Horus 4/2016

Schwerpunkt-Thema Horus 4/2016: "Megatrend Digitalisierung"

Titelbild: Das Titelbild ist eine Collage aus zwei Bildern. Das erste Bild zeigt den Tagungsraum während der DVBS-Fachtagung „Megatrend Digitalisierung“, in dem sich zahlreiche Menschen befinden. Am Rednerpult spricht Uwe Boysen bekleidet mit einem hellblauen Hemd, während im Hintergrund mit einem Beamer ein Bild auf eine Leinwand projiziert wird, das eine Hand zeigt, die einen Blitz festhält. Darauf steht „Mit Digitalisierung leben“. Das zweite Bild zeigt Claus Duncker und Uwe Boysen auf der Bühne der Stadthalle in Marburg während des Festaktes zum 100-jährigen Jubiläum. Beide sitzen in brauen, altertümlichen Sesseln und halten Mikrofone in den Händen. Fotos: DVBS

Inhalt

Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Hörerinnen und Hörer,

wenn Sie dieser Text erreicht, geht das Jahr 2016 unaufhaltsam mit Riesenschritten seinem Ende entgegen. Dass es für blista und DVBS ein ganz besonderes Jahr war, brauche ich wohl niemandem zu erklären. 100 Jahre wird man schließlich nur einmal!

Ich glaube, wir haben die Herausforderungen, die ein solches Jubiläum mit sich bringt, gut gemeistert. Den vielen Menschen, die auf Seiten von DVBS und blista dazu beigetragen haben, sei auch an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt. Mit ihrer Hilfe konnten wir unter Beweis stellen, dass die Selbsthilfe blinder und sehbehinderter Menschen auch nach 100 Jahren nicht verknöchert und verkalkt ist, sondern wir immer noch im Stande sind, neue Initiativen zu ergreifen und umzusetzen.

Der Festakt mit seiner gelungenen Mischung aus bewegenden Reden wie der von Altbundespräsident Horst Köhler und fetziger Musik scheint gut angekommen zu sein. Jedenfalls machten die Teilnehmenden auf mich nachher einen durchaus zufriedenen Eindruck, wozu natürlich das gute Jubiläumswetter seinen Teil beigetragen haben mag. Auch die DVBS-Fachtagung mit dem Titel Megatrend Digitalisierung, die gleichzeitig den Schwerpunkt dieser Ausgabe bildet, hat mit ca. 130 Teilnehmenden eine wie ich finde gute Resonanz gefunden. Ähnlich erfolgreich, wenn auch auf einer ganz anderen Ebene, war der Kabarettabend, der unsere Berufspraxis auf amüsante Weise thematisierte. Dass wir im Rahmen der Mitgliederversammlung wieder einmal die Carl-Strehl-Plakette verleihen konnten, lässt sich an Hand der dazu gehaltenen Laudatio gleichfalls in dieser Ausgabe nachlesen.

Wir haben zu unseren Jubiläen viele gute Wünsche erhalten. Es ist nun an blista und DVBS, sie umzusetzen! Das wünscht sich

Ihr und Euer

Uwe Boysen

Bildunterschrift: Uwe Boysen ist 1. Vorsitzender des DVBS. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Herrn mit hellen Haaren, Brille, hellem Hemd und rotem Pullover, der verschmitzt in die Kamera lächelt.

In eigener Sache

Frohe Weihnachten, erholsame Feiertage und alles Gute für das Jahr 2017!

Gerade noch den Sommerurlaub genossen, sind wir nun mit der Ausgabe 4/2016 des horus bereits mitten in der Adventszeit – wie schnell doch dieses Jahr schon wieder vorüber gegangen ist! Und was für ein Jahr es war: feierten die blista und der DVBS doch ihr 100-jähriges Jubiläum mit dem Louis-Braille-Festival im Juli, dem International Camp on Communication and Computers (ICC) im August und den Feierlichkeiten vom 22. bis 24. September inkl. Festakt mit Bundespräsident a.D., Prof. Dr. Horst Köhler, sowie einer DVBS-Mitgliederversammlung, auf der auch der Vorstand neu gewählt wurde. Und jetzt stehen jetzt bereits die Weihnachtstage und der Jahreswechsel vor der Tür. Zeit für Sie, in Ruhe die neue horus-Ausgabe zu lesen und mit der Lektüre einige unterhaltsame Stunden zu verbringen. Unsere Redaktion wünscht Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr 2017!

Themen 2017

Auch die Schwerpunktthemen für das kommende Jahr sind bereits geplant. Sie können sich also überlegen, ob und wie Sie sich an der Gestaltung der horus-Ausgaben beteiligen möchten. Wir würden uns freuen! Die erste Ausgabe des Jahres 2017 erscheint am 27. Februar mit dem Schwerpunkt „Literatur und Information“ (siehe unten).

Der Schwerpunkt von horus 1/2017 („Literatur und Information“) wird unter anderem die Themen „Digitales Buch für Blinde?“, „Lebensqualität durch Wieder-Lesen-Können“ und „Juristische Informationssysteme“ umfassen. Möchten Sie einen Beitrag zum nächsten Heft beisteuern, können Sie Ihre Texte gerne wie gewohnt per E-Mail an die horus-Redaktion schicken: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Redaktionsschluss ist der 3. Januar 2017.

Berichte für den Schwerpunkt können bis zu 10.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen. Kürzere Meldungen sollten eine Länge von 2.000 Zeichen nicht überschreiten.

Ihr und Euer

André Badouin

Bildunterschrift: Die horus-Redaktion wünscht Frohe Weihnachten. Foto: pixelio/Julien Christ

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Weihnachtsbaum in Nahaufnahme mit dem Fokus auf einem verschwommenen Weihnachtsstern und einer roten, matten Weihnachtskugel.

Festrede

Prof. Dr. Horst Köhler

Begabungen entdecken und entfalten: 100 Jahre blista und DVBS

Grußwort von Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Horst Köhler am 22. September 2016 in Marburg

„Herzlich willkommen!“, so wurden meine Tochter Ulrike, meine Frau und ich begrüßt, als wir vor nun fast 30 Jahren in der Wohngruppe am Schlag eingeladen waren. Damals gab es Kaffee und Kuchen, viele Fragen und einen besorgten Vater. Als wir nach zwei Stunden wieder gingen, gab es keinen Kaffee und keinen Kuchen mehr und nur noch wenige Fragen. Vor allem aber gab es ermutigende Antworten, und dem Vater war das Herz nicht mehr ganz so schwer. Natürlich hatten meine Frau und ich uns vorher genau informiert, in was für ein Internat wir unsere Tochter da geben wollten und wir hatten uns mit Lehrerinnen und Betreuern ausgetauscht. Aber es waren letztendlich die Schülerinnen und Schüler, die uns davon überzeugt haben: hier an der blista in Marburg ist unsere Tochter gut aufgehoben. Hier kann sie ihre Begabungen entdecken und entfalten. An der blista wird sie gut gewappnet, falls ihr der Lebenswind einmal zu stark um die Ohren pfeift.

Übrigens wäre Ulrike heute gerne selbst gekommen, um mit ihrer Alma Mater zu feiern, aber sie ist wegen eines unverschiebbaren Termins verhindert. Sie hat mir aber aufgetragen, ihre herzlichsten Grüße auszurichten.

Es war Carl Strehl, der der blista und dem DVBS vor nun 100 Jahren die Richtung gewiesen hat. 1907 erblindete er als junger Mann durch einen Arbeitsunfall. Bereits sechs Jahre später hat er Abitur gemacht und dann – wie ich mit Vergnügen festgestellt habe – genau wie ich Volkswirtschaft studiert. Er hat die Ärmel hochgekrempelt und die blista und den heutigen DVBS gemeinsam mit dem Augenarzt Alfred Bielschowsky aufgebaut. Wir müssen den beiden heute sehr dankbar dafür sein. Carl Strehl war ein Anpacker, ein Visionär, ein social entrepreneur; Jahrzehnte, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Er handelte nach dem Motto „Nichts über uns ohne uns!“, lange bevor dies zum Slogan der Behindertenrechtsbewegung wurde. Er war seiner Zeit weit voraus, und ich denke, davon profitiert die blista bis heute. Carl Strehl war Handelnder, nicht Behandelter, und so unterschied sich die blista von Anfang an von so mancher Fürsorgeanstalt des letzten Jahrhunderts, deren muffiger Paternalismus bis heute Spuren hinterlässt.

Natürlich war auch der Weg der blista nicht immer ein leichter und auch nicht frei von Irrungen. In den zwölf Jahren des Nationalsozialismus arrangierte sich Direktor Strehl mit dem System, wohl um das von den Nazis kritisch beäugte Blindenwesen am Leben zu halten. Ich finde es gut und wichtig, dass die blista diese ambivalente Phase ihrer Geschichte auch wissenschaftlich aufarbeiten lässt.

Meine Damen und Herren,

In den letzten 100 Jahren mussten blista und DVBS sich immer wieder verändern und weiterentwickeln. Vor allem mussten – und durften – sie sich immer wieder überraschen lassen vom Potenzial der eigenen Leute und waren immer wieder herausgefordert, dieses Potenzial zu fördern. Diese Herausforderung ist nie zu Ende. Was heute, im Jahr 2016, hier alles los ist, davon kann sich jeder zum Beispiel auf dem blista-YouTube-Kanal selbst überzeugen. Kinder und Jugendliche werden an der blista nach ihren ganz individuellen Talenten gefördert. Sie können hier beispielsweise ihr Abitur machen und dabei zwischen den Schwerpunkten Wirtschaft, Gesundheit und Soziales wählen. Auch eine Ausbildung zur IT-Spezialistin oder zum kaufmännischen Assistenten inklusive Praktika im In- oder Ausland sind möglich. Schüler der blista spielen Goal Ball, Rudern mit den Schülern der Steinmühle oder absolvieren ihren Leistungskurs PoWi gemeinsam mit Schülerinnen an der Martin-Luther-Schule. Die Lesehungrigen versorgen sich mit ganz verschiedenem Futter aus der Hör- und Braillebücherei. Manche sind gerade in einem Auslandsschuljahr in den USA.

Da spürt man eine Selbstverständlichkeit, mit der in der blista der individuelle Schüler, die individuelle Schülerin betrachtet wird, jenseits aller Kategorien, die in der deutschen Bildungslandschaft alles andere als selbstverständlich ist. Zuerst zu fragen: „Was kannst du?“, bevor man fragt: „Was kannst du nicht?“, das ist nicht einfach gute Blindenpädagogik, sondern das ist gute Pädagogik. Und damit, meine Damen und Herren, ist die blista ein Vorbild für alle Schulen, auch für die sogenannten Regelschulen. Wie könnte unsere Gesellschaft aussehen, wenn wir konsequent die Befähigungen eines jeden einzelnen in den Vordergrund stellten, und nicht seine Beschränkungen?

Das heißt nicht, dass die jungen Leute hier in Marburg alleine gelassen werden im Umgang mit den Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, wenn man blind ist oder eine Sehbehinderung hat. Spezialistinnen stellen mit Kreativität und Sachverstand individuell zugeschnittene Lernmaterialien her. Mobilitätstrainerinnen schulen die Orientierung mit dem Langstock. Wieder andere Mitarbeiter des RES, der Rehabilitationseinrichtung für Blinde und Sehbehinderte, beraten Kinder und Erwachsene, welches Lesegerät oder welche Lupe helfen kann, den Seh-Rest optimal einzusetzen. Diese Expertise wird auch Jugendlichen zuteil, die nicht ins Internat, sondern in ihrer Heimatstadt zur Schule gehen. Unverzichtbar ist diese Expertise auch für Erwachsene und Jugendliche, die spät erblindet sind und an der blista den Rehabilitationskurs besuchen. Nicht nur hier bietet die blista einen geschützten Raum, wenn die eigene Welt einmal angehalten werden muss, weil das Herz schwer wird und sich Grenzen auftun, die unüberwindbar erscheinen und es manchmal vielleicht auch sind. Bei Bedarf sind dann auch behutsame Psychologen zur Stelle. Dabei muss es gar nicht immer um die Behinderung gehen. Schließlich gehört ja zum Erwachsenwerden so einiges dazu!

Wenn es nach der Schule hinaus in die Welt geht, bietet der DVBS Austausch und vielfältige Unterstützung, damit die berufliche Ausbildung oder das Studium gelingen kann. Ich glaube, dass die Arbeit des DVBS von unschätzbarem Wert ist – für den Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganze. Denn trotz großer Fortschritte ist es ja leider immer noch so, dass der Anteil der Menschen mit Behinderungen etwa unter den Studierenden deutlich unter ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt. Wieviel Potenzial bleibt hier unentdeckt? Damit sich hier weiter etwas ändert, brauchen wir eine Politik, die noch konsequenter Barrieren abbaut und Teilhabe ermöglicht. Denn es reicht eben nicht, nur die individuellen Befähigungen zu fördern. Es braucht darüber hinaus die gesellschaftlichen und institutionellen Grundlagen, dass der Einzelne diese Befähigungen dann auch einbringen kann. Ich bin deshalb froh, dass die blista und der DVBS sich mit ihren Erfahrungen in die politische Diskussion einbringen. Ihre Stimme etwa in der derzeitigen Auseinandersetzung um das Bundesteilhabegesetz ist dringend nötig. Ich wünsche mir jedenfalls, dass die Bundesregierung die massiv geäußerten Sorgen und Einsprüche ernst nimmt.

Meine Damen und Herren,

ich möchte die beiden Geburtstagskinder, die blista und den DVBS, auch ermutigen, sich im Wandel treu zu bleiben: denn natürlich ist die gesellschaftliche Herausforderung der Inklusion heute eine andere als vor 100 oder vor 20 Jahren, und sie wird in 20 Jahren eine andere sein als heute. Fürchten Sie sich nicht davor, was diese Veränderungen auch für die blista bedeuten, sondern umarmen Sie sie, und wagen Sie es, wie einst Carl Strehl der Zeit voraus zu sein. Ich finde zum Beispiel, dass der Umzug der Montessori-Grundschule auf den blista -Campus am Schlag ein kluger Schritt in diese Richtung ist. Und wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages ja sogar Kinder ohne Sehbehinderung in den Klassen der Carl-Strehl-Schule?

Meine größte Ermutigung möchte ich den Menschen der blista-Familie zurufen: Deutschland braucht Sie alle mit Ihren Talenten und Begabungen. Das gilt für die Lehrerinnen und Betreuer der blista, für die Mitarbeiter im RES, für die Engagierten beim DVBS, für alle Alumni. Und besonders gilt dies für die Schülerinnen und Schüler der Carl-Strehl-Schule, da Sie ja noch Ihr ganzes Leben vor sich haben. Das heißt natürlich nicht, dass Sie so Herausragendes leisten müssen wie Carl Strehl, schließlich wird von den Schülern der Elisabeth-Schule auch nicht verlangt, dass sie Heilige werden. Aber der Namensgeber der Carl-Strehl-Schule und Mitbegründer des DVBS kann uns alle daran erinnern: jeder Mensch muss seine Begabungen entdecken und entfalten dürfen. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen. Lassen Sie sich nicht irritieren von den Steinen, die Ihnen in den Weg gelegt werden. Seien Sie sich gegenseitig Vorbild und Ermutigung. Greifen Sie nach den Sternen. Und lassen Sie sich von niemandem erzählen, dass die Sterne für Sie unerreichbar seien.

Übrigens hat der Vater mit dem schweren Herzen, der einst seine Tochter hierher nach Marburg begleitete, in diesen Tagen ein übervolles Herz: in wenigen Wochen werde ich dabei sein, wenn Ulrike ihre Dissertation in Literaturwissenschaften verteidigt, und dann werde ich mich daran gewöhnen müssen, nicht der einzige „Dr. Köhler“ in der Familie zu sein. Das sage ich mit vor Vaterstolz geschwellter Brust, aber ich sage es auch mit Dankbarkeit für das Fundament, das hier an der blista für meine Tochter gelegt wurde.

Liebe blista, lieber DVBS, herzlichen Glückwunsch zum 100-jährigen Jubiläum! Und danke, dass Sie so viele junge Menschen dabei unterstützt haben und unterstützen, das zu werden, was sie sein können.

Bildunterschrift 1: Ehrung zum Festakt: Claus Duncker, Vorstand der blista, sitzt mit Uwe Boysen, 1. Vorsitzender des DVBS, auf Sesseln, die bereits zur Gründerzeit der blista im Büro von Carl Strehl standen. Foto: blista

Bildbeschreibung 1: Zwei Herren - beide mit ergrauten Haaren und in Anzügen, Hemd und Krawatte - sitzen sich in hellbraunen Sesseln, die bereits Verschleißerscheinungen aufweisen, gegenüber. Beide haben Mikrofone in der Hand; der Herr rechts, der eine Sonnenbrille trägt, spricht ins Mikrofon.

Bildunterschrift 2: Prof. Dr. Horst Köhler im Gespräch mit Dr. Otto Hauck, dem Ehrenvorsitzenden des DVBS, sowie dessen Frau Elisabeth. Foto: DVBS

Bildbeschreibung 2: Zwei ältere Herren in dunklen Anzügen sind in ein Gespräch vertieft. Im Hintergrund steht eine Dame, die diese aufmerksam beobachtet. Das Gespräch findet in einem. hell erleuchteten Raum mit zahlreichen Zuschauern statt, die auf ihren Plätzen sitzen.

Bildunterschrift 3: Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler begleitet den Festakt als Schirmherr und besucht im Anschluss mit blista-Schülern die Ausstellung blick:punkte im Marburger Landgrafenschloss. Foto: blista

Bildbeschreibung 3: Ein älterer Herr redet mit einem jüngeren Mann, der ein Mikrofon in der Hand hält. Beide stehen in einem Flur, in dem sich Ausstellungsstücke befinden. Im Hintergrund sind mehrere Kinder und Jugendliche zu erkennen, die die Schaukästen betrachten.

Schwerpunkt Megatrend Digitalisierung

Roland Dietze

Die DVBS-Fachtagung „Megatrend Digitalisierung“

Ein Bericht

Am 23. September 2016 fand im Technologie- und Tagungszentrum Marburg im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums des DVBS eine Fachtagung zu dem Thema „Megatrend Digitalisierung in Arbeitswelt, Staat und Gesellschaft – Chancen und Risiken für die Teilhabe sehbehinderter und blinder Menschen in Ausbildung, Studium, Beruf und Bildung“ statt. Der DVBS wandte sich mit dieser Tagung nicht nur an seine eigenen Mitglieder, sondern auch an Schwerbehindertenbeauftragte, Mitarbeiter von Arbeitsagenturen, Jobcentern, Reha-Einrichtungen und andere Personen, die blinde und sehbehinderte Menschen in ihrem beruflichen Werdegang beraten und unterstützen. Ziel der Veranstaltung war eine kompetente Diskussion über die aktuelle Situation von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, in deren Verlauf konkrete Handlungsvorschläge entwickelt werden sollten, um ihre Teilhabechancen in der digitalen Gesellschaft zu wahren und zu verbessern.

Herr Prof. Dr. Schönefeld (HWT Dresden) führte in seinem Eingangsvortrag die Teilnehmer umfassend in das Themenfeld ein, indem er in beeindruckender Weise die rasant zunehmende Digitalisierung aller Bereiche unserer Gesellschaft veranschaulichte. Dabei wies er mehrfach darauf hin, dass dieses Phänomen für blinde und sehbehinderte Menschen zugleich Chancen und Risiken mit sich bringt. Digitale Medien und Technologien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, aber häufig sind sie für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung gar nicht oder nur teilweise nutzbar, weil sie nicht barrierefrei sind. Prof. Schönefeld sieht darin jedoch keinen Grund zur Verzweiflung. Die digitale Entwicklung unserer Gesellschaft ist steuerbar, betonte er, und wir haben es in der Hand, sie zu gestalten. Es liegt bei den Mitgliedern der Gesellschaft, die zukünftigen Entwicklungen zu beeinflussen.

Damit führte Herr Schönefeld seinen Zuhörern die Hauptabsicht der Fachtagung vor Augen. Wenn sich an der aktuellen Situation blinder und sehbehinderter Menschen in der digitalen Welt etwas verbessern soll, müssen die Betroffenen sich über ihre Bedürfnisse im Zuge der Digitalisierung klar werden und sie deutlich und politisch wirksam formulieren. Zur Erreichung ebendieser Ziele sollte die Fachtagung einen Beitrag leisten.

Im zweiten Teil der Tagung trafen sich die Teilnehmenden in fünf voneinander getrennt tagenden Workshops, um die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Leben von sehbehinderten und blinden Menschen in Bildung, Studium, Ausbildung und Beruf von verschiedenen Seiten im Detail zu betrachten. Zu diesem Zweck gaben in jedem Workshop kompetente Experten mittels Referaten wichtige Anregungen für die anschließende Diskussion, die in allen Workshops zu guten Ergebnissen führte.

Workshop eins befasste sich mit dem Teilbereich „Berufsausbildung und Studium“; Workshop zwei behandelte das Themenfeld „Arbeit und Beruf.“ Gegenstand des dritten Workshops war die „Gesellschaftliche Teilhabe“ blinder und sehbehinderter Menschen in der digitalen Welt, während Workshop vier den Bereich „Bildung und lebenslanges Lernen“ abdeckte. Workshop fünf stand unter dem Optimismus verbreitenden Motto „Barrierefreie digitale Arbeitswelt ist machbar.“

In einem großen Abschlussplenum wurden die wesentlichen Ergebnisse der Workshops zusammengetragen und diskutiert. Dabei kristallisierte sich als gemeinsame Position heraus, dass nach wie vor von einer gleichberechtigten Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen an der digitalen Gesellschaft keine Rede sein kann. Der Grund dafür ist, dass dem Thema Barrierefreiheit digitaler Medien und Technologien bislang in unserer Gesellschaft nicht genügend Beachtung geschenkt wird. Fast alle technischen Schwierigkeiten könnten überwunden werden, wenn nicht Entscheidungsträger in Behörden und Privatunternehmen durch falsche Vorstellungen zu der Annahme verleitet würden, eine barrierefreie Ausgestaltung ihrer Websites und digitalen Produkte sei entweder zu aufwändig oder zu kostenintensiv. Hier gelte es, gute und koordinierte Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, denn Barrierefreiheit sei schließlich der Schlüssel zur Umsetzung der Vision einer gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an unserer Gesellschaft, so das Fazit.

Ebenso einstimmig kamen die Teilnehmer der Tagung zu dem Ergebnis, dass die Selbsthilfeorganisationen blinder und sehbehinderter Menschen dies nicht im Alleingang leisten können. Wiederholt erging der Aufruf an alle Teilnehmer, sich auch nach der Tagung mit der Frage zu befassen, wer bei diesem schwierigen Projekt einflussreiche Bündnispartner sein könnten und selbst aktiv an der Verbesserung der gegenwärtigen Lage mitzuwirken. Da im Zuge des demographischen Wandels die Anzahl von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung voraussichtlich erheblich zunehmen wird, könnten etwa Seniorenverbände und Selbsthilfeorganisationen von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung erfolgreich zusammenarbeiten. Barrierefreiheit in der digitalen Welt bietet darüber hinaus für alle Menschen einen Mehrwert, obgleich häufig das Bewusstsein für diese Tatsache fehlt. Daher erscheinen prinzipiell viele Bündnisse möglich, obwohl davon auszugehen ist, dass hier viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.

Diese Einschätzungen decken sich im Wesentlichen mit den wichtigsten Inhalten eines Forderungspapiers, das vor der Tagung von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Dr. Heinz Willi Bach, Uwe Boysen, Klaus Winger und Roland Dietze verfasst worden war und vom Plenum der Fachtagung verabschiedet wurde (siehe in diesem Heft).

Wenn wir die Ergebnisse der Workshops und des Abschlussplenums zusammenfassen, dürfen wir als Hauptresultat der Veranstaltung festhalten: Barrierefreiheit in der digitalen Welt ist erreichbar und technisch möglich, scheitert aber häufig an den Vorurteilen und unzutreffenden Annahmen wichtiger Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft. Deshalb müssen blinde und sehbehinderte Menschen selbst ihre Bedürfnisse deutlich und politisch effektiv äußern. Sie müssen selbst aktiv nach Bündnispartnern in der Gesellschaft suchen, um digitale Barrierefreiheit möglich zu machen, und es wird vor allen Dingen darauf ankommen, umfassende gesetzliche Regelungen zu erreichen und gemeinsam mit Partnern möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass Barrierefreiheit in der digitalen Welt nicht zu teuer ist und auch nicht zu viel Arbeit macht, sondern jeder Computernutzer von übersichtlichen und anwenderfreundlichen Websites und Softwareprodukten profitiert. Der Verfasser dieses Artikels ruft alle Leser des horus mit Nachdruck dazu auf, aktiv bei der Bewältigung dieser Aufgabe mitzuhelfen. Es lohnt sich, denn große Erfolge sind möglich. Wer daran zweifelt, mag einen Blick zurückwerfen und sich ins Gedächtnis rufen, wie schlecht es noch vor 15, ja noch vor zehn Jahren um die Barrierefreiheit in digitalen Medien stand. Obwohl noch viel zu tun ist, ist bereits viel erreicht worden. Das sollte uns Mut machen.

