hoorus 2/2017

Schwerpunkt-Thema Horus 2/2017: "Wege in den Beruf".

Bildbeschreibung des Titels: Das Titelbild ist eine Collage aus drei Bildern. Das erste Bild zeigt eine typische Szene aus dem Biologieunterricht der blista mit drei Schülern und einem Lehrer, die ein Modell des Auges betrachten. Auf dem zweiten Bild sind zwei junge Männer vor einem Computer zu sehen. Ein Mann tippt auf einer Braillezeile. Vier Fahnen vor einigen Bäumen und einem hohen Gebäude im Hintergrund sind auf dem dritten Bild erkennbar. Auf den Fahnen steht: „Frankfurt University of Applied Sciences“.

Inhalt

Vorangestellt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe DVBS-Mitglieder,

nicht ohne Grund kommen im Namen des DVBS die Worte „Studium und Beruf“ vor. Unbestritten ist und bleibt nämlich für unser Selbstverständnis die Erkenntnis, dass diese Begriffe (und über das Studium hinaus gehört dazu selbstverständlich auch eine andere Art von Ausbildung) einen der wesentlichen Schlüssel zu eigener Zufriedenheit wie zu gesellschaftlicher Anerkennung markieren. Es ist aber beileibe nicht einfach, diese Schlüssel ins passende Schloss zu stecken und dann die verschlossenen Türen damit zu öffnen. Das zeigen die Autorinnen und Autoren unseres Schwerpunktes sehr deutlich. Manchmal passt ein Schlüssel einfach nicht in das anvisierte Schloss, und dann ist es besser, sich von ihm zu trennen. Dazu ist der Beitrag von Büchner und Badouin sehr aufschlussreich. Manchmal öffnet der Schlüssel die Tür nur einen bestimmten Spalt weit. Dann müssen Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden wie im Fall des Online-Arbeitens, das Carvalho Rodrigues beschreibt. Aber es gibt sie auch, die positiven, überragenden Beispiele, die uns Mut machen dürfen und so wichtig sind, wenn Skepsis von lehrenden und Arbeitgebern zu überwinden ist. Heute nennt man das in bestem Denglisch "Best Practice".

Wir brauchen mehr solche Berichte in allen möglichen Medien. Wir brauchen aber auch die Erfahrungsberichte von Ihnen und Euch im horus und anderswo, in denen die Tücken des Berufsalltags und der Ausbildung analysiert werden; denn nur so können wir daraus glaubwürdig eine zusammenhängende Erzählung machen, in der wir über unsere Stärken berichten und darlegen, wo Verbesserungen und Reformen diesen Studien- und Berufsalltag noch Erfolg versprechender zu gestalten vermögen.

Denken Sie, liebe Leserinnen und Leser, doch einmal darüber nach, ob Sie nicht etwas zu einem solchen „Schreib- und Informationsprojekt“ beizutragen haben. Darüber freuen würde sich jedenfalls

Ihr und Euer

Uwe Boysen

Bildunterschrift: Uwe Boysen ist ehemaliger Vorsitzender des DVBS. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Herrn mit hellen Haaren, Brille, hellem Hemd und rotem Pullover, der verschmitzt in die Kamera lächelt.

horus 3/2017: "Glaube"

Das Schwerpunktthema der nächsten Ausgabe lautet "Glaube". Doch was genau macht den Glauben eigentlich aus? Gibt es DEN Glauben? Welche verschiedenen Formen von Glauben existieren und muss ich überhaupt glauben? Diese und weitere Fragen werden im nächsten horus von verschiedenen Seiten beleuchtet. Die Antworten darauf sind vielschichtig. So kann man sich – was liegt näher? – mit der religiösen Seite dieses Themas beschäftigen. Dass dies das ganze Leben (etwa als Pfarrer) bestimmen kann und welche Probleme für blinde und sehbehinderte Menschen dabei auftreten können, zeigt das nächste Heft. Es wird ebenfalls beleuchtet, wie z.B. eine Fernausbildung zum Diakon aussieht und welche verschiedenen Glaubensformen Lehrer und Schüler an der blista haben und leben. Freuen Sie sich bereits jetzt auf dieses spannende Thema in horus 3/2017 oder arbeiten Sie doch aktiv mit.

Senden Sie uns dazu bitte Ihre Beiträge per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Texte für den Schwerpunkt können bis zu 10.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) lang sein, allgemeine Berichte bis zu 4.000 Zeichen. Kürzere Meldungen sollten nicht mehr als 2.000 Zeichen haben. Redaktionsschluss ist der 4. Juli 2017.

Ihr und Euer

André Badouin

Bildunterschrift: Glaube wird von jedem Menschen unterschiedlich bewertet und gelebt. Foto: Maren Beßler/pixelio.de

Bildbeschreibung: Auf dem Bild, das in dunklen, blauen Farben gehalten ist, ist eine Hand zu sehen, die eine Glaskugel hält. In der Glaskugel schimmern hell zwei Lichtstrahlen.

Schwerpunkt „Wege in den Beruf“

Isabella Brawata

Zu den eigenen Stärken stehen!

Wie es gelingen kann, mit Blindheit oder Sehbehinderung eine Ausbildung, ein Praktikum oder eine Arbeitsstelle zu bekommen

Interview mit Ute Mölter und Christoph Korte

Im Rahmen der blista-Projektlinie Inklusion (I&I) und Innovation werden Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung aus dem Raum Marburg durch das Reha-Beratungszentrum der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista) und aus dem Rhein-Main-Gebiet durch Fokus Arbeit darin unterstützt, ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen. Sie werden auf dem Weg zum Studium oder in eine Ausbildung sowie den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Beruf begleitet. Die blista-Projektlinie Inklusion und Innovation wird gefördert aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und aus Mitteln der Europäischen Union - Europäischer Sozialfonds.

Brawata (B.): Wie ist die Situation blinder und sehbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt?

Mölter (M.): Die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung ist in Deutschland deutlich zurückgegangen. Alarmierend ist jedoch, dass die Zahl der Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung, die ohne Arbeit sind, nicht nur nicht gesunken, sondern sogar noch gestiegen ist. Dieser völlig gegenläufige Trend ist umso unbegreiflicher, wenn man sich vor Augen führt, dass viele Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung gut bis sehr gut qualifiziert sind.

B.: Wie erfolgt die Unterstützung?

M.: Die Ratsuchenden werden von uns individuell begleitet, um möglichst zielführend und chancenreich in den Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt einsteigen zu können, weil zu uns Menschen mit sehr unterschiedlichen Berufsbiografien kommen. Die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Vorgehensweise unterscheidet die blista-Projektlinie Inklusion und Innovation von manchen Konzepten in anderen Einrichtungen.

Korte (K.): Die Teilnahme an der blista-Projektlinie Inklusion und Innovation ist freiwillig. Wer Unterstützung wünscht, bleibt in seinem jeweiligen Leistungsbezug. Wer das Projekt verlässt, muss keine Nachteile fürchten. Dadurch wird eine Begegnung auf Augenhöhe gewährleistet.

B.: Wer kann sich mit Fragen der beruflichen Teilhabe an das Reha-Beratungszentrum wenden?

M.: Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung sowie Arbeitgeber und Kostenträger aus dem gesamten Bundesgebiet, die Anliegen zu Ausbildung und Beruf haben, können sich an uns wenden. Wer eine intensive Begleitung wünscht und an der blista-Projektlinie Inklusion und Innovation teilnehmen möchte, sollte in erreichbarer Entfernung von Marburg oder Frankfurt wohnen, da zehn Stunden wöchentlich Präsenzzeit in speziell für Blinde und Sehbehinderte ausgestatteten Schulungsräumen vorgesehen sind. Außerdem verpflichten sich die Teilnehmenden, weitere zehn Stunden selbst am Ziel mitzuarbeiten, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

B.: Was muss getan werden, damit mehr blinde und sehbehinderte Menschen eine Stelle finden?

K.: Zunächst sollte ein qualifiziertes Profiling durch Fachexperten auf dem Gebiet Blindheit / Sehbehinderung erfolgen. Um den Förderbedarf des Arbeitsuchenden abzuklären, muss die Sehfähigkeit überprüft und darauf aufbauend eine Sehhilfen-, EDV- und Hilfsmittelberatung erfolgen. Auch Fähigkeiten in Orientierung und Mobilität sowie berufspraktischen Fähigkeiten können für den Erfolg einer Stellenvermittlung entscheidend sein. Menschen, die nach einem Sehverlust ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können, benötigen Beratung, um zu erfahren, welche Rehabilitationsmöglichkeiten und beruflichen Perspektiven ihnen offenstehen.

M.: Auch mit einer Blindheit oder Sehbehinderung muss man in der Lage sein, optisch ansprechende Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Ratsuchende erhalten von uns barrierefreie Dokumentvorlagen und werden auf den neuesten Stand darüber gebracht, was bei der Gestaltung von Bewerbungsunterlagen der aktuelle Trend ist.

K.: Für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung werden Stellensuche und Bewerbungsverfahren dadurch erschwert, dass Jobportale oder Online-Assessments nicht barrierefrei sind. Um geeignete Stellenangebote zu finden und am Bewerbungsverfahren teilnehmen zu können, ist ein von uns begleitetes Vermittlungscoaching daher oft sinnvoll, um mit sehender Unterstützung die Berufssuche oder das Bewerbungsverfahren zu durchlaufen.

M.: Damit Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung ihre Ausbildung oder ihr Studium erfolgreich abschließen können, unterstützen wir im Rahmen der inklusiven Ausbildung an Betrieben und Universitäten bei der Ausstattung von Arbeitsplätzen und der Erstellung barrierefreier Lehrmaterialien.

K.: Der erste Eindruck ist im Bewerbungsgespräch wichtig. Deshalb trainieren wir mit den Teilnehmenden intensiv Bewerbungssituationen. Als zielführend hat sich die Methode des Videofeedbacks und des Rollenspiels herausgestellt. Bei langzeitarbeitslosen Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung muss gemeinsam mit den Ratsuchenden die Berufsperspektive auf den Prüfstand gestellt werden, um zu analysieren, ob die Voraussetzungen gegeben sind, damit eine erfolgreiche Eingliederung in den Beruf erfolgen kann. Manchmal ist eine Weiterqualifizierung nötig, wenn das Berufsbild und damit die gestellten Anforderungen des erlernten Berufes sich im Laufe der Zeit so stark gewandelt haben, dass neue Fähigkeiten erworben werden müssen.

M.: Unverzichtbar ist ein Eingliederungsmanagement für Menschen, die im Berufsleben stehen, deren berufliche Situation sich in Folge eines Sehverlustes jedoch geändert hat. Wir stellen das Sehvermögen und den individuellen Hilfsmittelbedarf fest. In manchen Fällen ist es erforderlich, eine Hilfsmittelschulung zu empfehlen. Wir unterstützen bei der Antragsstellung. Dann muss abgeklärt werden, ob die Aufgaben, die der Arbeitnehmer vor dem Sehverlust ausgeübt hat, wieder in vollem Maße bewältigbar sind oder ob es erfolgversprechender wäre, die Person in anderen Aufgabenbereichen einzusetzen, um die gleiche Effizienz wie vor dem Eintritt der Sehbehinderung zu erreichen.

K.: Manchmal erleben wir, dass es nach Einstellung einer blinden oder sehbehinderten Person zu Konflikten kommt, weil Kollegen nicht genügend darauf vorbereitet waren. In der Einarbeitungsphase kann es im täglichen Ablauf zu Reibungspunkten kommen, weil manches länger dauert. Die Arbeitskollegen trauen sich aus Unsicherheit häufig nicht, Konflikte offen anzusprechen. Das hat in manchen Fällen zur Folge, dass die blinde oder sehbehinderte Person das Beschäftigungsverhältnis verliert, weil befristete Verträge nicht verlängert werden. Um Konflikten vorzubeugen, ist es hilfreich, das gesamte Team im Umgang mit einer Sehbehinderung zu sensibilisieren. Wir bieten Teamcoachings an, in denen wir vermitteln, wie Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung arbeiten und in denen wir die Arbeitsorganisation in den Betrieben analysieren, um die Arbeitsprozesse so zu adaptieren, dass die blinde oder sehbehinderte Person und die nicht-behinderten Kollegen gleichberechtigt zusammenarbeiten können.

M.: Entscheidend für eine erfolgreiche Vermittlung in den Arbeitsmarkt ist, dass Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung Experten ihrer eigenen Behinderung werden. Wir bearbeiten Fragestellungen wie die Erwähnung der Behinderung im Bewerbungsschreiben oder Umgang mit Sehbehinderung im Bewerbungsgespräch. Das wichtigste ist, dem Arbeitgeber eine kompetente Auskunft darüber geben zu können, wie sich die Seheinschränkung im Arbeitsleben und im Alltag auswirkt und wie man welches Hilfsmittel nutzt. Es ist notwendig, sich mit rechtlichen Fragen auszukennen, selbst darüber Bescheid zu wissen, wo Hilfsmittel zu beantragen sind, welche Nachteilsausgleiche es für schwerbehinderte Arbeitnehmer gibt, wie man diese erlangt und bei welcher Stelle der Arbeitgeber welche Förderung erhalten kann.

K.: Blinde oder sehbehinderte Arbeitssuchende sollten sich nicht scheuen, ein Langzeitpraktikum oder eine Probebeschäftigung anzunehmen. Denn Sicherheit entsteht nur durch Kontakt. Die Arbeitgeber sind häufig verblüfft, wie normal sich der Arbeitsalltag mit einer blinden oder sehbehinderten Person gestaltet.

B.: Was muss sich an der Einstellung sowohl der Betroffenen als auch der Arbeitgeber ändern, damit Inklusion auf dem Arbeitsmarkt gelingt?

M.: Wir bringen Arbeitssuchenden bei, unternehmerisch zu denken. Sie lernen, ihre fachlichen Kompetenzen zu betonen und ihre beruflichen Fähigkeiten in den Vordergrund zu rücken. Sie stellen selbst Überlegungen an, wo sie auf dem Arbeitsmarkt gut einsetzbar sind.

K.: Entgegen der verbreiteten Meinung, Arbeitgeber würden blinden und sehbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern ablehnend gegenüberstehen, treffen wir mehrheitlich auf große Offenheit, aber auch große Unsicherheit. Daher ist Aufklärung der Arbeitgeber ein grundlegender Baustein, um Stellen für blinde und sehbehinderte Arbeitsuchende zu schaffen. Es geht nicht darum, gegen eine ablehnende Haltung anzukämpfen, sondern zu informieren, wie ein Mensch mit Blindheit oder Sehbehinderung im Alltag und im Berufsleben zurechtkommt.

M.: Bei Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung fehlt häufig das Selbstvertrauen, mit ihrer Einschränkung auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Viele glauben, dass sie nicht 100, sondern 150 Prozent geben müssen, um als Arbeitnehmer der sehenden Welt ebenbürtig zu sein. Insbesondere, wenn die Gründe, weshalb es nicht wie gewünscht läuft, nicht bei der Person selbst liegen, sondern darin bestehen, dass der Arbeitsplatz nicht völlig barrierefrei ist, nützt es nichts, wenn man sich 150-prozentig anstrengt. Deshalb arbeiten wir mit vielen Arbeitssuchenden daran, dass sie ihre Anforderungen auf ein gesundes Maß herunterschrauben.

