Beispiel 6: Vertriebsassistent / Technischer Berater für den Einsatz von Blindenhilfsmitteln im Beruf

Der Arbeitsassistenznehmende ist mit einer vollen Stelle als Vertriebsassistent / Technischer Berater für Blindenhilfsmittel-IT-Anwendungen in einem Hilfsmittelunternehmen beschäftigt. Er arbeitet in seinem betrieblichen Büro, im Homeoffice und auch im Rahmen mehrtägiger Dienstreisen bundesweit in Kundenbetrieben und -verwaltungen. Der Assistenznehmende ist zu 100 Prozent blind. Er hat eine Ausbildung zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung abgeschlossen.

An Hilfsmitteln nutzt er selbst Screenreader, Braillezeile, Smartphone und Langstock.

Der Technische Berater kann wöchentlich bis zu 31 Stunden Assistenzkräfte einsetzen. Pro Stunde werden die Assistenzkräfte im Rahmen des angewandten Dienstleistungsmodells mit € 25,10 Stundenlohn kalkuliert. Regelmäßig wird dem Assistenznehmer an zwei Tagen in der Woche zu jeweils 4 Stunden im Büro und bei Kundeneinsätzen in der Region durch eine bei einem externen Dienstleister beschäftigte Kraft assistiert (Postdienste, vorlesen techn. Texte und Grafiken, Papierformularbearbeitung, Geräte auspacken und aufbauen, Mobilitätsassistenz und Unterstützung bei Präsentationen). Zusätzlich kann der Assistenznehmer insbesondere bei längeren Dienstreisen außerhalb der Region aber auch für Verrichtungen im Betrieb im Volumen von 23 Wochenstunden auf Arbeitskolleg*innen zurückgreifen, insb. für die Unterstützung beim Aufbau des technischen Equipments für Schulungen, Präsentationen, Tests etc. Diese Arbeitsassistenzform wird dem Unternehmen vom Integrationsamt monatlich pauschal in Höhe von € 2482,- vergütet. Das wöchentliche Stundenvolumen kann variieren und muss zum Jahresende insgesamt nachgewiesen werden.

Das Integrationsamt vergütet den regionalen Dienstleister entsprechend dessen Preisen in Höhe von € 25.10 pro Stunde.

Der Assistenznehmer und auch das Unternehmen sind mit dem Mischmodell zufrieden. Sie hat kaufmännische und PC-Anwendungsvorkenntnisse. Sie hat persönlich starkes Interesse an einer langfristigen Beschäftigung und besitzt gute Kooperationsfähigkeiten.

Der Assistenzeinsatz der Arbeitskollegen wird unternehmensintern abgegolten durch Überstundenbezahlung oder Zeitausgleich.


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Zu Beispiel 5

Beispiel 5: Hörfilmautorin und Audiodeskriptorin

Die Assistenznehmerin ist seit 14 Jahren als Hörfilmautorin tätig. Mit Unterstützung einer Arbeitsassistenzkraft beschreibt sie Szenen in Filmen speziell für sehbeeinträchtigte „Zuschauende“. Die Hörfilmautorin hört einen Film durch und formuliert in weiteren Arbeitsgängen Texte, die Filmszenen beschreiben, welche nur visuell zu erschließend sind und in von ihr gekennzeichnete Dialoglücken des Films eingepasst werden. Die Assistenzkraft unterstützt sie dabei, indem sie als sehende Person auf entsprechende Anfragen der Assistenznehmerin die konkrete Szene beschreibt. Die Arbeitsassistenznehmerin arbeitet freiberuflich. Sie bewirbt sich um Aufträge bei Rundfunk- und Fernsehanstalten, Kinofilmfirmen, Streamingdiensten usw. Seit etwa drei Jahren arbeitet sie mit Assistenz, nachdem früher die gleiche Tätigkeit in Teams von Sehenden und blinden Hörfilmautor*innen durchgeführt wurde.

Sie geht davon aus, dass Sie deshalb gut mit Aufträgen bedacht wird, weil Sie als blinde Hörfilmautorin den Auftraggebern einen Mehrwert erbringt: Sie kann die Hörbedürfnisse der blinden und sehbehinderten Film-“Zuschauenden“ präziser erkennen und durch ihre Texte noch besser bedienen als sehende Hörfilmautor*innen.

Die Arbeitsassistenznehmerin ist vollblind und inzwischen in Vollzeit tätig. Sie hat sich in Seminarform zur Hörfilmautorin fortgebildet. Als Hilfsmittel setzt sie Screenreader und iPhone ein. Beruflich nutzt sie darüber hinaus eine Software zur Definition der Positionen im Film, in denen ihre Texte eingefügt werden sollen.

