horus NR: 3 / 2015 - Bildung im Wandel

Inhaltsverzeichnis

Bildbeschreibung Titel

Bildbeschreibung Titelblatt

horus 3/2015 trägt den Titel "Bildung im Wandel". Das Titelfoto zeigt den DVBS-Vorsitzenden Uwe Boysen und den Jurastudenten Stephan Engelhardt, die Rücken an Rücken auf zwei Stühlen sitzen. Uwe Boysen hält einen Stenostreifenschreiber auf seinem Schoß, aus der ein langer Papierstreifen mit Punktschriftnotizen heraushängt. Stephan Engelhardt hat den aufgeklappten Laptop auf dem Schoß, über Kopfhörer hört er die Informationen, die ihm die Sprachausgabe vorliest. Im Hintergrund ist ein Regal mit Aktenordnern und Büchern zu sehen. Foto: DBVS/Christina Rausch


Vorangestellt

Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitglieder,

Zukunft, das ist ein Bündel von Möglichkeiten, aber kein fest gewebter Teppich von Gewissheiten. Und dennoch müssen wir uns mit dem, was hinter diesem teils verheißungsvollen, teils bedrückenden Begriff steckt, auseinandersetzen. Sonst verdienen wir sie nicht, diese Zukunft, und können sie auch nicht mitgestalten. Eine gute Chance dazu haben wir, wenn wir auch Vergangenheit und Gegenwart bilanzieren. Daraus lassen sich - vielleicht - Prognosen für dieses flüchtige Wesen Zukunft ableiten. Deshalb haben wir für dieses Heft einen Schwerpunkt "Bildung im Wandel" ausgewählt; denn Bildung und Weiterbildung sind Eckpfeiler, auf denen sich sowohl eine berufliche Laufbahn wie auch etwas aufbauen lässt, was man als erfülltes oder gutes Leben bezeichnen könnte. Welche Früchte solche Bildung, gepaart mit großer Eigeninitiative, tragen kann, das zeigen überzeugend die Beispiele in der Festrede von Joachim Klaus, dessen Forderung nach weiteren Anstrengungen auch unserer Universitäten, behinderten Menschen eine Chance zu geben, ich nur unterstreichen kann.

Bildung ist neben den Begriffen Beratung und Beruf auch ein Schlüssel zur Arbeit des DVBS. Wie wir diesem Verein für die kommenden Jahre ein noch schärferes Profil verschaffen können, dazu hat sich unser Geschäftsführer Klaus Winger eine ganze Reihe von Gedanken gemacht, die wir gerne zur Diskussion stellen. Das von ihm skizzierte Programm ist ehrgeizig, aber die Erreichung der anvisierten Ziele gleichwohl nicht unrealistisch. Nur müssen wir alle, Vereinsmitglieder wie Haupt- und Ehrenamtler, bereit sein, uns intensiv mit diesem Prozess zu identifizieren. Sonst kann er nicht gelingen. Tragen wir alle zu einem solchen Erfolg bei. Ich bin überzeugt: Es lohnt sich.

Ihr

Uwe Boysen

Bildbeschreibung: Das Foto zeigt den Vorsitzenden des DVBS, Uwe Boysen. Er trägt eine dunkle Brille und schaut lächelnd in die Kamera. Zum dunkelgrauen Sakko trägt er ein weißes Hemd und eine gemusterte Krawatte. Foto: DVBS/Archiv


In eigener Sache

In eigener Sache

Alles Gute, liebe Frau Winkel!

Nach 13 Jahren verlässt Marika Winkel die horus-Redaktion. Die Vorstandsassistentin der blista wurde zum Ende des Schuljahres in den Ruhestand verabschiedet. "Ich werde die Redaktionssitzungen vermissen", sagte sie während der Planung dieses Heftes. "Vor allem die angenehme, freundliche Atmosphäre habe ich immer genossen." Der Abschied wurde mit selbst gebackener Torte versüßt. Auch wir werden Sie vermissen, liebe Frau Winkel! Danke für Ihren Einsatz in den vergangenen 13 Jahren, für Ihre Anregungen, die Vorbereitung der Sitzungen in der blista und nicht zuletzt danke für die Millionen gezählter Zeichen (an dieser Stelle darf verraten sein, dass Frau Winkels Kopfrechenkünste für die Ermittlung des Heftumfangs unerlässlich waren). Für Ihren neuen Lebensabschnitt wünschen wir Ihnen alles Gute!

horus 4/2015: "Ängste und ihre Bewältigung"

Am 23. November 2015 erscheint die nächste horus-Ausgabe mit dem Schwerpunktthema "Ängste und ihre Bewältigung". Ängste können verschiedenster Natur sein, durch Blindheit oder Sehbehinderung bedingt werden, aber auch ganz andere Ursachen haben. Wir freuen uns auf Ihre ganz eigenen Erfahrungen mit diesem Thema! Wenn Sie einen Beitrag zum nächsten Heft beisteuern möchten, können Sie Ihre Texte gerne wie gewohnt per E-Mail an die horus-Redaktion schicken: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Redaktionsschluss ist der 29. September 2015.

Berichte für den Schwerpunkt können bis zu 10.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen. Kürzere Meldungen sollten eine Länge von 2.000 Zeichen nicht überschreiten.

Bildbeschreibung: Das Foto zeigt Marika Winkel, die lächelnd in die Kamera blickt. Die blond gesträhnten Haare trägt sie knapp schulterlang, der Pony ist fransig in die Stirn frisiert. Sie ist dezent geschminkt und trägt eine Brille mit dunklem Gestell und silberne Ohrstecker. Die Jacke über dem weißen Shirt hat ein Muster aus pastellfarbenen Blüten. Foto: DVBS/Christina Rausch


Schwerpunkt: Bildung im Wandel

Es ist normal, verschieden zu sein

Der Beitrag der Informatik zur Verwirklichung eines Menschenbildes

Gekürzte Fassung der Keynote zu "40 Jahre Österreichische Computer Gesellschaft (OCG) auf dem Weg in die Zukunft"

Sehr geehrte Damen und Herren,

"Es ist normal, verschieden zu sein" - Welch eine Binsenwahrheit, Banalität - wird man auf den ersten Blick reagieren…

Aber… Noch in den 90er Jahren mussten Blinde im öffentlichen Raum eine Armbinde wie ein Straßenschild tragen - andersfarbige Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln werden auch heute um ein Vielfaches häufiger aufgefordert, ihren Fahrschein zu zeigen…

Der vor Kurzem verstorbene ehemalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker formulierte 1993 wie folgt: "…Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für den Menschen. Manche Menschen sind blind oder taub, andere haben Lernschwierigkeiten, eine geistige oder körperliche Behinderung - aber es gibt auch Menschen ohne Humor, ewige Pessimisten, unsoziale oder sogar gewalttätige Männer und Frauen. Dass Behinderung nur als Verschiedenheit aufgefasst wird, das ist ein Ziel, um das es uns gehen muss. In der Wirklichkeit freilich ist Behinderung nach wie vor die Art von Verschiedenheit, die benachteiligt, ja bestraft wird. Es ist eine schwere, aber notwendige, eine gemeinsame Aufgabe für uns alle, diese Benachteiligung zu überwinden."

Doch auch nach 22 Jahren sind wir kaum weitergekommen - trotz "UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen", 2006 von der UNO-Generalversammlung einhellig verabschiedet und in der Zwischenzeit von mehr als 200 Ländern und der EU und ihren Mitgliedsländern ratifiziert - ein "menschenrechtliches Modell", wie es im Text heißt.

Das "Committee on the Rights of Persons with Disabilities" - der UN-Fachausschuss zur Behindertenrechtskonvention - hat im April dieses Jahres im Rahmen einer Staatenberichtsprüfung in Genf untersucht, ob z. B. Deutschland die Rechte von Menschen mit Behinderungen genügend vorantreibt.

Es ist erschreckend und ernüchternd - müsste uns alle aufrütteln -, zu welchen Statements und politisch vorsichtigen "Recommendations" der Ausschuss kommt: Noch heute bestimmen abgeschottete Behindertenwerkstätten und vernachlässigte Sonderschulen die Biografien von Behinderten, bleibt der erste Arbeitsmarkt ihnen weitgehend verschlossen.

Der Vorsitzende des DVBS Uwe Boysen - selbst blind - kommentiert die Sachlage: "…Bei all dem muss man sich über Eines im Klaren bleiben: Die Durchsetzung dieser und weiterer Empfehlungen kann der Ausschuss nicht erzwingen. Sie sind nicht einklagbar! Und die Erfahrung lehrt, dass die Bundesregierungen derartige Rügen und Empfehlungen auch auf anderen Gebieten, auf denen die UN im Bereich der Menschenrechte aktiv ist, nicht selten "in den Wind geschlagen" haben. Menschenrechte im Verständnis der UN stehen in Deutschland nach wie vor nicht hoch im Kurs. Zu übertriebener Euphorie ist daher kein Anlass, zumal sie dann sehr schnell in Katerstimmung umschlagen kann. Veranlassung besteht aber, unsere Forderung nach gleichberechtigten Zugangsmöglichkeiten auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen weiter mit Beharrlichkeit zu verfolgen und sich nicht von Hinhaltetaktiken der staatlichen Gewalt entmutigen zu lassen."

Das Bündnis "Barrierefreies Studium" - ein Verbund von Behindertenverbänden, Arbeitsgemeinschaften und Interessenvertretern Behinderter - hat im Mai 2015 mit einer "Empfehlung zu inklusiver Bildung in Hochschulen und Professionalisierung der Lehrenden" Hochschulen, Bund und Länder sowie hochschuldidaktische Forschung, Stiftungen und Fachverbände zum Handeln aufgefordert. Die deutsche Hochschulrektorenkonferenz verabschiedete eine Rahmenempfehlung "Eine Hochschule für Alle", um die Politik unter Handlungszwang zu setzen.

Ideale und erwünschte Zustände sind kontinuierliche Herausforderungen an jeden von uns im privaten und beruflichen Alltag.

Stabilisatoren jenseits emotionaler Irritationen und Unwägbarkeiten sind gefordert, feste Netzwerke und Gesetze als zugrunde liegende Instrumentarien - und hier können Informations- und Kommunikationstechnologien eine entscheidende Rolle spielen. Lassen Sie mich dies im Folgenden näher erläutern, einen roten Faden ziehen, exemplarisch den Pfad gehen von unserem Karlsruher Modellversuch "Informatik für Blinde und Sehbehinderte" bis hin zu der Vielfalt von Aktivitäten und Initiativen hier in Österreich auch und vor allem unter dem Dach der OCG.

Im Herbst 1987 im wissenschaftlichen Umfeld einer sich zwischen Mathematik und Elektrotechnik emanzipierenden Informatik startete der Karlsruher Modellversuch "Informatik für Blinde - Studium für Sehgeschädigte in Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen".

Ziel des in Neuland vorstoßenden Modellvorhabens war es, Blinden und hochgradig Sehbehinderten Studiengänge und entsprechende Berufsfelder zu eröffnen, die ihnen bisher verschlossen waren - vor allem im natur-, ingenieur- und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich. Grundlage bildete dabei die Überzeugung, dass Informations- und Kommunikationstechnologien die entscheidenden Schlüssel für die Entwicklung persönlicher und beruflicher Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit sein können. Durch die unterstützende Arbeit des SZS - studienvorbereitend, studienbegleitend und beim Übergang ins Arbeitsleben - können Sehgeschädigte gemeinsam mit ihren sehenden Kommilitonen studieren. Heute kaum mehr vorstellbar: Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene galt es, sich mit den Behindertenverbänden auseinanderzusetzen, die in dem Vorhaben eine zu verhindernde Elitebildung sahen. Noch verbreitete die Bundesanstalt für Arbeit in ihren Leitfäden und in Beratungsgesprächen die Ansicht, dass Studiengänge der Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften für Sehgeschädigte nicht geeignet seien.

Heute ist all dies selbstverständliches Allgemeingut! Und das SZS - vor vier Jahren erfuhr es seine feste Verankerung im Bildungssystem und wurde in einen Lehrstuhl "Informatiksysteme für Sehgeschädigte und andere Behinderungen" überführt.

Erlauben Sie mir, einige der Absolventinnen und Absolventen auf diesem Weg zu skizzieren: Da ist einer unserer ersten Diplominformatiker, als Kind dem Vietnamkrieg entkommen, erblindet und beidseitig unterarmamputiert. So kam er nach Deutschland ins Friedensdorf nach Oberhausen, kämpfte sich bis zum Abitur durch und kam nach Karlsruhe. Zusammen mit der Firma Baum wurde eine Spezialtastatur mit entsprechender Software für ihn entwickelt, Zwei Spezial-Kassettenrecorder von TSI waren didaktische Hilfsmittel für den Lern- und Prüfungsprozess. Heute nimmt er Beratungsfunktionen in einem Reha-Zentrum wahr.

Da ist der in der Kindheit voll erblindete Diplom-Informatiker - noch heute eine tragende Säule im Forschungs- und Betreuungsbetrieb des SZS-, als Hobby widmet er sich der Astronomie, ist Mitglied der hoch angesehenen Deutschen Gesellschaft für Astronomie, hat gerade sein erstes Buch "Blind zu den Sternen - mein Weg als Astronom" herausgegeben und plant - in den Spuren des International Camp on Computers and Communication (ICC) - ein Astro-Camp für Sehgeschädigte. Da ist die hochgradig sehbehinderte promovierte Diplom-Ingenieurin der Elektrotechnik, die, von Auszeichnungen begleitet, ihre wissenschaftliche Laufbahn in der "Biomedizinischen Technik" verfolgt.

Vor Chomeini war der blinde Iraner nach Deutschland geflohen, um an der Universität Karlsruhe seinen selbstbestimmten Bildungsweg zu finden, eine erste Herausforderung war er für das Studienkolleg, wo er in Mathematik, Physik und Chemie sein Abitur nachmachen musste. Er schloss sein Informatikstudium in der Regelstudienzeit ab. Heute ist er "IT Accessibility & Collaboration Coordinator" an der University of Illinois / USA. An der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - kurz: "BaFin" - ist er Regierungsdirektor - er ist von Geburt an blind - sein Bildungsweg fordert Ehrfurcht und Erstaunen: bis zum Vordiplom in Informatik an der Universität Karlsruhe, dann Jura-Studium in Tübingen und Aix-en-Provence, Abschluss in "Europäischem und Internationalem Recht", Promotion mit einer Arbeit zur "Verantwortlichkeit von Internet-Service Providern". Dazwischen machte er noch das 1. und 2. Juristische Staatsexamen.

Eine Herausforderung besonderer Art war die hochgradig sehbehinderte Biologiestudentin. Im 2. Semester hatte das Botanik-Institut die Teilnahme an einer Exkursion in den Hochalpen aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Wir finanzierten eine Assistenz, die neben ihr kletterte. In Tränen bedankte sie sich für das haptische Erleben auf 2.000 Meter Höhe, Flechten zu sammeln und zu bestimmen. Das Institut erhielt aus Zentralmitteln ein Spezialmikroskop mit Spezialsoftware, was gleichzeitig dem Institut neue Forschungsmöglichkeiten eröffnete. Heute promoviert sie in der "Bioinformatik" an der Universität Erlangen und strebt eine Stelle in der Industrieforschung an.

Mit speziellen Programmen zur Vermittlung von Musiknoten wurde der blinde Pianist an der Staatlichen Hochschule für Musik vom SZS unterstützt. Heute ist er Dozent und folgt nationalen und internationalen Verpflichtungen.

Die blinde Vorarlbergerin studierte Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe, schloss mit Auszeichnungen ab, machte sich selbstständig mit einem "Institut für Coaching, Training und Konzeptentwicklung". Nebenbei ist sie Mitglied der Österreichischen Torball-Nationalmannschaft.

Eine einzigartige Mobilität entwickelte der blinde Wirtschaftsingenieur mit seinem Auslandssemester in Salamanca, Industrie-Praktikum in Mexiko und Studienaufenthalt an der CSUN - California State University Northridge. Heute arbeitet er als Forschungsassistent an der TU Berlin im Fachgebiet "Landschaftsökonomie" am "Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung".

Als "kleiner Chinese aus Schwaben" wird der blinde Dipl.-Informatiker in Blindenfußball-Kreisen bezeichnet. Er war der erste und bisher auch einzige blinde Student an der University of San Francisco. Heute ist er an der Hochschule für Medien in Stuttgart im Forschungsprojekt "Prosperity4All" beschäftigt, das sich unter dem Dach "Global Public Inclusive Infrastructure" dem Aufbau von nutzerfreundlichen Interfaces widmet. Immer wieder verdrängte er seine hochgradige Sehbehinderung und versuchte, ohne Hilfsmittel sein Informatikstudium zu absolvieren. Er schloss in Karlsruhe mit dem Diplom ab, ging nach Toronto, promovierte und schrieb seine Habilitation. Heute ist er Humboldt-Professor an der TU München am Lehrstuhl "Anwendungs- und Middleware Systeme" mit einem Forschungsetat von ca. fünf Millionen Euro.

Das Szenario ließe sich weiter fortsetzen - Beispiele der Normalität von hochschulischer Ausbildung und beruflicher Integration und sie tauchen in keiner Behindertenstatistik auf!

Es ist normal, verschieden zu sein.

Das Karlsruher Modell fand vielfältige Übertragungen an Hochschulen und Informatikfakultäten, Anregungen in Hochschulministerien, so z. B. vergleichbare Zentren an der TU Dresden, TU Prag, Comenius Universität Bratislava, TU Budapest. An der Universität Chisinau/Moldawien widmete sich ein EU-Projekt der Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Richtung "Inklusive Schule". An der Fernuniversität Kiew/Ukraine nutzten wir das übergreifende Netz für eine regionale Förderung von Sehgeschädigten. In Riga und Vilnius arbeiteten wir mit studentischen Initiativen zusammen, die die Integration von Behinderten im Fokus hatten. Von der Bundesregierung gefördert starteten wir mit dem Aufbau von "Studienzentren für Sehgeschädigte" an den Universitäten in Äthiopien und Kenia in Kooperation mit dortigen Blindenverbänden. Langfristig wollten wir unser europäisches ICC auf den zentralafrikanischen Raum übertragen. Eine wirtschaftlich ausgerichtete Entwicklungspolitik der Bundesregierung nahm uns die Grundlage - zum Leidwesen unserer hoch engagierten afrikanischen Freunde mussten wir unser Vorhaben einstellen.

Der ECDL - European Computer Driving Licence -, ein international anerkannter Standard für digitale Kompetenz, wurde in Richtung berufsbegleitender Qualifizierung für Sehgeschädigte erweitert, die ECDL-Module und Prüfungsmodalitäten auf Barrierefreiheit umgewandelt. Eine SZS-Mitarbeiterin schulte bundesweit das Prüfungspersonal in diese Richtung. Als erster Blinder absolvierte ein SZS-Mitarbeiter die ECDL-Module, somit konnte das SZS selbst Prüfungen abnehmen.

Ziel des SZS in diesem Programm war es, den ECDL allen Studierenden der Universität Karlsruhe anzubieten und ihn als fakultatives Ergänzungsfach in das Curriculum aller Studiengänge einzubinden. Damit könnte Medien- und IT-Kompetenz eine Grundkompetenz aller Studienrichtungen sein und die berufliche Integration positiv beeinflussen. Leider scheiterten wir an der Hochschulbürokratie und an fehlender Aufgeschlossenheit des Lehrkörpers.

Sicher lässt es sich schwer rekonstruieren, wann und wie dieses Karlsruher Modell den Weg nach Österreich und - vor allem - nach Linz fand. Der Linzer Informatik-Professor Roland Wagner und sein Wiener Kollege A. Min Tjoa hatten 1989 die "ICCHP - International Conference on Computers Helping People with Special Needs" - ins Leben gerufen. IT und AT für Menschen mit Behinderungen und einer älter werdenden Generation war die Botschaft.

Neben der vier Jahre vorher von der California State University und ihrem "Center on Disabilities" gegründeten "CSUN - Annual International Technology and Persons with Disabilities" entwickelte sich die alle zwei Jahre stattfindende ICCHP sehr bald zu der weltweit bedeutendsten Plattform für den wissenschaftlichen Austausch von Forschern, Entwicklern und Betroffenen. Zur 15. ICCHP im Sommer 2016 werden wieder ca. 400 internationale und 200 weitere nationale Teilnehmer erwartet. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf visionäre Ideen z. B. in e-Accessibility, E-Inclusion, Design for All, Universal Design gerichtet. Die jährlich stattfindende ICCHP Summer-University bildet dabei ein homogenes Ganzes, indem es Young Researcher und vor allem betroffene Schüler und Studierende zum Dialog einlädt.

1991 wird dann an der Johannes Kepler-Universität in Linz das "Institut Integriert Studieren" gegründet. Blickt man heute zurück, so hat sich diese Einrichtung über das Karlsruher Modell hinweg zu einer weltweit führenden Einrichtung entwickelt. Kaum ein internationales Projekt in "e-Accessibility", "Mathemathik und Games" und "Soziale Integration", an dem nicht Klaus Miesenberger mit seinem Team beteiligt, wenn nicht gar federführend, ist.

Eine wichtige Ergänzung zur Thematik "Hochschulstudium und Behinderung" bildet die alle drei Jahre an der Universität Innsbruck stattfindende "International Conference on Higher Education and Disability" - 1992 aus der Partnerschaft der Universitäten Innsbruck und New Orleans und dem dortigen "TRAC - Training, Resource and Assistive Technology Center" entstanden und seitdem vor allem von den Universitäten Leuven und Karlsruhe unterstützt. 1992 in einem Workshop im Rahmen eines TEMPUS II Programms des SZS, in dem es um den Aufbau von Studienzentren für Sehgeschädigte in der damaligen Tschechoslowakei ging, trafen sich die Projektpartner CSUN/USA, RNIB/GB, Linz/A, Karlsruhe/D und die tschechoslowakische Arbeitsgruppe in den slowakischen Alpen.

Dabei brachten die österreichischen Kollegen die Idee eines Computer-Camps für sehgeschädigte Jugendliche zur Vorbereitung auf ein Studium oder einen Beruf in die Diskussion. Das ICC - International Computer Camp (heute: International Camp on Communication and Computers) war aus der Taufe gehoben. 1993 startete das in der Zwischenzeit europaweite Erfolgsmodell

  • to make visually impaired students aware of technology and their advantages
  • to understand computer skills as needed efforts to enhance their technical skills and the level of flexibility and mobility including their social skills
  • to support the participants in getting criteria for their decision in studying or entering professional areas
  • to be an excellent opportunity to make contact with peers from other countries and to exchange interests and experience.

In 14 europäischen Ländern haben bisher 24 ICCs stattgefunden, daran haben gut 2.000 betroffene sehgeschädigte Jugendliche teilgenommen. Ca. 800 Experten - Techniker, Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeiter - waren für die technische und organisatorische Infrastruktur, das Workshop- und Freizeitangebot und die alltägliche Betreuung zuständig, die "ICC Association" mit Sitz in Linz und ihre nationalen Koordinatoren sichern dabei den organisatorischen und finanziellen Rahmen. Nicht immer ein leichtes Unterfangen, die notwendigen Ressourcen zu akquirieren!

Lassen Sie mich zusammenfassen!

In 25 Jahren hat sich hier in Österreich ein beeindruckendes Know-how entwickelt, hat sich ein internationales Forum der Information und Kommunikation von und für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, eine Quelle der Kreativität und Innovation etabliert.

Es ist normal, verschieden zu sein!

Ich wünsche mir, Ihr Verständnis und Engagement geweckt zu haben.

Zum Autor

Joachim Klaus ist Gründer und ehemaliger Leiter des Studienzentrums für Sehgeschädigte (SZS) (Karlsruher Institut für Technologie - KIT) und Vizepräsident der ICC Association.

Bildbeschreibung: Auf dem Autorenfoto ist Joachim Klaus zu sehen. Er trägt ein graues Jackett mit hellblauem Hemd. Die grauen Haare sind kurz geschnitten, der graue Vollbart gestutzt. Seine randlose Brille hat eckige Gläser und dunkle Bügel. Foto: DVBS/Christina Rausch


Berufsorientierung und Ausbildungsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Jugendliche im Wandel

Die Inklusionsdebatte befasste sich bisher schwerpunktmäßig mit den Herausforderungen einer inklusiven Beschulung. Zunehmend rückt auch die nachschulische Bildung in den Fokus. Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass sehbehinderte oder blinde junge Menschen ihre Ausbildung in einer besonderen Einrichtung machen. Bereits Mitte der 1990er Jahre hat sich die Ausbildungssituation verändert, indem die "Unterstützte Beschäftigung", die in den 1970er Jahren in den USA entwickelt wurde, auch in Deutschland Beachtung fand. Dieses Modell hat sich in Deutschland jedoch in erster Linie für Jugendliche mit Lernproblemen und im Bereich der Werkstätten für behinderte Menschen etabliert.

Seit vielen Jahren gibt es bereits interdisziplinäre Dienste, wie z.B. die sonderpädagogischen überregionalen Beratungs- und Förderzentren (üBFZ), die für die Betreuung der inklusiv beschulten Schüler zur Verfügung stehen. Diese Dienste greifen grundsätzlich auch an Berufsschulen, werden dort aber bisher eher seltener genutzt.