K.: Wir helfen den Teilnehmenden dabei, dass sie sich ihrer Stärken und Fähigkeiten bewusst werden. Wir vermitteln ihnen, nicht nur ihre Defizite wahrzunehmen, sondern sich auch zu trauen, sich ihre Stärken einzugestehen und diese nach außen zu vertreten.

M.: Wir unterstützen Betroffene, einen angemessenen Umgang mit ihrer Behinderung zu erreichen. Denn einerseits gehört zum Umgang mit der Blindheit oder Sehbehinderung, dass man in der Lage ist, dem Arbeitgeber und den Arbeitskollegen die Auswirkungen der Behinderung verständlich zu machen, andererseits sollte man die eigene Behinderung nicht übermächtig werden lassen.

B.: Woran liegt es, dass, trotz vieler Lösungsansätze, die Zahl arbeitsloser Blinder und Sehbehinderter im Vergleich zur sehenden Bevölkerung weiter gestiegen ist?

M.: Digitalisierung erleichtert blinden und sehbehinderten Menschen einerseits die Arbeit, weil viele Prozesse elektronisch stattfinden. Andererseits steigen die Anforderungen an die Hilfstechnologien für Blinde und Sehbehinderte zunehmend. Den Hilfstechnologien gelingt es nicht immer, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Dies liegt insbesondere daran, dass manche Programme so gestaltet sind, dass Bildschirmausleseprogramme nicht auf sie zugreifen können, wodurch sie für blinde und sehbehinderte Nutzer unzugänglich bleiben. Durch die nicht-vorhandene Barrierefreiheit fallen Beschäftigungsmöglichkeiten weg.

K.: Die Anforderungen an Hilfsmittelnutzer werden größer. Sie müssen in der Lage sein, Computer, Braille-Notizgerät und Smartphone sicher zu beherrschen, um den Arbeitsanforderungen zu entsprechen. Personen, die längere Zeit nicht mehr im Berufsleben stehen und nicht über die Möglichkeiten verfügen, auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben, werden abgehängt.

M.: Die Profile für Arbeitsplätze wandeln sich. Früher vermittelten Telefonisten Gespräche, heute leisten sie einen First-Level-Support.

K.: Ausgelöst durch die BRK haben viele Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung den Wunsch, sich neue Berufsfelder zu erschließen und sich inklusiv am Wohnort ausbilden zu lassen. Dieses Vorhaben gelingt jedoch nicht immer, da häufig allen Beteiligten die Erfahrung fehlt. Deshalb wäre es oft von Vorteil, wenn sie von kompetenten Fachkräften mit dem Schwerpunkt Sehen begleitet werden könnten.

B.: Welchen Rat kann man arbeitssuchenden blinden und sehbehinderten Menschen geben?

K.: Ich bin selbst sehbehindert und möchte gerne anderen Betroffenen mitgeben, dass sie nicht versuchen sollten, genauso zu sein und genau das gleiche zu tun wie ihre sehenden Mitbewerber. Durch ihre Seheinschränkung besitzen sie ein Merkmal, das sie von der Konkurrenz unterscheidet und diese Andersartigkeit sollten sie als Chance sehen, aus der Masse der Kandidaten herauszustechen, um sich in ein vorteilhaftes Licht zu rücken.

M.: Wenn Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung, Behörden oder Arbeitgeber den Eindruck haben, dass sie auf einem Gebiet Unterstützung benötigen, sollten sie nicht zögern, fachliche Begleitung in Anspruch zu nehmen, um sich Know-how und damit Entlastung zu verschaffen.

Zur Autorin

Isabella Brawata arbeitet als Reha-Beraterin am Reha-Beratungszentrum der blista und ist als Blickpunkt-Auge-Beraterin für den Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen e.V. (BSBH) tätig.

Zu den Interviewpartnern

Ute Mölter ist Leiterin des Reha-Beratungszentrums der blista und des ESF-Projektes Inklusion und Innovation.

Christoph Korte ist Diplompädagoge und Mitarbeiter am Projekt Inklusion und Innovation der blista.

Ansprechpartner

Frankfurt/Rhein/Main: Susanne Patze, Tel.: 069 40356135, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Reha-Beratungszentrum der blista: Ute Mölter, Tel.: 06421 606-500, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bzw. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bildunterschrift: Qualifikationen in den Bereichen EDV und Hilfsmittel werden in der Projektlinie I&I oft nachgefragt.. Foto: blista

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sitzt ein junger Mann am Computer und tippt auf einer Braillezeile. Neben ihm sitzt ein weiterer junger Mann und beobachtet genau, was geschrieben wird.

Bildunterschrift: Das I&I-Angebot Teamcoaching unterstützt die Arbeitsmarktintegration gezielt. Foto: blista

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist ein Gesprächskreis mit zahlreichen Menschen, die sich in einer anregenden Diskussion befinden.

Mirien Carvalho Rodrigues

Online-Arbeit und ihre Verlockungen

Tatjana ist seit Jahren freiberufliche Übersetzerin. Nachdem sie einen Großauftrag an Land gezogen hat, beschließt sie, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen und für drei Monate nach Kuba zu reisen. Schließlich wollte sie da immer schon mal hin, und ihrem Auftraggeber ist es egal, wo sie sitzt, während sie ihre Arbeit erledigt, solange sie die Ergebnisse wie vereinbart zuschickt.

Thorsten wurde von seiner Firma für ein Jahr nach Australien geschickt. Er ist Softwareentwickler für ein Unternehmen, das rund um die Uhr Fachleute im Einsatz braucht. Er erzählt, es sei gängige Praxis in seiner Branche, Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden. Für die Unternehmen käme es günstiger als die andernfalls fälligen Nachtzulagen, und es gäbe immer Programmierer, die eine solche Gelegenheit begeistert annähmen.

Keine Frage – die neue Art der Mobilität, die durch Online-Arbeit ermöglicht wird, ist in der Arbeitswelt von Menschen ohne Behinderung längst angekommen.

Wie sieht es damit im Personenkreis der blinden und sehbehinderten Menschen aus? Es ist mir an dieser Stelle nicht möglich, einen aussagekräftigen Gesamtüberblick zu geben. Doch scheint es mir notwendig, die Alarmglocken zu läuten. Werden Onlinetätigkeiten für blinde und sehbehinderte Personen beworben, wird allzu oft der Vorteil herausgestellt, den es doch gerade für unseren Personenkreis hat, das Haus nicht verlassen zu müssen.

Zweifellos hat es Vorteile, sein Büro in den eigenen vier Wänden zu haben. Wer etwa kleine Kinder hat und gleichzeitig berufstätig sein möchte, schätzt eine solche Möglichkeit sehr.

Je nach Persönlichkeit liegt es einem, allein zu arbeiten oder nicht. Man kann sich freuen, sich nicht allmorgendlich mit allen anderen ins Verkehrschaos stürzen zu müssen, in einer kurzen Arbeitspause die Waschmaschine anstellen zu können, sich seine Zeit selbst einteilen zu dürfen.

Oder aber man vermisst den Austausch mit Kollegen und die Struktur eines vorgegebenen Arbeitsablaufs, hat Schwierigkeiten, zu Hause Arbeit und Freizeit klar voneinander zu trennen und läuft Gefahr, die Arbeit aufzuschieben.

Es wird also schnell klar – eine Vielzahl von Faktoren, Umständen und Vorlieben entscheiden darüber, ob das Arbeiten von zu Hause aus das Richtige ist. Die Tatsache allein, dass jemand blind oder sehbehindert ist, dazu zu nutzen, einen solchen Arbeitsplatz als besonders geeignet zu beschreiben, halte ich für eine Vorgehensweise, die wieder einmal unsere Fähigkeiten unter den Scheffel stellt. Wir müssen dann nicht reisen, wir brauchen dann kein Mobilitätstraining zur Arbeit, wir brauchen dann nicht besonders auf unsere äußere Erscheinung zu achten. So betrachtet kann ein Heimarbeitsplatz nämlich auch schnell zur totalen Ausgrenzung führen. Es fehlen Anreize, Begegnungen, Austausch mit anderen Menschen und der Umwelt.

Jeder Mensch, ob blind, sehbehindert oder sehend, sollte selbst entscheiden können, ob ein Online-Arbeitsplatz im eigenen Zuhause vorteilhaft ist oder nicht. Es geht mir um die Denkweise, die hinter bestimmten Aussagen steht. Sie birgt die Gefahr, dass man uns in der Firma oder der Bildungseinrichtung wieder einmal nur die Aspekte nahelegt, durch die wir Erleichterung erfahren, und uns beispielsweise für den Auslandsaufenthalt von vornherein nicht in Betracht zieht, weil aufgrund vorgefasster Meinungen ein solcher für uns weder zumutbar noch wünschenswert wäre.

Durch die ständig wachsenden technologischen Möglichkeiten entstehen in rasender Geschwindigkeit immer neue Berufsbilder.

Ein Beispiel dafür ist der Beruf des Schriftdolmetschers. Etwa zur Jahrtausendwende entstanden, gibt es ihn seit sechs Jahren auch in der Online-Variante. Schwerhörige und ertaubte Personen, die dank der UN-Behindertenrechtskonvention endlich einen Rechtsanspruch auf Kommunikation haben und diesen zunehmend einfordern, sind die Auftraggeber von Schriftdolmetschern. Sie bevorzugen die gesprochene Sprache gegenüber der Gebärdensprache und benötigen deshalb eine Fachkraft, die für sie die Vorlesung, den Schulunterricht oder die Betriebsratssitzung simultan in gut strukturierten Text umwandelt. Der Schriftdolmetscher fügt dabei nicht nur Satzzeichen und Absätze ein, er gibt auch blitzartig alle anderen relevanten akustischen Informationen weiter, wie etwa Gelächter, den Schulgong oder einen ironischen Tonfall.

Die schwerhörigen oder ertaubten Kunden schätzen am Online-Schriftdolmetscher, dass sie nunmehr im Hörsaal oder in der Arbeitsumgebung nicht mehr ständig eine Hilfsperson neben sich haben. Mit einem Laptop oder Tablet vor sich fällt man in einer Vorlesung nicht besonders auf, worauf viele Kunden großen Wert legen. Auch ergeben sich dadurch die altbekannten Schwierigkeiten nicht, dass dritte Personen statt der hörbehinderten Person den Dolmetscher ansprechen.

Aus der Sicht des Online-Schriftdolmetschers gibt es neben den bereits genannten Vorteilen der Online-Arbeit noch einen Weiteren: Die Dolmetsch-Einsätze sind ausnahmslos live, d. h. sie finden zu vorher klar festgelegten Zeiten statt. Wer also den Onlinejob ablehnt aus Angst, dafür nicht genügend Selbstdisziplin aufzubringen, kann sich beruhigt ans Schriftdolmetschen heranwagen. Selbstverständlich sind die Einsatzzeiten flexibel und variieren tagtäglich. Und was Vor- und Nachbereitung der Einsätze, Pflege der Terminologie-Datenbank etc. betrifft, teilt sich auch ein Schriftdolmetscher seine Zeit selbst ein, doch man leidet keinesfalls unter dem völligen Fehlen von Struktur, was bei anderen Berufsbildern im Home-Office passieren kann.

Bei der Münchner Firma VerbaVoice arbeitet man an der Teilhabe im doppelten Sinne. Die Onlineplattform, auf der sich tagtäglich Schriftdolmetscher mit den Kunden der Agentur in virtuellen Räumen treffen, ist für blinde und sehbehinderte Nutzer zugänglich. Das ist übrigens auch darauf zurückzuführen, dass unter den ersten Schriftdolmetschern, die in Deutschland ausgebildet wurden, bereits ein blinder Absolvent der Rechtswissenschaften war. Er hat also, lange bevor jemand an eine Onlineplattform dachte, bewiesen, dass ein blinder Mensch den Beruf auch bei entsprechenden Anforderungen an Mobilität und Mitführen der eigenen technischen Ausstattung durchaus erfolgreich ausüben kann.

Ich selbst arbeite seit Frühjahr 2016 als Online-Schriftdolmetscherin, nachdem ich kurz zuvor die Weiterbildung abgeschlossen hatte, die das Berufsförderungswerk Würzburg in Kooperation mit VerbaVoice für blinde und sehbehinderte Menschen anbietet.

Von Haus aus Konferenzdolmetscherin für Portugiesisch und Deutsch, war es schon immer meine Triebfeder, in der Kommunikation zwischen verschiedenen Welten zu vermitteln. Dass ich durch moderne Technologie heute als blinde Sprachmittlerin für hörgeschädigte Kunden arbeiten kann, fasziniert mich. Ich bekomme Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensentwürfe und Fachgebiete. Dank der Online-Variante kann ich wesentlich mehr Einsätze annehmen, als mir das bei ständigem An- und Abreisen möglich wäre.

Vor allem aber ging für mich ein lang gehegter persönlicher Traum von Ortsunabhängigkeit in Erfüllung. Und so habe ich denn Anfang des Jahres mein mobiles Büro eingepackt, um ein paar Monate von meiner zweiten Heimat Brasilien aus zu arbeiten, wo übrigens auch dieser Artikel entstanden ist.

Zur Autorin

Mirien Carvalho Rodrigues ist Online-Schriftdolmetscherin und horus-Redaktionsmitglied.

Bildunterschrift: Onlinearbeit ist aus der heutigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Foto: Thorben Wengert/pixelio.de

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt eine kleine, durchsichtige Weltkugel, die sich vor einer verschwommenen, schwarzen Computertastatur befindet.

(Um-)Wege in den Beruf

Ein horus-Interview mit Thorsten Büchner und André Badouin über den Einstieg und die Tücken des Arbeitsalltags sowie die Erkenntnis, dass der Weg auch das Ziel sein kann.

Herr Büchner, Herr Badouin, würden sie Ihre Lebensläufe als „stringent“ bezeichnen?

Büchner: Ja und nein. Ich wusste schon recht früh - irgendwann in der achten oder neunten Klasse -, dass ich später irgendwas mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun haben wollte. Von daher ist das die stringente Seite in meinem Lebenslauf. In Kombination mit meinem politischen Engagement, früher in der Schülervertretung, heute in der Kommunalpolitik, erkennt man den roten Faden. Ich habe nach dem Abi an der blista ein Studium der Politikwissenschaft aufgenommen, mit Neuerer Geschichte und Neuerer Deutscher Literatur als Nebenfächern. In der Studienpraxis merkte ich schnell, dass ich mit den reinen Lerninhalten der Fächer nicht zufrieden war und ich suchte mir mehr und mehr auch die Praxis, bei der ich meine Talente schärfen konnte.

Badouin: Als „stringent“ würde ich meinen Lebenslauf wohl eher nicht bezeichnen. Ich habe nach dem Abitur Rechtswissenschaften in Marburg studiert. Dann habe ich aber nicht die Laufbahn als Jurist eingeschlagen, sondern nach dem Studium ein Multimedia-Volontariat beim Gabler Verlag in Wiesbaden absolviert. Dort hatte ich zwar noch mit einigen Studieninhalten zu tun, denn es war meine Aufgabe, einen juristischen Newsletter zu konzipieren und zu etablieren, aber in den zwei Jahren wurde mir dort hauptsächlich das Rüstzeug zum Journalisten vermittelt. In den folgenden knapp 15 Jahren war ich dann sowohl auf der Redaktions- als auch auf Unternehmensseite in verschiedenen Positionen im Automobilbereich tätig, bevor ich seit März letzten Jahres in der Öffentlichkeitsarbeit beim DVBS angefangen habe.