Die Arbeitsassistenznehmerin setzt ihre jeweilige Assistenzkraft zu 60 – 70 Prozent ihrer eigenen Arbeitszeit ein, z.B. 3,5 Tage im Rahmen einer fünftägigen Auftragsbearbeitung an einem Film. Die Einsatzhäufigkeit ist abhängig von der jeweiligen Auftragslage. Die Arbeitsassistenzkräfte werden für jeden Auftrag aus einem kleinen Fundus rekrutiert. Sie sind selbst qualifizierte Hörfilmautor*innen und arbeiten für die Arbeitsassistenznehmerin gegen Rechnung.

Die Assistenznehmerin hat mit dem Integrationsamt ein monatliches Rahmenbudget von derzeit (2021) € 4000,- ausgehandelt, aus dem sie die Rechnungen ihrer jeweiligen Assistenzkräfte bezahlt. Je nach Auftragslage wird das Budget angepasst. Die Arbeitsassistenzkräfte stellen ihr übliches Honorar als Hörfilmautor*innen in Rechnung.


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Zu Beispiel 4 oder zu Beispiel 6

Beispiel 3: Lehrerin an einer Förderschule (Lernen und Sprache)

Die Arbeitsassistenznehmende ist mit einer vollen Stelle als Lehrerin beschäftigt. Sie leitet eine Klasse und ist in verschiedenen Lerngruppen eingesetzt. Sie ist auch für deren Beaufsichtigung in Innenbereichen verantwortlich. Pausenaufsicht für alle Schüler übernimmt sie nicht. Fahrten mit ihrer Klasse führt sie verantwortlich durch.

Die Lehrerin ist hochgradig sehbehindert, gesetzlich blind. An Hilfsmitteln nutzt sie Screenreader, Vergrößerungssoftware Bildschirmlese- und Braille- Notizgerät.

Sie kann pro Woche 26 Stunden Arbeitsassistenzleistungen im Rahmen des von ihr favorisierten Dienstleistungsmodells einsetzen. Die eine Assistenzkraft ist im Volumen von 20 Stunden wöchentlich eingesetzt, die andere ist 6 Stunden tätig. Die 20 Stunden-Kraft begleitet die Lehrerin an vier Tagen im Unterricht, die andere Kraft an einem Tag. Im Unterricht werden auf Anweisung insbesondere Tafelbilder erstellt und Texte aus Unterrichtsmaterialien (Papier) und schriftlichen Produkten der Schüler vorgelesen. Außerdem wird die Assistenznehmerin bei der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht in der Lerngruppe unterstützt. Im Rahmen der Unterrichtsvor- und -nachbereitung übernehmen die Arbeitsassistenzkräfte Aufgaben wie Scannen von Materialien, vorlesen handschriftlicher Schülerarbeiten, Lernmaterialsichtung und -aufbereitung nach Anweisung.

Die Assistenzkräfte sollten zugewandt und offen sein, sich aber auch zurücknehmen können (keine Ersatzlehrer sein wollen). Sie müssen gute Rechtschreib- und PC-Kenntnisse haben und sollten Grafiken sowohl verbal darstellen als auch auf Anweisung erstellen können.

Das Integrationsamt vergütet den regionalen Dienstleister entsprechend dessen Preisen, 2021 ca. € 23 pro Stunde.

Die Assistenznehmerin ist mit ihrem Modell zufrieden. Der Dienstleister sorgt in aller Regel für Vertretungspersonal. Dabei ist zu bedenken, dass die Lehrerin in einer sehr ländlichen Region tätig ist, was die Suche nach geeigneten Vertretungs-Assistenzkräften manchmal etwas erschwert.


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Zu Beispiel 2 oder zu Beispiel 4

Beispiel 4: Lehrerin an einer Regelgrundschule

Die Arbeitsassistenznehmende ist mit einer 75prozentigen Stelle als Lehrerin an einer Regelgrundschule beschäftigt. Sie arbeitet mit Sprachlerngruppen in mehreren Kitas und gibt Ethikunterricht in Klassenverbänden für deren Beaufsichtigung in Innenbereichen sie auch verantwortlich ist. Pausenaufsicht für alle Schüler übernimmt sie nicht.

Die Lehrerin ist hochgradig sehbehindert, gesetzlich blind. An Hilfsmitteln nutzt sie Screenreader, Spracherkennungssoftware, Orcam, ein Bildschirmlesegerät und hauptsächlich ihr iPhone.

Sie kann pro Woche 17,5 Stunden Arbeitsassistenzleistungen im Rahmen des von ihr favorisierten Arbeitgebermodells einsetzen. Die Lehrerin beschäftigt drei Assistenzkräfte in Minijobs. Die Assistenzkräfte fahren die Arbeitsassistenznehmerin zu ihren unterschiedlichen Einsatzorten für die Sprachförderung, holen die Förderkinder dort aus ihren Gruppen und sind im Unterricht präsent. Sie teilen nach Anweisung Arbeitsblätter aus, lesen vor, überprüfen, wo nötig, ob die Schüler die Arbeitsanweisungen auch ausführen, bedienen eine Videokamera und unterstützen bei der Korrektur von Heften und Arbeitsblättern. Außerdem wird die Assistenznehmerin von ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht im Unterricht unterstützt.