Zum Autor:

Roland Dietze ist Diplompolitologe und lebt in Marburg. Er war maßgeblich an der Vorbereitung der Fachtagung „Megatrend Digitalisierung“ beteiligt.

Bildunterschrift: Der ehemalige DVBS-Vorsitzende Uwe Boysen spricht auf der Fachtagung. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Ein älterer Mann in hellblauem Hemd und Sonnenbrille steht vor einem Rednerpult und spricht zu einer großen Menschenmenge in einem hell erleuchteten Raum. Im Hintergrund ist auf einer von einem Projektor an die Wand geworfenen Bild der Schriftzug „Mit Digitalisierung leben“ sowie eine Faust, die einen Blitz festhält, zu erkennen.

Keine Digitalisierung ohne Barrierefreiheit

Forderungen anlässlich der Fachtagung Megatrend Digitalisierung

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „Megatrend Digitalisierung“ des DVBS am 23. September 2016 haben die folgenden Forderungen verabschiedet:

  1. Die öffentliche Verwaltung muss die gesetzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung ihrer digitalen Angebote einhalten. Wo eine solche Verpflichtung noch nicht besteht, muss sie geschaffen werden. Zur Erreichung dieses Zieles ist ein wirksames Verbandsklagerecht auf allen staatlichen Ebenen einzuführen
  2. Die Privatwirtschaft muss mit neuen Gesetzen zur Barrierefreiheit verpflichtet werden. Dazu gehören auch hier ein wirksames Verbandsklagerecht sowie konsequente Haftungsregelungen.
  3. Öffentliche und private digitale Bildungsangebote - einschließlich abzulegender Prüfungen und zu erbringender Leistungsnachweise - müssen barrierefrei sein. Dazu gehört auch die barrierefreie Zugänglichkeit elektronisch publizierter Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ebenso wie die ungehinderte grenzüberschreitende Nutzung von für sehbehinderte und blinde Menschen adaptierter Literatur.
  4. Barrierefreiheit muss schon bei der Entwicklung digitaler Angebote durch geeignete Vorkehrungen hergestellt sowie bei deren Veränderungen berücksichtigt werden. Die dazu vorhandenen Standards sind einzuhalten und dürfen nicht verwässert werden.
  5. Informatiker, Softwareentwickler und Mediengestalter müssen für die Konzeption barrierefreier Produkte sowohl in der Ausbildung wie im Beruf kontinuierlich geschult werden. Dazu ist das Thema Barrierefreiheit in die entsprechenden Ausbildungspläne und Prüfungsordnungen aufzunehmen.
  6. Menschen mit Behinderungen müssen im Rahmen der Teilhabeforschung an der Entwicklung barrierefreier digitaler Produkte entscheidend mitwirken. Ihre Expertise als selbst Betroffene ist entsprechend zu fördern.

Begründung unserer Forderungen

Die möglichen Auswirkungen der kontinuierlich zunehmenden Digitalisierung aller Bereiche unserer Gesellschaft sind in den Medien vielfach diskutiert worden. Schon jetzt wird die sichere Beherrschung und selbstverständliche Nutzung digitaler Medien und Technologien in den Bereichen Bildung, Studium und Beruf unbedingt erwartet. Digitale Lernplattformen sind aus keinem Studiengang mehr wegzudenken und kommen im Unterricht an Schulen aller Art immer häufiger zum Einsatz. Internet, Social Media und viele andere digitale Technologien haben unsere Arbeitswelt derart durchdrungen, dass viele Berufsfelder ohne sie nicht mehr vorstellbar sind.

Allerdings werden die Belange blinder und sehbehinderter Menschen im Zusammenhang mit diesen rasanten Veränderungen bislang nur sehr ungenügend berücksichtigt. Medien- und Sozialwissenschaftler, aber auch die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft befassen sich kaum mit der Frage nach den Chancen und Risiken der Digitalisierung für Menschen mit Sehbeeinträchtigung, obwohl eine sachliche und kompetente Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex unbedingt erforderlich ist, damit Inklusion in unserer Gesellschaft gelingen kann.

Das zu ändern, ist Ziel dieses Forderungspapiers. Es soll die Möglichkeit bieten, im Kontext der Digitalisierung entstandene Teilhabeforderungen blinder und sehbehinderter Menschen in Studium und Beruf offen und sachlich zu diskutieren, weiter zu entwickeln und in die Öffentlichkeit zu tragen. Der DVBS will so dabei mitwirken, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Sehbeeinträchtigung im Kontext von E-Government, E-Learning und digitaler Arbeitswelt sicherzustellen, bevor in der Entwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien endgültig Fakten geschaffen werden.

Menschen mit Sehbeeinträchtigung können von der fortschreitenden Digitalisierung ungemein profitieren, doch die aktuellen Entwicklungen bergen auch große Risiken. Digitale Informationstechnologien können ihnen sowohl im Beruf als auch im Privatleben den Zugang zu benötigten Texten und Dokumenten sehr erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Das selbstständige Ausfüllen von behördlichen Formularen, die Verwaltung und Bearbeitung von Akten und Dokumenten aller Art sind durch die neuen Technologien für sie in greifbare Nähe gerückt. Würden alle insoweit vorhandenen Möglichkeiten in vollem Umfang genutzt, so könnte im beruflichen und privaten Kontext die Inklusion einen großen Schritt vorangebracht werden. Das ist jedoch in unserer Gesellschaft bisher nicht der Fall, nicht zuletzt deshalb, weil die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft den Aufwand und die Kosten inklusiver Digitalisierungskonzepte scheuen. Wenn sich daran etwas ändern soll, müssen Menschen mit Beeinträchtigungen selbst mit Nachdruck ihre Rechte einfordern und Staat und Gesellschaft immer wieder daran erinnern, dass gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ein Menschenrecht ist. Es gilt ferner, Wirtschaft und Politik darauf hinzuweisen, dass auf Grund des demographischen Wandels die Anzahl von Menschen mit Beeinträchtigungen zunehmen wird. Künftig werden immer mehr Senioren auf inklusive digitale Angebote angewiesen sein, um nicht im Alter vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu werden. Der Schlüssel zur Verwirklichung aller Vorteile, die blinden und sehbehinderten Menschen aus der Digitalisierung erwachsen können, ist Barrierefreiheit in allen Bereichen der digitalen Welt. Zu ihrer Verwirklichung bleibt jedoch noch viel zu tun. Nicht einmal staatliche Behörden haben bisher ihre im Netz bereitgestellten Formulare und Dokumente konsequent barrierefrei gestaltet, obwohl sie dazu gesetzlich verpflichtet sind. Überdies fehlt es in Deutschland an entsprechenden Regelungen für den Privatsektor. Daher fühlen sich Privatunternehmen noch weniger als staatliche Behörden angehalten, die in der UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Bestimmungen zur Barrierefreiheit umzusetzen und ihre digitalen Technologien und Angebote für Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt nutzbar zu machen.

Wenn nicht sehr bald von den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft energischere Schritte als bisher zur Verwirklichung einer barrierefreien digitalen Welt unternommen werden, wird durch den technischen Fortschritt die jetzt vorhandene Benachteiligung blinder und sehbehinderter Menschen nicht behoben, sondern eher zunehmen. Gelingt es nicht, die Vision eines für blinde und sehbehinderte Menschen uneingeschränkt nutzbaren Internets und einer digitalen Arbeitswelt ohne technische Barrieren praktisch umzusetzen, so werden sie zwangsläufig von der Weiterentwicklung der modernen Arbeitswelt abgekoppelt und damit aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Im Folgenden werden wir unverzichtbare Forderungen benennen, die für die künftige gleichberechtigte Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen am digitalen Wandel unserer Gesellschaft erfüllt werden müssen.

Erläuterung unserer Forderungen

  1. Die uneingeschränkte Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von digital bereitgestellten behördlichen Dokumenten ist für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Kontext von E-Government, E-Health und E-Justice unerlässlich. Wir fordern daher bei der digitalen Veröffentlichung behördlicher Formulare und Dokumente sowie bei der Einführung elektronischer Akten und der insgesamt genutzten Programmoberflächen die konsequente Umsetzung der vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen zur Barrierefreiheit bzw. die Einführung entsprechender Normen auf Landes- und Kommunalebene. Diese Forderung betrifft sowohl das Verhältnis Staat und Bürger / Bürgerinnen wie auch das Verhältnis des Staates als Arbeitgeber zu seinen blinden oder sehbehinderten Mitarbeiter/innen. Zur Verwirklichung von Barrierefreiheit gehört auch eine kontinuierliche staatliche Finanzierung entsprechender Aktivitäten, die sich nicht in der Bezuschussung ständig neu zu beantragender Projekte erschöpfen darf.
  2. Sowohl im Berufs- als auch im Privatleben sind wir immer häufiger darauf angewiesen, mit Privatunternehmen auf digitalem Wege in Kontakt zu treten und Geschäfte über das Internet abzuwickeln (E-Commerce, Homebanking, etc.). Menschen mit Behinderungen verlieren daher notwendig den Anschluss an die Gesellschaft, wenn die digitalen Angebote des Privatsektors für sie nicht voll zugänglich und nutzbar sind. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, auch die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit in der virtuellen Welt zu verpflichten und hierzu ein wirksames Verbandsklagerecht sowie effektive Haftungsregelungen zu schaffen.
  3. Lebenslanges Lernen wird heute immer wichtiger, um sich auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen zu sichern und am gesellschaftlichen Leben in vollem Umfang teilnehmen zu können. Bildung findet in der Schule, in der Ausbildung und im Studium, heute aber immer stärker auch in allen folgenden Lebensabschnitten statt. Die modernen Informationstechnologien haben auf das Lernen durch digitale Lernplattformen und andere E-Learning-Angebote enorme Auswirkungen. Gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist also nur möglich, wenn sie nicht von den neuen Lernformen ausgeschlossen werden. Das Hochschulrahmengesetz verpflichtet die Universitäten, dafür zu sorgen, dass Studierende mit Behinderungen in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und alle Angebote der Hochschulen möglichst ohne fremde Hilfe nutzen können (§ 2 Abs. 4 Satz 2). Wir fordern daher von den Hochschulen, ihre digitalen Angebote im Sinne des Hochschulrahmengesetzes zu gestalten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, barrierefreie Studienbedingungen zu gewährleisten. Darüber hinaus ist auch hier die Verpflichtung des Privatsektors zur Barrierefreiheit unbedingt erforderlich, da digitale Angebote in der Privatwirtschaft für die Aus- und Weiterbildung gleichfalls eine immer größere Rolle spielen. Dazu gehört es auch, den Zugang zu elektronisch publizierten Zeitungen, Zeitschriften und Büchern zu gewährleisten, auch grenzüberschreitend nach dem von der Bundesrepublik immer noch nicht ratifizierten Vertrag von Marrakesch.
  4. Damit digitale Produkte nicht nachträglich an die Anforderungen der Barrierefreiheit angepasst werden müssen, sind vorhandene Standards (z. B. die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung, BITV 2.0, oder die Web Content Accessibility Guidelines 2.0, WCAG 2.0) schon bei der Planung und Entwicklung neuer Angebote ebenso zu berücksichtigen wie bei deren Überarbeitung. Insbesondere im öffentlichen Sektor, der ohnehin schon weitgehend gesetzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet ist und daher auf die Einhaltung dieser Kriterien eingestellt sein sollte, muss das möglich sein. Aber auch hier gilt es, die Privatwirtschaft einzubinden.
  5. Eine fachliche Ausbildung von Informatikern, Softwareentwicklern und Mediengestaltern, in der das Themenfeld Barrierefreiheit mit der notwendigen Ausführlichkeit behandelt wird, erleichtert die Annäherung an eine digitale Welt ohne technische Barrieren. In abgeschwächter Form gilt das auch für den allgemeinen Bildungssektor von Schule und Hochschule. Wir fordern daher, die Ausbildungspläne entsprechend zu ergänzen und das Thema Barrierefreiheit in den Bereichen Informatik und Softwareentwicklung sowie Mediengestaltung auch in die Prüfungsordnungen aufzunehmen.
  6. Weiter sind kontinuierlich arbeitende Expertengremien zum Thema Barrierefreiheit in der digitalen Welt einzurichten bzw. zu fördern. Dazu ist die Teilhabeforschung unter Einbeziehung von Menschen mit Beeinträchtigungen auf diesem Gebiet zu stärken. Wir fordern daher optimale Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Betroffene, um ihnen die kompetente Mitwirkung an der Entwicklung barrierefreier digitaler Angebote zu ermöglichen.

Wir ermutigen blinde und sehbehinderte Menschen, sich diese Forderungen zu eigen zu machen und sich für ihre Realisierung einzusetzen. Der DVBS wird diese Bemühungen - soweit irgend möglich - tatkräftig unterstützen.

Marburg, den 23. September 2016

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS e.V.)

Frauenbergstraße 8

Post: 35039 Marburg

Tel: 06421 9488 0

Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Web: www.dvbs-online.de

Bildunterschrift: Am Ende der Fachtagung wurden sechs Forderungen formuliert. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt elf Personen, die auf einem Podium eine lebhafte Diskussion mit den weiteren, in diesem Raum befindlichen Teilnehmern der Fachtagung führen. Im Hintergrund ist auf einem Rollup der Schriftzug des DVBS erkennbar.

Peter Brass

Eindrücke von der CSUN 2016

Vom 22. bis 26. März 2016 fand in San Diego bereits zum 31. Mal die International Technology and Persons with Disabilities Conference statt.

Mit rund 400 Vorträgen aus den Bereichen Forschung und Entwicklung, Arbeit und berufliche Eingliederung, Transportwesen, Technologieeinsatz im Alltag, in der Bildung und speziell für ältere Menschen sowie mit über 120 Ausstellern, waren die vier Konferenztage wieder so prall gefüllt, dass die Auswahl schwer fiel und längst nicht alles berücksichtigt werden konnte.

Bei der Mehrheit der Aussteller fanden sich Tablets, sowohl IOS als auch Android. Diese relativ preiswerten und dennoch leistungsfähigen Computer wurden häufig zur Präsentation der unterschiedlichsten Apps verwendet, sie fanden aber besonders im Bereich Sehbehinderung als Werkzeuge zur Vergrößerung und Texterkennung Anwendung. So zeigte Amazon seine neuen Fire Tablets, die alle mit dem eigenen Screenreader VoiceView ausgestattet sind. So wird also das Android basierte Betriebssystem Fire OS ab Version 5 auch blinden und sehbehinderten Nutzern zugänglich, denn neben VoiceView sind auch Vergrößerungsfunktionen verfügbar. Allerdings sind nicht das gesamte Androidspektrum und alle verfügbaren Apps nutzbar.

Die Firma Northstar Technology zeigte ein 12-Zoll-Samsung-Tablet mit Vergrößerung und OCR als Schwerpunkt. Auch die Firma Trysight zeigte 7- und 10-Zoll-Android-Tablets, die ebenfalls diese Anwendungen als Hauptfeatures aufweisen. Besonders das 10-Zoll-Gerät verfügt über einen genialen, zusammenklappbaren Ständer, unter dem man schreiben und Buchseiten umblättern kann. Für diese, wie aber auch für die meisten anderen Tablets, die für Spezialanwendungen genutzt werden, muss klargestellt werden, dass auch die normale Nutzung unter dem Betriebssystem möglich ist, einschließlich aller vorhandener Apps aus dem Google Playstore.

Trysight vertreibt auch eine portable Vergrößerungssoftware, also ein Programm auf einem USB-Stick, das auf Windows PCs läuft und nicht installiert werden muss. Es handelt sich um das Produkt IZOOM.

Durch den Zusammenschluss von Ai Squared und GW Micro, dem Produzenten von WindowEyes, entstand ein neues Produkt Zoomtext Fusion (www.aisquared.com). Die Vergrößerungssoftware Zoomtext verfügte über eine Bildschirmlesefunktion via Sprache, die neue Fusion Version enthält jetzt den kompletten WindowEyes Screenreader. Zusätzlich ist beispielsweise ein Tutormodul enthalten, das beim Übergang von Bildschirmvergrößerung zu Sprachausgabe hilft. So werden beispielsweise die entsprechenden Tastenfunktionen erläutert, die einer Mausaktion entsprechen. Das Produkt ist auch für einen möglicherweise notwendigen Übergang von der visuellen zur sprachgestützten Nutzung des Computers gedacht. Fusion unterstützt auch die Nutzung mehrerer Bildschirme. Außerdem kann derselbe Bildschirminhalt mit verschiedenen Vergrößerungsstufen auf zwei Bildschirmen dargestellt werden.

Auch WindowEyes in seiner ursprünglichen Ausprägung wird weiter unterstützt und fortentwickelt. Wie lange dies jedoch nach der Übernahme von Ai Squared durch VFO, Heimat der Marken Freedom Scientific und Optelec, fortgesetzt wird, muss die Zukunft zeigen.

Das Comeback der Braillezeilen

In den letzten Jahren wurde der Brailleschrift immer weniger Bedeutung beigemessen; sie sei aufgrund der allgemeinen Digitalisierung „immer weniger wichtig und notwendig“. Auf der diesjährigen CSUN-Konferenz konnte man allerdings einen völlig gegenläufigen Trend beobachten. Zahlreiche Beobachter und Kommentatoren der Szene gingen sogar soweit, das Jahr 2016 als das Jahr der Punktschrift zu bezeichnen.

Die interessanteste Entwicklung war sicherlich der Orbit Braille Reader 20, das Produkt eines internationalen Konsortiums aus elf Einrichtungen weltweit der Braille Transforming Group, unter der Führung des Royal National Institute of Blind People aus Großbritannien. Der Orbit Reader in seiner Grundform ist eine 20-stellige 8-Punkt-Braillezeile mit einer Brailletastatur, USB- und Bluetooth Anschlussmöglichkeiten, SD-Karten-Slot und einer einfachen Notizfunktion, allerdings ohne WLAN. Der Lithium-Akku soll mindestens acht bis zehn Stunden Laufzeit garantieren und kann vom Anwender ausgetauscht werden. Der Reader wiegt etwa 400 g, ist 15 cm breit, 2,5 cm hoch und etwa 10 cm tief. Es handelt sich bei den Braillemodulen um eine völlig neue Technologie, die Schriftqualität ist hervorragend, das Setzen der Zeile ist leise, aber etwas langsamer als bei Zeilen mit herkömmlichen Piezo-Modulen. Bedingt durch diese neue Technologie soll der Preis des Grundgerätes bei ca. 500 US Dollar liegen. Das Gerät soll im Herbst 2016 verfügbar sein. Es ist primär für den Einsatz in Entwicklungsländern gedacht, es kann als stand alone-Gerät oder als Zeile für Smartphones bzw. Computer eingesetzt werden. IOS, Android und die gängigsten Screenreader werden bereits unterstützt. Sonderwünsche wie längere Braillezeilen oder andere Zusatzfunktionen können bei Abnahme entsprechend großer Stückzahlen realisiert werden. Es wird interessant sein zu sehen, inwieweit diese Technologie sich auf den Markt für herkömmliche Brailleprodukte auswirkt. Mehr Informationen unter www.transformingbraille.org

Das neue Neobraille-Notizgerät der Firma Neo Access, das bei Irie-at angesehen werden kann, basiert auf der Androidversion 5.1. Es verfügt über eine 32-stellige Braillezeile, 3 GB RAM, 64 GB Flash Memory, WLAN, USB- und Bluetoothverbindungen, einen Mini HDMI-Anschluss und eine Reihe von Apps, die von Neobraille programmiert oder modifiziert wurden. Die uneingeschränkte Nutzung des Betriebssystems und aller verfügbarer Apps ist nicht möglich. Der Preis liegt bei rund 5.000 US Dollar.

Die Firma HumanWare bringt mit dem Braillenote Touch eine völlig überarbeitete Version der Braillenotegeräte auf den Markt. Das Produkt ist um ein 7-Zoll-Android-Tablet herum konstruiert. Brailleeingabe ist sowohl auf dem Touchscreen als auch über Tasten möglich. Letzteres allerdings nur, wenn das Tablet in den dazugehörigen Smartcase eingeschoben ist. Braillenote Touch hat 2 USB-Anschlüsse, Bluetooth, WLAN, eine 8 Megapixel-Kamera, einen SD-Karten-Slot, Stereolautsprecher, einen HDMI-Anschluss und einen GPS-Empfänger. Die bekannte Keysoft-Software wurde ebenfalls völlig erneuert, um die Möglichkeiten des Gerätes voll auszuschöpfen. Es ist Google Play zertifiziert, d.h. es können theoretisch alle verfügbaren Apps genutzt werden. Versionen mit 18- und 32-Braille-Elementen sind erhältlich zu 4.000 bzw. 5.500 US Dollar.

Braille to Go (B2G) ist ein weiteres Braillenotizgerät, das von der National Braille Press in Boston entwickelt und vertrieben wird. Das Gerät mit seiner 20-stelligen 8-Punkt-Zeile und Brailletastatur wiegt nur ca. 600 g und kann stand alone oder in Verbindung mit IOS oder Android Smartphones genutzt werden. Als Betriebssystem kommt Android 4.2 (Jellybean) zum Einsatz. WLAN, Bluetooth und USB stellen die Verbindungen zur Außenwelt dar. Eine Kamera für OCR-Zwecke, Stereomikrofone und -lautsprecher sowie ein SD-Karten-Slot sind ebenfalls vorhanden. NBP gibt einen Preis von 2.500 US Dollar an.

Elita aus Russland stellte zusammen mit Freedom Scientific die Windows 10 Dockingstation ElBraille zur Nutzung mit einer Focus 14 Braillezeile vor. Die Tastatur der Focus 14 dient als Eingabemedium. JAWS für Windows in seiner aktuellen Ausprägung dient als Screenreader. ElBraille verfügt über 2 GB RAM, einen 64 GB internen Flashspeicher und weitere 32 GB, die für das Betriebssystem und andere Systemdateien reserviert sind. USB, WLAN und Bluetooth sowie ein SD-Karten-Slot gehören zur Ausstattung, ferner ist ein Einschub für ein GSM Modem vorgesehen. Zusammen mit der Focus 14 wiegt ElBraille etwa 750 g und hat folgende Maße: Breite 18,9 cm, Höhe 3,8 cm, Tiefe 11,8 cm. Die britische Firma Sight and Sound Technology gibt einen Preis von 1.050 Pfund für die Dockingstation ohne Screenreader und Braillezeile an.

Und nun, um den vielfältigen Reigen der Brailleprodukte abzuschließen, hier noch kurz zwei Prototypen: Der Canute Electronic Braille Reader von

Bristol Braille Technology aus Großbritannien bringt 8 Zeilen zu je 32 mechanischen Braille-Elementen mit, der Prototyp in der Größe eines Desktop-Scanners soll primär als Lesegerät und zur Darstellung tabellarischer Informationen genutzt werden. Die Brailledateien werden dem Gerät via USB zugeführt. Bristol Braille rechnet derzeit mit einem Preis von 4 US Dollar pro Braillemodul. Die Software des Geräts ist bereits Open Source und auch die Hardware-Spezifikationen sollen unter einer CERN-Lizenz zugänglich gemacht werden. Man rechnet mit der Auslieferung erster Geräte im Herbst dieses Jahres.

Die Dot Smart Watch ist ein Prototyp einer Smart Watch, der wohl noch sehr weit von der Fertigstellung entfernt ist. Die Koreanische Firma Dot Inc. hofft diese Uhr mit 4 Braillemodulen als Fitness Tracker und Ausgabegerät für IOS und Android Smartphones zu einem Preis von 290 US Dollar bereits im Herbst dieses Jahres auf den Markt zu bringen.

Zumindest auf dem Hilfsmittelmarkt erfreut sich Braille also wieder einer wachsenden Beliebtheit, und ich kann nur hoffen, dass sich diese Tendenz insgesamt fortsetzt.

* Dieser Beitrag erschien zuerst in „Display“, der Zeitschrift der Interessengemeinschaft sehgeschädigter Computerbenutzer (ISCB) Ausgabe 4/2016.

