne Murren abgespielt. So allmählich begann ich die Dame auszuhorchen: "Wie wird das Wetter?" "Wie hoch ist die Inzidenz?" (das war die Anzahl derjenigen, die sich durchschnittlich mit dem Corona-Virus infizierten.) "Lese mir den Artikel aus Wikipedia über Louis Braille vor." So ging die Zeit ins Land. Eines Tages kam ich nach Hause und hörte deutsche Schlager aus den 70er Jahren. "Damit sind wir doch aufgewachsen. Ich hab's ausprobiert, und einfach gesagt, dass sie Schlager spielen soll." Die beste Ehefrau von allen ist gut gelaunt, und vielleicht erlebe ich den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Inzwischen hatte ich noch ein Modul gekauft, das ich mit meiner HiFi-Anlage koppeln konnte, so hatten wir nun auch Musik im Wohnzimmer. An langen Nachmittagen in der Corona-Zeit erstellte ich ein paar Playlisten, also Musik, die ich besonders gern höre. Kehrt nun also der große Friede ein? Sie ahnen es schon, es ist eher ein Waffenstillstand.
Du bist doch gar nicht gemeint
Eine liebe Freundin schickte eine WhatsApp und erzählte: "Ich habe jetzt auch eine A-Dame." Da erwachte unser Exemplar aus dem Dämmerschlaf und fragte, wie sie helfen könne. "Du bist nicht gemeint", gab die beste Ehefrau von allen etwas grimmig zurück. "Alles klar", ließ sich die weibliche Stimme wieder vernehmen, dann schwieg sie. Und dann kam wieder eine WhatsApp von einer anderen lieben Freundin: "Du, das muss ich Dir erzählen. Ich sitze auf der Terrasse und will Fußball hören. Ich sage also A-Dame, spiele die Bundesliga-Konferenz von der Sportschau. Und nichts passiert. Ich sage das nun etwas lauter und wundere mich, warum ich die Reportagen so leise höre. Da kommt der Nachbar an den Zaun und sagt, dass ich jetzt seine A-Dame aktiviert hätte. Mann, habe ich gelacht!" "Liebe Freundin, nicht nur Du, ich auch", antworte ich ihr.
Und dann war da noch das kleine Experiment beim Italiener um die Ecke. "He Iris, wie spät ist es?", frage ich einfach mal. Die Antwort kommt von irgendwo her. Ein Mann am Nebentisch meint, jetzt habe sein iPhone geantwortet.
D-Dame, Du hast wohl was an den Ohren
Die Helferin von Amazon und ihr Pendant von Apple gerieten 2023 gewaltig ins Hintertreffen. ChatGPT und der Copilot von Microsoft zeigten, was man heute schon mit künstlicher Intelligenz machen kann. Amazon hatte sich vorgestellt, dass die Kundinnen und Kunden ihre Assistentin auch zum Einkaufen benutzen könnten. Das ging daneben, weil die Kundschaft eher auf die Dienste eines künstlichen DJs setzte. Aber auch das geht nicht immer: Ich habe die irische Sängerin Eleanor McEvoy fest in mein Herz geschlossen. Wenn ich Musik von ihr hören will, ist unsere A-Dame damit offensichtlich überfordert. Sie versteht irgendwas und spielt etwas Grausiges, was wir nicht hören wollen. Einmal haben wir im Chor "A-Dame, du bist doof" gerufen. Antwort: "Das habe ich leider nicht verstanden."
Ich wage einen Blick in die Glaskugel
Ich denke, der Nutzen von KI-gesteuerten Systemen ist größer als der Schaden. Wir werden es bald erleben, dass die Dialoge der Helden in den Science-Fiction-Serien der 60er und 70er Jahre bald von der Wirklichkeit eingeholt werden. Wir werden Fahrkarten und Umsteigehilfen sowie Hotels mit unserer Stimme buchen können. Länger wird es dauern, bis uns ein elektronischer Blindenhund durch die Welt führen wird. Wir dürfen aber nie die Kontrolle über die Maschinen verlieren, das ist wichtig. Bis dahin kann uns die A-Dame ein paar Platten spielen, die wir in unserer Jugend gehört haben. Und da gibt es ja noch die alten Krimis mit dem Privatdetektiv Paul Temple, die findet die A-Dame übrigens ohne Probleme.
Zum Autor
Wilhelm Gerike ist seit Geburt blind. Nach dem Abitur an der blista absolvierte er dort eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann. Er arbeitet in der DVBS-Geschäftsstelle in Marburg und ist unter anderem für die Erstberatung bei sämtlichen Fragen um das Thema Blindheit, Sehbehinderung und Technik zuständig.
Bild: Wilhelm Gerike hat dunkle Augen, kurzes dunkles Haar und trägt einen Oberlippenbart. Er lächelt. Foto: DVBS
Recht
Studie zu juristischen KI-Tools: Noch zu unzuverlässig
Redaktion beck-aktuell, Britta Weichlein, 3. Juni 2024
Effektiver Arbeiten durch den Einsatz von KI - das erhoffen sich viele Anwälte und Anwältinnen für die Zukunft. Doch die Gegenwart sieht anders aus, wie eine Studie der Stanford University zeigt: Noch hapere es an der Zuverlässigkeit dieser Werkzeuge.
Dabei erscheint der Einsatz von KI in der juristischen Praxis zunächst durchaus verheißungsvoll, beispielsweise zum Durchforsten von Rechtsprechung oder zum Ausarbeiten von Verträgen. Doch KI hat bekannterweise Schwächen. Allem voran das Problem des so genannten Halluzinierens, also des Erfindens von Informationen durch große Sprachmodelle.
Um dem entgegenzuwirken, setzt die Industrie laut Studie neuerdings auf die Technologie der Retrieval-Augmented Generation (RAG). Im juristischen Bereich versprächen RAG-Systeme, durch die Integration eines Sprachmodells mit einer Datenbank von Rechtsdokumenten genauere und vertrauenswürdigere Rechtsinformationen zu liefern. Und tatsächlich: Die entsprechenden Tools reduzierten im Vergleich zu allgemeinen KI-Modellen wie GPT-4 tatsächlich Fehler, so die Studie. Doch fehlerfrei arbeiten sie deswegen noch lange nicht. In über 17 Prozent hätten die KI-Systeme von Lexis+ und Ask Practical Law Fehlinformationen ausgespuckt. Bei der KI-gestützten Recherche von Westlaw seien es sogar mehr als 34% gewesen, so die Studie.
Besonders brisant ist der Einsatz von KI im juristischen Bereich den Herausgebern der Studie zufolge, weil hier zwei Arten von KI-Halluzinationen möglich sind: So könne die Antwort eines KI-Tools einfach nur falsch sein - es beschreibt das Gesetz falsch oder macht einen sachlichen Fehler. Die Antwort könne aber auch falsch begründet sein - das KI-Tool beschreibe die Rechtslage korrekt, zitiere aber eine Quelle, die seine Behauptungen nicht stützt.
KI-Einsatz gerade im juristischen Bereich herausfordernd
Zudem bestünden für RAG-basierte juristische KI-Systeme einzigartige Herausforderungen, die Halluzinationen verursachen könnten. Erstens sei die Suche nach juristischen Informationen schwierig. Im Gegensatz zu anderen Bereichen bestehe das Recht nicht vollständig aus überprüfbaren Fakten, sondern entwickle sich stetig weiter.
Zweitens könne es sich bei dem abgerufenen Dokument, selbst wenn es gefunden wird, "um eine nicht anwendbare Autorität handeln". Das gilt vor allem im Bereich des US-Rechts. Denn hier unterschieden sich die Regeln und Präzedenzfälle in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten und Zeiträumen, erläutert die Studie. Dokumente, die aufgrund ihrer semantischen Ähnlichkeit mit einer Abfrage auf den ersten Blick relevant erschienen, könnten in Wirklichkeit aus Gründen, die für das Recht typisch sind, unpassend sein.
Das dritte Problem: Die sogenannte Kriecherei - also die Tendenz Künstlicher Intelligenz, den falschen Annahmen des Anwenders zuzustimmen. Zwar attestiert die Studie den getesteten Tools diesbezüglich gute Bewältigungsmechanismen. Stimmten die Systeme indes mit falschen Behauptungen der Nutzer überein, könne dies schwerwiegende Folgen haben - "insbesondere für diejenigen, die hoffen, mit diesen Werkzeugen den Zugang zum Recht für Privatpersonen und mittellose Prozessbeteiligte zu verbessern".
Die Quintessenz der Studie: Es bedürfe eines rigorosen und transparenten Benchmarkings juristischer KI-Tools. Im Gegensatz zu anderen Bereichen sei der Einsatz von KI im Rechtswesen noch immer undurchsichtig: Die untersuchten Tools böten keinen systematischen Zugang, veröffentlichten nur wenige Details über ihre Modelle und meldeten keinerlei Bewertungsergebnisse. Diese Undurchsichtigkeit mache es für Anwälte schwierig, KI-Produkte zu nutzen und dabei ethische und berufsethische Anforderungen zu erfüllen. Erforderlich sei ein öffentliches Benchmarking und strenge Bewertungen von KI-Tools.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages C. H. Beck oHG.
Gesetz über künstliche Intelligenz (KI): Rat gibt grünes Licht für weltweit erste KI-Vorschriften
Pressemitteilung des Rats der Europäischen Union vom 21.05.2024
Der Rat hat heute ein bahnbrechendes Gesetz zur Harmonisierung der Vorschriften für künstliche Intelligenz - das sogenannte Gesetz über künstliche Intelligenz - gebilligt. Bei diesem richtungsweisenden Rechtsakt wird ein "risikobasierter" Ansatz verfolgt. Das bedeutet: Je höher das Risiko eines Schadens für die Gesellschaft ist, desto strenger sind die Vorschriften. Die Vorschrift ist die weltweit erste ihrer Art und kann zu einem globalen Standard für die Regulierung von KI werden.
Mit der neuen Vorschrift soll die Entwicklung und Nutzung sicherer und vertrauenswürdiger KI-Systeme sowohl durch private als auch öffentliche Akteure im gesamten EU-Binnenmarkt gefördert werden. Gleichzeitig soll mit der Vorschrift die Achtung der Grundrechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger gewährleistet sowie Investitionen und Innovation im Bereich der künstlichen Intelligenz in Europa angekurbelt werden. Das KI-Gesetz gilt nur für Bereiche innerhalb des EU-Rechts und sieht Ausnahmen für Systeme vor, die ausschließlich militärischen und verteidigungspolitischen Zwecken sowie Forschungszwecken dienen.
(...)
Klassifizierung von KI-Systemen als Hochrisiko-Systeme und verbotene KI-Praktiken
In der neuen Vorschrift werden verschiedene Arten künstlicher Intelligenz nach Risiken kategorisiert. Für KI-Systeme mit begrenztem Risiko würden nur sehr geringe Transparenzpflichten gelten, während Hochrisiko-KI-Systeme zugelassen würden, aber bestimmte Anforderungen und Verpflichtungen erfüllen müssten, um Zugang zum EU-Markt zu erhalten. KI-Systeme wie z. B. kognitive Verhaltensmanipulation und Sozialkreditsysteme werden in der EU verboten, da ihr Risiko als unannehmbar gilt. Verboten sind auch KI-Anwendungen für vorausschauende Polizeiarbeit ("predictive policing") auf der Grundlage von Profiling sowie Systeme, die biometrische Informationen nutzen, um auf die Rasse, die Religion oder sexuelle Ausrichtung einer Person zu schließen.
KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck
Mit dem KI-Gesetz wird auch auf die Verwendung von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck ("general purpose artificial intelligence systems", GPAI) eingegangen.
GPAI-Modelle, die keine systemischen Risiken bergen, werden einigen begrenzten Anforderungen, z. B. in Bezug auf die Transparenz, unterliegen, aber diejenigen mit systemischen Risiken müssen strengeren Vorschriften genügen.
Eine neue Governance-Architektur
Um eine ordnungsgemäße Durchsetzung zu gewährleisten, werden mehrere Leitungsgremien eingerichtet:
- ein Amt für Künstliche Intelligenz ("KI-Amt") innerhalb der Kommission zur Durchsetzung der gemeinsamen Vorschriften in der gesamten EU
- ein wissenschaftliches Gremium unabhängiger Sachverständiger, zur Unterstützung der Durchsetzungsmaßnahmen
- ein koordinierender Ausschuss für künstliche Intelligenz (KI-Ausschuss) aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der kohärenten und wirksamen Anwendung des KI-Gesetzes berät und unterstützt
- ein Beratungsforum für Interessenträger, das dem KI-Ausschuss und der Kommission technisches Fachwissen zur Verfügung stellt
Sanktionen
Die Geldbußen für Verstöße gegen das KI-Gesetz werden als Prozentsatz des weltweiten Jahresumsatzes des zuwiderhandelnden Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr bzw. als im Voraus festgelegter Betrag festgelegt, je nachdem, welcher Betrag höher ist. KMU und Start-ups werden mit verhältnismäßigen Geldbußen belegt.
Transparenz und Schutz der Grundrechte
Bevor einige Einrichtungen, die öffentliche Dienste erbringen, ein Hochrisiko-KI-System einsetzen, müssen die Auswirkungen auf die Grundrechte bewertet werden. Zudem wird durch die Verordnung für mehr Transparenz bei der Entwicklung und Verwendung von Hochrisiko-KI-Systemen gesorgt. Hochrisiko-KI-Systeme sowie bestimmte Nutzer eines Hochrisiko-KI-Systems, die öffentliche Einrichtungen sind, werden dazu verpflichtet sein, sich in der EU-Datenbank für Hochrisiko-KI-Systeme zu registrieren, und Nutzer eines Emotionserkennungssystems werden die von dem System betroffenen natürlichen Personen entsprechend informieren müssen.
Maßnahmen zur Innovationsförderung
Das KI-Gesetz bietet einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen und soll faktengestütztes regulatorisches Lernen fördern. In der neuen Rechtsvorschrift ist vorgesehen, dass die regulatorischen KI-Reallabore, die eine kontrollierte Umgebung für die Entwicklung, Testung und Validierung innovativer KI-Systeme ermöglichen, auch das Testen innovativer KI-Systeme unter realen Bedingungen ermöglichen sollten.
Nächste Schritte
Nach der Unterzeichnung durch die Präsidentin des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates wird der Gesetzgebungsakt in den kommenden Tagen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Die neue Verordnung wird - mit Ausnahme einiger spezifischer Bestimmungen - zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten zur Anwendung kommen.
(...)
Vollständiger Text und weitere Informationen:
Barrierefreiheit und Mobilität
Offener Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Dr. Richard Lutz
Nachrichtlich an: den Bundesminister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing, und die verkehrspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU sowie der Gruppe Die Linke
Berlin, 15.05.2024
Mobilität für alle gewährleisten: Günstig Bahnfahren ohne Digitalzwang
Sehr geehrter Herr Dr. Lutz,
Mobilität bedeutet gesellschaftliche Teilhabe. Öffentliche Mobilität muss daher niedrigschwellig angeboten werden und von allen gut nutzbar sein - auch von Menschen, die keinen Internetzugang haben oder aus anderen Gründen digitale Angebote nicht nutzen können oder wollen.
Die Deutsche Bahn hat angekündigt, dass ab dem 9. Juni 2024 die BahnCard ausschließlich digital ausgegeben wird. Bereits seit Oktober 2023 werden Sparpreis-Tickets nicht mehr als klassische Papierfahrkarten ohne E-Mail-Adresse oder Mobilnummer verkauft.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland gut fünf Prozent der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren offline. Mit dem Alter steigt die Zahl derjenigen, die weder das Internet nutzen noch ein Smartphone besitzen: Bei den über 80-Jährigen ist nur etwa jeder Dritte online. Günstig Bahnfahren muss jedoch auch für diese Menschen möglich bleiben.
Mit diesem offenen Brief fordern die unterzeichnenden Organisationen Sie deshalb auf:
- Gewährleisten Sie einen analogen Zugang zu BahnCard und Sparpreisen, der ohne Mehrkosten und barrierefrei von allen, auch von sogenannten Offlinern, genutzt werden kann. Ein Papierausdruck, der eine Mobilnummer, einen Online-Account und/oder eine E-Mail-Adresse voraussetzt und damit an einen Internetzugang gebunden ist, erfüllt diese Anforderung nicht.