In den vergangenen Jahren gab es eine deutliche Weiterentwicklung verschiedener Unterstützungsmodelle, die zur Begleitung in eine betriebliche Ausbildung dienen. Nicht selten sind diese Begleitungstools jedoch nicht auf die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen abgestimmt und die Komplexität der erforderlichen Hilfsmittel und deren Anpassung an den Ausbildungsplatz wurde unterschätzt. Eine notwendige professionelle Unterstützung des Ausbildungsbetriebes fehlt oft gänzlich. Gerade in diesem Bereich zeigt sich Entwicklungsbedarf, um eine nachhaltige und für alle Seiten zufriedenstellende Ausbildungszeit und spätere Beschäftigung im Unternehmen sicherzustellen. Doch zunächst muss der Ausbildungssuchende die Hürde "Bewerbung" meistern, denn die fehlende Barrierefreiheit von Online-Bewerberportalen und Assessments erschwert diesen Prozess enorm, um den begehrten Platz überhaupt erlangen zu können, bzw. zunächst das Vorstellungsgespräch zu erreichen.

Wenn der Ausbildungssuchende in dieser Phase der Bewerbung keine adäquate Unterstützung erfährt, ist eine chancengleiche Teilhabe gar nicht möglich und er ist gegenüber den Bewerbern ohne Behinderung doppelt benachteiligt. Denn ohnehin muss er den potentiellen Arbeitgeber mit viel Einfühlungsvermögen und Geschick überzeugen, dass er sein Handicap in der täglichen Arbeit am PC bestens kompensiert.

Welche Ausbildungsmodelle gibt es?

Die Modelle unterscheiden sich darin, ob die Ausbildung in einem Betrieb oder in einer besonderen Einrichtung stattfindet sowie, in welchem Umfang der Auszubildende eine Begleitung/Unterstützung während der Ausbildung erfährt.

Betriebliche Ausbildungen

Derzeit gibt es ca. 345 staatlich anerkannte Ausbildungsberufe. Sie zeichnen sich u. a. dadurch aus, dass die Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule stattfindet und der Auszubildende sozialversicherungspflichtig angestellt ist. Der Ausbildungsvertrag wird zwischen dem Unternehmen und dem Auszubildenden geschlossen. Der Jugendliche besucht die reguläre Berufsschule oder auch eine Berufsschule, die ihn entsprechend seiner Fähigkeiten fördert.

Außerbetriebliche Ausbildungen

Zu den Außerbetrieblichen Ausbildungen gehören alle Ausbildungen, die nicht in einem Betrieb durchgeführt werden und die staatlich gefördert werden. Die Anzahl der Ausbildungsberufe in den anerkannten Spezialeinrichtungen umfasst ca. 30 Berufsbilder, ohne die Fachwerkerberufe zu berücksichtigen. Eine deutliche Begrenzung gegenüber den 345 staatlich anerkannten Ausbildungsberufen für Menschen ohne Handicap. Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, betriebliche Ausbildungen für Jugendliche mit einer Behinderung zu öffnen und weiter voranzutreiben. Mit einer größeren Vielfalt an Berufen eröffnet sich dem Jugendlichen mit Handicap eine größere Chance am Arbeitsmarkt. Denn ein enges Berufsspektrum stellt mittelfristig ein besonderes Beschäftigungsrisiko dar.

Kooperative Ausbildung

Bei der kooperativen Ausbildung wird der Ausbildungsvertrag zwischen Auszubildendem und einem Bildungsträger abgeschlossen. Man arbeitet während der Ausbildungszeit über weite Teile in einem externen Ausbildungsbetrieb. Den Ausbildungsbetrieb sucht der Bildungsträger aus. Der Bildungsträger organisiert Stütz- oder Förderunterricht sowie sozialpädagogische Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen Nachhilfe, Prüfungsvorbereitung, Bewältigung von Alltagsproblemen sowie vermittelnde Gespräche mit Ausbildern und Lehrern.

Integrative Ausbildung / Verzahnte Ausbildung

Auch bei der integrativen Ausbildung schließt man einen Ausbildungsvertrag mit einem Bildungsträger (Berufsbildungswerk) ab. Der Unterschied zur kooperativen Ausbildung besteht darin, dass man auch fachlich beim Bildungsträger ausgebildet wird. Allerdings ist man pro Ausbildungsjahr mindestens 40 Tage, maximal 120 Arbeitstage in einem Ausbildungsbetrieb tätig. Auch hier gibt es die Möglichkeit, praktische Erfahrungen in einem Betrieb zu machen. Den Betrieb sucht der Bildungsträger aus.

Assistierte Ausbildung

Das Bundeskabinett hat Ende Januar 2015 einen Änderungsantrag zum Arbeitsförderungsrecht beschlossen und damit ein neues Förderinstrument geschaffen: die assistierte Ausbildung. Individuelle, kontinuierliche Begleitung und Förderung von der Ausbildungssuche bis zum Ausbildungsabschluss und zur Integration in die Arbeitswelt sind Bestandteile der assistierten Ausbildung. Auch eine ausbildungsvorbereitende Phase ist möglich. Die Ausbildungsverantwortung verbleibt - anders als bei außerbetrieblichen Berufsausbildungen - bei den Betrieben.

Wie sich die assistierte Ausbildung etablieren wird, ist noch abzuwarten. Das Instrument ist noch zu neu, um Rückschlüsse ziehen zu können, ob die besonderen Anforderungen sehbehinderter und blinder Auszubildender ausreichend berücksichtigt werden können.

Betriebliche Ausbildungen, schulische Ausbildungen oder kombinierte Ausbildungen - für welche sich der potentielle Auszubildende letztendlich entscheidet, hängt von vielen Faktoren ab, u.a. den Standortfaktoren, welche Maßnahme wo angeboten wird, und ist selbstverständlich abhängig von der Zustimmung des Kostenträgers. Dennoch ist es wichtig, die Möglichkeiten, die der Bildungsmarkt bereithält, zu kennen, um die richtige Wahl treffen zu können.

Wie wichtig ist die rechtzeitige Berufsorientierung?

Eine rechtzeitige und dem Handicap adäquate Berufsorientierung ist maßgeblich mitverantwortlich für eine zielgerichtete berufliche Entwicklung. Sie kann eine unglücklich verlaufende berufliche Karriere verhüten und unnötigen Zeitverlust wegen etwaig notwendiger Neuorientierungen vermeiden. Die Vielzahl der Ausbildungswege erfordert mehr denn je eine fundierte und rechtzeitige Berufsorientierung. Mehr als zu Zeiten einer eher überschaubaren Auswahl an Berufswahl-Möglichkeiten, ist es heute unerlässlich, dass sich der Jugendliche mit seinen Berufswünschen frühzeitig und koordiniert auseinandersetzt. Selbstverständlich ist die Berufsorientierung heute als fester Bestandteil an vielen Schulen, auch Förderschulen, implementiert. Jedoch stellt sich die Frage, ob die bestehenden Instrumente ausreichen?

Die Berufe-Vielfalt ist jedoch nur ein Kriterium zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation von behinderten Menschen. Ein weites Entwicklungsfeld liegt in der Aufklärung und Sensibilisierung der Arbeitgeber, die bisher noch ungeübt darin sind, sich blinde oder hochgradig sehbehinderte junge Menschen in einer Ausbildung in ihren Betrieben vorzustellen.

Hier ist viel Aufklärungsarbeit erforderlich, die als fester Bestandteil eines Unterstützungsangebotes begriffen werden sollte. Eine nachhaltige Beschäftigung kann dann gelingen, wenn alle Akteure innerhalb eines Unternehmens angesprochen und sensibilisiert werden, sowohl der Personalverantwortliche als auch die übrigen Mitarbeiter, bzw. zukünftigen Kollegen. Dabei sollte das Ziel vorrangig sein, Arbeitgeber nicht ausschließlich mit finanziellen Anreizen zu "überzeugen" und um Mehrfachanrechnung der Schwerbehindertenquote und Eingliederungszuschläge zu feilschen, sondern die Idee einer chancengleichen Teilhabe bei Führungsverantwortlichen als Selbstverständlichkeit zu begreifen. Das Ausbildungssystem in Deutschland ist bunt und vielfältig. Es muss unser Ziel sein, zu erreichen, dass auch sehbehinderte und blinde junge Menschen selbstverständlich an dieser Vielfalt teilhaben.

Zur Autorin

Die gebürtige Nordrhein-Westfälin Susanne Patze war viele Jahre im BFW Würzburg tätig. Seit August 2014 ist sie als Projektleiterin für die focus arbeit gGmbH in Frankfurt verantwortlich. Z.Zt. besucht Susanne Patze den Zertifikatslehrgang "Grundlagen inklusiver Pädagogik für Blinde und Sehbehinderte" an der Uni Marburg. Fragen und Infos zu focus arbeit unter www.focus-arbeit.de oder 069 4035 6135.

Bildbeschreibung: Zu sehen ist Autorin Susanne Patze in einem Beratungsgespräch mit einem sehbehinderten Klienten. Beide sitzen am Tisch, während Susanne Patze eine von mehreren aufgeschlagenen Broschüren erklärt. Der junge, farbige Mann hört interessiert zu. Er hat die gefalteten Hände auf der Tischplatte abgelegt und schaut auf die Broschüre. Seine schwarzen, krausen Haare sind kurz geschnitten. Zur blauen Jacke trägt er ein hellgelbes Shirt. Neben ihm sitzt Susanne Patze und zeigt mit einem Stift auf eine Textpassage in der Broschüre. Sie trägt eine schwarze Jacke zum schwarzen Shirt, die Brille mit dunklem Gestell hat sie in die blonden, schulterlangen Haare geschoben. Sie trägt eine Kette mit schwarzen und silbernen Elementen und hellrot lackierte Fingernägel. Foto: blista


Blindenbildung im Wandel - ein Erfahrungsbericht

Ich habe sie noch erlebt, die klassische Blindenbildung, also die Bildung von (fast) blinden Schülern an einer Blindenschule. 1984 bis 1990 war das. Dann ging ich im Alter von zwölf Jahren in die Integration an ein Regelgymnasium, das allerdings 200 Kilometer von meinem Elternhaus entfernt war, weswegen ich die Woche über bei einer Pflegefamilie wohnen musste. Einen gerne angeführten Vorteil der Integration, die Heimatnähe, hatte ich also nicht. In meiner Umgebung fand sich nämlich keine Schule, die mich aufgenommen hätte, obwohl es dort sogar eine gab, die schon Erfahrung mit Blinden hatte. Grund dafür dürfte auch das recht negative Gutachten der Blindenschule gewesen sein, die wohl ihre Felle wegschwimmen sah angesichts der längst begonnenen Entwicklung, dass immer mehr blinde Schüler ohne zusätzliche Behinderungen integrativ beschult wurden.

Während meiner Gymnasialzeit überlegte ich, was ich denn später mal studieren könnte. Obwohl ich sehr musikalisch bin, bevorzugte ich zunächst Germanistik und Anglistik, später dann Psychologie. Musik sollte allein Hobby bleiben, denn mir war bekannt, dass man während eines Musikstudiums sehr viel üben musste. Beim Üben störte mich am meisten, dass ich, im Gegensatz zum Sehenden, erst mal auswendig lernen musste, was ich üben wollte, sei es nach Gehör oder nach Blindennoten, die ich mir selbst habe beibringen müssen. Schließlich siegte aber doch die Musik. Mir war jedoch klar, dass meine instrumentalen Fähigkeiten nicht ausreichten, um an einer Musikhochschule angenommen zu werden, aber mein Klavierlehrer meinte, für das Musikstudium auf Lehramt an einer Universität sei ich gut genug. Lehrer zu sein, das konnte ich mir grundsätzlich vorstellen, aber an einer Regelschule dürfte ich es als Blinder schwer haben. Da hielt ich es für sinnvoller, meinesgleichen an einer Blindenschule zu unterrichten. Das war der einzige Grund, weshalb ich mich schlussendlich dafür entschied, nach bestandenem Abitur neben Musik Sonderpädagogik mit der Hauptfachrichtung Blindenpädagogik zu studieren.

Als Vorbereitung auf das Studium machte ich ein Praktikum an meiner alten Blindenschule. Dort hatte sich viel verändert. Der überwiegende Teil der Mädchen und Jungen hatte eine Mehrfachbehinderung und während wir einmal gemeinsam eine Schülerin wickelten, sagte mir ein Lehrer ganz klar: Wenn ich Blindenlehrer werden wolle, müsse ich bereit und in der Lage sein, solche Dinge zu tun, denn mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche würden meine Hauptklientel sein. Das war nun gar nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Zu Beginn des Studiums erfuhr ich dann, dass man begonnen hatte, die zwei bisher getrennten Schularten Sehbehindertenschule und Blindenschule zusammenzulegen. Dennoch blieb an der Uni die offizielle Trennung der beiden Fachrichtungen Sehbehinderten- und Blindenpädagogik weiterhin bestehen.

Als es im Studium 2003 darum ging, wo ich das vierwöchige Blockpraktikum in Blindenpädagogik mache, entschied ich mich für die blista. Ich wollte unbedingt einmal die Einrichtung kennen lernen, die ich als Integrationsschüler nie besucht hatte, und ich war begeistert, wie hier auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler eingegangen wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mein Abitur an der Carl-Strehl-Schule mit einem besseren Notendurchschnitt als 3,6 bestanden hätte. Und ich wäre heute wohl selbstständiger, weil "Orientierung & Mobilität" und "Lebenspraktische Fähigkeiten" in Marburg Pflichtfächer sind und das dortige Wohngruppenkonzept dazu beiträgt, dass die erlernten Fähigkeiten auch angewendet werden müssen.

Während meines Praktikums an der blista waren die Sehbehinderten dort eindeutig in der Mehrheit (das dürfte heute immer noch der Fall sein) und es bestand eine gewisse Rivalität zwischen ihnen und den Blinden. Das äußerte sich z. B. darin, dass Blinde von sehbehinderten Mitschülern als "Buds" bezeichnet wurden (bud = blind und doof). Vielleicht führte auch das zu dem Wunsch einiger blinder Jugendlicher, getrennt von den Sehbehinderten unterrichtet zu werden. Diesem Wunsch wurde entsprochen, weswegen es damals eine reine Blindenklasse an der Carl-Strehl-Schule gab, die 9a. In einer Deutschstunde dort erlebte ich dann, was ich an einer solchen Einrichtung nicht erwartet hätte: Der Lehrer diktierte eine Tabelle, bei der ich Zweifel hatte, ob sie ordentlich aufs Blatt passen würde. Ich sprach ihn nach der Stunde darauf an und er meinte, dass er dies nicht beurteilen könne, da er nicht so viel Ahnung von Punktschrift habe. Ich erfuhr dann, dass die Mehrheit der Lehrer an der blista keine Sonderpädagogen waren und entsprechende Weiterbildungen mittlerweile nicht mehr finanziert wurden. Eine andere Sache, die mich befremdete, war eine Lehrerkonferenz, in der dem Kollegium erklärt wurde, was eine Braillezeile ist, und das, obwohl solche Geräte an der blista bereits im Einsatz waren.

Im Referendariat an verschiedenen Sehgeschädigtenschulen kam ich dann endgültig in die Situation, die ich durch meine Studienwahl von Vornherein hatte ausschließen wollen: Meine Schüler nutzten fast ausnahmslos die Schwarzschrift. Da war ich ja schon auf fremde Hilfe angewiesen, wenn ich nur lesen wollte, was sie schrieben. Wie sollte ich da Autorität ausstrahlen? Ich weiß, dass es Leute gibt, die das können, ich konnte es jedenfalls nicht. Dann wollte ich gerne ausschließlich mein studiertes Fach Musik unterrichten, wurde aber auch fachfremd eingesetzt. Ferner hatte ich Probleme mit dem niedrigen Niveau so mancher Schüler, fiel es mir schwer, Unterricht so zu planen, wie es von uns als angehenden Sonderschullehrern verlangt wurde ... - Kurz: Ich brach das Referendariat nach zwei Versuchen endgültig ab und ließ mich an einem BFW zum Verwaltungsfachangestellten umschulen. Ich hadere durchaus damit, dass ich letztendlich in einem Beruf gelandet bin, für den ich kein Abitur hätte machen müssen, aber man lernt ja nicht nur für den Beruf, sondern auch fürs Leben, und was das angeht, habe ich eine Menge gelernt.

Zum Autor

Der 1978 geborene Hobbyschriftsteller und -liedermacher Simon Kuhlmann machte sein Abitur 1999 integrativ am Conrad-von-Soest-Gymnasium in Soest und studierte im Anschluss Sonderpädagogik mit Musik auf Lehramt an der Universität Dortmund. Nach Erlangung des Ersten Staatsexamens orientierte er sich jedoch um und arbeitet heute als Verwaltungsfachangestellter.

Bildbeschreibung: Autor Simon Kuhlmann blickt lächelnd in die Kamera. Er trägt ein rotes Sweatshirt. Seine dunkelbraunen Haare sind kurz geschnitten. Foto: privat


Inklusive Bildung bis ins hohe Alter

"Wir lernen, solange wir leben." Auf diese knappe Formel brachten Erziehungs- und Sozialwissenschaftler in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihre Erkenntnisse und die Einsicht, dass Bildung und Lernen niemals abgeschlossen sind, sondern es sich um einen lebensbegleitenden, dynamischen, lebenslangen Prozess handelt. Der moderne dynamische und ganzheitliche Bildungsbegriff steht für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten sowie seine persönlichen und sozialen Kompetenzen erweitert. Im Humboldtschen Bildungsverständnis kam dem Prozess des Sich-Bildens eine wesentliche Rolle zu. Erst das Bürgertum verengte dieses Verständnis auf ein "Bildungsideal", ein "Gebildet-Sein", das mit einem fest umrissenen Kanon von Wissen verbunden war. Dieses Wissen wurde in bestimmten Bildungsgängen vermittelt. Lange waren diese Bildungsgänge Menschen mit einer Beeinträchtigung verschlossen. Ihnen standen besondere Einrichtungen offen, in denen sie neben Brailleschrift und dem Umgang mit damals möglichen Hilfsmitteln auf einfache Berufe vorbereitet wurden. Der Direktor der Marburger Universitätsaugenklinik, Prof. Dr. Alfred Bielschowsky (1871-1940), erkannte angesichts der heimkehrenden blinden und sehbehinderten Kriegsteilnehmer des 1. Weltkrieges, dass man für diese jungen Menschen, die schon eine qualifizierte Berufsausbildung bzw. ein Studium begonnen oder abgeschlossen hatten, etwas tun müsse. Ihnen müsse die Chance des Zugangs zu entsprechenden Berufen und Erwerbstätigkeiten eröffnet werden. So gründete er am 6. März 1916 den "Verein blinder Akademiker Deutschlands". Dieser Verein beschloss die Gründung einer Einrichtung, die sich um die Versorgung der Blinden mit fachwissenschaftlicher Literatur sowie die Beratung und Unterstützung dieses Personenkreises kümmern sollte. Die heutige Deutsche Blindenstudienanstalt war geboren. Natürlich war diese Institution genauso segregiert wie andere sonderpädagogische Institutionen auch. Der Gedanke einer integrierten Beschulung von Menschen mit Beeinträchtigungen kam erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auf. Es zeigte sich aber sehr bald, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler den Anforderungen und Herausforderungen einer Regelschule gewachsen waren und einer besonderen Förderung in einer Sondereinrichtung bedurften.

Inklusive Bildung bedeutet, dass allen Menschen - unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, besonderen Lernbedürfnissen, sozialen oder ökonomischen Voraussetzungen - die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Fähigkeiten und Potenziale zu entwickeln.

Dabei ist inklusive Bildung von integrativer Bildung zu unterscheiden - wobei die Abgrenzungen manchmal nicht deutlich werden. Entscheidend ist aber, dass sich für die inklusive Bildung die Lehr- und Lernvoraussetzungen an die Bedürfnisse der Lernenden anpassen und die Lernenden sich nicht in ein bestehendes System integrieren müssen.

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 2006, die seit 2009 auch deutsches Recht ist, rückte den Begriff der Inklusion in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen und Forderungen nach gleichberechtigter und selbstbestimmter Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft. Der Artikel 24 dieser Konvention widmet sich umfassend und ausschließlich dem Thema Bildung."(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen …". Besonders in den Fokus gerückt wurde dabei die Entfaltung und Stärkung der Persönlichkeit durch Partizipation der Menschen mit Behinderungen am regulären Bildungssystem von der Grundschule bis hin zu den Angeboten der weiterführenden Bildung. Die Selbsthilfeorganisationen und die Kultusbehörden der Länder nahmen diesen Bildungsbereich ins Visier. Einerseits forderten die Selbsthilfeorganisationen entsprechende Änderungen in den Schul- und Unterrichtsgesetzen, andererseits erwarteten die Kultusbehörden dadurch Einsparungen in ihren Haushalten, da die besonderen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen erhöhten Finanzierungsbedarf haben. Inklusion bedeutet aber nicht, Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen in ein und derselben Klasse zu unterrichten. Vielmehr soll und muss der Unterricht so gestaltet sein, dass Behinderte entsprechend ihren individuellen Bedarfen und Bedürfnissen sprachlich, kommunikativ und sozial gefördert werden. Das setzt eine entsprechende Lehrerbildung und Ausbildung von Assistenzkräften voraus (vgl. Art. 24 Abs. 2-4 UN-BRK). Wunsch und Wirklichkeit liegen hier noch sehr weit auseinander. Es zeigt sich aber auch, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen diesen Anforderungen und Herausforderungen gewachsen sind.

Bildung endet nicht mit einem wie auch immer gearteten, allgemeinen Bildungsabschluss. Kaum beachtet wird bisher der Absatz 5 des Artikels 24 der UN-BRK: "(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden" (UN-BRK Art. 24 Abs. 5).

Inklusive Bildung an den Hochschulen wurde in erster Linie begriffen als pädagogische Herausforderung in der Lehrerbildung. Entsprechend wurden Studiengänge für die Lehrerausbildung konzipiert und umgesetzt. Erst allmählich begreift die Hochschule, dass die gesamte Hochschuldidaktik sowohl im Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden als auch die individuellen Lernprozesse der Lernenden neu gedacht werden müssen. An einzelnen Hochschulen werden Aktionspläne zur Umsetzung der UN-BRK diskutiert und ausgearbeitet, wobei Betroffene selbst mit einbezogen werden. Man hat aber den Eindruck, dass es eher um Barrierefreiheit in Hinblick auf Zugänglichkeit von Gebäuden und Räumen, die Erschließung und Erreichbarkeit von Literatur, Ausstattung mit adäquaten technischen Hilfsmitteln, personelle Assistenz und dergleichen geht, um Studierenden mit Behinderungen ein Studium zu ermöglichen und zu erleichtern. Derartige Maßnahmen sind notwendig und nützlich, um die "Infrastruktur", die Studienbedingungen von Studierenden mit Beeinträchtigungen und Behinderungen zu verbessern und ihnen annähernd gleiche Studienbedingungen wie nicht-behinderten Studierenden zu verschaffen. Sie reichen aber bei weitem nicht aus, um das zu erreichen, was die UN-BRK fordert und was der Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry einmal in einem sehr eindrucksvollen Bild ausgedrückt hat: "Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern: lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer." Es geht um die Barrieren in den Köpfen, um das Ziel einer "Hochschule für alle", wie es die Hochschulrektorenkonferenz formuliert hat. Lehrende wie Lernende müssen ihr Verhältnis zueinander und untereinander neu denken, neu formulieren und neu organisieren.

Auch für die Berufsausbildung und berufliche Fort- und Weiterbildung, die in Art.24 Abs.5 der UN-BRK ausdrücklich genannt werden, gilt Ähnliches. Berufliche Bildung und Ausbildung von Menschen mit Behinderungen findet überwiegend in Berufsförderungswerken und in Werkstätten für behinderte Menschen statt. Zwar gibt es durchaus Beispiele inklusiver Ausbildung und Weiterqualifizierung in kleineren und mittleren Betrieben, aber das sind eher Leuchttürme in einer weiten Landschaft. Hier sind vor allem Arbeitgeber gefordert, Ausbildungsgänge und -einheiten so zu konzipieren und zu gestalten, dass Auszubildende mit und ohne Behinderung zusammen mit ihrem Ausbilder Lernprozesse und -inhalte in Projektform gemeinsam erarbeiten und nach richtigen Lösungen suchen, bei denen Behinderte entsprechend ihren Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten gleichberechtigt und selbstbestimmt mitarbeiten. So können sie die Grenzen, aber auch die Fähigkeiten eines jeden Teammitgliedes erleben, erfahren, erkennen und unterstützend eingreifen, wenn und wo es erforderlich ist.

Ein besonderes Problem für die Inklusion am Arbeitsplatz und im Erwerbsleben stellen die berufliche und berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung dar.

Wird ein Erwerbstätiger im Laufe seines Erwerbslebens von einer Beeinträchtigung oder Behinderung betroffen, so ist nicht selten das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die scheinbar einzig mögliche Problemlösung. Ihm werden so gut wie keine Chancen und Möglichkeiten einer Umschulung, Umgestaltung und -organisation seines Arbeitsplatzes oder eine Umstrukturierung seines Aufgabenbereichs geboten. An dieser Stelle sind aber auch die Selbsthilfeorganisationen mit ihrem behindertenspezifischen Know-how gefragt, den Behinderten entsprechend ihrer Behinderung geeignete Techniken und Fertigkeiten zu vermitteln, die ihnen die Wahrnehmung und Ausübung ihrer Aufgaben ermöglichen, während die Vermittlung neuer Kenntnisse und neuen Wissens sowie neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten dem Arbeitgeber obliegen.