Zum Autor:

Peter Brass ist Lehrer in Berlin und seit über 30 Jahren in der Blindenselbsthilfe aktiv. Er war langjähriges Vorstandsmitglied des DVBS. Derzeit ist er Mitglied im Präsidium des DBSV.

Bildunterschrift: Die Braillezeile gehört zum Standard bei der Arbeit von blinden Menschen am Computer. Foto: DVBS-Archiv

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen vergrößerten Ausschnitt einer Computertatstatur, vor der eine Braillezeile steht. Vier Finger einer Hand, die von links ins Bild ragt, ertasten die Buchstaben der Braillezeile.

Uwe Boysen

Von Gesetzen, Paragrafen und Bits und Bytes

Bildunterschrift: In Hünfeld kamen Juristen und IT-Experten zusammen, um das Thema Barrierefreiheit ausgiebig zu diskutieren. Foto: pixelio/Bernd Kasper

Bildbeschreibung: Da Bild zeigt das Innenleben eines Computers. Zu sehen ist ein Motherboard, Platten, zahlreiche Drähte und Lötverbindungen.

Seit Jahren schwebte mir vor, einen Workshop für Juristen und IT-Spezialisten aus dem Blindenwesen zu organisieren. Denn ich war und bin überzeugt, dass sich beide Berufsgruppen in Punkto Barrierefreiheit eine ganze Menge zu sagen haben. In den Bemühungen, Barrierefreiheit von IT-Anwendungen in verschiedensten Gesetzen zu verankern, stoßen die Juristen nämlich immer wieder auf technische Fragen zur Umsetzung solcher Vorschriften, die sie nicht ohne weiteres beantworten können. Umgekehrt schien es mir sinnvoll, IT-Experten einmal über die juristischen Quellen aufzuklären, die für sie in gewisser Weise als Rahmenbedingungen ihrer Arbeit fungieren. Bestärkt wurde ich in dieser Idee auch durch ein Papier des gemeinsamen Fachausschusses für Informationstechnik und Telekommunikation, in dem genau eine solche Kooperation ebenfalls angestrebt wurde.

Nun ist es aber mit vielen guten Ideen so, dass sie sich nicht immer von jetzt auf gleich umsetzen lassen, und so brauchten wir auch hier eine erhebliche Zeitspanne, bis ein Programm ausgearbeitet, ein Antrag bei Aktion Mensch für die Finanzierung durch den DVBS erfolgreich beschieden und eine geeignete Tagungsstätte gefunden war. Aber im April dieses Jahres war es dann endlich so weit. So trafen sich rund 20 Experten aus beiden Bereichen im Kloster Hünfeld und brachten sich gegenseitig auf den neuesten Stand im Hinblick auf Gesetzgebung bzw. Gesetzgebungsvorhaben auf der einen sowie IT-Verfahren und –Standards auf der anderen Seite.

Um es gleich vorweg zu nehmen: nach Einschätzung aller Beteiligten war dieser Workshop ein voller Erfolg. Das zeigte sich schon an der intensiven Arbeit, die wir an den knapp zwei Seminartagen hinter uns brachten. So quälten die Juristen ihre IT-Kollegen am ersten Abend bis sage und schreibe 22.15 Uhr mit nicht ganz einfachen Normen aus dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG) nebst den entsprechenden Landesgesetzen und Vorschriften oder geplanten Normen der EU. Am nächsten Morgen drehten die IT-Experten den Spieß um und traktierten die Paragrafenreiter mit Standards aus der Welt der Bits und Bytes, insbesondere mit ISO-Normen und Konformitätsstufen aus den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) oder der Barrierefreie-Informations-Technik-Verordnung (BITV).

Im Anschluss bekamen wir einen Einblick in das im BITI-Verfahren entwickelte Prüfwerkzeug zur Barrierefreiheit von Softwareanwendungen und konnten uns über grundlegende Voraussetzungen informieren, die eingehalten werden müssen, wenn Barrierefreiheit von IT-Anwendungen gelingen soll. Die wohl wichtigste davon ist, darauf zu bestehen, dass Barrierefreiheit bereits von Beginn der Entwicklung eines Produktes an mitgedacht wird.

Erstaunlich war, wie viele unserer Teilnehmenden schon selbst zu Fragen der Barrierefreiheit konsultiert worden waren, ohne dass hier stets eine konsequente Vernetzung erfolgt wäre. Das birgt naturgemäß die Gefahr, dass wir wertvolle Ressourcen vergeuden, aber unter Umständen auch nicht mit ein und derselben Stimme sprechen – insgesamt kein sehr guter Zustand.

Am Ende bestand Einigkeit über mindestens zwei Punkte: darüber, dass eine solche Veranstaltung dringend wiederholt werden müsse und darüber, dass Barrierefreiheit nur erreichbar ist, wenn an ihr von Seiten der Selbsthilfe kontinuierlich mitgearbeitet wird. Das wiederum setzt allerdings stabile Finanzierungen voraus, von denen wir noch weit entfernt sind. Das Elend der Projekte mit begrenzten Laufzeiten und Verpflichtungen, sich stets neue Themen auszudenken, um sie realisieren zu können, ist hier nicht gerade hilfreich.

Hoffen wir, dass die Idee, innerhalb der Selbsthilfe interdisziplinäre Kompetenzteams zu schaffen, die sich schnell und unbürokratisch mit neuen Problemen informationeller Barrierefreiheit auseinandersetzen und die in der Lage sind, im Rahmen ihrer Möglichkeiten sowohl kompetent zu beraten als auch bei Neuformulierungen von Gesetzen und Verordnungen zur Verfügung stehen, zu einer Verbesserung dieser Situation führen kann.

Zum Autor:

Uwe Boysen war Vorsitzender Richter am Landgericht Bremen und ist im Ruhestand. Er war zwölf Jahre Vorsitzender des DVBS und kandidierte im Jahr 2016 nicht mehr.

Bildunterschrift: In Hünfeld kamen Juristen und IT-Experten zusammen, um das Thema Barrierefreiheit ausgiebig zu diskutieren. Foto: pixelio/Bernd Kasper

Bildbeschreibung: Da Bild zeigt das Innenleben eines Computers. Zu sehen ist ein Motherboard, Platten, zahlreiche Drähte und Lötverbindungen.

Bildung und Wissenschaft

Dr. Karsten McGovern

Ein neues Sekundarschulangebot im Bildungs- und Kompetenzzentrum blista

Im Bildungsangebot der blista in Marburg ist neben der Planung, sehende Schülerinnen und Schüler an der Carl-Strehl-Schule aufzunehmen, noch der Aufbau einer Sekundarschule bis zur 10. Klasse in Kooperation mit der Montessori-Initiative Marburg e.V. geplant. Für die Umsetzung dieser Aufgabe hat der Vorstand der blista eine Stabsstelle Schulentwicklung neu eingerichtet. Welche Hintergründe die Schulplanung hat und welche weiteren Schritte gegangen werden, können Sie im Folgenden erfahren.

Inklusion als Gestaltungsaufgabe

Das inzwischen breit aufgefächerte Schulangebot der Carl-Strehl-Schule (mit Gymnasium, beruflichem Gymnasium, Fachoberschulen und beruflichen Schulangeboten), das Internat und das umfängliche Rehabilitationsangebot sind aufgebaut worden, um ein Ziel zu erreichen: das bestmögliche Bildungsangebot für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schülern zu entwickeln und vorzuhalten, damit diese ihre Fähigkeiten entfalten und in einem höchstmöglichen Maß an der Gesellschaft teilhaben können.

Dieses Ziel wird auch in Zeiten der Inklusionsdebatte weiterhin verfolgt. „Inklusion gestalten!“ ist daher das Motto. Dabei versteht sich die blista nicht einfach als Dienstleister im Bildungswesen und in der Rehabilitation, sondern sucht im Zusammenschluss mit der Selbsthilfe, die bestmögliche Förderung sehbehinderter und blinder Kinder zu erreichen und alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass vor allem die Übergänge in Ausbildung und Beruf noch besser funktionieren als bisher.

Qualität als Maßstab für Inklusion

Als Sachwalter der Interessen blinder und sehbehinderter Menschen kann die blista daher nicht bescheiden sein, sondern muss eine hohe Qualität auch in Zeiten der Inklusion einfordern. Wie aber wird Qualität im Schulsystem Wirklichkeit? Nur von der Bildung oder der Schule als Ganzes zu reden, ist dabei nicht klar genug. Besser ist es, wenn nach der Struktur-, Prozess- oder der Wirkungsqualität[a] gefragt wird. In der Debatte über Inklusion steht meist der strukturelle Aspekt der Schulform und die Ausstattung der Schulen mit ausreichend Personal im Vordergrund. Über die Verbesserung von Prozessen wird schon weitaus weniger gesprochen und die Frage, welche Wirkungen erzielt werden, ist bisher kaum reflektiert. Dabei ist es doch gerade das Ergebnis, welches uns besonders interessieren sollte. Wie erreichen wir das oben beschriebene Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft generell und insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Sinnesbehinderung? Wie können wir die immer noch vorhandenen Nachteile beim Übergang in Ausbildung und Beruf ausgleichen? Diese Fragen bilden den Hintergrund dafür, dass derzeit an der blista verschiedene Entwicklungen vorangetrieben werden.

Mehrgleisig zu mehr Inklusion

Die Strecke zu mehr Inklusion wird dabei mehrgleisig aussehen müssen. Der Umbau eines Bildungs- und Kompetenzzentrums benötigt kreative Lösungen und realistische Perspektiven. Wenn gute Ergebnisse Maßstab für Qualität sind, dann muss das bei der blista vorhandene Know-how zur Förderung blinder und sehbehinderter Kinder genutzt und erhalten werden. Eine Perspektive ist dabei die Weiterentwicklung des inklusiv ausgerichteten Bildungs- und Kompetenzzentrums an der blista. Zu den vorhandenen schulischen Angeboten sind in den letzten Jahren schon eine Reihe von Bausteinen hinzugekommen. Dazu zählen beispielsweise:

  •  die Beratung von Regelschulen, wie blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler bestmöglich im Unterricht unterstützt und gefördert werden können,
  • die Unterstützung des Weiterbildungsmasters „Blinden- und Sehbehindertenpädagogik“ und des Zertifikatskurses „Grundlagen inklusiver Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung“ der Philipps-Universität Marburg, der sich gerade auch an Lehrkräfte wendet, die mit den erworbenen Kompetenzen nicht nur an Förderschulen, sondern gerade auch an allgemeinen Schulen tätig werden sollen, und
  • die Planung der Öffnung der Carl-Strehl-Schule für sehende Schülerinnen und Schüler.

Nunmehr soll ein weiterer Baustein geplant werden. Deshalb ist die neu eingerichtete Stabsstelle Schulentwicklung beauftragt, auf dem Gelände der blista eine allgemeine Sekundarschule in der Trägerschaft der blista zu entwickeln, die ab dem Schuljahr 2018/19 aufbauend ab der Klassenstufe 5 starten soll.

Angestrebt wird dabei eine Kooperation mit der Montessori-Initiative Marburg e.V., die auch die Übernahme der Trägerschaft der bisherigen Montessori-Grundschule vorsehen könnte. Die neue Sekundarschule würde damit auch ein besonderes pädagogisches Profil aufweisen, das gut zu den pädagogischen Prinzipien an der blista passt.

Kooperation stärkt Schule und Inklusion

Die neue Sekundarschule und die Carl-Strehl-Schule können voneinander profitieren. Zum Beispiel bieten sich im Mittelstufenbereich Kooperationen an, wenn im musischen, sportlichen oder sprachlichen Bereich aufgrund der jeweils kleinen Schülerzahlen jede Schule für sich nur eingeschränkte Angebote machen kann. Zusammen geht mehr, auch wenn es neue Herausforderungen durch die wachsende Schülerzahl und die größere soziale Mischung gibt.

Gezeigt werden kann aber, dass Inklusion auch umfassend gelingt. Und zwar nicht nur im kulturellen Bereich, also dem Erwerb von Wissen und Fertigkeiten, und im strukturellen Bereich, also dem Finden eines Platzes in der Gesellschaft, sondern auch gerade im sozialen Bereich, also den Beziehungen untereinander.

Langfristig entsteht durch die geplante neue Schule und die Kooperation mit der Carl-Strehl-Schule ein modellhafter Weg zu mehr Inklusion. Für die Abgänger der Montessori-Sekundarschule, die einen qualifizierten mittleren Abschluss erwerben, ist ein Wechsel in die Schulformen der Sekundarstufe möglich. Damit entsteht eine inklusiv ausgerichtete Oberstufe, die attraktiv bleibt, weil mehr Schülerinnen und Schüler auch ein umfassenderes Kursangebot und mehr Wahlfreiheiten erhalten.

Die Carl-Strehl-Schule soll zwar eng mit der neuen Sekundarschule kooperieren, wird aber weiterhin eigenständiges Gymnasium bleiben. Die neue Schule wird mit ca. 160 Schülerinnen und Schüler, die frühestens im Schuljahr 2023/24 vollzählig sein werden, ein kleines, aber interessantes privates Schulangebot für Schülerinnen und Schüler der Region sein. Die Schule ist offen für Schüler/Innen, die sich mit der inklusionsorientierten, pädagogischen Ausrichtung anfreunden können und sie soll vor allem auch anschlussfähig sein für gymnasiale Bildungsgänge und die Oberstufe.

Bevor dies aber Wirklichkeit wird, sind viele weitere Schritte notwendig. Dazu gehört nach einer Einigung mit der Montessori-Initiative Marburg e.V. und einer Entscheidung innerhalb der blista, zunächst die Klärung von räumlichen und personellen Fragen, die Entwicklung des Schulkonzeptes und die Einholung der Genehmigung. Erst wenn diese vorliegt, wird es konkret und im Herbst nächsten Jahres könnte dann für das neue Schulangebot geworben werden.

Zum Autor:

Dr. Karsten McGovern, 52, ist Politikwissenschaftler und war mehrere Jahre Erster Kreisbeigeordneter im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Seit September ist er bei der blista angestellt und plant in der Stabsstelle Schulentwicklung den Aufbau einer allgemeinen Sekundarschule. Ehrenamtlich ist er als Abgeordneter im Landeswohlfahrtsverband Hessen und in der Stadtverordnetenversammlung Marburg tätig.

Bildunterschrift: Dr. Karsten McGovern. Foto: privat

Bildunterschrift: Auf dem Portraitbild ist ein Mann in mittleren Jahren zu sehen. Er hat dunkle Haare, eine Halbglatze und trägt ein weißblau gemustertes Hemd, eine dunkle Krawatte sowie ein dunkles Jackett.

Dr. Christian Mittermüller

Expertenforum „Zukunft der Arbeit“ stellt Weichen für die Zukunft

Grußwort zur Veranstaltung bei der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg

Aus meiner Erfahrung mit der blista bin ich überzeugt: das Thema „Zukunft der Arbeit“ und die blista als Veranstalter des Expertenforums – das passt bestens zusammen. Denn gerade auf dem Arbeitsmarkt gilt: Wer die Zukunft gestalten will, muss bereit sein, in der Gegenwart neue Wege zu gehen. Oder anders gesagt, und auf die Zielgruppe der blista bezogen: Zukunftsfähige Inklusion braucht die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Innovation. Beide Aspekte hat die blista in einem erfolgreichen Modellprojekt umgesetzt. Es trägt den Titel „Inklusion und Innovation“ und wird aus dem Programm „Impulse der Arbeitsmarktpolitik“ (IdeA) des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration in den Jahren 2013 bis 2016 mit Landes- und ESF-Mitteln in Höhe von insgesamt rund 600.000 Euro gefördert.

Ich möchte das Projekt vorstellen, weil es gut illustriert, wie eine zukunftsorientierte Inklusion von sinnesbehinderten Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt gelingen kann. Das Projekt wird von der blista gemeinsam mit dem Zentrum für Existenzgründungen KOMPASS durchgeführt. Die blista berät, begleitet und qualifiziert Menschen mit einer Sehbehinderung im Übergang von Ausbildung und Studium in den Beruf. KOMPASS berät Unternehmen, wie die berufliche Eingliederung von Menschen mit Sehbehinderung gelingen kann, und verdeutlicht dabei, welchen betriebswirtschaftlichen Mehrwert das Unternehmen durch die Anstellung blinder und sehbehinderter Menschen gewinnen kann.

Eine kooperative Innovation gelingt dem Projekt in doppelter Hinsicht: Zum einen durch das Zusammenwirken der Träger blista und KOMPASS, das einen Know-how-Transfer sowie Synergien zwischen Bildungseinrichtung und Gründungszentrum ermöglicht. Zum anderen durch die Projekt-Arbeit in inklusiven Teams, in denen Menschen mit und ohne Sehbehinderung zusammenwirken. Hier gilt das Prinzip: Vielfalt bringt Kreativität! Insbesondere dann, wenn KOMPASS in Ideenschmieden und Innovationsworkshops Menschen mit Sehbehinderung mit Start-Up-Unternehmen zusammenbringt. Diese gehen mit einer besonderen Offenheit an das Thema Inklusion heran – und verankern die Kooperation in inklusiven Teams idealerweise auch in den eigenen Arbeitsabläufen.

Die kooperative Innovation führt zu produktbezogenen Innovationen: in den Ideenschmieden erfahren die Start-Up-Unternehmen ganz konkret, welchen Mehrwert es für sie bedeutet, Menschen mit Behinderung in die Produktentwicklung einzubeziehen: Es gelingt, Hilfsmittel zu entwickeln, die Barrieren überwinden. Produkte zu kreieren, die den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung entsprechen. Und auf diese Weise neue Zielgruppen, neue Wachstumsfelder und neue Märkte zu erschließen. Als besonders markantes Beispiel sei hier nur die Ideenwerkstatt zum Thema „Barrierefreies Banking“ genannt.

Und zuletzt, am wichtigsten, entsteht durch das Projekt auch eine Innovation in der Wahrnehmung: erstens im Hinblick darauf, wie Unternehmen die Menschen mit Behinderung einschätzen: Nicht mehr als Bedürftige mit einem Defizit, sondern als Potenzialträger, die einen Mehrwert schaffen. Zweitens im Hinblick auf die Selbst-Einschätzung der Menschen mit Behinderung: indem sie sich mit ihren spezifischen Fähigkeiten in den Ideen-Schmieden und bei den Start-up-Unternehmen einbringen können, gewinnen sie an Selbstbewusstsein und sind besser in der Lage, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sei es als Existenzgründer oder in abhängiger Beschäftigung.

Der potenzialorientierte Ansatz des Projektes „Inklusion und Innovation“ entspricht der Programmatik der Hessischen Arbeitsmarktförderung. Sie richtet sich vor allem an benachteiligte Menschen, die vom Regel-Instrumentarium nach den Sozialgesetzbüchern nicht ausreichend aufgefangen werden können und zusätzliche Hilfen benötigen. Bei diesen Hilfen soll es nicht in erster Linie darum gehen, mögliche Defizite zu beheben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen vielmehr mit ihren Potenzialen gesehen und gefördert werden. Es gilt, Fähigkeiten und Begabungen zu entdecken, Chancen zu eröffnen und eine passgenaue Qualifizierung zu ermöglichen.

Die blista hat ihr Jubiläum in diesem Jahr unter das Motto gestellt: „100 Jahre / 100 Talente“. Mit dem Projekt „Inklusion und Innovation“ wurden bereits deutlich mehr als 100 Menschen erreicht und mit ihren Fähigkeiten, Begabungen und Talenten gefördert. Ich gratuliere herzlich zum Jubiläum und freue mich über den Projekt-Erfolg!

Das Projekt „Inklusion und Innovation“ hat gezeigt: Barrieren bestehen vor allem im Kopf. Inklusion beginnt mit Begegnung. Begegnung zwischen Bildungsträgern und Unternehmen. Zwischen Arbeitsmarktförderung und Gründungsberatung. Zwischen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Begabungen und Talenten. Eine solche Begegnung ist auch das Ziel von Veranstaltungen wie dem „Expertenforum Zukunft der Arbeit“.

Zum Autor:

Dr. Christian Mittermüller ist im Bereich Hessische Arbeitsmarktintegration und –förderung beim Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) tätig. Er ist erreichbar unter folgender Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bildunterschrift: Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurde bei der Expertentagung in der blista über die Zukunft der Arbeitswelt diskutiert. Foto: blista

Bildbeschreibung: In einem hellen Raum sitzen zahlreiche Männer und Frauen in einer Runde und hören einem Mann am Mikrofon aufmerksam zu.

horus-Zeitreisen

Unser Zeitreisenzug ist inzwischen in der Mitte der 1960er Jahre angekommen. Ein Großkoalitionärsbundeskanzler (Georg Kiesinger) verkündet das Ende der Nachkriegszeit, und auch der VBGD sortiert sich neu. Carl Strehl tritt 1965 vom Amt des Direktors der blista zurück und gibt 1968 auch den Vorsitz des VBGD an Prof. Heinrich Scholler ab. Gleichzeitig beginnen Schüler, sich zu politisieren, und Studierende sorgen sich um ihre berufliche Zukunft.

Auszug aus der „Oberhessischen Presse" vom 14.3.67

Pennäler "pauken" Politik

Marburger Oberschüler fahren im Sommer nach Rumänien

Freiwillig "pauken" Pennäler nachmittags in ihren Klassenräumen: Oberstufenschüler der 5 Marburger höheren Schulen haben sich zu politischen Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen und diskutieren in Abständen von 14 Tagen z.B. über Milchpreiserhöhung, Deutschlandplan, große Koalition, den Aufbau der Parteien und das Engagement der Amerikaner in Vietnam. Mitschüler bereiten dazu umfangreiche Referate vor, die dann von "Pennäler zu Pennäler" besprochen werden. Das Interesse der Marburger Oberschüler ist stark. Die Lehrer unterstützen die Initiative ihrer "Zöglinge", sich stärker für Politik zu interessieren. Eines allerdings stimmt die jungen "Politiker" betrübt: die Schülerinnen machen zu wenig Gebrauch von dieser politischen Bildungsarbeit.

25 Marburger Oberschüler fahren in diesem Sommer nach Rumänien. Die Pennäler, die dort mit Parlamentariern und Mitgliedern des Auswärtigen Amtes zusammentreffen, haben sich in langen Seminaren intensiv auf diese Begegnung vorbereitet. Das Interesse der Marburger an dieser 8-10-tägigen Studienfahrt ist so groß, dass ein Teil der Interessenten "ausgesiebt" werden musste.

Ein weiterer Höhepunkt der politischen Arbeit Marburger Oberschüler wird die Diskussion mit Jugendlichen aus Mitteldeutschland. Der Bezirksreferent für politische Arbeitsgemeinschaften, Ewald Rose (Marburg), (Anm. der Redaktion: damals Schüler der blista) weiß um die Schwierigkeiten solch einer Diskussion, da die Jugendlichen nicht ohne weiteres aus der Zone nach Marburg kommen dürfen. Nichts lassen die Marburger unversucht, ihre mitteldeutschen Mitschüler doch noch zu einem Round-Table-Gespräch in die Universitätsstadt zu bewegen.

Ein Meinungsaustausch der fünf Arbeitsgruppen in Marburg soll ergeben, wie die Schüler den 17. Juni begehen wollen. Rose erklärte, die Schüler hätten kein Interesse an den bisher üblichen Feierstunden mit Schulorchester und Chor. Ihnen schwebe vielmehr vor, führende Politiker und Professoren zu einer Diskussion über die Möglichkeiten der Deutschlandpolitik einzuladen.

Die Vorbereitungen dieser Veranstaltungen erfordern finanzielle Mittel. Da Besuch und Teilnahme an den politischen Arbeitsgemeinschaften kostenlos sind, muss die Schülermitverwaltung (SMV) die Bemühungen der Schüler um politisches Wissen aus eigener Tasche bestreiten.

Armin Kappallo

Zur Übernahme Blinder in den Richterberuf

Eine Stellungnahme junger Marburger Juristen

Am 4. Oktober vergangenen Jahres trafen sich in Marburg blinde Jurastudenten und Referendare, um sich Gedanken darüber zu machen, ob und inwieweit wirksame Maßnahmen gegen die immer mehr in Erscheinung tretenden Einstellungsschwierigkeiten blinder Juristen möglich sind. Anlass hierzu war in erster Linie das Bekanntwerden eines Erlasses des Nordrhein-Westfälischen Justizministers, der grob gesagt einen Einstellungsstop für blinde Richter zum Inhalt hat.* In der Begründung des Erlasses fanden sich Punkte, aus denen man den Eindruck gewinnen muss, dass dem Blinden eine berufliche Tätigkeit nur ermöglicht wird, um einer sozialen Verpflichtung nachzukommen, nicht aber um jemandem einen seinen Fähigkeiten und entsprechenden Arbeitsplatz zu verschaffen.