- Bieten Sie alle Dienstleistungen und Angebote der Deutschen Bahn auch an barrierefreien Service-Schaltern an und dies nicht nur in den Bahnhöfen der Großstädte. Nur so sind sie weiterhin niedrigschwellig von allen zu nutzen, auch von Offlinern.
- Informieren Sie Bahnkundinnen und -kunden frühzeitig, vollständig und verständlich über Änderungen bei Dienstleistungen und Angeboten. Bis heute herrscht unter Verbraucherinnen und Verbrauchern Unsicherheit über die Digitalisierung von BahnCard und Sparpreisen sowie über mögliche analoge Alternativen.
- Beziehen Sie Bahnkundinnen und -kunden über Betroffenen- und Verkehrsverbände im Vorfeld ein und erfragen Sie ihre Wünsche und Bedarfe. Im Fall der Umstellung von BahnCard und Tickets zu Sparpreisen ist dies nicht gelungen.
Die unterzeichnenden Organisationen wenden sich ausdrücklich nicht gegen digitale Angebote der Deutschen Bahn. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Bahn im Sinne eines "Design für alle" unterschiedliche Zugänge zu ihren Dienstleistungen anbieten muss, um den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer vielfältigen Kundschaft Rechnung zu tragen. Es darf nicht sein, dass Menschen, nur weil sie kein Internet nutzen, benachteiligt und von Mobilitätsangeboten ausgeschlossen werden.
Liste der unterzeichnenden Institutionen
- AWO Bundesverband e. V.
- BAG SELBSTHILFE -Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.
- BAGSO - Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V.
- Berufsverband Arbeit- und Berufsförderung BeFAB e.V.
- Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. (bvkm)
- Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V.
- Bundesverband Konduktive Förderung nach Petö e.V.
- Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V.
- Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.
- Bundesvereinigung Selbsthilfe im anthroposophischen Sozialwesen e.V.
- dbb beamtenbund und tarifunion - Bundesseniorenvertretung
- Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. - Selbsthilfe Demenz
- Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft e.V.
- Deutsche Epilepsievereinigung e.V.
- Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.
- Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.
- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.
- Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS)
- Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG
- Gewerkschaft der Polizei | Bundesvorstand
- Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) - Bundessenior*innenausschuss
- Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
- Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)
- VCD Verkehrsclub Deutschland e.V.
- di Seniorinnen und Senioren
- Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
- Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V.
Barrierefreiheit von Webseiten und Accessibility Overlays
Stellungnahme des Fachausschusses für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT) beim DBSV
Stand: 19.04.2024
Der Fachausschuss für Informations- und Telekommunikationssysteme (FIT) beim DBSV vertritt in Bezug auf den Einsatz sogenannter Accessibility Overlays auf Webseiten folgende Position:
Oberste Priorität bei der Herstellung von Barrierefreiheit im Internet hat die barrierefreie Gestaltung der einzelnen Webseiten selbst. Dabei sind die entsprechenden technischen Standards (EN 301549 bzw. WCAG 2.2) umzusetzen. Accessibility Overlays sind nach dem heutigen Stand der Technik nicht in der Lage, eine Webseite von außen und quasi auf Knopfdruck gemäß der geltenden Standards barrierefrei zu gestalten. Sie versagen insbesondere im Bereich der Zugänglichkeit für blinde Menschen.
Accessibility Overlays können aufgrund ihrer Funktionsvielfalt, ergänzend zur zuvor unabhängig hergestellten Barrierefreiheit für bestimmte Zielgruppen jedoch einen Mehrwert haben.
Werden Accessibility Overlays auf normkonformen Webseiten eingesetzt, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Das zugrundeliegende Webangebot selbst muss alle Barrierefreiheits-Anforderungen der einschlägigen Standards EN 301549 bzw. WCAG 2.2 erfüllen. Für Webseiten öffentlicher Stellen ist die Umsetzung der BITV Bund bzw. der jeweiligen Landesverordnung verpflichtend. Accessibility Overlays bleiben bei der Barrierefreiheitsprüfung unberücksichtigt. Sie werden als Ergänzung eingesetzt.
- Das Overlay selbst sowie sämtliche mittels des Overlays generierbare Darstellungen eines Webangebots müssen nach den einschlägigen Standards barrierefrei sein.
- Accessibility Overlays dürfen die Funktionalität eingesetzter Assistenz-Technologien wie Screenreader und Bildschirmvergrößerungsprogramme nachweislich nicht nachteilig beeinflussen.
- Das Vorhandensein bzw. der Aktivitäts-Status eines Accessibility Overlays ist eindeutig und gut wahrnehmbar zu kennzeichnen. Accessibility Overlays müssen sich nach den Regeln barrierefreier Bedienbarkeit in einem einzigen Bedienschritt zu- und abschalten lassen.
- Bei der Einbindung von Accessibility Overlays sind alle datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten.
- Alle Produktinformationen von Overlay-Anbietern müssen nach den einschlägigen Standards barrierefrei gestaltet sein.
Im Folgenden erläutern und begründen wir diese Position.
Was sind Accessibility Overlays?
Accessibility Overlays sind Software-Werkzeuge, die den Quellcode von Webseiten verändern. Technisch werden diese Anpassungen durch spezielle CSS-, JavaScript- und HTML-Dateien erreicht. Diese laufen im Browser der Anwender*innen ab und überlagern die Originaldarstellung des Webangebots - daher der Begriff Overlay (Überdeckung). Welche Aspekte der Webseiten vom Accessibility Overlay verändert werden sollen, können Nutzerinnen und Nutzer selbst beeinflussen. Dazu wird in das Webangebot ein Link oder Button integriert. Dieser blendet die eigentliche Bedienoberfläche des Accessibility Overlays ein. Mit deren Hilfe lassen sich beispielsweise besondere Farbschemata, Schriften oder Kontrasteinstellungen wählen bzw. eine Vorlesefunktion aktivieren.
Barrierefreiheit mit Accessibility Overlays nicht herstellbar
Anbieter von Accessibility Overlays werben oft damit, dass ein Webangebot durch den Einsatz ihres Produkts "barrierefrei" ist, "zugänglich" wird oder "die gesetzlichen Anforderungen nach BITV erfüllt". Nicht nur öffentliche Stellen aus Bund, Ländern und Kommunen, die gesetzlich zur Barrierefreiheit ihrer Webseiten verpflichtet sind, sondern auch um Inklusion und Teilhabe bemühte Vereine und Firmen ziehen aus den Werbeversprechen falsche Schlüsse. Sie meinen - in guter Absicht -, mit einem Accessibility Overlay eine kostengünstige und zeitsparende Alternative zur barrierefreien Entwicklung und Pflege einer Webseite zu erwerben.
Festzustellen ist jedoch, dass Accessibility Overlays nach dem Stand der Technik nicht in der Lage sind, eine Webseite von außen und quasi auf Knopfdruck umfassend barrierefrei zu gestalten. Sie versagen insbesondere im Bereich der Zugänglichkeit für blinde Menschen. Dies hat mehrere Gründe, von denen wir hier die wichtigsten anführen:
- Zugänglichkeitsbarrieren können nicht sicher behoben werden: Ein Webangebot gilt als barrierefrei, wenn es die in der EU-Norm EN 301549 aufgeführten Anforderungen der Konformitätsstufe AA erfüllt. Auch unter Anwendung künstlicher Intelligenz sind Accessibility Overlays nicht in der Lage, diese Konformitätsstufe zu erreichen. Hierzu müssten sie neben vielen anderen auch die folgenden Zugänglichkeitsbarrieren vollständig und korrekt analysieren und anschließend die richtigen Reparatur- und Veränderungsmaßnahmen ableiten, was für automatisierte Tools schlechterdings unmöglich ist:
- Erkennung unangemessener Beschriftungen von Grafiken, Links und Formularfeldern und anschließende Bereitstellung einer sinnvollen Beschreibung
- Erkennung, wann ein interaktives Webseitenelement nicht per Tastatur erreichbar ist und anschließende Modifikation der Tastatursteuerung
- Identifizierung von Tastaturfallen und deren Beseitigung
- Zu einer Webseite gehören auch alle darauf angebotenen Dokumente und Multimedia-Dateien. Accessibility Overlays sind nicht imstande, alle Zugangsbarrieren in solchen Dokumenten zu erkennen und zu beseitigen oder in Multimedia-Dateien entsprechende Untertitel und Audiodeskription einzufügen.
- Eine konforme Alternativversion einer Webseite wird nicht erzeugt: Um möglichst vielen Benutzergruppen eine individuell angepasste Anzeige des Webangebots zu liefern, verfügt ein Accessibility Overlay über eine Vielzahl von Einstellmöglichkeiten. Deren vielfältige Einsetzbarkeit und Kombinierbarkeit führt zu jeweils sehr unterschiedlichen Darstellungsformen der Originalwebseite. Welche dieser zahlreichen Darstellungen "die Alternativversion" sein soll, kann nicht festgelegt werden. Selbst wenn ein Accessibility Overlay eine Alternativversion bereitstellen würde, könnte es aus den unter (1.) genannten Gründen nicht garantieren, dass diese Normkonform ist.
Neue Barrieren durch Accessibility Overlays
Beim Einsatz von schlecht programmierten oder unsachgemäß eingesetzten Accessibility Overlays können neue Barrieren entstehen, die es ohne das Overlay nicht gegeben hätte:
- Um Einstellungen vorzunehmen, müssen Nutzer*innen die Bedienoberfläche des Accessibility Overlays aufrufen. Aus der Perspektive der visuellen Wahrnehmung und Bedienung per Bildschirm und Maus wird die Oberfläche des Accessibility Overlays modal präsentiert. Das bedeutet: Die eigentliche Webseite wird überlagert und ihre Elemente sind aktuell nicht bedienbar. Beim Einsatz einer Tastatur und der Wahrnehmung mittels Screenreader vermischen sich jedoch Bedienoberfläche des Overlays und die Elemente der Webseite. Dies führt dazu, dass das Accessibility Overlay von blinden Menschen schwierig wahrzunehmen und zu bedienen ist.
- Screenreader und Bildschirmvergrößerungsprogramme stellen eine für Bildschirmvergrößerung, Sprachausgaben- und Blindenschriftnutzung modifizierte Darstellung einer Webseite zur Verfügung. Sie verwenden zahlreiche Tastaturkommandos, damit sehbehinderte und blinde Menschen in dieser Spezialdarstellung effektiv navigieren können.
Auch Accessibility Overlays verwenden spezielle Tastaturkommandos. Die meisten Hersteller von Accessibility Overlays stimmen ihre Tastaturkommandos nicht auf die Befehle gängiger Assistenztechnologien ab. Dies hat zur Folge, dass die Accessibility Overlays für das zuverlässige Arbeiten mit einem Screenreader oder Bildschirmvergrößerungsprogramm wichtige Tastenkombinationen abfangen und der Screenreader bzw. das Vergrößerungsprogramm für die Nutzung der Webseite untauglich wird. - Etliche Accessibility Tools ermöglichen die Auswahl von Farbkombinationen, die dazu führen, dass Tastatur- und Mausfokus nicht mehr oder nicht mehr durchgängig sichtbar sind.
Für Zugänglichkeit der falsche Ansatz
Accessibility Tools versuchen, Barrierefreiheitsmängel auf Webseiten von außen und im Nachgang auszubessern. Sie setzen damit bei den Symptomen, nicht aber bei den Ursachen von Barrieren an.
Die verschiedenen Accessibility Overlays sind ganz unterschiedlich gestaltet. Ihr Einsatz erfordert von den Nutzenden, dass sie sich auf jeder Webseite neu in die Bedienphilosophie des dort eingesetzten Overlays einarbeiten und entsprechende Einstellungen vornehmen. Auch müssen die bevorzugten Einstellungen für jede Webseite mit Accessibility Overlays gespeichert werden. Das wirft datenschutzrechtliche Fragestellungen auf. Eine nachhaltigere Strategie, visuelle Eigenschaften einer Webseite an die eigenen Bedarfe anzupassen, bieten die Einstellungsmöglichkeiten im Betriebssystem und im Browser. Zudem verfügen auch gängige Browser zunehmend über Assistenzfunktionen, wie etwa das absatzweise oder kontinuierliche Vorlesen von Webseiten. Diese Funktionen richten sich an Anwenderinnen und Anwender ohne durchgängigen Bedarf an Assistenztechnologien.
Accessibility Overlays als Ergänzung
Ist ein Webangebot normkonform und damit barrierefrei gestaltet, dann können gut programmierte Accessibility Overlays die Nutzbarkeit für einen spezifischen Personenkreis verbessern. Profitieren könnten unter anderem:
- Menschen mit Farbwahrnehmungsstörungen von gezielt auf sie zugeschnittenen Farbeinstellungsprofilen,
- Menschen mit fortschreitender Sehbeeinträchtigung von strukturierten Vorlesefunktionen der Sprachausgabe eines Accessibility Tools,
- Menschen mit Lese-Rechtschreibschwäche von der Möglichkeit, leicht verwechselbare Buchstaben hervorzuheben,
- Menschen, die auf einfache Sprache angewiesen sind, von Nachschlagefunktionen für schwierige Begriffe,
- Menschen mit Beeinträchtigung der Konzentration und Aufmerksamkeit von spezifischen Funktionen zur "visuellen Entrümpelung" der Webseite.
Kontakt
Oliver Nadig (Leiter)
Ali Gürler (stellvertr. Leiter)
Jana Mattert (Ansprechpartnerin in der DBSV-Geschäftsstelle)
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Quelle: https://www.dbsv.org/accessibility-overlays.html (Download 02.05.2024)
Beitragsreihe "Digitale Barrierefreiheit" erschienen
Uwe Boysen und Andreas Carstens haben bei der Plattform reha-recht einen sechsteiligen Aufsatz zu digitaler Barrierefreiheit veröffentlicht. Erstmals ist damit eine umfassende Darstellung verschiedener Aspekte dieses Themenbereichs ohne Bezahlschranke zugänglich.
Beide Juristen und DVBS-Mitglieder engagieren sich bereits seit vielen Jahren für die Beseitigung digitaler Barrieren. Sie weisen in ihrer Veröffentlichung insbesondere auf aktuelle "Vollzugsdefizite" bei der Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen Vorgaben hin. Damit diese tatsächlich umgesetzt werden, fordern sie einen "Dreiklang aus verbesserten rechtlichen Normen, einem vertieften Bewusstsein über die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit in allen gesellschaftlichen Bereichen und wachsendem Engagement der Betroffenen."
Die einzelnen Abschnitte der Reihe behandeln
- Rechtsvorschriften, Standards und Ausnahmen
- Maßnahmen zur Sicherstellung von Barrierefreiheit sowie Verwaltungsportale
- Barrierefreiheit außerhalb von Websites und mobilen Anwendungen
- Barrierefreiheit von elektronischen Akten und elektronischer Vorgangsbearbeitung und
- Barrierefreiheit von elektronischen Dokumenten und Formularen sowie ein Resümee.
Der erste Abschnitt findet sich unter: https://www.reha-recht.de/fachbeitraege/beitrag/artikel/beitrag-e1-2024, bei dem auch auf die weiteren Abschnitte verlinkt wird.
Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) lädt insbesondere Fachjurist*innen, Praktiker*innen, Mediziner*innen sowie Organisationen der Menschen mit Behinderung ein, das Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) zu nutzen und den Diskussionsprozess mit eigenen Beiträgen voranzubringen.
Skurril: Behinderte Menschen kämpfen gegen behinderte Menschen
Von Dietmar Böhringer
Barrierefrei-Probleme an Fußgängerquerungsstellen
Das Grundproblem ist uralt: Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator wünschen sich den öffentlichen Bereich möglichst eben - blinde Menschen brauchen aber an bestimmten Stellen auffällige Kanten, die sie mit ihrem Blindenstock ertasten und sicher interpretieren können. Sie brauchen dort einen deutlichen Höhenunterschied, der ihnen sagt: "Oben = Sicherheit, unten = Gefahr". Dies gilt vor allem für die "Grenzlinie" zwischen sicherem Gehbereich und der für Fußgänger gefährlichen Fahrbahn.
Neue Untersuchungen zeigen, dass dieser Sicherheits-Höhenunterschied nicht nur für blinde Menschen gilt: Bei einer Befragung, die von 127 Kindergartenfachkräften beantwortet wurde, sprach sich eine überzeugende Mehrheit dafür aus, dass Bordsteinkanten von mindestens 6 cm Höhe einen wichtigen Aspekt für die Sicherheit kleiner Kinder darstellen.(1)
Die bedeutsamsten und gleichzeitig unfallträchtigsten Stellen für Fußgänger befinden sich dort, wo größere Fußgängerströme stark befahrene Straßen queren. Bereits in den 70er-Jahren fand man eine Lösung, die noch heute bei vielen Fußgängerquerungsstellen realisiert wird: Die Bordsteine werden auf eine Höhe von 3 cm abgesenkt (siehe Bild 1).