Sie haben beide in ihrem Berufsleben nicht immer den geraden Weg gewählt. Was waren die Gründe dafür?

Büchner: Naja, ich war während meines Studiums immer ehrenamtlich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig und schon ziemlich in die Kommunalpolitik eingespannt. Die Praxis hat mich gefordert und mein Interesse immer stärker geweckt. Und – rückblickend muss ich das einräumen – habe ich auch wohl nicht recht erkannt, dass ich mit dem völlig freien Studienablauf, wie er damals noch war, so meine Schwierigkeiten hatte.

Badouin: Bei mir war es so, dass ich das Studium der Rechtswissenschaften zwar spannend fand und insbesondere die Fälle mich immer gereizt haben, ich aber spät meine eigentliche Berufung erkannte. Zwar war ich schon früher mit kleineren Beiträgen in Zeitungen journalistisch tätig, aber dass der Journalismus mein Beruf werden sollte, ergab sich erst später. Ich hatte, glaube ich, auch einfach ein wenig Glück, dass ich im Zuge des Volontariats noch mit dem Thema „Jura“ zu tun hatte und dass ich - nach 15 Jahren im Rhein-Main-Gebiet - durch die Stelle beim DVBS die Möglichkeit bekam, in meine alte Marburger Heimat zu wechseln. Da habe ich sofort zugesagt.

Mit welchen Problemen hatten Sie beide zu kämpfen?

Badouin: Während meines Studiums hatte ich manchmal Mühe damit, die Disziplin zu zielgerichtetem Arbeiten aufrechtzuerhalten. Bei Hausarbeiten etwa wollte ich Probleme umfassend recherchieren und darstellen. So etwas kostet Unmengen an Zeit. Die hat man bei Hausarbeiten aber nicht, da der Abgabetermin vom Gefühl her häufig schneller ansteht als es tatsächlich der Fall ist. Dann waren Nachtschichten angesagt, um den Termin halten zu können. Und wenn dann der große Erfolg ausbleibt - zwar kamen zweistellige Punktzahlen vor, waren aber nicht die Regel! - und man - wie ich leider zugeben muss – manchmal zu ehrgeizig ist, erhöht sich das Frustpotential. In meinem späteren Berufsleben in der Automobilindustrie etwa wurde es regelmäßig schwierig, wenn ein Kollege krank wurde. Denn das bedeutete schlichtweg ein nochmal erhöhtes Arbeitsaufkommen für jeden einzelnen, weil die Personalplanung häufig sehr knapp kalkuliert war. Auch war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht wirklich gegeben – insbesondere wenn man wie ich noch einen kleinen Sohn hat. Trotzdem müssen alle Fristen und Termine eingehalten werden und so sind Überstunden nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel.

Büchner: Mein Studium hat mir Spaß gemacht, die Inhalte waren interessant. Wenn ich Hausarbeiten schrieb, waren die meistens gut bewertet. Aber irgendwie hat mir der Sinn für das, was ich an der Uni tue, gefehlt, nämlich der praktische Nutzen für meine Arbeit im PR-Bereich. Von vielem, was ich damals gelernt habe, profitiere ich zwar heute in meiner Arbeit und in meinem Ehrenamt. Aber mir hat die praktische Arbeit in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Politik mehr gebracht. Ich wollte gerne mehr wissen über das konkrete Handwerkszeug der PR und wollte einen tieferen Einblick in den Arbeitsalltag. Da kam ich irgendwann an den Punkt, an dem ich mich entscheiden musste. Machst du jetzt so weiter, studierst hier ein bisschen, arbeitest dort ein wenig - und zwar auf Honorarbasis - und bist abends politisch unterwegs. Dann bot sich mir die Chance, dass ich an einer zweijährigen Weiterbildung im PR-Bereich teilnehmen konnte, die die „Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte“ anbot. Zwei Jahre Volontariat in einem Betrieb, verbunden mit regelmäßigen Theorieseminaren, wo die praktischen Erkenntnisse aus dem Volontariat theoretisch unterfüttert und ausgebaut werden konnten. Das war genau mein Ding. Praktisch zu arbeiten. So konnte ich endlich das tun, was ich schon immer wollte. Und hatte das Glück, nach der erfolgreich bestandenen Prüfung von meinem Praktikumsgeber auch übernommen worden zu sein.

Jeder möchte in seinem Beruf erfolgreich sein. Was würden Sie als den größten Erfolg in Ihrem Berufsleben bezeichnen?

Büchner: Das ist schwierig. Besonders freue ich mich immer dann, wenn es gelungen ist, eine spannende, neue Ausgabe des „Kopfhörer“, dem Infomagazin der „Deutschen Blinden-Bibliothek“, zu gestalten, mit spannenden Interviews und Buchtipps, von denen ich selbst noch etwas lerne. Oder wenn ich spüre, dass es gelingt, etwa als Moderator von Veranstaltungen, die Inhalte, die ich transportieren möchte, gleichermaßen unterhaltsam und einprägsam zu präsentieren. Dann bin ich zufrieden und es war ein Erfolg.

Badouin: Ich denke, dass sich Erfolg im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit u.a. darin widerspiegelt, welche Meinung man bei den Kollegen in der Presse hat. Wenn der Name „Badouin“ etwas aussagt. Ich bin immer bestrebt, dass damit Begriffe wie Qualität, Termintreue oder auch Kompetenz verbunden sind. Wer mit mir zusammenarbeitet, soll wissen, was er geboten bekommt. Genauso möchte ich mich an Kollegen wenden können, wenn ich mal eine Information oder Bilder etc. benötige. Als vier kleine Erfolge im Jahr betrachte ich es, wenn der aktuelle horus erscheint und wir in der Redaktion die Rückmeldung erhalten, dass - wie jüngst wieder geschehen! - die letzte Ausgabe „sehr interessant und die Beiträge von hoher Qualität“ waren.

Können Sie einen typischen Tag in Ihrem Arbeitsleben beschreiben?

Büchner: Das Schöne an der Öffentlichkeitsarbeit ist, dass die Aufgaben so vielfältig sind. Klar gibt es auch Routinen, aber ich beschäftige mich mit so unterschiedlichen Dingen, dass es selten langweilig wird. Redaktionell Arbeiten für die verschiedensten Medien, ob Print oder zum Hören. Dann betreue ich zusammen mit einem Kollegen die Besuchergruppen, die uns regelmäßig an der blista besuchen. Jeder Tag ist anders. Mails checken und telefonieren sind aber die permanenten Begleiter eines jeden Tages.

Badouin: Ich sehe das ähnlich wie Thorsten. Morgens stehen oft das Checken von Mails an sowie einige Anrufe. Manchmal setze ich mich dann an eine Facebook-Meldung oder redigiere horus-Beiträge. Wenn ich nicht am horus arbeite, kümmere ich mich derzeit z.B. um unsere neue Kommunikationsplattform INKOKOnet oder bereite die SightCity oder auch das diesjährige ICC in Leuven (Belgien) vor. Die Arbeit wird nie langweilig, weil jeden Tag etwas Neues, Spannendes ansteht. Und auch wenn es sich manchmal lediglich um eine interessante Meldung für den Newsletter horus aktuell handelt, die noch schnell untergebracht werden muss: Mein Job macht mir deshalb so viel Spaß, weil er so vielfältig ist.

Unsere Arbeitswelt verändert sich zusehends. Die Digitalisierung etwa schreitet immer schneller voran. Welche Auswirkungen hat das auf Ihren Job?

Badouin: Die zunehmende Digitalisierung bewirkt, dass etwa Informationen heute erheblich schneller verfügbar sind als früher. Musste man vor 15 Jahren noch mit zahlreichen Kollegen telefonieren oder das Fax benutzen, stehen diese Informationen heute im Internet nahezu komplett zur Verfügung. Alles hat sich beschleunigt. Ein Nachteil ist, dass dadurch auch die Anforderungen beispielsweise an Reaktionszeiten gestiegen sind. Gab es früher noch den Briefkontakt, bei dem es Tage dauerte, bis mit einer Antwort gerechnet werden konnte oder Bilder für eine Printausgabe ankamen, wird heute in der Regel davon ausgegangen, dass eine Mail innerhalb weniger Stunden - bei besonders wichtigen Anlässen sogar Minuten - beantwortet wird. Erfreulich ist aber etwa, dass Bilder auch innerhalb kürzester Zeit vorliegen.

Büchner: Die Digitalisierung ist eine unheimliche Erleichterung. Mir erlauben die diversen technischen Innovationen und blindenspezifischen Hilfsmittel überhaupt erst, in diesem Bereich arbeiten zu können. Gleichzeitig ist es auch ambivalent, da sich durch die Digitalisierung alles enorm beschleunigt hat. Da ist es eine stetige Herausforderung, Schritt zu halten, um den Anschluss nicht zu verpassen. Man lernt also quasi täglich Neues dazu.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Ihrem Berufsleben?

Büchner: Ich wünsche mir, dass ich hoffentlich nie die Neugier auf neue Themen und Menschen verliere und dass ich es vermeiden kann, in die Situation zu geraten, am Sinn meiner Tätigkeit zweifeln zu müssen.

Badouin: Ich wünsche mir, dass ich neugierig bleibe, denn das halte ich für eine unabdingbare Voraussetzung für einen guten Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter. Auch bin ich sehr gespannt darauf, welche technischen Neuerungen meine Arbeit in sagen wir 20 Jahren verbessern bzw. verändern. Dass der Ausspruch „Früher war alles besser!“ schon heute nicht mehr gilt, merke ich etwa an den veränderten Recherchemöglichkeiten. Schön wäre es, wenn aber immer auch ein Stück weit Kontinuität erhalten bliebe, denn ich denke, auch der Spruch „Früher war auch nicht alles schlecht!“ hat seine Berechtigung.

Zu den Interviewpartnern

Thorsten Büchner ist Mitarbeiter im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der blista.

André Badouin ist seit März 2016 Koordinator Öffentlichkeitsarbeit des DVBS.

Bildunterschrift: Thorsten Büchner… Foto: Privat

Bildbeschreibung: Ein Herr mittleren Alters mit Brille schaut – mit hellblauem Hemd und dunklem Jackett bekleidet – lächelnd in die Kamera.

Bildunterschrift: …und André Badouin haben beide einen eher ungewöhnlichen Lebenslauf. Foto: Privat

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Herrn mittleren Alters mit dunklen, teilweise ergrauten Haaren, blauem Hemd, dunkelblauer Krawatte und schwarzem Jackett, der lächelnd in die Kamera blickt.

Mirien Carvalho Rodrigues

Wer hat mich da gerade umarmt?

Aufgaben und Zukunft von Arbeitsassistenz

Die Begriffe Arbeitsassistenz und Vorlesekraft werden noch immer allzu oft synonym verwendet. Völlig zu Unrecht. Dabei haben Expertinnen und Experten aus den Reihen des DVBS bereits 2002 bei einer Fachtagung zum Thema Anforderungsprofile für den Beruf der Arbeitsassistenz erstellt. Vor 15 Jahren wurde also bereits gegenüber den Vertretern der Integrationsämter und auch vor den eigenen Mitgliedern aufgezeigt, wie vielfältig die Aufgaben sind, und wie unterschiedlich die Tätigkeiten etwa bei blinden Juristen im Vergleich zu Theologen oder Pädagogen sind. Als Leiterin der Fachgruppe Selbstständige im DVBS habe ich dennoch immer wieder Berichte gehört, wonach Ratsuchende am Ehesten Assistenz bewilligt bekamen, wenn die Assistenztätigkeit im Wesentlichen aus Vorlesen bestand.

Nicht nur die Berufswelt hat sich in schwindelerregendem Tempo gewandelt. Auch Menschen mit Behinderung sind selbstbewusster geworden, haben heute Rechte auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Wer sich dessen bewusst ist und es für sein Leben erreichen möchte, der denkt längst nicht mehr nur daran, irgendeinen Job zum Überleben zu bekommen. Bei Gleichberechtigung geht es darum, seine Talente zu nutzen, vielleicht sogar den Traumberuf auszuüben. Aber es geht natürlich auch ums Mithalten. Mithalten mit dem Tempo der heutigen Arbeitswelt, Mithalten mit der Mobilität und Flexibilität.

Und jetzt versuchen Sie mal, blind auf einer internationalen Messe ihre Produkte auszustellen, oder dort auf einer auf etliche Hallen verteilten Messe mit enormem Lärmpegel an ständig wechselnden Orten Vorträge zu dolmetschen. Sie könnten auch mit wechselnden Partnern an immer neuen Ständen Gesprächstermine haben und sich als stark sehbehinderte Person allein durch die Menschenmassen wühlen. Dann schaffen Sie vielleicht zwei Gespräche oder Dolmetscheinsätze am Tag, wobei Sie vermutlich schon vor Beginn Ihrer eigentlichen Arbeit völlig geschafft sind vom Durchfragen, falsch abbiegen und unterwegs halb verdursten.

Mit anderen Worten: auf einer Messe, Tagung oder schlicht bei jeder Art von dienstlicher Großveranstaltung ist eine qualifizierte Arbeitsassistenz unentbehrlich. Sie muss nicht nur als Mobilitätshilfe zuverlässig und geduldig zur Verfügung stehen, sie unterstützt ihren Arbeitgeber auch und vor allem bei der gezielten Kontaktaufnahme. Am Messestand sprechen interessierte Besucher einen blinden Menschen oft nicht an, auch wenn dieser klar als Standmitarbeiter zu erkennen ist. Sucht die blinde oder sehbehinderte Person das Gespräch, muss sie den anvisierten Gesprächspartner auffinden und wissen, wann dieser gesprächsbereit ist. Sie muss dann den Gesprächswunsch signalisieren. Bis dahin läuft alles rein optisch ab. Erst wenn dieser erste Kontakt hergestellt ist, kann ein Gespräch beginnen. Ein gut eingespieltes Team aus Assistenznehmer und Assistenzperson muss sich hier genau absprechen und mit Bedacht vorgehen. Eine Arbeitsassistentin erzählte mir einmal, wie sie sich über längere Zeit regelrecht antrainiert hat, im richtigen Moment den Blick abzuwenden, damit ihr Kunde die Gesprächsführung übernehmen konnte. Denn solange sie das nicht wie ein Profi praktizierte, konzentrierten sich die sehenden Gesprächspartner oftmals weiterhin auf sie, obwohl ihr blinder oder sehbehinderter Kunde bereits das Wort ergriffen hatte.

Die Liste ist lang. Sie können sich auch vorstellen, öffentliche Vorträge zu halten - sei es an der Hochschule oder als Buchautorin an wechselnden Orten. Möchten Sie das tun, ohne zu wissen, ob alles mit ihrer äußeren Erscheinung in Ordnung ist? Möchten Sie als Schulungsleiter in einem Raum stehen, von dem Sie nicht wissen, ob er dem Anlass angemessen dekoriert und vorteilhaft ausgeleuchtet ist? Eine Arbeitsassistenz wird in solchen Situationen zu einer ungeheuer wichtigen Vertrauensperson. Denn es wird Ihnen als Profi in Ihrem Fach nicht genügen, wenn irgendjemand, dessen einzige Qualifikation die Sehfähigkeit ist, zu Ihnen sagt: „Ja, ja, das passt schon so.“

Sei es im Gerichtssaal, in der Kirchengemeinde oder bei einer kulturellen Veranstaltung – um über längere Zeit erfolgreich zu sein, brauchen Sie Zusatzinformationen, die nur optisch vermittelt werden und die sie aus offensichtlichen Gründen nicht von jedem bekommen können. Nur eine Vertrauensperson mit geschulter Beobachtungsgabe und am besten noch gutem Namensgedächtnis können Sie fragen, wie bestimmte Personen auf eine Rede reagiert haben, wer mit wem zusammensteht oder wer vorzeitig den Saal verlassen hat. Solche Informationen können für berufliche Entscheidungen von großer Bedeutung sein.