Die Eingliederung behinderter Erwerbstätiger in den ersten Arbeitsmarkt ist gerade im fortgeschrittenen Erwerbsleben von außerordentlicher Wichtigkeit, denn die Beschäftigung so lange wie möglich beizubehalten und die gleichberechtigte selbstbestimmte Teilhabe an Weiterbildungsmaßnahmen beeinflusst den Übergang in den Ruhestand erheblich, wie Studien längst gezeigt haben. Ein letztes, das in Art. 24 Abs. 5 der UN-BRK ausdrücklich genannt wird, ist die "Erwachsenenbildung", das "lebenslange Lernen", das - wie es ausdrücklich heißt, "livelong learning", das das angelsächsische Bildungsverständnis weit früher bestimmt hat als die bildungstheoretischen Vorstellungen hierzulande. E. Jan Ditschek hat das Wort von Antoine de Saint-Exupéry in einem Vortrag über "Erwachsenenbildung und Inklusion" 2013 wie folgt übersetzt: "Wenn Du Inklusion voranbringen willst, dann warte nicht, bis ein barrierefreies Haus gebaut ist, stelle Dir nicht vor, wie teuer die Geräte und Materialien sein werden, die Du wirst kaufen müssen, und denke nicht darüber nach, wie viel Personal wohl zusätzlich eingestellt werden muss, sondern wecke bei Dir selbst und bei allen am pädagogischen Prozess Beteiligten die Sehnsucht nach einer besseren Gesellschaft, nach Achtsamkeit, Empathie und Respekt für die Anderen."

Lernen im Alter vollzieht sich vornehmlich anders als in Kindheit und Jugend. Das formale Lernen, das den Unterricht in Schule und Hochschule prägt, tritt zurück hinter das informelle, selbst organisierte Lernen. Jeder kann selbst bestimmen, was er wann und wo und mit welchem Zeitaufwand lernt. Ältere Menschen wollen ihr Wissen, ihre Kenntnisse und Erfahrungen, ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten für sich selbst vertiefen und erweitern, aber auch weitergeben an andere. Um dieses Lernen erfolgreich zu gestalten, bedarf es der Beratung und Unterstützung, wie das Strategiepapier der BLK (Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung) 2004 ausführlich dargelegt hat. Hier müssen auch die Selbsthilfeorganisationen ihre Aufgaben in einem demographischen Wandel und bei der wachsenden Lebenserwartung wahrnehmen. Immer mehr ältere Menschen werden von einer Beeinträchtigung oder Behinderung betroffen und bedürfen der Beratung und Unterstützung. Das gilt auch für den DVBS, der im kommenden Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Es gibt zahlreiche Angebote für das lebenslange Lernen im Alter, auch an Hochschulen, aber nur wenige sind auch für Menschen mit Sehverlust nutzbar. Dies gilt in Sonderheit, wenn es sich um multimedial gestaltete Angebote handelt.

Es liegt an jedem Einzelnen von uns, uns den Herausforderungen und Aufgaben eines lebenslangen, lebensbegleitenden inklusiven Lernens zu stellen und an der "einen Gesellschaft für alle" mitzuwirken. Durch Beratung, Hilfe und Unterstützung können die Selbsthilfe und in Sonderheit der DVBS für Menschen mit Sehverlust das Ihre dazu beitragen.

Zum Autor

Dr. Johannes-Jürgen Meister ist Leiter der Gruppe Ruhestand im DVBS.

Bildbeschreibungen: Das Autorenfoto zeigt Dr. Johannes-Jürgen Meister am Rednerpult während eines Vortrags. Zum grauen Sakko trägt er einen dunkelblauen Pullunder, ein weißes Hemd mit blauen Karos und eine gemusterte Krawatte in Blautönen. Er spricht dem Publikum zugewandt. Die grauen Haare sind kurz geschnitten, er trägt eine Brille mit silbernem Metallgestell und eckigen Gläsern. Foto: DVBS/Archiv Auf dem zweiten Foto ist eine grüne Schultafel zu sehen, auf der mit weißer Kreide in Schreibschrift "Lebenslang lernen!" geschrieben steht. Foto: Dieter Schütze/www.pixelio.de


Jurastudium - heute und vor knapp 50 Jahren

Ein Gespräch zwischen Stephan Engelhardt und Uwe Boysen

Uwe Boysen (UB): Stephan, du stehst heute im Jahr 2015 kurz vor Abschluss deines Jurastudiums. Zunächst: Wie hast du den immer als schwierig charakterisierten Übergang von der Schule zur Uni erlebt?

Stephan Engelhardt (SE): Ich habe immer Regelschulen besucht. Mir ist es wichtig, keine Extrawürste zu bekommen. Vor meinen Abiturprüfungen habe ich mich weniger mit den Prüfungsinhalten beschäftigt als mit den Prüfungsmodalitäten. Ich habe darauf bestanden, wie alle Schüler in Niedersachsen zentrale Prüfungen zu schreiben. Es brauchte einige Anstrengungen über verschiedene Landtagsbesuche, Gespräche mit Ministerialbeamten und Medienauftritte, um diesen Wunsch, der im Übrigen in allen anderen Bundesländern mit Zentralabitur 2011 schon Standard war, durchzusetzen. Und wie war das bei dir, Uwe?

UB: Einerseits war der Schock nicht so riesig. Ich blieb in derselben Stadt, konkret in Marburg, und die Mehrzahl meiner ehemaligen Klassenkameraden von der blista begann dort gleichfalls mit dem Jurastudium. Also, keine ganz neuen Wege, aber doch eine große Umstellung, hinein in die Massenuniversität, auch wenn sie noch nicht so überlaufen war wie heute. Und dabei war das Ende der Schulzeit kaum verdaut, das mündliche Abitur lag für uns Kurzschuljahrkinder in diesem November des Jahres 1966 noch nicht einmal zwei Wochen zurück.

Wie hast du, Stephan, denn deinen Studienort ausgewählt, und wie erging es dir bei Studienbeginn?

SE: Für mich war schon fast immer klar, Jura zu studieren. Als nahezu komplett textbasiertes Studium ist es für Blinde ein relativ einfaches Studium. Meine Familie stammt aus dem Eichsfeld und hat daher einen gewissen Bezug nach Göttingen. Hannover schied als Heimatstadt für mich aus, und die Erfahrungen meiner großen Schwester, die Göttingen gerade nach ihrem Studium verlassen hatte, machten die Wahl einfach.

Praktischerweise kannte meine Schwester einen blinden Jurastudenten, der sein Studium in Göttingen gerade abgeschlossen hatte. Einige E-Mails und Telefonate später waren meine verbleibenden Fragen und Ängste bezüglich Literaturbeschaffung, Härtefallanträgen, Nachteilsausgleichen, Mobilitätstraining, Finanzierung, Haushaltsführung und alle anderen möglichen und unmöglichen Fragen geklärt. Die zentrale Aussage dieses Studenten: "Das klärt sich alles von selbst." Heute weiß ich, dass er Recht hatte und gebe diese Aussage an junge Studenten weiter. Irgendwann kam erwartungsgemäß die Zusage und ich konnte mit dem Mobilitätstraining beginnen. Eine Wohnung bekam ich als junger Familienvater vom Studentenwerk schnell vermittelt.

An die neue Lehrform - Vorlesungen - musste ich mich gewöhnen. Stofflich kam ich sicherlich gut mit, aber bei den 300 weiteren Studenten in meinem Semester fiel es mir schwer, Kontakte zu knüpfen. Ich habe mich mit gefühlt 150 verschiedenen Leuten unterhalten, und der allergrößte Teil war nett. Nur: Die ganzen netten Leute aus der Masse wieder zu finden und zu erkennen, gelang mir nur schwer. Trotz meiner Erfahrungen fehlte mir das bisschen Mut oder Selbstbewusstsein, beim Verabschieden zu sagen: "Wenn du mich siehst, musst du mir erst mal sagen, wer du bist und mich ruhig auch mal zu dir rufen, ich kann dich nicht sehen und am Anfang auch nicht an der Stimme erkennen."

UB: Wir haben eine andere Stadt als Marburg eigentlich gar nicht in Erwägung gezogen. Das lag zum Teil sicher an der Möglichkeit, noch nachträglich ins Wintersemester einsteigen zu können, andererseits aber auch an der Vertrautheit mit der Umgebung. Bei mir kam hinzu, dass ich damals das Privileg hatte, zu Hause zu wohnen; denn meine Mutter war, als ich an die blista kam, mit nach Marburg gezogen, und so stellte sich die Frage nach einem Studentenzimmer oder einem Wohnheim für mich nicht. Einige meiner ehemaligen Klassenkameraden sind in ein damals noch vorhandenes Wohnheim der blista in der Liebigstraße gezogen, waren da also mehr oder weniger unter sich. Andere hatten einen Platz im Marburger Studentendorf bekommen und dadurch - so meine Wahrnehmung - doch mehr Kontakt zu sehenden Kommilitonen. Solche Kontakte - oder wie man jetzt modern sagen würde Netzwerke - sind natürlich immens wichtig.

Nun gehört zum Jurastudium die Bewältigung einer ziemlich großen Fülle schriftlichen Materials, weshalb viele sehende Menschen auch erstaunt sind, wenn ich ihnen erzähle, dass es in Deutschland eine erhebliche Zahl blinder Juristinnen und Juristen gibt. 1966, in einer Zeit ohne Computer, ohne Scanner, ohne juristische Datenbanken, ohne Apps und ohne Geld für Vorleser und Vorleserinnen, war das nicht einfach zu bewältigen. Wir waren auf die wenigen Gesetzestexte in Blindenschrift, auf Tonbandaufnahmen von Skripten oder Lehrbüchern und - insbesondere für die Hausarbeiten - auf lebendige Vorlesende angewiesen, die dann ggf. auch entlohnt werden mussten. Wie ist das in deinem Jurastudium gelaufen?

SE: Die Situation mit Literaturversorgung verbessert sich zunehmend. Gerade die Textlastigkeit ist für uns heute ein großer Vorteil. Bundes- und Landesgesetze sowie die Rechtsakte der Europäischen Union stehen vollständig im Internet. Diese sind mehr oder weniger komfortabel nutzbar. Ich selber bin ein extrem langsamer und schlechter Punktschriftleser. Ein gedrucktes Punktschriftgesetz hatte ich noch nicht in der Hand. Wenn ich an meine Examensklausuren denke, bei welchen ich gleichzeitig in vier verschiedenen Gesetzen nachschlagen musste, hätte ich als Assistenz wohl einen Archivar oder Bibliothekar benötigt. Mit den Gesetzesdatenbanken ist der Wechsel von Gesetz zu Gesetz nur einen Tastendruck weit.

Sehr viele juristische Verlage stellen Blinden und Sehbehinderten gegen Vorlage eines Schwerbehindertenausweises und ggf. gegen Abgabe einer mit einer Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung ihre Werke auch als PDF-Dateien zur Verfügung. Wenn ich persönlich bei Professoren angefragt habe, wurden mir die eigenen Werke auch als Word-Dokument oder ähnliches zur Verfügung gestellt. Für die ersten Hausarbeiten kommt man wohl zu 75 Prozent mit Online-Datenbanken aus. Für die restlichen 25 Prozent ist man aber auch heute noch auf personelle Unterstützung angewiesen. Je nach Thema verschiebt sich dieses Verhältnis. Eine Seminararbeit musste ich abbrechen, weil das Thema fast ausschließlich in Zeitschriften ohne Online-Zugang behandelt wurde und ich keine Assistenz hatte.

UB: Welche Rolle spielt dann heute für dich noch aufgelesene Literatur? Ich weiß, dass ich mir auch von Hörbüchern bzw. von den privat aufgelesenen Texten häufig noch Notizen in Punktschrift gemacht und diese dann mehrfach wieder durchgelesen habe, um so - hoffentlich - zu einem Lernerfolg zu kommen. Hinzu kam, dass es zwischen 1969 und 1980 auch Auszüge der Zeitschrift "Juristische Schulung" in Blindenschrift gab. Wie ist das Lernen bei dir vonstatten gegangen?

SE: Aufgelesene Literatur habe ich gar nicht benutzt. Die Sprachausgabe am PC liest erheblich schneller, und auch ein Buch im DAISY-Format ermöglicht nicht die Navigationsmöglichkeiten eines gut strukturierten Dokuments mit einem PC. Ein aufgelesenes Buch hört man in der Regel von vorn bis hinten. Wenn ich gelernt habe, habe ich meist nur ein Kapitel oder ein paar Randnummern gelesen. Nicht selten sitzt man bis zu einer Stunde an einem Satz. In dieser Stunde kann ich über die juristischen Datenbanken aber auch in anderen Werken nachlesen. Dabei bin ich komplett von Assistenz unabhängig.

UB: Vielfach gibt es heute Lerngruppen auch für Leute, die Jura studieren. Hast du damit Erfahrungen sammeln können oder wollen?

SE: Die Professoren haben gleich zu Beginn des Studiums gepredigt, sich eine Lerngruppe zu suchen. Meine anfänglichen Kontaktschwierigkeiten haben langfristig dazu geführt, dass ich keine Lerngruppe hatte. In der direkten Examensvorbereitung bin ich dann zu einem Repetitor gegangen. Dabei habe ich bewusst einen mit "relativ" kleinen Gruppen von 15 bis 20 Personen ausgewählt.

Und wie war das in den 1960er Jahren, Uwe?

UB: Erst gegen Ende des Studiums entstanden auch bei den doch sehr konservativen und individualistischen Juristen Lerngruppen, in denen versucht wurde, den umfassenden Stoff, der für das Examen verlangt wurde, miteinander zu besprechen und sich anzueignen. Für blinde Studierende halte ich das für eine sehr gute Möglichkeit, Kontakte zu vertiefen, aber auch zu dokumentieren, dass wir in solchen Gruppen durchaus mithalten können. Zum Ende des Studiums war ich dann auch bei einem Repetitor. Hier gab es (auch mein Repetitorium war relativ klein) gute Chancen, Leute besser kennen zu lernen, die man in den Vorlesungen nur zufällig traf und dann vielleicht nie wieder.

Eine andere ganz interessante Möglichkeit für solche Kontakte sind Seminare der Professoren, die nicht so überfüllt waren wie die Vorlesungen. Hast du, Stephan, auch solche Erfahrungen gemacht?

SE: Das Angebot an Seminaren, Arbeitsgemeinschaften und Begleitkollegs - je nach Universität und Fakultät ist die Bezeichnung anders - ist wahrscheinlich größer. Gerade in Niedersachsen wurde das Angebot durch die Studiengebühren enorm ausgeweitet. Für die Grundvorlesungen gab es die Begleitkollegs (BK). In diesen haben fortgeschrittene Studenten, Doktoranden und wissenschaftliche Hilfskräfte den Stoff der Vorlesungen wiederholt und anhand von praktischen Fällen aufgearbeitet. Hierüber kam selbst ich mit anderen Studenten in engeren Kontakt; denn die Größe war auf 25 beschränkt. Wenn man sich einen Termin von 18 bis 20 Uhr aussuchte, hatte man teilweise auch nur 3 bis 5 Personen in einem BK sitzen.

30 Prozent des Examens werden in Göttingen durch eine vorbereitende und zwei richtige Seminararbeiten erbracht, bei denen ein von den Professoren ausgewähltes Thema behandelt wird. Hier schreibt man eine 30-seitige Arbeit. So habe ich im Rahmen meiner vorbereitenden Seminararbeit zum Thema Befristungsmöglichkeiten im Bühnenarbeitsrecht an einem sog. "Moot-Court" beim Bundesarbeitsgericht teilgenommen. Das ist eine simulierte Gerichtsverhandlung. So wurde an Stelle der Präsentation meiner Arbeit die mündliche Gerichtsverhandlung bewertet. UB: Das Jurastudium besteht nun aber nicht nur aus Vorlesungen, Seminaren und Lerngruppen. Es gilt, Leistungsnachweise zu erbringen. Bei uns waren das Hausarbeiten, Klausuren und für das Examen auch eine mündliche Prüfung. Welche Nachteilsausgleiche hast du dafür bekommen, und wie bist du dabei vorgegangen?

SE: Ich habe die Klausuren an einem von der Uni bereitgestellten Notebook mittels Sprachausgabe geschrieben, und zwar je nach Lust des Prüfers entweder in einem separaten Raum oder mit den anderen zusammen im Hörsaal. Die Klausur bekam ich auf einem USB-Stick und habe sie auch darauf abgegeben. Meine Schreibzeit wurde um 50 Prozent verlängert. Hierfür musste ich einen formlosen Antrag beim Prüfungsamt der Fakultät stellen und ein einfaches ärztliches Attest vorlegen. Bei den Hausarbeiten gab es keine Zeitvorgabe. Die Assistenz brauchte ich nicht genehmigen lassen; denn sie hat mir ja keine inhaltliche Hilfestellung gegeben.

Bei den schriftlichen Examensprüfungen hatte ich wie an der Uni eine Schreibzeitverlängerung. Dieses Mal musste ich neben dem formlosen Antrag ein amtsärztliches Attest vorlegen. Die schriftlichen Prüfungen im Staatsexamen dauern regulär 5 Stunden und für mich somit 7,5 Stunden. Nun gehe ich im Herbst den eigentlichen Teil des Schwerpunktes an. Da bei den Seminararbeiten eine Zeitvorgabe besteht und durch das Digitalisieren von Literatur mitunter viel Zeit verstreicht, werde ich auch dort eine Zeitverlängerung in Anspruch nehmen.

Und wie war das für dich, Uwe?

UB: Die Klausuren für die Leistungsscheine durften blinde Studierende in Marburg damals zu Hause schreiben und am nächsten Tag abliefern, natürlich mit der Versicherung, keine unerlaubten Hilfsmittel verwendet zu haben. Im Examen hatten wir Zeitverlängerungen bei der Hausarbeit und den Klausuren. Die Klausuren schrieben wir in einem gesonderten Raum. Dazu durften wir unsere eigene Schreibmaschine und eine Vorlesekraft mitbringen, die natürlich von Jura unbeleckt sein musste. Etwas anderes hätte auch ich nicht gewollt; denn bekanntlich haben zwei Juristen zu fast allen Fragen drei verschiedene Meinungen. Die mündliche Examensprüfung lief dann ganz normal in einer Gruppe von Kandidaten und Kandidatinnen ab. Gesetzestexte hatten wir natürlich nicht dabei; denn das hätte mindestens einen voluminösen Rollkoffer erfordert. Da musste man sich schon auf ein gutes Gedächtnis verlassen und ggf. den Mut haben, gezielt nachzufragen.

SE: Heute ist bei uns immer von Auslandsaufenthalten und Spezialisierung die Rede. Wie war das damals bei euch?

UB: Außerhalb des Völkerrechts, für das sich damals nur wenige interessierten, spielte eine internationale Orientierung so gut wie keine Rolle. Eher gab es noch Vorlesungen zum römischen oder zum Kirchenrecht als zur Europäischen Gemeinschaft, geschweige denn zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Stephan, dein Weg als Jurist ist ja nicht mit dem ersten Examen zu Ende? Wie soll es danach bei dir weitergehen, und welche Möglichkeiten gibt es heute allgemein?

SE: Nach dem ersten Examen stellt sich zunächst die Frage, ob man in den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) geht oder zuvor promoviert. Auch ein Masterstudium im Ausland ist eine Option. Richtiger Jurist (Volljurist) ist man erst mit dem zweiten Staatsexamen. Ich habe zwar eine Zeit lang mit einer Promotion geliebäugelt, aber ich bin inzwischen der Meinung, dass ich mich nicht ein Jahr oder länger mit einem speziellen Thema beschäftigen möchte. Eine wissenschaftliche Karriere strebe ich nicht an, und das "Dr. Engelhardt" ist es mir nicht wert. Ich glaube auch, dass ein Doktortitel heute weniger Bedeutung hat als früher.

Über ein Masterstudium im Ausland kann man seine Sprachkenntnisse und Erfahrungen mit ausländischem Recht verbessern. Viele machen das bereits im Studium. Mitunter ist es auch möglich, schon vor dem ersten Examen einen Master im Ausland zu machen. Über die Europäische Union und das Erasmus-Programm ist es ebenso wie über Partnerschaftsprogramme der Fakultäten kein großer Aufwand mehr. Mit mittlerweile zwei Kindern ist der Drang in die Ferne bei mir aber nicht groß.

UB: Promotion und Referendariat waren natürlich auch bei uns die gängigen Wege, wobei ich mich für das Referendariat entschied, das ich dann auch nicht mehr in Marburg, sondern in Schleswig-Holstein absolviert habe. Dabei sind gleichfalls verschiedene Alternativen zu eher ungewöhnlichen Aktivitäten möglich, etwa Wahlstationen im Ausland oder bei einem Parlament. Hier ist aber ein erhebliches Maß von Eigeninitiative erforderlich, denn in den Schoß fallen einem solche Angebote nicht.

SE: Wie würdest du deine Wahl des Jurastudiums nachträglich bewerten, und wie siehst du die Situation heute?

UB: Ich glaube, unser Gespräch hat gezeigt, dass es nicht ganz einfach war, in den 1960er Jahren als Blinder Jura zu studieren, auch wenn es in der Bundesrepublik schon damals eine ganze Reihe erfolgreicher blinder und sehbehinderter Juristen gab. Vieles, was heute für das Studium fast selbstverständlich geworden ist, etwa die Möglichkeit, eigene Texte auch eigenständig zu kontrollieren oder die Recherche in juristischen und allgemeinen Datenbanken, gab es damals schlicht noch nicht. Andererseits scheint mir die Stofffülle, die man fürs Examen braucht, trotz gegenteiliger Versuche bei den Reformen der Juristenausbildung eher größer geworden zu sein. Der Druck des Examens, der immer schon hoch war, hat sich nach meiner Wahrnehmung noch weiter erhöht. Die Feststellung eines Richters des Bundesgerichtshofs, "Jura ist leicht", ist für mich unter diesen Bedingungen eher anmaßend.

Und wie siehst du das, Stephan?

SE: Vielleicht habe ich einfach Glück, oder das böse Erwachen kommt mit meinem Examensergebnis, aber ich würde diese These wohl unterschreiben. Mir macht das Studium Spaß, wenn es auch beschwerlich ist, für Seminar- und Hausarbeiten zügig zu arbeiten. Die übrigen Schwierigkeiten von früher sind weitgehend verschwunden. Hausarbeiten werden nicht mehr an der Schreibmaschine getippt. Mit Computer und Sprachausgabe kann man eigenständig schreiben und einen großen Teil recherchieren. Die früher vorherrschenden Universitätskataloge und Karteikästen wandern mehr und mehr ins Museum.

In den 60er Jahren bestand die Schwierigkeit einer Hausarbeit darin, überhaupt einschlägige Rechtsprechung und Literatur zu finden. Heute ist die Schwierigkeit, die entsprechende Rechtsprechung und Literatur zu erkennen. Ob der Examensstoff mehr geworden ist, mag ich nicht beurteilen. Die Kerngebiete sind gleich. Die Europäische Union führt vielleicht dazu, dass die Väter des Bürgerlichen Gesetzbuches sich bei Vorschriften mit beispielsweise seitenlangen Aufzählungen im Grab herumdrehen, aber es steht auch viel mehr im Gesetz als früher und diese Vorschriften muss man "nur" lesen und verstehen. Viel zu viele Studenten lassen sich verrückt machen. Man kommt auch heute mit juristischem Verständnis und Logik weit.

Bildbeschreibungen: Der Artikel enthält zwei Fotos. Eines zeigt dasselbe Motiv, das bereits auf dem horus-Titel zu sehen ist. Uwe Boysen und Stephan Engelhardt sitzen Rücken an Rücken auf zwei Stühlen. Uwe Boysen hält einen Stenostreifenschreiber auf seinem Schoß, aus der ein langer Papierstreifen mit Punktschriftnotizen heraushängt. Stephan Engelhardt hat den aufgeklappten Laptop auf dem Schoß, über Kopfhörer hört die Informationen, die ihm die Sprachausgabe vorliest. Im Hintergrund ist ein Regal mit Aktenordnern und Büchern zu sehen. Auf dem zweiten Foto ist der von Uwe Boysen verwendete Stenostreifenschreiber in Großaufnahme abgebildet. Fotos: DVBS/Christina Rausch


Inklusion braucht Qualität! Faire Bildung für alle Kinder

Inklusion braucht Qualität. Der Leitspruch der Auftaktveranstaltung zum 100-jährigen Jubiläum ist für die Deutsche Blindenstudienanstalt Programm: Die blista steht dafür, blinden und sehbehinderten Kindern die besten Startchancen ins Leben zu geben.

Doch wie kann Unterricht mit sinnesbehinderten Kindern und Jugendlichen inklusiver und damit auch chancengleich werden? Was brauchen die Akteure unseres schulischen Bildungswesens dafür? Wo sehen sich Kinder und Jugendliche mit Sinnesbehinderungen in der Klasse, in Schule und Gesellschaft? Mit welchen Methoden und Instrumenten können Experten wie die blista unterstützen …?

Im Rahmen einer großen Fachtagung möchte die blista am 5. November 2015 den Austausch über inklusive Pädagogik und Didaktik stärken. Gleichzeitig geht es darum, das Augenmerk auf die zahlenmäßig sehr kleine Gruppe von Kindern mit Sinneseinschränkungen zu lenken. Denn in den öffentlichen Diskussionen der letzten Jahre um Inklusion gerieten die spezifischen Bedarfe dieser Gruppe oft außer Acht.