Ein "guter Kompromiss" ist dies allerdings nicht: Für manchen Rollstuhl- und Rollatornutzer ist diese für sie zu hohe Kante zumindest unangenehm, im Extremfall sogar kaum zu bewältigen. Für blinde Menschen ist sie dagegen zu niedrig. Es erfordert sehr viel Training und eine extreme Konzentration, damit sie sicher erfasst wird.
Die "Getrennte Überquerungsstelle mit differenzierter Bordhöhe"
Vor ca. 20 Jahren wurde dann in einem langwierigen Prozess eine zweite Lösung erarbeitet: Blinde Menschen erhalten dabei eine Querungsstelle mit 6 cm hoher Kante, auf die Bodenindikatoren hinführen; Rollstuhlnutzern wird daneben eine kantenlose Überfahrt vom Gehweg zur Straße (und umgekehrt) angeboten.(2)
Zwar wird diese "Nullabsenkung" für blinde Menschen mit einem so genannten "Sperrfeld" aus Bodenindikatoren abgesichert. Dieses Sperrfeld kann aber z. B. bei Streusplitt oder Herbstlaub mit dem Blindenstock oft nicht mehr erkannt werden. Wichtig ist es daher, dass der pendelnde Stock vorn an der Straße links oder rechts direkt neben der Nullabsenkung noch den Bordstein wahrnimmt. Die "Nullabsenkung" muss daher - mit Rücksicht auf blinde Menschen - so schmal wie möglich sein. In den Normen wurde aus diesem Grund die Breite auf "in der Regel 90 cm bis 100 cm"(3) bzw. "grundsätzlich auf eine Breite von 1,00 m"(4)begrenzt.
Aktionen der "Rollstuhlaktivisten"
Es ist notwendig, hier einige Jahrzehnte zurückzublicken. Bis Ende der 60er-Jahre hatten die Gehwege in Deutschland ziemlich konsequent ca. 12 cm hohe Bordsteine. Deshalb sah man damals keine Menschen im Rollstuhl, die allein unterwegs waren. Es war eine Gruppe aktiver Menschen im Rollstuhl, die erreichten, dass Bordsteine an Fußgängerquerungsstellen auf 3 cm abgesenkt wurden.(5) Für blinde Menschen, für die in jenen Jahren das "Mobilitätstraining" an den deutschen Blindenschulen begann, war diese Höhe zwar nicht optimal, aber gerade noch zu akzeptieren - bis heute spricht man vom "3-cm-Kompromiss".
In den 80er-Jahren machten Menschen im Rollstuhl durch spektakuläre Aktionen auf die Problematik behinderter Menschen aufmerksam.(6) Dabei ging es primär darum, die Forderung von §1 GG in die Realität umzusetzen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Der Kampf um die Breite der Nullabsenkung in den Normen
Was gegenwärtig im Hinblick auf die "Nullabsenkungs-Problematik" zu beobachten ist, unterscheidet sich jedoch grundlegend von derartigen Aktivitäten.
In der wichtigsten Norm für den öffentlichen Verkehrs- und Freiraum, die gegenwärtig novelliert wird (DIN 18040-3), ist zu dem "auf Fahrbahnniveau abgesenkten Bord für Rollstuhl- und Rollatornutzer (Nullabsenkung)" festgehalten:
"Dieser Bord muss grundsätzlich auf eine Breite von 1,00 m begrenzt ... werden."(7)
Und eine andere Norm erläuterte dies:
"Bordabsenkungen bis auf Fahrbahnniveau, die breiter sind als 1 m, können eine Gefährdung für blinde und sehbehinderte Menschen darstellen: Es besteht die Gefahr, dass die Trennlinie zwischen sicherem Gehweg und Fahrbahn mit dem Langstock und/oder den Füßen nicht ausreichend eindeutig wahrnehmbar ist und sie unbeabsichtigt auf die Fahrbahn geraten."(8)
Im Entwurf für die Novellierung der DIN 18040-3 steht nun anstelle der bisher geforderten Breite von 1 m:
"Dieser Bereich sollte eine Breite von 1,80 m haben, um Begegnung zu ermöglichen."
Dies bedeutet: Wenn ein Mensch im Rollstuhl vom Gehweg auf die Straße fahren möchte und gleichzeitig ein anderer Mensch z. B. mit Rollator oder Kinderwagen von der Straße auf den Gehweg, muss die Nullabsenkung so breit sein, dass die Begegnung genau auf dieser Engstelle problemlos möglich ist.
Ist für diese seltenen Fälle eine Verbreiterung der Nullabsenkung gerechtfertigt? Mehr als 40 blinde Menschen haben sich mit einem Einspruch dagegen gewehrt, da diese breite Lücke im Bordstein für ihren Personenkreis eine schwerwiegende Verschlechterung der Norm darstellt. Mehr als 50 Rehabilitationslehrer, die in tausenden Unterrichtsstunden mehrere hundert blinde Menschen im öffentlichen Verkehrsraum trainiert haben, haben sich an das DIN gewandt und die Befürchtungen der blinden Menschen bestätigt: Bereits die sichere Bewältigung der ein Meter breiten Rollstuhlrampen stellt für blinde Menschen eine Herausforderung dar, die aber nach Aussage der Rehabilitationslehrkräfte leistbar ist. Wenn ein blinder Mensch jedoch versehentlich in eine wesentlich verbreiterte Nullabsenkung gerät, ist die Gefahr unverhältnismäßig größer, dass er auf die Straße und in den Fahrzeugverkehr gerät. Rehabilitationslehrkräfte haben in ihrem Schreiben die Sorge geäußert, dass "schwere bzw. tödliche Körperverletzungen" die Folge wären, würde sich jene Normänderung durchsetzen.
Eine ministerielle Broschüre als Mittel des Kampfes
Verschärft wird diese Auseinandersetzung der unterschiedlichen Gruppen von Menschen mit Behinderung durch eine Broschüre des hessischen Ministeriums für Verkehr mit dem Titel: "Musterzeichnungen für Barrierefreiheit im öffentlichen Straßenraum".(9) Der Text, der auch von blinden Menschen durchgesehen worden war, entspricht weitgehend den aktuellen Normen. Die Zeichnungen widersprachen diesen aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gravierend und widersprechen ihnen z. T. noch immer: Die Nullabsenkungen vor Fußgängerüberwegen sind - statt 90 bis 100 cm - hier 1,80 m breit gezeichnet, z. T. noch breiter. Die Nullabsenkungen haben außerdem keinen kontrastreichen Begleitstreifen, obwohl die Norm eindeutig feststellt:
"Ist kein ausreichender Leuchtdichtekontrast zwischen Bodenindikatoren und dem angrenzenden Bodenbelag vorhanden, sind Begleitstreifen erforderlich, damit auch sehbehinderte Personen Bodenindikatoren zur Orientierung nutzen können."(10)
Für ausnahmsweise verbreiterte Nullabsenkungen fordert die noch nicht novellierte Norm 90 cm tiefe Sperrfelder. In den "Musterzeichnungen" wird dagegen eine Breite von nur 60 cm gezeichnet. Dies war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung normwidrig, wurde allerdings 2023 normgerecht - durch ein unübliches Verfahren, das man als trickreich bezeichnen könnte: Der Öffentlichkeit wurde ein Änderungsvorschlag der DIN 32984 zur kritischen Durchsicht vorgelegt.(11) Nicht enthalten war darin der Satz:
"Bei Gehwegen unter 300 cm Breite kann das Sperrfeld auf 60 cm reduziert werden."
Dieser - für blinde Menschen negative -Aspekt wurde nach Abschluss des Einspruchverfahrens, ohne dass dagegen ein Einspruch möglich gewesen wäre, in die Norm eingefügt ...
Achtmal steht der folgende Satz neben den betr. Zeichnungen:
"Die Breite der Nullabsenkung ist gemäß DIN EN 17210 = 1,80 m".(12)
Diese Aussage bezieht sich auf den folgenden Abschnitt jener "Europanorm":
"Fußgängerüberquerungen sollten eine ausreichende Breite aufweisen, die es Personen mit fahrbaren Mobilitätshilfen erlaubt, die Fahrbahn nebeneinander zu überqueren oder sich auf einfache und sichere Weise in einer angemessenen Zeit und ohne unnötige Verzögerung oder gegenseitige Behinderung aneinander vorbeizubewegen."(13)
Der erste Teilsatz betont, dass es für Menschen im Rollstuhl möglich sein muss, nebeneinander die "Fahrbahn" zu überqueren. Die "Fahrbahn" endet aber am Bordstein - die Nullabsenkung liegt außerhalb davon und gehört nicht mehr zur Fahrbahn, ist von dieser Aussage also nicht betroffen! Der zweite Teilsatz spricht von "unnötiger Verzögerung". Wenn es um Lebensgefahr für blinde Menschen geht, kann ein Zeitaufwand von einigen Sekunden nicht als "Verzögerung", schon gar nicht als "unnötige Verzögerung" bezeichnet werden, sondern entspricht dem Gebot der Rücksichtnahme der Straßenverkehrs-Ordnung:
"Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt (oder) gefährdet ... wird".(14)
Der achtfach zitierte Satz neben den Zeichnungen muss daher als schwerwiegende Fehlinterpretation des Normtextes bezeichnet werden.
Viele blinde Menschen und Rehabilitationslehrer haben sich bereits an das hessische Ministerium gewandt und dringend darum gebeten, dass jene höchst problematischen "Musterzeichnungen für Barrierefreiheit" zurückgezogen und überarbeitet werden. Bisher ist jedoch keine Bereitschaft dazu zu erkennen.
Nochmals verschärft sich die Situation dadurch, dass nun bereits zum zweiten Mal ein Webinar zum Thema "Barrierefreies Planen und Bauen im Öffentlichen Raum" mit einem Bild aus den hessischen "Musterzeichnungen" (S. 31) beworben wird.(15) Dieses zeigt eine Nullabsenkung von (a) ca. 2,40 m Breite (Norm: 1 m) mit einem Sperrfeld von (b) nur 60 cm Tiefe (Norm: 90 cm), ohne den von der Norm vorgeschriebenen (c) kontrastreichen Begleitstreifen am Sperrfeld. "Bundesweit" sollen u. a. kommunale Behörden, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Bau- und Planungsämter lernen, wie in Zukunft "barrierefrei" zu bauen ist: Für Menschen im Rollstuhl und mit Rollator einfacher und bequemer, für kleine Kinder, vor allem aber für blinde Menschen gefährlicher als bisher.
Aspekte der Taktik
Natürlich gibt es behinderte Menschen, die Unglaubliches leisten. Das sind einerseits jene Rollstuhlartisten, die noch Bordsteine von mehr als 10 cm Höhe bewältigen können. Das sind andererseits blinde Menschen, die mit Hilfe eines Sehrests noch Straßenmarkierungen erkennen und nutzen können - oder die eine phänomenale Orientierungsfähigkeit besitzen.
Bei den aktuellen Barrierefrei-Überlegungen orientiert man sich im Hinblick auf Rollstuhl- und Rollatornutzer an den "Schwächsten" (die bereits bei minimalen Schwellen Probleme haben), bei blinden Menschen dagegen an den "Stärksten", den "Supermobilen" (die nahezu Unmögliches noch bewältigen können). Aus dieser Verzerrung erwächst jener "Kampf" von behinderten Menschen gegen behinderte Menschen. Er muss als tragisch, aber auch als unwürdig bezeichnet werden.
Zur Erinnerung: Artikel 3 des Grundgesetzes stellt fest:
"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
Wenn es um barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes geht, haben Bauämter und Straßenbauingenieure die Verpflichtung, das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten!
Bild: Ein Zollstock wird an einer Bordsteinkante angelegt, um die 3-cm-Bordhöhe zu kontrollieren. Exakt diese Höhe kann als "Kompromiss" wirken, wenn sie von Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator noch zu überwinden ist und blinde Menschen sie mit Hilfe des Blindenstocks noch ertasten können. Foto: privat
Anmerkungen
(1) Böhringer, Dietmar: Bordsteine - wichtig für kleine Kinder, https://www.boehri.de/dietmar_boehringer/
(2) Böhringer, Dietmar: "Gesicherte Nullabsenkungen": Für blinde Menschen gefährlich - gerade noch brauchbar - oder eine gute Lösung? https://www.boehri.de/dietmar_boehringer/publications/2007_Gesicherte%20Nullabs_brauchbar-oder-gefaehrlich.pdf zurück zum Text
(3) DIN 32984:2020-12, Bodenindikatoren im öffentlichen Raum, 5.3.2.2, Bild 12 zurück zum Text
(4) DIN 18040-3:2014-12, Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum, 5.3.2.1 zurück zum Text
(5) DIN 18024:1974; Bauliche Maßnahmen für Behinderte und alte Menschen im öffentlichen Bereich, Planungsgrundlagen, Straßen, Plätze und Wege; 2.2: "Nach Möglichkeit" soll eine Absenkung der Bordsteine auf 3 cm vorgenommen werden. --- DIN 18024-1:1998, Barrierefreies Bauen, Teil 1: Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze, Planungsgrundlagen; 10.1: "Borde müssen ... auf eine Höhe von 3 cm abgesenkt sein." zurück zum Text
(6) https://kobinet-nachrichten.org/2021/02/18/heute-vor-40-jahren-hungerstreik-in-bremen/ --- Franz Christoph: Krüppelschläge, Gegen die Gewalt der Menschlichkeit, Hamburg 1983, https://archiv-behindertenbewegung.org/media/23_krueppelschlaege.pdf ..., S. 21 ff. zurück zum Text
(7) DIN 18040-3:2014-12, Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum, 5.3.2.1 zurück zum Text
(8) DIN 32984:2011-10, Bodenindikatoren im öffentlichen Raum, 5.3.3 zurück zum Text
(9) ANLAGE 10 - Musterzeichnungen für Barrierefreiheit im öffentlichen Straßenraum und der Einsatz von taktilen Elementen im Fuß- und Radverkehr, Wiesbaden 2022 zurück zum Text
(10) DIN 32984:2023-04, Bodenindikatoren im öffentlichen Raum, 4.3.3.1 zurück zum Text
(11) Manuskript DIN 32984:2020-12/A1:2022-06 - für Entwurfsumfrage zurück zum Text
(12) ANLAGE 10 - Musterzeichnungen für Barrierefreiheit ..., S. 28, 30, 31, 36, 41, 43-45 zurück zum Text
(13) DIN EN 17210:2021-08, Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt - Funktionale Anforderungen; 7.3.4 zurück zum Text
(14) Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) § 1 (2) zurück zum Text
(15) https://nullbarriere.de/weiterbildung/webinar-verkehrsraum.htm zurück zum Text
Monokular-Schulung
Teil 1: Üben schafft den Durchblick
Von Ulrich Zeun
Prismenmonokulare Keplerscher Bauart, d.h. kleine Handfernrohre, nutzen Menschen mit Sehbehinderungen zum Vergrößern entfernter Objekte, aber im speziellen auch als eine Art Lupe für die Nähe, wenn das Monokular einen Nahfokus von unter 1 m hat.
Nicht immer gelingt deren Gebrauch jedem Betroffenen intuitiv sofort oder in allen Bereichen effektiv, was an verschiedenen Gründen liegen kann, z.B. wackelndes Bild aufgrund der normalen Muskelspannung, Gesichtsfeldausfällen oder Augenzittern. Durch eine gezielte Schulung der Handhabungstechniken kann der Betroffene das Monokular gewinnbringend für viele Sehaufgaben in der Schule und Ausbildung, im Beruf und im Alltag einsetzen.
Folgende Sehaufgaben kann der Sehbehinderte mit einem Monokular erledigen
- Im Bereich "Orientierung & Mobilität"
- Orientierungspunkte auf Wegen finden
- Straßenschilder lesen
- Fahrpläne (hinter Glas) lesen
- Dinge in Schaufenstern erkennen
- Bus- und Bahnnummern lesen
- Laufschriften/Anzeigetafeln lesen
- Laden-Schilder-/Warenbezeichnungen lesen
- Im Bereich "Freizeit"
- Speisekarten hinter Theken lesen
- Veranstaltungen (Theater, Konzerte, Sport) beobachten
- Freunde/Bekannte finden
- Dinge in der Natur/Umwelt oder im Museum/Zoo usw. beobachten und erkennen
- Im Bereich "Schule/Ausbildung"
Erkennen, Lesen und Kopieren von ...- Texten und Bildern an der Tafel
- projizierten Texten und Bildern
- Versuchsaufbau und Experimenten
- Lehrenden und deren Gestik (zeigende Hinweise etc.)