Ob eine Lehrkraft Assistenz zur Erfüllung der Aufsichtspflicht auf einer Klassenfahrt braucht oder eine Hilfsmittelfirma Unterstützung auf einer Messe benötigt – selbstverständlich gehört die An- und Abreise der Assistenzperson mit zu deren geleisteter Arbeitszeit. Dies wurde ebenfalls bereits 2002 angemerkt und bleibt bis heute in einigen Fällen ein strittiges Thema.

Ist es Ihnen aufgefallen? Bis hierher haben unsere exemplarischen Assistenzkräfte noch kein Wort vorgelesen.

Aber natürlich tun sie auch das nach wie vor. Denn bei allem hocherfreulichen technologischen Fortschritt gibt es nach wie vor etliche nicht-barrierefreie Bücher, Formulare und Internetseiten. Und die Entwicklung bleibt auf keiner Seite stehen. Habe ich heute ein barrierefreies Wörterbuch der Firma XY, kann schon die für meinen Beruf erforderliche Neuauflage plötzlich Barrieren aufweisen.

Und seien wir auch noch so versiert, in vielen Situationen kann eine geübte sehende Person etwa eine komplexe Tabelle garantiert viel schneller überfliegen und - unseren Anweisungen folgend - die wesentlichen Informationen heraussuchen, als wir das mit Hilfstechnologie können.

Das Recht auf Arbeitsassistenz ist eine Errungenschaft der Selbsthilfe, die uns Türen öffnen kann, die andernfalls verschlossen bleiben würden. Natürlich bedeutet auch das Finden und Einarbeiten einer zuverlässigen und diskreten Arbeitsassistenz einen hohen Arbeitsaufwand, und in der Wirklichkeit haben sich schon viele mit Verwandten oder Bekannten zusammengetan, weil es keine andere Möglichkeit gab. Doch qualifizierte Assistenzpersonen, die noch dazu dauerhaft in dem Beruf bleiben wollen, bekommen wir im Normalfall aufgrund der festgelegten Stundensätze nur schwer.

Derselbe Job über 35 Jahre, ein geradliniger Lebenslauf, diese Dinge gehören der Vergangenheit an. Heutzutage ist es normal und zunehmend wünschenswert, in verschiedenen Berufen Erfahrung zu sammeln, sich neu zu orientieren, im Ausland zu arbeiten. Unabhängig davon, ob eine immer gleiche Tätigkeit nun erstrebenswert ist oder nicht. In vielen Berufsfeldern kann man sich heute nicht mehr darauf verlassen, dass die Arbeit ohne große Veränderungen ein Berufsleben lang erhalten bleibt. Auch beim Zugang zu Fortbildungen kann die Arbeitsassistenz als Begleitung und Vorlesekraft unterstützen. Hier gibt es glücklicherweise auch die positive Erfahrung, dass etwa für einen dienstlichen Auslandsaufenthalt Reisekosten für eine Arbeitsassistenz übernommen wurden.

Die Grenzen liegen zurzeit da, wo eine blinde oder sehbehinderte Person mehr als einer Tätigkeit nachgehen muss oder möchte. Eine teilzeitangestellte Arbeitnehmerin, die sich nebenberuflich selbstständig machen möchte, um ihr Einkommen aufzubessern und einen Ausgleich zur Festanstellung zu haben – das ist im Jahr 2017 eine häufig anzutreffende Konstellation unter Menschen ohne Behinderung. Hier schieben die Integrationsämter derzeit einen Riegel vor. Nur für die Tätigkeit, die die Haupteinnahmequelle darstellt, kann Arbeitsassistenz bewilligt werden. Diese Vorgabe muss dringend überprüft und an die aktuelle Wirklichkeit angepasst werden. Denn wer sagt, dass die nebenberufliche Selbstständigkeit nicht schon bald zur Haupteinnahmequelle werden und der betreffenden Person völlig neue Einkommensmöglichkeiten bieten kann?

Wenn gerade blinde und sehbehinderte Menschen, die Eigeninitiative zeigen und sich ständig weiterbilden wollen, ausgebremst werden, vervielfachen sich bei einem eventuellen Arbeitsplatzverlust die Nachteile in nicht zu rechtfertigender Weise. Schließlich bekommt am Ehesten derjenige eine neue Arbeit, der sich auf immer neue Situationen einstellen kann.

Auf immer neue Situationen reagieren - eine Fähigkeit, die man auch als Arbeitsassistenz unbedingt braucht. Auf die Frage, was die kurioseste Begebenheit bei dieser Tätigkeit war, erzählte mir ein Arbeitsassistent, er habe bei der offensichtlich sehr herzlichen Abschlussfeier einer kulturellen Großveranstaltung seiner Arbeitgeberin immer blitzschnell zugeflüstert, von wem sie jeweils gerade umarmt wurde. Ich habe Hochachtung vor seinem offenbar selten grandiosen Namensgedächtnis.

Uwe Boysen

Die Tücken einer Bewerbung

In der Mailingliste der Fachgruppe Jura gab es in den vergangenen Monaten eine interessante Diskussion, die ich hier gern aufgreife, weil sie nicht nur für angehende Juristinnen und Juristen interessant ist. Die Problematik betrifft die immer wieder gestellte Frage, wie man bei Bewerbungen mit der Tatsache der Sehbehinderung oder Blindheit umgehen sollte.

Aus einer Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wissen wir, dass die Nichtnennung von Namen (etwa mit ausländischem Klang) durchaus dazu führen kann, häufiger Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Die Meinungen im Hinblick auf die Benennung der eigenen Behinderung bei Bewerbungen gingen in der Mailingliste allerdings eher in die andere Richtung: „Ich habe es immer im Anschreiben eingebaut. Meist als Stärke. Im Grunde war es immer ein Satz in Richtung: Ein offener und vertrauensvoller Umgang mit Kollegen und Kunden sind mir sehr wichtig. Daher möchte ich Sie bereits an dieser Stelle über meine Sehbehinderung (Name der Krankheit) in Kenntnis setzen. Durch diese körperliche Einschränkung habe ich sehr früh gelernt, mich gut zu organisieren und als Teamplayer zu agieren. Sich gegenseitig helfen und ehrliches Feedback geben sind für mich selbstverständliche Grundsätze guter Zusammenarbeit.“ Bei allen Gesprächen habe es dazu durchweg ein positives Feedback wegen der Offenheit bereits im Anschreiben gegeben, „weil sie dann nämlich nicht erst im Gespräch davon erfahren haben.“ Der Vorschlag für ein anderes Anschreiben lautete wie folgt: „In meinem Leben gibt es eine kleine Besonderheit: Ich bin blind. Dies hat jedoch weder im Rahmen meiner Schulausbildung noch beim Studium zu Einschränkungen geführt. Ich kann mein gesamtes Leben dank vielfältiger technischer Unterstützungen autonom bewältigen und würde selbstverständlich auch das für die Arbeit notwendige digitale Equipment mitbringen.“ Ein anderes Mitglied der Liste schrieb: „Gute Erfahrungen habe ich mit einem einseitigen Bewerbungsanschreiben gemacht. Die Darstellung der Behinderung habe ich nach folgendem Muster als Beispiel angeführt: "Office, E-Mail und das Internet nutze ich täglich, auch ohne sehen … zu können und schätze deren Möglichkeiten und Chancen." Das steht oft relativ am Schluss. Wichtig ist dabei die Verknüpfung einer im Lebenslauf geforderten Fähigkeit mit der Behinderung, quasi als "Selbstverständlichkeit". Außerdem wurde hier empfohlen, den Schwerbehindertenausweis beizufügen.

Ein anderer Diskussionsteilnehmer machte zunächst – bei einer Juraliste nicht erstaunlich – auf die Rechtslage aufmerksam: Eine Behinderung zu verschweigen sei rechtlich zulässig, deswegen zu kündigen, wenn die Behinderung nach Ablauf der Probezeit bekannt werde, unzulässig und ohne Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Und weiter: „Eine Absage, die erkennbar auf die Behinderung zurückgeht, zieht Schadensersatz nach sich. Ja, ich weiß, das ist immer schwer zu beweisen, gültiges Recht ist es trotzdem.“ Und, so füge ich hinzu, durchaus nicht hoffnungslos, wie eine ganze Reihe von Fällen der rbm beweist.

Für Bewerbungen um Stellen im öffentlichen Dienst kommt noch eine Besonderheit hinzu: man sollte immer die Schwerbehindertenvertretung von seiner Bewerbung in Kenntnis setzen. Die hat dann ein Recht auf Beteiligung im Verfahren und auf Anwesenheit beim Vorstellungsgespräch. Ihr muss eine Absage ebenso vorgelegt wie die Entscheidung bekannt gegeben werden, wer die Stelle - anstatt des behinderten Bewerbers - erhalten soll. Dazu wurde berichtet, dass viele, so leider meine Erfahrung, die Vertrauenspersonen der Schwerbehindertenvertretungen nicht einschalten würden. „Ich kenne Fälle, in denen deren Beteiligung ausdrücklich bereits in der Bewerbung abgelehnt wurde. Fehlt da das notwendige Vertrauen? Oder fehlt das Selbstvertrauen?“.

Es gab aber auch abwägende und gegenteilige Stimmen. So berichtete ein Mitglied von der Äußerung eines früheren mit der Vermittlung von blinden und sehbehinderten Bewerbern sehr vertrauten Mitarbeiters der ZAV, dass man bei einer „nicht offensichtlichen Behinderung“ durchaus erwägen dürfe, sie im Anschreiben wegzulassen. Man vermeide so eine direkte Ablehnung und habe die Möglichkeit, sich im Gespräch präsentieren und dann ggf. den Arbeitgeber überzeugen zu können. Allerdings wurde hiergegen eingewandt, dass es nicht selten bei einer Bewerbung Aufgaben gebe, die ohne Offenbarung der Behinderung nicht lösbar seien. Wenn man die Behinderung aber in der schriftlichen Bewerbung anspreche, sei es wichtig, sie nicht als zentrales Merkmal darzustellen. Viel grundsätzlicher war eine andere Stellungnahme: „Einziger Zweck einer schriftlichen Bewerbung ist es üblicherweise, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Dabei ist die Erwähnung einer Schwerbehinderung entbehrlich. Das kann man dann im persönlichen Gespräch klären. Eine Ausnahme können Bewerbungen bei öffentlichen Arbeitgebern wegen § 82 SGB IX sein.“

Abschließend noch Auszüge aus einer – sicher nicht auf allgemeine Zustimmung treffenden, aber gleichwohl sehr bedenkenswerten – Stellungnahme zu einem etwas anderen Aspekt mit eher pessimistischem Grundton: „Eine Behinderung ist im Arbeitsleben aus meiner Sicht in der Regel keine Stärke. Sie macht es dem Betroffenen nicht leichter, ggf. auch seinen Kollegen nicht. Vom Vorhandensein sozialer Grundeinstellungen und Fairness kann man leider nicht flächendeckend ausgehen in dieser Leistungsgesellschaft. (…) Jeder Behördenleiter und jeder Präsident eines Gerichts hat Personalknappheit. Da wird es eng mit sozialen Zugeständnissen. Es werden voll belastbare Mitarbeiter gebraucht, weil man ja für eventuelle behinderungsbedingte (quantitative) Minderleistung keinen personellen Ausgleich erhält. Das ist auch ein Teil der Bewerbungs-Wahrheit. Und das wäre nach meiner Überzeugung ein Top-Thema, dem sich unsere Verbände annehmen müssten. Es muss endlich solche Ausgleichsstellen geben, dann haben wir es erheblich leichter.

Ob wir tatsächlich unterm Strich viel weniger leisten als nicht Behinderte, das hängt von vielen Umständen des Einzelfalls ab. Mancher kann einfach objektiv nicht so viel schaffen, z.B. nicht so schnell und so viel lesen, ist nicht so mobil usw. Das muss man nun mal auch offen sagen dürfen. Aber gerade darin liegt ja für alle Beteiligten das Problem. Viele hier hängen sich sicher voll rein bei der Arbeit, trotzdem komme jedenfalls ich nie an das heran, was die guten Leute hier wegschaffen. Die sind beim Lesen nun mal um ca. 40 Prozent schneller, das hol ich nicht ein. Ein gutes Gedächtnis vermag das auch nicht vollständig zu kompensieren. Mehrarbeit ist notwendig, um einigermaßen mitzuhalten. Denn Abstriche an der (quantitativen) Leistung werden in der Regel nicht akzeptiert. Ohne Verständnis und ohne gelebte Sozialkompetenz der Vorgesetzten und Kollegen geht es jedenfalls nicht. Mir ist bewusst, ich bin angewiesen auf Verständnis und Wohlwollen. Meine Rechte kenne ich gleichwohl. Sie sind keine Privilegierung, sondern Nachteilsausgleich. Meinen Wert kenne ich auch. Wo ich nicht mit Verständnis und Wohlwollen rechnen kann, wo Sozialkompetenz nicht gelebt wird, da werde ich es schwer haben, da sollte ich am besten nicht arbeiten. Klingt vielleicht merkwürdig, aber von da bekomme ich dann lieber gleich via Absage ein klares Bild davon, was mich erwartet hätte.“

Mein eigenes Fazit: eine spannende und ertragreiche Diskussion, die ich hier nicht nochmals kommentieren mag. Sie zeigt aber, dass sich die Mitgliedschaft in unserem Verein (und nicht nur bei der Mailingliste der Fachgruppe Jura) lohnt.

Zum Autor

Uwe Boysen ist Vorsitzender Richter am Landgericht Bremen i.R. und war bis September 2016 erster Vorsitzender des DVBS.

Bildunterschrift: Die Bewerbungssituation birgt einige Fallen. Foto: S. Hofschlaeger/pixelio.de

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt ein Puzzle in hellblauen Farben. Auf einem einzelnen Puzzlestück steht eine kleine Figur in Anzug und Hemd, die den Arm hebt.

Christian Thome

Duales Studium zum Diplom Verwaltungswirt 2017

Aktuell arbeite ich als verbeamteter Diplom Verwaltungswirt im Sozialministerium des Saarlandes in Saarbrücken. Als Verwaltungswirt ist man sozusagen Generalist, dies war für mich auch ein Grund für die Wahl gerade dieses Studiums, denn durch eine allgemein gehaltene Ausbildung kann man in den verschiedensten Behörden innerhalb der Verwaltung eingesetzt werden. Ein weiteres Motiv für meine Entscheidung war, dass das Arbeiten in diesem Bereich zumeist barrierefrei möglich ist, da der Großteil der Aufgaben am Computer durchgeführt werden kann. Der gehobene Verwaltungsdienst bietet zudem gute Aufstiegsmöglichkeiten, wodurch man relativ schnell in Führungsverantwortung gelangen kann, was sich natürlich dann auch positiv im Geldbeutel widerspiegeln würde. Erste Erfahrungen in diesem Bereich konnte ich an der blista bereits 2011 im Rahmen des zweiwöchigen BOSS-Praktikums der Schule sammeln, welches ich in einer Kommunalverwaltung absolvierte.