"Vergnügt, selbstständig und selbstbewusst: Die "Blistaner" auf dem Foto lassen keinen Zweifel daran, dass sie ihr Leben zu meistern verstehen", erklärt blista-Direktor Claus Duncker und führt aus: "Im Sinne bestmöglicher Bildung und Teilhabe erhalten sie - wie alle Schülerinnen und Schüler - eine Förderung, die sich am persönlichen Bedarf und Potenzial orientiert. Dazu arbeiten wir seit vielen Jahren mit unseren Partnerschulen und den Vereinen der Stadt Marburg zusammen. Darüber hinaus beraten wir in der Region. Unsere umfangreichen Erfahrungen in inklusiven Settings mit blinden und sehbehinderten Schülern möchten wir gemeinsam fortentwickeln und weitergeben."

Fachtagung in Marburg

Mit der konzeptionellen Ausrichtung der hochkarätig besetzten Tagung beschreitet die blista neue Wege: Erstmals treten wir in unserer jungen Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten in die Öffentlichkeit. Denn gemeinsam sind wir der Auffassung, dass ein hoch qualifizierter Austausch über Pädagogik und Didaktik für Kinder und Jugendliche mit Sinnesbehinderungen dringend nötig ist, damit betroffenen Schülerinnen und Schülern im gemeinsamen Unterricht an den vielfältigen Schulen im Lande tatsächlich chancengleiche Bildung zuteilwird.

Ein faires schulisches Bildungsangebot verlangt eine Teilhabe, die durch die Selbstbestimmtheit und die Gleichberechtigung aller gestaltet wird. Ob Punktschrift, Gebärdensprache, moderne Kommunikationshilfen oder barrierefreie Zugänge, ob Mathe, Musik, Sport oder Fremdsprachen … - für Kinder und Jugendliche mit einer Sinnesbehinderung sehen wir Handlungsbedarf! Denn selbst aus Dänemark, dem Vorreiter schulischer Inklusion, wurden zuletzt alarmierende Zahlen berichtet: Nicht nur die Noten wurden schlechter, seit Einführung der Inklusion stieg die Schulabbrecherquote blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler auf 44 Prozent. Die Konsequenz: Mit 85 Prozent hat Dänemark die höchste Arbeitslosenquote blinder und sehbehinderter Menschen in Europa. "Eine gute schulische Bildung und Ausbildung - das zeigt die fast 100-jährige Erfahrung des DVBS - ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Übergang in das richtige Studium, die passgenaue Ausbildung und eine den eigenen Ansprüchen gerecht werdende Berufstätigkeit", betont Uwe Boysen als 1. Vorsitzender des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS). Andreas Kammerbauer, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten, ergänzt: "Inklusion im Schulbereich ist nötig und möglich. Damit Lehrkräfte sich auf die spezifischen Anforderungen hörgeschädigter Kinder einstellen können, ist nicht nur guter Wille, sondern Qualifizierung und die notwendigen Rahmenbedingungen gefragt."

Zusagen aus Wiesbaden und Berlin

Die Zusagen von Staatsminister Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz und von Prof. Dr. Vera Moser von der Humboldt-Universität Berlin verleihen der Tagung das nötige Gewicht, um die spezifischen Bedingungen für eine gelingende Inklusion im Diskurs voranzubringen. Angefragt ist zudem der Universitätsprofessor für Gebärdensprachen und Gebärdensprachdolmetschen Prof. Dr. Christian Rathmann von der Universität Hamburg. Darüber hinaus werden in Marburg auch die Schüler zu Wort kommen. Ob blind, gehörlos, hörgeschädigt oder sehbehindert - die Tagungsthemen umspannen das Leben und Lernen junger Leute mit Sinneseinschränkungen. Eine Begleitausstellung und die anschließenden Workshops werden über inklusive Methoden, Instrumente und Angebote informieren.

Die Fachtagung wendet sich an alle, die Bildung mitgestalten wollen: von Politik und Verbänden über Schulleitungen, Schulämter, Experten, Lehrerinnen und Lehrer, bis hin zu Eltern und Schülerinnen und Schülern.

Bildbeschreibung: Das Foto zeigt drei "Blistaner", die lachend den Bürgersteig in der Marburger Straße "Ketzerbach" entlanglaufen. Die beiden Mädchen und der Junge laufen eingehakt nebeneinander her, der Junge rechts im Bild benutzt einen Langstock. Er zieht einen Trolley hinter sich her. Foto: blista


Gedanken einer Abiturientin

Der folgende Text wurde bei der Verabschiedung der Absolventen der Carl-Strehl-Schule von Nicole Riegert im Poetry-Slam-Stil vorgetragen. Zu Beginn ihrer Abirede gibt Nicole einen kurzen Dialog mit einem ihrer Lehrer wieder.

Er: "Also verstehen Sie mich nicht falsch, aber in den letzten Jahren ist ja nicht so viel passiert. Ich hätte mir schon manchmal ein bisschen mehr Stress gewünscht."

Ich: … "OHA!"

Er: "Ja, aber man kann ja schlecht sagen "Jetzt stellt mal was an" am Ende heißt es dann wieder: der Herr XY hat aber gesagt …"

An dieser Stelle möchte ich mich erst einmal für unseren schlechten Unterhaltungswert entschuldigen, es tut mir wirklich sehr leid. Im Grunde gibt es vor allem drei Dinge, die ich in der Schule gelernt habe:

  1. Die menschliche DNA entspricht zu 50 Prozent derer einer Tomate. Bei manchen ist es noch etwas mehr.
  2. Egal was du tust, du machst immer etwas falsch, also lass es lieber gleich.
  3. (und das ist wichtig in Verbindung mit 2.) Für absolut - ABSOLUT - alles gibt es eine Ausrede!

Mit dieser beeindruckenden Ansammlung an überlebenspraktischen Fertigkeiten im Gepäck bin ich bisher recht gut gefahren und deshalb habe ich beschlossen, auch in Zukunft auf Bewährtes zu setzen.

"Chef, ich konnte die Präsentation leider nicht ausarbeiten, … mein Nervenkostüm war mal wieder in der Reinigung."

Wahlweise lassen sich diese Erkenntnisse auch wunderbar miteinander kombinieren: "Du, Schatz, ich habe vergessen, wo ich das Baby hingelegt habe, es tut mir leid, du weißt ja - ich bin zu 75 Prozent Tomate."

Apropos Zukunft: wir werden ja immer gefragt, was wir denn für Pläne haben. Ich antworte dann immer genau das, was ich vor zehn Jahren schon gesagt hätte: … Astronaut! Das liegt vor allem daran, dass es im All wahrscheinlich wesentlich weniger Menschen gibt, die mir die Frage stellen könnten, was ich denn nun eigentlich mit meinem Leben anfangen möchte.

Überhaupt muss ich seit dem Abitur feststellen, dass für viele Erwachsene "morgen" nicht einfach mehr nur noch der Tag nach heute ist. Ihnen scheinen im Nachhinein einfach viel zu viele Dinge eingefallen zu sein, die sie in der "Erziehung" versäumt haben.

Ich gebe ja durchaus zu, dass beispielsweise meine Fertigkeiten im Kochen sich immer noch darauf beschränken, Milch über das Müsli zu kippen, dass Zimmerpflanzen, die man nicht rauchen kann, keine hohe Lebenserwartung bei mir haben und dass die Karriere als Gespensterjäger mir auch immer noch wesentlich lukrativer scheint als die eines Büroangestellten … und wäre dies eine dieser romantischen Ansprachen, würde an dieser Stelle wahrscheinlich so etwas kommen wie "Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum", aber letztendlich haben die meisten von uns ihre Weltherrschaftspläne nach der Erkenntnis des Mangels an mathematischem Verständnis schon in der Unterstufe verworfen.

Jetzt hast du entweder einen Plan oder du hast eben keinen; denn Pläne MACHEN und überhaupt Selbstzweifel im Allgemeinen machen verständlicherweise denkbar unsexy. Ich selbst allerdings habe einerseits einfach keine Lust, mir von notorischen "Man-lebt-nur-einmal"- Menschen ständig Standpauken anzuhören, warum ich denn jetzt um vier nachts schon ins Bett will und andererseits hab ich eben auch doch so viel Schiss, dass ich meine Pläne zweimal am Tage ändere - und zwar noch vor dem Frühstück. Aus diesen Gründen begnüge ich mich gerade einfach damit, jetzt erst mal morgens unglaublich lange auszuschlafen. Nebenbei bemerkt stelle ich es mir nämlich auch ganz schön vor, samstags abends mal nur gemütlich mit ein paar Freunden auf dem eigenen Balkon und den Kleinen in der Verwandtschaft beim Wiedersehen mit einem liebevollen "Neiiiin, was bist du groß geworden!" in die Wange zwicken zu können.

Aber mal ernsthaft, ich hab keinen Plan B, weil ich noch nicht mal einen Plan A hab. Ich hab verdammt Schiss, weil ich mich viel zu sehr darauf verlasse, dass jemand aus meinem Freundeskreis schon Steuerberater … oder Anwalt oder Elektriker werden wird. Und ich hab Schiss, dass ich dann alleine auf Gespensterjagd gehen muss. Ich hab Angst, dass ich zu wenig von der Welt entdecken kann oder dass ich genug von ihr entdecken kann und mich das dann trotzdem nicht glücklicher oder weiser oder zumindest gelassener macht.

Ja, ich hab keinen Plan B, ich hab so viele Zweifel, aber … ich hab auch ein paar Ideen und eine ganze Menge Fragen und ein bisschen Fantasie. Ich hab Fernweh und Wissensdurst und oft zu viel Melancholie. Und ich hab ja auch noch ein wenig Zeit und eigentlich nichts zu verlieren. Aber vor allem hab ich eine Telefonliste mit Nummern von Leuten, denen ich gar nicht erst die Chance geben werde, mich zu vergessen. Und irgendwas macht man doch immer falsch, also mach ich´s vielleicht einfach so, wie ich mir das vorgestellt hab und steh dann mal dazu. Wie sagt man so schön: "Niemand hat gesagt, dass erwachsen werden bedeutet, dass man aufhören muss Kind, zu sein."

Wenn euch also heute jemand fragt, was ihr denn nun werden wollt, dann antwortet am besten einfach: "Ich bin doch schon was! Ich weiß zwar nicht genau was, aaaber das kriegen wir sicher irgendwie auch noch raus."

Zur Autorin

Nicole Riegert wurde 1996 in der Eifel geboren. Sie besuchte zunächst eine Regelschule und war von 2011 bis zu ihrem erfolgreich absolvierten Abitur 2015 Schülerin der Carl-Strehl-Schule. Ihre Leistungskurse waren Deutsch und Englisch. Ab Herbst möchte Nicole in Marburg Sozialwissenschaften studieren.

Bildbeschreibung: Das Foto wurde während der Verabschiedung der Abiturienten der Carl-Strehl-Schule in der Sporthalle der blista aufgenommen. Der Fotograf stand auf der Empore, sodass eine "Panoramaaufnahme" entstanden ist. Am Rednerpult ist Nicole Riegert zu sehen. Sie spricht dem Publikum zugewandt, das in Stuhlreihen in einem leichten Halbkreis vor ihr sitzt. Foto: blista


Bildung und Forschung

Inklusive Bildung in Hochschulen und Professionalisierung der Lehrenden

Empfehlung des "Bündnis barrierefreies Studium"

Vorbemerkungen

Die gleichberechtigte Teilhabe der Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten an der Hochschulbildung wird vielfach dadurch erschwert, dass Lehrenden das Wissen um die unterschiedlichen Bedarfe behinderter oder chronisch kranker Studierender und um die barrierefreie Gestaltung von Lehr- und Lernmethoden fehlt. Die Hochschulrektorenkonferenz forderte bereits 2009 in ihrer Empfehlung "Eine Hochschule für Alle.", dass "Lehrende … es als Teil ihres Lehrauftrags ansehen (sollten), in Lehre und Beratung systematisch die besonderen Belange der Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten einzubeziehen". Die 2013 von BMBF, BMAS und KMK gemeinsam veranstaltete Nationale Konferenz zur inklusiven Bildung bekräftigte den Handlungsbedarf im Bereich einer inklusiven Hochschullehre.

An weniger als der Hälfte der Hochschulen gibt es Materialien wie z.B. Leitfäden oder Merkblätter für Lehrende, die diese mit den Belangen Studierender mit Behinderungen und chronischen Krankheiten vertraut machen, über deren Recht auf angemessene Vorkehrungen (z.B. Nachteilsausgleiche) aufklären und für eine barrierefreie Gestaltung von Lehre und Prüfungen sensibilisieren sollen. Nur vereinzelt werden an den Hochschulen Sensibilisierungs- und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrende und Prüfende zu barrierefreier Hochschullehre angeboten.

Informationsmaterialien und Angebote zur Weiterbildung zu barrierefreier Hochschullehre werden gegenwärtig i.d.R. durch die Beauftragten für die Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten gestaltet. Hochschuldidaktiker/innen verfügen bisher i.d.R. nicht über entsprechendes Fachwissen. Hochschulexterne Anbieter von Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema barrierefreie Hochschullehre gibt es nicht.

Hochschullehrenden fehlen vor Ort zumeist die notwendigen Angebote, um sich bei Bedarf zur barrierefreien Gestaltung ihres Lehrangebotes informieren und beraten zu lassen. Ebenso fehlen an den meisten Hochschulen notwendige materielle Ressourcen wie z.B. Umsetzungsdienste zur sehgeschädigtengerechten Adaption von Studienmaterialien.

In den Ausschreibungen der Länder zu Programmen zur Förderung der Lehre oder zu Wettbewerben sowie in den Aktivitäten der in diesem Bereich engagierten Verbände und Stiftungen spielt Behinderung kaum eine Rolle. Dies gilt auch für die Ausschreibung des von Bund und Ländern geförderten Qualitätspakts Lehre und der in diesem Rahmen durchgeführten Projekte.

Hochschuldidaktische Forschung beschäftigt sich bisher nicht mit den Fragen einer barrierefreien Hochschuldidaktik.

Handlungsempfehlungen

Hochschulen

a) Information und Beratung

  • Gewährleistung von Beratungsangeboten zu barrierefreier Hochschullehre für Lehrende
  • Bereitstellen von Informationen (z.B. in Form von Leitfäden zu barrierefreier Lehre, Anleitungen zur Erstellung barrierefreier Materialien bzw. E-Learning-Angeboten) für die Lehrenden zur barrierefreien Gestaltung von Lehr- und Lernangeboten

b) Sensibilisierung und Qualifizierung

  • Gewährleistung von Angeboten zur Sensibilisierung der Lehrenden für die Bedarfe von Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten
  • Gewährleistung von Angeboten zur Qualifizierung der Lehrenden zur barrierefreien Gestaltung von Lehr- und Lernangeboten
  • Entwicklung von Qualifizierungsmodulen zu barrierefreier Hochschullehre, die sich als Bausteine in hochschuldidaktische Fortbildungen für Lehrende wie z.B. in Fortbildungen zu "Lehr- und Lernkonzepten", "Faires Prüfen" oder zum "Lehren in großen Veranstaltungen" einfügen lassen
  • Aufnahme von (Pflicht-)Modulen zu Barrierefreiheit in der Lehre in die Zertifizierungsprogramme für gute Hochschullehre bzw. die Qualifizierungsangebote für Neu-Lehrende (z.B. Start in die Lehre)
  • Schaffung von Anreizen für Hochschullehrende zur Nutzung von Angeboten zur Sensibilisierung bzw. Qualifizierung für eine barrierefreie Hochschullehre durch z.B. Nachweis der Befähigung zu barrierefreier Lehre als verpflichtendes Kriterium bei Berufungen

c) Infrastrukturmaßnahmen

  • Schaffung der nötigen infrastrukturellen Voraussetzungen (z.B. Umsetzungsdienste zur sehgeschädigtengerechten Adaption von Studienmaterialien) für eine barrierefreie Lehre durch eigene Angebote, Dienstleistungsverträge oder Verbundlösungen mit anderen Hochschulen
  • Gewährleistung der Barrierefreiheit beim Einsatz von Medien in der Lehre (Audiodeskription, Gebärdensprachübersetzung, Untertitelung)

Bund

  • Aufnahme von Barrierefreiheit als Vergabekriterium und Themenschwerpunkt in Programme zum Thema Hochschullehre
  • Ermöglichung von Modellvorhaben / Programmen zur Förderung barrierefreier Hochschullehre ggf. gemeinsam mit den Ländern

Länder

  • Aufnahme von Barrierefreiheit als Kriterium und Themenschwerpunkt in die Ausschreibung von Wettbewerben und Preisen zum Thema

Hochschullehre

  • Ermöglichung von Modellvorhaben / Programmen zur Förderung barrierefreier Hochschullehre

Hochschuldidaktische Forschung

  • Untersuchung der Bedarfe der Hochschullehrenden zu barrierefreier Hochschullehre
  • Aufbereitung, Evaluation und Transfer bisheriger Sensibilisierungs- und Qualifizierungsangebote zu barrierefreier Hochschullehre
  • Entwicklung von Modulen zu Einzelfragen barrierefreier Hochschullehre, die in das reguläre Weiterbildungsangebot der Hochschulen eingebunden werden können
  • Aufbereitung internationaler Erfahrungen zu barrierefreier Hochschullehre für das hochschuldidaktische Angebot der Hochschulen

Stiftungen und Fachverbände

  • Engagement für das Thema barrierefreie Hochschullehre
  • Aufgreifen von Fragestellungen barrierefreier Hochschullehre im eigenen Angebot (z.B. in Wettbewerben, Auszeichnungen, Veranstaltungen, Weiterbildungen), Entwicklung von Angeboten zur Qualifizierung der Fortbilder/innen in barrierefreier Hochschullehre (z.B. Hochschuldidaktiker/innen, Mediendidaktiker/innen, Verantwortliche für akademische Personalentwicklung)

Dem "Bündnis barrierefreies Studium" gehören an:

  • BAG Behinderung und Studium e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Hörbehinderter Studenten und Absolventen e.V. (BHSA)
  • Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS)
  • Sozialverband VdK, Bundesverband
  • DoBuS - TU Dortmund; Zentrum für HochschulBildung / Bereich Behinderung und Studium
  • Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung (KIS) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
  • Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) des Deutschen Studentenwerks

DVBS gibt Stellungnahmen zu Novellierung der Hochschulgesetze ab

Im Zuge der geplanten Novellierung der Hochschulgesetze in Schleswig-Holstein und Hessen hat der DVBS Stellungnahmen abgegeben. Die Novellierung ließ das Thema Barrierefreiheit in beiden Bundesländern unberücksichtigt, was der DVBS zum Anlass nahm, auf die Belange schwerbehinderter Studierender aufmerksam zu machen. Die Stellungnahmen wurden auf der Website des DVBS unter http://www.dvbs-online.de/php/dvbs-news607.htm und http://www.dvbs-online.de/php/dvbs-news609.htm veröffentlicht.


Bundesregierung kündigt Befragung „Beeinträchtigt studieren“ an

In einer Kleinen Anfrage erkundigten sich die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen nach den Leistungen der Bundesregierung für Studierende mit Behinderungen. In ihrer Antwort kündigt die Bundesregierung an, erneut eine Studierendenbefragung "beeinträchtigt studieren" zu fördern. "best2" soll in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode aktuelle Daten zur Lage behinderter Studierender an deutschen Hochschulen zur Verfügung stellen. Hier die Antwort der Bundesregierung: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/043/1804369.pdf


Mit Coaching zum Bachelor oder Master

Universität Siegen stellt Gelder für die Studienabschlussunterstützung chronisch kranker oder schwerbehinderter Studierender zur Verfügung

An der Universität Siegen bekommen schwerbehinderte und chronisch kranke Studierende Unterstützung in Form eines Coachings: Die Art der Hilfe und deren Dauer sei dabei von Person zu Person verschieden. Dr. Ulrich von Felbert (Behindertenbeauftragter der Universität Siegen): "Der Gedanke ist, dass Leute mit einem ersten Hochschulabschluss, die das gleiche Fach studieren wie der/die zu Unterstützende, als eine Art Coach fungieren." Sie sollen gezielte Studienabschlussunterstützung leisten. Dabei kann es sich beispielsweise um konzeptionelle Unterstützung bei der Fertigung einer Abschlussarbeit handeln, um Korrekturlesen oder um gezielte Vorbereitung auf eine mündliche Prüfung. Im Frühjahr 2014 stellten Dr. Ulrich von Felbert und Matthias Baumunk in seiner Funktion als AStA-Sozialreferent einen Antrag auf Bezuschussung/Finanzierung der Studienabschlussunterstützung aus Qualitätsverbesserungsmitteln. Diesem Antrag stimmte das Rektorat der Universität Siegen zu. 24.000 Euro stehen erst einmal für das Projekt zur Verfügung. Einer schwerbehinderten Studentin wird bereits Unterstützung bei der Abfassung ihrer Examensarbeit zuteil. Bereits seit dem Wintersemester 2013/14 organisiert Dr. Ulrich von Felbert mit Hilfe einer studentischen Hilfskraft gezielt Unterstützung für chronisch kranke oder schwerbehinderte Studierende. Die Hilfskraft ist beispielsweise den blinden Studierenden bei der Aufbereitung von Literatur behilflich.


Recht

„Die Umsetzung der UN-BRK ist längst nicht abgeschlossen“

Am 24. Juni fand im dbb forum berlin die Veranstaltung "Prüfung abgelegt - und nun? Die Empfehlungen des Fachausschusses zur UN-Behindertenrechtskonvention als Impulsgeber für Bund und Länder" statt. Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention und die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen veranstalteten die Konferenz gemeinsam.

Deutschland hat sich auf den Weg gemacht: Nachdem der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinen Abschließenden Bemerkungen zur Staatenprüfung klar aufgezeigt hat, dass Deutschland mehr tun muss für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), ist ein allererster Schritt vollbracht. Am 24. Juni kamen auf Einladung der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und der Monitoring-Stelle zur UN-BRK rund 250 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammen, um im dbb forum in Berlin Konsequenzen aus den Abschließenden Bemerkungen auf Bund-, Länder- und Kommunalebene zu diskutieren.

In ihrem Grußwort verdeutlichte Verena Bentele, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, dass die 62 Empfehlungen aufzeigen, dass es in vielen Feldern und auf allen staatlichen Ebenen dringenden Handlungsbedarf gebe. Ziel der Veranstaltung sei es, so Bentele, die neue Umsetzungsphase der UN-BRK unter Einbeziehung der Abschließenden Bemerkungen einzuläuten. "Wenn wir heute Abend diesen Ort mit Erkenntnissen verlassen; wenn Ideen entwickelt werden und wenn klar ist, wer wann welche Schritte gehen muss, dann können wir zufrieden sein."

Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-BRK, betonte in seiner Eröffnungsrede, dass die laufende Umsetzung im neuen Lichte der Abschließenden Bemerkungen zu bewerten ist. Das mache in Bezug auf die laufenden Umsetzungsbemühungen teilweise eine Richtungsänderung, eine Veränderung der Prioritätensetzung sowie die Aufnahme weiterer Punkte im Umsetzungsprogramm erforderlich.

Im anschließenden Einführungsvortrag umriss Theresia Degener, Professorin für Recht und Disability Studies an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, das weite Spektrum an Themenfeldern, mit dem sich der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Staatenprüfung Deutschlands befasst hat. Degener unterstrich damit, dass Deutschland im internationalen Vergleich zwar nicht schlechter dastehe, sich jedoch zahlreiche konkrete, auf Deutschland bezogene Umsetzungsaufgaben stellten.

Mit Rückenwind aus Genf zurückgekommen

In der danach folgenden Podiumsdiskussion, die überschrieben war mit "Die Aufgabenstellung für Bund, Länder und Gemeinden", arbeiteten die sechs Teilnehmenden unter Moderation des freien Journalisten Lothar Guckeisen heraus, dass die laufenden Umsetzungsbemühungen der UN-BRK sicherlich auch Fortschritte bedeuten, die zu würdigen sind, jedoch bisherige Maßnahmen wie Aktions- und Maßnahmenpläne im Lichte der Abschließenden Bemerkungen neu bewertet werden müssen.

"Wir sind mit Rückenwind aus Genf zurückgekommen", sagte Gabriele Lösekrug-Möller, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, gefragt nach ihrem Fazit der Staatenberichtsprüfung. Die Empfehlungen des Ausschusses anzugehen, werde sicherlich kein Sprint, sondern sei ein breit angelegter und langfristiger Prozess. Winfried Kron, Leiter des Referats Vereinte Nationen Behindertenrechtskonvention im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, auf dem Podium für die Perspektive der Länder, teilte diese Einschätzung und sprach sich in diesem Zusammenhang für einen "menschenrechtsbasierten Aktionsplan 2.0" aus. Irene Vorholz, Beigeordnete für Soziales und Arbeit beim Deutschen Landkreistag, bezeichnete die Abschließenden Bemerkungen als "positiven Impulsgeber". Gleichzeitig warnte sie im Blick auf die Rückmeldung aus Genf davor, "das Kind mit dem Bade auszuschütten".

"Menschenrechts-Perspektive noch nicht angekommen"

"Eine einzige Arbeitswelt für alle, für Menschen mit und ohne Behinderungen", forderte Ilja Seifert, Vorsitzender des Sprecherrats des Deutschen Behindertenrats. Am Beispiel des Menschenrechts auf Arbeit zeige sich, dass die Menschenrechtsperspektive in der Behindertenpolitik noch nicht angekommen sei, da man an teuren Doppel- und Sonderstrukturen festhalte, kritisierte Seifert.

Auch Verena Bentele unterstrich, dass sich Deutschland keine Doppelstrukturen leisten sollte - "Förderschulen weiter wie bisher zu finanzieren, wird nicht dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung in inklusiven Schulen gleichwertige Lernbedingungen haben wie Schülerinnen und Schüler ohne Behinderung. Das gleiche gilt auch für den Bereich Arbeit: Inklusive Arbeit ist ein Menschenrecht, und um dieses Recht zu verwirklichen, müssen wir investieren."