Da eine solche Einstellung im Endeffekt nicht nur den Blinden, der das Richteramt ergreifen will, sondern auch jeden einen angemessenen Arbeitsplatz anstrebenden blinden Juristen vor schwierige Probleme stellt, wurde beschlossen, zunächst blinde Praktiker (etwa 130 Personen) mit unseren Sorgen vertraut zu machen und sie um eine Stellungnahme über Verwendungsmöglichkeiten und Grenzen eines blinden Juristen zu bitten. Inzwischen sind etwa 30 zumeist sehr detaillierte Antworten eingegangen, für die wir ihren Verfassern, die sich erhebliche Mühe gemacht haben, das Problem von allen Seiten zu beleuchten, auch auf diesem Wege recht herzlich danken möchten. Nachstehend haben wir uns bemüht, die wichtigsten Gesichtspunkte und Vorschläge kurz zusammenzufassen. (…)

Da im Bundesdurchschnitt auf 200 sehende nur ein blinder Richter entfällt, bleiben auch nach Durchführung der geplanten Reformen noch genügend Einsatzmöglichkeiten. Hier bietet sich besonders die Tätigkeit als Beisitzer beim Landgericht an. Günstig sind vor allem große Gerichte mit spezialisierter Aufgabenverteilung. Manche der Praktiker äußerten jedoch Bedenken dagegen, dass der blinde Richter bei einem Prozess den Vorsitz übernimmt oder als Einzelrichter tätig ist. Das bedeutet, dass die Einsatzmöglichkeiten bei kleinen und mittleren Amtsgerichten größeren Beschränkungen unterliegen. (…)

(…)Sicher gibt es eine Reihe von Aufgabengebieten, auf denen blinde Richter nicht eingesetzt werden können, aber auch nicht jeder sehende Richter ist für jedes Aufgabengebiet geeignet.

Beweisaufnahmen durch Augenschein sind so selten, dass die Fälle, in denen ein blinder Beisitzer durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ersetzt werden muss, nicht ins Gewicht fallen. Hier liegt die Schwierigkeit weniger im Schicksal des Blinden als in der Einfallslosigkeit oder der Unbeweglichkeit der sehenden Kollegen in den maßgeblichen Stellen. (…)

Die Behauptung, der Blinde könne die Parteien, Zeugen und Sachverständigen nicht sehen, spiegelt Oberflächlichkeit und Mangel an Einfühlungsvermögen wider. "Man braucht Sachverständige nicht zu sehen, um ihren sachverständigen Ausführungen folgen zu können." Einem der Befragten haben sehende Richter wiederholt erklärt, sie seien abgelenkt oder von Äußerlichkeiten beeinflusst gewesen, und daraus habe sich für sie ein Mangel ergeben. Ein anderer gab zu bedenken, dass die Stimme ja derart ausdrucksfähig sei, dass sich oft sehr viel daraus ableiten lasse und dass gute Rückschlüsse auf die Wesensart, die Erregbarkeit und die Glaubwürdigkeit des Aussagenden möglich seien. Die Arbeit in einer Kammer gewährleiste im Übrigen, dass die Eindrücke und Wertungen der sehenden Kollegen mit einbezogen würden. "Der Vernommene spricht sich oft einem Blinden gegenüber ungezwungener aus, schon weil er sich nicht fixiert und beobachtet fühlt."

Die Prüfung der Echtheit einer Urkunde ist keine typische Aufgabe des Richters. Außer auf einigen Gebieten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beim Amtsgericht hat der Richter kaum jemals zu Beweiszwecken eine Urkunde optisch zu prüfen. Die Echtheit einer Unterschrift zu beurteilen, muss auch der sehende Richter einem Sachverständigen überlassen, wenn die Unterschrift im Zivilprozess zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht wird. Zudem ist die Echtheit von Urkunden nur in den seltensten Fällen streitig. Ihre Wertung und Auslegung ist auch dem blinden Richter möglich, wenn er sich ihren Inhalt vorlesen lässt und die wichtigsten Stellen notiert.

(…) Wiederholt ist von den Befragten Erstaunen darüber geäußert worden, dass wir eine Art "Selbsthilfe" organisieren wollen; eigentlich sei doch der VbGD für derartige Dinge zuständig. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass ein Tätigwerden nach außen hin erst erfolgen soll, wenn geklärt ist, ob und inwieweit der VbGD bereit ist, sich dieser Sache anzunehmen. Die ersten diesbezüglichen Kontakte sind bereits aufgenommen worden.

(…) Die hier aufgezeigten Probleme betreffen auf den ersten Blick nur Juristen. Sicher werden viele der Leser aber auch erkannt haben, dass die Vorurteile, von denen hier die Rede war, in ihrem Berufsbereich ebenso vorhanden sind wie bei uns.

* Anm. der heutigen Redaktion: Wie Suehrmann später klarstellt, handelte es sich lediglich um die Begründung einer Einzelfallentscheidung (siehe Marburger Beiträge zum Blindenbildungswesen (1972), H. 1, S. 15-20 (PS).

Bildunterschrift: In den 60er Jahren setzten sich junge Marburger Juristen vehement für eine Übernahme Blinder in den Richterberuf ein. Foto: pixelio/Thorben Wengert

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein Hammer aus Holz auf einer Holzunterlage, der typischerweise von Richtern z.B. in den USA genutzt wird.

Prof. Heinrich Scholler

Zum Geleit!

Mit der Neuwahl des Ersten Vorsitzenden des Vereins der blinden Geistesarbeiter Deutschlands hat auch die Schriftleitung für die “Marburger Beiträge“ gewechselt. Die Veröffentlichungen des VbGD sind mir übertragen, die Veröffentlichungen der Blindenstudienanstalt erfolgen durch Herrn Direktor Dr. Geissler als Schriftleiter.

Mit einer Änderung des Namens der Schwarzdruckausgabe unserer Zeitschrift in „Horus, Marburger Beiträge zum Blind-Sehen“ wollen wir zur Erreichung unserer alten und neuen Ziele neue Methoden einsetzen.

Zu diesen Zielen gehören die Integration des Nichtsehenden in die Welt des Sehenden, die Förderung der beruflichen Rehabilitation, und der Abbau gesellschaftlicher Vorurteile. Die „Marburger Beiträge“ sollen zur Mitarbeit anregen, über aktuelle Fragen des Studiums und der Fortbildung, der Hilfsmittel und der nationalen und internationalen Blindenarbeit berichten. Dabei rechnen wir auf größere Mitarbeit unserer Leser, die durch die Honorierung der Aufsätze angespornt werden mögen. Eine Beilage über blindentechnische Hilfsmittel wird wohl von allen Beziehern der „Marburger Beiträge“ begrüßt werden.

Weiter sollen die „Marburger Beiträge“ sich Gehör verschaffen gegenüber Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Die Zusammenarbeit mit anderen Selbsthilfeeinrichtungen des Blindenwesens wird gefördert werden.

Diese alten und neuen Ziele sollen mit etwas veränderten Methoden verstärkt in Angriff genommen werden. Zu dieser neuen Methodik gehört die Stärkung der Eigeninitiative, die kollektive Führung unseres Vereins, die Information über die Arbeit im Ausland und die stärkere Betonung der Aufgaben des Leserbriefes. In besonders hohem Maß sollen sich die “Marburger Beiträge“ auch den Problemen des blinden Studenten widmen. Die graphische Gestaltung der Schwarzdruckausgabe wurde neu in Angriff genommen und anstelle einer Bildbeilage soll nun die Ausgestaltung mit Bildmaterial treten.

Wir werden auch weiterhin Erfahrungsberichte und Biographien blinder Menschen bringen, doch scheint es mir von der Sache her geboten, gerade auch Lebensläufe blinder Studenten zu bringen, die die Probleme ihrer Berufsausbildung aktuell und lebensnah schildern können. Die Erschließung neuer Berufsmöglichkeiten, der Studienaustausch und die Berufsfortbildung wird gefördert werden.

Dem Gründer und langjährigen Schriftleiter der „Marburger Beiträge“, Herrn Professor Dr. Carl Strehl, sei an dieser Stelle besonderer Dank für seine Verdienste ausgesprochen, verbunden mit dem Wunsch, dass er auch weiterhin an unserer gemeinsamen Aufgabe mitwirken möge.

Recht

Chancengleichheit statt Leistungskürzungen bei Bildung und Teilhabe im neuen Bundesteilhabegesetz

Der DVBS setzt sich als Selbsthilfeorganisation seit 100 Jahren insbesondere für chancengleiche Bildung und berufliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen ein. Die vorgesehenen Regelungen des Bundesteilhabegesetzes sind für uns mit der großen Sorge verbunden, dass es hier zu massiven Nachteilen anstatt zu längst überfälligen Verbesserungen kommt.

Die Mitgliederversammlung des DVBS hat daher am 24.09.2016 in Marburg die folgende Resolution verabschiedet:

Ein gutes Bundesteilhabegesetz muss in Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention das Menschenrecht auf volle, wirksame und gleich­berechtigte Teilhabe umsetzen. Dem wird der vorliegende Regierungsentwurf bislang unzureichend gerecht. Abgesehen von weiteren problematischen Änderungen kritisiert die Mitgliederversammlung des DVBS aufs schärfste die drohenden Rückschritte bei den Leistungen zur Teilhabe an Bildung.

Gute Bildung ist entscheidende Voraussetzung für beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung. Das gilt in besonderem Maße für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Sie müssen ihre Leistungsfähigkeit gegenüber einer skeptischen Gesellschaft stets aufs Neue unter Beweis stellen. Um chancengleich lernen und arbeiten zu können, dürfen blinden und sehbehinderten Menschen durch das Bundesteilhabegesetz keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, sondern im Gegenteil müssen gerade in diesem Bereich Teilhabeleistungen zukunftsorientiert weiterentwickelt werden.

  1. Die neu vorgesehenen Zugangshürden für Leistungen der Eingliederungshilfe, die einen komplexen Unterstützungsbedarf in fünf von neun Lebensbereichen erfordern, lehnen wir ab, denn dadurch wird sehbehinderten Menschen der Zugang zu notwendigen Leistungen, z. B. Hilfsmittel oder Assistenz zum Besuch der Schule, zum Studium oder einer Ausbildung, verwehrt. Wir fordern daher, zumindest die bisherige Praxis der Eingliederungshilfe in diesem Bereich beizubehalten.
  2. Unklare Gesetzesformulierungen und Regelungen, die es den Trägern der Eingliederungshilfe ermöglichen, über das Bildungsziel nach ihrem Ermessen zu entscheiden, dürfen nicht Gesetz werden. Der Besuch einer weiterführenden Schule oder einer Hochschule darf nicht in Frage gestellt werden. Behinderte Menschen müssen die gleichen Möglichkeiten haben wie nicht behinderte Menschen, ihre Schullaufbahn und ihren beruflichen Werdegang zu gestalten. Wir lehnen daher Regelungen ab, die eine Zweitausbildung an einen inhaltlichen Zusammenhang mit der zuvor erworbenen Berufsqualifikation knüpfen. Die bislang vorgesehenen Regelungen gehen an der Ausbildungs- und Lebenswirklichkeit vorbei, stehen im Widerspruch zur heute geforderten beruflichen Flexibilität und verstoßen gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl.
  3. Berufliche Rehabilitation muss auch in Form einer hochschulischen Qualifizierung möglich sein. Es darf nicht dazu kommen, dass Menschen, die im Laufe ihres Berufslebens einen Sehverlust erleiden, dadurch in ihrer beruflichen Stellung absinken.
  4. Die Eingliederungshilfe für Leistungen zur Teilhabe an Bildung muss so weiterentwickelt werden, dass lebenslanges Lernen gleichberechtigt gefördert werden kann. Dazu bedarf es auch eines offenen Leistungskataloges. Sämtliche behinderungsbedingt notwendigen Leistungen zur Teilhabe an Bildung müssen unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt werden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Akademisierung verschiedener Ausbildungsgänge.
  5. Soziale Teilhabe ist ohne Nachteilsausgleiche für blinde und sehbehinderte Menschen nicht Der DVBS hat sich daher stets für die Erhaltung und den Ausbau des Systems des Blindengeldes und der Blindenhilfe einschließlich eines Sehbehindertengeldes eingesetzt. Zur Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse ist es hier dringend geboten, zu bundesweit einheitlichen Blindengeldregelungen auf angemessenem Niveau zu kommen. Bis eine solche Blindengeldlösung realisiert ist, müssen die nunmehr im Gesetzentwurf angehobenen Einkommens- und Vermögensgrenzen der Eingliederungshilfe in gleicher Weise auf die Blindenhilfe nach dem SGB XII übertragen werden. Die Blindenhilfe stellt keine staatliche Fürsorgeleistung dar, sondern ist – wie von der Rechtsprechung anerkannt – eine genuine Teilhabeleistung. Hierfür notwendige finanzielle Aufwendungen bewegen sich in einem Rahmen, der keine staatliche Stelle überfordert.

Infokasten: Am 22. September 2016 hat die parlamentarische Diskussion über das Bundesteilhabegesetz mit der ersten Lesung im Bundestag begonnen. Am 23. September hat sich auch der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf befasst. Inzwischen beschäftigt sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages mit der Vorlage. Möglicherweise ist das Verfahren bei Erscheinen dieses horus auch schon weiter fortgeschritten.

Neben den in der Resolution hervorgehobenen Bereichen Bildung und Blindenhilfe gibt es im Entwurf eine ganze Reihe weiterer kritischer Punkte. Genannt seien an dieser Stelle nur die folgenden:

  • die Problematik des sog. Zwangspoolens, bei der nach der bisherigen Fassung des Entwurfs die Gefahr besteht, dass behinderte Menschen gezwungen werden, Assistenzleistungen gemeinsam und nicht individuell in Anspruch zu nehmen,
  • die zu komplizierte und viele Fragen offen lassende Anrechnungsregelung für Einkommen des Hilfeempfängers und
  • die nur schrittweise und zu zögerliche Abschaffung der Vermögensanrechnung.

Es bleibt abzuwarten, welche Veränderungen der Gesetzentwurf noch erfährt und ob er bei der Vielzahl der aufgeworfenen und ungelösten Probleme die Legislaturperiode überhaupt übersteht.

Bücher

Thorsten Büchner

Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Goldmann, München, 2016, Bestellnummer: 4842, 1 Bd., KR, 21,50 Euro (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Keiner weiß, wie alt der kleine Andreas Egger ist, als er 1904 als Waise zu einem entfernten Verwandten in das Tal kommt, in dem er von nun an sein ganzes Leben verbringen wird. Vom Bauern geschunden und den Kindern im Dorf gehänselt, muss er sich seinen Platz in der Gemeinschaft mühsam erkämpfen. Als der Fortschritt in das kleine Dorf Einzug hält und mit Elektrizität und dem Bau einer Seilbahn die moderne Welt in das archaisch anmutende Dorf bringt, verändert sich auch Eggers Leben. Er verdingt sich als Seilbahnarbeiter und findet in Marie, der Fremden, die Liebe seines Lebens. Doch Glück und Unglück streifen immer wieder das Leben Eggers, das er mit der ihm eigenen Lebensklugheit zu meistern versteht.

Horst Evers: Für Eile fehlt mir die Zeit

Andere nennen es Alltag. Horst Evers nennt es Schikane. Von Horst Evers bekommt man viele Tipps, wie die Welt ohne viel Aufwand sehr zu verbessern wäre. Zum Beispiel: "Wir nehmen allen Berlinern ihre Hunde weg und geben ihnen dafür je vier Hühner. Dann lägen auf den Bürgersteigen Eier. Es wäre quasi das ganze Jahr über Ostern." Auch Rechnen kann man bei Horst Evers lernen: "Wer jeden Tag eine Stunde laufen geht, verlängert zwar seine Lebenserwartung im Schnitt um circa zwei Jahre, verbraucht aber insgesamt vier Jahre seines Lebens nur fürs Laufen." Vor allem aber erzählt Horst Evers Geschichten: ausgesprochen komische Geschichten aus dem Hier und Jetzt. Geschichten, die sich hüten, auch nur einen einzigen Ratschlag zu erteilen, aber trotzdem helfen.

Bildunterschrift: In der heutigen Zeit scheint für viele Dinge die Zeit zu fehlen. Fotos: pixelio/Kurt Michel

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine typische Bahnhofsuhr im Ausschnitt. Die Zeiger stehen auf fünf vor zwölf.

Kristina Dunker: Bevor er es wieder tut

Deutscher Taschenbuch-Verlag, München, 2015, Bestellnummer: 4780, 2 Bde., KR, 43 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Im letzten Sommer wurde Johanna gefangen gehalten und sexuell missbraucht. Sie hat niemandem davon erzählt - doch dann wird die 14-jährige Kim entführt und überlebt nur knapp. Johanna wird klar, dass sie den Täter aufhalten muss - doch wem kann sie vertrauen? Erst als sie Vincent kennenlernt, der die halbtote Kim aus dem Fluss gerettet hat, beginnt sie wieder zu kämpfen. Doch kann sie sich wirklich all den schrecklichen Dingen stellen? Dann wird wieder ein Mädchen entführt, und Johanna wird klar, dass nur sie dieses Mädchen retten kann.

Jan Weiler: Im Reich der Pubertiere

Kindler, Reinbek, 2016, Bestellnummer: 4841, 1Bd., KR, 21,50 Euro (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Chaos, Pickel und Hormone – Bestsellerautor Jan Weiler (»Maria, ihm schmeckt's nicht«, »Das Pubertier«) erzählt, wie der Wahnsinn in der Familie weitergeht. Inzwischen hat es der Pubertier-Forscher nicht mehr nur mit einem weiblichen, sondern auch mit einem männlichen Exemplar der Gattung zu tun. Zu einigen Erkenntnissen ist er bereits gekommen: Pubertiere bewohnen am liebsten schlecht belüftete Räume, in denen sich Müllberge türmen. Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vertretern dieser Art erscheinen signifikant: während das weibliche Pubertier durch maßlosen Konsum, unverständliches Monologisieren und multiples Dauermeckern auffällt, verbringt das Pubertier-Männchen seine Lebenszeit im Wesentlichen mit drei lautlosen Tätigkeiten: Schweigen, Müffeln – und Zocken. Das klingt alles schlimm, schlimm, schlimm. Doch ohne Pubertiere wäre das Leben arm und öde. Und das Haus zu still und zu leer. Genau wie der Vorgänger "Das Pubertier", das von betroffenen Eltern wie von Kindern in der Pubertät heiß geliebt wurde, stürmte "Im Reich der Pubertiere" kurz nach Erscheinen Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste.

Poesie fürs Ohr

Hörbücher von und über Literaturnobelpreisträger Bob Dylan in der DBH

Er wurde bereits seit vielen Jahren als Kandidat gehandelt, bekommen hat Bob Dylan den Literaturnobelpreis erst in diesem Jahr. Die schwedische Nobelpreis-Jury vergab mit Dylan erstmals die wichtigste, literarische Auszeichnung der Welt an einen Songwriter. Zur Begründung nannte Sarah Danius, Sprecherin des Nobelpreiskomitees, dass Dylan „neue, poetische Ausdrucksformen innerhalb der großen, amerikanischen Song-Tradition“ erschaffen habe. Dylan ist der erste US-Amerikaner seit Toni Morrison im Jahr 1993, der mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird.

Bob Dylan wurde als Robert Allen Zimmerman am 24. Mai 1941 in Duluth/Minnesota geboren und beeinflusst seit mehr als fünfzig Jahren Generationen von Musikern. Seinen Künstlernamen Bob Dylan wählte er in Anlehnung an den berühmten, walisischen Schriftsteller Dylan Thomas aus. Mit Klassikern wie „Blowing in the wind“ und „Like a rolling stone“ sowie unzähligen Studio- und Live-Alben ist Dylan einer der prägendsten Musiker des 20. Jahrhunderts. „Bob Dylan schreibt Poesie fürs Ohr“, sagte Sarah Danius, die man „aber auch wunderbar als Poesie lesen kann.“

Zwei Hörbücher von und über Bob Dylan sind in der „Deutschen Blinden-Hörbücherei“ ausleihbar, so dass sich auch blinde und sehbehinderte Literatur- und Musikbegeisterte einen eigenen Eindruck vom literarisch-poetischen Schaffen des Nobelpreisträgers machen können.

Bildunterschrift: Doch etwas überraschend: Bob Dylan erhielt den Nobelpreis für Literatur. Foto: pixelio/Dieter Schütz

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine Seite aus dem Duden abgebildet, die an der Stelle aufgeschlagen ist, wo „Nobelpreis; Nobelpreisträgerin; Nobelpreisträger“ steht.

Hörbücher von und über Bob Dylan in der DBH

Bob Dylan: Chronicles - Volume 1

Im ersten Teil der auf drei Bände angelegten Autobiografie schreibt Bob Dylan über seine New Yorker Anfangsjahre in Greenwich Village, über seine Begegnungen mit den damaligen Folkstars und macht dann einen Zeitsprung in das Jahr 1970. Inzwischen ist er ein Superstar und die Fans zerstören sein Privatleben. Es folgt ein Sprung in die 80er Jahre, wo er eine große musikalische Schaffenskrise überwinden muss und kehrt im fünften Akt wieder zu seinen Anfängen zurück. Er schreibt über seine Kindheit und Familie, über Musik und Musiker und seine Begegnungen mit der Literatur.

Laufzeit: 9 Std. 42 Min.

Bestellnummer: 11760

Robert Shelton: Bob Dylan - Sein Leben und seine Musik

Shelton, mit Bob Dylan (geboren 1941) seit Beginn seiner Karriere persönlich bekannt, stellt Leben und Werk des Weltstars in allen seinen Wandlungen dar und macht die ganze Ära der 60er und 70er Jahre lebendig. Mit Song-Index und Schallplatten-Verzeichnis.

Laufzeit: 37 Std. 24 Min.

Bestellnummer: 16988

Ihr Kontakt zur DBH:

Deutsche Blindenstudienanstalt e.V., Postfach 1160, 35001 Marburg.

Telefon: 06421/606-0

Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder in unserem barrierefreien Online-Katalog unter www.katalog.blista.de

Hörbücher zum Schwerpunkt „Megatrend Digitalisierung“

Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft? - Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne, du bist ihr Produkt

Hoffmann und Campe, Hamburg, 2014, Bestellnummer:76157, Laufzeit: 16 Std. 10 Min.

Der Internet-Pionier Lanier tritt für ein Ende der Gratis-Kultur im Internet ein. Er möchte, dass Dienste wie Google und Facebook auch für die Daten, die sie von ihren Nutzern erhalten, bezahlen und warnt vor einer Software, die bald viele Arbeitsplätze vernichten könnte.

Henning Lobin: Engelbarts Traum - Wie der Computer uns Lesen und Schreiben abnimmt

Campus-Verlag, Frankfurt/Main, 2014, Bestellnummer: 771511, Laufzeit: 12 Std 54 Min

Dieses Buch zeigt, wie sich Lesen und Schreiben ändern, wenn der Computer uns diese Kulturtechniken immer mehr abnimmt. Wie wirkt sich dies auf Bücher, Bibliotheken und Verlage, auf Schule und Universität, auf Presse und Zensur aus? Welche künftigen Veränderungen auf dem Weg hin zu einer "Digitalkultur" lassen sich derzeit voraussagen? Wie können wir verhindern, dabei zum Spielball der technischen Evolution zu werden?

Bildunterschrift: Computer übernehmen heutzutage zunehmend die Aufgaben von Menschen. Fotos: pixelio/Thorben Wengert

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine Weltkugel zu sehen, die über einer, nur verschwommen zu erkennenden Computertastatur, zu schweben scheint.

Yvonne Hofstetter: Sie wissen alles - Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen und warum wir für unsere Freiheit kämpfen müssen

Bertelsmann, München, 2014, Bestellnummer: 767051, Laufzeit: 12 Std 41 Min

Es geht uns alle an, dass wir, sei es gewollt oder ungewollt, im Internet gescannt, kartographiert, durchleuchtet und abgebildet werden. Unsere Bewegungen, unser Konsumverhalten, unsere Vorlieben, unsere persönlichen Daten bilden den Informationsrohstoff, aus dem Hilfe von Big Data-Datenbank-Technologien Verwertbares wird - für die Autorin, die die Branche als Insiderin kennt, ein Angriff des Informationskapitalismus auf den Menschen, seine Freiheit, Selbstbestimmung und Integrität.