Studienort und Auswahlverfahren

Zur blista kam ich in der 5.Klasse. Nach meinem Abitur zog es mich dann wieder zurück in meine alte Heimat, das Saarland. Die Wahl meines Ausbildungs- bzw. Studienorts fiel auf Saarbrücken. Da ich vollblind bin, sprach für Saarbrücken außerdem, dass ich sowohl die Studienveranstaltungen des dualen Studiengangs als auch den praktischen Ausbildungsteil in der Verwaltung in derselben Stadt absolvieren konnte.

Deshalb bewarb ich mich schon frühzeitig bei verschiedenen Behörden in der Region. Diese boten das duale Studium zum Verwaltungswirt an, wobei ich einige Bewerbungen schon während des Auswahlverfahrens zurückzog, da ich relativ schnell eine Ausbildungsstelle in einer regionalen Behörde angeboten bekam. Nachdem ich dort die Auswahltests bestanden hatte, wurde mir im Vorstellungsgespräch geraten, statt des dualen Studiums doch lieber eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten zu beginnen. Dazu muss man wissen, dass diese Ausbildung eine Stufe tiefer angesiedelt ist als das duale Studium zum Diplom Verwaltungswirt, was mir eigentlich vorschwebte. Begründet wurde mir dies damit, dass man in diesem Ausbildungsgang bereits Erfahrung mit einer blinden Angestellten sammeln konnte. Die Einstellung eines Blinden zu einem dualen Studium sei für die Behörde eine erneute Umstellung und somit ein großes Problem. Darauf wollte ich mich allerdings nicht einlassen, und nach einigem zähen Hin und Her wurde ich dann doch für das duale Studium eingestellt. Allerdings sagte ich der regionalen Behörde etwas später zugunsten einer Ausbildungsstelle beim Innenministerium des Saarlandes ab. Dort erlebte ich das komplette Gegenteil im Umgang mit meiner Behinderung. Es wurde sehr offen mit mir umgegangen und man gab mir die Möglichkeit, zu Beratungszwecken stets auf die Expertise des Schwerbehindertenvertreters zurückzugreifen, mit dem ich jederzeit Kontakt aufnehmen konnte.

Ein Problem während der Ausbildungszeit ergab sich dann doch noch, denn die Fachhochschule, an welcher das duale Studium stattfand, war zwischenzeitlich an einen Ort umgezogen, der nicht mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu erreichen war. Die nun für mich anfallenden Taxikosten übernahm das Integrationsamt; allerdings hatte sich die Sache bereits nach einem Monat wieder erledigt, da sich eine Fahrgemeinschaft ergab.

Das duale Studium

Das Fachhochschulstudium zum Diplom Verwaltungswirt dauert drei Jahre, wobei sich Praxisphasen und Studienphasen abwechseln. Es ist ein juristisches Studium, ergänzt um wirtschaftswissenschaftliche Inhalte. Fächer sind u.a. Verwaltungsrecht, Bürgerliches Recht, BWL und Politikwissenschaften. Mein Studium an der Fachhochschule war weitgehend barrierefrei. Skripte, Präsentationen und Klausuren wurden mir von den Dozenten in digitaler Form zur Verfügung gestellt. Manches musste ich mir jedoch selbst einscannen oder mit der für Blinde inzwischen notwendigen Texterkennungssoftware Abbyy Finereader umarbeiten. Hier hätte ich mir gewünscht, von der blista die Fähigkeit zum Umgang mit nicht komplett barrierefreien Dokumenten mitzunehmen. Eine Anregung von mir wäre, dass im Textverarbeitungsunterricht zukünftig bereits sehr früh eingescannt wird und der Umgang mit nicht durchsuchbaren PDF-Dateien geübt wird. Die Zeit, die bei uns im Unterricht mit regelmäßigem Ausfüllen von Lückentexten und sogar mit kreativem Schreiben verplant wurde, hätte durch eine etwas andere inhaltliche Gewichtung meiner Meinung nach besser genutzt werden können.

In den Praxisphasen des dualen Studiums durchlief ich verschiedene Behördenverwaltungen, wobei diese Phasen oft so kurz waren, dass ich in den diversen Praktika zumeist ohne technische Hilfsmittel auskommen musste. Da an den Praktika immer mehrere Studierende teilnahmen, mit denen ich mich austauschen konnte, und außerdem viel erklärt wurde, stellte dies für mich aber kein größeres Problem dar. Eine Arbeitsassistenz brauchte ich im Studium zunächst nicht, da die meisten Unterlagen und Gesetzestexte digital vorlagen. Die Lehrbücher, die ich für das Studium benötigte, waren zwar nicht digital zugänglich, jedoch konnte ich digitale Versionen bei den Verlagen erwerben. Manche Verlage waren dabei sehr kooperativ, andere mussten zunächst überzeugt werden. Für die Hausarbeiten, die in diesem Studiengang erst im zweiten Abschnitt zu erledigen waren, sowie für die Diplomarbeit griff ich jedoch auf eine von mir selbst ausgesuchte Arbeitsassistenz zurück.

Der Einstieg ins Berufsleben

Das Studium schloss ich im Dezember 2015 mit der Laufbahnprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst mit einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis ab. Meine Ausbildungsbehörde, das saarländische Innenministerium, bildet federführend für die gesamte Landesverwaltung aus. Nach dem Studium werden die dort eingestellten Studierenden auf sämtliche Landesbehörden verteilt. Ich wurde dem Sozialministerium zugeteilt und bin nun hauptsächlich im Bereich der Eingliederungshilfe (z.B. Bearbeitung von Petitionen) und in der Gesetzgebung tätig. Dort kann ich mit Hilfe der üblichen blindentechnischen Hilfsmittel barrierefrei arbeiten. Ein entscheidender Vorteil an meiner Arbeitsstelle ist, dass die Aktenführung nahezu vollständig elektronisch ist. Die Dokumente liegen mir somit sofort digital vor. Der Umgang der Kollegen und Vorgesetzten mit meiner Behinderung ist sehr offen.

Mein Fazit

Bisher bin ich mit meinem Start ins Berufsleben, in das mir die blista den Weg geebnet hat, sehr zufrieden. Die vollständige Barrierefreiheit an der blista ist zwar grundsätzlich richtig, jedoch sollte das Thema „Bewältigung von Barrieren“ - und hier vor allem technische Barrieren - nicht vollständig ausgeklammert werden. Ich muss sagen, dass ich von der blista sehr viel mitgenommen habe, was mich sowohl im Berufsleben als auch im Privatleben sehr weit gebracht hat. Mein besonderer Dank gilt Gerd Willumeit vom RES, der mich über meine gesamte blista-Zeit begleitet hat.

Zum Autor

Christian Thome machte im Jahr 2012 das Abitur an der blista und ist heute Diplom Verwaltungswirt im Sozialministerium des Saarlandes in Saarbrücken.

Ikram Alaamri

Mein Weg in die Arbeit im sozialen Bereich

Willkommen in Deutschland

Es gibt ja nicht nur ein Leben nach der blista, sondern auch eines davor. Ich kam 1986 im Rahmen der Familienzusammenführung als 10-Jährige nach Deutschland. Geboren wurde ich in Marokko und war von Geburt an blind. Eine Schule habe ich dort nicht besucht, und auch in Deutschland - obwohl hier Schulpflicht herrscht - bin ich zunächst durch alle (Schul-) Raster gefallen. Da in den 80er Jahren in Marokko wenige bis keine Hilfen für Menschen mit einer Sehschädigung existierten, haben dies meine Eltern wohl auch für Deutschland vorausgesetzt, und da sich anfangs auch sonst niemand für ihre blinde Tochter zu interessieren schien, verbrachte ich die ersten beiden Jahre in Deutschland zu Hause bei meinen Eltern - in sozialer Isolation. Ich verstand ja die fremde Sprache nicht, und lesen und schreiben konnte ich natürlich auch nicht – in keiner Sprache. Erst Anfang 1988 wurde man auf mich aufmerksam und ich wurde im April in der Blinden- und Sehbehinderten-Schule in Friedberg eingeschult – im Alter von fast 12 Jahren. Ich habe mich dort wie ein kleines Kindergartenkind gefühlt, weil ich die Lehrer nicht gut verstehen konnte und nicht wusste, was sie genau von mir verlangten. Auch fühlte ich mich recht einsam, weil ich zusammen mit 6- und 7-jährigen Kindern unterrichtet wurde und mich nur schwer verständigen konnte. Mit älteren Schülern zu spielen, traute ich mich ebenfalls nicht so recht - ich war doch die dumme 12-Jährige aus der ersten Klasse, die nur schlecht ihre Sprache sprach. So blieb ich anfangs auch in der Schule weiter isoliert, doch ich lernte schnell, so dass die Zeit der Isolation bald hinter mir lag.

An meiner Schule in Friedberg gab es für die achten und neunten Klassen eine Art Berufsorientierung. Wir besuchten unter anderem ein Berufsinformationszentrum und mussten während dieser Schuljahre 2 dreiwöchige Praktika absolvieren. In diesem Rahmen erzählten uns die Lehrer auch von der blista und den Möglichkeiten, die wir dort haben. Mir wurde in dieser Zeit klar, dass ich später einmal im sozialen Bereich arbeiten wollte, also wechselte ich nach meinem Abschluss in Friedberg auf die Carl-Stehl-Schule in Marburg und besuchte dort die Fachoberschule Sozialwesen.

Mein Studium in Frankfurt

Nach meinem Fachabitur an der blista 2001 begann ich im Wintersemester des gleichen Jahres in Frankfurt am Main an der Fachhochschule mit dem Studium der Sozialen Arbeit. Meine Motivation für dieses Studium zog ich aus meinen persönlichen Lebenserfahrungen. Ein Höhepunkt meines Studiums war für mich ein Austauschseminar, in dem es u.a. um Ökotourismus und soziale Arbeit in anderen Ländern ging, damit verbunden waren u.a. Reisen nach Frankreich und Marokko. Auch wenn dadurch mein Studium zwei Semester länger dauerte, hat es sich gelohnt. Es war eine intensive Zeit, reich an Erlebnissen und Erfahrungen.

Zurück zum Studium. Da ich mich in Frankfurt noch nicht auskannte, hieß es vor dem Beginn des ersten Semesters eifrig Wege üben und Mobilitätstraining machen. Ich musste in meiner Heimatstadt Offenbach zunächst mit dem Bus ins Zentrum fahren, dann weiter mit der S-Bahn nach Frankfurt. Dort musste ich wieder in einen Bus umsteigen. Ich brauchte für jede Strecke mehr als eine Stunde, das bedeutete für mich, dass die Phase der Konzentration schon lange vor den Vorlesungen und Seminaren begann.

Während meiner Studienzeit war ich dort die einzige blinde Studentin und war anfangs dementsprechend angespannt, zumal auch die Frankfurter FH wenig Erfahrung mit blinden Student/innen hatte. Mir ist dann schnell klar geworden, dass ich offen und aktiv sein musste, wenn ich im Unibetrieb bestehen wollte. Zu Beginn jedes Semesters teilte ich jedem Dozenten mit, dass ich blind bin, und dass ich das Lehrmaterial in digitaler Form benötige, was ganz gut funktioniert hat. Aber nicht nur ich war unsicher, auch die Dozenten waren es. Als ich mich in einem Seminar im Grundstudium für eine Hausarbeit anmelden wollte, fragte mich der Dozent doch tatsächlich: „Aber wie soll ich Ihre Hausarbeit lesen? Ich kann ja keine Blindenschrift lesen.“

Mit den Kommilitonen lief es ganz gut. Was an der Tafel stand, wurde mir ebenso vorgelesen wie Aufgabenstellungen bei Gruppenarbeiten in den Seminaren. Als Hilfsmittel zum Studium hatte ich einen Laptop. Bücher für Hausarbeiten habe ich mit Hilfe einer Kommilitonin in der Bibliothek ausgesucht, dafür habe ich beim Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen Vorlesegeld beantragt. Zu Hause habe ich die Bücher dann eingescannt, was nicht immer problemlos verlief, denn oft hatten meine Vorgänger Markierungen in den Büchern angebracht oder mit Bleistift sich Notizen zwischen den Zeilen gemacht. Meine Vorlesekraft musste dann alles wegradieren, erst dann konnte ich die Bücher richtig einscannen. Gegen Ende meines Studiums habe ich durch Zufall erfahren, dass es einen blindentechnisch ausgerüsteten Arbeitsplatz in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt geben sollte, den ich dann auch gleich für meine Diplomarbeit genutzt habe.

Mein Anerkennungsjahr als Abschluss meines Studiums absolvierte ich nach meinem Diplom 2007 an der Frankfurter Stiftung für Blinde und Sehbehinderte. Mein Arbeitsschwerpunkt lag auf der Begleitung von sehbehinderten und blinden Migranten in behördlichen Angelegenheiten sowie deren Beratung und Unterstützung bei der Ausstattung von blindentechnischen Arbeitsplätzen und Hilfsmitteln für das tägliche Leben. Des Weiteren hatte ich die Aufgabe, ihnen bei der Berufsorientierung, Ausbildung und Lebensplanung beratend zur Seite zu stehen. Dieses Anerkennungspraktikum beinhaltete genau das, was ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen schon immer habe machen wollen.

Nach dem Studium: Dialog im Dunkeln

Nach meinem Anerkennungsjahr war ich zunächst ein halbes Jahr auf der Suche nach einem Job. Schon während meines Studiums (seit 2005) war ich beim Dialogmuseum in Frankfurt als Aushilfskraft tätig. Dort wurde mir 2009 eine Vollzeitstelle angeboten, und da ich im sozialen Bereich bis zu diesem Zeitpunkt keine Stelle gefunden hatte, habe ich die unbefristete Anstellung angenommen, die von der Bundesarbeitsagentur in Offenbach für drei Jahre bezuschusst wurde. Zu meinen Aufgaben gehörte es, sehende Besuchergruppen durch dunkle Erlebnisräume, die unterschiedliche Alltagssituationen nachempfinden, zu führen. Darüber hinaus habe ich Workshops für größere Gruppen selbst konzipiert und durchgeführt, die tiefere Einblicke in den Umgang blinder Menschen mit Hilfsmitteln und täglichen Herausforderungen gewährten. Anfangs fand ich die Arbeit beim Dialogmuseum interessant, aber nach einigen Jahren fühlte ich mich von meiner Arbeit inhaltlich unterfordert und spürte oft eine körperliche Erschöpfung, denn gerade in den Wintermonaten lebte ich fast ausschließlich im Dunkeln. Ich fuhr im Dunkeln zur Arbeit, arbeitete oft in völliger Dunkelheit und fuhr im Dunkeln wieder nach Hause. Und es fiel mir auch zunehmend schwer, immer wieder Fragen über Blindheit und Blinde zu beantworten. Mein Ziel war es, mich als Sozialarbeiterin in meinem Berufsfeld weiterzuentwickeln, deshalb habe ich mich immer wieder im sozialen Bereich beworben – leider lange Zeit ergebnislos. Ich wurde aufgrund mangelnder beruflicher Erfahrungen - so hieß es immer wieder - nicht genommen.

Auf zu neuen Ufern?