Kritische Worte kamen von Valentin Aichele, der dazu aufforderte, die Rechte behinderter Menschen auf allen Ebenen viel höher auf die politische Agenda zu setzen. Gerade die menschenrechtlich sensiblen Bereiche müssten vorrangig angegangen werden, insbesondere dort, wo extreme Benachteiligungen erkennbar sind oder der Druck auf Rechte groß ist oder deren Verletzung drohe, wie zum Beispiel die Rechte von Menschen mit psychosozialer Behinderung, das Recht auf unterstützte Entscheidungsfindung oder auch die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen mit Behinderungen. Diese Bereiche dürften nicht länger vernachlässigt werden.

Nach der Mittagspause ging es weiter mit acht Foren, gegliedert in die zwei Blöcke "Allgemeine Verpflichtungen" und "Einzelthemen". Das Forum 1 zum Thema Aktionspläne griff die Kritik des Ausschusses an der Ausrichtung der politischen Umsetzungsinstrumente auf und befasste sich insbesondere mit der menschenrechtlichen Ausrichtung von Aktionsplänen. Forum 2 widmete sich dem Thema "Normenprüfung" und dabei insbesondere der Frage, wie es mit der Überprüfung einschlägiger Gesetze am Maßstab der UN-BRK in Bund und Ländern vorangeht. Um Diskriminierungsschutz und angemessene Vorkehrungen ging es in Forum 3, in Forum 4 wiederum wurden die Möglichkeiten der Partizipation an politischen Prozessen von Menschen mit Behinderung und ihren Selbstvertretungsorganisationen ausgelotet.

Ein Thema, das vielen Teilnehmenden unter den Nägeln brannte, war die Zukunft der Werkstätten: Forum 5, "Werkstätten und inklusiver Arbeitsmarkt", war das meistbesuchte Forum der Konferenz. Forum 6 widmete sich der Lehrerbildung im inklusiven Schulsystem, Forum 7 befasste sich mit Migration und Behinderung und Forum 8 mit Gewaltschutz in Einrichtungen.

"Den Weg vom Papier zum tagespolitischen Handeln"

Am Ende des Tages appellierte Verena Bentele, sich mit voller Kraft dafür einzusetzen, dass die Empfehlungen des Fachausschusses den Weg vom Papier hin zu konkretem politischen Handeln nehmen. "Wir gehen mit prall gefüllten Rucksäcken nach Hause, um konkrete Schritte in Angriff zu nehmen." Valentin Aichele unterstrich, dass auf der Konferenz hochkompetent mit den Abschließenden Bemerkungen gearbeitet worden sei. "Das zeigt, dass die Empfehlungen des Ausschusses wirklich in Deutschland angekommen sind und als verbindlich aufgefasst werden." Das solle so auch sein und mache Mut.


Abschließende Bemerkungen des CRPD

Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD-Ausschuss, CRPD: Concluding observations on the initial report of Germany, Advance Unedited Version) hat Deutschland auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention hin geprüft und am 17. April 2015 seine Abschließenden Bemerkungen zur Staatenprüfung vorgelegt. Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention hat eine deutsche Übersetzung dieser Abschließenden Bemerkungen erstellt. Die Übersetzung hat noch vorläufigen Charakter, weil der Ausschuss am 17. April 2015 keine finale Fassung, sondern eine vorläufige, nicht editierte Fassung ("Advance Unedited Version") veröffentlicht hat. Wir möchten mit der Veröffentlichung dazu beitragen, dass es zu einer Verbreitung der Inhalte und zu intensiven Diskussionen über die Handlungsnotwendigkeiten in allen staatlichen Bereichen und in der Zivilgesellschaft kommt.

Für Rückfragen, insbesondere zur Übersetzung, stehen wir gerne zur Verfügung!

Kurzanalyse der Abschließenden Bemerkungen

Einleitung

Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD-Ausschuss) hat Deutschland zum ersten Mal auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) geprüft. Der eigentlichen Staatenberichtsprüfung vom 26./27. März 2015 vorausgegangen war ein Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand (2011), der von Eingaben aus der Zivilgesellschaft (u. a. BRK-Allianz) und der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention kritisch begleitet wurde.

Parallelbericht der Monitoring-Stelle

Im Anschluss an den Prüftermin in Genf hat das Fachgremium nun die Abschließenden Bemerkungen ("Concluding Observations") verfasst. Dieses Abschlussdokument deckt Probleme auf, benennt Kritikpunkte und formuliert Empfehlungen. Obwohl die Abschließenden Bemerkungen rechtlich unverbindlich sind, setzen sie im verbindlichen Rahmen der UN-BRK inhaltliche Akzente für die weitere Umsetzung der Konvention.

Hinweis: Die Monitoring-Stelle legt die Abschließenden Bemerkungen in deutscher Übersetzung vor. Diese ist vorläufig, weil die Vereinten Nationen bislang lediglich eine "Advance Unedited Version" veröffentlicht haben.

Gliederung der Abschließenden Bemerkungen

Nach einer kurzen Heraushebung positiver Aspekte in Deutschland (siehe Übersetzung Ziffer 4), benennt der CRPD-Ausschuss zahlreiche kritische Punkte und formuliert Empfehlungen, wie Deutschland die Umsetzung der UN-BRK verbessern sollte und welche Aspekte dabei berücksichtigt werden müssen (Ziffern 5-62). Am Ende des Dokuments gibt der Ausschuss Hinweise zu den Folgemaßnahmen und zur Verbreitung der Abschließenden Bemerkungen (Ziffern 63-67).

Zusammenfassung der Empfehlungen

Der CRPD-Ausschuss empfiehlt Deutschland unter anderem:

  • Aktions- und Maßnahmenpläne aufzustellen, die an die Menschenrechte rückgebunden sind (Ziffer 8 b))
  • die Partizipation von Menschen mit Behinderungen inklusiv und transparent zu gestalten (Ziffer 10)
  • bestehende gesetzliche Rechtsvorschriften auf die Vereinbarkeit mit der UN-BRK zu prüfen und zukünftige Rechtsvorschriften mit der Konvention in Einklang zu bringen (Ziffer 12 a) und b))
  • den Diskriminierungsschutz zu einem "umfassenden querschnittsbezogenen Recht zu entwickeln" (Ziffer 14 a))
  • Regelungen zu angemessenen Vorkehrungen als "unmittelbar durchsetzbares Recht" gesetzlich zu verankern (Ziffer 14 b))
  • Frauen und Mädchen, insbesondere Migrantinnen und weibliche Flüchtlinge, besser vor Diskriminierung zu schützen (Ziffer 16 a))
  • eine Strategie zur Beseitigung von Diskriminierung und zur Bewusstseinsbildung zu entwickeln und dabei die Medien zu beteiligen (Ziffer 20 a))
  • die Zugänglichkeit (Barrierefreiheit) in allen Sektoren, einschließlich des Privatsektors, auszuweiten (Ziffer 22 a)); dies betrifft besonders den Zugang zum Recht (Ziffer 28 a))
  • bei der rechtlichen Betreuung alle Formen der ersetzten Entscheidung abzuschaffen und an ihre Stelle die unterstützte Entscheidung treten zu lassen (Ziffer 26 a))
  • die Sterilisation an Erwachsenen mit Behinderungen ohne uneingeschränkte freie und informierte Einwilligung gesetzlich zu verbieten (Ziffer 38 a))
  • die persönliche Integrität intersexueller Kinder besser zu schützen (Ziffer 38 c))
  • im Interesse einer inklusiven Gesellschaft das segregierende Schulwesen zurückzubauen (Ziffer 46 b))
  • die gesetzlichen Regelungen, die Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht vorenthalten, zu streichen (Ziffer 53))
  • die deutsche Entwicklungszusammenarbeit - sei es in Bezug auf Partnerländer oder in Bezug auf internationale Organisationen - konsequent inklusiv zu entwickeln (Ziffer 60))
  • in allen Bundesländern institutionelle Vorkehrungen (sogenannte Focal Points) zu schaffen beziehungsweise die Unabhängigkeit der Behindertenbeauftragten der Länder zu stärken (Ziffer 62).

Für die hiesige Diskussion eher neu sind die Themen Inklusiver Notruf und Katastrophenschutz (Ziffer 24) sowie der starke Akzent auf die Perspektive von Menschen mit Migrationsgeschichte und Flüchtlingen.

Schwerpunkte der Empfehlungen

Die Inklusion betreffend, fordert der Ausschuss, Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung in der Gemeinde zu erleichtern (Ziffer 42 b)) statt weiter an Doppelstrukturen in Bildung, Wohnen und Arbeit festzuhalten. Insbesondere sei das segregierende Schulwesen zurückzubauen (Ziffer 46 b) und die Behindertenwerkstätten zugunsten einer Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt schrittweise abzuschaffen (Ziffer 50 b)).

Besondere Aufmerksamkeit widmet der CRPD-Ausschuss dem Rechtsschutz der persönlichen Integrität. Einen stärkeren Schutz der persönlichen Integrität fordert er in Bezug auf Frauen und Mädchen (Ziffer 36), ältere Menschen in Pflege (Ziffer 34) sowie intersexuelle Kinder (Ziffer 38 d)). Aber insgesamt legt er einen Schwerpunkt auf die Rechte von Menschen mit psychosozialer Behinderung und die strukturellen Voraussetzungen für Inklusion.

Dass Deutschland nach Ansicht des Ausschusses Schwierigkeiten hat, die Rechte von Menschen mit psychosozialer Behinderung zu achten, davon zeugen gleich mehrere Empfehlungen. So empfiehlt der Ausschuss, die Verwendung körperlicher und chemischer Freiheitseinschränkungen in Einrichtungen zu verbieten (Ziffer 34 b)). Und weiter: psychiatrische Behandlungen und Dienstleistungen haben auf der Grundlage der freien und informierten Einwilligung zu erfolgen (Ziffer 38 b), flankiert durch Ziffer 48).

Wie geht es weiter?

Deutschland muss im April 2016 Informationen über die Maßnahmen vorlegen, die getroffen wurden, um die Empfehlungen des Ausschusses zum Gewaltschutz von Frauen und Mädchen umzusetzen (Ziffer 36). Der nächste reguläre Staatenbericht wird von Deutschland zum 24.03.2019 erwartet (Ziffer 67).

Schlussbewertung der Monitoring-Stelle

Die Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses verdeutlichen die umfangreichen Aufgaben, die Deutschland angehen muss, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen konsequent weiter umzusetzen. Dabei gelingt es dem Ausschuss, sowohl der Komplexität des deutschen Föderalismus Rechnung zu tragen, als auch die unterschiedlichen staatlichen Ebenen Bund, Länder und Gemeinden anzusprechen und Aufgaben aus allen drei Bereichen der staatlichen Gewalt (Gesetzgebung, Regierung und Gerichtsbarkeit) zu identifizieren.

Das breite Spektrum der staatlichen Verpflichtungen zeigt auf, dass sich der gesamten staatlichen Gewalt in den Bereichen ihrer Zuständigkeit die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen als Aufgabe stellt.

Die Abschließenden Bemerkungen stellen eine große Chance dar, gesellschaftspolitische Fragen, die in den letzten Jahren in Deutschland strittig diskutiert worden sind, zu klären. Die Abschließenden Empfehlungen sind Grundlage und Rahmen, um Politik und staatliches Handeln in den kommenden Jahren zu leiten.


Resolution des DBSV für ein bundeseinheitliches Blindengeld

Mit der nachstehenden Resolution setzt sich der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) für ein bundeseinheitliches Blindengeld ein. Der DVBS teilt die in der Entschließung dargestellten Erwägungen und wird deren Ziele energisch unterstützen.

Mit dem Bundesteilhabegesetz eine bundesweit einheitliche gerechte Blindengeldlösung schaffen!

Der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der Schaffung des Bundesteilhabegesetzes eine Geldleistung vorzusehen, damit endlich alle blinden, hochgradig sehbehinderten und taubblinden Menschen in Deutschland einen angemessenen bundeseinheitlichen und damit gerechten Nachteilsausgleich zur Deckung ihrer spezifischen behinderungsbedingten Mehrbedarfe erhalten. Dabei müssen folgende Grundsätze gelten:

  1. Die Teilhabegeldleistung muss einen der heutigen Blindenhilfe vergleichbaren Charakter - insbesondere hinsichtlich des typisierenden Zugangs zu dieser Leistung, der Art der Mittelverwendung, ihres Verwendungszwecks und der Dynamisierung - haben.
  2. Die in den Landesblindengeldregelungen bewährte Leistungsgewährung ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen muss auf die Bundeslösung übertragen werden.
  3. Die pauschaliert zu erbringenden Leistungen müssen am Bedarf orientiert gestaffelt werden. Für den Bedarf bei Blindheit bedeutet dies, dass die Höhe der Geldleistung der ungekürzten Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII entsprechen muss, denn dieser Betrag unterliegt den sehr engen Vorgaben des Sozialhilferechts und bildet damit das Minimum des Mehrbedarfs blinder Menschen bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ab. Daran anschließend ist die Hilfe bei hochgradiger Sehbehinderung, wie zum Beispiel in Hessen geregelt, mit 30 % des bei Blindheit gewährten Betrages angemessen berücksichtigt. Der Bedarf bei Taubblindheit ist wegen der besonders großen Auswirkungen auf die Teilhabe mindestens in zweifacher Höhe des bei Blindheit gewährten Betrages anzusetzen.
  4. Für Bereiche, in denen ein Höchstmaß an Individualität bzw. Zielgenauigkeit gefragt ist (zum Beispiel bei den Fachleistungen zur beruflichen Eingliederung) sowie in Fällen, in denen aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles (zum Beispiel wegen des Ausmaßes und der Auswirkungen der Behinderungsfolgen) den Betroffenen mit einer pauschalierten Leistung nicht im erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden kann, kann und muss es darüber hinaus weiterhin im Rahmen des Bedarfsdeckungsprinzips individuell erforderliche Teilhabeleistungen geben.

Die bundesweit einheitliche gerechte Blindengeldlösung kann entweder im Rahmen einer für alle Menschen mit wesentlichen Teilhabebeeinträchtigungen vorzusehenden Geldleistung "mitgedacht" werden, im Rahmen des neuen Teilhaberechts als budgetierte Leistung bzw. als eigener Leistungsanspruch ausgestaltet werden oder schlicht im Rahmen einer Reform der Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII Berücksichtigung finden.

Warum braucht jeder blinde Mensch eine finanzielle Unterstützung?

Die fehlende visuelle Wahrnehmung hat eine massive Teilhabeeinschränkung in nahezu allen Lebensbereichen zur Folge. Sehverlust bedeutet eine deutliche Einschränkung der Orientierungsfähigkeit und damit der eigenständigen Mobilität. Gleichzeitig ist der Zugang zu Informationen jeglicher Art erheblich erschwert, teilweise gänzlich ausgeschlossen. Zeitung, Post oder Bücher lesen, beim Einkaufen die Produkte oder Preise erkennen, den Haushalt selbstständig führen, einen Beruf ausüben, die digitale Welt nutzen, die nonverbale Kommunikation Anderer deuten, sich eigenständig in fremder Umgebung zurechtfinden - sei es in einer anderen Stadt, im Urlaub oder auch nur im Park um die Ecke - all das geht ohne sehen zu können gar nicht oder nur sehr eingeschränkt. Ein hohes Maß an individueller Assistenz, allgemeine Unterstützung, der Einsatz spezieller Hilfsmittel und ein damit verbundener erheblicher finanzieller Aufwand sind daher unvermeidbar.

Warum Bund und Länder endlich aktiv werden müssen

Parallel zum System der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr spezielles "Blindengeldsystem" entwickelt, bestehend aus Landesleistungen und nachrangiger im Sozialhilferecht verankerter Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII. Diese beiden Leistungen sind es im Wesentlichen, die blinde Menschen für die Deckung ihrer zahlreichen Mehraufwendungen, Assistenzleistungen und Hilfsmittel einsetzen. Im Vergleich zu anderen Gruppen behinderter Menschen ist es nicht zuletzt dank dieser Geldleistungen so, dass nur sehr wenige blinde Menschen in teuren Einrichtungen der Behindertenhilfe leben müssen.

Eine besondere Relevanz kommt dabei bislang den Leistungen der Länder - dem sog. Landesblindengeld - zu. Im Rahmen freiwilliger sozialer Leistungen erbringen sie den Löwenanteil der Hilfen für blinde Menschen, was wir durchaus zu schätzen wissen. Seit langem haben sich die Rahmenbedingungen allerdings deutlich verändert, was zu folgenden Problemen führt:

  • Die letzten Jahre waren von ständigen Auseinandersetzungen um den Erhalt der Landesleistungen für blinde Menschen geprägt. Gipfel der Einsparungen war die vorübergehende Abschaffung des Landesblindengeldes in Niedersachsen, die zur Folge hatte, dass sich die Ausgaben der Sozialhilfe als nachrangiges Unterstützungsnetz schlagartig verzehnfachten, während ihr Rückgang so langsam verläuft, dass sie acht Jahre nach Wiedereinführung des Blindengeldes immer noch viereinhalbmal so hoch wie zuvor sind.
  • In Folge massiver und durchweg finanzpolitisch motivierter Kürzungen fallen die Blindengeldleistungen in einigen Bundesländern mittlerweile so gering aus, dass diese nicht annähernd die hohen blindheitsbedingten Bedarfe abzudecken vermögen. So wird etwa in Brandenburg und Thüringen nur noch ein monatlicher Betrag von rund 270 € ausbezahlt. Damit kann unter Berücksichtigung des Mindestlohns nicht einmal eine Stunde individueller Unterstützung täglich finanziert werden, sonstige behinderungsbedingte Mehraufwendungen, wie Hilfsmittel, Taxifahrten etc., nicht mitgerechnet.
  • Die Landesblindengelder sind in Bezug auf die Höhe der gewährten Leistungen mittlerweile extrem unterschiedlich - trotz bundesweit gleicher Bedarfslagen blinder Menschen. Es sind keine bundeseinheitlichen Lebensbedingungen mehr gewährleistet. So beträgt das Landesblindengeld in fünf der 16 Bundesländer weniger als die Hälfte des Betrages der Blindenhilfe, wie sie durch § 72 SGB XII vorgesehen ist. Unter 18-jährige erhalten in manchen Ländern nur 25 % der Leistungen anderer Länder. In Heimen gibt es Blindengeld von 0 Euro bis zur Hälfte des Blindenhilfesatzes.
  • Mit Schaffung der neuen Länder wurden auch dort Blindengeldleistungen eingeführt. Nach 25 Jahren sind diese jedoch immer noch nicht an die Leistungen der alten Länder angeglichen. Die neuen Länder liegen im Vergleich beinahe ausnahmslos im letzten Drittel, ihre Leistungen betragen im Schnitt nur 70 % der Unterstützung in den alten Ländern.
  • Unbestritten ist, dass auch hochgradig sehbehinderte Menschen, die an der Schwelle zur Blindheit stehen, sowie taubblinde Menschen, die wegen der fehlenden Kompensationsmöglichkeit durch das Gehör in ganz besonderem Maße beeinträchtigt sind, einen erheblichen behinderungsbedingten Mehrbedarf haben. Trotzdem sind nur in einem Teil der Landesgesetze spezifische Leistungen für taubblinde und hochgradig sehbehinderte Menschen vorgesehen.
  • Schließlich sind die Landesgesetze in Bezug auf innerdeutsche Grenzüberschreitungen nicht harmonisiert, was dazu führt, dass Betroffene nach ihrem Umzug von einem in ein anderes Bundesland in manchen Fällen überhaupt keine Leistungen mehr erhalten.

Aus diesen Gründen besteht dringender Handlungsbedarf zur Schaffung eines bundeseinheitlichen, rechtssicheren, den spezifischen Bedarf angemessen berücksichtigenden und damit gerechten Nachteilsausgleichs. Entsprechende Regelungen dürfen im Rahmen des neuen Teilhabegesetzes keinesfalls unberücksichtigt bleiben, denn nur so gibt es die Chance auf ein gerechtes Teilhabegesetz auch für blinde, hochgradig sehbehinderte und taubblinde Menschen.

Wie kann der Nachteilsausgleich finanziert werden?

Mit Einführung eines durch den Bund finanzierten Nachteilsausgleichs für blinde, hochgradig sehbehinderte und taubblinde Menschen in der beschriebenen Höhe ergibt sich eine jährliche Entlastung der Länder und Kommunen von bis zu rund 550 Mio. €. Das sind zurzeit die jährlichen Haushaltsansätze für die Landesblindengeld- und Blindenhilfeleistungen. Zusätzlich zu diesem möglichen kostenneutralen Finanztransfer entstehen dem Bund durch die an der Höhe der Blindenhilfe ausgerichtete und damit den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf abbildende Ausgestaltung der Bundesleistung Mehrbelastungen i. H. v. rund 200 Mio. €. Eine neue Ausgabendynamik wird dadurch aber nicht generiert. Zum einen würden durch ein Bundesteilhabegeld, wie es hier vorgeschlagen wird, lediglich die durch die Haushaltssituation der Länder verursachte, aber keinesfalls mit den behinderungsbedingten Mehrbedarfen in Einklang stehende Kürzung der Blindengelder korrigiert und es würde bundesweit einheitlich die Teilhabeeinschränkung in dem erforderlichen Maße für alle Betroffenen am behinderungsbedingten Bedarf orientiert ausgeglichen. Zum anderen werden die Ausgaben des Bundes perspektivisch wieder sinken, da ein stetiger Rückgang gesetzlich blinder Menschen von derzeit rund 2 % jährlich zu verzeichnen ist.

Einstimmig verabschiedet vom Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. in Nürnberg am 9. Mai 2015.


horus-Zeitreisen

horus-Zeitreisen

Die horus-Zeitreisen sind in den 1930er Jahren angekommen. Zu den Verirrungen und Verwirrungen im Faschismus gibt die im April 1933 verabschiedete Entschließung von Vorstand und Arbeitsausschuss des damaligen VBAD (Verein blinder Akademiker Deutschlands) erste Fingerzeige. Zu weiteren Konsequenzen dieser Haltung werden wir jedoch erst im nächsten Heft des horus vordringen. Heute beschäftigt uns ein Text, der - oberflächlich betrachtet - den Einfluss der Weltwirtschaftskrise auf der Stirn geschrieben trägt und schon 1931 erschien, dessen Botschaft aber auch heute noch zur Wachsamkeit und zu energischem Widerspruch mahnt. Als Kuriosum darf der dann folgende Text zur Erbauung einer Blindenstadt gelten, ein Plan, der heute wohl kaum noch Befürworter finden würde.


Eine Ersparnisquelle der öffentlichen Wirtschaft

Von Verbandsdirektor a.D. Dr. Steiniger, Mitglied des Staatsrats (Aus: "Berliner Börsen Zeitung", Nov. 1931)

Die Kinder- und Binsenwahrheit, daß man eine schlechte Finanzlage nicht durch kurzfristige hochverzinsliche Schulden bessern kann, sondern nur durch Vermehrung der Einnahmen oder Verminderung der Ausgaben, beginnt sich allmählich auch bei der öffentlichen Wirtschaft in Deutschland durchzusetzen. Selbst die für einfache Wahrheiten so überaus schwer zugänglichen Köpfe der Verwaltungen und Vertretungen unserer Großstädte öffnen sich langsam dieser Einsicht. Die Verbesserung der Einnahmen ist natürlich eine besonders schwierige Aufgabe, nachdem die ganze öffentliche Wirtschaft in langen Jahren eines fehlerhaften und zum Teil sinnlosen Betriebes auf den Hund geraten ist. Man darf unbedenklich annehmen, daß die jetzige Reichsregierung in kürzester Frist sich genötigt sieht, zur Erhöhung der Umsatzsteuer als dem voraussichtlich letzten Aushilfemittel zu greifen. Damit mag die Reichsregierung für einige Monate eine Atempause und eine neue Möglichkeit gewinnen, die schreienden Gemeinden zu unterstützen. Eine nachhaltige Hilfe wird auch dieses Mittel weder dem Reiche noch den Gemeinden bringen, zumal die freie Wirtschaft durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer schwerlich gefördert werden kann.

Um so notwendiger erscheint es, das Augenmerk auf diejenigen Stellen zu lenken, an denen die öffentliche Wirtschaft übertriebene Ausgaben von erheblichem Ausmaße leistet. Hier steht die Fürsorge für geistig und körperlich Minderwertige im Vordergrunde.