Die benötigten Handhabungstechniken sind:
- Grundfertigkeiten
- Kennenlernen des Monokulars und seiner Teile
- Halten des Monokulars
- Mitnahme und Pflege des Monokulars
- Ausrichten zum Seh-Objekt
- Scharfstellen
- Spezielle Techniken
- Dinge finden und suchen
- Erkennen in unterschiedlichen Entfernungen
- Verfolgen von Linien
- bewegte Dinge verfolgen und erkennen
- Dinge erkennen bei eigener Bewegung (z.B. Beobachten vom bzw. im Bus, Schiff, Auto)
- Abschreiben/-malen von der Tafel
- Kombinierte Techniken für Sehaufgaben im Alltagsbereich
Schulungsplan
Eine erfolgreiche Schulung der Techniken basiert auf einem Schulungsplan, der sich an verschiedenen Bedingungen orientiert:
- dem Beginn einer Schulung (Lebensalter und Vorerfahrungen)
- den benötigten Techniken
- dem Gesamtzeitraum der Schulung
- der zur Verfügung stehenden Trainingszeit pro Einheit/Technik
- dem Umfang der Einführungs-, Wiederholungs- und Festigungsphasen
- den Anforderungen an den Übenden
Dabei sind folgende Schulungsprinzipien zu beachten:
- eine adressatengerechte Anpassung der Übungen,
- optimale Lernbedingungen zu Anfang (Blendfreiheit, kontrastreiche Ausleuchtung, ruhige und entspannte Atmosphäre, Druck nehmen, indem es keine Zuschauer gibt),
- zu sehende Objekte und deren Standort benennen lassen, um sicher zu gehen, dass der Übende das erkannt hat, was zu beobachten vorgegeben war,
- erst ein individuelles Lerntempo, dann auf Schnelligkeit für Realsituationen hin üben,
- spielerische oder wettbewerbsähnliche für jüngere Betroffene und an Interessen geknüpfte Situationen als Motivation schaffen.
Geeignetes Monokular
Bei der Auswahl eines Monokulars müssen neben dem subjektiven Empfinden des Nutzers auch objektive Kriterien in Erwägung gezogen werden:
- Wird ein oder werden mehrere Monokulare für unterschiedliche Aufgabenbereiche (Tafelablesen und Orientierung draußen, Erkennen bei Dämmerung) benötigt?
- Wird ein Monokular mit Nahfokus für Leseaufgaben in der Nähe benötigt?
- Ist die Vergrößerung groß genug, um im Alltag auch auf größerer Entfernung Straßenschilder oder anderes erkennen zu können?
- Kommt der Betroffene schnell mit der Schärfeeinstellung zurecht? (Drehtubus, Auszugstubus, Drehrad/-ring, Schieberegler)
Auf dem deutschen Markt sind leider nicht alle teilweise sehr interessanten oder zweckmäßigen Modelle im Handel erhältlich. Online-Shops und Verkaufsplattformen im Internet in Kombination mit online-Bezahlmöglichkeiten oder Kreditkarte machen es jedoch möglich, auch weltweit Monokulare zu kaufen. Erwähnenswerte Exemplare sind Zoom-Monokulare (auch mit Nahfokus), Monokulare mit Fokussierungskipphebel (Fa. Pentax "VM 6x21 WP", Carson "Bandit") oder Drehrad (z.B. auch bei motorischen Einschränkungen), Geräte mit Messinstrumenten (z.B. Minox MD6x16A; für Wanderer), mit vorsetz- oder -klappbarer Lupe (Nikon 6x15 II, Leica Monovid 8x20).
Nicht unerwähnt sollen optische Zusatzteile bleiben:
- Die Vorsatz-Lupenlinse (mit Acrylständer) zur Nutzung des Monokulars als Mikroskop, die zusätzliche Sehaufgaben z.B. im Freizeit-/Hobbybereich (Münzensammeln) erschließt. Als Vorsatzlinse lassen sich auch Foto-Makrolinsen mit Adapterring an Monokularen mit Objektivgewinde nutzen.
- 2x-Konverter bzw. sogenannte Doppler, die sich am Okular oder am Objektiv anbringen lassen, um einen erhöhten Vergrößerungsfaktor, z.B. bei Naturbeobachtungen, zu erzielen; auch dies lässt sich durch Anbringen eines 2fach-Foto-Televorsatzes mittels Adapterring bei allen Monokularen mit Objektivgewinde erreichen - oder kleine 2fach- oder 3fach-Monokulare lassen sich als "Okulardoppler" (ggf. durch Anbringen einer Verbindungshülse) nutzen.
Beide optischen Zusatzteile lassen sich auch gut nutzen, um den Betroffenen von den Vorteilen eines Einsatzes zu überzeugen und zu schulen. - Polarisationsfilter zum Reduzieren von Reflexionen auf Glasscheiben etc. (erhältlich für ein Kenko Monokular oder als Kamerafilter mit Adapterring an Monokularen anbringbar).
Als Beobachtungsgeräte haben Monokulare gegenüber Smartphones die Vorteile, dass sie batterieunabhängig und auch bei hellen Lichtverhältnissen genutzt werden können. Sie sind stromunabhängig sofort einsatzbereit sind haben kein spiegelndes oder von Sonneneinstrahlung überblendetes Display. Da heutzutage Handys i. d. R. sowieso mitgeführt werden, kann auf deren nutzbringende Funktionen, wie Abfotografieren, dann Vergrößern der Bilder, oder Speichern von Informationen, wie Busfahrpläne, parallel zurückgegriffen werden.
Die Finanzierung einer Schulungsmaßnahme zum Hilfsmittel "Monokular" ist nicht fest verankert oder bei den Krankenkassen vorgesehen. Schulungen können von Rehabilitationslehrern für Orientierung und Mobilität im Rahmen ihrer Maßnahmen erbracht werden. Diese O&M-Schulungsmaßnahmen müssen wiederum mittels einer Verordnung und eines Kostenvoranschlages bei der Krankenkasse beantragt werden. In Schulen für Sehgeschädigte oder bei der Betreuung in der Integration kann eine Monokular-Schulung durch den Lehrer erfolgen.
(Teil 2 des Beitrags erscheint unter der Überschrift "Bücher - Lernen, Lehren, Lesen und der Fernrohr-Fuchs" in horus 4/2024)
Zum Autor
Ulrich Zeun studierte in den 1980er-Jahren in Dortmund Rehabilitation und Sondererziehung der Seh- und Lernbehinderten sowie Englisch und Diplomerziehungswissenschaften. Danach arbeitete er an der Uni Dortmund in Projekten zum Großdruck, der Umsetzung von hochschulinternen Materialien und als Dozent. Seit 1996 ist er Förderschullehrer an der Martin-Bartels-Schule, einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen in Dortmund. Er hat eine Geschichte der Prismenmonokulare ("Monokulare - Entwicklungen und Modelle") und eine "Monokular-Schulung" verfasst. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bild: Monokulare gibt es für unterschiedliche Bedarfe - hier zehn Modelle verschiedenster Firmen und Farben zur Auswahl. Foto: privat
Bild: Ulrich Zeun blickt im Außenbereich mit einem Auge durch ein kleines eckiges Monokular nach oben. Er hat graues Haar, einen Oberlippenbart und trägt eine rote Schirmmütze und eine graue Jacke. Foto: privat
Berichte und Schilderungen
"Nicht über, sondern mit uns!" - Ottmar Miles-Paul erhielt 20. Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte
Von Jochen Schäfer
Am 03.06.2024 wurde zum 20. Mal das "Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte" verliehen. Diese undotierte Auszeichnung erhalten Personen, die sich durch ihr Engagement um die sozialen Bürgerrechte verdient gemacht haben. Sie wird seit 2005 gemeinsam von der Stadt Marburg und der Regionalgruppe Nord- und Mittelhessen der "Humanistischen Union (HU)", Deutschlands ältester Bürgerrechtsbewegung, vergeben. Es gibt viele bekannte Preisträger*innen: Sabriye Tenberken (2009), Dr. Bernhard Conrads, der langjährige Vorsitzende der Lebenshilfe Marburg (2012), und Dr. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes (2014), zählen zu ihnen. In diesem Jahr wurde einer aus unseren Reihen geehrt. Ottmar Miles-Paul ist ein hörsehbehinderter Aktivist und gilt als der "Vater" der deutschen Behindertenbewegung - sieht sich aber eher als ihr "Kind", wie er sagt.
Ottmar Paul wurde am 11.07.1964 in Oberschwaben geboren (man hört es ihm heute noch an). In den 80er Jahren besuchte er die Deutsche Blindenstudienanstalt und schloss deren Fachoberschule Sozialwesen (FOS) 1985 mit dem Fachabitur ab, kurz darauf wurde er auch Mitglied des DVBS. Er wechselte nach Kassel, wo er an der dortigen Gesamthochschule Sozialwesen studierte. Schon 1987 gründete er in Kassel den "Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (FAB)", dessen Marburger Pendant wenig später folgte, die "Förderung der Integration Behinderter (FIB)". 1989 veröffentlichte er in unseren "Marburger Beiträgen (MB)" den Aufsatz: "Selbstbewusstsein wichtiger als Anpassung" (MB/horus 1989, Heft 4 in Punkt-, Heft 3 in Schwarzschrift). Schon dieser Titel macht deutlich, worum es ihm ging und geht. Selbstbewusst gründete er 1990 mit Gleichgesinnten die bundesweit agierende "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL)", deren langjähriger Geschäftsführer er war. Auch der 5. Mai, der seit 1992 jährlich als Protesttag der Menschen mit Behinderung begangen wird, geht auf seine Initiative zurück. Zwischenzeitlich lebte er in diesen Jahren auch in Berkeley, nahe San Francisco/USA, wo er nicht nur die dortige Behindertenbewegung, sondern auch seine erste Frau kennenlernte, die er am 02.05.1990 heiratete; seitdem heißt er Miles-Paul.
Anfang der 90er Jahre stritt er für ein Benachteiligungsverbot im Grundgesetz. Dieser Weg war steinig und erforderte zwei Versuche. Mitte 1993 wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit in der Verfassungskommission noch nicht erreicht (siehe seinen Bericht in MB/horus 1993, Heft 5 in Punkt-, Heft 4 in Schwarzschrift). Erst Ende 1994 war es dann endlich so weit: In Art. 3 Abs. 3 wurde Satz 2 "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden" eingefügt (siehe den Bericht von Dr. Schulze in MB/horus 1994, Heft 6 in Punkt-, Heft 5 in Schwarzschrift). Ein weiterer großer Erfolg - trotz der "männlichen" Formulierung ("Niemand darf wegen Behinderung benachteiligt werden" wäre wirklich neutral).
Ottmar Miles-Paul ist auch die Umbenennung der "Aktion Sorgenkind" in "Aktion Mensch" im Jahr 2000 zu verdanken. Es war auch das Jahr, in dem er den Verein "Kooperation Behinderter im Internet" gründete, der ab 2002 regelmäßig die "kobinet-nachrichten" herausbrachte, den ersten Online-Newsletter für behinderte Menschen. Dieser sollte auch für die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe wegweisend sein, denn schon am 01.07.2003 ging "horus aktuell" an den Start.
Einige Jahre später wechselte Miles-Paul nach Mainz und ging in die Politik. Von 2008-2012 war er Landesbehindertenbeauftragter in Rheinland-Pfalz. Dort lebte er sein Motto "Nicht über, sondern mit uns!", indem er wegweisende sozialpolitische Neuerungen in diesem Bundesland erwirkte.
Inzwischen lebt er mit seiner zweiten Frau wieder in Kassel und wurde im letzten Jahr sogar zum Buchautor. Sein gewagter Reportage-Krimi "Zündeln an den Strukturen", den er Mitte 2023 veröffentlichte, wurde am 2. Mai dieses Jahres im Marburger Hotel Vila Vita Rosenpark vorgestellt, zusammen mit Sabine Lohner, die den Krimi als Hörbuch in den Studios der DBH produziert. Es geht darum, dass zwei Aktivist*innen der "Enthinderungsgruppe" eine Behindertenwerkstatt in Brand stecken. Sie stellen sich die Frage: Was würde mit behinderten Menschen geschehen, wenn es keine Werkstätten mehr gäbe? Hätten sie dann evtl. mehr Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil man sich mehr mit ihren Problemen und Bedarfen auseinandersetzen müsste? Das Hörbuch wird wahrscheinlich im Herbst 2024 fertiggestellt, wir werden in den "Hörbuchtipps aus der blista" darüber informieren.
Bei der Leuchtfeuer-Preisverleihung im Marburger Erwin-Piscator-Haus gab es einige Redebeiträge, die Miles-Pauls Verdienste würdigten. Franz-Josef Hanke, Vorsitzender der oben erwähnten HU-Regionalgruppe, hob seine Initiative für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen hervor.
Die Laudatio hielt Malu Dreyer, die langjährige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, die Miles-Pauls Arbeit als Behindertenbeauftragter hervorhob. "Dein Leuchtfeuer hat eine helle - wie ich finde - wegweisende Botschaft. Wir haben viele Zukunftschancen für eine inklusive Gesellschaft. Lasst sie uns nutzen und lasst uns Inklusion überall von Anfang an leben", sagte sie in Anwesenheit einiger Abgeordneter ihrer Landesregierung sowie der beiden Nachfolger*innen im Amt des Behindertenbeauftragten.
Außerdem sprach Frau Prof. Dr. Sigrid Arnade, Sprecherin für Gender & Diversity sowie ehemalige Geschäftsführerin der ISL und damit Nachfolgerin des Preisträgers. In zehn Schlaglichtern würdigte sie seine Verdienste. Sie schloss mit einem allgemeinen Dank: "Danke Ottmar dafür, dass Du seit Jahrzehnten und hoffentlich noch ganz lange ein nie verlöschendes Leuchtfeuer warst, bist und bleibst".
Die Preisverleihung wurde musikalisch umrahmt, zum einen mit zwei Liedern über Marburg, zum anderen mit der traditionellen Leuchtfeuer-Hymne, die 2014 anlässlich der 10. Preisverleihung entstand - Text: Franz-Josef Hanke, Musik: Jochen Schäfer, der ich sämtliche Lieder komponiert und gespielt habe.
Zum Schluss sprach der Preisträger seinen Dank aus. "Schön, mal wieder in Marburg zu sein", begann er. Im Grunde liebe er solche Feierlichkeiten mit so viel Lob um seine Person ja nicht, aber er freue sich trotzdem über diese Würdigung, da sie ein Ausdruck des Dankes und der Anerkennung für sein Wirken sei.
Die Redebeiträge können übrigens als Videos auf dem Kanal der Humanistischen Union angesehen werden. Direktlink: http://tv.humr.de.
Wir wünschen dem heute 60-Jährigen noch viel Schaffenskraft in den nächsten Jahren. Möge er seinen Optimismus und Antrieb behalten für weitere Aktionen und Impulse im Interesse behinderter Menschen.
Bild: Gruppenfoto anlässlich der Verleihung des Marburger Leuchtfeuers am 3. Juni 2024. V.l.n.r.: Martin Blankenhagen mit Skulptur "Das letzte Rückgrat", Susanne Göbel mit Blumenstrauß, Jochen Schäfer, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Jurysprecher Egon Vaupel, Ottmar Miles-Paul mit Urkunde, Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Franz-Josef Hanke. Foto: Patricia Krähling / Stadt Marburg
Aus der Arbeit des DVBS
TriTeam: Ein Jahr voller Empowerment und Wachstum
Von Rita Schroll
Als großer Erfolg und maßgeblicher Schritt zum Empowerment der Teilnehmenden hat sich das Mentoring-Programm TriTeam erwiesen, das der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) seit 2015 anbietet. Nun ging die neunte Runde zu Ende, die dank der Förderung der Willy Robert Pitzer-Stiftung kostenlos durchgeführt werden konnte.