Im Oktober 2015 hatte ich mich wieder bei zwei Einrichtungen im Raum Offenbach beworben und bekam zwei Zusagen. Ich habe mich für das kommunale Jobcenter der Stadt Offenbach entschieden, da es näher zu meiner Wohnung lag. Also kündigte ich meinen unbefristeten Vertrag beim Dialogmuseum zum 31.01.2016 und trat meine neue Stelle am 1. Februar an. Dort sollte ich für die Arbeitsvermittlung von Hartz IV-Beziehern zuständig sein. Bisher hatte ich mich immer in einem förderlichen Umfeld bewegt. Jetzt machte ich erstmals die Bekanntschaft mit den Härten einer anderen Arbeitswelt. Der erste Wermutstropfen war, dass zu meinem Einstieg mein blindentechnischer Arbeitsplatz noch nicht eingerichtet war. Meine Arbeitsplatzausstattung habe ich erst Mitte März bekommen. Eine adäquate Unterstützung seitens des Jobcenters zur Einarbeitung in die interne Software bekam ich nicht. Mein Bruder, der auch blind ist und ebenfalls in der Agentur arbeitete, half mir freundlicherweise bei der Einarbeitung. Im April habe ich meine ersten Kunden ins Jobcenter eingeladen. Zuvor hatte ich bei meinen Kollegen hospitiert und natürlich hatte ich auch eine Mentorin, die mich unterstützte. Es hieß also learning by doing, da ich ja bisher noch keine Schulung für meinen Aufgabenbereich erhalten hatte. Die für mich relevanten Gesetzestexte habe ich mir in meiner Freizeit eigenständig erarbeitet. Doch am 6. Juni 2016 teilte mir meine Teamleiterin mit, dass mein Vertrag über die Probezeit nicht verlängert werden wird, und dass meine Kündigung schon bei der Stadt läge. Einen Monat vor dem Ende meiner sechsmonatigen Probezeit, die im Grunde mangels technischer Ausrüstung und unzureichender Einarbeitung für mich noch gar nicht richtig begonnen hatte, war schon über meine Zukunft entschieden worden. Ich wurde zum 1. Juli bis zum Ende meiner Probezeit freigestellt. Inzwischen habe ich gehört, dass die Abteilung, in der ich kurze Zeit gearbeitet hatte, aufgelöst wurde.

Und wie weiter?

Das ist wirklich eine gute Frage. Ich werde natürlich alles dafür tun, in absehbarer Zeit eine berufliche Tätigkeit aufnehmen zu können, die meiner Qualifikation entspricht. An einem Job hängt bekanntlich so einiges im Leben. Erwerbsarbeit gibt dir einen Wert, einen Platz in der Gesellschaft, sie entscheidet, wie und wo du wohnst, was du hast und wer du bist und auch, wie du dich im Leben verwirklichen kannst. Für mich ist das der Bereich der Sozialen Arbeit, das Gefühl, andere Menschen bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben unterstützen zu können.

Zur Autorin

Ikram Alaamri machte ihren Fachoberschulabschluss Sozialwesen im Jahr 2001 an der blista. Sie ist derzeit auf Jobsuche im Bereich der Sozialen Arbeit.

Bildunterschrift: Während der Studienzeit war Ikram Alaamri die einzige blinde Studentin an ihrer Frankfurter Universität... Foto: Privat

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt vier Fahnen mit der Aufschrift „Frankfurt University of Applied Sciences“, die an einem schönen Sommertag in Frankfurt im Wind wehen.

horus-Zeitreisen

Namen sind Schall und Rauch. Und doch entfachte der Name VbGD, insbesondere mit seinem Begriff des Geistesarbeiters, in den 1970er Jahren eine rege Diskussion im horus. In seinem zusammenfassenden Beitrag zeichnet Karl Britz die Entwicklung nach. Geändert wurde der Name übrigens erst 1983!

Derzeit gibt es erneut Überlegungen, wie sich unser Verein nennen sollte, über die der horus sicher berichten wird.

Uwe Boysen

Die heutige Quelle: Britz, Karl: Der Name unseres Vereins. In: Marburger Beiträge zum Blindenbildungswesen (1976), H. 5, Teil 1, S. 417-423

Karl Britz

Der Name unseres Vereins

Es war eine kleine Gruppe blinder Akademiker - also von Absolventen oder auch Noch-Studierenden an Universitäten und Hochschulen -, die 1916 den Verein gründeten. Was lag daher näher, als ihn auch "Verein blinder Akademiker Deutschlands" zu nennen? "Mittlere Berufe" für Blinde gab es damals und für längere Zeit noch nicht. Immerhin stand der Verein den Absolventen des Marburger Gymnasiums offen, die nicht alle studierten, und später auch denen der Handelsschule.

1932 wurde das Produktionsgebäude (Am Schlag 10) seiner Bestimmung übergeben. Im Verwaltungsbericht der Blindenstudienanstalt für die Jahre 1929-32 steht darüber zu lesen: "... Ureigenstes Ziel dieses Baues ist die Ertüchtigung blinder Geistesarbeiter durch Blindenbuchdruck ...", und anlässlich der Einweihungsfeier sagte Geheimrat Kerschensteiner: ... Die Losung der Arbeit muss also auch ein Mahnwort sein für alle Sehenden, weiter mitzuwirken am Ausbau der Anstalt, die unter dem rührigen Direktor Strehl zu einem Sammelpunkt der blinden Geistesarbeiter geworden ist ...". In der Satzung des Jahres 1933 schließlich heißt es in § 2: "... Wir sind die Standesvertretung der blinden Geistesarbeiter ..." - Der "blinde Geistesarbeiter" ist also keine Erfindung des Jahres 1946, sondern war wenigstens eineinhalb Jahrzehnte früher bereits die Zieladresse der Bemühungen Strehls und seiner Mitarbeiter.

Die Aufzeichnungen aus den Nachkriegsjahren lassen da manche Frage offen; man darf aber annehmen, dass die vom "Groß-Hessischen Staatsministerium, Minister für Arbeit und Wohlfahrt" mit Erlass vom 15.10.46 verordnete Satzungsänderung (1933 war die Satzung anderen politischen Verhältnissen angepasst worden) eine Namensänderung einschloss, die, wenn auch vom damaligen Vorstand nicht eigentlich beabsichtigt, so doch gesteuert wurde. Die Mitgliederversammlung vom 15.12.46 beschloss jedenfalls den Namen "Verein blinder Geistesarbeiter", der dann im Oktober 1954 in einer weiteren Mitgliederversammlung in "Verein der blinden Geistesarbeiter Deutschlands" abgeändert wurde.

Seit 1973 steht der Name des Vereins wieder zur Diskussion. Sie wird durch keine äußere Notwendigkeit, sondern durch ein Gefühl des Unbehagens herbeigeführt. Auch wer an einer dreißigjährigen Tradition hängt, kann nicht bestreiten, dass das Wort "Geistesarbeiter" schwerfällig und unpopulär ist. Wie alles Schwerfällige gibt es zu allerlei Spötteleien und wie alles Unpopuläre zu zahlreichen Missverständnissen Anlass. Um einen besseren Namen zu finden, schrieb der Vorstand im Herbst 1973, vor der letzten Mitgliederversammlung, die wiederum eine neue Satzung zu beschließen hatte, ein Preisausschreiben aus, dessen Ergebnis etwa 20 Vorschläge waren, aus denen der Arbeitsausschuss am 8.2.74 drei auswählte, die am folgenden Tag der Mitgliederversammlung vorgelegt wurden. Sie lauteten: a) Aktionsgemeinschaft Höhere Blindenbildung, b) Carl-Strehl-Bund - Verein der Blinden in Studium und Beruf und c) Carl-Strehl-Bund - Verein zur Förderung Blinder in Schule, Studium und Beruf.

Mit etwas Galgenhumor könnte man sagen, dass alle drei Vorschläge so gut sind, dass sich die Versammlung auf keinen einigen konnte. Der alte Name kam also in die neue Satzung und verursacht weiter Lächeln oder Peinlichkeit.

(…)

Inzwischen kommen zu den damaligen Vorschlägen einige neue. (…)

Bleibt der "Carl-Strehl-Bund" mit seinen verschiedenen Untertiteln. Bemerkenswert ist immerhin, dass "Carl-Strehl-Bund" beim Preisausschreiben - gänzlich unabhängig voneinander - von drei Seiten vorgeschlagen wurde. Was bislang dagegen eingewandt wird, läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass man den Namen des Vereins nicht an den einer Person knüpfen sollte, die in absehbarer Zeit fast niemand mehr kennt. (…)

Ziehen wir also einen weiteren Vorschlag von Herrn Dr. Schulze (Karlsruhe) in Betracht: Carl-Strehl-Bund für höhere Blindenbildung e.V. (…); dieser Name besticht durch seine Kürze. Bezüglich der Untertitel kann ich mich zunächst auf Herrn Preis beziehen. Die Stichwörter "Schule" und "Beruf" beanspruchen etwas, was weit über unsere Ambitionen hinausgeht. "Schule" ist weit mehr als "weiterführende Schule", und Berufe gibt es gar viele, die den VbGD sozusagen "nichts angehen". Sein Anliegen ist im eigentlichsten Sinne "höhere Bildung" für Blinde, wie sie von Gymnasien, Real- und Fachschulen, Hochschulen, Fachhochschulen, Universitäten und einigen anderen vergleichbaren Einrichtungen vermittelt wird, und die Gruppe jener Berufe, die diese höhere Bildung zur Voraussetzung haben (die "höheren Berufe" also). Notwendig scheint es, dass viele an der "höheren Bildung" wegen ihres "elitären Charakters" den gleichen Anstoß nehmen wie am "Akademiker" und am "Geistesarbeiter".

Was wäre aber vergleichbar kurz und dabei besser? Hier der Vorschlag von Herrn Dr. Hauck: (…) Carl-Strehl-Bund für weiterführende Blindenbildung e.V.

Wer möchte wohl prophezeien, ob - beispielsweise - in acht Jahren die "höhere" oder die "weiterführende" Bildung höher im Kurs steht - oder ob dann gar die Bildung selbst bereits als etwas Elitäres verpönt sein wird?

Jedenfalls möchte man der Mitgliederversammlung 1976 genug Entschlussfreude wünschen, um zu verhindern, dass vor und in jeder weiteren Mitgliederversammlung die Namensfrage neu auftaucht und zum seiten- und zeitfüllenden Problem wird.

Recht

Dr. Michael Richter und Christiane Möller

Auswirkungen der Pflegereform ab 2017 auf den Bezug von Blindengeld und Blindenhilfe

Am 01.01.2017 ist das Pflegestärkungsgesetz II vollständig in Kraft getreten. Damit verbunden wurden die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade abgelöst. Das bedeutet auch, dass die Landesblindengeldgesetze in Bezug auf die Anrechnung von Pflegeleistungen geändert werden mussten/müssen. Eine Anpassung der Landesblindengeldgesetze ist bei Redaktionsschluss in Bayern, Berlin, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen erfolgt. In den weiteren Bundesländern dauert das Gesetzgebungsverfahren noch an.

Unabhängig davon drängen jedoch einige Blindengeldstellen blinde Menschen zur Stellung von Anträgen auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Besorgte Anrufe und E-Mails zeigen uns, dass die Verunsicherung insgesamt groß ist.

Mithin wollen wir kurz darstellen, wie ab dem 1.1.2017 die Anrechnung der Pflegeleistungen auf das Blindengeld erfolgt und welches Verfahren, mit ggf. welchen Übergangsregelungen, hier gilt.

1. Was passiert, wenn keine Anpassung erfolgt?

Sofern nicht rechtzeitig das jeweilige Landesblindengeldgesetz angepasst wurde, fällt wegen der fehlerhaften Verweisungsnormen die Rechtsgrundlage zur Anrechnung der Pflegeleistungen auf das Landesblindengeld formell weg. Eine Ausnahme gilt wegen der Regelungssystematik nur in Bremen.

Die Länder, die ihr Landesblindengeldgesetz nicht rechtzeitig angepasst hatten, haben die Möglichkeit, eine vorläufige Regelung unter dem Vorbehalt der späteren Gesetzesänderung zu treffen. Das ist in einigen Ländern durch einen Erlass auch erfolgt. Das dann später erlassene Anpassungsgesetz kann rückwirkend in Kraft treten. Sodann werden formelle Änderungsbescheide ergehen, die Nachzahlungen oder ggf. auch Rückforderungen einbeziehen.

Ist das Landesblindengeldgesetz nicht rechtzeitig angepasst worden und wurde auch keine vorläufige Regelung getroffen, empfehlen wir pflegebedürftigen blinden Menschen, Widerspruch gegen die ab Januar 2017 erfolgende Auszahlung einzulegen. Ein formeller Widerspruch genügt zunächst.

2. Anrechnung von Pflegeleistungen auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII

Mit dem Pflegestärkungsgesetz III erfolgte die Anpassung der Anrechnung von Pflegeleistungen auf die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII.

Seit dem 1.1.2017 werden bei Pflegegrad II (vormals Pflegestufe I) 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades II und bei den Pflegegraden III-V (vormals Pflegestufen II und III) 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades III, jedoch höchstens 50 Prozent des für Voll- bzw. Minderjährige vorgesehenen Betrages angerechnet. Die Leistungen bei Pflegegrad I bleiben unberücksichtigt. Die Änderung der Anrechnungsquote bewirkt, dass die Erhöhungen bei den Pflegeleistungen zumindest zu einem großen Teil auch blindenhilfeberechtigten Personen zugutekommen und die Blindenhilfeleistung nicht im Gegenzug den Erhöhungsbetrag aufzehrt. Personen, die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII beziehen, werden daher einen Änderungsbescheid erhalten haben, mit dem die Blindenhilfe neu festgesetzt wurde.

3. Informationen zu Aufforderungsschreiben zur Stellung eines Antrags auf Pflegeleistungen

Einige Blindengeldstellen schreiben aktuell blinde Menschen an. Sie sollen einen Antrag auf Pflegeleistungen stellen.

Wir vertreten die Auffassung, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, ohne jegliche Anhaltspunkte für eine bestehende Pflegebedürftigkeit alle blinden Menschen pauschal aufzufordern, Leistungen der Pflegeversicherung zu beantragen. Blindheit führt nicht automatisch dazu, pflegebedürftig im Sinne des SGB XI zu sein. Die Blindengeldleistungen sollen den blindheitsbedingten Mehraufwand abdecken und eben nicht Unterstützungsbedarfe aus anderen Gründen finanzieren. Andererseits erfolgt bei bestehender Pflegebedürftigkeit eine pauschalierte Teilanrechnung auf das Blindengeld. Man geht also davon aus, dass bestimmte Mehraufwendungen, die blinde Menschen haben, sowohl aus Mitteln der Pflegeversicherung als auch aus dem Blindengeld gedeckt werden können. Damit es hier nicht zu Doppelauszahlungen kommt, wird das Blindengeld pauschal, d.h. ohne Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall, beim Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung gekürzt. Unerheblich ist dabei, auf welcher Ursache die Pflegebedürftigkeit beruht und ob tatsächlich eine Überschneidung bei der Mittelverwendung erfolgt.

Das führt uns zu dem Schluss, dass nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine bestehende Pflegebedürftigkeit gibt, die jeweilige Blindengeldstelle dazu auffordern kann, Pflegeleistungen auch zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Das gilt sowohl beim Bezug von Landesblindengeldleistungen als auch von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII.