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Panorama

Medikament gegen Schlaf-Wach-Störung Non24 zugelassen

Zur Behandlung der Schlaf-Wach-Störung Non24, die bei blinden Menschen ohne Lichtwahrnehmung auftritt, ist in Deutschland ab sofort das Medikament Hetlioz (Wirkstoff Tasimelteon) verfügbar. Es kann vom Arzt verschrieben werden, sobald die Diagnose Non24 gestellt worden ist.

Non24 ist eine chronische Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus, der normalerweise durch den Wechsel von Licht und Dunkelheit gesteuert wird. Fällt die Lichtwahrnehmung weg, kann sich die innere Uhr des Menschen durchsetzen, die in der Regel nicht genau dem 24-Stunden-Rhythmus entspricht. Zyklisch auftretende Schlafprobleme und Tagesmüdigkeit sind die Folge.

Non24 ist in Deutschland noch relativ unbekannt – auch bei Ärzten. Deshalb befindet sich ein Expertenteam im Aufbau, dem derzeit sechs Schlafmediziner angehören. Sie stehen Ratsuchenden gerne zur Verfügung:

Prof. Dr. Ingo Fietze, Charité Berlin, Tel.: 030/450513-160, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Peter Young, Universitätsklinikum Münster, Tel.: 0251/83-48196, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Frank Pillmann, Universitätsklinikum Halle (Saale), Tel.: 0345/5574560, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Sven Rupprecht, Universitätsklinikum Jena, Tel.: 03641/9323-450, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Claudia Schilling, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Tel.: 0621/1703-1781, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Prof. Dr. Christoph Nissen, Universitätsklinikum Freiburg, Tel.: 0761/270-65010, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bildunterschrift: Mit Hetlioz steht ab sofort ein neues Medikament gegen Non24 zur Verfügung Foto: pixelio/Klicker

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt zahlreiche weiße Tabletten, die nebeneinander auf dem Boden liegen. Eine aufgestellte Tablette ist darüber positioniert.

Blinder Junge setzt Banknoten mit Blindenschrift durch

Online-Petition: In Australien sind erstmals Banknoten mit kleinen Erhebungen im Umlauf. Sie sollen blinden Menschen helfen zu erfühlen, welchen Wert sie in den Händen halten. Die neuen Fünf-Dollar-Noten gehen zurück auf die Initiative eines blinden Jungen. Im Alter von zwölf Jahren hatte er eine Onlinepetition gestartet und mehr als 56.000 Unterstützer gefunden.

Der Junge mit Namen Connor McLeod ist inzwischen 15 Jahre alt. "Ich hatte die Idee an Weihnachten, als mir jemand ein Geldgeschenk machte", erklärte er. „Ich hatte keine Ahnung, ob der Schenker großzügig war oder ein Geizhals."

Die neue Fünf-Dollar-Note hat eine fühlbare Erhebung an der Längsseite. Auch andere Noten sollen künftig in gleicher Weise produziert werden. Nach Angaben des "Sydney Morning Herald" gibt es in Australien 360.000 blinde oder stark sehbehinderte Menschen.

Eurobanknoten sind nach Angaben der Bundesbank bereits so ausgestattet, dass Blinde sie erkennen können. Alle sieben Stückelungen hätten eine andere Größe, und einige Elemente der Banknote bildeten durch verstärkten Stichtiefdruck ein fühlbares Relief.

Bildunterschrift: Weltneuheit: Banknoten mit Blindenschrift in Australien. Foto: pixelio/Ralph Aichinger

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine weiße Seite in Blindenschrift.

Colette M. Schmidt

Erster Stolperstein Europas in Brailleschrift

In Graz wurde der erste Stolperstein Europas in Brailleschrift verlegt

Irene Ransburg - sie war eine wirklich außergewöhnliche Frau, die in ihrem Leben mehrere persönliche Katastrophen überstand. Doch es gab für sie kein Happy End. Denn die letzte Katastrophe, die nationalsozialistische Diktatur, überlebte sie nicht. Die 1898 geborene Jüdin erlebte den ersten schweren Verlust als kleines Mädchen: Beide Eltern starben, und sie wurde von einer Familie im steirischen St. Ruprecht an der Raab adoptiert. Die Familie hatte ein Feinkostgeschäft und erzog das Mädchen fortan im christlichen Glauben.

Irene Ransburg war künstlerisch und literarisch begabt und schloss mit Erfolg die Handelsschule in Graz ab. Doch mit 16 erkrankte sie schwer und verlor ihr Augenlicht und ihr Gehör. Eine Nonne wurde ihre Lehrerin und gab ihr neuen Lebensmut, indem sie ihr die Blindenschrift beibrachte. So konnte Ransburg, die vor allem Lyrik liebte, weiter literarisch arbeiten und kommunizieren.

Nach der Machtübernahme der Nazis gelang es den Mitarbeitern des Odilien-Instituts, das heute noch in Betrieb ist, jahrelang zu verheimlichen, dass eine getaufte Jüdin unter ihnen lebte. Doch nach einem Verrat wurde Irene Ransburg am 21. September 1944 von der Gestapo abgeholt und in das KZ Theresienstadt verschleppt. Einen Monat später wurde sie nach Auschwitz-Birkenau gebracht und dort in der Gaskammer ermordet. Sie wurde 46 Jahre alt.

Im Vorjahr wurde eine Gedenktafel für Ransburg enthüllt. Der Verein für Gedenkkultur in Graz hat Ransburg nun auch in die Liste der Grazer Stolpersteine aufgenommen. Im Rahmen des Gedenkprojekts des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der seit 1997 zigtausende Steine in ganz Europa vor Wohn- oder Wirkungsstätten von Opfern des NS-Regimes verlegt hat, bekam Ransburg einen Stein vor dem Blindeninstitut. Es ist der erste in ganz Europa, dessen Gravur mit Eckdaten der Biografie in Brailleschrift verfasst wurde. Die ganze Liste der 95 Grazer Steine findet sich auf http://www.stolpersteine-graz.at/stolpersteine

Bildunterschrift: Der erste Stolperstein in Brailleschrift wurde in Graz verlegt. Foto: Verein für Gedenkkultur in Graz

Bildbeschreibung: Zu sehen ist ein golden glänzender Stolperstein, auf dem Brailleschrift erkennbar ist.

Michael Feistle

Goalballer bei Olympia auf Rang 6

Vom 07. bis 18. September wurden in Rio de Janeiro die Paralympics ausgetragen. Das Goalball-Nationalteam mit Michael Feistle rund um das vierköpfige Marburger Trainerteam belegte dabei Rang sechs.

Die Mannschaft von Cheftrainer Johannes Günther ging als jüngstes Team des Turniers als Außenseiter an den Start. Nach einem deutlichen 10:0-Auftaktsieg gegen Afrikameister Algerien setzte es drei Niederlagen in der Vorrunde gegen Kanada (5:7), Schweden (5:9) und Weltmeister Brasilien (4:10). Gerade die Niederlage gegen Brasilien fiel am Ende zu deutlich aus, da das deutsche Team zu überzeugen wusste und eines der besten Spiele gegen den haushohen Favoriten ablieferte.

Im Viertelfinale, in das man als Gruppendritter einzog, traf man auf das erfahrene Team aus den USA. 122 Sekunden vor Ende gelang durch Thomas Steiger die erstmalige Führung. Jedoch konnte man diese nicht über die Zeit retten, verlor mit 6:7 und schied aus. Am Ende belegte man dank guter Leistungen in der Vorrunde den sechsten Platz vor dem Paralympics-Sieger von London, Finnland, und dem Asienmeister China.

Sehr erfreulich war aus deutscher Sicht ebenfalls, dass Michael Feistle von der SSG Blista Marburg mit 16 Turniertoren den fünften Rang in der Torjägerliste belegte. Nach dem Turnier zeigt sich das gesamte Team mit dem Abschneiden in Brasilien sehr zufrieden. Es war für alle eine große Ehre, dort vor bis zu 12.000 Zuschauern spielen zu dürfen.

Nach einer kurzen Trainingspause geht es für die Goalballer aber bereits bald weiter: das Nationalteam richtet nun den Blick Richtung Europameisterschaft 2017 in Finnland.

Thüringen: Blindengelderhöhung und Taubblindengeld auf den Weg gebracht

Das Thüringer Kabinett hat am 20. September die Novelle des Landesblindengeldes gebilligt. Der von der Thüringer Sozialministerin Heike Werner (Die Linke) vorgelegte Gesetzentwurf sieht die Erhöhung des Landesblindengeldes und die Einführung einer zusätzlichen Leistung für taubblinde Menschen vor.

Nach den Worten der Ministerin ist es nicht akzeptabel, dass blinde Menschen in Thüringen schlechter gestellt werden als in anderen Teilen Deutschlands. Das Blindengeld liegt in Thüringen derzeit bei 270 Euro im Monat. Im Bundesdurchschnitt zahlen die Länder rund 400 Euro.

Das Thüringer Landesblindengeld soll deshalb in drei Stufen auf 400 Euro monatlich erhöht werden. In der ersten Stufe wird das Blindengeld rückwirkend zum 1. Juli 2016 auf 320 Euro angehoben. Die weiteren Erhöhungen erfolgen am 1. Juli 2017 auf 360 Euro und am 1. Juli 2018 auf 400 Euro. Taubblinde Menschen erhalten ab dem 1. Juli 2016 zusätzlich 100 Euro pro Monat.

"Dass die Politik die Ungerechtigkeit der ungleichen Blindengeldleistungen in den verschiedenen Bundesländern erkennt, ist ein gutes Zeichen", kommentiert DBSV-Präsidentin Renate Reymann. "Selbstverständlich begrüßen wir die Thüringer Entscheidung. Wir sehen allerdings auch den Bund in der Verantwortung für einen auskömmlichen Nachteilsausgleich. Insofern erwarten wir, dass mit dem Bundesteilhabegesetz nicht nur die Eingliederungshilfe, sondern auch die Blindenhilfe sozialhilfeunabhängig wird."

Uwe Boysen

Blinde gehen baden – für ein gutes BTHG!

Baden gehen in der Spree? Schon etwas ungewöhnlich. Aber die Enttäuschung, die viele Vorschriften des geplanten Bundesteilhabegesetzes bei blinden und sehbehinderten Menschen ausgelöst hat, ließ die Idee einer Badeaktion sprießen, an der sich rund 30 Personen, darunter auch Mitglieder des DVBS, am 21. September 2016 in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes beteiligten. Dafür wurde sogar der Schiffsverkehr für eine halbe Stunde gesperrt. Gelbe Badekappen mit drei schwarzen Punkten und ein großes Schild mit der Aufschrift „Teilhabe“ haben die Botschaft der schwimmenden Demonstranten unterstrichen: Die Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen darf mit dem neuen Gesetz nicht untergehen.

Das Medienecho war erfreulich groß, und so ist es gelungen, die mit der Aktion verbundenen Forderungen (siehe dazu auch die Resolution der DVBS-Mitgliederversammlung in diesem Heft) gut zu transportieren: „Verbesserungen bei der Eingliederungshilfe müssen auch für die Blindenhilfe gelten! … Sehbehinderte Menschen dürfen nicht von der Eingliederungshilfe ausgeschlossen werden! … Behinderte Menschen müssen gleichberechtigte Bildungschancen haben!“

Bildunterschrift: Die DBSV-Aktion „Blinde gehen baden“ hatte ein enormes Medienecho. Foto: DBSV

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt mehrere Personen in Badekleidung – teilweise mit gelben Badekappen und drei schwarzen Punkten. Sie halten ein Schild in den Händen, auf denen „Bundesteilhabegesetz – Blinde gehen baden“ steht und das mit einer Karikatur eines fast untergegangenen Menschen illustriert ist, der ein Schild „Teilhabe“ in die Höhe hält.

Barrierefreiheit und Mobilität

Jürgen Nagel

Laudatio zur Verleihung der Carl-Strehl-Plakette an Bea und Jochen Fischer sowie Pamela und Dennis Cory im Rahmen der Mitgliederversammlung des DVBS am 24. September 2016

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bea, lieber Jochen, lieber Dennis und liebe Pam - leider kannst du heute nicht dabei sein -,

bei Verleihungen von Musik-, Literatur- oder Filmpreisen gibt es neben den Preisen für den Film, das Buch oder den Musiktitel oder der Ehrung für die besten Darsteller, Autoren oder Interpreten des Jahres oft auch einen Preis für das Gesamtwerk, das Lebenswerk von Künstlern, von Kreativen, von schaffenden Menschen.

Manchmal wundern sich die so Geehrten, dass man sie, aus ihrer persönlichen Sicht betrachtet, schon früh für ihr Lebenswerk auszeichnet. Ich hoffe, diese Irritation können wir bei den heute zu ehrenden Personen ausschließen – denn Bea Fischer, Pamela Cory, Dennis Corry und Jochen Fischer befinden sich in ihrem mehr als wohlverdienten Ruhestand.

Geboren sind die vier in den Jahren 1944, 1946, 1946 und 1947 – wir sprechen über mehr als 28O Lebensjahre, geprägt und erfüllt durch höchste Fachkompetenz, unermessliche Erfahrung, beispielhaftem Engagement, ständigem Interesse an Neuerungen und Weiterentwicklung, von Internationalität und von unermüdlichem Einsatz für die Sache. Die Gesamtanzahl Eurer Lebensjahre wird von der Anzahl derer, die von Euch zu Rehabilitationslehrern für Orientierung und Mobilität (O&M) und/oder Lebenspraktische Fähigkeiten (LPF) ausgebildet wurden, weit übertroffen. Es sind allein in Deutschland mehr als 300 Personen, die durch Eure Schule gegangen sind.

Wenn sich vier, so wie Ihr, finden, fällt mir dazu ein vierblättriges Kleeblatt ein, ein echter Glücksbringer. Auch das Kleeblatt namens Cory und Fischer hat ein großes Glück gebracht. Mit den Namen Cory und Fischer ist das Thema der Rehabilitation für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung in Deutschland untrennbar und auf Dauer verbunden. Das spricht, nebenbei bemerkt, für die ausgewiesenen Eigenschaften von Klee, dem man Ausdauer, Frische, Lebensfülle und die Aufbruchzeit des Sommers zuschreibt.

Wie kam es zu dieser einzigartigen Geschichte?

Es waren die frühen 70er Jahre, die Euch in Marburg zusammengebracht haben.

Jochen Fischer hatte schon in seiner Studienzeit ehrenamtlich im Bereich Sport und Freizeit mit Schülern der blista gearbeitet. Seine berufliche Laufbahn im Arbeitsfeld der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik begann Anfang 1971 an der blista. Seine Frau, Bea Fischer, Französin und Deutschlehrerin kam im gleichen Jahr, zunächst als Erzieherin für eine Mädchengruppe an die blista. Im September zog es den Amerikaner Dennis Cory, ebenfalls ausgebildeter Germanist, als Erzieher und Englischlehrer an die blista. Seine Frau, Pam Cory, studierte zunächst in Marburg.

1973 nimmt Jochen Fischer an dem ersten in Deutschland durchgeführten O&M Lehrgang am Timmendorfer Strand teil. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Erste Schulungen wurden - in Ermangelung von professionellen Langstöcken - auch mit Beinen von Kamerastativen durchgeführt und 1974 werden Jochen und Bea Fischer vom damaligen Direktor der blista, Herrn Schenk, zur O&M Ausbildung nach Birmingham, England, entsendet. 1975/76 absolviert Dennis Cory seine O&M Lehrerausbildung in den USA, parallel dazu besucht seine Frau Pamela, ebenfalls studierte Germanistin, ein Ausbildungsprogramm für LPF/Social Training. Zurückgekehrt nach Marburg sind mit Euch die ersten professionell qualifizierten drei O&M Lehrer und eine LPF Lehrerin. Das neue Wissen wird sofort weitervermittelt; schon 1975 gibt es an der blista den ersten Kurs für Mobilitätstrainer, weitere folgen.

1979 ziehen Pam und Dennis Cory nach Hamburg und gründen das Institut IRIS. Die Idee von IRIS war von Beginn an mit dem Ziel verbunden, Menschen mit Sehproblemen Fähigkeiten und Strategien zu vermitteln, die neue Chancen eröffnen - Chancen, den persönlichen Alltag selbständig zu meistern, ein hohes Maß an persönlicher Bewegungsfreiheit zu gewinnen und Unabhängigkeit zu erfahren.1980 folgten Bea und Jochen Fischer. Hamburg, das Tor zur Welt, wird neue Heimat und ist es bis heute. Über weit mehr als drei Jahrzehnte habt Ihr das Aufgabenfeld der Rehabilitation in hervorragender Weise entwickelt, verbreitet und vertreten. Jeder von Euch hat dabei seine persönlichen Fähigkeiten und Neigungen eingebracht und seinen eigenen Anteil.

Ich kann nur einige Beispiele für Euer beispielloses Schaffen aufzählen und benennen: LPF wurde durch Euch inhaltlich weiterentwickelt und neu ausgerichtet, um passende Konzepte für „neue“ Zielgruppen zu erarbeiten. Menschen mit komplexen Behinderungen und Seniorinnen und Senioren erfahren durch LPF neue, bis dahin unbekannte Möglichkeiten und mehr Lebensqualität. Ihr habt LPF stets als große Chance für die persönliche Entwicklung betrachtet. Eure guten Kontakte und die intensive Zusammenarbeit mit anerkannten Kapazitäten aus dem In- und Ausland, wie z.B. Lilli Nielsen und Frau Professorin Rath, haben Euch in eurem Streben unterstützt und immer wieder angespornt. Bereits in den frühen 80er Jahren wurde Eure Idee, einen Berufsverband zunächst für O&M und dann für LPF zu gründen, in die Tat umgesetzt. Eure hohe internationale Reputation habe ich Rahmen der Treffen der europäischen Ausbildungseinrichtungen erlebt. Euch war es stets wichtig und ihr habt dafür gekämpft, erreichte Standards in der Ausbildung von Reha-Fachkräften in einem wachsenden Europa zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Die Frage „ What´s new?“ war für Euch Teil des Alltags, ob es die Bedeutung des Kompasses für die Orientierung war oder erste elektronische Hilfsmittel, wie den Sonic Guide, Möglichkeiten satellitengestützte Navigation zu nutzen, neue Konzepte wie BUS ID mit zu entwickeln, Reha-Angebote für Menschen mit Körperbehinderung aufzubauen, den Einsatz des Gehörs, die Nutzung der Echolokalisation - heute Klicksonar - für die Orientierung zu forcieren und den wichtigen Zusammenhang zwischen Sport, Bewegung und persönlicher Kompetenz herzustellen.

Ihr habt erste Feriencamps mit Reha-Kursen in LPF und O&M für Kinder und Jugendliche angeboten, spezielle O&M Kurse für Menschen mit spezifischen Sehbeeinträchtigungen aufgebaut, Kurse und Qualifizierungen, auch an Universitäten, z.B. Hamburg und Heidelberg und im Ausland, z.B. in der Schweiz, in Österreich in Spanien und, und, und durchgeführt. Ohne Euch gäbe es keine International Mobility Conference, die Ihr 1979 in Frankfurt ins Leben gerufen habt und die seitdem 15 Mal in 14 verschiedenen Ländern stattgefunden hat.

Erwähnen muss ich an dieser Stelle den Begriff Low Vision. Wir haben uns längst an ihn gewöhnt. Dabei war es bis in die 80er Jahre hinein nicht üblich, dass Menschen mit Low Vision, Menschen mit einer Sehbehinderung, individuelle Konzepte angeboten wurden. Konzepte, deren Ziele darin bestanden, das Beste aus dem verfügbaren, dem funktionalen Sehvermögen zu machen, es bewusst zu machen, zu schulen und zu fördern. Ihr habt dafür gesorgt, dass diese neuen Ideen und Konzepte Einzug in die Arbeit in Deutschland genommen haben.

Euer Verständnis, Eure Idee von Pädagogik und Rehabilitation war der Zeit voraus. Einer Zeit in der soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung sich oft noch an alten Konzepten und Vorstellungen der Fürsorge orientierte. Damals habt ihr bereits von Kompetenzen und von Selbständigkeit gesprochen, von einer Selbständigkeit, die einen Alltag frei von Scham und Scheu zum Ziel hat. Soziale Kompetenz und Teilhabe waren von Anfang Ziel und Teil Eures pädagogischen Denkens und Handelns. Mit ein Grund, dass wir z.B. nicht mehr von „Stocklopen“ – das ist der Titel eines holländischen Buchs, das Jochen Fischer in den frühen 70er Jahren rezensiert hat - sprechen, sondern von selbstbestimmter Orientierung und Mobilität, Lebensführung und Alltagsgestaltung und Lebensqualität.

Als ich Euch gegen Ende der 80er Jahre kennengelernt habe, da wart Ihr „die Experten“ für LPF und O&M. Ihr habt Euer Wissen geteilt, ganz normal und einfach - auch mit Anfängern diskutiert und zusammengearbeitet - dennoch habt Ihr die Weichen gestellt. Und…Ihr habt Spuren hinterlassen, keine Spuren im Sinne von ausgetretenen Wegen, sondern deutlich sichtbare Spuren, damit man ihnen folgen kann, die es jedoch auch erlauben, eigene Wege zu gehen. Auch deshalb sind viele Menschen Euren Spuren gefolgt. Mobil zum Ziel - der Weg ist das Ziel - Ihr habt ihn bereitet, dafür gilt Euch Dank und größte Anerkennung.

Ich bedanke mich herzlich dafür, dass ich heute zu Eurem Ehrentag sprechen durfte und wünsche Euch Alles Gute.

Zum Autor:

Jürgen Nagel ist Leiter des Ressorts Rehabilitationseinrichtung für Blinde und Sehbehinderte (RES) der blista in Marburg.

Bildunterschrift: Im Rahmen der Mitgliederversammlung des DVBS fand die Verleihung der Carl-Strehl-Plakette an die das Ehepaar Fischer und das Ehepaar Cory statt. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Mehrere Personen stehen – festlich gekleidet – in einem hell erleuchteten Saal und präsentieren vier bronzene Plaketten, auf denen ein Profil von Carl Strehl abgebildet ist.

Karsten Warnke und Wolfgang Haase

Software-Prüfverfahren

Fach-Workshop beim Bfw Würzburg: Eine Einführung in die BIT inklusiv-Prüfverfahren

Im Rahmen des vom DVBS durchgeführten Projekts BIT inklusiv (BITi) wurden zwei neue Prüfverfahren entwickelt. Am 5. und 6. Oktober 2016 wurden sie im Berufsförderungswerk Würzburg gGmbH Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte vorgestellt. Bei den Entwicklungen handelt es sich um Verfahren zum Prüfen der Barrierefreiheit von Anwendungssoftware und des Grades der PDF/UA-Konformität von PDF-Dokumenten. Teilgenommen am Fachworkshop haben rund 55 Expertinnen und Experten aus IT-Abteilungen, von BIT inklusiv-Projektpartnern und öffentlichen Verwaltungen, Softwarehäusern und Mitglieder aus Expertenkreisen, die die Entwicklungen begleitet haben.

Unter der Leitung des Projektmitarbeiters Detlef Girke haben an der Entwicklung der Prüfverfahren Brigitte Bornemann (BIT Design für Barrierefreie Informationstechnik GmbH), Regina Oschmann und Frauke Onken (BITi beim DVBS), Petra Kowalewski (ua4all - Universal Accessibility), Thomas Mayer (BIK-Beratungsstelle beim BSVH) und Markus Erle (axes4 GmbH und Mitglied in der PDF Association) mitgearbeitet.

Durch das Programm des Workshops führte BITi-Mitarbeiter Herbert Rüb (Institut für berufliche Bildung Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik - INBAS GmbH).

Neben der Entstehungsgeschichte der Prüfverfahren und grundlegender Vorgaben für die Barrierefreiheit erläuterten Brigitte Bornemann, Markus Erle und Detlef Girke einzelne Prüfschritte, das Vorgehen beim Prüfen und den Einsatz von Prüfinstrumenten.

Die Präsentation von exemplarischen Prüfschritten erfolgte mit Hilfe der ebenfalls im Rahmen des Projektes entwickelten webbasierten BITi-Prüfumgebung. Eine Prämiere im Rahmen eines BITi-Workshops war das Angebot einer Live-Audiodeskription für die sehbehinderten und blinden Workshop-Teilnehmenden.