Der Laie kann nicht ahnen, was für ungeheure Summen auf diesem Gebiete von der öffentlichen Hand laufend verausgabt werden. Wenn beispielsweise die Verpflegung eines Irren (Geisteskranken, Blödsinnigen usw) in eigener Anstalt von der Stadt Berlin rund 6 Mark täglich pro Kopf verlangt, so erhellt ohne weiteres, welcher Riesenaufwand für rund 7200 solcher unglücklichen aber für die Allgemeinheit nutzlosen Volksgenossen im Jahre seitens der Stadtgemeinde Berlin getrieben werden muß. Es erhellt aber ferner ohne weiteres, daß eine Senkung dieses Tagessatzes auf die Hälfte oder ein Drittel die Stadt Berlin von vielen Millionen Jahresaufwand entlasten muß. Wenn die Stadt sich diese Beträge großenteils erstatten läßt, so wird dadurch zwar ihre Endbelastung, nicht aber der Aufwand vermindert. Außerhalb Berlins ist das Irrenwesen in Preußen Aufgabe der Provinzen, die erheblich weniger als die Stadt Berlin für den Kopf und Tag aufwenden. Auch bei ihnen würde aber die Senkung des Tageskopfsatzes zur Ersparnis von vielen Millionen im Jahre führen. Ein anderes Beispiel: Aus einer dem Staatsrat vorliegenden Drucksache entnehme ich die Mitteilung, daß bei achtjähriger Schulzeit ein Taubstummer 19.972 Mark, ein Blinder 25.959 Mark erfordere, und daß dann dazu Kosten für die Berufsausbildung für mindestens vier Jahre träten. In Berlin veranlassen 53 blinde Schulkinder einen Jahresaufwand von 172.020 (eins also rund 3200) Mark und von 223 taubstummen Schulkindern jedes rund 1800 Mark Jahresaufwand. Der Berichterstatter des Staatsrats stellt gegenüber, daß ein Volksschüler 120 bis 150 Mark, ein Hilfsschüler 250 Mark, ein Anstaltskind aber 900 Mark und mehr erfordere, um zu fragen, ob noch Sinn und Segen in solchen Zahlen liege. Die Antwort muß m.E. lauten: die gegenwärtigen Kosten der Pflege und Fürsorge für die geistig und körperlich Minderwertigen sind zur Zeit völlig ungerechtfertigt und unerträglich.

Wohlgemerkt, es handelt sich heute nicht darum, was vom Standpunkte der Ethik und der christlichen Humanität erwünscht ist, es handelt sich auch nicht darum, was einem Staate, einer Provinz oder einer Großstadt an Fürsorge für die Minderwertigen wohl ansteht, um die Minderwertigen möglichst zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft zu machen, wenn Geld dazu vorhanden ist. Das alles ist unstreitig. Unstreitig ist auch, daß eine Einschränkung dieser Fürsorge einen Kulturrückschritt darstellen kann. Es handelt sich aber darum, daß zur Ausübung der bisherigen Fürsorge für die Minderwertigen, deren Zahl gegenüber dem gesunden Teil der Bevölkerung leider im starken Ansteigen ist, und zur gleichzeitigen Erhaltung des gesunden, arbeitsfähigen und arbeitswilligen Teiles dieser Bevölkerung ausreichende Mittel nicht mehr vorhanden sind. In solchen Zeiten ist es völlig verkehrt und unverantwortlich gegenüber demjenigen Teil der Bevölkerung, der durch seine Arbeit nicht nur die Mittel für sich und seine Angehörigen, sondern auch für die Pflege der Minderwertigen herbeischaffen muß, wenn man diesen schaffenden Teil schwer darben läßt und für die minderwertigen Teile der Bevölkerung mehr ausgibt, als die Fortführung ihrer Existenz erfordert. Nur verhältnismäßig wenige Arbeiter werden aber heute in der Lage sein, für sich und ihre Familie den Betrag zu erarbeiten, den die Stadt Berlin in ihren Anstalten täglich für einen Blödsinnigen verausgabt. Daß für die Arbeitslosen, auch soweit sie gesund, arbeitskräftig und arbeitswillig sind, nicht entfernt dasselbe aufgewendet werden kann, was die Minderwertigen durchschnittlich erfordern, liegt klar zu Tage.

Dieser Zustand müßte so schleunig wie möglich beseitigt werden. Wenn eine gemeinsame Decke für die ganze Nation nicht ausreicht, ist es unmöglich, die Daunendecke allein dem noch so bemitleidenswerten Teile zu überlassen, der zur Ernährung der Nation nicht beiträgt, den arbeitenden Teil aber auf eine dünne Sackleinewand anzuweisen. Es muß daher aus ethischen und aus Gründen der Selbsterhaltung gefordert werden, daß die Kosten für die Pflege und Fortbildung für die geistig und körperlich Minderwertigen bis auf weiteres auf dasjenige Maß herabgesenkt werden, das zur Erhaltung der Existenz der Minderwertigen erforderlich und ausreichend ist. In vollem Umfange läßt sich diese Forderung natürlich nicht auf einmal verwirklichen. In großem Umfange aber ist die Verwirklichung in kurzer Zeit möglich. Die dabei zu machenden Ersparnisse, die für den preußischen Staat, seine Provinzen und Gemeinden zusammen sich auf viele Zehner und vielleicht sogar einige hundert Millionen belaufen können, wären für andere Zwecke verfügbar. Ohne Zwang ist das Ziel natürlich nicht erreichbar. Wenn die Notverordnungen des Reichs sich noch weiter betätigen wollen, besteht aber auch kein Bedenken, daß ein entsprechender Zwang durch einen Federstrich des Herrn Reichspräsidenten angeordnet wird, der durch die Beschlüsse unfähiger Landtage und Stadtvertretungen nicht ersetzt werden kann. Hier wird der Zwang für die Gesamtbevölkerung weit weniger schmerzhaft sein, als auf vielen anderen Gebieten.


Entschließung des Vereins der blinden Akademiker Deutschlands E.V., Marburg/Lahn

Der Vorstand und der Arbeitsausschuß des Vereins der blinden Akademiker Deutschlands E. V., Marburg/Lahn, die von jeher bereit waren, an dem nationalen Wiederaufbau unseres geliebten deutschen Vaterlandes tatkräftig mitzuarbeiten, bekennen sich rückhaltlos und loyal zur jungen nationalen Regierung.

Dankbar und freudig begrüßen wir die Worte des Herrn Reichskanzlers Adolf Hitler in der Regierungserklärung:

"Grundsätzlich soll aber die Nutzbarmachung jeder Arbeitskraft in dem Dienste der Allgemeinheit erfolgen." Bei Verwirklichung dieser Erklärung würde sich den schwer um ihr Dasein ringenden deutschen blinden Geistesarbeitern Gelegenheit bieten, ihre verbliebene Arbeitskraft in den Dienst dieser hohen Aufgabe zu stellen. Durch Einreihung in den allgemeinen Arbeits- und Produktionsprozeß würden die blinden Geistesarbeiter trotz ihrer schweren Erwerbsbeschränkung alsdann als vollwertige Mitglieder der deutschen Volksgemeinschaft gelten und im Sinne des Wiederaufbaues mitwirken können.

Dr. Carl Strehl, 1. Vorsitzender

Der Reichsminister des Innern

Nr. III 3035, 4.4.

An den Verein der blinden Akademiker Deutschlands E. V.

Marburg-Lahn

Berlin NW 40, den 28. April 1933

Der Herr Reichskanzler hat die an ihn gerichtete Entschließung zuständigkeitshalber an mich abgegeben. Von Ihrer Absicht der tatkräftigen Mitarbeit am nationalen Wiederaufbau Deutschlands habe ich mit Befriedigung Kenntnis genommen. Ich werde es mir nach Kräften angelegen sein lassen, das Wohl der blinden Akademiker zu fördern.

In Vertretung

gez. Pfundtner

Beglaubigt

gez. Schutz


Erbauung einer Blindenstadt

Den nachfolgenden Brief und Auszug über die Erbauung einer Blindenstadt gebe ich hiermit den Lesern der "Beiträge zum Blindenbildungswesen" zur Kenntnis. Ich bitte alle Schicksalsgefährten, sich zu den Plänen des Herrn Berger zu äußern, und zwar in Sehschrift. Einen Durchschlag ihrer Meinungsäußerung wollen sie mir jeweils zustellen.

Der Gedanke erscheint mir persönlich phantastisch. Ich möchte mich jedoch der Stellungnahme vorerst enthalten.

Strehl.

Abschrift K.Fr. Berger, Wiesbaden, Jahnstraße 24

Wiesbaden, den 10.5.33.

An den Vorstand des Vereins blinder Akademiker Deutschlands E.V. Marburg-Lahn

In einem demnächst erscheinenden Werk über Möglichkeiten der Beschäftigung Arbeitsloser ist ein besonderer Abschnitt der Erbauung einer Blindenstadt gewidmet.

Ich gebe Ihnen anbei Abschrift dieses Abschnittes und würde mich freuen, wenn Sie Veranlassung nehmen würden, einen Gedankenaustausch zwischen den zumeist Beteiligten d.h. den Blinden über dieses Projekt anzuregen.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die bei der Durchführung eines derartigen Unternehmens zu überwinden sein werden, müßten zunächst aus der Diskussion ausscheiden, sodaß man sich ein Bild machen kann, ob und in welcher Form eine ganz auf die Bedürfnisse der Blinden zugeschnittene Gartenstadt den Blinden als etwas Erstrebenswertes erscheint.

Ich danke Ihnen im voraus. Dem Ergebnis des Gedankenaustausches sehe ich mit Erwartung entgegen.

Hochachtungsvoll, gez. K.Fr. Berger

Und dann könnte noch ein Unternehmen, das mir schon vorschwebt, durchgeführt werden und zwar die Erbauung einer Blindenstadt. Eine Zusammenfassung der Blinden, möglichst auch eines Teils der Blinden des Auslandes, soweit diese letzteren wirtschaftlich unabhängig sind, ließe sich dann ermöglichen.

Eine Blindenstadt könnte so geplant werden, daß den Blinden, ohne sie den Verkehrsgefahren auszusetzen, die denkbar größte Bewegungsfreiheit eingeräumt werden kann. Eine Stadt, mit allen Möglichkeiten ausgestattet, um die Blinden in erhöhtem Maße an allen Kulturgütern teilnehmen zu lassen und sie ihrer Bildung entsprechend zu beschäftigen.

Wie mir die Stadt vorschwebt, wird sie weitläufig nach Art der Gartenstädte angelegt sein, nur mit dem Unterschied, daß da 5 m über dem Niveau der gewöhnlichen Verkehrsstraßen ein für blinde Fußgänger hergerichtetes Wegenetz die Stadt durchzieht, die Straßen überbrückt, die Gartenanlagen hinter den Häusern durchschneidet und Zugang nicht nur zu den Privathäusern sondern auch zu allen öffentlichen Gebäuden und Parkanlagen gibt, unter Vermeidung jeglicher Treppenanlagen. Auf den Geländern dieser Wege sind alle Arten mit den Blinden vereinbarte Zeichen (Knöpfe, Höcker, Vertiefungen usw) angebracht, um die tastend über das Geländer gleitende Hand des Blinden auf eine Wegkrümmung, auf die Einmündung eines Seitenweges usw vorher aufmerksam zu machen. Selbst die mit Platten belegte Oberfläche der Wege kann zu dieser Art der Zeichengebung und Wegmarkierung herangezogen werden. Vielen Tausenden von Blinden könnte so die so sehr ersehnte Bewegungsfreiheit wiedergegeben und ihnen damit eine erhöhte Freude am Leben und an der Arbeit geschenkt werden.

Quelle:

Steiniger, Dr.: Eine Ersparnisquelle der öffentlichen Wirtschaft, erschienen in: Beiträge zum Blindenbildungswesen, H. 2/1932, S. 57-60 (nur in Punktschrift)

Berger, K. Fr.: Erbauung einer Blindenstadt, erschienen in: Beiträge zum Blindenbildungswesen, H. 5/1933, S. 247-249 (nur in Punktschrift) Strehl, Dr. Carl: Zu "Ersparnisquelle der öffentlichen Wirtschaft" von Dr. Steiniger, erschienen in: Beiträge zum Blindenbildungswesen, H. 2/1932, S. 60-66 (natürlich ebenfalls nur in Punktschrift)

Entschließung des Vereins der blinden Akademiker Deutschlands e. V., Marburg/Lahn, nebst Antwortschreiben des Reichsministers des Innern, Erschienen in: Beiträge zum Blindenbildungswesen, H. 1/1933, S. 2 (nur in Schwarzschrift)


Bücher

Hörtipp

"Die Medizin der Zukunft" - Lernen Sie "Spektrum der Wissenschaft" kennen.

Die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" stellt Trends und Themen aus Forschung, Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft vor, die zukunftsweisend sein können.

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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen berichten über ihre eigenen Arbeitsgebiete. Die abwechslungsreichen Beiträge werden von der Redaktion didaktisch exzellent aufbereitet.

Jedes Heft enthält weitere, feste Rubriken. Neben "Biologie und Medizin" sind dies etwa "Technik und Computer" oder "Forschung aktuell". Mit ihnen sowie den Titelthemen werden Leserinnen und Leser über relevante Entwicklungen früher und auf höherem Niveau informiert als es durch die Massenmedien möglich ist.

"Spektrum der Wissenschaft" ist die deutsche Ausgabe von "Scientific American". Jedes Heft umfasst rund 100 Seiten. Im Textservice des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf wird die Zeitschrift mit Genehmigung des Verlages auf DAISY-CD gelesen und kann im DAISY-Abonnement bezogen werden (12 Ausgaben, 99 Euro). Aus Anlass der aktuellen Serie "Medizin der Zukunft" erhalten Sie nun 6 Ausgaben (bis Oktober 2015) zum Sonderpreis von 30 Euro, ohne Verpflichtung zum Abonnement.

Kontakt: DVBS Textservice, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Telefon 06421 94888-22, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Auf verschiedenen Wegen

Elektronisch Lesen: Bücher bei der blista in unterschiedlichen Formaten erhältlich

Seit beinahe 100 Jahren produziert die blista Bücher in Blindenschrift. Zunächst mussten sie mühsam per Hand übertragen, auf Platten ausgedruckt und auf dem üblichen Postweg versandt werden. inzwischen können sie mit Hilfe von moderner Technik schnell auf Papier ausgedruckt und verschickt werden. Dabei entscheidet der Kunde, ob er ein Buch in einer etwas teureren Bibliotheksbindung oder aber in einem Ringordner eingeheftet kaufen möchte. Seit einigen Jahren bieten wir auch Bücher in anderen elektronischen Formaten an. Dabei versuchen wir uns stets an moderne Lesegewohnheiten anzupassen.

  • Für die Braillezeile oder ein Notizgerät empfehlen wir Braille-Dateien. Sie haben die Endung brl, sind einfache Textdokumente und können von jedem Notizgerät und jeder Braillezeile mit entsprechender Dateiladefunktion gelesen werden.
  • DAISY-Bücher für den PC, Smartphone oder DAISY-Player: Unsere DAISY-Bücher, mit synthetischer Stimme und Kurzschrift kombiniert, lassen sich am PC, mit dem Smartphone über eine DAISY-App oder einem üblichen DAISY-Player nutzen. Dabei stehen einem am PC die meisten Einsatz- und Navigationsmöglichkeiten zur Verfügung.
  • Bücher im barrierefreien PDF-Format: Für alle ohne Blindenschriftkenntnisse, die aber trotzdem gerne Text lesen möchten, bieten wir einige unserer Bücher im barrierefreien PDF-Format an. Sie können am PC oder mit dem Smartphone genutzt werden. Die PDF-Dateien sind so aufbereitet, dass die Dateistruktur klar erkennbar ist und sämtliche Navigationsmöglichkeiten in unterschiedlichen Readern zur Verfügung stehen.

Optimal für die Braillezeile oder ein Notizgerät

Unsere Blindenschriftbücher muss man nicht als Papierausdruck kaufen oder ausleihen. Man kann sie auch als geeignetes Format für eine Braillezeile oder ein Notizgerät kaufen. Man erhält eine CD mit Dateien, die die Endung brl haben. Diese Dokumente können von sämtlichen Notizgeräten und Braillezeilen, in die man Dateien laden kann, gelesen werden. Die Dokumente sind gegliedert und vom Layout her gestaltet wie die Papierfassung. Zwar ist das Dokument lediglich als einfache Textdatei aufbereitet, doch lassen sich, über gewisse Umwege, beispielsweise Überschriften und Absätze durchaus finden. Da die meisten Notizgeräte und Braillezeilen keine separate Überschriften-Anspringfunktion haben, wie man es von seinem DAISY-Player kennt, "behilft" man sich am Einfachsten mit Suchmöglichkeiten, mit denen man bestimmte Textelemente findet. Möchte man also nach einer Überschrift suchen, geht dies über die Suchfunktion seines Notizgerätes, indem man nach einem Strich sucht, der entweder aus den Punkten 25 oder aus der Punktkombination 2356 besteht. Dazu sollte man sich allerdings außerhalb unseres Titelblattes befinden, da hier Striche als Trennlinien und nicht zur Kennzeichnung von Überschriften eingesetzt werden. Absätze lassen sich innerhalb des Buchtextes über die Eingabe von drei Leerfeldern mit dem jeweiligen Sucheditor ebenfalls finden. Als weiteres Element könnte man auch nach den Schwarz- oder Blindenschriftseitenzahlen suchen, um sich zu orientieren.

DAISY-Bücher für den vielfältigen Gebrauch

Unsere käuflich zu erwerbenden DAISY-Bücher mit synthetischer Stimme und Kurzschrift kombiniert, lassen sich sowohl am Computer als auch unterwegs mit einem Smartphone oder einem DAISY-Player nutzen. Benutzt man am PC den von uns mitgelieferten "Max DAISYplayer", lassen sich die DAISY-Bücher einerseits hören, andererseits an der Braillezeile mitlesen. Prinzipiell stehen alle Funktionen zur Verfügung, die man auch von einem gewöhnlichen DAISY-Hörbuch kennt und noch einige darüber hinausgehende. Bei den meisten unserer DAISY-Bücher bieten wir eine Seitennavigation an, mit deren Hilfe man sich schnell zu einer bestimmten gewünschten Stelle bewegen kann. Zudem kann man über die sogenannte "Phrasennavigation" seines DAISY-Players exakt von Satz zu Satz springen. Die mitgelieferte Kurzschrift kann man dann Satz für Satz an der Braillezeile mitlesen und wird somit exakt über die Schreibweise von schwierigen Namen sowie Fachbegriffen informiert. Außerdem lassen sich die Kurzschriftinhalte auch unabhängig vom DAISY-Player im benutzten Standard Internetbrowser öffnen, sodass man über diesen Weg ebenfalls eigenständig navigieren und gezielt nach Text suchen kann.

Bücher im barrierefreien PDF-Format

Für diejenigen, die über keine Blindenschriftkenntnisse verfügen, aber trotzdem auf eine Vergrößerungssoftware oder eine Sprachausgabe angewiesen sind, bieten wir einige unserer Bücher auch als barrierefreies PDF-Dokument an. Neben dem kostenlos erhältlichen Adobe Reader kann auch der ebenfalls kostenlose VIP-Reader benutzt werden, der sich für manche sehbehinderte Menschen wegen komfortablerer Vergrößerungseinstellungen als das geeignetere Produkt erweist. In unseren PDF-Büchern lässt sich über die Lesezeichen navigieren, Links sind direkt anspringbar und können mit dem Browser geöffnet werden.

Momentan sind die vielfältigen Varianten unserer Bücher in unserem Katalog noch nicht zuverlässig zu finden. Wir arbeiten intensiv an einer Lösung. Daher freuen wir uns über Anfragen rund um unser Bücherangebot an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Tel.: 06421/6060


Buchtipps aus der blista

Giulia Enders: Darm mit Charme

Alles über ein unterschätztes Organ

Ullstein, Berlin, 2014 Bestellnummer: 4779 2 BDe, reformierte Kurzschrift (KR), Schutzgebühr 43 €, sowohl in Papier und für Braillezeile erhältlich

Wer denkt beim Essen schon daran, ob sein Darm mit der Auswahl der Speisen einverstanden wäre? Die junge Wissenschaftlerin G. Enders klärt sehr anschaulich und humorvoll darüber auf, dass Übergewicht, Depressionen und Allergien häufig mit einem gestörten Gleichgewicht der Darmflora zusammenhängen.

Ricarda Huch: Der letzte Sommer

Eine Erzählung in Briefen

Insel-Verlag, Leipzig, 1939 Bestellnummer: 4777 1 BD, reformierte Kurzschrift (K.98), Schutzgebühr 21,50 €, sowohl in Papier als auch für Braillezeile erhältlich

Eine Erzählung in Briefen aus der Zeit der russischen Anarchistenbewegung. Lju, ein Student und Revolutionär, will den Gouverneur von St. Petersburg töten. Ein spannender Krimi in einer interessant aufgemachten, stark psychologisch-tiefgründigen Form, wie er in dieser Zeit seinesgleichen sucht.

Steffen Henssler: Einfach Henssler - Schnelle Rezepte mit maximal sechs Zutaten

Dorling Kindersley, 2013 Bestellnummer: 4766 2 BDe, reformierte Kurzschrift (KR), Schutzgebühr 43 €, erhältlich in Papier, für Braillezeile und als DAISY mit synthetischer Stimme

Köstliche Rezepte mit maximal sechs Zutaten? Wenn einer das kann, dann Steffen Henssler! In seinem neuen Kochbuch demonstriert der beliebte Fernsehkoch die hohe Kunst der Rezeptentwicklung und beweist, dass sich mit wenig Aufwand und Zutaten Raffiniertes auf den Teller zaubern lässt. Die mehr als 100 Gerichte sind einfach, aber keineswegs einfallslos - von Süßkartoffel-Limetten-Suppe über gegrillte Paprika mit Sardellen und Ziegenkäse bis Hähnchenschnitzel mit Pancetta und Fenchel hat Steffen Henssler clevere und geschmackvolle Rezepte für jede Gelegenheit kreiert. Neben Küchenbasics, wie Salz, Pfeffer, Essig, Öl und Mehl, die jeder auf Vorrat hat, benötigt man für die Zubereitung der Rezepte maximal sechs Zutaten. So entstehen ganz unkomplizierte, fantastische Gerichte, die jeder nachkochen kann.

Petra Dobner: Quer zum Strom

Eine Streitschrift über das Wasser

Wagenbach, Berlin, 2013 Bestellnummer: 4747, 1 BD, KR Schutzgebühr 21,50 €, erhältlich in Papier, für Braillezeile und als DAISY mit synthetischer Stimme

Der Umgang mit ökologischen Ressourcen und vor allem mit dem Wasser ist das Kernproblem des dritten Jahrtausends. Aus der glücklichen Lage, in einem wasserreichen und wirtschaftsstarken Gebiet zu leben, erwächst eine globale Verantwortung, die mit dem Hahnzudrehen beim Zähneputzen bei weitem nicht abgegolten ist.

Wir leben in einem Landstrich reich an Süßwasserquellen. Wir sind die Weltmeister im Wassersparen und gleichzeitig im Mineralwasserkonsumieren. Beides ist ökonomisch wie ökologisch vollkommen widersinnig: Leitungen müssen wegen des sinkenden Verbrauchs mit Klarwasser gespült werden und das Märchen vom gesunden Mineralwasser hat erhebliche Folgeschäden für die Umwelt. Denn ein Liter Flaschenwasser verschlingt in der Produktion und auf dem Transport etwa ein Drittel Liter Öl. Wer wirklich Wasser sparen will, muss dies in Industrie und Landwirtschaft tun. Die Herstellung eines T- Shirts verschlingt beispielsweise 5 000 Liter Wasser. Angesichts der weltweit zunehmend bedrohten Wasserressourcen und des Klimawandels ist bewusster Konsum dringlicher denn je. Ebenso brisant ist die Konzeptlosigkeit der politischen Steuerungsebene, auf der in den letzten 20 Jahren kapitale Fehlentscheidungen getroffen wurden. Das Wasser als öffentliches Gut und das Recht auf Wasser als eines der ältesten überhaupt anzuerkennen, scheint im Privatisierungs- und Liberalisierungswahn vergessen zu sein.

Tipp aus unserem Archiv

Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray

Scherz, Bern, 1947 Bestellnummer: 4771, 3 BDe, Schutzgebühr 64,50 € reformierte Kurzschrift (KR) erhältlich in Papier und für Braillezeile

Das Gemälde des nicht alternden, ausschweifenden Weltgenießers innerhalb einer Gesellschaft von englischen Dandys und Ästheten, der der dämonischen Lockung des Bösen erliegt und sich in frevelnder Vermessenheit ewige Jugend und Schönheit wünscht.

Dr. Christiane Fischer/Prof. Dr. Bernd Fischer: So wird man Hundert

Das Vitalitätsprinzip

Kreuz, 2013 Bestellnummer: 4746, 2 Halbbände, Schutzgebühr 29 €, (KR) erhältlich in Papier, für Braillezeile und als DAISY mit synthetischer Stimme Altern ist keine Krankheit! Im Gegenteil: Alt zu werden ist heute der Normalfall. Seit über hundert Jahren steigt die Lebenserwartung kontinuierlich, was für uns persönlich und für die Gesellschaft, in der wir leben, erhebliche Konsequenzen mit sich führt. Wie kann es uns gelingen, bis ins hohe Alter selbstbestimmt und geistig und körperlich fit zu leben? Ob auf der körperlichen, der mentalen oder der sozialen Ebene - mit vielen Anregungen und Tipps regen die Autoren dazu an, bis ins hohe Alter die Freude am Leben zu bewahren. Einfache Tests und praktische Lebensregeln stehen neben orientierenden Checklisten und leicht durchzuführenden Übungen. Und nicht nur medizinische und psychologische Aspekte werden berührt, auch kulturelle oder religiöse Bereiche sind Teil des Vitalitätsprinzips. Das Credo der Autoren lautet: Das Alter ist ein neuer, erfüllter Lebensabschnitt, und wir können uns darauf vorbereiten. Ein hervorragendes Trainingsprogramm mit großem praktischen Nutzen.

Ihre Bestellung richten Sie bitte an:

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Telefon: 06421/606-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Panorama

Woche des Sehens: Das ist neu in diesem Jahr

Die Vorbereitungen für die Woche des Sehens 2015 schreiten voran und es gibt wieder Neuigkeiten zu berichten. Heute möchte ich Sie auf drei Angebote in unserem kostenlosen Materialangebot, die Möglichkeit einer finanziellen Förderung und auf die anstehende Aktualisierung der Internetseite der Woche des Sehens hinweisen.