Sofern aus tatsächlichen Gründen ein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung bestehen könnte, dann sollte dieser aber in jedem Fall auch geltend gemacht und ein Antrag auf Pflegeversicherungsleistungen gestellt werden. Die Pflegeversicherungsleistungen wirken sich zwar auf die Höhe des Blindengeldes aus, aber es darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Leistungen eine finanzielle Entlastung für bestehenden Pflegeaufwand sind und sich insgesamt positiv auf die Teilhabemöglichkeiten auswirken können.

4. Welche Sanktion droht, wenn man der Aufforderung, Pflegeleistungen zu beantragen, nicht nachkommt?

Rechtsprechung zu dieser Thematik ist uns nicht bekannt. Die Beantwortung dieser Frage hängt aber auch vom jeweiligen Landesblindengeldgesetz ab.

In drei Landesblindengeldgesetzen befindet sich eine Regelung, wonach das Blindengeld gekürzt oder sogar ganz versagt werden kann, wenn der Berechtigte ihm zustehende andere Leistungen zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen nicht in Anspruch nimmt. Das sind: Brandenburg (§ 6 LPflGG), Rheinland-Pfalz (§ 5 LBlindenGG) und Thüringen (§ 5 ThürBliGG). In Brandenburg ist in § 5 Abs. 1 S. 3 sogar ausdrücklich geregelt, dass Pflegeleistungen gleichartige Leistungen sind. Wenn es hier also Anhaltspunkte dafür gibt, dass aufgrund der bestehenden Blindheit eine Pflegebedürftigkeit besteht und ein blinder Mensch die Pflegeleistungen nicht in Anspruch nimmt, dann kann das Blindengeld gekürzt oder gar versagt werden.

5. Auskünfte über den aktuellen Status müssen immer erteilt werden!

Soweit die jeweilige Blindengeldstelle lediglich Auskunft darüber verlangt, ob ein Pflegegrad bereits festgestellt worden ist, besteht die gesetzliche Pflicht des Blindengeldberechtigten, hier wahrheitsgemäß Auskunft zu geben. Falsche Auskünfte über entscheidungserhebliche Tatsachen, wie etwa den Bezug von Pflegeleistungen, Heimaufenthalte, Verbesserung der Sehfähigkeit etc. führen – je nach Landesblindengeldgesetz - zur Kürzung oder gar zum Ausschluss vom Blindengeld und können Rückforderungen zu Unrecht gezahlten Blindengeldes nach sich ziehen.

6. Wie sollte praktisch mit der Situation umgegangen werden?

  • Zunächst ist das Schreiben der jeweiligen Landesblindengeldstelle sorgfältig zu prüfen. Es ist zu klären, wozu genau der Betroffene aufgefordert wird: nur zur Auskunftserteilung hinsichtlich des jeweiligen Pflegestatus oder allgemein, einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung zu stellen.
  • Wenn Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit bestehen, dann sollte auch ein Antrag bei der Pflegekasse gestellt werden. Diese Empfehlung gilt nicht nur, weil die Blindengeldstelle dazu auffordert, sondern weil damit auch die Unterstützung im Alltag durch zusätzliche Leistungen der Pflegeversicherung besser organisiert werden kann.
  • Wenn absolut kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass Pflegebedürftigkeit besteht, z. B. weil die Person berufstätig ist und alltägliche Verrichtungen, wie Nahrungsaufnahme, Körperpflege oder Mobilität innerhalb der Wohnung selbst und eigenständig erfolgen, dann sollte dies der Blindengeldstelle so mitgeteilt werden und nach der Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Stellung eines entsprechenden Antrages nachgefragt werden.

Da die vorliegenden Schreiben sehr unterschiedlich ausgestaltet sind und auch die individuelle Situation zu berücksichtigen ist, kann ein Musterschreiben hier leider nicht erstellt werden. Selbstverständlich wird die rbm gGmbH individuell beraten und bei der Erstellung eines adäquaten Antwortschreibens behilflich sein.

Wir hoffen sehr, dass damit ein wenig mehr Klarheit geschaffen werden kann.

Zu den Autoren

Dr. Michael Richter ist Geschäftsführer der „Rechte behinderter Menschen gGmbH“ und früherer Geschäftsführer des DVBS.

Christiane Möller ist Rechtsreferentin des DBSV.

Bildunterschrift: Die Pflegereform ab 2017 wirft im Hinblick auf das Blindengeld und die Blindenhilfe zahlreiche Fragen auf.

Bildbeschreibung: Auf einem Holztisch steht die schwarze Figur der Justitia. Dahinter liegt - unscharf im Hintergrund zu erkennen - ein aufgeschlagenes Gesetzbuch.

Uwe Boysen

Erhöhung der Vermögensfreibeträge auch für die Blindenhilfe

Am 1.4.2017 ist die Zweite Verordnung zur Änderung der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Kraft getreten. Auch wenn das den allermeisten unserer Leserinnen und Leser wie übelstes Juristenkauderwelsch vorkommen wird, hat diese Verordnung doch erhebliche Bedeutung auch für blinde Menschen. Sie erhöht nämlich den Vermögensfreibetrag für Leistungen aus der Sozialhilfe von 2.600 auf 5.000 € je bezugsberechtigter Person. Und das gilt damit auch für die aufstockende Blindenhilfe des § 72 SGB XII. Noch einmal um 5.000 € erhöht sich der Freibetrag, wenn der Berechtigte verheiratet ist. Für jedes unterhaltsberechtigte Kind kommt ein weiterer Betrag von 500 € hinzu.

Diese nach Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes erfolgte Erhöhung ist ein gewisses Trostpflaster dafür, dass der Bundesgesetzgeber nicht bereit war, die Blindenhilfe bei den Vermögensfreigrenzen in gleicher Weise zu behandeln wie die Eingliederungshilfe. Bei ihr erhöhen sich die Vermögensgrenzen nämlich auf zunächst gut 25.000 und später auf über 50.000 €. Doch auch nach der Anhebung der Freibeträge bleibt es dabei, dass man zunächst seine darüber hinausgehenden Ersparnisse aufbrauchen muss, bevor man berechtigt ist, Blindenhilfe zu bekommen. Ein nach wie vor unhaltbarer Zustand. Die Forderung nach einer generellen Abschaffung von Vermögensgrenzen bei Teilhabeleistungen bleibt damit gerade auch für uns auf der Tagesordnung.

Bildunterschrift: Die Erhöhung des Vermögensfreibetrages sorgt für etwas mehr finanziellen Spielraum.

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind mehrere Euro-Geldscheine in Großaufnahme zu sehen.

Bücher

Roland Dietze

Carsten Dethlefs: „Freie Auswahl für alle – Menschen mit Behinderung als neue Zielgruppe“

Bereits im Februar 2017 ist im Verlag tredition in Hamburg ein Buch des promovierten Wirtschaftswissenschaftlers Carsten Dethlefs erschienen, das viel Stoff für fruchtbare Diskussionen zum Thema Inklusion enthält. Es trägt den Titel „Freie Auswahl für alle – Menschen mit Behinderung als neue Zielgruppe“, der dem Leser schon einen deutlichen Hinweis auf den Gegenstand dieser bemerkenswerten Schrift gibt.

Es geht dem Verfasser, der zurzeit Dozent an der FH Westküste ist und selbst ein Handicap hat, hier darum, die Gesellschaft zu einem respektvollen Umgang mit Menschen mit Behinderung aufzufordern, der den Namen Inklusion wirklich verdient. Dethlefs wehrt sich entschieden gegen die bislang vorherrschende Sichtweise, welche die etwa 10 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit physischen oder mentalen Einschränkungen vor allem als bemitleidenswerte, vom Staat zu versorgende Menschen betrachtet. Soziale Marktwirtschaft bedeutet für ihn vor allem, möglichst niemandem seine Leistungsfähigkeit und Mündigkeit abzusprechen. Eine Gesellschaft, die sich Soziale Marktwirtschaft auf die Fahnen schreibt, muss Menschen befähigen, nicht versorgen. In beeindruckender Weise führt Dethlefs seinen Lesern vor Augen, dass Menschen mit Handicap selbstständig handelnde Individuen mit eigenen Bedürfnissen sind, die ihre eigenen Entscheidungen treffen wollen und können, wenn sie dabei nicht behindert werden.

Insbesondere will der Wirtschaftswissenschaftler Dethlefs ein Bewusstsein für die von Wirtschaft und Politik bisher kaum bedachte Tatsache schaffen, dass Menschen mit Behinderung eine große Zielgruppe für Produkte aller Art bilden. Sie können ihre eigene Auswahl aus der Vielfalt der Waren und Dienstleistungen treffen, die auf dem Markt angeboten werden, sobald man ihnen die Möglichkeit dazu bietet. Wirklich hinderlich ist dabei nur der noch immer häufig anzutreffende Mangel an Barrierefreiheit in Geschäften und im Onlinehandel, durch den Unternehmen sich durchaus selbst schaden.

Dies zeigt Dethlefs im Hauptteil seiner Schrift, in welchem er die Ergebnisse einer unter seiner Leitung von seinen Studenten durchgeführten Online-Umfrage präsentiert und erläutert, mit der das Einkaufsverhalten von Menschen mit und ohne Einschränkungen empirisch untersucht und miteinander verglichen wurde. In der Umfrage zeigte sich nämlich, dass nicht nur die Befragten mit Handicap, sondern auch 25 Prozent der Teilnehmer ohne Behinderung ungern in Geschäften einkaufen, die nicht barrierefrei sind. Enge Gänge und hohe Regale können eben leicht für alle zum Problem werden. Ferner zeigt die empirische Untersuchung, dass Unternehmen Menschen mit Behinderung weit besser durch Werbung erreichen könnten, wenn auf ihre besonderen Bedürfnisse mehr Rücksicht genommen würde, und dass häufig kostengünstige Maßnahmen ausreichen würden, um dieses Ziel zu verwirklichen. Darüber hinaus findet der Leser im Hauptteil des Buches auch zahlreiche andere Anregungen, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen können. Die Umfrage bot nämlich den Teilnehmern mit Handicap die Gelegenheit, Vorschläge zu äußern, wie Geschäfte barrierefrei gestaltet werden könnten, und diese Möglichkeit wurde gern wahrgenommen, wie man an den vielen Antworten der Befragten sieht, die Dethlefs hier veröffentlicht.

Insgesamt ist Dethlefs meines Erachtens ein anregendes und sicher fruchtbares Buch gelungen, das einen großen Beitrag zu einer tatsächlichen Inklusion leisten kann. Schade ist allerdings, dass die Ergebnisse der Online-Umfrage, die ja einen ganz wesentlichen Teil des Werks ausmachen, nicht wirklich repräsentativ sind, was vor allem an der geringen Anzahl der Befragten liegt (46 Teilnehmer mit Handicap, 69 Teilnehmer ohne Handicap). Somit kann man aus der empirischen Untersuchung nur Tendenzen und Anregungen ableiten, aber keine endgültigen Schlussfolgerungen ziehen, was der Autor selbst einräumt. Schade ist auch, dass Dethlefs sich in seinem Bemühen, die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung zu zeigen, in einigen kritischen Äußerungen zur Arbeit der Selbsthilfeverbände mitunter im Ton vergreift, indem er ihnen zu pauschal vorwirft, ihren Teil dazu beizutragen, dass man Menschen mit Behinderung oft nicht ernst nimmt (Siehe besonders Teil I, der allgemeine und einleitende Betrachtungen zum Thema Behinderung und Inklusion enthält). Dennoch sollte sich dadurch niemand von der Lektüre des Werks abhalten lassen, es ist in jedem Falle lesenswert. Das gilt auch für die im dritten und vierten Teil enthaltenen Zugaben. In Teil III können sich die Leser über Konzepte für ein barrierefreies Lebensmittelgeschäft und einen behindertengerechten Frisiersalon informieren, während Dethlefs in Teil IV auf die Frage eingeht, was Menschen mit Einschränkungen mit Recht von der Sozialen Marktwirtschaft erwarten können, aber auch immer wieder darauf hinweist, dass Eigeninitiative und die Bereitschaft zu selbstständigem Handeln notwendig sind, wenn man gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben will.

Das Buch kann direkt beim Verlag bestellt werden und ist auch bei Amazon und im stationären Buchhandel erhältlich. Blindenschrift- und Hörbuchausgaben und die Herstellung einer barrierefreien E-Book-Version sind unbedingt wünschenswert.

Bildunterschrift: Die Barrierefreiheit spielt bei Einkäufen eine große Rolle. Foto: Kunstart.net/pixelio.de

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt ein prall gefülltes Tiefkühlregal in einem Supermarkt.

Buchtipps aus der blista

Werner Bergengruen: Das Tempelchen

Die Arche, Hamburg, 2000, 1 Heft, K. 98, 5,10 Euro, Bestellnummer: 4802 (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Bei einem Besuch in ihrem Elternhaus in Weißrussland erzählt eine alte Dame ihrer Enkelin von einem Erlebnis, das sie als junges Mädchen dort hatte und das nachhaltig in ihr gewirkt hat. In einem Tempelchen im elterlichen Park entdeckt sie einen jungen adligen Polen, einen Aufständischen auf der Flucht. Sie überredet ihn zu bleiben, bis seine Wunde geheilt und er wieder zu Kräften gekommen ist. Diese Tage, in denen sie mit äußerster Vorsicht bei ihren Hilfeleistungen zu Werke geht, lebt sie wie im Fieber, in einer trunkenen Verzauberung und zugleich in hellsichtiger Besonnenheit. Nie wieder in ihrem Leben hat sie so leidenschaftlich und intensiv empfunden, sie hat das Glück erlebt als etwas Gewaltiges. Am Ende der Geschichte - und ihres Lebens - reflektiert sie über die menschliche Erwartung von Glück, von dem man doch recht wenig weiß und unter dem sich jeder Mensch etwas anderes vorstellt.

Bertolt Brecht: Schweyk im zweiten Weltkrieg

Suhrkamp, Frankfurt/Main, 2013, 1 Band, K. 98, 21,50 Euro, Bestellnummer: 4782 (in Papier und für Braillezeile erhältlich)

Der Prager Hundehändler Schweyk kommt durch seinen Freund Baloun in Schwierigkeiten mit der deutschen Besatzungsmacht und muss nach kurzer Anstellung bei der Gestapo in die Wehrmacht, als Strafe für sein Vergehen. Dies bestand darin, den Lieblingshund seines Chefs geschlachtet und seinem Freund serviert zu haben. In der Rahmenhandlung wird gezeigt, wie Hitler den Angriff auf die Sowjetunion plant und durchführt.

Leni Sandmann: Eingeliefert: wie ich dem Pflegeheim von der Schippe gesprungen bin

1305 Verlag, Liebstedt, 2016, 1 Halbband, KR, 14,50 Euro, Bestellnummer: 4853 (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Marlene ist achtundfünfzig und leitet eine Intensivstation am Uniklinikum der Stadt. Das war jedenfalls das Letzte, woran sie sich erinnern konnte. Als sie im Heim aufwacht, ist sie siebenundachtzig und ans Bett gefesselt.

Martina Hahn/Frank Herrmann: Fair einkaufen – aber wie? - Der Ratgeber für Fairen Handel, für Mode, Geld, Reisen und Genuss

Brandes und Apsel, Frankfurt/Main, 2010, 4 Bände, KR, 79 Euro, Bestellnummer: 4700 (in Papier, für Braillezeile und mit synthetischer Stimme erhältlich)

Dieser Ratgeber bietet ausführliche Hintergrundinformationen, Adressen, Literaturempfehlungen und Einkaufstipps für Fairtrade-Einsteiger, Szene-Kenner und Bio-Käufer.