Die Arbeitsassistenzkräfte sind für ihre Tätigkeiten nicht besonders qualifiziert. Die in einer sehr ländlichen Region tätige Assistenznehmerin hatte und hat keine Möglichkeiten der Auswahl besser geeigneter Kräfte. Sie hat deshalb in Absprache mit der Schulleitung ihr Tätigkeitsspektrum pragmatisch so gestalten können, dass sie die anfallenden pädagogischen Tätigkeiten wie auch die Unterrichtsvorbereitung weitestgehend selbständig durchführen kann. Diese Tatsache reduziert auch die Abhängigkeit von der Assistenzkraft, was die Lehrerin als großen Vorteil empfindet.

Die Assistenzkräfte werden bei konkreten Anlässen durch Ansprache möglicher Verhaltensoptimierungen oder von Fehlverhalten von der Arbeitsassistenznehmerin so gut wie möglich fortgebildet.

Die Lehrerin nutzt Arbeitsassistenz seit etwa sieben Jahren. Das Integrationsamt finanziert die Arbeitsassistenzleistung in 2021 durch einen monatlichen Betrag von ca. 1.200,-Euro.

Die Assistenzkräfte erhalten In ihren Minijobs 11,- € pro Leistungsstunde. Vom Integrationsamt ist angekündigt, dass die Finanzierung bei Erhöhung des Mindestlohns auf 12,- € entsprechend angepasst wird.

Die Assistenznehmerin hat ihr Modell entsprechend der regionalen Möglichkeiten pragmatisch nach Machbarkeit gestaltet. Durch die Beschäftigung der drei Assistenzkräfte kann sie krankheitsbedingte Fehlzeiten gut ausgleichen.


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Zu Beispiel 3 oder zu Beispiel 5

Beispiel 2: Geschäftsführung eines mittelständischen Unternehmens

Der Geschäftsführer und Arbeitsassistenznehmer ist als studierter Betriebswirt insbesondere tätig in den Bereichen wirtschaftliche Leitung und Personaladministration, kaufmännischer Service für Partner und Vermögensverwaltung.Er ist hochgradig sehbehindert, gesetzlich blind und muss mit weiterer Sehkraftverschlechterung rechnen. Er nutzt übliche Hilfsmitteln insb. Screenreader, Bildschirmlupe und in geringerem Maße auch eine Braillezeile.

Der Assistenznehmer kann wöchentlich 20 Stunden Arbeitsassistenz einsetzen. Im Rahmen des Arbeitgebermodells beschäftigt der Geschäftsführer seine Assistenzkräfte auf Minijobbasis zusätzlich zu deren Anstellungsverhältnis im Betrieb. Die Assistenzstunden verteilt er auf 3 bis 4 im Betrieb angestellte Mitarbeitende. Sie sind in seinen verschiedenen Tätigkeitsbereichen beschäftigt und verfügen so auch über entsprechend profunde Fach- und IT-Anwendungskenntnisse.

Ihre Assistenztätigkeiten sind insbesondere: Auf Anweisung Vertrags- und vergleichbare unterlagen (Papier) suchen, teilweise vorlesen. Auf Anweisung Papierunterlagen und Grafiken (Folien) für Gespräche mit Geschäftsführungen anderer Unternehmen oder Partner vorbereiten und den Assistenznehmer zu und in Gesprächen begleiten. In Gesprächen von Dritten präsentierte Folien und Zahlenwerke vorlesen und beschreiben. Darstellung und Erläuterung von Grafiken und Papierunterlagen bei Fortbildungen des Assistenznehmers. Unterstützung bei Nutzung barrierehaltiger IT-Anwendung nach Anweisung.

Der Arbeitsassistenznutzer erhält im Jahr 2021 vom zuständigen Integrationsamt € 18,50 pro Assistenzstunde.

Er empfindet seine Arbeitsassistenzlösung als sehr positiv. Er kann das Assistenzpersonal bedarfsgerecht und flexibel einsetzen. Die Assistenzkräfte verstehen seine Assistenzanliegen und seine Anweisung sehr gut, weil sie selbst vom Fach sind und auch die genutzten IT-Systeme sehr gut kennen. Als Beschäftigte des Betriebes nehmen sie an Fortbildungen teil und sind so fachlich up to date. Ebenso sind Datenschutz- und -sicherheitsprobleme aufgrund der betrieblichen Beschäftigungsverhältnisse gelöst.


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Zu Beispiel 1 oder zu Beispiel 3