Neben einer ausführlichen Dokumentation des Würzburger Fach-Workshops wird es einen Online-Workshop zur Einführung in die Prüfverfahren auf der Basis des Video-Mitschnitts der Veranstaltung auf den Webseiten des Projektes (www.bit-inklusiv.de) geben. Des Weiteren gibt es eine ausführliche Online-Dokumentation der Prüfverfahren unter der Internetadresse www.biti-test.de, die nach Freigabe des Verfahrens für jeden zugänglich sein wird.

An dieser Stelle können die BITi-Prüfverfahren sowie die BITi-Prüfumgebung nur in einer Kurzfassung vorgestellt werden:

Hintergrund der Entwicklung der BITi-Prüfverfahren

Die bisher verfügbaren Prüfverfahren wie der BITV-Test oder die IBM-Accessibility-Checklisten sind für eine umfassende Beurteilung der Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten oder Anwendungssoftware (Desktop-Anwendungen und komplexere Webanwendungen) nicht ausreichend. Zudem gelten die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnungen (BITV) des Bundes- und der meisten Bundesländer auch für „mittels Informationstechnik realisierte graphische Programmoberflächen, die öffentlich zugänglich sind“ (BITV § 1 Abs. 3). Allerdings lassen die BIT-Verordnungen offen, wie PDF-Dateien im Detail beschaffen sein müssen, um barrierefrei zu sein und welche Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung von grafischen Programmoberflächen heranzuziehen sind. Die Anforderungen an Barrierefreiheit in der Informationstechnik betreffen an Büroarbeitsplätzen jedoch nicht nur Webtechnologien (z. B. das Intranet). Im betrieblichen Kontext wirken sich Zugangsprobleme bei Anwendungssoftware (nicht webbasierte, also auch sog. Desktopanwendungen) für Beschäftigte, die auf spezielle Computerhilfsmittel wie Screenreader oder Screenmagnifier angewiesen sind, beschäftigungshemmend aus. Gegebenenfalls wird Assistenz erforderlich, Arbeitsaufgaben müssen verlagert oder Arbeitsabläufe verändert werden.

Die von BITi entwickelten Prüfverfahren decken zusammen mit dem BITV-Test das gesamte Spektrum – Webinhalte, elektronische Dokumente, Anwendungssoftware und webbasierte Anwendungen – ab und stellen damit einen großen Schritt in Richtung barrierefreier IT am Arbeitsplatz dar.

Verfahren zum Prüfen von PDF-Dokumenten

Die barrierefreie PDF-Gestaltung gewinnt zunehmend an Wichtigkeit. Zum einen können PDF-Dokumente an Arbeitsplätzen per Knopfdruck aus Office-Anwendungen erstellt werden, zum anderen werden immer mehr Inhalte im Internet durch den möglichen Download von PDFs vermittelt.

Das neue von BITi entwickelte Prüfverfahren für PDF-Dokumente folgt einem vergleichbaren Prinzip wie der BITV-Test und basiert auf dem sog. Matterhorn-Protokoll. Zunächst wurde das aus der DIN ISO 14289 abgeleitete Matterhorn Protokoll adaptiert, da es in erster Linie für die Softwareentwicklung gedacht war und daher sehr technisch, schwer verständlich und als Leitlinie zur Prüfung ungeeignet ist.

Im PDF-Prüfverfahren werden die Prüfschritte in einer verständlichen Weise erklärt. Unerlässlich sind jedoch auch hier neben einem Grundverständnis für die Forderungen der ISO 32000 und der ISO 14289 sowie des Matterhorn-Protokolls Kenntnisse wie z.B. „Was ist ein Tag?“, „Wie ist eine Tabelle aufzubauen?“ oder „Wie verschachtelt man Überschriften?“. Die ISO 14289 präzisiert, wie die ISO 32000 PDF/UA-1 anzuwenden ist.

Ergänzend zu dem Prüfverfahren ist vom Projektteam eine Wiki-Plattform eingerichtet worden, auf der umfangreiche Korrekturhilfen angeboten werden. PDF-Anwendende, -Testende und -Erstellende sowie auch Herstellende von geeigneter Software sind hier ausdrücklich aufgefordert, weitere Varianten für Korrekturen mit unterschiedlichen Prüftools zur Verfügung zu stellen. Somit wird gewährleistet, dass auch in Zukunft Korrekturvorschläge sowohl mit der jeweils neusten als auch mit älterer Software für die unterschiedlichsten Testbedürfnisse zur Verfügung stehen.

Im Ergebnis testet das PDF-Prüfverfahren auf PDF/UA Konformität, die Voraussetzung für ein barrierefreies PDF-Dokument gewährleistet. Das Prüfverfahren muss entsprechend erweitert werden, sobald der von der PDF Association geplante Anhang, der konkrete Anforderungen an die Barrierefreiheit formuliert, zur Verfügung steht.

Das PDF-Prüfverfahren von BIT inklusiv ist in enger Abstimmung mit Expertinnen und Experten der PDF Association entwickelt worden.

Verfahren zur Prüfung von Anwendungssoftware

Für die Entwicklung des Prüfverfahrens für Anwendungssoftware wurden verschiedene Anforderungen, u.a. aus der DIN EN ISO 9241 (Gestaltungsgrundsätze zur Softwarezugänglichkeit und Gebrauchstauglichkeit) und der EN 301 549 (Anforderungen an Barrierefreiheit bei der Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologien) zusammengeführt und ein systematisches dreistufiges Prüfverfahren entwickelt. Dabei wurden die Prüfschritte auch in Hinsicht auf die Durchführbarkeit einer Prüfung systematisiert. Mit dem Ergebnis, dass eine Prüfung trotz der verschiedenen zugrundeliegenden Anforderungskataloge und deren unterschiedlichem Aufbau jetzt handhabbar ist.

Anstatt starre, nicht dynamische Oberflächenbilder zu bewerten, wurde ein prozessorientierter Ansatz für das BITi-Prüfverfahren gewählt, der auf „Szenarien“ (z.B. „Was passiert nach dem nächsten Klick?“) basiert. Die Voraussetzungen und Bedingungen zur Durchführung einer Prüfung wurden erstmals vollständig beschrieben. Mithilfe des BITi-Prüfverfahrens können unterschiedlichste Barrieren nun systematisch, umfassend und detailliert dargestellt werden.

Das Prüfverfahren für Anwendungssoftware wurde in enger Zusammenarbeit mit einem ExpertInnen-Gremium entwickelt. Die ExpertInnen wurden so ausgewählt, dass Know-how zu unterschiedlichen Aspekten des Testens von Anwendungssoftware zur Verfügung stehen, wie umfassende Erfahrungen

  • bei der Gestaltung von Schwerbehindertenarbeitsplätzen,
  • beim Einsatz von Computerhilfsmitteln,
  • bei der Entwicklung von Anwendungssoftware,
  • beim Einsatz von Testfahren und
  • bei der Entwicklung von Screenreadern.

Die BITi-Prüfumgebung

Die BITi-Prüfumgebung ist eine Webanwendung, die bei der Prüfung und der Ergebnisdokumentierung der Barrierefreiheit von jeglicher Art von Anwendungssoftware, Webseiten und Webanwendungen oder PDF-Dateien unterstützt. Sie bietet durch ihre detaillierten Prüfschrittbeschreibungen erstmals eine hohe Transparenz für die Durchführung eines Tests und gewährleistet somit die Vergleichbarkeit verschiedener Gutachten.

Durch einen standardisierten Rahmen für die Test-Dokumentation bietet sie PrüferInnen einen handhabbaren Arbeitsaufwand; auch dadurch ist die Vergleichbarkeit in der Test-Durchführung und von Prüfergebnissen gegeben.

Die BITi-Prüfumgebung wurde vorrangig für den begleitenden und unterstützenden Einsatz bei der IT-Entwicklung entwickelt. Sie wird grundsätzlich öffentlich verfügbar sein. Dadurch ist es theoretisch möglich, sie frei zu nutzen. Theoretisch deswegen, da eine qualifizierte Nutzung umfangreiches Anwendungs- und Expertenwissen voraussetzt.

Generell ist der Einsatz – analog zum BITV-Test – auch als „Selbstbewertung“ denkbar. Hier gelten allerdings dieselben Einschränkungen wie bei dem BITV-Test, also z. B. ein vereinfachtes Verfahren mit eingeschränkter Aussagekraft sowie fehlende qualitative Bewertung der Zugänglichkeit usw. An dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Ein qualitativ hochwertiges Ergebnis kann nur mithilfe einer Expertin/eines Experten erreicht werden.

Wir danken allen, die an der Entwicklung der BITi-Prüfverfahren und der Prüfumgebung mitgewirkt und allen, die uns konstruktive Hinweise für Verbesserungen gegeben haben. Außerdem gilt unser Dank dem DVBS, der die Durchführung des Projektes ermöglich hat und nicht zuletzt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland, die das Projekt finanziert haben.

Zu den Autoren:

Karsten Warnke und Wolfgang Haase sind tätig im Projekt „Barrierefreie IT für inklusives Arbeiten - BIT inklusiv“. Dieses läuft Ende des Jahres aus.

Bildunterschrift: Der pdf-Experte Markus Erle bei der Arbeit.Foto: BITi

Bildbeschreibung: Zwei Herren mittleren Alters stehen lächelnd vor einem Bildschirm und verfolgen, was darauf passiert.

Aus der Arbeit des DVBS

Uwe Boysen

Vier Tage im September

Der Mittwoch

Zunächst Berlin. Parlamentarisches Frühstück des DBSV mit dem Thema Bundesteilhabegesetz. Gut organisiert mit überraschend hoher Resonanz bei den Bundestagsabgeordneten. Häufige Erklärung: Man habe noch viel gelernt. Und was folgt daraus außer der Tatsache eines gelungenen Events?

Danach Stippvisite bei der Badeaktion an der Spree. Einen Schiffsverkehr mit Genehmigung für eine halbe Stunde lahmlegen zu dürfen, das ist schon etwas. Viel Presse und weitere Medien. Leider keine Zeit für persönlichen Badespaß; denn der Chronist muss in den Zug nach Marburg zu seiner letzten DVBS-Vorstandssitzung. Im Zug Überlegungen zu einer Resolution für die Mitgliederversammlung formuliert, die noch mit C abzusprechen ist. Abends nicht mehr genügend Power, um noch die blista zu besuchen, wo Gäste der Partnerschulen aus Russland, Polen und England begrüßt werden, die zur Feier des 100-jährigen Jubiläums angereist sind. Hoffe, man wird es mir nachsehen.

Der Donnerstag

Die Resolution muss noch abgeschrieben und an C nach Berlin übermittelt werden, also frühe Arbeit für Birgit Stolz in der Geschäftsstelle.

Danach zum Festakt. Sonne, Sonne, Sonne. Wird sie auch über dieser Veranstaltung im Erwin-Piscator-Haus vulgo Marburger Stadthalle scheinen? Wird die Regie klappen? Wie viele werden kommen? Wird es nicht zu lang werden? Der Saal füllt sich. Der blista-Chor singt ausdrucksvoll. Claus Duncker und der Chronist gehen auf die Bühne, setzen sich in die alten Sessel aus dem Büro Carl Strehls und begrüßen die Gäste. Dann tritt der Moderator Andreas Bethke auf den Plan. Wir kehren auf unsere Plätze zurück. Geschafft!

Erneuter blista-Chor. Dann die Rede unseres Schirmherren, Bundespräsident a. D. Horst Köhler. Präzise, emotional, anrührend. Da hat es Hessens Sozialminister Stefan Grüttner schwer mitzuhalten. Danach die Videobotschaft von Verena Bentele, der Bundesbehindertenbeauftragten, die wegen des BTHG in Berlin geblieben ist. Die Technik klappt. Jetzt eine musikalische Einlage aus St. Petersburg, mit russischer Seele vorgetragen. Weiter mit einer Gesprächsrunde, bestehend aus Verbandsvertretern und Lokalpolitikern, gespickt mit guten Wünschen und Lob für die Jubilare. Dann DVBS pur mit dem von Anette Bach organisierten und beauftragten Film unter dem Titel „Vom Bürstenmacher zum IT-Experten“. Auch das funktioniert auf der großen Leinwand. Und schließlich der Kehraus mit dem DVBS-Chor unter Leitung von Rainer Husel, der den nötigen Schwung für den Abgang bringt. Danach Häppchen im Foyer. Wie gut, dass es Sonne gibt. So können die Gäste sich auch auf der Terrasse der Stadthalle aufhalten.

Am Nachmittag das Fachgruppentreffen des DVBS in der blista. Dazu ein Vortrag aus dem Projekt BIT-Inklusiv über das dort entwickelte neue Testverfahren zur Barrierefreiheit von Software. Der Chronist folgt stattdessen Bundespräsident a. D. Köhler und einer Gruppe von blista-Schülern ins Schloss, wo unser Schirmherr sie ausfragt, ihnen aber auch Gelegenheit gibt, Fragen an ihn zu stellen. Eine feine Aussprache.

Abends hätte man zu einem informellen Zusammentreffen in ein Marburger Restaurant gehen können. Aber: Da ist ja noch die Resolution zum BTHG. C hat sie auf ihrem Weg nach Marburg überarbeitet und wir verabreden uns zur Letztredaktion in der Dachkammer einer altertümlichen Pension, in der sie Unterschlupf gefunden hat. Nach 40 Minuten steht der Text. Mal sehen, ob er die gestrenge Kontrolle der Mitgliederversammlung besteht.

Der Freitag

Jetzt also die Fachtagung Megatrend Digitalisierung. Immerhin 130 Anmeldungen. Dabei sind nicht nur unsere DVBS-Mitglieder, sondern auch Auswärtige, die an der Thematik interessiert sind. Prof. Dr. Schönefeld von T-Systems hält einen instruktiven Vortrag mit Einblicken in Technik und Ökonomie, der zu zahlreichen Rückfragen Veranlassung gibt. Nach der Mittagspause die fünf vorgesehenen Workshops und zum Schluss eine Plenumsdebatte, u. a. über die von uns vorbereitete Abschlusserklärung, die eine Reihe von Modifikationen erfährt.

Danach keine Pause; denn der Chronist muss zur Vorbereitung des Kabarettabends unter dem Titel „Glanz und Elend unseres Berufslebens". Schließlich hat er sich bereit erklärt, selbst mitzuwirken. So eilt er ins Bürgerhaus Cappel zur Probe. Die Talente dieses Vereins brillieren, ob in Wort oder Ton. So einiges war dem Chronisten bekannt, manches hat er geahnt, aber vieles nicht gewusst. Eine fast 3-stündige Show nimmt ihren Lauf und begeistert das dankbare Publikum.

Der Samstag

Nun also noch die Mitgliederversammlung überstehen. Die ersten sieben Tagesordnungspunkte in gewisser Weise Routine, weil jedes Mal auf der Tagesordnung. Und doch Nachdenken über die Ehrung der Verstorbenen. Diesmal mehr Menschen dabei, die der Chronist kannte. Anschließend die Resolution zum Blindengeld mit ausführlicherer Diskussion, als erwartet. Und nun die Vorstandswahlen mit einhergehender Diskussion der Satzungsänderungen. Der Zeitplan gerät nicht aus den Fugen, muss aber immer wieder angepasst werden. Gott sei Dank geht das Essen schnell und zuverlässig über die Bühne, so dass wir aufholen können. Die vom Vorstand eingebrachten Satzungsänderungen werden mit guter Mehrheit beschlossen. Das Amt des Chronisten an der Spitze des DVBS endet nach zwölf spannenden Jahren. Dass er geehrt wird, hat er geahnt, dass es sein alter Klassenkamerad und jetziger Präsident der EBU, Wolfgang Angermann, sein würde, nicht gewusst. Hat er wirklich so viel Lobendes verdient? Was bleibt ihm übrig? Er nimmt es hin, kürzt seine Dankesworte radikal (die ausführliche Version findet sich in diesem horus) und darf seinen Platz neben Sylvia suchen. Auch Heinz Willi Bach bekommt seine Ehrung und bedankt sich mit einem flammenden Appell für die Selbsthilfe. Er spricht dem Chronisten aus dem Herzen. Noch mehr Ehrungen kommen auf die Versammlung zu, die tapfer durchhält. Die Ehepaare Cory und Fischer erhalten die Carl-Strehl-Plakette für ihre herausragenden Aktivitäten im Bereich Mobilität und lebenspraktische Fähigkeiten. Laudator Jürgen Nagel und Jochen Fischer in seiner Dankesrede geben spannende Einblicke in die Entstehung und Fortentwicklung dieser Disziplinen. Der Endspurt der Versammlung naht. André Badouin, in der DVBS-Geschäftsstelle für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, erläutert, wie das Team der Geschäftsstelle, unterstützt durch viele Anregungen aus der Mitgliedschaft, sich moderne Kommunikation im Verein vorstellt und berichtet über das entsprechende Projekt. Wir haben’s geschafft! Diesmal etwas später als in den vergangenen Jahren, aber dafür gab es Gründe. Eine Mitgliederversammlung mit kritischen Anregungen, die der neue Vorstand sicherlich aufgreifen wird.

Abschließend noch das traditionelle Eisessen mit den Leuten der Geschäftsstelle, das wir nun schon seit 20 Jahren am Ende der Selbsthilfetage als kleines Dankeschön miteinander veranstalten.

Ich bin zufrieden. Vielleicht hat es das eine oder andere Malheur gegeben. Die Vorbereitungen waren nicht gänzlich konfliktfrei. Aber im Endeffekt doch viele schöne runde Sachen, die mich gern an meine letzten Aktivitäten als DVBS-Vorsitzender zurückdenken lassen werden.

Bildunterschrift: Der traditionell launige Revueabend bildete den Abschluss am Freitagabend. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Zahlreiche Menschen sind in einem hell erleuchteten Saal versammelt und sitzen an vier langen Tischen. Die Stimmung ist ausgelassen. Im Hintergrund ist eine Bühne erkennbar, vor der ein Tisch aufgestellt ist, an dem mehrere Personen sitzen. Auf der linken Seite dieses Tisches sitzt ein älterer Herr mit Vollbart und Gitarre.

André Badouin

Alt und neu in perfekter Symbiose

Ein Bericht über die DVBS-Mitgliederversammlung am 24. September 2016

Alles wie immer

Alle 2 Jahre wieder…- findet eine Mitgliederversammlung des DVBS statt. Wie gewohnt auch in diesem Jahr im Bürgerhaus Cappel. Gekommen waren neben dem Vorstand und den Mitgliedern der Geschäftsstelle über 100 Mitglieder, um sich den umfangreichen Aufgaben an diesem Tag zu widmen bzw. die neuesten Informationen über den DVBS zu erhalten. Zunächst blieb es beim gewohnten Ablauf: von der Begrüßung, der Ehrung der seit der letzten Mitgliederversammlung Verstorbenen und der Festlegung der Tagesordnung über die Genehmigung des letzten Protokolls und dem Bericht über die Vereinsarbeit samt ergänzendem Finanzbericht bis hin zur Aussprache über diese Berichte und der Entlastung des Arbeitsausschusses.

Resolution und Neuwahlen

Anschließend etwas Neues: es wurde eine Resolution zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) verabschiedet, die bei den Mitgliedern großen Anklang fand (die Resolution findet sich im Wortlaut in diesem horus unter der Rubrik „Recht“). Danach folgte - wie alle vier Jahre - die Neuwahl des Vorstandes. Es mussten dabei in diesem Jahr nicht nur der 1. Vorsitzende, sondern auch der 2. Vorsitzende neu gewählt werden, da sowohl Uwe Boysen als auch Heinz Willi Bach ausschieden. Als neue Vorsitzende wurde Ursula Weber gewählt. Ihr ab sofort zur Seite stehen wird Uwe Bruchmüller als Zweiter Vorsitzender. Weitere Vorstandsmitglieder sind Andrea Katemann, die ihr Amt als Beisitzerin beibehält, Werner Wörder und Harald Schoen (ebenfalls beide als Beisitzer). Ursula Weber erläuterte ihre kommenden Aufgaben: „Bildung und Beruf sind und bleiben die Schwerpunkte meines Wirkens im DVBS. Planen, vernetzen und aktiv gestalten; das sind die Wege zu mehr Orientierung und Teilhabe im beruflichen Alltag.“

Modernisierung der DVBS-Satzung

Im Bestreben, Engagement und Kommunikation im Verein zu stärken, hatte der Vorstand eine Reihe von Satzungsänderungsvorschlägen eingebracht, die auch sämtlich beschlossen wurden. So lautet § 2 Abs. 1 der Satzung nunmehr: „Als Selbsthilfeorganisation fördert der Verein alle blinden und sehbehinderten Personen mit einem Studium bzw. einer Ausbildung in einem anerkannten Beruf. Er vertritt ihre sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Belange, vor allem in Fragen der Teilhabe am Arbeitsleben, der Aus- und Weiterbildung, der Rehabilitation und des lebenslangen Lernens. Zu seinen Aufgaben gehören …“

  • 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „Ordentliches Mitglied können nach Vollendung ihres sechzehnten Lebensjahres alle blinden und sehbehinderten Personen werden, die einen mittleren allgemeinbildenden Abschluss und/oder eine Ausbildung in einem anerkannten Beruf anstreben, über einen solchen verfügen oder einen gleichwertigen Bildungsstand erworben haben und bereit sind, die Ziele des Vereins zu unterstützen. Ordentliche Mitglieder können darüber hinaus …“

Schwerpunkt der beschlossenen Satzungsänderungen ist § 8, der nunmehr folgende Fassung erhält: „§ 8 Abs. 1 Fach-, Interessen und Projektgruppen

Vereinsmitglieder können sich zur Erfüllung des Vereinszweckes (§ 2) zu Fach-, Interessen- und Projektgruppen zusammenschließen. Neue Gruppen bedürfen der Anerkennung durch den Vorstand. Zu ihrer Vertretung im Arbeitsausschuss bedarf es der Bestätigung durch diesen.“ - 7 Abs. 2 gilt für alle vom Arbeitsausschuss bestätigten Gruppen.

Daraus ergibt sich auch eine Folgeänderung für § 9 Abs. 1. Dieser lautet jetzt: „Der Arbeitsausschuss besteht aus den Leiterinnen und Leitern der vom Arbeitsausschuss bestätigten Bezirks-, Fach-, Interessen- und Projektgruppen. Bei ihrer Verhinderung …“

Eine Ära endet

Bitte Foto einfügen: 10_02b verabschiedung_angermann_boysen_mv, zweispaltig

Bildunterschrift: Verabschiedung durch einen alten Klassenkameraden: der scheidende DVBS-Vorsitzende Uwe Boysen freut sich über die Laudatio von Wolfgang Angermann. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Zwei ältere Männer - einer mit Sonnenbrille und weißem Hemd, der andere in hellem Anzug, dunklem Hemd und Krawatte - schütteln sich vor einem Rednerpult die Hände. Beide lachen herzlich. Es herrscht eine sehr freundliche Atmosphäre.

Nach zwölf Jahren als Vorsitzender des DVBS wird anschließend Uwe Boysen unter großem Beifall verabschiedet. Die Laudatio hält dessen früherer Klassenkamerad und heutiger Präsident der EBU, Wolfgang Angermann. Was Uwe Boysen alles für den DVBS geleistet hat, wie er sich immer wieder zu Wort gemeldet hat, welchen Einsatz er dabei an den Tag legte und wie er über Jahrzehnte das Bild der Selbsthilfe mit geprägt hat, veranschaulicht Angermann deutlich. All dies zu nennen, würde diesen Beitrag sprengen. Dass der DVBS mit Uwe Boysen allerdings eine treibende Kraft verliert, der nun den Weg freimacht, um - so sein eigenes Zitat - „endlich mal den Jüngeren um die 50 eine Chance zu geben, voranzugehen“, ist eine Tatsache. Dass der Autor dieses Beitrags Uwe Boysen noch ein - viel zu kurzes - halbes Jahr als Vorsitzenden kennenlernen und mit ihm beim horus, dem ICC sowie zahlreichen weiteren Projekten zusammen arbeiten durfte, war eine große Bereicherung. Dafür ein großes „Danke!“.

Und damit nicht genug: neben Boysen räumte auch Heinz Willi Bach, ebenfalls langjähriges Vorstandsmitglied, seinen Platz. Bach, ein Urgestein des DVBS, ging dabei, wie man ihn kennt: mit einem eindringlichen Appell für die Selbsthilfe, die keinen im Raum unbewegt ließ. Auch an „Heinz Willi“, wie viele ihn nannten und nennen, ein großes „Dankeschön!“ für einen großartigen Einsatz über viele, viele Jahre.