Während TriTeam erhalten blinde und sehbehinderte Studierende, Auszubildende und Abiturienten aus ganz Deutschland Gelegenheit, sich ein Jahr mit studien- und berufserfahrenen, ebenfalls blinden oder sehbehinderten Mentorinnen und Mentoren auszutauschen. Es geht darum, etwa Barrieren oder Fallstricke in Ausbildung oder Studium leichter zu bewältigen und Weichen für die berufliche Zukunft zu stellen. Bei Bedarf wird für spezifische Fachfragen eine dritte Person als Experte bzw. Expertin hinzugezogen.
Zu den Themen, über die sich die Teilnehmenden während der vergangenen Monate intensiv austauschen konnten, gehörten unter anderem:
- Umgang mit der eigenen Sehbehinderung,
- Studieren mit Blindheit oder Sehbehinderung,
- Assistenzsuche in Ausbildung und Studium,
- Unterstützung bei behinderungsbedingten Anträgen, z. B. auf Nachteilsausgleich im Studium,
- Beratung bei der Suche nach beruflichen Perspektiven,
- Kontaktwunsch zu blinden oder sehbehinderten Berufserfahrenen.
Das Feedback der Mentor*innen und Mentees war überwältigend positiv: "Ich bin froh, selbst eine blinde Mentorin zu haben. Sie weiß um die Schwierigkeiten, sie verstand mich und machte mir Mut am Ball zu bleiben, vor allem bei der Praktikumssuche, die sich schwierig gestaltete", so eine Mentee. Sie fand Dank geduldigen Bemühens ihren Praktikumsplatz schließlich im Bereich der sozialen Arbeit.
Aufgrund der räumlichen Entfernungen tauschten sich die Teilnehmenden meist telefonisch aus. Doch einige der sieben Teams nutzten auch die Gelegenheit zu einem persönlichen Treffen: "Es war sehr impulsgebend, ein ganzes Wochenende meine Mentorin, die selbst blind ist, mitzuerleben und einmal mitzubekommen, wie erleichternd ein Blindenführhund für das alltägliche Leben ist", so eine andere Mentee.
Ein Auftaktseminar sowie zwei vertiefende Veranstaltungen förderten das gegenseitige Kennenlernen und den teamübergreifenden Austausch. Beim Abschlusstreffen aller an TriTeam Beteiligten am 23. April resümierte eine Mentee: "Durch meine Mentorin habe ich viel mehr Souveränität und Selbstbewusstsein, gerade im Umgang mit meiner Behinderung, erlebt. Ich bin sehr froh, dass mir meine Mentorin auch nach Ablauf von TriTeam weiter für Fragen zur Verfügung steht."
Die beteiligten Mentorinnen und Mentoren erfüllten souverän und engagiert ihre Aufgabe: "Mir hat die Begleitung meines Mentees sehr viel Freude bereitet. Ihre Weiterentwicklung spüre ich sehr deutlich. Doch auch den Austausch mit anderen Mentorinnen und Mentoren fand ich für mich sehr zielführend", berichtete eine Mentorin.
Die Projektleitung lag in den Händen der blinden DVBS-Mitarbeiterin Rita Schroll, Fachberaterin für Psychotraumatologie und Peer Counselorin. Sie hatte beim Zusammenstellen der Teams nach den Bewerbungsgesprächen Einfühlungsvermögen und Geschick bewiesen, so dass alle gestarteten Teams ihre selbst gesteckten Ziele erreichten.
"Wir danken der Willy Robert Pitzer-Stiftung sehr herzlich für die Förderung von TriTeam", so Werner Wörder, Erster Vorsitzender des DVBS. Er betont: "Das Mentoring-Programm hat sehr zur Stärkung von blinden und sehbehinderten Menschen beigetragen. Ohne diese Förderung wäre uns die Durchführung von TriTeam nicht möglich."
Neue TriTeam-Runde beginnt im Herbst - Bewerbungsfrist läuft
Die zehnte, einjährige TriTeam-Runde startet am 1. Oktober 2024. Wer als Schüler*in, Auszubildende*r, Studierende*r, Arbeitssuchende*r oder bereits Berufstätige*r Teil eines TriTeams werden möchte, kann sich per E-Mail beim DVBS e. V. bewerben. Die E-Mail sollte die Kontaktdaten einschließlich einer Telefonnummer aufführen, das Studienfach oder den Ausbildungsgang sowie die Studien- bzw. Berufsperspektiven und die Ziele, die im Mentoringprojekt umgesetzt werden sollen. Bewerbungsschluss ist Sonntag, der 22.09.2024. Bei Fragen ist Projektleiterin Rita Schroll telefonisch erreichbar.
Kontakt
DVBS, Rita Schroll
Frauenbergstr. 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-22
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: dvbs-online.de/index.php/projekte/triteam
Brailleschrift, Broschüren und Beratung - viel los am DVBS-Stand beim fünften Louis-Braille-Festival
Von Jochen Schäfer
Vom 03.-05.05.2024 fand in Stuttgart das 5. Louis Braille Festival statt - genau 100 Jahre nach dem ersten Deutschen Blindenwohlfahrtskongress am selben Ort (siehe meinen Beitrag in horus 1/2024 über 100 Jahre Braille-Ausgabe unserer Zeitschrift).
Am Samstag, dem 4. Mai, gab es im Stadtzentrum von Stuttgart auf dem "Markt der Begegnungen" viele Stände von Organisationen, allen voran die des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) mit seinen Landesvereinen.
Wie die meisten Vereine hatte auch der DVBS seinen Stand in der Reithalle hinter dem Maritim Hotel, in dem viele Festivalgäste untergebracht waren. Zu unserer Standbesetzung gehörten Leonore Dreves und Werner Wörder vom DVBS-Vorstand, Norbert Bongartz, der DVBS-Geschäftsführer Elias Knell sowie der Berichterstatter.
Wir waren mit großem Gepäck angereist. Außer Blindenschriftsystemen aus verschiedenen Ländern, die nur wenig Anklang fanden, brachten wir z. B. unsere Flyer ("Selbsthilfe lohnt sich!") mit. Das Publikum interessierte sich sehr für die im Projekt "agnes@work" entwickelten QuickGuides zur barrierefreien Gestaltung von Word- und PowerPoint-Dokumenten sowie die DVBS-Handreichung zu barrierefreiem PDF. Ein echter Publikumsmagnet war aber ein im Berufsförderungswerk Würzburg (BFW) ausgedruckter, 20-seitiger Würfel, der mit Braille-Buchstaben von a bis t gekennzeichnet ist.
Diesen Würfel, den wir unserem im BFW Würzburg neu gewonnenen Mitglied Michael Merdes verdankten, nutzten wir für ein amüsantes Ratespiel. Leonore Dreves und Werner Wörder hatten sich zwanzig Fragen rund um Louis Braille und die von ihm erfundene Blindenschrift ausgedacht. Dabei wurde jede Frage einem Buchstaben zugeordnet. Alle Teilnehmenden durften zweimal würfeln und hatten die dem Wurf zugeordnete Frage zu beantworten. Zu gewinnen waren Süßigkeiten und USB-Sticks. Es waren unterschiedlich schwierige Fragen dabei, zum Beispiel:
- "Welche Produkte müssen in Deutschland in Braille gekennzeichnet werden?"
- "Wie heißen die beiden Varianten der Braille-Schreibmaschine?"
Na, kennen Sie die Antworten? Bestimmt. Aber wie sieht es hiermit aus:
- "Wer erhielt 1901 ein Patent auf seine Punktschrift-Schreibmaschine?"
- "Welcher Alltagsgegenstand wird in Japan mit Braille beschriftet?"
Das ist schon schwieriger zu beantworten, nicht wahr? Deshalb jetzt die Auflösung:
- 1901 erhielt Oskar Picht aus Berlin das Patent.
- Der japanische Alltagsgegenstand aus dem Jahr 2004 war eine Getränkedose.
Für das Team am Stand und noch mehr für das Publikum war dieses Ratespiel sehr lustig und unterhaltsam.
Über den Spiel- und Spaßfaktor hinaus haben wir aber auch unsere Schwerpunkte Beruf, Bildung, Alltag und das breit gefächerte Beratungsangebot auf beruflicher wie rechtlicher Ebene für die Mitglieder in den Vordergrund der Gespräche gestellt. Viele zeigten sich sehr interessiert, und so ist es uns gelungen, zwölf potenzielle neue Mitglieder zu gewinnen. Dabei fiel auf, dass das Antragsformular sehr schwierig auszufüllen ist. Nicht zuletzt, um Neumitgliedern einen barrierefreien Zugang zum DVBS zu ermöglichen, wird es überarbeitet werden, darum kümmert sich der Vorstand.
Der Mix aus Unterhaltung und Information, aber auch die Gewinnung neuer Mitglieder und der große Besucherandrang haben uns gezeigt, dass sich der Tag am Stand sehr gelohnt hat. Für mich war es das erste Mal, dass ich einen DVBS-Stand mitbetreut habe, und ich möchte zum Schluss auch Mitglieder anderer Leitungsteams zur Mitarbeit ermutigen, beispielsweise bei jährlich wiederkehrenden Ereignissen wie der SightCity oder dem Sehbehindertentag. Das Engagement für die gemeinsame Sache wird dadurch belohnt, dass wir neue Mitglieder für den DVBS gewinnen können.
Bild: (V.l.n.r.:) Bereit für Gespräche und ein Ratespiel: Vorstandsmitglied Leonore Dreves, 1. Vorsitzender Werner Wörder sowie Jochen Schäfer aus dem Leitungsteam der Fachgruppe Medien freuen sich am DVBS-Infotisch auf Gäste. Foto: DVBS
Die Gemeinschaftsstiftung nach 25 Jahren - Auftakt zu einer Ewigkeit
Von Werner Wörder und Elias Knell
Ein kleiner Rückblick nach dem 25-jährigen Jubiläum
Nach dem Duden ist eine Stiftung eine Schenkung, die an einen bestimmten Zweck gebunden ist und durch die etwas gegründet oder gefördert wird. Betrachtet man die deutsche Geschichte, so ist gerade an Baudenkmälern zu erkennen, dass trotz wechselhafter gesellschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen Stiftungen besondere Konstanz und Stabilität aufweisen. Stiftungen wurden nicht nur aus Frömmigkeit oder Wohltat konzipiert; Siedlungsstiftungen sollten für die Stifter auch eine reale Rendite erwirtschaften. Philipp der Großmütige (1504-1567), ein Marburger, der seinerzeit bedeutender Landgraf und Gründer für die hiesige Universität war, gab mit seinen Stiftungen aber auch bedeutende sozialpolitische Impulse, denen erst Jahrhunderte später gefolgt wurde.
Absolventen dieser Universität sollten im 20. Jahrhundert einmal den "Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V." (DVBS) und vor einem Vierteljahrhundert die "Gemeinschaftsstiftung für Blinde und Sehbehinderte" gründen. Ihnen ging es gleichermaßen um die Ziele Wohltat und Rendite. Damit strebten sie nach Stabilität und Konstanz für den DVBS.
Im Jahre 1998 wurde die "Gemeinschaftsstiftung für Blinde und Sehbehinderte" ins Leben gerufen, die nun auf mehr als 26 Jahre zurückblicken kann.
Unter Federführung des damaligen DVBS-Vorsitzenden Dr. Otto Hauck wurde die Stiftung mit dem Ziel errichtet, die Selbsthilfearbeit des Vereins dauerhaft zu sichern. So bildeten 50.000 DM, die vom DVBS selbst 1998 aufgebracht worden waren, den Grundstock für die Gründung der Gemeinschaftsstiftung.
Wann immer es möglich war, unterstützte der Verein die Stiftung; er war damit bereits nachhaltig, bevor dieses Wort modern wurde. Gleichzeitig konnten wohltätige und prominente Stifterinnen und Stifter gewonnen werden. Lange Jahre engagierte sich der ehemalige Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) im Stiftungsvorstand. Durch die bedeutenden Zustiftungen der Eheleute Schulze-Kimmle, von Frau Hilde Horstmann und von Herrn Dr. Erich Apel konnte das Vermögen der Gemeinschaftsstiftung wachsen. Auch in jüngster Zeit gab es, vor allem durch Erbschaften, relevante Erhöhungen des Stiftungskapitals.
Mit diesem wird ausschließlich die Arbeit des DVBS gefördert. Dessen Ziel ist es, Teilhabe in Bildung und Beruf für sehbeeinträchtigte Menschen nach den Grundsätzen von Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Dies gilt auch und gerade für die Förderung durch die Gemeinschaftsstiftung. Diese hilft nur, wenn der DVBS für ein wichtiges Projekt an anderer Stelle nicht genügend finanzielle Mittel beschaffen konnte. Auf Antrag des DVBS entscheidet der Stiftungsvorstand über die Förderhöhe und berücksichtigt dabei die Förderschwerpunkte, die der Stiftungsverfassung zugrunde liegen.
Regelmäßig informiert der Stiftungsvorstand die Stiftergemeinschaft, die Aufsichtsbehörden und die interessierte Öffentlichkeit über die Arbeit der Stiftung.
Die Stiftergemeinschaft tritt regelhaft jährlich zusammen. Sie besteht aus den Zustiftern, die mit ihren Gaben die Arbeit der Stiftung überhaupt erst ermöglichen. Weiterhin wählt der DVBS alle vier Jahre aus den Reihen seiner Mitglieder drei Vertreterinnen oder Vertreter in die Stiftergemeinschaft.
Der Stiftungsvorstand besteht aus vier Personen: Der Vorsitzende des DVBS Werner Wörder und seine Stellvertreterin Sabrina Schmitz übernehmen die gleichen Ämter im Vorstand der Stiftung. Die beiden Beisitzenden werden von der Stiftergemeinschaft gewählt, aktuell sind dies Herr Jörg Ruhrmann und Herr Marian Frisch. Beisitzer im Stiftungsvorstand müssen keine DVBS-Mitglieder sein; es hat sich in der Vergangenheit bewährt, hier externe Experten als Ratgeber hinzuzuziehen.
Die Zukunft mitgestalten
Auch heute noch ist die Gemeinschaftsstiftung davon abhängig, dass sich Menschen mit den Zielen der Stiftung und des DVBS identifizieren und dies neben ehrenamtlichem Engagement durch finanzielle Unterstützung ausdrücken. Dass die Unterstützungsmöglichkeiten hier über eine reine Spende hinausgehen, ist vielen aber gar nicht bekannt.
Die Gemeinschaftsstiftung ist als gemeinnützig anerkannt. Dies hat Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung von Zuwendungen an die Stiftung. So können z. B. Abgeltungssteuern erstattet oder ein steuermindernder Sonderausgabenabzug geltend gemacht werden. Um den Aufbau von Stiftungen zu unterstützen, werden diese im Vermögensstock steuerlich besonders begünstigt. Solche Zuwendungen müssen erhalten bleiben und dürfen nicht - im Gegensatz zu einer Spende - verbraucht werden. Aus dem Vermögensstock werden Erträge generiert, die dem Stiftungszweck zugeführt werden. Bis heute hat die Stiftung noch nie mehr als ihre Erträge an den DVBS ausgekehrt und Spenden an die Stiftung genauso behandelt wie Zuwendungen in den Vermögensstock. Dank dieser konservativen Orientierung konnte der Vermögensstock der Stiftung kontinuierlich wachsen.
Darüber hinaus bietet die Stiftung eine Erbschaftsberatung an. Vielen Menschen fällt es nicht leicht, über die eigene Lebenszeit hinaus zu planen und zu bestimmen, was nach ihrem Tod mit ihrem Vermögen geschehen soll. Wer aber kein Testament errichtet und auch keinen Erbvertrag schließt, verzichtet auf die Chance, die Zukunft selbst aktiv mitzugestalten. In diesem Falle tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Wer aber möchte, dass der DVBS und die Gemeinschaftsstiftung von eventuellem Vermögen nach dem Ableben profitieren, kann die Stiftung als Erben oder als Teilerben in sein persönliches Testament einsetzen lassen.
Ausblick
Ein Vierteljahrhundert ist für eine Stiftung ein Wimpernschlag. In diesem Wort ist jedoch ein sehr aktives und starkes Verb, das "Schlagen", versteckt. Und genauso aktiv und intensiv war das erste Vierteljahrhundert der Stiftung: schlagkräftig, intensiv, gestaltend und aktivierend. Mittlerweile kann die Stiftung auf ein kleines siebenstelliges Vermögen blicken, dessen Erträge dem DVBS in vielen Jahren sehr halfen.