Die erfolgreiche Aktion "Bitte Weg frei!" geht in die Verlängerung

Anlässlich des Jubiläums "50 Jahre Tag des weißen Stockes" fand diese Aktion im letzten Jahr bundesweit statt. Vertreter der Selbsthilfe zeigten die Handhabung des Langstocks und wiesen auf die Bedeutung der Leitlinien hin. Wenn Sie in diesem Jahr eine ähnliche Aktion planen, empfehlen wir Ihnen die kostenlosen Aktionspostkarten "Bitte Weg frei!".

Die PowerPoint-Präsentation zur DBSV-Broschüre "Nicht so, sondern so" wird aktualisiert und ergänzt

Passend zum diesjährigen Thema "Auf Augenhöhe" wird der Muster-Vortrag "Nicht so, sondern so" überarbeitet. Der Vortrag erklärt, wie man in Alltagssituationen blinden und sehbehinderten Menschen auf Augenhöhe helfen kann. Er wird wie gewohnt auf der Begleit-DVD sowie als Download auf der Homepage der Woche des Sehens zur Verfügung stehen.

Plakat zur Woche des Sehens 2015 in Größe DIN A1 als Datei zum Selberdrucken

Falls Sie Plakate der Woche des Sehens im Format A1 drucken lassen möchten, können Sie bei mir die Datei bestellen oder sie ab August auf der Homepage downloaden. Die Dateien sind mit einem Textfeld versehen, damit Sie Informationen zu Ihrer Veranstaltung vor dem Drucken eintragen können.

Die Woche des Sehens unterstützt auch in diesem Jahr Veranstaltungen finanziell. Eine Förderung bis zu 300 Euro ist möglich. Falls Sie Fragen zum Förderantrag bzw. zu den Förderkriterien haben, wenden Sie sich bitte an die Koordinatorin Carolina Barrera, Tel.: 030/ 28 53 87-280, Fax: 030/ 28 53 87-200, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die Internetseite wird zurzeit aktualisiert, um Ihnen u.a. sowohl das Materialangebot als auch den Veranstaltungskalender noch übersichtlicher zu präsentieren: www.woche-des-sehens.de


Neue Broschüre: "Sehen im Alter"

Anlässlich des 11. Deutschen Seniorentags im Juli stellten die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die neue Broschüre "Sehen im Alter" vor. "Sehen im Alter - Informationen und Tipps" richtet sich an Menschen in der zweiten Lebenshälfte und informiert über Sehveränderungen im Alter und Sehhilfen sowie über Unterstützungs-, Rehabilitations- und Beratungsangebote. Informationen und Tipps werden ergänzt um Porträts von Betroffenen, die über ihr Leben mit einer Augenerkrankung berichten. Ziel der Broschüre ist es, vermeidbaren Sehverlust zu verhindern und Menschen mit Seheinschränkung zu unterstützen. Die Broschüre "Sehen im Alter - Informationen und Tipps" - DIN A5, 68 Seiten mit farbigen Abbildungen - kann mit der Bestellnummer 60582311 kostenfrei bezogen werden:

per Post: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 50819 Köln

per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

per Fax: 0221/ 89 92 257

Eine barrierefreie PDF-Datei finden Sie unter www.sehen-im-alter.org

Bildbeschreibung: Dem Artikel ist eine Abbildung der Titelseite der Broschüre beigefügt. Diese zeigt in der oberen Hälfte das Foto eines älteren Paares. Er hat den Arm um seine Partnerin gelegt, beide lächeln in die Kamera. Die Dame trägt eine dunkle Brille und ein violettes Shirt. Er trägt ein hellblaues Polohemd und eine Brille mit ovalen Gläsern und einem silbernen Metallgestell. Unter dem Foto ist der Broschürentitel "Sehen im Alter. Informationen und Tipps" in weißer Schrift auf grünem Hintergrund geschrieben. Darunter sind die Logos und die Namen der Herausgeber abgedruckt: BAGSO, DBSV und BZgA.


Aktionsbündnis Teilhabeforschung gestartet

Am 12. Juni 2015 folgten mehr als 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Einladung, sich dem Aktionsbündnis Teilhabeforschung anzuschließen. Das Bündnis verfolgt das Ziel, die Forschung über die Lebenslagen behinderter Menschen fortzuentwickeln. Der Film "Aktionsbündnis Teilhabeforschung gestartet" informiert über das Ereignis. Der Clip kann hier gestartet werden. https://www.youtube.com/watch?v=6tS6VRt-vdU


Ausstellung von Musikautomaten in Leipzig mit Führung für blinde und sehbehinderte Menschen

"Aufforderung_zum_Tanz.mp0 - Musikautomaten aus Leipzig", so der Titel einer interessanten Ausstellung, die vom 31.Oktober 2015 bis 31.Januar 2016 gezeigt wird. Zu sehen und vor allem zu hören sind mechanische Musikmaschinen, die von etwa 1885-1920 in Leipzig produziert und weltweit exportiert wurden. Die Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit der "Gesellschaft für selbstspielende Musikinstrumente" (GSM) anlässlich des 1000. Jubiläums der Stadtgründung von Leipzig präsentiert. Ein besonderer Service: Am 1. November 2015 um 15 Uhr findet eine Spezialführung für blinde und sehbehinderte Menschen statt, gestaltet von einem selbst blinden Spieluhrensammler aus Marburg in Kooperation mit der Kreisorganisation Leipzig-Stadt des Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes Sachsen. Bei dieser Führung werden die Maschinen nicht nur akustisch vorgeführt, sondern ausgewählte Geräte können auch betastet werden. Ort: Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig, Johannisplatz 5-11, 04105 Leipzig. Anmeldungen nimmt Jens Fritzsch in der Beratungsstelle Leipzig-Stadt des BSV Sachsen gerne entgegen, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Anmeldeschluss ist der 25. Oktober 2015 (maximal 25 Personen), Eintritt frei! Evtl. Rückfragen zur Spezialführung richten Sie bitte an Jochen Schäfer, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Wir freuen uns auf Ihren Besuch!


Eltern-Umfrage der Bertelsmann Stiftung: Eltern geben inklusiven Schulen gute Noten

Eltern geben inklusiven Schulen bessere Noten als Schulen, die Kinder mit und ohne Handicap getrennt unterrichten. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap für die Bertelsmann Stiftung hervor. Förderung nach individuellen Stärken und Schwächen sowie Kompetenz und Engagement der Lehrer - in allen Punkten schneiden in der Wahrnehmung der Eltern inklusive Schulen besser ab. Dies gilt unabhängig davon, ob das eigene Kind Förderbedarf hat oder nicht. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der rund 4.300 befragten Eltern gaben an, ihr Kind besuche eine inklusive Schule. Von diesen Eltern sind 68 Prozent mit der individuellen Förderung ihrer Kinder zufrieden. Eltern hingegen, deren Kinder eine nicht-inklusive Schule besuchen, sagen dies nur zu 58 Prozent. Die Ergebnisse der Umfrage sind im Internet unter folgendem Link abrufbar: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/eltern-geben-inklusiven-schulen-gute-noten/


Barrierefreiheit und Mobilität

Know-how-Transfer durch BIT inklusiv erfolgreich abgeschlossen

blista ist Hessens erstes "Kompetenzzentrum für barrierefreie IT"

Damit behinderte Menschen ebenso wie nicht behinderte Menschen am Arbeitsleben teilhaben können, ist eine barrierefreie Information und Kommunikation von grundlegender Bedeutung. Ob Webinhalte, elektronische Dokumente oder Anwendungssoftware, mit dem Projekt BIT inklusiv konzentriert sich der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) darauf, Standards für die barrierefreie IT-Gestaltung in Arbeitsstätten zu fördern und sicherzustellen. Darum gehört die Einrichtung von Kompetenzzentren für barrierefreie IT zu den zentralen Aufgaben des Projektes.

Als erstes Kompetenzzentrum für barrierefreie IT in Hessen wurde am 15. Juni die Deutsche Blindenstudienanstalt mit einer Urkunde vom DVBS zertifiziert. Voraussetzung war die Qualifizierung von blista-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern, die nach einem gemeinsam abgestimmten Qualifizierungskonzept zuvor erfolgreich abgeschlossen wurde. Grundlagen- sowie Expertenworkshops wurden unterschiedlichen Zielgruppen angeboten, so dass die Barrierefreiheit nicht nur bei der Pflege von Web-Content und der Erstellung von komplexen PDF-Dokumenten und zur Begleitung von IT-Entwicklungsprojekten, sondern auch bei der Prüfung von Anwendungssoftware, sondern auch auf Entscheidungsebene und bei der Interessenvertretung als wichtige Querschnittsaufgabe wahrgenommen werden kann. Außerdem wurden zwei Mitarbeiterinnen speziell in die Anwendung des von BIK entwickelten BITV-Testverfahrens zur Prüfung von Webinhalten und Webanwendungen (Intranet/Internet) eingewiesen und zertifiziert.

"Mit der blista haben wir einen kompetenten Projektpartner zum Aufbau eines Kompetenzzentrums für barrierefreie IT gewinnen können, der mit seinem hinzugewonnenen Know-how nun schrittweise den Abbau von IT-Barrieren und somit einen aktiven Beitrag zur Beschäftigungssicherung sowie zur gleichberechtigten beruflichen Teilhabe behinderter Menschen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention leisten kann", freut sich BITi-Projektleiter Karsten Warnke.

"Mit dieser Auszeichnung nimmt die blista künftig hessenweit eine Vorreiterrolle in der Beratung, Umsetzung und Bewertung barrierefreier IT-Arbeitsplätze ein", betonte Andrea Katemann, Koordinatorin zur Erstellung barrierefreier Medien und für den Aufbau des blista-Kompetenzzentrums, die die Anerkennungsurkunde von Warnke entgegennahm.

Die Überreichung der Anerkennungsurkunde erfolgte im Beisein von blista-Direktor Claus Duncker, der stv. Direktorin, Dr. Imke Troltenier, Rudi Ullrich, Leiter Kommunikation und Teilhabe sowie weiteren AbteilungsleiterInnen, die zuvor einen Führungskräfteworkshop von BIT inklusiv absolviert hatten.

Der DVBS hofft, dass bis Projektende rund zehn Kompetenzzentren für barrierefreie IT bundesweit durch die Förderung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie von den NRW-Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland entstehen. Bildbeschreibung: Das Foto wurde während der Übergabe des Zertifikats an der blista aufgenommen. Projektleiter Karsten Warnke überreicht die Urkunde an Andrea Katemann. Für das Foto haben sich von links nach rechts BITi-Mitarbeiterin Regina Oschmann, Rudi Ullrich (Leiter Referat Kommunikation und Teilhabe an der blista), Projektleiter Karsten Warnke, blista-Vorstand Claus Duncker, blista-Mitarbeiterin Andrea Katemann und blista-Mitarbeiter Manfred Fuchs aufgestellt. Foto: blista/Dr. Imke Troltenier


Berufsbegleitende Weiterbildung zur Rehabilitationsfachkraft

Neues länderübergreifendes Konzept und Angebot

Experten für die Ausbildung von Rehabilitationsfachkräften aus der Schweiz (SZB), Österreich (Odilien-Institut, Graz) und Deutschland (IRIS, Hamburg und blista, Marburg) haben in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, gemeinsame Curricula und Konzepte für eine berufsbegleitende Qualifizierung von Rehabilitationsfachkräften zu entwickeln und aufeinander abzustimmen.

Damit besteht erstmals ein länderübergreifendes Weiterbildungskonzept für den deutschsprachigen Raum. Die gemeinsam entwickelten Curricula gewähren zusätzlich einen länderübergreifenden Standard in der Qualifizierung.

Den Wünschen vieler Einrichtungen, alternativ zu den Vollzeitangeboten in Hamburg und Marburg auf ein berufsbegleitendes Angebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückgreifen zu können, wird somit Rechnung getragen.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den oben genannten Spezialisierungen (O&M, LPF, LV) müssen analog zum Vollzeitangebot die gleichen schulischen, beruflichen und sonstigen Voraussetzungen erfüllen.

Bevor eine Aufnahme in einer der drei genannten Spezialisierungen (O&M, LPF, LV) möglich ist, muss die erfolgreiche Teilnahme an einer grundlegenden Weiterbildung mit den Schwerpunkten: "Einführung in das Blinden- und Sehbehindertenwesen und Interdisziplinäres Grundlagenwissen" nachgewiesen werden.

Weitere Informationen zu Terminen, Organisation, Ansprechpartnern, Preisen und Inhalten finden Sie unter www.iris-hamburg.de und www.blista.de in Dokumenten:

  1. Berufsbegleitende Ausbildung zur Rehabilitationsfachkraft; Flyer (Kurzinfo)
  2. Berufsbegleitende Ausbildung zur Rehabilitationsfachkraft; Broschüre (Langinfo)
  3. Berufsbegleitende Ausbildung zur Rehabilitationsfachkraft; Informationsblatt Termine, Kontakte, etc.

Berichte und Schilderungen

Nachruf auf Erika Fleuren

Am 10. April 2015 verstarb in Wiesbaden Erika Fleuren, langjähriges Mitglied des DVBS und des Trägervereins der Deutschen Blindenstudienanstalt, nach schwerer und langer Krankheit im Alter von 74 Jahren.

Ich lernte Erika im Jahre 1954 in der Marburger Blindenstudienanstalt kennen, wo wir für zwei Jahre dieselbe Klasse des dortigen Aufbaugymnasiums besuchten. Sieht man einmal von ihrer damals schon markanten Stimme ab, so deutete seinerzeit eigentlich noch nichts darauf hin, dass aus diesem persönlich und schulisch eher unauffälligen Mädchen einmal eine gestandene "deutsche Politikerin" (Wikipedia) werden würde. Der Erwartung ihrer Eltern, das Abitur zu machen, entsprach sie nicht. Sie sei sehr faul gewesen und habe lieber gelesen als für die Schule zu arbeiten, bekannte sie später freimütig. Nach der mittleren Reife wechselte sie auf die zweijährige Handelsschule und war anschließend zehn Jahre als Stenotypistin, zuletzt im Hessischen Sozialministerium in Wiesbaden, tätig.

Spätestens hier muss die junge Frau erkannt haben, dass der eingeschlagene Beruf ihre Fähigkeiten und Talente bei Weitem nicht ausschöpfte und sie darin auf die Dauer keine Befriedigung finden würde. Sie wollte nicht lebenslang nach fremdem Diktat schreiben, sondern spürte, dass sie selbst etwas zu sagen und aktiv mitzugestalten hatte. Nachdem sie dies erkannt hatte, nahm sie kurz nacheinander zwei entscheidende Weichenstellungen vor, die ihrem weiteren Lebensweg eine völlig neue Wendung gaben:

Zum einen begann Erika Fleuren im Jahre 1968 nach mehreren zunächst erfolglosen Bewerbungen um Höherqualifizierung eine Ausbildung als Inspektorenanwärterin; die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst bestand sie im Jahre 1971 mit der Note "sehr gut". Es schloss sich eine mehr als 20-jährige Beschäftigung beim Versorgungsamt in Wiesbaden an. Zum anderen trat sie 1971, also mit 30 Jahren, in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Hier war sie von Anfang an in verschiedenen Parteigremien in Wiesbaden aktiv, wo man schnell auf die resolute und durchsetzungsfähige JuSo-Frau aufmerksam wurde. Bereits im Jahre 1977 zog sie in die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Wiesbaden ein. Eine derart rasante Karriere nach nur sechsjähriger Zugehörigkeit ist in einer Mitgliederstarken Volkspartei höchst bemerkenswert und macht deutlich, welch hohes Ansehen und Vertrauen sich die blinde Kandidatin bis dahin schon erworben hatte.

Das von ihrer Partei und den Wählern in sie gesetzte Vertrauen hat Erika Fleuren mehr als gerechtfertigt. Sie hielt es nicht lange auf den hinteren Parlamentsbänken. Zum Schwerpunkt ihrer Arbeit machte sie die sozialen Angelegenheiten ihrer Stadt und übernahm später den Vorsitz im sozialpolitischen Arbeitskreis ihrer Fraktion. Mit der Zeit arbeitete sie sich in immer weitere Gebiete der Kommunalpolitik ein und stieg zur stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion und der städtischen Parteigliederung auf. Berücksichtigt man, dass Erika Fleuren damals noch im Versorgungsamt einer vollen Berufstätigkeit nachging, so blieb für persönliche Freizeit nicht mehr viel Raum. Die Wochenenden gingen im Wesentlichen für die Politik drauf. Dabei war ihre Mutter ihr eine unermüdliche Helferin. Sie arbeitete die Flut von schriftlichen Unterlagen mit ihrer Tochter durch und diktierte sie ihr auszugsweise in die Punktschriftmaschine, damit sie in Sitzungen und Debatten jederzeit parat waren.

Im Jahre 1991 betraute die SPD Erika Fleuren mit der Kandidatur für ein Direktmandat im Hessischen Landtag. Sie schlug sich achtbar, stand jedoch auf verlorenem Posten, denn sie musste gegen ein politisches Schwergewicht in Person des damaligen Hessischen Finanzministers Manfred Kanter antreten. Anfang 1994 rückte sie dann über die Landesliste ins Landesparlament nach und hatte dort für weitere zwei Wahlperioden ihren festen Platz.

Fortan widmete sie sich ausschließlich und professionell dieser Tätigkeit. Aus der Stadtverordnetenversammlung schied sie freiwillig aus. Die weitere Ausübung ihrer Beamtentätigkeit beim Versorgungsamt, wo sie es bis zur Amtsfrau in der Widerspruchsabteilung gebracht hatte, wäre mit der Ausübung eines Landtagsmandats ohnehin nicht vereinbar gewesen. An die Stelle ihrer inzwischen verstorbenen Mutter trat als ständige Assistentin Bärbel Hegenberg. Aus der gemeinsamen Arbeit entwickelte sich allmählich eine enge persönliche Freundschaft, die auch nach Beendigung der Assistenz bis zuletzt fortbestand.

In ihrem neuen Umfeld erwarb sich die blinde Parlamentarierin mit ihrer qualifizierten und konstruktiven Arbeitsweise und ihren schlagfertigen und oft humorvollen Redebeiträgen bald großes Ansehen bei Freund und Gegner. Ihr Schwerpunktthema war nach wie vor die Sozialpolitik unter besonderer Berücksichtigung der Belange behinderter Menschen. So konnte sie bei den Debatten über ein Hessisches Behindertengleichstellungsgesetz, die Ausgestaltung der Inklusion und über die Beibehaltung des Landesblindengeldes nicht nur ihre fundierten Spezialkenntnisse, sondern auch ihre eigenen Erfahrungen als Betroffene einbringen.

Als besondere Anerkennung ihrer parlamentarischen Arbeit konnte Erika Fleuren verbuchen, dass der Hessische Landtag sie im Jahre 1999 als eines seiner Mitglieder der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten nach Berlin entsandte.

Später wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Zur Landtagswahl 2003 verzichtete Erika Fleuren bewusst auf eine weitere Kandidatur, "um jüngeren Leuten Platz zu machen". Ganz konnte sie allerdings noch nicht von der Politik lassen. Zur Kommunalwahl 2006 ließ sie sich "ganz hinten" auf die Liste setzen und wurde prompt in die Stadtverordnetenversammlung "hineinpanaschiert". Die Wiesbadener hatten sie und ihre Arbeit nicht vergessen.

Ab 2011 zog sich Erika Fleuren Schritt für Schritt aus der aktiven politischen Arbeit zurück. Nun wandte sie sich noch einmal intensiv der Blindenselbsthilfe zu. In den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod übernahm sie die Führung des Leitungsteams der Bezirksgruppe Wiesbaden im Hessischen Blinden- und Sehbehindertenbund, dem sie zuvor schon als Stellvertreterin angehört hatte.

Erikas beruflicher und politischer Werdegang ist außergewöhnlich und imponierend. Mich selbst hat darüber hinaus ihre positive Lebenseinstellung besonders beeindruckt. Sowohl bei ihren öffentlichen Auftritten als auch in privaten Begegnungen habe ich sie als eine Persönlichkeit wahrgenommen, die sich mit ihrem Leben, so wie es war, also auch mit ihrer Schwerbehinderung im Einklang befand. Sie begriff ihre von Geburt an bestehende Blindheit nicht als niederdrückende schicksalhafte Bürde, sondern als Herausforderung, unter oft schwierigsten Bedingungen ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieser Maxime ist sie bis zu ihrem Lebensende auch noch nach dem erneuten Ausbruch ihrer schweren Krankheit treu geblieben.

Wir trauern um einen außergewöhnlichen Menschen. Nicht nur die Politik, sondern in besonderer Weise auch die Blindenselbsthilfe verliert mit Erika Fleuren eine vorbildliche und engagierte Mitstreiterin. Sie wird uns fehlen. Wir werden sie nicht vergessen.


Aus der Arbeit des DVBS

"DVBS 2020"

"Man kann sich vor dem Wind des Wandels schützen, indem man dicke Wälle errichtet, die den Wind abweisen. Aber, warum nicht Windmühlen bauen, mit denen sich die Kraft des Windes nutzen lässt?"

Es ist ja nun nicht so, dass im DVBS nichts los wäre! Im Gegenteil, an vielen Stellen wird in Baustellen gewerkelt und neue kommen hinzu. Der Vorstand des DVBS hat sich in seinen ersten Sitzungen im Jahr 2015 immer wieder mit anstehenden Veränderungen in der Arbeit und Struktur des Vereins befasst und beschlossen, sich ihnen rechtzeitig zu stellen. Die aktuelle Liste der aktiven Baustellen ist lang:

  • Die vom Arbeitsausschuss beauftragte Strukturkommission prüft, ob Konzept und Struktur der Fachgruppen in Praxis und Satzung noch zeitgemäß sind.
  • Auf Initiative der Fachgruppe Studium und Ausbildung entwickelt eine Arbeitsgruppe ein Konzept für eine moderne Kommunikationsplattform, die die bisherige Website des DVBS ablösen soll.
  • Die Fachgruppe Sehbehinderung hat Vorschläge entwickelt für eine für sehbehinderte Mitglieder besser nutzbare Umgestaltung der DVBS-Website und für die Verbesserung der Informationsarbeit und Darstellung des Vereins nach außen.
  • Es laufen Bemühungen, mehr multiprofessionelle Teams als bisher zu haben, die z.B. als Juristen- und Informatikertandems die Interessen blinder und sehbehinderter Menschen in die fortschreitende e-Government-Gesetzgebung einbringen.
  • Die vielfältige Ehrenamtsarbeit soll durch Schulung, Erfahrungsaustausch und Coaching besser unterstützt werden.
  • Der Textservice hat mit dem Einsatz von RTFC begonnen, sich auf die Übernahme zukunftsfähiger Services vorzubereiten.
  • Eine Plattform für Weiterbildungsberatung soll entstehen und
  • die Verstetigung des erfolgreich angelaufenen Mentoringprojektes als attraktives Vereinsangebot für Schüler und Studierende ist in Arbeit.
  • Die nationale Koordination des International Camp on Computers and Communication (ICC) ist übernommen und damit auch die Entwicklung einer europaweit wirkenden Plattform für Kooperation und Selbsthilfe-Austausch von Schülern und Studierenden.
  • Die Kooperation mit den Berufsförderungswerken für blinde und sehbehinderte Umschüler ist verbessert.

So viele Aktivitäten wollen koordiniert sein. Sie sollen sich ergänzen. Doppelarbeit, Konkurrenz und gegenseitiges Blockieren müssen vermieden werden. Der DVBS als recht kleiner Verein kann es sich nicht leisten, unnötig Kräfte zu vergeuden.

So viele Aktivitäten schaffen automatisch Veränderungen. Es muss klar sein, ob diese gewollt sind, wenn ja, müssen sie zielgerichtet gesteuert und mit anderen Aktivitäten koordiniert werden. Ein Beispiel dazu: Die Konzeptarbeit an der DVBS-Kommunikationsplattform ist eingeflossen in die Entwicklung einer Alumniplattform für ehemalige und zukünftige Teilnehmer am ICC. Die Erfahrungen mit der Alumniplattform fließen dann zurück ins DVBS-Konzept. Das macht Sinn und spart Kraft.

Um die verschiedenen Veränderungsaktivitäten einschätzen, planen, koordinieren und steuern zu können, hat der Vorstand die Eröffnung eines Organisationsentwicklungsprojektes mit dem Titel "DVBS 2020" beschlossen. Die Zahl 2020 kennzeichnet den Zeithorizont, innerhalb dessen die jetzt laufenden und fest geplanten Veränderungsaktivitäten zum Abschluss kommen sollen.

Der DVBS als Selbsthilfeverein mit sehr vielen aktiven Mitgliedern wäre schlecht beraten, wenn er deren Engagement und Fachwissen nicht aktiv einbeziehen würde in den Organisationsentwicklungsprozess.

Voraussetzung für Beteiligung ist Information.

  • Die soll systematisch erfolgen über horus, intern und eine Infobox auf der Website.
  • Vorstände und Geschäftsführer sollen in Bezirks- und Fachgruppen zum Thema auftreten.
  • Die Leitungsteams der Fach- und Bezirksgruppen und damit auch der Arbeitsausschuss sollen regelmäßig durch einen Newsletter auf dem Laufenden gehalten werden.
  • DVBS 2020 wird ein Routine-Tagesordnungspunkt auf Arbeitsausschuss- und Vorstandssitzungen und möglichst auch auf den Fach- und Bezirksgruppen-Sitzungen.