Verleihung der Carl-Strehl-Plakette und Zukunft des DVBS

Im weiteren Verlauf der Versammlung wird von blista-Chef Claus Duncker zusammen mit Ursula Weber als neuer DVBS-Vorsitzenden die Carl-Strehl-Plakette an die Ehepaare Cory und Fischer verliehen. Beide hatten sich schon in den 1970er und 1980er Jahren außerordentlich verdient gemacht um den Bereich Mobilität und lebenspraktische Fähigkeiten. Die Laudatio von Jürgen Nagel, die die Meilensteine der Akteure aufzeigt, findet sich in diesem horus unter der Rubrik „Barrierefreiheit und Mobilität“.

Der Kommunikator des DVBS, André Badouin, informiert gegen Ende der Veranstaltung, wie die Kommunikation des Vereins in der Zukunft aussehen soll. Ab 2017 wird eine neue Kommunikationsplattform zur Verfügung stehen, die - auf dem neuesten Stand der Technik - Informationen vermittelt, die Kommunikation der Mitglieder untereinander ermöglicht und diese bei der Zusammenarbeit unterstützt. Nach dem Punkt „Verschiedenes“ schließt die neue Vorsitzende, Ursula Weber, die Veranstaltung in dem Wissen, dass auch im 100. Jahr des DVBS zwar viele Dinge beim alten geblieben sind, es aber doch immer wieder Veränderungen und neue Situationen gibt, die auf den Verein zukommen und die sie mit ihren neuen Vorstandskollegen bestimmt sehr gut bewältigen wird. Dafür wünschen wir ihr Geschick, Mut und vielleicht auch das nötige Quäntchen Glück!

Anm.: Das Protokoll der Mitgliederversammlung wird demnächst auf „Intern“ veröffentlicht und kann dann auf Wunsch von der Geschäftsstelle auch in Punktschrift übersandt werden.

Bildunterschrift: Auf der DVBS-Mitgliederversammlung am 24. September 2016 wurde ein neuer Vorstand gewählt. Der Vorstand setzt sich zusammen aus (v.l.n.r.): Werner Wörder (Beisitzer), Harald Schoen (Beisitzer), Ursula Weber (1. Vorsitzende), Uwe Bruchmüller (2. Vorsitzender) und Andrea Katemann (Beisitzerin). Stefanie Görge (3. v. r.) komplettiert das Bild als Stellvertretende Geschäftsführerin des DVBS. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt drei Männer und drei Frauen, die in einem hell erleuchteten Raum vor einer Bühne an einem Tisch sitzen. Eine Frau in einer roséfarbenen Bluse und einem dunklen Oberteil spricht ins Mikrofon.

Uwe Boysen

Nachklang*

Im Folgenden möchte ich ein wenig Bilanz ziehen über die 24 Jahre, die ich im DVBS-Vorstand verbringen konnte. Ich will dabei auf das eingehen, was uns gelungen ist, aber auch nicht verschweigen, wo wir bisher nicht oder nicht ausreichend erfolgreich waren. Da dieses Resümee positiv enden soll, werde ich mich zunächst den Negativpunkten zuwenden.

  1. Es ist trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Jahre nicht gelungen, die Quote arbeitsloser blinder und sehbehinderter Menschen in akademischen und verwandten Berufen signifikant zu senken. Ebenso wenig ist es bisher gelungen, neue Ausbildungsberufe für unseren Personenkreis zu erschließen. Es ist nur teilweise gelungen, Strukturen der Bundesagentur für Arbeit so zu verändern, dass der Zugang zum Beruf für uns einfacher geworden wäre.
  2. Es ist nicht gelungen, viele unserer berechtigten Forderungen an den Gesetzgeber im Hinblick auf Nachteilsausgleiche in gesetzliche Vorschriften umzumünzen. Ein bundesweit einheitliches Teilhabe- oder Blindengeld wird es in absehbarer Zukunft nicht geben. Das gilt in gleicher Weise für die Einführung eines Sehbehindertengeldes.
  3. Es ist nicht immer gelungen, die finanzielle Situation des DVBS so zu stabilisieren, dass wir mit einem ausgeglichenen Haushalt leben konnten. Ich hoffe, dass das dem neuen Vorstand im Zusammenhang mit den zuletzt ergriffenen Maßnahmen gelingen wird.
  4. Und es ist auch im Inneren des Vereins nicht immer gelungen, ausreichend viele Personen zu finden, die bereit waren, sich längerfristig im und für den DVBS zu engagieren, wenn ich auch weiß, dass sehr viele von Ihnen und Euch das getan haben, noch tun und hoffentlich tun werden.

An all diesen Punkten wird der neue Vorstand weiter arbeiten. Dessen bin ich mir sicher.

Aber es gibt auch die Erfolgsgeschichten – und zwar nicht zu knapp.

  1. Es ist seit 1992 gelungen, viele behinderungspolitische Anliegen in Gesetzen zu verankern. Ich nenne nur die Einführung von Art. 3 Absatz 3 Satz 2 GG mit seiner Forderung: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, die Überführung des Schwerbehindertengesetzes in das durchaus modernere SGB IX und die Schaffung von Bundes- und Landesgleichstellungsgesetzen. Auch die Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und Fortschritte bei der Durchsetzung von Verpflichtungen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit in den E-Government-Gesetzen und im E-Justice-Gesetz konnten wir durchsetzen.
  2. Es ist gelungen, den Begriff der Barrierefreiheit auf Informationsbarrieren auszudehnen und ihn nicht nur für bauliche Barrieren zu benutzen. In diesem Zusammenhang ist es ebenso gelungen, drei große Projekte zur Beseitigung von Informationsbarrieren an den DVBS zu binden. Ich meine „Barrierefrei informieren und kommunizieren“ (BIK), BIK@Work und BITI.
  3. Es ist gelungen, eine bereits verlorene Teilhabeleistung, das einkommens- und vermögensunabhängige Blindengeld, in allen Bundesländern, wenn auch teilweise auf einem beschämend niedrigen Niveau, zu erhalten bzw. zurück zu erkämpfen.
  4. Es ist in unserer Umwelt gelungen, Blindenschrift auf Medikamentenverpackungen zu erreichen, gut unterscheidbare Geldscheine und Münzen nach der Euroeinführung zu erhalten, Ampeln mit akustischen Signalen ausrüsten zu lassen und vernünftige Leitsysteme in vielen Städten ebenso zu erkämpfen wie das Recht auf Assistenz bei Flugreisen.

Der DVBS hat bei all diesen Aktivitäten manchmal die Rolle des Ideengebers und Antreibers, häufig die Rolle eines kompetenten Mitstreiters und gelegentlich auch die des Nutznießers eingenommen. Er war aber in all diesen Bereichen stets präsent. Und darauf dürfen wir alle ein wenig stolz sein.

Der DVBS ist kein Verein von Jasagern. Das macht die Arbeit nicht immer einfach. Er ist aber auch kein Verein von Neinsagern. Das macht die Arbeit wiederum fruchtbar und spannend. Ich habe in diesen 24 Jahren viele gute Ansätze gesehen und teilweise unterstützen dürfen. Ich habe sehr viele Gespräche mit meinen Vorstandskolleginnen und –kollegen geführt. Ich habe tatsächlich mit allen hauptamtlichen Geschäftsführern des DVBS zusammenarbeiten dürfen und war immer wieder beeindruckt und begeistert von ihrem Engagement, ihrem Wissen, ihrer Kreativität und ihrem Verhandlungsgeschick. Das waren häufig 9-stündige Vorstandssitzungen, aber auch lange Abende, die nicht selten zu Nächten wurden.

Das eben Gesagte gilt aber in gleicher Weise für viele weitere Mitglieder unseres Vereins. Mit Euch gemeinsam Selbsthilfearbeit zu gestalten, war nicht immer einfach, aber – fast immer – ein großes Vergnügen. Dafür meinen wirklich ganz tief empfundenen Dank.

Zuversichtlich bin ich auch, dass sich dieser Verein weiterentwickeln wird. Er hat dazu enorm viel Potenzial, wie mir oft diejenigen bestätigt haben, die einen Blick von außen auf unsere Arbeit und unsere Strukturen gerichtet haben. Er braucht aber auch jedes einzelne seiner Mitglieder, um bei der Umsetzung seiner Ziele mitzuhelfen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es neben einer anspruchsvollen Berufstätigkeit oder einem aufreibenden Studium schwer ist, sich noch ehrenamtlich zu betätigen. Und das gilt in gleicher Weise für Menschen im dritten Lebensabschnitt, die sich häufig dann mit neuen Herausforderungen gesundheitlicher und lebenspraktischer Art herumzuschlagen haben. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass diese Arbeit nicht nur mühsam ist, sondern auch ganz viele positive Aspekte enthält, die man nicht gering schätzen sollte.

Ich trete jetzt zurück ins zweite Glied. Ich hoffe, Sylvia hält mir einen Platz neben sich frei. Da will ich gerne sitzen und staunend betrachten, was dieser Verein noch alles auf die Beine stellt. Das Zeug dazu hat er, wenn Ihr Euch den anstehenden Herausforderungen nicht verweigert, sondern stellt. Ich kann Euch nur bitten: Tut das. Es lohnt sich!

*Erweiterte Fassung der Abschiedsworte des scheidenden ersten Vorsitzenden auf der Mitgliederversammlung des DVBS am 24. September 2016

Bildunterschrift: Uwe Boysen während seiner Rede bei der DVBS-Mitgliederversammlung. Fotos: DVBS

Bildbeschreibung: Ein älterer Mann mit Sonnenbrille und weißem Hemd steht an einem mit bunten Blumen geschmückten Rednerpult und spricht ins Mikrofon.

André Badouin

Sehgeschädigte Jugendliche trainieren Verständigung

Ein Bericht über das ICC 2016 in Dresden

Es war durchaus ambitioniert für den DVBS, das „International Camp on Communication and Computers“ (ICC) im Jahr 2016 nach Deutschland zu holen. Immerhin war der DVBS seit 2013 Partner dieses von den Universitäten Linz und Karlsruhe gemeinsam angestoßenen Projekts, das jährlich 70 bis 80 junge Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung aus den unterschiedlichsten Ländern Europas (diesmal auch mit Teilnehmenden aus Japan) zusammen bringt. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum wurde eine solche Initiative aber für angemessen befunden. Sie dokumentiert schließlich, dass der Verein sich um junge Menschen bemüht und wird auch in Zukunft noch Früchte tragen.

Doch waren am Anfang verständlicherweise viele Fragen. Wo sollte das Camp stattfinden? Wo gab es eine entsprechende Infrastruktur? An einer Universität, in einer Blindenschule oder wo sonst? Wo sollten die Teilnehmenden untergebracht werden? Würde der DVBS die Veranstaltung finanzieren können? Würde es genug freiwillige Unterstützer geben? Entsprechend gab es anfangs auch im DVBS-Vorstand Zweifel an der Machbarkeit des Projekts. Je weiter die Vorbereitungen jedoch voranschritten, umso klarer wurde, dass eine Reihe dieser Fragen gut zu lösen war.

Viele glückliche Umstände führten uns nach Dresden. Die dortige technische Universität hat einen Lehrstuhl für Mensch-Maschine-Interaktion, dessen Inhaber, Prof. Gerhard Weber, sich seit Langem auch mit Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen befasst. Mit der Cityherberge in Dresden fanden wir eine angemessene Übernachtungsmöglichkeit für eine so große Gruppe. Neben den 69 Teilnehmenden mussten auch alle Betreuer (knapp 50 weitere Personen) angemessen untergebracht werden. Schließlich gelang es auch, die Dresdener Verkehrsbetriebe dafür zu gewinnen, uns für das 10 Tage dauernde Camp jeweils Shuttlebusse zu einem Sonderpreis zur Verfügung zu stellen, die mehrmals täglich zwischen Cityherberge und Unicampus hin- und herfuhren.

Nicht so optimal verliefen leider die Finanzierungsbemühungen. Joachim Klaus als einer der Gründungsväter des Camps und Uwe Boysen hatten zwar zunächst ein sehr ermutigendes Gespräch in Bonn bei einem Mitarbeiter des Projekts „Jugend für Europa“, so dass sich der DVBS gute Chancen ausrechnen durften, von dort aus mitfinanziert zu werden. Leider wurde in der Endausscheidung der erforderliche Punktwert um drei Zähler verfehlt und der DVBS ging leer aus. Auf der anderen Seite gelang es, eine Reihe von Sponsoren und Geldgebern zu gewinnen. Ein solch großes Event wie das ICC steht und fällt mit den Unterstützern. Deshalb möchten wir an dieser Stelle unseren herzlichen Dank aussprechen an folgende Unternehmen, Organisationen und Institutionen: Reinhard Frank-Stiftung, Papenmeier, Telekom, T-Systems, Stiftung Deutsche Blindenanstalt, 244 runner groups of Teamchallenge 2015 (Dresden), HandyTech, Deutsches Hygienemuseum, SLUB, Zoundhouse, Fanprojekt Dresden, Wassersportverein „am Blauen Wunder“ (Dresden), Sanitätsschule Medicus, brähler convention, ProTak, Dr. Georg-Blindenstiftung, KP Media, IPD, DVB, German Unix User Group, JKU Linz, SBV/FSA und Universität Masarykiana. Weiter musste schließlich schlicht an mancher Stelle mehr gespart werden, als vielen eigentlich lieb war.

Als das Camp am Montag, den 24. Juli, dann begann und die ersten Teilnehmer eintrafen, waren alle gespannt, ob unsere Anstrengungen den gewünschten Erfolg haben würden.

Doch das Campleben normalisierte sich nach einer gelungenen Willkommensparty recht schnell. Morgens und nachmittags gab es diverse Workshops, die sich längst nicht nur mit Computertechniken befassten und jeweils rund 10 Teilnehmende hatten – manchmal mehr, manchmal weniger. Einige dieser Workshops waren auch verpflichtend. Die Abende gehörten dann diversen Freizeitaktivitäten wie Tandemfahren, Blindenfußball, Schwimmen oder der sehr beliebten musikalischen Jamsession, bei der oft ein wildes Durcheinander von Keyboards, Gitarren und Schlagzeug herrschte, manchmal aber auch passable Leistungen zustande kamen.

An einigen Tagen wurde diese Routine durchbrochen, erstmals am sog. „Open Day“, an dem wir Pressevertreter sowie unsere Schirmherrin, die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Frau Prof. Eva-Maria Stange, eingeladen hatten, die dann ihren Staatssekretär Herrn Uwe Gaul zu uns entsandte. Nach einer Einführung in Zwecke und Organisation des Camps konnten unsere Gäste sich dann durch kurze Besuche in einzelnen Workshops ein eigenes Bild vom ICC verschaffen.

Der nächste Tag stand ganz im Zentrum eines Ausflugs. Er führte zunächst ins nahe an der Cityherberge gelegene Hygienemuseum, wo viele Modelle menschlicher Funktionen erfasst werden konnten. Anschließend waren die Teilnehmenden selbst gefordert, sich in einem Felsenlabyrinth auszuprobieren, was viel Anklang fand. Bevor der Tag, der dank unserer heftigen Gebete kaum Regen brachte, mit einem Picknick an der Elbe ausklang, hatten viele Campbewohner noch Gelegenheit, das Drachenbootfahren kennen zu lernen.

Dass und wie sich alle Beteiligten auch am späteren Abend näher kamen, zeigt der Bericht von Dorota Krac aus der am Schluss des Camps erstellten Campzeitung. Übrigens: Diese Abende wurden gegen Ende des Camps immer länger…

Am Dienstag, dem 1. August, hieß es dann schon Abschied nehmen. Das geschah mit Hilfe aller 15 Nationen, die in diesem Jahr das Camp bevölkerten. Jedes Land leistete einen besonderen Beitrag zu dieser Farewell-Party, d. h. manche taten sich auch zusammen. Besonders eindrucksvoll war diese Kooperation bei unseren Freunden aus Serbien, Kroatien und Slowenien, zumal wenn man sich an die blutige Geschichte dieser Völker in den 1990er Jahren erinnert. Ausführlich geehrt wurde an diesem Abend auch Joachim Klaus, Mitbegründer und über die gesamte Zeit der Camps deren Mitorganisator, der von allen Länderdelegationen zu seinem offiziellen Abschied mit Geschenken bedacht wurde.

Insgesamt ist das Camp seinem Völker verbindenden Ansatz auch in diesem Jahr voll gerecht geworden. Hierzu hat eine Vielzahl von Helferinnen und Helfern beigetragen, angefangen von den äußerst engagierten studentischen Hilfskräften, über die voll eingespannten Assistenten des Lehrstuhls von Gerhard Weber, über ihn selbst, und Prof. Klaus Miesenberger aus Linz, der stets ein kollegiales Auge auf die Veranstaltung warf, bis zu Ursula Weber, die ein fast herkulisches Pensum zu erledigen hatte und erledigte, um alle Fäden des Netzwerkes zusammen zu halten. Nicht vergessen sei aber auch die Geschäftsstelle des DVBS, die vielfältig unterstützend tätig geworden ist, um dem Camp zu einem guten Ende zu verhelfen.

2017 reist das ICC nach Belgien weiter. Treffpunkt für sehgeschädigte Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren, die Interesse an einem internationalen Austausch haben, ist dann vom 23. Juli bis 01. August 2017 in Leuven, in der Nähe von Brüssel. Den belgischen Organisatoren und Organisatorinnen wünschen wir viel Glück bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Mammutprojektes!

Bildunterschrift: Dresden war der Veranstaltungsort des ICC 2016 – 2017 wird das ICC in Leuven (Belgien) stattfinden. Foto: ICC

Bildbeschreibung: Drei junge Menschen mit Rucksäcken schauen – von hinten aufgenommen – in die untergehende Sonne, die einen wolkenverhangenen Himmel und die Dresdener Frauenkirche anstrahlt.

Dorota Krac (Polen) / Übersetzung: Uwe Boysen

Die slawische Art zu tanzen und zu singen

Wenn man beim ICC singen und tanzen wollte, dann musste man sich auf der Terrasse der City Herberge einfinden.

Stell Dir eine heiße Sommernacht vor. Du schaust aus dem Fenster. Mond und Sterne blinzeln Dir zu und scheinen Dich dazu einladen zu wollen, noch auszugehen. Ein Windstoß trägt Musik an Dein Ohr, und Du kannst nicht widerstehen. Du gehst hinaus und wirst von einer Art slawischer Jam-Session eingefangen.

Beim diesjährigen ICC in Dresden scheinen diese slawisch-folkloristischen Jamsessions eine der beliebtesten Arten gewesen zu sein, sich spontan näher zu kommen. Viele Teilnehmer aus allen Ländern hatten dabei eine tolle Zeit. Sie singen, tanzen oder tauschen lustige Dinge aus ihren Kulturen aus. Die dabei gespielte Musik ist meist slawischer Herkunft und kommt z. B. aus Tschechien, der Slowakei oder Serbien. Aber natürlich gibt es kein slawisches Monopol; denn häufig hört man auch italienische, englische oder deutsche Lieder.

Lust auf eine solche slawisch-folkloristische Jamsession? Dann einfach gute Laune und einige Songs mitbringen. Jeder ist willkommen!

Bildunterschrift: The place to be: die Terrasse der City Herberge in Dresden. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt die Terrasse mit Korbtischen und –stühlen vor einem fünfstöckigen Gebäude mit Glasfront. Auf einer Scheibe ist der Schriftzug „cityherberge“ zu lesen.

Klaus Winger

Welcome to ICC 2017!

Sehgeschädigte Jugendliche für das Summer-Meeting in Leuven gesucht

Der DVBS lädt blinde und sehbehinderte Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren zum "23st International Camp on Communication & Computers (ICC)" nach Leuven / Belgien ein. Zusammen mit Gleichaltrigen aus bis zu 30 Ländern lernen sehbeeinträchtigte Jugendliche neue Informationstechnologien, blinden- und sehbehindertenspezifische Anwendungen und alles, was mit Zugänglichkeit zusammenhängt, kennen. Darüber hinaus widmen sich weitere Workshops der Verbesserung der eigenen Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten, eröffnen internationale und interkulturelle Erfahrungen und klären Studien- und Berufsperspektiven. Freizeitaktivitäten kommen dabei auch nicht zu kurz. Die Campsprache ist Englisch.

Das ICC 2017 findet vom 23. Juli bis 1. August im belgischen Leuven statt.

Bewerben können sich sehbeeinträchtigte Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren. Pro Land werden sechs Teilnehmer zugelassen. Die Zulassung erfolgt nach Eingang der Bewerbung durch den Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS). Die Teilnahmegebühr beträgt 400 Euro. Sie umfasst Unterkunft, Verpflegung und das gesamte Workshop- und Freizeitangebot. Nicht enthalten sind An- und Abreise.

Der DVBS ist Dank der freundlichen Unterstützung der Reinhard Frank-Stiftung, Hamburg, im Bedarfsfall in der Lage, finanzielle Unterstützung zu leisten.

Nähere Informationen zum ICC 2017 können bei Ursula Weber und André Badouin per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ) oder telefonisch unter +49 6421 94 888 13 eingeholt werden. Jugendliche, die schon jetzt wissen, dass sie teilnehmen möchten, können die entsprechenden Bewerbungsunterlagen bei André Badouin anfordern.

Bildunterschrift: In den Workshops werden den Teilnehmern praktische Fähigkeiten im Umgang mit Computern vermittelt. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind zahlreiche Jugendliche zu sehen, die in einem großen Raum auf Computerbildschirme schauen bzw. intensiv nachdenken.

Andreas Wohnig

DVBS Mentoring-Projekt – Austausch, Vernetzung, Selbstmarketing

Bis zu zehn blinde und sehbehinderte Abiturienten, Auszubildende und Studierende aus ganz Deutschland können sich wieder für ein Jahr mit passend ausgewählten berufserfahrenen und ebenfalls selbst sehgeschädigten Mentorinnen und Mentoren zusammenschließen. Im Frühjahr 2017 geht das Mentoring-Projekt „TriTeam“ des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) in die dritte Runde. Gemeinsam an passgenauen Studien- und Berufszielen arbeiten, Erfahrungen über Hilfsmittelnutzung, Nachteilsausgleiche oder Bewerbungen austauschen, von Mentoren Tipps bekommen und Tricks erfahren – so lassen sich die Hürden des Studienalltags leichter überwinden und Weichen für die berufliche Zukunft stellen. Wird ergänzendes Know-how benötigt, stehen zusätzliche Fachcoaches zur Verfügung. Zwei zweitägige Seminare pro Jahr mit allen Mentees und Mentoren runden das Angebot ab. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Blinde und sehbehinderte Studierende aller Fachrichtungen, Auszubildende und Schüler/innen, die kurz vor dem Studienbeginn, in Ausbildung oder im Studium stehen, können sich bis zum 15. Dezember für die Teilnahme im Jahr 2017 bewerben. Das neue DVBS-Mentoringprojekt beginnt im März 2017 und endet im Frühjahr 2018. Weitere Infos unter http://www.dvbs-online.de/php/dvbs-news659.htm.

Rechtzeitig die Ermäßigung des Mitgliedsbeitrags beantragen!

Der Antrag auf Ermäßigung des DVBS-Mitgliedsbeitrages für das Jahr 2017 muss bis spätestens 28. Februar 2017 formlos schriftlich, per Fax oder per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) in der Geschäftsstelle eingegangen sein. Fristgerechte Anträge werden bestätigt und die Mitgliedsdaten in der Datenbank angepasst. Die Bestätigung, und ausschließlich sie, gilt als Nachweis gegenüber dem Verein. Anträge, die nicht fristgerecht bei uns eintreffen, können nachträglich leider nicht mehr genehmigt werden. Mitglieder, denen im vergangenen Jahr eine Ermäßigung bis auf Widerruf gewährt wurde (z.B. Mitglieder, die im Ausland leben, oder Ruheständler, die eine Beitragsermäßigung beantragen), sind von der jährlichen Antragstellung ausgenommen. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 132 Euro, ermäßigt 66 Euro. Auskunft erteilt Stefanie Görge, Tel.: 06421 94 888-16, montags bis freitags, von 8 bis 12 Uhr, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Seminarvorschau

20. und 21. Januar 2017 in Düren

Unter dem Motto "Mal sehen was wirklich geht! - Low Vision und trotzdem: Tragfähige Perspektiven für Berufstätige und Studierende mit Sehbehinderung" laden wir in Zusammenarbeit mit dem Berufsförderungswerk Düren zu einem praxisorientierten Informations- und Beratungsseminar ein. Dieses berufsgruppenübergreifende Low-Vision-Seminar bietet zum einen eine durch Bfw-Experten durchgeführte Beurteilung der Lesefähigkeit und des Vergrößerungsbedarfs, und zum anderen im Rahmen einer Peer-to-Peer-Beratung Erfahrungsaustausch und Informationen durch selbst von einer Sehbeeinträchtigung betroffene Studierende und Berufspraktiker zu den Themen Behinderung sowie Studium und Beruf.