Wir wünschen uns, dass noch ewige Vierteljahrhunderte folgen, und freuen uns daher darauf, viele Unterstützer des DVBS für ein Engagement für unsere Stiftung motivieren zu können.
Kontakt
Elias Knell
DVBS-Geschäftsführung
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-0
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Seminare in der zweiten Jahreshälfte
Von Christian Axnick
Im zweiten Halbjahr 2024 bieten wir folgende Seminare an, die Gelegenheit bieten, neue Erfahrungen zu sammeln und sich weiterzubilden. Unsere kompetenten Referent*innen vermitteln Wissen und Methoden barrierefrei und auf einprägsame Weise.
- 19. - 22.09.2024 "Nicht sehend - nicht blind". Seminar der IG Sehbehinderte in Bad Soden-Salmünster (Hessen).
- 11. - 01.12.2024 FG Soziale Berufe und Psychologie, Seminar zum Thema Resilienz in Bad Soden-Salmünster.
- 05. - 08.12.2024 "Gesprächsführung". Seminar der FG Wirtschaft in Herrenberg-Gültstein.
Unsere Seminare stehen auch Nichtmitgliedern offen, sollten noch Plätze frei sein.
DVBS-Mitglieder mit geringem Einkommen und ohne institutionelle Förderung können einen Zuschuss aus unserem Solidaritätsfond beantragen.
In den Seminarhäusern sind Gäste mit und ohne Blindenführhund herzlich willkommen.
Kontakt
Bei Fragen zum Seminar- und Veranstaltungsprogramm des DVBS wenden Sie sich an:
Christian Axnick
DVBS-Geschäftsstelle
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Tel.: 06421 94888-28
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Aus der blista
"Eine bereichernde und Augen öffnende Erfahrung"
Gemeinsamer Spaziergang mit Marburgs Oberbürgermeister zum Sehbehindertentag
Von Thorsten Büchner
"Ich bin total gespannt darauf, was mich in den nächsten Minuten erwartet", eröffnete Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies die gemeinsame Veranstaltung "3000 Schritte mit dem Oberbürgermeister zum Sehbehindertentag", die am 6. Juni mit der blista auf dem Marburger Marktplatz startete. Unter dem Einsatz von Simulationsbrillen, die einen "grauen Star" mit weniger als 10% Sehvermögen simulieren, machte sich Spies gemeinsam mit blista-Vorstand Patrick Temmesfeld und weiteren Interessierten auf den Weg durch Marburgs Altstadtgassen. "So die bekannten Wege in einer neuen Perspektive wahrzunehmen, hilft dabei zu verstehen, wie wir unsere Stadt noch barrierefreier für Menschen mit Sehbehinderung gestalten können", betonte Spies. Patrick Temmesfeld bedankte sich für die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Marburg und war genauso gespannt wie der OB, "was uns auf unserem Spaziergang so alles begegnen wird".
Über den lutherischen Kirchhof gelangten die Teilnehmenden dann zur "Herausforderung des Tages". Eine steile Wendeltreppe, an der die Sicherheit bietenden Handläufe zu spät begannen, deren Stufen unterschiedlich hoch waren und wenig Kontraste boten, galt es herunterzukommen. Für alle Teilnehmenden ein Aha-Erlebnis, "weil es ganz praktisch zeigt, welche Barrieren wir ausräumen müssen, um auch und gerade bei Stadtplanung die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen mitzudenken", so der Oberbürgermeister.
Martin Brehmer, Low-Vision-Experte der blista, demonstrierte während des Spaziergangs vergrößernde Sehhilfen und brachte die kleine Wandergruppe zum Staunen, als er vor der Tourismusinfo im wuseligen Altstadttrubel eine App mit KI-Elementen die Umgebung detailreich und exakt beschreiben ließ.
Nach über einer Stunde konzentrierten Perspektivenwechsels ging eine erkenntnisreiche Altstadttour zu Ende. "Das war eine enorm bereichernde und Augen öffnende Erfahrung für mich. Ich habe Marburg nochmal ganz anders wahrgenommen", bedankte sich der Oberbürgermeister, der mit beeindruckender Kondition die Simulationsbrille die komplette Wegstrecke über aufbehielt.
Bild: Die kleine Wandergruppe mit acht Teilnehmer*innen am Marburger Marktbrunnen. Mit dabei: Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies (stehend, 2. v.l.) und blista-Vorstandsvorsitzender Patrick Temmesfeld (stehend, 3.v.l.), beide tragen Simulationsbrillen mit breitem grünem Rand. Autor Thorsten Büchner sitzt vorne auf den Stufen des Brunnens und hat seinen Langstock zusammengeklappt. Foto: blista
Zurück in den Job mit PROJob
Von Cecilia Röhler und Otfrid Altfeld
Seit 2019 bietet die blista PROJob an, um speziell Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung bei der beruflichen Neuorientierung zu unterstützen. Im Interview erläutert Otfrid Altfeld, wie PROJob die Teilnehmer*innen auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt begleitet und welche vielfältigen Maßnahmen das Programm umfasst, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch. Es gibt einen eklatanten Fachkräftemangel in vielen Bereichen, während in manchen Segmenten die Nachfrage nach neuen Mitarbeiter*innen eher gering ist. Zudem erleben viele Unternehmen eine Erneuerungswelle, die von Digitalisierung, hybridem Arbeiten und verstärkter Teamarbeit geprägt ist. Diese Veränderungen stellen sowohl Arbeitgeber*innen als auch Mitarbeitende vor große Herausforderungen. Gleichzeitig zeigt sich der Arbeitsmarkt in einigen Bereichen sehr durchlässig. Viele Unternehmen sind offen für neue Mitarbeitende, die vom visuellen Standard abweichen, und bekennen sich klar zu Diversität und Inklusion.
An den Standorten in Marburg und Frankfurt (Main) bietet die blista das Integrationsangebot PROJob an. "Dieses Programm richtet sich an Menschen, die ihren individuellen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt oder eine Ausbildung/Umschulung gestalten möchten", sagt Otfrid Altfeld, Leiter des blista-Ressorts focus arbeit, in dem PROJob angesiedelt ist. Die Teilnehmer*innen erwartet ein umfassendes Programm, das unter anderem ein individuelles Assessment, Training der sozialen Kompetenz, spezifisches barrierefreies Bewerbungstraining, EDV- und Hilfsmittelschulung, Selbstpräsentationstraining, Stil- und Imageberatung sowie Orientierung und Mobilität umfasst. Außerdem bietet es berufspraktische Fähigkeiten und Vermittlungscoaching an. Ein weiteres wichtiges Element ist das Praktikum. Insgesamt dauert das Programm maximal 11 Monate.
"Der Arbeitsplatz stellt für Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit eine besondere Herausforderung dar", so Altfeld, und weiter: "Es geht nicht nur darum, die fachlichen Kompetenzen produktiv einzusetzen, sondern auch darum, soziale Kontakte zu den Kolleg*innen aufzubauen und zu pflegen." Nur so könnten sie an den formellen und informellen Arbeitsprozessen teilnehmen. Mit PROJob sollen die Teilnehmer*innen unterstützt werden, nicht nur den Weg in die Arbeit zu finden, sondern sich auch nachhaltig in die bestehenden Strukturen eines Unternehmens zu integrieren.
"Bei uns gibt es keine vorgefertigten Lösungen von der Stange. Wir entwickeln gemeinsam mit den Teilnehmer*innen individuelle Wege zurück in den Job, basierend auf ihren Bedürfnissen und Ressourcen", betont Altfeld. Dazu zählen Strategien für die Bewerbungsphase und die bedarfsorientierte Weiterentwicklung der EDV-Kompetenzen. Außerdem wird die bewusste Auseinandersetzung mit den sozialen und persönlichen Anforderungen am Arbeitsplatz gefördert.
"Die Grundlage für unsere intensive Arbeit wird in einem detaillierten Eingangs-Assessment gelegt", erklärt Altfeld. Hier werden die Interessen, Erfahrungen und Kompetenzen der Teilnehmer*innen geklärt und im Hinblick auf die Rückkehr in die Arbeit bewertet. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird gemeinsam ein Förderplan entwickelt, der die individuellen Kompetenzen stärkt und Potenziale entwickelt.
Das Praktikum dient der persönlichen Erprobung und dem Kennenlernen von Unternehmen. Es bietet die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen zu erproben und besser einzuschätzen, ob eine Mitarbeit in dem jeweiligen Unternehmen vorstellbar ist. "Oftmals führt ein erfolgreiches Praktikum dazu, dass die Teilnehmer*innen direkt aus PROJob heraus in den Job wechseln", sagt Altfeld.
Teilnahmeberechtigt sind alle Personen mit Blindheit oder Sehbehinderung, die arbeitsuchend sind. "Wir sind AZAV-zertifiziert, daher kann die Teilnahme durch die Bundesagentur für Arbeit, das JobCenter oder die Rentenversicherung gefördert werden", erläutert Altfeld. Dies sollte im persönlichen Gespräch mit den Berater*innen des Kostenträgers geklärt werden.
Die Teilnahme an PROJob kann jederzeit nach Absprache mit den Kolleg*innen in den Beratungszentren in Marburg und Frankfurt begonnen werden. Am Standort Marburg werden auch Wohnmöglichkeiten in einem Apartment oder in der PROJob-WG angeboten.
Kontakt
Beratungs- und Schulungszentrum Marburg:
Ute Mölter
Tel.: 06421 606-500
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
blista Frankfurt:
Martina Borghardt
Tel.: 069 4035 6134
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bild: Eine junge Frau arbeitet am sehbehindertengerecht eingerichteten Büro-Arbeitsplatz mit vergrößerndem Bildschirm und Bildschirmlesegerät. Foto: blista
"Heute ist Gänsehaut-Tag": Absolvent*innen-Feier an der blista
Von Thorsten Büchner und Cecilia Röhler
Mit dem Eröffnungslied "Don't Look Back in Anger", vorgetragen von den Lehrern Jens Flach, Roland Stephan und Olaf Roth, war der Ton der diesjährigen Absolvent*innen-Feier in der großen Sporthalle der blista gesetzt. In allen Redebeiträgen wurde das Erreichte betont, in Erinnerungen geschwelgt und hoffnungsvoll optimistisch in die Zukunft geblickt.
Till Zipprich und Alexander Ebert führten im Namen der Absolvent*innen charmant und gewitzt durch die knapp zweistündige Veranstaltung.
Der Vorstandsvorsitzende der blista, Patrick Temmesfeld, beschrieb in seiner Rede den besonderen Augenblick, den das Erhalten der Abschlusszeugnisse darstellt: "Heute ist Gänsehaut-Tag! Nicht nur für Sie, liebe Absolvent*innen. Nein, auch für Ihre Familien und für uns an der blista. Wir sind mächtig stolz auf Sie! Auf das, was Sie heute und in den letzten Jahren geschafft haben. Herzlichen Glückwunsch!"
Der Schulleiter der Carl-Strehl-Schule, Peter Audretsch, ging in seinem Beitrag auf "das Aufwachsen in fordernden Zeiten" ein, das "ihr in den zurückliegenden Jahren bravourös gemeistert habt". Er bat die Absolvent*innen darum, dass "ihr euch in der Zukunft für die Dinge einsetzt, die ihr wichtig und richtig findet, anderen zuhört und mit anderen Meinungen respektvoll umgeht". Das sei "in diesen polarisierenden Zeiten unheimlich wichtig".
"Mit euch verliert die blista einzigartige Charaktere, die in vielfältiger Art und Weise unser Zusammenleben bereichert haben", dankte Internatsleiter Daniel Reh den Absolvent*innen und schloss dabei deren Eltern und Angehörige mit ein. "Wir bedanken uns auch bei Ihnen für das Vertrauen, das Sie uns und unserer Arbeit in den letzten Jahren geschenkt haben, Ihre Kinder beim Aufwachsen begleiten zu dürfen."
Die frisch gebackene Abiturientin Josephine Frenzel rührte die 200 Gäste mit der Liedzeile "Warum reicht es eigentlich nicht, nur ich selbst zu sein?" aus dem Lied "Beispiel daran" der jungen Musikerin Julia Melandin.
Diesen Grundgedanken griff Debora Ziemann, Lehrerin an der CSS, in ihrer Abirede auf und bedankte sich zunächst bei "meinen Schüler*innen, die mir als neuer Lehrerin hier an der blista beim Ankommen super geholfen haben". Ziemann ging auf das Abimotto des Jahrgangs ("Kapitalismus - 13 Jahre Klassenkampf") ein und knöpfte sich auf nachdenkliche und mutmachende Weise den Leistungsbegriff vor. Ihr Fazit: "Leistung ist etwas so Individuelles, so wie Ihr alle auch ganz individuell seid."
Zum Schluss ihrer Rede gab Ziemann den Absolvent*innen gute Wünsche mit auf den Weg: "Ihr werdet in neue Städte ziehen, in neue Wohnungen, neue Menschen kennenlernen, neue Wege gehen, die allesamt neue Leistungen von Euch fordern. Für diesen Weg wünsche ich Euch, dass Ihr wertschätzt, was Ihr leistet."
Die beiden Absolventen Marcel Straßburg (für die Fachoberschulen) und Florian Weenen (für das allgemeine Gymnasium) ließen in ihren Reden die gemeinsamen Jahre Revue passieren und bedankten sich bei "allen Menschen, die uns in den letzten Jahren dabei unterstützt haben, dass wir heute hier stehen können".
Mostafar Alizade leitete elegant und poetisch mit einem Klavierstück zum feierlichen Höhepunkt des Tages, der Zeugnisübergabe, über. Mit viel Applaus, leuchtenden Gesichtern und jeder Menge Erinnerungsfotos wurden die Absolvent*innen geehrt, geherzt und nahmen Gratulationen entgegen. Von Seiten des Vorstands und der Schulleitung erhielten alle Absolvent*innen Blumen-Murmeln (eine Wildblumenmischung) "für eine bunte Zukunft" sowie die herzliche Einladung, sich am neuen Alumni-Netzwerk der blista zu beteiligen.
Die Oberstufenleiterin Silke Roesler und der Vorsitzende des Fördervereins der CSS, Thorsten Büchner, ehrten Svea Funda, Martin Gimbernat-Keßler (beide AG) und Sofia Wittenstein (FOS) für die besten Abschlüsse des Jahrgangs. Svea Funda erhielt darüber hinaus noch eine besondere Ehrung der Gesellschaft Deutscher Chemiker für das beste Chemie-Abitur Hessens ausgehändigt.
Nach diesen emotionalen Höhepunkten entließ die Lehrerband die Festgemeinde mit einem melancholischen Lied "Ameland" von Kappelle Petra in einen entspannten Nachmittag, der mit Gesprächen, gemeinsamen Erinnerungen, anstoßenden Sektgläsern und viel Gelächter langsam ausklang. Ab 14 Uhr leerte sich der blistaCampus, weil sich alle auf "die rauschende Ballnacht" vorbereiten mussten, um einen letzten, gemeinsamen Abend in Marburg miteinander zu verbringen.
Wir gratulieren
Allgemeines und Berufliches Gymnasium
Hugo Behre, Matilda Book, Gaetano Castelli, Berhan Dogan, Björn Eckert, Josephine Sydney Frenzel, Svea Felicia Funda, Anita Galas, Martin Gimbernat-Keßler, Moritz Hagen, Béla Bel Heinze, Stefan Hochmuth, Frieder Marek Leinhäuser, Elisabeth Makitruk, Nikita Martens, Robin Meinecke, Anna Marleen Müller, Samuel Philipp Müller, Erkan Özbey, Manuel Rippe, Joscha Röder, Keano Ken-Ichi Sander, Nico Schäfer, Fynn Mika Schedler, Sebastian von Fragstein, Florian Weenen, Sarah Jamila Weiß, Sophie Werner, Lorenz Wilhelm, Chiara Winkler, Till Zipprich
Fachoberschulen (Gesundheit und Sozialwesen)
Alexander Ebert, Amelie Viola Fischer, Noemi Laura Heil, Marcel Straßburg, Sofia Wittenstein
Bild: Gruppenbild mit 35 elegant gekleideten Absolvent*innen der CSS, BG und FOS auf dem blistaCampus. Foto: blista
Bücher
Hörbuchtipps aus der blista
Von Thorsten Büchner
Hörbücher der DBH
Philip Banse/Ulf Buermeyer: Baustellen der Nation. Was wir jetzt in Deutschland ändern müssen
Ullstein, Berlin, 2023. Buch-Nr. 1609471, Spielzeit: 612 Minuten.