Bedingung für die Erreichung guter zukunftsweisender Ziele ist die Mitgliederbeteiligung

  • In möglichst jeder Fach- und Bezirksgruppe soll sich eine Person als "DVBS 2020-Pate" um das Thema kümmern und Ansprechpartner sowohl für Mitglieder als auch die Geschäftsstelle sein. Natürlich können sich Fach- und Bezirksgruppen dafür zusammentun.
  • In der Geschäftsstelle fungiert die Öffentlichkeitsarbeit als Anlaufstelle für die Paten und die Fach- und Bezirksgruppen-Leitungen. Sie nimmt die Vorschläge für und die Kritiken an der DVBS-Weiterentwicklung entgegen, dokumentiert diese und legt sie dem Vorstand zur Beratung vor. Sie gibt den Einreichenden auch eine Rückmeldung.
  • Die Öffentlichkeitsarbeit koordiniert die Kommunikation zum Thema DVBS 2020 nach innen und außen.
  • Die Geschäftsstelle richtet eine E-Mailadresse für DVBS 2020-Vorschläge und -Kritiken ein.
  • Von Fall zu Fall führt die Geschäftsstelle in Absprache mit dem Vorstand Onlinebefragungen zu zentralen Themen durch.

Dass der menschliche Baumeister der höchst kunstfertigen Biene überlegen ist, weil er ein Ziel, eine Vorstellung vom Ergebnis im Kopf hat, bevor er den ersten Stein setzt, das ist ein wohlbekannter, wichtiger, Karl Marx zugeschriebener Satz.

Wohin sollte sich der DVBS entwickeln, wenn er sich keine Ziele setzte?

In verschiedenen Bereichen des Vereins werden zurzeit und nicht nur aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums solche Zieldiskussionen geführt. Sie wollen Antworten geben auf die Frage: "DVBS 2020 - wo stehen wir dann?"

  • Z.B.: Wie reagieren wir auf die gesamtgesellschaftlich nachlassende Bereitschaft zur Bindung an die organisierte Selbsthilfe? Müssen wir mehr ad hoc-, projekt- oder themenzentrierte Beteiligungsformen anbieten und deshalb z.B. die Satzung ändern?
  • Z.B.: Können wir mit dem Projekt Weiterbildungsberatung die Interessenlagen der Zielgruppe sehgeschädigte Beschäftigte mit gesundheitsbedingter Leistungs- und Arbeitsplatzgefährdung, Karrierewunsch oder beruflichem Veränderungsdruck treffen und zu uns ziehen?
  • Z.B.: Können wir uns unter intensiverer Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie den Kommunikationsgewohnheiten jüngerer und sehbehinderter Mitglieder und Interessenten besser stellen und interessanter werden?
  • Z.B.: Mit welchen modernen Arbeitsformen der Selbsthilfe und Solidaritätsarbeit können wir uns angesichts der fachlichen hohen und von der Arbeitsmenge her beachtlich steigenden Anforderungen den wachsenden Möglichkeiten der Beteiligung in Gesetzgebungs- und anderen relevanten Verfahren beteiligen? Brauchen wir nicht mehr multiprofessionelle Expertenteams, Task-Forces, um die Arbeitslast durch bessere Verteilung senken zu können?
  • Z.B.: Welche Arbeitsschwerpunkte setzen wir uns angesichts begrenzter Kräfte? Welches sind unsere Leuchttürme, unsere Alleinstellungsmerkmale als DVBS? Welche Themen bearbeiten wir im jeweils nächsten Jahr vorrangig, ohne die anderen zu vergessen? Inklusion in Ausbildung, Studium und Beruf?, Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechniken?, Inklusive Vereinsarbeit?, Ausbildungs-, Berufs-, Karriereberatung?, Sozialpolitik und Teilhaberecht? Und welche wichtigen Themen müssen für eine Zeit in die Warteschlange und werden dann bei akutem Bedarf aufgegriffen? Inklusion in der Schule?, barrierefreie Lebensgestaltung in Freizeit und häuslichem Leben?, internationale Selbsthilfe?

Der Vorstand will die Zielediskussion zu DVBS 2020 eröffnen. Er hat selbst damit begonnen und bittet den Arbeitsausschuss, dies in seiner Sitzung im November ebenfalls zu tun. Stichworte dafür könnten sein:

  • Wozu braucht man heute Selbsthilfe?
  • Alleinstellungsmerkmale: Beratung, Weiterbildung, Expertise, Mentoring durch selbst betroffene Fachleute
  • Schwerpunktthemen der Teilhabearbeit, z.B. IT-Barrierefreiheit etc.
  • Mitgliedschaftspotentiale und Werbung
  • blind - sehbehindert, gleiche Interessen, gleiche Ziele?
  • Best Practice-Lösungen kommunizieren
  • Netzwerke für Angehörige schaffen

Und so geht"s los:

DVBS 2020 ist gestartet.

  • Der erste Newsletter ist erschienen.
  • Die Fach- und Bezirksgruppen werden ab sofort um die Benennung von Ansprechpartnern und Informationsterminen gebeten.
  • Die Öffentlichkeitsarbeit der Geschäftsstelle steht als DVBS 2020-Ansprechpartner und Kommunikationszentrale zur Verfügung.
  • Die Projektleitung (Richtungs-, Schwerpunkt- und Finanzentscheidungen, Ergebnisabnahme) liegt beim Vorstand und damit auch beim Vorsitzenden des Arbeitsausschusses.
  • Das Projektmanagement (Steuerung und Aktivitätenkoordination im Rahmen der Projektleitungsbeschlüsse) übernimmt die Geschäftsführung.

Schon Odysseus wusste: Mentoring bringt junge Menschen weiter

Auftaktseminar des DVBS-Projekts "TriTeam" fand am 3. und 4. Juli statt

Studium oder Berufsbildung? Jura oder Sozialpädagogik? Soll ich mich trauen, für einen neuen Job die Stadt zu wechseln? Fragen wie diese stellen sich Schulabgänger, Studierende und junge Berufstätige Jahr für Jahr - wenn zusätzlich noch eine Seheinschränkung vorliegt, bekommen diese Fragen noch mehr Gewicht. In seinem Mentoring-Projekt "TriTeam" unterstützt der DVBS seit April zehn junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben. Die blinden und sehbehinderten jungen Männer und Frauen aus ganz Deutschland bilden jeweils ein Team mit einer Mentorin oder einem Mentor, die ebenfalls von einer Sehbeeinträchtigung betroffen und in einem vergleichbaren Beruf tätig sind, den die Projektteilnehmenden anstreben. Tauchen zudem noch rein fachliche - studien- oder berufsbezogene - Fragen auf, kann ein dritter Know-how-Coach mit seinem Wissen das TriTeam komplettieren. "Neben dem fachlichen Austausch und Tipps für Studium oder Ausbildung erfahren die Studierenden darüber hinaus aus erster Hand, wie ihre Mentoren behinderungsbedingte Schwierigkeiten in Studium und Beruf, aber auch im Alltag bewältigen", so DVBS-Geschäftsführer Klaus Winger. Im Telefongespräch, per E-Mail oder im persönlichen Treffen: Austausch und Kommunikation sind die zentralen Elemente, die die "Arbeit" der Teams ausmachen. "Wenn beide Team-Mitglieder nicht nur fachlich auf einer Wellenlänge surfen, sondern auch ähnliche, behinderungsbedingte Stolpersteine aus dem Weg räumen müssen und mussten, profitieren alle Beteiligten davon", so Winger.

Nach dem Projektstart im März 2015 haben sich die Teams am 3. und 4. Juli erstmals getroffen, um sich und die Gesamtgruppe kennen zu lernen, ihre Erfahrungen auszutauschen und Wünsche an das zwölfmonatige Projekt zu besprechen. Unterstützt wurden sie von Diplompsychologin Kirsten Schmidt, die bereits in den vergangenen Jahren ein Mentoring-Projekt für behinderte Frauen begleitet hat. Auch der DVBS-Vorsitzende Uwe Boysen war nach Hünfeld gekommen. "Bereits seit einigen Jahren war im Verein angedacht, ein Mentoringprojekt anzubieten. Ich bin froh, dass das Projekt jetzt gestartet ist. Es ist ein Stück weit auch mein Baby, und ich komme gerne zur Taufe!", so Boysen zu Beginn des Wochenendes.

Bereits in der ersten Vorstellungsrunde wurden die Weichen für das zentrale Thema der beiden Tage gestellt: Der gemeinsame Erfahrungsaustausch stand im Mittelpunkt. Zunächst berichteten die Anwesenden von ihren ersten Schritten als Tandems, bevor die Zweierteams anschließend Zeit für einen intensiven Austausch hatten. Ein geführter Stadtrundgang am Abend brachte der Gruppe Hünfeld als die Stadt Konrad Zuses - des Erfinders des ersten Computers - näher.

Während der Freitag im Zeichen der Tandems stand, wurde die Gruppe am Samstag durch Kirsten Schmidt bereichert, die selbst über fünfjährige Erfahrung in einem Mentoringprojekt verfügt. "Unser Projekt richtete sich an behinderte Studentinnen, auch blinde und sehbehinderte Mentees waren dabei", so Schmidt. Sie startete mit einem Exkurs in die Griechische Antike und erklärte den Ursprung des Begriffs "Mentoring". So habe Odysseus vor Beginn seiner Odyssee Mentor gebeten, sich seines Sohnes Telemachos anzunehmen - als väterlicher Freund und Ratgeber. Von dieser Definition sind die Mentorinnen und Mentoren im DVBS-Projekt jedoch weit entfernt… Im Verlauf des Vortrags mit anschließender Diskussion gab Kirsten Schmidt sowohl Mentoren als auch den Mentees Tipps für eine erfolgreiche und zufriedenstellende Zusammenarbeit: "Ein guter Mentor macht Mut, er ist ein Impulsgeber, nicht das Navigationsgerät." In getrennten Gruppen sprachen anschließend sowohl Mentees als auch Mentoren über die Möglichkeit, Ziele festzulegen und die Zusammenarbeit so zu gestalten, dass beide Seiten von dem Projekt profitieren können. Einen Rat werden sicherlich alle Teams befolgen: "Seien Sie völlig offen für das, was sich in diesem einen Jahr entwickelt."

Das Mentoring-Projekt "TriTeam" wird von der Commerzbank-Stiftung mit einem Betrag von 10.000 Euro gefördert. Geschäftsführerin Astrid Kießling-Taşkın: "Verantwortung gegenüber Mitmenschen zu übernehmen, ist das Grundprinzip des Engagements der Commerzbank-Stiftung. Gemeinsam mit unseren starken Partnern haben wir das Ziel, Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft zu verhelfen. Das TriTeam-Mentoring-Projekt setzt hier an einem zentralen Punkt an: dem konkreten Weg ins Berufsleben, ob über Studium oder Ausbildung."

Bildbeschreibungen: Zwei Fotos, die während des Auftaktseminars in Hünfeld aufgenommen wurden, sind dem Artikel beigefügt. Das erste zeigt einige Teilnehmende während der Kennenlern-Runde. Die Teilnehmer nahmen ein langes Seil in die Hände und stellten sich nebeneinander dem Alter nach geordnet - beginnend beim jüngsten - auf. DVBS-Geschäftsführer Klaus Winger hält links im Bild ein Seilende in den Händen. Rechts von ihm haben sich bereits drei Männer und zwei Frauen aufgestellt. Alle tragen Sommerkleidung. Im Hintergrund sind einige der übrigen Teilnehmer zu sehen, die auf ihren Plätzen sitzend noch darauf warten, sich in die Reihe am Seil zu stellen.

Das zweite Foto zeigt die Gruppe während des abendlichen Stadtrundgangs im Park. Sie haben einen Stopp an der lebensgroßen Statue von Konrad Zuse, dem Erfinder des ersten Computers, eingelegt, um diese zu ertasten. Einer der blinden Teilnehmer fährt tastend mit seiner Hand am Arm der Statue entlang. Die anderen stehen im Kreis und hören den Erklärungen der Stadtführerin zu. Im Hintergrund sind Rasenflächen und rosa blühende Blumen zu sehen. Fotos: DVBS/Christina Rausch


Terminvorschau

3. bis 6. September: Fachgruppe Studium und Ausbildung — Bundesweites Treffen blinder und sehbehinderter Studierender und Auszubildender in Kassel

18. bis 20. September: Energydance für Blinde und Sehbehinderte, Wetzlar

9. bis 11. Oktober: Fortbildungsseminar der Fachgruppe Jura in Erfurt

5. bis 12. Oktober: Seminar der Gruppe Ruhestand in Bad Liebenzell

Weitere Informationen zu den Terminen finden Sie unter www.dvbs-online.de/php/aktuell.php


Aus der blista

Prüfungen an der Carl-Strehl-Schule der Deutschen Blindenstudienanstalt

Gymnasium

am 26. Juni 2015 bestandene Reifeprüfung

Ibrahim-Ethem Akkan, Elisabeth Alaoui Masbahi, Louisa Bieberstein, Deniz Bozkaya, Sascha Brusius, Jaqueline Buss, Lars Ebert, Hayk Philipp Gazer, Charlotte Hartz, Lena Hörster, Malte Krüger, Juliana Maria Miksch, Mandy Müller, Mahdi Assaily, Nicole Rieger, Balier Saberi, Lisa Schmidt, Lukas Schulz, Tatjana Schulz, Luca Schwarz, Yannick Sträter, Mara Witzenrath und Lisa Wolf

Berufl. Gymnasium - Fachrichtung Wirtschaft

am 26. Juni 2015 bestandene Reifeprüfung

Axel Duensing, Lucas Jacobs, Sebastian Tilders und Zehra Ucar

Mit der Abschlussprüfung erlangten am 16. Juni 2015 die Fachhochschulreife in der Fachoberschule - Fachrichtung Sozialwesen

Christian Bischoff, Johannes Borbe, Larissa-Louise Jacobs, Angelina Marinovic, Ann-Marie Reiche, Katja Rigert, Nikolaos Rizidis, Nathalie Schonvogel und Nathalie Wiegand.

Mit der Abschlussprüfung erlangten am 16. Juni 2015 die Fachhochschulreife in der Fachoberschule - Fachrichtung Wirtschaft

Tony Garis, Knut Graf, Mike Homa, Kevin Ingwersen, Lennart Lehmkuhl, Elisabeth Rahmig, Ersin Sagir und Maria Schröder.

Mit der Abschlussprüfung wurden am 11. Juni 2015 Kaufmännische Assistenten für Informationsverarbeitung

Moritz-José Becher, Cindy Choi, Dennis Dul, Willy Helber und Ugur Kayar

Mit der Abschlussprüfung wurden am 11. Juni 2015 Kaufmännische Assistenten für Fremdsprachen

Helene Dworzak und Christiane Schieren

Den schulischen Teil der Fachhochschulreife haben erreicht:

Max Bähre, Kristina Gutmüller und Tanja Panter.

Bildbeschreibung: Das Foto zeigt die Absolventinnen und Absolventen der blista. Die jungen Frauen und Männer haben sich in drei Reihen hintereinander auf den Stufen der Bühne in der Aula aufgestellt. Sie schauen teils fröhlich, teils ernst in die Kamera. Foto: blista


Fortbildungsangebote

Erste Hilfe - Lehrgang für Blinde und Sehbehinderte

Für blinde und sehbehinderte Interessierte ab 16 Jahren.

In diesem Lehrgang vermitteln wir die Grundlagen der lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Dabei legen wir besonderen Wert auf eine praxisnahe und zielgruppengerechte Ausbildung. Materialien und Vermittlungsmethoden sind speziell auf die Bedarfe von blinden und sehbehinderten Lernenden abgestimmt. Die Teilnehmer erhalten eine "Erste-Hilfe-Fibel" als DAISY-CD, um die Inhalte auch nach dem Kurs wiederholen und festigen zu können.

Besonderer Hinweis: Es handelt sich dabei um einen "großen" Erste Hilfe-Lehrgang mit 16 Unterrichtseinheiten, wie er z. B. für die Zulassung zum 2. Staatsexamen von Lehramtsstudierenden benötigt wird.

Termin: 27.11.2015, 16 - 20 Uhr und 28.11.2015, 9 - 17 Uhr und 29.11.2015, 9 - 15 Uhr

Teilnehmerzahl: 12 Personen, Anmeldeschluss: 21.10.2015

Teilnahmebeitrag: 120 Euro

Online-Anmeldung auf www.blista.de/bildung

Geocaching: Schnitzeljagd mit GPS - eine Einführung

Für alle Abenteuerlustigen, Eltern und Familien, Fachkräfte aus der Arbeit mit Blinden und Sehbehinderten im Freizeitbereich und alle Interessierten.

Geocaching ist eine spannende Methode, besonders Kinder und Jugendliche aus dem Zimmer zu locken und die Faszination moderner Technologie mit Naturerfahrung und Stadterkundung zu kombinieren. Auch für blinde und sehbehinderte Menschen bietet Geocaching eine interessante Möglichkeit der Freizeitgestaltung. Zunächst werden wir auf den Grundgedanken des Geocachens sowie dessen Geschichte eingehen und anschließend die wichtigsten theoretischen Grundlagen erarbeiten, bevor es dann gemeinsam auf die Cache-Suche geht. Während der anschließenden Tour durch Marburg werden die Teilnehmenden die satellitengestützte Schatzsuche praktisch erproben können. Gemeinsam suchen wir im Stadtgebiet Caches, die auf die Bedarfe von blinden und sehbehinderten Schatzsuchern abgestimmt sind. Für die Fortbildung stellen wir Ihnen GPS-Geräte zur Verfügung. Bitte bringen Sie festes Schuhwerk, Regenkleidung im Fall schlechten Wetters und Verpflegung für unterwegs mit. Wer möchte, kann sich vorher die App C:GEO auf seinem Smartphone installieren.

Termin: 11.10.2015, 10 - 17 Uhr

Teilnehmerzahl: 8 Personen, Anmeldeschluss 9.09.2015

Teilnahmebeitrag: 80 Euro

Online-Anmeldung auf www.blista.de/bildung


„Ein Tag voller Erinnerungen und Neugier“

"Ehemaligen-Tag" der blista während des "Louis Braille Festivals", am Freitag, dem 1. Juli 2016

"Wie sieht meine alte Schule eigentlich heute aus?" "Was machen meine ehemaligen Lehrer, Betreuer und Mitschüler heute?" - Wer diesen Fragen auf den Grund gehen möchte, hat am Freitag, dem 1. Juli, zwischen 14 und 17 Uhr, auf dem blista-Campus die Chance, es herauszufinden. Altbekannte Wege, Räume neu zu entdecken, zu schauen, was sich "Am Schlag" so alles getan hat. Menschen wieder treffen, die man seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr gesehen oder gesprochen hat. Dazu lädt die blista, im Rahmen des "Louis Braille Festivals", alle ehemaligen Schülerinnen und Schüler auf den blista-Campus ein.

Auch die Festivalbesucherinnen und -besucher, die schon immer wissen wollten, was es mit der blista auf sich hat, sind eingeladen, dies herauszufinden.

In gemütlicher Atmosphäre mit alten Schulfreunden plaudern, sich von den aktuellen blista-Schülerinnen und -Schülern über den Campus führen lassen - der Nachmittag des 1. Juli steht ganz im Zeichen des "Wiedertreffens und Neuentdeckens".

Als besonderes Bonbon besteht die Möglichkeit, "noch einmal die Schulbank zu drücken" und gemeinsam mit ehemaligen und aktuellen Lehrerinnen und Lehrern der Carl-Strehl-Schule den Unterricht von einst aufleben zu lassen und die neuen Lernmethoden von heute ausprobieren zu können.

Musik, Infos und spannende Mitmachangebote runden den "Ehemaligen-Tag" auf dem blista-Campus ab.

Um beides, das Programm auf dem blista-Campus sowie die interessanten und vielfältigen Angebote auf dem Festivalgelände am Georg-Gaßmann-Stadion, bequem genießen zu können, wird es zwischen Festivalgelände und blista-Campus einen Shuttleservice geben, so dass man sich nicht für das eine und gegen das andere Angebot entscheiden muss.

Abends, ab 19 Uhr, steigt auf dem Festivalgelände am Georg-Gaßmann-Stadion, dann der "blista-Abend" unter dem Motto "100 Jahre - 100 Talente". Ein buntes Programm aus Musik, Sport, Talk und vielem mehr, in dessen Mittelpunkt die Schülerinnen und Schüler der blista stehen, egal ob ihre Schulzeit noch andauert oder schon etwas länger zurückliegt.

Ein Tag voller Erinnerungen und Neugier. Wir würden uns freuen, alle "Ehemaligen", die einen neugierigen Blick auf ihre Schule werfen oder in "alten Zeiten" schwelgen wollen, am 1. Juli begrüßen und willkommen heißen zu dürfen. Anmeldung zum Festival:

Louis Braille Festival in Marburg, www.dbsv-festival.de

Tel.: 06421/606444


„RehaFair“- EDV-Ausstellung 2015

Namhafte Firmen zeigen ihre neuesten Produkte

Marburg, 13. November 2015, 10 -16 Uhr, Sporthalle der Carl-Strehl-Schule

Als besonderen Service für Besucher bietet die rbm gGmbH eine Rechtsberatung und das Reha-Beratungszentrum der blista firmenunabhängige Hilfsmittel- Beratung an. Außerdem ist das SEHmobil des Beratungszentrums vor Ort und der blista-Hilfsmittel-Shop im Schlag 8, Erdgeschoss, direkt gegenüber der Sporthalle, ist an diesem Tag von 10 bis 16 Uhr geöffnet!


Impressum

Impressum

Herausgeber: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion: DVBS (Uwe Boysen, Andrea Katemann und Christina Rausch) und blista (Isabella Brawata, Thorsten Büchner, Rudi Ullrich und Marika Winkel)

Koordination: Christina Rausch, Geschäftsstelle des DVBS, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Telefon: 06421 94888-13, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.): Uwe Boysen (DVBS) und Rudi Ullrich (blista)

Erscheinungsweise: Der "horus" erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

Jahresbezugspreis: 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe, 35 Euro für alle übrigen Ausgaben. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonten des DVBS: Sparkasse Marburg-Biedenkopf IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80 (BIC: HELADEF1MAR) - Postbank Frankfurt (für Überweisungen aus dem nicht-europäischen Ausland), IBAN: DE95 5001 0060 0149 9496 07 (BIC: PBNKDEFFXXX)

Verlag: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389, Jahrgang 77

Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg

Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg

Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen

Die Herausgabe der Zeitschrift "horus" wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der "Glücksspirale" unterstützt.

Titelbild:Bildung im Wandel Foto: DVBS/Christina Rausch

Nächste Ausgabe (horus 4/2015): Schwerpunktthema: Ängste und ihre Bewältigung, Erscheinungstermin: 23. November 2015, Anzeigenannahmeschluss: 23. Oktober 2015, Redaktionsschluss: 29. September 2015


Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht

horus 3/2015, Jg. 77

"Bildung im Wandel"

Vorangestellt

In eigener Sache

Schwerpunkt: "Bildung im Wandel"

  • Joachim Klaus: Es ist normal, verschieden zu sein
  • Susanne Patze: Berufsorientierung und Ausbildungsmöglichkeiten für blinde und sehbehinderte Jugendliche im Wandel
  • Simon Kuhlmann: Blindenbildung im Wandel - ein Erfahrungsbericht
  • Dr. Johannes-Jürgen Meister: Inklusive Bildung bis ins hohe Alter
  • Jurastudium - heute und vor knapp 50 Jahren. Ein Gespräch zwischen Stephan Engelhardt und Uwe Boysen
  • Dr. Imke Troltenier: Inklusion braucht Qualität! Faire Bildung für alle Kinder
  • Nicole Riegert: Gedanken einer Abiturientin

Bildung und Wissenschaft

  • Inklusive Bildung in Hochschulen und Professionalisierung der Lehrenden
  • DVBS gibt Stellungnahmen zu Novellierung der Hochschulgesetze ab
  • Bundesregierung kündigt Befragung "Beeinträchtigt studieren" an
  • Mit Coaching zum Bachelor oder Master

Recht

  • Paola Carega: "Die Umsetzung der UN-BRK ist längst nicht abgeschlossen"
  • Abschließende Bemerkungen des CRPD
  • Resolution des DBSV für ein bundeseinheitliches Blindengeld

horus-Zeitreisen

Bücher

  • Sabine Hahn: Hörtipp
  • Andrea Katemann: Auf verschiedenen Wegen
  • Buchtipps aus der blista

Panorama

  • Woche des Sehens: Das ist neu in diesem Jahr
  • Neue Broschüre: "Sehen im Alter"
  • Aktionsbündnis Teilhabeforschung gestartet
  • Ausstellung von Musikautomaten in Leipzig mit Führung für blinde und sehbehinderte Menschen
  • Eltern-Umfrage der Bertelsmann Stiftung: Eltern geben inklusiven Schulen gute Noten

Barrierefreiheit und Mobilität

  • Karsten Warnke: Know-how-Transfer durch BIT inklusiv erfolgreich abgeschlossen
  • Berufsbegleitende Weiterbildung zur Rehabilitationsfachkraft

Berichte und Schilderungen

  • Hubert Ellerhusen: Nachruf auf Erika Fleuren

Aus der Arbeit des DVBS

  • Klaus Winger: "DVBS 2020"
  • Christina Rausch: Schon Odysseus wusste: Mentoring bringt junge Menschen weiter
  • Terminvorschau

Aus der blista

  • Prüfungen an der Carl-Strehl-Schule der Deutschen Blindenstudienanstalt
  • Fortbildungsangebote
  • "Ein Tag voller Erinnerungen und Neugier"
  • "RehaFair" - EDV-Ausstellung 2015

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