6. bis 10. Februar 2017 in Stuttgart

Die Fachgruppe Musik des DVBS bietet im nächsten Jahr eine fundierte Fortbildungsveranstaltung Chorleitung an, die sich besonders an Blinde und Sehbehinderte wendet, die professionell oder semiprofessionell Chöre leiten. An drei Vormittagen und zwei Abenden steht der Landeskirchenmusikdirektor der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Herr Matthias Hanke, als Chorleitungsdozent für Dirigierunterricht in der Gruppe und Chorproben zur Verfügung. An den Nachmittagen stehen Workshops über Spezialfragen der Braillenotenschrift, Notensatz am PC (Braille Music Editor) bzw. Audiobearbeitung am PC zur Wahl.

10. bis 11. Februar 2017 in Stuttgart

Das Notennetzwerk zur Braillenotenschrift trifft sich zu vielfältigen Themen rund um das Thema Notenschrift für Blinde. Berichte aus den Verlagen für Notenschriftproduktion, Erfahrungen zu inklusiven Fortbildungen für Musiklehrer sowie ein Bericht über den VBS-Kongress in Graz stehen auf der Agenda.

30. März bis 2. April 2017 in Herrenberg

Fortbildungsseminar der Fachgruppe Wirtschaft; der inhaltliche Schwerpunkt ist noch offen.

7. bis 9. April 2017 in Hünfeld

Fortbildungsseminar der Fachgruppe Soziale Berufe und Psychologie; die inhaltlichen Schwerpunkte stehen noch nicht fest.

11. bis 14. Mai 2017 in Herrenberg

Die Fachgruppe Sehbehinderte bietet beim Seminar „Nicht sehend - nicht blind“ in drei Workshops besonders sehbehinderten Mitgliedern und Interessenten spannende Angebote zur beruflichen Bildung. Die Themenbereiche werden im kommenden Frühjahr veröffentlicht.

22. bis 24. September 2017 in Kassel

Fortbildungsseminar der Fachgruppe Jura; der inhaltliche Schwerpunkt ist noch offen.

30. September bis 7. Oktober 2017

Zum 30. Mal findet das Seminar der Gruppe Ruhestand im DVBS statt. Unter dem Motto „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ werden in Referaten und Workshops gesellschaftspolitische Themen, gesundheitsbezogene sowie selbsthilferelevante Inhalte bearbeitet. Auch neue technische Entwicklungen und deren Bedeutung für ältere blinde und sehbehinderte Menschen werden betrachtet.

Die jeweiligen ausführlichen Ausschreibungen finden Sie in der Rubrik "Seminare" auf der Homepage des DVBS: www.dvbs-online.de/php/aktuell.php.

Weitere Veranstaltungen sind in Planung und werden so bald wie möglich veröffentlicht.

Aus der blista

Imke Troltenier

blista-Kooperationsprojekt ausgezeichnet

Jürgen-Markus-Preis 2016 ging an „Hürdenlauf – Straßentheater für Menschen mit Behinderung“

Barrieren in Brücken verwandeln, das ist das Ziel des Jürgen-Markus-Preises der Universitätsstadt Marburg. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies verlieh den in diesem Jahr mit 14.000 Euro dotierten ersten Preis an die Deutsche Blindenstudienanstalt (blista) und Theater GegenStand für ihr gemeinsames Projekt „Hürdenlauf – Straßentheater für Menschen mit Behinderung“.

Das Projekt ist offen für jede Person mit und ohne Behinderung. Mitten im öffentlichen Leben der Stadt sollen Inszenierungen Barrieren an verschiedenen Orten aufzeigen. Menschen mit und ohne Behinderungen werden Alltagssituationen spielen, in denen Menschen mit unterschiedlichen Handicaps auf Barrieren treffen. Die Zusehenden werden dabei nicht immer wissen, dass es sich um ein inszeniertes Ereignis handelt. Ziel ist, dass sich bisher Unbeteiligte aktiv mit der aufgezeigten Thematik auseinandersetzen. Die Umsetzung ist bis Sommer 2017 geplant.

„Hier werden Alltagserfahrungen in den Blick genommen“, erläuterte die Kuratoriumsvorsitzende Susanne Holz in ihrer Laudatio. Straßentheater könne Menschen mit Behinderung und ihre Bedürfnisse bei der Gestaltung der Stadt anschaulich sichtbar machen. Dadurch werde die Stellung von Menschen mit Behinderung als aktive Mitgestaltende in der Stadt gefestigt.

Mit seiner Persönlichkeit habe Jürgen Markus zu Lebzeiten wie kein anderer dazu beigetragen, dass sich in Marburg ein Bewusstsein für Barrierefreiheit und die Belange von behinderten Menschen entwickelt habe, machte Stadtoberhaupt Dr. Thomas Spies bei der Preisverleihung bewusst. Durch seine „freundlich erzwingende Weise“ habe Markus es geschafft, die Sensibilität für die Belange von Menschen mit Behinderung in der Marburger Politik voranzubringen und weiterzuentwickeln, hob Spies hervor.

Im Sinne des Namensgebers würdigt die Auszeichnung alle zwei Jahre Projekte und Initiativen, die die Barrierefreiheit in Marburg verbessern, sodass Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft teilhaben und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ehrte die Preisträger/innen von blista und Theater GegenStand (1. Preis) sowie vom Deutschen Roten Kreuz (2. Preis) am Freitag, den 23.09.2016, bei einem Festakt im Rathaus.

Bildunterschrift: (v. l.): Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, die Vorsitzende des Kuratoriums Susanne Holz, der Vorstandsvorsitzende der blista Claus Duncker, Amelie Schneider (blista), Ulrich Pfeiffer (Theater GegenStand), Joachim Scholz (DRK), Nora Schotten (DRK) sowie Christian Betz (Vorstand DRK) Foto: blista

Bildbeschreibung: In einem Festlichen Saal blicken acht Personen - drei Frauen und fünf Männer – freudig in die Kamera. In den Händen halten sie teilweise Auszeichnungen, Schecks und bunte Blumensträuße.

Birthe Klementowski

ÖPNV zum Anfassen

Info-Aktion für barrierefreie Teilhabe am Marburger Nahverkehr

Unter dem Motto „Bitte einsteigen! ÖPNV zum Anfassen“ veranstaltete die Stadtwerke Marburg Consult GmbH in Kooperation mit der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) am 10. Oktober 2016 eine kostenfreie Informationsveranstaltung im Rahmen der bundesweiten „Woche des Sehens“. Von 13 bis 17 Uhr hatten Interessenten die Möglichkeit, am Marburger Bahnhofsvorplatz an interaktiven Vorträgen rund ums Busfahren für Menschen mit Seheinschränkung teilzunehmen. Sie konnten die Leitelemente auf dem Bahnhofsvorplatz kennenlernen, sich über den Stadtbusverkehr und die neue DYFIS-App informieren, das sichere Ein- und Aussteigen lernen und die zahlreichen Tipps der Reha-Lehrer unter Anleitung ausprobieren. Als Highlight der Aktion gab es auch die Möglichkeit, im großen Gelenkbus den Platz des Busfahrers zu erkunden.

Dr. Thomas Spies, Oberbürgermeister der Stadt Marburg, unterstützte die gemeinsame Aktion vor Ort und betonte die Wichtigkeit von Barrierefreiheit: „Man ist nicht behindert, man wird behindert. Deshalb ist es uns als Stadt Marburg ein großes Anliegen, jedem uneingeschränkte Mobilität im Stadtverkehr zu ermöglichen.“

Birgit Stey, Geschäftsführerin der Stadtwerke Marburg Consult GmbH, begrüßte die rund 15 Teilnehmenden in einem eigens für die Aktion bereitgestellten Linienbus der Stadtwerke und nannte Zahlen und Fakten zum Marburger Stadtbusverkehrsbetrieb. Im Anschluss daran stellte Regina Kranz die Mobilitätszentrale für Auskunft und Beratung rund um den öffentlichen Personennahverkehr und Mobilität vor und erläuterte die barrierefreien Bedien- und Nutzungsmöglichkeiten, die in jedem Niederflurbus der Marburger Stadtwerke standardmäßig vorgefunden werden können, so z.B. spezielle Sitze in direkter Nähe zum Busfahrer, das nahtlose Haltestangenleitsystem und Haltewunschknöpfe.

Robby Jahnke sprach über die neue App DYFIS talk, die bisher exklusiv in Marburg zum Einsatz kommt und planungsmäßig in Kürze überregional genutzt werden kann. Die App ist in enger Zusammenarbeit mit Sehbehinderten entstanden und liefert Smartphone-Nutzern auch dann aktuelle Informationen zum Linienfahrplan sowie zu Störungen und Baustellen, wenn die 53 im Stadtgebiet verteilten taktilen DFI-Anzeiger (dynamische Fahrgastinformation) an den Haltestellen einmal ausfallen sollten.

Jürgen Nagel, Ressortleiter des Rehabilitationszentrums der blista, zeigte sich erfreut über die Kooperation mit den Stadtwerken: „Unsere gemeinsame Aktion ist beispielhaft und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft zusammen über Barrierefreiheit informieren können.“ Und möglich ist das, denn in Kürze soll die neue DIP-Technologie, speziell für sehbehinderte bzw. blinde Verkehrsteilnehmer, erscheinen. Die DIPs funktionieren als Ortungssystem mit Hilfe der DYFIS talk-App. Bei Passieren eines DIP-Points bekommt der Reisende unmittelbar Informationen zu Haltestellen und Baustellen in seiner direkten Umgebung.

Bildunterschrift: Der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies unterstützt die gemeinsame Aktion von blista und Marburger Stadtwerken. Foto: blista

Bildbeschreibung: Szene im vorderen Teil eines Busses: zwei Frauen und ein Mann lächeln in die Kamera. Im unteren Teil des Bildes befinden sich zwei Blindenhunde; einer davon bei der Arbeit.

Thorsten Büchner

Hochspannung im Doppelpack

Krimiautor Andreas Pflüger zu Gast an der blista

Die Schülerbibliothek der blista war bis auf den letzten Platz gefüllt, als der bekannte Krimi- und Drehbuchautor Andreas Pflüger zu erzählen begann. Der 59-jährige Wahl-Berliner stellte den Schülerinnen und Schüler der Oberstufe seinen neuen Thriller „Endgültig“ vor, der mehrere Monate lang auf der „Krimi-Bestenliste“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ stand. Hauptfigur des actiongeladenen Romans ist Jenny Aaron, ausgebildete Elitepolizistin, die während eines aus dem Ruder laufenden Einsatzes in Barcelona erblindet.

Schnitt.

Fünf Jahre später. Jenny Aaron arbeitet wieder als Polizistin beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden als Verhörspezialistin und Fallanalytikerin. Da wird sie von ihren alten Kollegen aus der Elitetruppe nach Berlin gerufen. Ein Mörder, den sie vor Jahren überführte und festnahm, hat im Gefängnis eine Psychologin ermordet. Er spricht mit niemandem, will nur mit Jenny Aaron sprechen. Voller Unbehagen fliegt sie nach Berlin und merkt schnell, dass das nur der Anfang einer ganz anderen, gefährlicheren Geschichte ist. Derjenige, der ihr damals in Barcelona in den Kopf geschossen hat, ist wieder da und hat noch eine Rechnung mit ihr offen.

Mit mehreren, rasanten Lese-Ausschnitten machte Pflüger Lust auf sein Buch. Er erzählte von seinen intensiven Recherchen, bei denen er „fast alles, was es zum Thema Blindheit gibt“, gelesen hat. „Für mich war es eine enorme Herausforderung, in die Rolle einer blinden Frau zu schlüpfen. Ich hatte das Privileg, dass mir einige blinde Frauen einen Einblick in ihren Alltag gewährten und mir für all meine Fragen zur Verfügung standen.“

Als Pflüger eine Passage vorlas, in der sich Jenny Aaron mit Klicksonar orientierte, war er begeistert, dass es auch unter den Zuhörenden welche gab, die diese Art der Orientierung als Ergänzung zum Blindenstock nutzen.

Die Idee, eine erblindete Polizistin zur Heldin seines neuen Thrillers zu machen, kam Pflüger, als er über den französischen, ebenfalls blinden, Widerstandskämpfer Jacques Lusseyran las. „Immer, wenn die Resistance-Gruppe jemanden auf Herz und Nieren überprüfen wollte - etwa ob es ein eingeschleuster Spion der Nazis war - schickten sie Lusseyran zu ihm und sagten. „Warte, bis der Blinde ihn gesehen hat“. „Das fand ich einen ganz starken Satz und da begann die Geschichte um Jenny Aaron in meinem Kopf“, erläutert Pflüger.

Im Anschluss an die Lesung warf Andreas Pflüger – begleitet von Andrea Katemann, Leiterin der „Deutschen Blinden-Bibliothek“ – einen Blick hinter die Kulissen der Brailledruckerei, ließ sich von Punktschriftkorrektorin Gisela Lütgens alles zur Punktschriftübertragung genau erklären und besichtigte schließlich die Studios der Hörbücherei, wo er für ein ausführliches Interview zur Verfügung stand.

Nach kurzer Verschnaufpause im Hotel ging es für den gebürtigen Saarländer, der unzählige Drehbücher für „Tatort“-Folgen (Berlin, Leipzig, Weimar) geschrieben hat, auch gleich weiter in die Marburger Oberstadt zur Traditionsbuchhandlung „Lehmanns Media (Elwert Universitätsbuchhandlung)“. Dort stellte er zusammen mit blista-Lehrer Jürgen Rupprath, der einige Passagen aus „Endgültig“ in Punktschrift vortrug, seinen Thriller dem Marburger Publikum vor.

Im Vorfeld dieses hochspannenden Doppelpacks, der im Rahmen des blista-Jubiläums stattfand, gestaltete Lehmanns Media (Elwert Universitätsbuchhandlung) sein Schaufenster mit Motiven aus der blista-Geschichte, um auf den Krimiabend aufmerksam zu machen.

In entspannter Atmosphäre plauderte Pflüger mit Thorsten Büchner, der durch den Abend führte und beantwortete die Fragen des Publikums. Zum Schluss verriet Pflüger, dass es noch zwei weitere Romane um Jenny Aaron geben werde. Alle Beteiligten, die blista-Organisatoren, die Buchhändlerinnen, das Publikum und der Autor selbst, waren sich einig, dass auch der nächste Krimi um Jenny Aaron unbedingt in Marburg vorgestellt werden muss.

Infokasten:

Das ausführliche Interview mit Andreas Pflüger finden Sie in der 92. Ausgabe des Info-Magazins der „DBH“, dem „Kopfhörer“. Die aktuelle Ausgabe können Sie auf www.katalog.blista.de unter dem Link „Zeitschriften“ herunterladen. „Endgültig“ ist auch als Hörbuch bei der DBH ausleihbar. Näheres dazu finden Sie ebenfalls im „Kopfhörer“ oder im Online-Katalog.

Bildunterschrift: blista-Mitarbeiter Thorsten Büchner im Gespräch mit Autor Andreas Pflüger, der auf seiner Lesetour auch die blista besuchte und seinen Roman "Endgültig" vorstellte. Foto: blista

Bildbeschreibung: Szene in einem Tonstudio: ein jüngerer Herr in hellem Pulli spricht mit einem Herrn in mittleren Jahren, der eine Glatze hat und eine Jeans, ein dunkles Hemd und ein dunkles Sakko trägt. Vor ihnen auf dem Tisch liegt ein Exemplar des Buches „Endgültig“.

Manfred Duensing

Marburger Blindenfußballer erneut Deutscher Meister

Der alte und neue Meister im Blindenfußball kommt aus Marburg. Vor rund 1000 begeisterten Zuschauern auf dem Marktplatz in Rostock bewies das Team von Coach Peter Gößmann im letzten Spiel gegen den alten Rivalen aus Stuttgart, dass die Spieler zu Recht dort oben stehen. Die SF Blau Gelb Marburg, die bereits vor dem letzten Spieltag nicht mehr einzuholen waren, gewannen gegen Stuttgart mit 2:0. Die Marburger dominierten diese Saison und wurden ohne Verlustpunkt und ohne Gegentor zum vierten Mal Deutscher Meister. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenberg und DFB-Vorstandsmitglied Joachim Masuch überreichten den glücklichen Siegern den Pokal.

Bildunterschrift: Das siegreiche blista-Team mit DFB-Vorstandsmitglied Joachim Masuch, Stürmer Adriani Botez, Stürmer Niclas Schuber (verdeckt), Abwehrspieler Bernd Kersebohm, Trainer Oliver Einloft, Cheftrainer Peter Gößmann, 2 Mitglieder aus der Organisation, Trainer Arne Schumann sowie kniend: Torwart Niklas Karcher, Kapitän Ali Can Pektas, Torwart Sebastian Schleich, Abwehrspieler Thomas Horn, Abwehrspieler Robert Warzecha und Trainer Manfred Duensing. Es fehlt Stürmer Taime Kuttig. Foto: E. Alaoui Masbahi

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind zahlreiche Männer – stehend und kniend – in Jobelpose abgebildet. Ein kniender Spieler hält eine goldene Schale in die Höhe. Vor den Spielern befindet sich ein großes Schild, auf dem „Deutscher Meister – Blindenfussball Bundesliga“ geschrieben steht.

Leserbriefe

Jochen Schäfer

„Hey Leute, Jelena hat’s echt drauf!“

Stellungnahme eines Amateurmusikers – Für Zukunftsträume und gegen das Niedermachen!

Mit Interesse habe ich das Interview mit Jelena Nass gelesen, vor allem nach der Lektüre dieses niederschmetternden Leserbriefs im letzten Heft, den Jelena wirklich nicht verdient hat!

Ist dieses Interview einen „horus-„Beitrag wert gewesen? – Unbedingt, denn sonst hätte etwas „Hörbar Lebendiges“ gefehlt. Im April habe ich Jelena singen hören bei einer blista-Krimilesung, in der es übrigens ebenfalls um einen blinden jungen Musiker ging. Dabei hat sie sicher auch ihr Stück „Alive“ gesungen, das man, wie sie ja erzählt hat, auf Youtube hören kann, und das gleich mehrmals. Es ist ein spannendes Stück, in dem sie manchmal sogar dreistimmig zu hören ist (zumindest in der Studioversion, was sicher entsprechend gemischt wurde, schließlich hat sie ja nur eine Stimme). Man denkt, sie sei älter als sie ist, wenn man sie singen hört. Ende September habe ich einen positiven Kommentar „gepostet“.

Für mich spricht das Interview keineswegs von übertriebenem Selbstbewusstsein. Schließlich sagt sie ja nicht, sie sei stolz, vier Akkorde auf der Gitarre spielen zu können, sondern dass heutzutage im Grunde alle (zumindest viele) Lieder mit vier Akkorden spielbar sind, was ein deutlicher Unterschied ist.

Vergessen wir auch nicht, dass sie mit ihren jungen Jahren schon einiges hinter sich hat, z. B. die Regelschulzeit und die „Begrüßung“ durch ihre (unkameradschaftlichen) Klassenkameraden am ersten Schultag. Außerdem hat sie ihren ersten Plattenvertrag, und das ist schon was ganz Besonderes für junge Leute, denn so weit kommt nicht jeder.

Ich bin nur Amateurmusiker geworden und übe einen anderen Beruf aus, wie es vielen von uns geht. Trotzdem habe ich es auf dem Klavier – glaub ich – zu (ein bisschen) was gebracht und habe dabei natürlich viele Jahre üben müssen, und das Üben hört nicht auf. Auch Jelena hat ihren musikalischen Weg begonnen, am Anfang sogar mit einer Band, und heute wohl eher als Solistin. Nicht immer war dieser Weg leicht, wie sie erzählt hat. Ihr Abitur hat sie jetzt, vielleicht wird sie später Musikerin, vielleicht wird sie aber auch einen anderen Beruf ergreifen. Auf jeden Fall ist es toll, was sie macht, und dass sie unserer Zeitschrift für das Interview zur Verfügung stand.

Jelena, Du bist auf einem guten Weg, mach so weiter! Ich wünsche Dir ganz persönlich viel Erfolg – musikalisch, beruflich und privat.

Jochen Schäfer

Stellungnahme zu „Blindengeld in der DDR“

Der Leserbrief von Frau Webel aus Thüringen hat mich als langjährigen „blista Archivkopf“ (wie ich mich selbst scherzhaft nenne) auf den Plan gerufen.

In unserer Zeitschrift wurde schon 1959 darauf hingewiesen, dass es ein „Blindengeld ohne Einkommensgrenze in der Sowjetzone“ (im damals üblichen, westlich-arroganten Sprachjargon der Adenauer-Ära) gab (siehe „Marburger Beiträge“, H. 11/12 1959, S. 311 PS / H. 1/1960, S. 17 SS). Dies wurde ermöglicht durch die „Verordnung zur Verbesserung der Sozialversicherung Blinder und Schwerstbehinderter“ vom 18.06.1959.

1989, noch vor der „Wende“, wies der vor allem älteren LeserInnen der ehemaligen DDR sicherlich bekannte Dr. Martin Jaedicke auf den „Blindencode auf Banknoten“ hin („Marburger Beiträge“, H. 4/1989, S. 416-422 / „horus“ H. 3/1989, S. 106-107). In diesem Beitrag schrieb er, dass die Niederlande schon 1971 eine Markierung auf ihre Scheine gebracht haben, außerdem die schweizerischen Papierbanknoten Ende der 80er Jahre gekerbte Ränder hatten, wie man sie heute von den Euro-Scheinen kennt. 1990/91 sollte dann die BRD folgen, wobei dieser „Blindencode“ bei häufiger Benutzung unleserlich wurde. Dagegen sind die „gekerbten Ränder“ der Euro-Scheine besser fühlbar. Die D-Mark-Münzen waren recht leicht erkennbar, zum einen durch die Größe, zum anderen aber auch durch erhabene Markierungen auf den 10- und 50-Pfennig- sowie 5-Mark-Stücken, außerdem (vor allem für Leute mit einem besonders guten Gehör) durch die Tonhöhe. Die verschiedenen Münzen klangen nämlich unterschiedlich hoch, was man merken konnte, wenn man sie fallen ließ oder (wie ich es häufig gemacht habe) auf einem Tisch drehte.

Dass es nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Thüringen längere Zeit kein Blindengeld gab, wissen wir alle nur zu gut. Viele von uns waren im Oktober 2005 auf der großen Demo in Erfurt, und ich war später sogar offizieller hessischer Blindengeldbeauftragter für Thüringen innerhalb unseres DVBS-Gesamtbezirks, der inzwischen ebenfalls Geschichte ist.

Bezüglich des neuen Bundesteilhabegesetzes können wir alle nur inbrünstig hoffen, dass es uns in Blindengeldfragen nicht zum Nachteil gereicht, wie von vielen befürchtet - wegen der „Schuldenbremse“. Daher ist nach wie vor ein bundeseinheitlicher Blindengeldsatz anzustreben, wie jüngst in der DVBS-Resolution gefordert, die bei der Mitgliederversammlung verabschiedet wurde. Hoffentlich wird (wenigstens) der Realität.

Impressum

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Der „horus“ erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

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Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389

  • Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
  • Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
  • Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen

Die Herausgabe der Zeitschrift „horus“ wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der „Glücksspirale“ unterstützt.

horus 4/2016, Jg. 78 der Schwarzschriftausgabe

Titelbild: DVBS

Nächste Ausgabe (horus 1/2017)

Schwerpunktthema: „Literatur und Information“
Erscheinungstermin: 27. Februar 2017
Anzeigenannahmeschluss: 27. Januar 2017
Redaktionsschluss:03. Januar 2017

[a] Mit Strukturen sind dabei die organisatorischen, personellen und sächlichen Voraussetzungen gemeint, also z.B. die äußere Schulform, die Größe der Klassen, die Anzahl von Lehrkräften, die vorhandenen Räumlichkeiten und die technische Ausstattung einer Schule. Prozesse im Schulbereich sind z.B. die Lehre, die Lehrerfortbildung, die Schülermitverwaltung, die Elternarbeit oder auch die Beschaffung von Lehrmaterialien. Wirkungen bezeichnet das Ergebnis z.B. in Form von Schulabschlüssen, Abbrecherquoten, Übergängen in andere Schulformen oder in Ausbildung und in Form der Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler mit der Schule.