Es bröckelt an den Fundamenten unseres Staates. Ob beim maroden Gesundheitssystem, den katastrophalen Defiziten im Bildungssektor oder der wenig beherzten Energiewende: Deutschland hat Reformen und Investitionen jahrelang verschlafen und ausgebremst. Nun kommt es nur schwer in die Gänge. In zehn Kapiteln beschreiben Philip Banse und Ulf Buermeyer die wichtigsten Probleme. Was muss geschehen, damit der Windkraftausbau endlich gelingt? Wie holen wir den Rückstand bei der Digitalisierung auf? Und wie stellen wir sicher, dass Deutschlands Kommunen in Zukunft so finanziert werden, dass Straßen und Schulen nicht länger buchstäblich zerbröseln?
Gaia Vince: Das nomadische Jahrhundert. Wie die Klima-Migration unsere Welt verändern wird
Piper, München, 2023. Buch-Nr. 1608141, Spielzeit: 758 Minuten.
Waldbrände und Wirbelstürme hinterlassen immer größere Schneisen der Verwüstung. Sturzbachartige Regenfälle führen zu verheerenden Fluten, von Dürren geplagte Regionen werden unfruchtbar. Der Klimawandel ist überall zu spüren. Die Folge: In den letzten zehn Jahren hat sich die weltweite Migration verdoppelt, und in den kommenden Jahrzehnten werden buchstäblich Milliarden von Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Die preisgekrönte Journalistin Gaia Vince zeigt, wie sich durch Klimamigration unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln, unsere Städte und unsere Politik verändern werden - und was nun zu tun ist. Sie bietet Antworten, die wir alle brauchen, mehr denn je.
Anthony MacCarten: Going zero
Diogenes, Zürich, 2023. Buch-Nr. 1580801, Spielzeit: 780 Minuten.
Hat man als Einzelner überhaupt eine Chance gegen das System? Eine junge Bibliothekarin aus Boston ist entschlossen, es zu versuchen - ihr bleibt keine Wahl. Und so greift sie zu, als sich die Einladung zu einem ungewöhnlichen Kräftemessen bietet: dem Betatest von FUSION, einem Projekt der US-Geheimdienste und des Social-Media-Moguls Cy Baxter. Wem es gelingt, 30 Tage unauffindbar zu bleiben, dem winken 3 Millionen Dollar. Doch Kaitlyn geht es um etwas anderes.
Hörbuchtipps zum Schwerpunktthema "Künstliche Intelligenz"
Manuela Lenzen: Künstliche Intelligenz. Was sie kann und was uns erwartet
Beck, München, 2019. Buch-Nr. 1471311, Spielzeit: 701 Minuten.
Künstliche Intelligenz (KI) steht für Maschinen, die können, was der Mensch kann: hören und sehen, sprechen, lernen, Probleme lösen. In manchem sind sie inzwischen nicht nur schneller, sondern auch besser als der Mensch. Wie funktionieren diese klugen Maschinen? Bedrohen sie uns, machen sie uns gar überflüssig? Die Journalistin und KI-Expertin Manuela Lenzen erklärt anschaulich, was Künstliche Intelligenz kann und was uns erwartet.
Jörg Schieb/Peter N. Posch: Der Digitalschock. Was vom Hype bleiben wird - so verändern ChatGPT, Bard & Co. unseren Alltag
Redline Verlag, München, 2023. Buch-Nr. 1604141, Spielzeit: 302 Minuten.
In ihrem Buch erläutern die Digitalexperten, wie ein Chatbot überhaupt funktioniert. Welche Veränderungen kommen auf unsere Arbeitswelt, unsere Schulen zu? Wer profitiert und wessen Arbeit wird sie übernehmen? Welche Risiken entstehen und was für neue Regeln brauchen wir? Und sie zeigen, wie wir mit der KI leben können - und werden.
Ihr Kontakt zur DBH
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
blistaCampus, Am Schlag 2-12
35037 Marburg.
Telefon: 06421 606-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
sowie über unsere kostenlose Leselust-App
und unseren barrierefreien Online-Katalog
unter https://katalog.blista.de
Aus der Braille-Druckerei: Serien, Reihen - und außer der Reihe
Von Wencke Gemril und Jochen Schäfer
Es gibt Neues von einer unserer Bestseller-Fantasy-Serien, wir stellen eine weitere beliebte Buchreihe vor sowie ein spannendes Jugendbuch, das außerhalb von Reihen neu in Braille erschienen ist.
Tanya Stewner: Alea Aquarius
Oetinger, Hamburg, 2018-22.
Die Abenteuer des 11-jährigen Meermädchens Alea Aquarius mit ihren Freunden von der Alpha Cru gehen weiter. Noch immer sind sie auf dem Segelboot unterwegs und machen die Meere sicherer - zumindest ist das Aleas Mission: die Rettung der Meere und damit das Überleben der Meermenschen. Ihre Reise führt zunächst nach Norwegen. Dort werden sie Zeugen einer Ölpest, die von den abfällig "Landgänger" genannten Menschen verursacht wurde. Die Cru hilft, wo sie kann, um die größten Schäden zu beseitigen und Leben zu retten. Eine weitere Reise führt sie nach Brügge in Belgien. Dort trifft Alea unter anderem auf ihre Mutter, und ihre Beziehung zu Lennox intensiviert sich.
Die Alpha Cru hat aber auch einen starken Widersacher: Doktor Orion, einen fiesen Arzt, der einen Meeresvirus entwickelt und verbreitet hat. Meistens gelingt es der Cru, Orion und seinen Leuten zu entkommen. Als er sie aber einmal doch erwischt, raubt er ihnen ihre Erinnerungen an die letzten Monate und Alea die Eigenschaften als Meermädchen, so dass sie nun selbst eine "Landgängerin" ist. Außerdem ist Lennox verschwunden. Danach müssen sich die Freunde erst ganz langsam wieder finden, und mit Hilfe von Lennox, der sich von Orion befreit hat, und anderen magischen Wesen schaffen sie es, ihre Erinnerungen wiederzubekommen. Schließlich wird Alea auch wieder ein Meermädchen, und zwar dank ihrer Zwillingsschwester.
Die Reise führt die Freunde dann über den Rhein und schließlich nach Italien, wo sie Doktor Orion dingfest machen wollen - aber gelingt es ihnen? All das könnt ihr erfahren in der Fortsetzung dieser Serie, von der es auch später noch mehr geben wird.
Neu erschienen sind:
- 4: Die Macht der Gezeiten (Bestell-Nr. 6314, 6 Bände in reformierter Kurz-, 9 in Vollschrift),
- 5: Die Botschaft des Regens (Nr. 6315, 8 Bände in ref. Kurz-, 10 in Vollschrift),
- 6: Der Fluss des Vergessens (Nr. 6316, 11 Bände in ref. Kurz-, 14 in Vollschrift),
- 7: Im Bannkreis des Schwurs (Nr. 6317, 7 Bände in ref. Kurz-, 10 in Vollschrift),
- 8: Die Wellen der Zeit (Nr. 6318, 6 Bände in ref. Kurz-, 9 in Vollschrift).
Claus Mikosch: Der kleine Buddha
Herder, Freiburg [u.a.], 2017-21.
Es war einmal ein kleiner Buddha, der täglich unter seinem Bodhi-Baum saß und meditierte. Obwohl er seinen vertrauten Meditationsplatz liebt, fehlt ihm etwas im Leben. Also beginnt er zu reisen und trifft auf Menschen, von denen jeder eine Antwort auf die Frage hat, was im Leben wirklich zählt. Der Buddha weiß: Es sind immer die kleinen Dinge, die das Geheimnis des Glücks ausmachen, ebenso wie das der Liebe. Auf seiner zweiten Reise will er wissen, was es damit auf sich hat, und trifft sowohl auf verliebte wie auf verzweifelte Menschen, die das Glück der Liebe entweder gefunden oder wieder verloren haben. Auf seinen weiteren Reisen entdeckt er die Kraft der Veränderung, beschäftigt sich mit dem Geheimnis der Zeit und findet am Ende zu sich selbst - nach Hause.
Die unterhaltsamen Geschichten stecken voller Lebensweisheiten.
Erschienen sind:
- Der kleine Buddha auf dem Weg zum Glück (Bestell-Nr. 4914),
- ... und die Sache mit der Liebe (Nr. 4915),
- ... entdeckt die Kraft der Veränderung (Nr. 6298),
- ... und das Wunder der Zeit (Nr. 6299),
- ... auf der Reise nach Hause (Nr. 6300).
Sämtliche Geschichten umfassen in reformierter Kurzschrift jeweils 2 Bände, in Vollschrift die ersten beiden je 2, die anderen 3 Bände.
Janna Ruth: Memories of Summer - wer bist du ohne Vergangenheit?
Moon Notes, Hamburg, 2021. 5 Bände in reformierter Kurz-, 7 in Vollschrift, Bestell-Nr. 6251.
Mika spendet regelmäßig seine Erinnerungen im NEURO-Institut. Denn was ist schon dabei? Man verdient eine Menge Geld und hilft bei der Behandlung von Depressionen, da die Erinnerungen den Erkrankten eingepflanzt werden. Doch dann tritt Lynn in sein Leben, die so viel über ihn weiß, und plötzlich wünscht Mika sich, er könnte sich an sie erinnern. Als dann noch etwas eintritt, wofür er die Vergangenheit nicht missen möchte, will er seine Erinnerungen zurückholen - und kommt den Geheimnissen des NEURO-Instituts gefährlich nahe ...
Auch dieser spannende Roman wurde zusätzlich in der DBH als DAISY-Buch produziert (Nr. 1555761).
Bestelladresse
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V.
blistaCampus, Am Schlag 2-12
35037 Marburg
Tel.: 06421 606-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
oder über unseren barrierefreien Online-Katalog
https://katalog.blista.de
bzw. die populäre App "Leselust".
Wenn Sie Vorschläge oder Wünsche für Neuübertragungen von Büchern in Punktschrift haben, dann mailen Sie uns, wir freuen uns auf Ihre/Eure Anregungen.
Eine Olympia-Nachlese der Deutschen Blinden-Bibliothek: "Spring dich frei" von Malaika Mihambo
Von Jochen Schäfer
Die 33. Olympischen Sommerspiele von Paris sind inzwischen vorbei. Spannende Wettkämpfe und viele Medaillen gab es wie jedes Mal. Für Deutschland ist eine bekannte Leichtathletin erfolgreich angetreten: Malaika Mihambo. Die zweimalige Weltmeisterin gewann dieses Jahr eine Silbermedaille im Weitsprung. Aus diesem Grund stellen wir ihre Autobiografie vor, die bereits vor den Olympischen Spielen in der DBB erschienen ist.
Die Autorin, geboren 1994 in Heidelberg, zeichnet hier auf sehr offene und direkte Art ihren eigenen Weg zu Achtsamkeit und innerer Stärke auf. Dieser Weg war für sie oft nicht leicht, auch deshalb nicht, weil sie dunkelhäutig ist (ihr Vater, der sich sehr früh von ihrer Mutter getrennt hat, stammt ursprünglich aus Tansania). Deshalb hat sie vor allem in der Kindheit öfter Diskriminierung erlebt, einmal durch einen Mitschüler, zum anderen sogar durch eine Lehrerin. Das änderte sich erst, als sie die Schule wechselte, wo es ihr besser ging. In einem der ersten Kapitel erzählt sie darüber und äußert ihre Gedanken über den Alltagsrassismus in unserem Land. Gegen Ende des Buches greift sie dieses Thema erneut auf, als sie von einem späteren Erlebnis am Rande einer Meisterschaft berichtet.
Schon sehr früh hat sie ihre Liebe zum Sport, konkret zur Leichtathletik und zum Weitsprung, entdeckt. In dieser Disziplin erzielte sie schon als Jugendliche beachtliche Erfolge. Mit 16 Jahren sprang sie die enorme Weite von 6,70 Meter, wodurch sie sich für die Jugend-Nationalmannschaft der Frauen qualifizierte, zunächst im U18-Kader: Zwei Jahre später stieg sie in die Erwachsenenmannschaft auf. 2016 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, und auch wenn sie keine Medaille holen konnte, so zählte für sie allein die Teilnahme.
Doch dann geriet sie 2017 in eine Sinnkrise, ausgelöst durch eine schwere Verletzung am Fuß, wodurch sie das Sporttraining und damit natürlich auch Wettkämpfe unterbrechen musste. Sie stellte sich Fragen wie: "Warum treibe ich Sport? Was bedeutet er mir? Wofür brenne ich wirklich?" Es war die Zeit, in der sie ihren Hang zur Meditation entdeckte, wodurch sie über ihr Leben nachdachte, sich komplett neu sortierte und begann, vorhandene Ängste abzubauen. Auch dadurch gelang es ihr, sich unbeirrt an die Spitze der Leichtathletinnen zu kämpfen, denn nach ihrer Unterbrechung setzte sie die sportliche Karriere erfolgreich fort.
Das Buch ist nicht nur eine Autobiografie, sondern zugleich ein psychologischer Wegweiser zu mehr Selbstbewusstsein und ein Reisebericht, denn das Reisen ist Malaika Mihambo ebenfalls sehr wichtig. In ihrem Buch begleiten wir sie nach Indien (in das Geburtsland der Meditation), nach Thailand zum Tauchen, nach Lappland zu einem Hundeschlittenrennen, bei einer Wanderung in die peruanischen Berge - und zu sich selbst. Darüber hinaus engagiert sie sich sozial. So gründete sie 2020 den Verein "Malaikas Herzsprung" zur Förderung von Kindern und Jugendlichen im Sport.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass sie zu ihren Trainern ein gutes Verhältnis hat, die ihr immer das nötige Selbstvertrauen und die Unterstützung auf ihrem Weg gaben und geben. Auch dadurch kam sie zu weiteren Erfolgen. 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokio gelang ihr der Sprung über 7 Meter und sie holte dadurch olympisches Gold für Deutschland - ein Traum, der sich verwirklichte. Erst ganz gegen Ende des Buches erwähnt sie, dass sie sich für die nächsten Olympischen Spiele in Paris vorbereitet hat.
Wer Malaika Mihambos Autobiografie liest, kennt das Geheimnis ihrer Erfolge. Das Buch ist auf jeden Fall auch nach den Olympischen Spielen sehr lesenswert.
Bibliografische Daten
Malaika Mihambo: Spring dich frei. Aus dem Leben einer Spitzensportlerin: Mein Weg zu Achtsamkeit und innerer Stärke. Edition Michael Fischer, München/Igling, 2023, ISBN 978-3-7459-1833-5.
Das Buch liegt bei uns in mehreren Versionen vor:
- in Braille: 4 Bände in reformierter Kurzschrift (42 Euro) oder 6 Bände in Vollschrift (63 Euro), Bestell-Nr. 6344,
- entleihbar in der Emil-Krückmann-Bibliothek in Kurzschrift (Sign.: B.VII 67) oder Vollschrift (Sign.: B.VII 68)
- sowie als DAISY-Hörbuch in der DBH (Nummer 1609811).
Bestelladresse
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Bild: Buchcover "Spring dich frei": Malaika Mihambo hat die Unterarme senkrecht gehoben und hält die Finger verschränkt, während die Handflächen nach unten zeigen. Sie blickt lächelnd über die so gebildete waagrechte Linie hinweg.
Linktipp
Authentisch oder KI? Neue Herausforderungen in Wissenschaft und Beruf
Der Podcast "Politisches Feuilleton" des Deutschlandfunk Kultur beschäftigt sich in persönlicher und prägnanter Form mit gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Themen. Hier geht es in rund fünfminütigen Beiträgen des Öfteren auch um KI. Beispielsweise berichtet Thomas Brechenmacher, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam, am 3. Juni 2024 über ein studentisches Seminar, das untersucht hat, wie überzeugend sich Geschichtsquellen durch KI manipulieren lassen. Sein Fazit angesichts dieser beunruhigenden Möglichkeit: "Oberflächlich gut, zum Glück aber noch nicht perfekt." Und: "Es ist die neue Stunde der Quellenkritik. Man kommt dem Fake nur auf die Schliche durch harte Plausibilitätsprüfung."
Die Podcast-Folgen lassen sich hören und nachlesen unter https://www.deutschlandfunkkultur.de/kommentar-ki-quellenkritik-fake-dokumente-100.html
Panorama
Stuttgarter Erklärung: UN-Behindertenrechtskonvention endlich konsequent umsetzen!
Die Beauftragten des Bundes und der Länder für die Belange von Menschen mit Behinderungen fordern die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland. Um dies zu betonen, haben sie im Rahmen ihres Treffens am 11. und 12. April 2024 in Stuttgart eine Erklärung verabschiedet, die sich an Bund, Länder und Kommunen richtet. Gefordert werden u.a. klare zeitliche Vorgaben für die Umsetzung der UN-BRK.
Während ihres 67. Treffens standen die abschließenden Bemerkungen zur 2. und 3. Staatenprüfung Deutschlands vor dem UN-Fachausschuss in Genf im Zentrum. Ihr Ergebnis zeigt, dass Deutschland 15 Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK bei der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen nach wie vor deutlich hinter seinen Zielen und Möglichkeiten bleibt. Die Beauftragten widmeten sich insbesondere dem Recht auf selbstbestimmte Lebensführung (Art. 19 UN-BRK), dem Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, Schutz vor Gewalt und Missbrauch (Art. 14, 16, 17 UN-BRK), der Ablehnung von Zwang (Art. 12, 14, 15, 16 UN-BRK) und der Partizipation auf allen staatlichen Ebenen (Art. 4, 33 UN-BRK).
Die Konferenzteilnehmenden kritisieren mit der Stuttgarter Erklärung unter anderem, dass es in Deutschland an Möglichkeiten zu dezentralen, individuellen Wohnformen, vor allem für Menschen mit hohem Assistenzbedarf, fehlt. Außerdem bemängeln sie die besorgniserregende Prävalenz von Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen, insbesondere gegen Frauen und Mädchen. Hier seien die Lücken im Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen zu schließen, um ein Leben frei von Gewalt sicherzustellen. Beanstandet wird zudem, dass Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen und hohem Assistenzbedarf in höherem Maße verschiedenen Formen von Zwang ausgesetzt sind, wie z. B. unfreiwilligen Behandlungen oder Unterbringungen sowie freiheitsentziehenden Maßnahmen. Sie fordern daher die Verhinderung solcher Zwangsmaßnahmen. Gerügt wird auch, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Selbstvertretungsorganisationen zurzeit aufgrund unzulänglicher Verwaltungspraxis und Gesetzgebung nicht an allen politischen Vorhaben und Entscheidungen partizipieren können. Hier fordern die Beauftragten konkrete Maßnahmen, damit Betroffene in allen Bereichen verbindlich von Beginn an beteiligt werden.
Die Stuttgarter Erklärung ist nicht die erste ihrer Art: Zu den in der Staatenprüfung zentral behandelten Themen Arbeit, Bildung sowie Gesundheit und Pflege verweisen die Beauftragten auf ihre Positionspapiere, speziell die Erfurter Erklärung für einen inklusiven Arbeitsmarkt vom November 2022, das Positionspapier zur inklusiven schulischen Bildung vom Dezember 2022 sowie die Bad Nauheimer Erklärung zur inklusiven Gesundheit und Pflege vom Mai 2023. Ausdrücklich wurden diese Erklärungen im April 2024 erneut bekräftigt.
Weblinks zu den Erklärungen finden Sie unter
https://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/AS/2024/PM4_Stuttgarter_Erklaerung.html
Blindengeld in Brandenburg erhöht
Ab dem 1. Juli 2024 wurde in Brandenburg das Blindengeld erhöht und beträgt nun 425 Euro monatlich (zuvor 345,80 Euro). Kinder erhalten die Hälfte. Auch die Wortregelung ändert sich: Wurde der Ausgleich für den behinderungsbedingten Mehrbedarf bisher "Landespflegegeld" genannt, heißt er nun zeitgemäßer "Teilhabegeld". Er ist mit wesentlichen Verbesserungen verbunden. Neu eingeführt wird ein Taubblindengeld, das 850 Euro monatlich beträgt. Bewohner*innen von Pflegeheimen oder besonderen Wohnformen für behinderte Menschen, die bislang gänzlich ausgeschlossen waren, bekommen künftig ein gekürztes Teilhabegeld. Pflegeleistungen werden nur noch teilweise angerechnet. Zudem ist im Gesetz nun eine Regelung zur Dynamisierung festgehalten.
Die Änderung war vom Brandenburger Landtag am 19. Juni 2024 durch das Gesetz zur Änderung des Landespflegegeldgesetzes (LPflGG) und des Brandenburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes beschlossen worden. Ein wesentliches Argument für die Änderung war der Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention.
Bundesteilhabepreis 2023 verliehen
Drei herausragende Projekte, die sich mit der ambulanten Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen beschäftigen, wurden nun mit dem Bundesteilhabepreis 2023 ausgezeichnet. Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, verlieh die Auszeichnung am 3. Juni 2024 in Berlin im Rahmen der Inklusionstage.
Für den bundesweiten Wettbewerb zum Thema "Gesundheit inklusiv - barrierefreie ambulante Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen" waren insgesamt 51 Beiträge eingereicht worden. Die zwölfköpfige Fachjury wählte ein gynäkologisches Modellprojekt, eine inklusive Zahnarztpraxis und ein ganzheitliches Gesundheitskonzept aus.
Den ersten Preis erhielt das Münchner Projekt "Gynäkologische Sprechstunde für Mädchen und Frauen mit Mobilitätseinschränkungen". Durch barrierefreie Zugänge, Hebelifter und höhenverstellbare Untersuchungsstühle kann die Sprechstunde seit Oktober 2021 zum Beispiel von Rollstuhlfahrerinnen, auch wenn sie eine Mehrfachbehinderung haben, für alle regulären gynäkologischen Untersuchungen genutzt werden. Ein einstündiger Zeitrahmen pro Behandlungstermin sorgt dafür, dass kein Zeitdruck entsteht.
Den zweiten Preis erhielt das Projekt "Inklusive Zahnarztpraxis" der Praxis Dr. Guido Elsäßer & Kolleg*innen in Kernen-Stetten. Um eine barrierefreie Kommunikation zu gewährleisten, werden bei Bedarf Kommunikationshilfen oder unterstützende Personen hinzugezogen. Wenn notwendig, untersuchen die Zahnärzt*innen ihre Patient*innen mit Behinderungen direkt vor Ort in ihrer häuslichen Umgebung.
Der dritte Preis ging an die Initiative "Gesundheit für alle - jetzt!" der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Sie entwickelt verschiedene Angebote, zu denen u. a. Workshops für Menschen mit Behinderungen gehören, damit sie ihre Anliegen gegenüber medizinischem Personal und Pflegekräften deutlich vertreten können.
Dr. Volker Sieger, Leiter der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, weist auf bestehende Herausforderungen hin: "Beim Thema Finanzierung ist allerdings noch etwas zu tun, da die Behandlung von Menschen mit Behinderungen oftmals einen Mehraufwand an Zeit, Ausstattung und Personal bedeutet. Wünschenswert ist insofern eine entsprechend gesicherte Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen."
Infos zum Bundesteilhabepreis gibt es auf www.bundesteilhabepreis.de
Schnupper-Uni "Studieren mit Behinderung/chronischer Erkrankung" an der TU Dortmund
Der Bereich Behinderung und Studium des Zentrums für HochschulBildung (DoBuS) der Technischen Universität Dortmund veranstaltet vom 19. bis 21. November 2024 die kostenfreie Schnupper-Uni "Studieren mit Behinderung/chronischer Erkrankung". Die Veranstaltung richtet sich an alle Studieninteressierten mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, die ein Studium in Dortmund in Erwägung ziehen.
Während der Schnupper-Uni geht es etwa um Unterstützungsangebote an der TU Dortmund, Rechtsansprüche und Nachteilsausgleiche im Studium, die Finanzierung von technischen und personellen Hilfen oder die Literaturbeschaffung und Nutzung der Universitätsbibliothek. Auch der Besuch einer Vorlesung und der Erfahrungsaustausch mit anderen Studierenden mit Beeinträchtigungen stehen auf dem Programm.
Die Schnupper-Uni findet in rollstuhlzugänglichen Räumlichkeiten auf dem Campus der TU Dortmund statt. Bei Bedarf kann die Veranstaltung in deutsche Gebärdensprache (DGS) übersetzt werden. Wer Unterstützung oder Tipps bei der Suche nach (barrierefreien) Übernachtungsmöglichkeiten benötigt, kann sich gerne an das DoBuS-Team wenden.
Anmeldeschluss ist der 4. November 2024. Bei DGS-Bedarf endet der Anmeldeschluss aus organisatorischen Gründen bereits am 23. September 2024.
Kontakt
Technische Universität Dortmund
zhb-DoBuS
Andrea Hellbusch
Emil-Figge-Straße 50
44221 Dortmund
Tel.: 0231 755-6565
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Anmeldeformular (Word) siehe:
https://dobus.zhb.tu-dortmund.de/studieninteressierte/schnupper-uni/
Erklärung "Zusammenstehen für Menschlichkeit und Vielfalt"
Der AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, hat am 1. Juli in einem Video auf der Social-Media-Plattform TikTok das Angebot der ARD-Tagesschau in Einfacher Sprache als "Nachrichten für Idioten" bezeichnet. Das löste bei Menschenrechts- und Selbsthilfe-Organisationen Kritik aus. Rund 30 Organisationen verfassten und unterzeichneten daraufhin die folgende Erklärung:
"AfD-Spitzenkandidat bezeichnet Menschen mit Behinderungen indirekt als ‚Idioten’
Es geht uns alle an: Zusammenstehen für Menschlichkeit und Vielfalt!
Aus den Reihen der AfD wird erneut gegen Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gehetzt. Wenn Maximilian Krah in den Sozialen Medien die ARD-Tagesschau in Einfacher Sprache als ‚Nachrichten für Idioten’ angreift, verunglimpft er die Zielgruppe des Angebots in unerträglicher Weise. Von Angeboten in Leichter und Einfacher Sprache profitieren viele: zum Beispiel Personen, die (noch) nicht ausreichend die deutsche Sprache verstehen, ältere Menschen und Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Beeinträchtigung. Es ist ein großer Gewinn, wenn Journalismus Inhalte für breite Zielgruppen aufbereitet. Diese Angebote sind wichtiger Bestandteil einer inklusiven, vielfältigen Gesellschaft.
Die systematische Abwertung von Personengruppen durch die Rhetorik und Politik der AfD ist verletzend und gefährlich. Wir wenden uns entschieden gegen die Herabwürdigung von Menschen. Wir verurteilen ihre fortgesetzte Verachtung der Menschenrechte und Angriffe auf die Menschenwürde. Wir warnen eindringlich vor den Folgen ihrer Agenda der Ausgrenzung und Entrechtung von Menschen mit und ohne Behinderungen, die nicht in das völkisch-nationalistische Weltbild dieser Partei und ihrer Vertreter*innen passen."
Zu den unterzeichnenden Organisationen gehören u. a. der DBSV und der Paritätische Gesamtverband.
Quelle: Sichtweisen-online vom 04.07.2024, https://sichtweisen-online.org/rund-um-den-dbsv/erklaerungstext-zusammenstehen-fuer-menschlichkeit
Impressum
horus 3/2024
Jg. 86 der Schwarzschriftausgabe
Jg. 98 der Brailleausgabe
Herausgeber
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
ISSN 0724-7389
V. i. S. d. P.
Andrea Katemann (DVBS) und Thorsten Büchner (blista)
Verlag
DVBS
Frauenbergstraße 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Web: https://dvbs-online.de
Redaktion
Für den DVBS: Peter Beck, Leonore Dreves und Andrea Katemann. Für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Amélie Schneider.
Koordination
DVBS, Sabine Hahn
Brailledruck
Deutsche Blindenstudienanstalt e. V.
Digitalisierung und Audio
DVBS
Druckerei Schröder, Lindauer & Wolny GbR
horus erscheint vierteljährlich in Braille, Print und digital (mit DAISY-Hörfassung, HTMLsowie Braille-, RTF- Word- und PDF-Dateien).
Jahresbezugspreis
40 Euro (Versandkosten Inland inklusiv). Die Kündigungsfrist beträgt vier Wochen. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
Bankkonto des DVBS
Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR
Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an den DVBS, Redaktion. Bitte geben Sie an, falls Ihr Beitrag bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen ist. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.
Vorschau horus 4/2024
Schwerpunkt: Kunst und Literatur
Erscheinungstermin: 25.11.2024
Anzeigenannahmeschluss: 18.10.2024
Redaktionsschluss: 20.09.2024
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Informationen und Preise zu gewerblichen Anzeigen und Beilagen finden Sie in den horus-Mediadaten, die wir Ihnen auf Anfrage auch gerne zusenden.
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Schnuppertage jeweils samstags von 10 Uhr bis 15 Uhr: 05.10.2024, 09.11.2024, 18.01.2025, 22.03.2025 (www.blista.de/schnuppertage). Hier erwartet dich eine breite Auswahl an Schul- und Berufsabschlüssen: Allgemeines Gymnasium, Berufliches Gymnasium (Wirtschaft), Fachoberschulen für Gesundheit und Sozialwesen (nähere Infos unter: www.blista.de/css).
PROStart für alle, die sich beruflich orientieren möchten: 27. bis 31.01.25, 03. bis 07.03.25, 05. bis 09.05.25, 02. bis 06.06.25.
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Der Deutsche Hilfsmittelvertrieb gem. GmbH (DHV) bietet Ihnen Hilfsmittel für hochtradig sehbehinderte und blinde Menschen aller Altersgruppen. Ob für Haushalt, Beruf oder Hobby - unsere Produkte und Dienstleistungen sollen den Alltag erleichtern und Ihnen ein weitgehend selbstständiges Leben ermöglichen.
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Deutscher Hilfsmittelvertrieb gem. GmbH
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30559 Hannover
Telefon: 0511 95465-0
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DIN 91379 - String.Latin+ - Die Zukunft der Zeichenverarbeitung
Ab dem 1. November 2024 tritt verbindlich für alle Behörden die DIN 91379 in Kraft, die Sonderzeichen in Namen und Dokumenten definiert. IT-Systeme müssen etwa 930 Zeichen, darunter griechische, kyrillische und diakritische, verarbeiten können. Dies stellt insbesondere für spezialisierte Arbeitsplätze wie Blindenarbeitsplätze eine Herausforderung dar. Mit String.Latin+, der Tastaturerweiterung von DL EasyTask, wird die Eingabe der Sonderzeichen der DIN 91379 einfach und barrierefrei. Entdecken Sie jetzt, wie unsere Lösung Arbeitsplätze für alle zugänglicher macht. Melden Sie sich gerne für weitere Informationen.
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Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS)
Selbsthilfe lohnt sich!
- Vernetzung durch Fach-, Interessen- und Bezirksgruppen
- Beratung zu Ausbildung, Studium und Berufstätigkeit
- Mentoring in Ausbildung, Studium und Beruf durch erfahrene, selbst von Sehbeeinträchtigung Betroffene
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Wir sind für Sie da!
Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V.
Frauenbergstr. 8
35039 Marburg
Telefon: 06421 94888-0
Fax: 06421 94888-10
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Vanda Pharmaceuticals
Non-24. Eine zyklische Schlaf-Wach-Rhythmusstörung bei völlig blinden Menschen
Sind Sie völlig blind? Fühlen Sie sich oft nicht fit und unkonzentriert? Schlafen Sie nachts schlecht und sind tagsüber sehr müde? Die mögliche Ursache: Ihre innere Uhr. Jeder Mensch besitzt eine innere Uhr. Der wichtigste Taktgeber ist das Tageslicht. Es setzt die innere Uhr immer wieder auf exakt 24 Stunden zurück. Völlig blinde Menschen fehlt die Lichtwahrnehmung, deshalb kann es dazu kommen, dass der Körper nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden kann. Diese Menschen leiden an der Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Rhythmusstörung, kurz Non-24.
Wie äußert sich Non-24? Betroffenen fällt es phasenweise sehr schwer, sich tagsüber wachzuhalten und zu konzentrieren. Nachts hingegen signalisiert der Körper oftmals kein Schlafbedürfnis.
Rufen Sie das Team des Non-24 Service an. Die erfahrenen Mitarbeiter finden den richtigen ärztlichen Ansprechpartner in Ihrer Nähe und beantworten Ihre individuellen Fragen. Sie sind rund um die Uhr erreichbar unter der kostenfreien Telefonnummer 0800 24 321 08 oder per E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Werden Sie aktiv: Ein Termin bei einem Arzt ist der nächste Schritt oder informieren Sie sich in unseren Tele-Vorträgen. Die Termine finden Sie unter dem Punkt Informationen auf non-24.de
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