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Bildunterschrift: Die alte Dame erzählt ihrer Enkelin von der Wundversorgung eines adligen Polen.

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist ein über Kreuz geklebtes Pflaster vor einem schwarzen Hintergrund zu erkennen.

Bildunterschrift: Die Pflege ist in Deutschland ein heiß diskutiertes Thema.

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt zwei Hände, die ineinander greifen: links die Hand einer alten Person mit goldenem Ehering und rechts die Hand einer jungen Person. Die Gesichter der Personen sind abgebildet.

Neue Hörbücher aus der DBH

Margaretha Kopeinig: Martin Schulz – Vom Buchhändler zum Mann für Europa - Die Biographie

Czernin, Wien, 2016, Bestellnummer: 817861, Laufzeit: 8 Std. 41 Min.

Martin Schulz ist Politiker aus Überzeugung und Leidenschaft. Wie kaum ein anderer Politiker vereint er Integrität und Courage – Werte, die sowohl in Europa als auch in Deutschland dringend vonnöten sind. Doch wer ist dieser Mensch Martin Schulz? Welchen Weg ist er gegangen, um vom engagierten Lokalpolitiker und begeisterten Buchhändler zum Präsidenten des Europäischen Parlaments aufzusteigen? Und wie wird er sich künftig in der deutschen Bundespolitik bewähren?

Martin Schulz erzählt der renommierten Journalistin Margaretha Kopeinig von seiner Kindheit in einem »politisierten Haushalt«, den schwierigen Zeiten in jüngeren Jahren und seinem weiteren – teils ungewöhnlichen – Lebensweg. Das Buch zeichnet die Geschichte eines Menschen, der sich manchmal unkonventionell und immer mit viel Rückgrat für demokratische Werte eingesetzt hat und einsetzt.

Ian McEwan: Nussschale

Diogenes, Zürich, 2016, Bestellnummer: 810001, Laufzeit: 6 Std. 15 Min.

Eine klassische Konstellation: der Vater, die Mutter und der Liebhaber. Und das Kind, vor dessen Augen sich das Drama entfaltet. Aber so, wie Ian McEwan sie erzählt, hat man diese elementare Geschichte noch nie gehört. Verblüffend, verstörend, fesselnd, philosophisch - eine literarische Tour de force von einem der größten Erzähler englischer Sprache.

Matthias Thöns: Patient ohne Verfügung - Das Geschäft mit dem Lebensende

Pieper, München, 2016, Bestellnummer: 812961, Laufzeit: 10 Std. 13 Min.

Der selbstständige Palliativarzt lenkt den Blick auf die Missstände im deutschen Gesundheitswesen, wo unter Einsatz der sehr teuren Apparatemedizin mehr Nebenwirkungen als Nutzen erzielt wird, weil Ärzte sich von ökonomischen Interessen leiten lassen, statt die Lebensqualität zu verbessern.

Malla Nunn: Tal des Schweigens

Argument-Verlag, Hamburg, 2016, Bestellnummer: 807861, Laufzeit: 9 Std. 56 Min.

Die 17-jährige Amahle, recht eigenwillige Tochter eines Zulu-Chiefs, wird ermordet aufgefunden. Verdächtig sind u.a. der lokale Polizeikommissar, der die Ermittlungen hintertreibt und sexuelle Beziehungen zu Amahle hatte, und der verhaltensgestörte Sohn eines weißen Großfarmers, daneben ein in Amahle verliebter Gärtner, der später ebenfalls ermordet wird. Emmanuel Cooper macht sich mit einem Zulu-Polizisten an die Ermittlungen, wird aber bald auf Druck einflussreicher weißer Kreise ausgebremst. Dennoch löst er den Fall.

Jörg Schindler: Panikmache - Wie wir vor lauter Angst unser Leben verpassen

Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt/Main, 2016, Bestellnummer: 810721, Laufzeit: 9 Std. 14 Min.

Der "Spiegel"-Journalist attestiert den Deutschen Mangel an Risikokompetenz. Bei den Top-Angstmachern Kriminalität, Terror und Krieg, Naturkatastrophen und "Ausländer" klafften die gefühlte und die tatsächliche Bedrohungslage weit auseinander. Schindler dekliniert, um diese Behauptung zu untermauern, die Ursachen der Angst, ihre Erscheinungsformen, die große Koalition der Profiteure der Verunsicherung (Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, Politik) und die in Rechtsradikalismus, Hass und Tätlichkeiten gegen Ausländer sich entfesselnde Gewalt durch und konstatiert mit Heinz Bude: "Angst zeigt uns, was mit uns los ist.“ Der pointiert-journalistische Ritt durch den Risikohype endet staatsmännisch-philosophisch: Wer jedem Risiko ausweicht, den bestraft das Leben.

Ihr Kontakt zur DBH:

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Panorama

Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.

Spannende Verleihung des Deutschen Hörfilmpreises 2017

Zahlreiche Prominenz aus Film und Fernsehen, Wirtschaft und Politik war vertreten, als am Abend des 21. März im Berliner Kino International der Deutsche Hörfilmpreis 2017 vergeben wurde.

Die Entscheidung wurde mit Spannung erwartet. Zwölf Filme hatten am Wettbewerb teilgenommen, vier wurden ausgezeichnet: In der TV-Kategorie gewann das ZDF mit "Familienfest" - die Filmbeschreibung lag in den Händen von Audioskript. Das Drama "Nebel im August" (Regie: Kais Wessel) erhielt die Auszeichnung in der Kategorie Kino - hier stand Hörfilm München zur Seite. Den Sonderpreis der Jury erhielt die "Löwenzahn"-Folge "Geld – Der schlaue Tausch", die vom ZDF als Kinderinformationsserie eingereicht und von der Deutschen Hörfilm gGmbH bearbeitet worden war. Der begehrte Publikumspreis ging an die NDR-Produktion "Die vierte Gewalt" unter der Regie von Brigitte Maria Bertele.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die sich seit 2011 in der Jury engagiert, bezeichnete den Deutschen Hörfilmpreis als Menschenrechtspreis. Denn er ermöglicht Teilhabe und steht für Teilhabe.

Hörfilme sind mit einer Audiodeskription versehen, die in knappen Worten zentrale Elemente der Handlung sowie Gestik, Mimik und Dekor beschreibt. Diese Bildbeschreibungen werden in den Dialogpausen eingesprochen, so dass blinde und sehbehinderte Menschen Informationen zu den visuellen Filmkomponenten erhalten. Der Deutsche Hörfilmpreis wird seit 2002 vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) verliehen und von der Aktion Mensch gefördert.

Die Präsidentin des DBSV Renate Reymann erinnerte daran, dass Barrierefreiheit mittlerweile eine Bedingung für Filmförderung ist und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihr Angebot an Audiodeskription und Untertitelung deutlich ausgeweitet haben. Ein blinder Fleck jedoch bleiben die privaten Fernsehsender.

So bleibt noch einiges zu tun, um Audiodeskription für Filme zu fördern. Ein guter Anlass steht 2018 mit den Olympischen Spielen an. DBSV-Geschäftsführer Andreas Bethke sieht hier das US-Unternehmen Discovery, das sich die Übertragungsrechte bis 2024 gesichert hat, in der Pflicht, die Berichterstattung über das sportliche Großereignis barrierefrei zu gestalten und bezieht sich dabei auf die Olympische Charta.

Weitere Informationen finden Sie unter www.deutscher-hoerfilmpreis.de und auf facebook www.facebook.com/Deutscher.Hoerfilmpreis.

Lea Heuser

Lass Dich von Deiner Behinderung nicht behindern - bloggen für eine inklusivere Welt

In dem jungen, internationalen Blog "anders und doch gleich" schreiben Menschen mit verschiedenen Behinderungen über ihr Leben, ihre Erfahrungen und ihre Ratschläge an andere Personen mit und ohne Behinderungen. Das unter http://anders-und-doch-gleich.myblog.de abrufbare Blog wurde im November 2016 ins Leben gerufen. Die Themenauswahl reicht von Freizeit über Bildung, Beruf und Hilfsmittel bis hin zu berühmten Menschen mit Behinderung, Buch- und Filmtipps, Barrierefreiheit und dem gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung. Mit dem hochgradig sehbehinderten Unternehmer und Buchautor Saliya Kahawatte hat das Blog bereits einen prominenten Unterstützer gefunden.

Das Team besteht aus rund 30 Menschen zwischen 15 und 36 Jahren. Ihre inzwischen schon über 60 Beiträge sind mitten aus dem Leben gegriffen.

Das Anliegen des Blogs ist, Menschen mit Behinderung zu bestärken und ihnen wertvolle Tipps und Hilfen zu geben. "Wir denken, dass man sich von seiner Behinderung nicht behindern lassen sollte, denn schließlich kennt jeder Mensch die eigenen Grenzen am besten", beschreibt Carina Tillmann die gemeinsame Überzeugung des Teams. Das Blog richtet sich aber auch an Menschen ohne Behinderung. Ihnen sollen Berührungsängste genommen und authentische Einblicke in das Leben behinderter Menschen ermöglicht werden - ein durch und durch inklusiver Ansatz, auch wenn das Team vollständig aus Menschen mit Behinderungen besteht.

Die Bloggerinnen und Blogger kommen aus Deutschland, den USA und Rumänien. Mehrheitlich besteht die Gruppe aus blinden und sehbehinderten Menschen, aber auch taubblinde und Menschen mit Muskelerkrankungen sind dabei. Ihre Aktivitäten und Interessen sind vielfältig. Der blinde Dave beherrscht die Echoortung nach Daniel Kish und kann durch reflektierten Schall Gegenstände identifizieren. Luisa ist sehbehindert und beweist, dass sie trotz ihrer Einschränkung Medizin studieren kann, genau wie Isa sich durch ihre hochgradige Sehbehinderung nicht davon abhalten lässt, einen Sport-Leistungskurs zu belegen. Technikexperte und Mitinitiator Tim ist annähernd blind und gehörlos, dennoch tanzt und klettert er und macht Kampfsport. Gemeinsam mit der vollblinden, angehenden Journalistin Carina hatte er die ursprüngliche Idee zum Blog.

Das Projekt freut sich über Aufmerksamkeit in jeglicher Hinsicht.

"Besuchen Sie unsere Seite, kommentieren Sie unsere Beiträge, teilen Sie den Link unseres Blogs oder hinterlassen Sie uns einfach einen Gästebucheintrag", ruft Carina Tillmann zum Mitmachen auf. Wer sich noch intensiver beteiligen will und etwas zu erzählen hat, ist auch als Gastautorin oder -autor herzlich im Team willkommen. Die Webseite verfügt über ein Kontaktformular, das für Anfragen und Ideen aller Art gerne genutzt werden darf.

"anders und doch gleich" ist auch auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden.

Bildunterschrift: Ein Screenshot der Startseite des Internet-Blogs „anders und doch gleich“

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Screenshot des Blogs „anders und doch gleich“. Das Layout der Webseite ist in weiß und gelb gehalten und mit dem Slogan „Deine Grenzen setzt Du Dir selbst“ überschrieben.

Markus Fischer (LWL)

Starthilfe in das Berufsleben für Jugendliche mit Behinderung

Aus dem Projekt STAR wird Dauereinrichtung

Jugendliche mit Behinderung können jetzt in Nordrhein-Westfalen erstmals flächendeckend und dauerhaft Alternativen zur Werkstatt für Menschen mit Behinderung entdecken und sich Wege auf den ersten Arbeitsmarkt erschließen. Das Projekt STAR (Schule trifft Arbeitswelt), mit dem der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit NRW und dem Land NRW Jugendliche mit Behinderung in Westfalen-Lippe beim Einstieg ins Berufsleben unterstützt, wird dafür als Teil des NRW-Programms "KAoA - Kein Abschluss ohne Anschluss" zur Dauereinrichtung. Die Kosten teilen sich der LWL und der Landschaftsverband Rheinland sowie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit NRW und das NRW-Sozialministerium. Ein dreijähriger Berufsorientierungsprozess für 5.000 Schülerinnen mit Behinderung in den letzten drei Schuljahren kostet rund 11,1 Millionen Euro, davon zahlt der LWL 3,7 Millionen Euro aus der Ausgleichsabgabe. Diese Abgabe zahlen Unternehmen, die keine oder zu wenige Menschen mit Behinderung beschäftigen.

"Aus dem Projekt STAR wird ohne Qualitätsverluste unter dem Dach von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ eine Dauereinrichtung", sagte LWL-Sozialdezernent Matthias Münning am 08. März 2017 vor dem LWL-Sozialausschuss in Münster. "So haben wir jetzt ein Übergangssystem von der Schule zum Beruf, das die Unterschiede aller Schüler anerkennt und auf individuelle Bedarfe reagieren kann."

In der Projektphase, die 2009 in vier Modellregionen begann und seit 2012 flächendeckend ausgeweitet wurde, erreichte STAR bisher über westfälische 6.000 Schüler mit Behinderung in 128 Förderschulen und 210 Regelschulen, die Schülerinnen mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichten. Die behinderungsspezifische Berufsorientierung übernahmen dabei die regionalen Integrationsfachdienste. Die Schüler nahmen an über 28.000 Maßnahmen wie Potentialanalysen, Berufsfelderkundungen und Praktika teil. "So ist es gelungen, dass 392 Jugendliche mit Behinderung einen Ausbildungsplatz und Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden haben", zog Münning eine positive Bilanz der Projektphase.

Ottmar Miles-Paul

Leitfaden für inklusive Freiwilligenagenturen

"Teilhabe möglich machen: Freiwilligenagenturen und Inklusion", so lautet der Titel eines Leitfadens, den die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) vor kurzem veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich um ein Nachschlagewerk für die tägliche Arbeit der Freiwilligenagenturen mit vielen Praxisbeispielen.

"Wir wollen mit diesem Leitfaden Lust auf Inklusion machen, Lust auf den Umgang mit Verschiedenheit. Wir wollen auch zeigen, dass schon kleine Veränderungen mehr Teilhabe ermöglichen können. Klar wird außerdem, dass die intensive Beschäftigung mit der eigenen Freiwilligenagentur im Hinblick auf Inklusion die gesamten Arbeitsabläufe für alle verbessern kann", heißt es in der Ankündigung des neuen Leitfadens durch die bagfa.

Der Leitfaden ist erhältlich im Downloadbereich des Internetauftritts der bagfa unter www.bagfa.de

Quelle: kobinet-Nachrichten

Bildunterschrift: Die bagfa hat einen neuen Leitfaden zur Teilhabe veröffentlicht. Foto: bagfa

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt den Titel des Leitfadens „Teilhabe möglich machen“, der in orange, gelb und weiß gehalten ist.

Friederike Völk

„Tastkunst“ in Berlin

Die Organisation "Tastkunst" bietet Tastführungen in Berliner Museen sowie verschiedene thematische Stadtspaziergänge für Blinde an. Bei Interesse oder dem Wunsch nach dem Besuch einer Führung wenden Sie sich bitte an die folgende Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Informationen sind erhältlich unter der Mailadresse www.tastkunst.de

Uwe Boysen

IGA in Berlin auch für blinde und sehbehinderte Besucher zugänglich

Unter dem Motto „Ein Meer aus Farben“ findet vom 13.4. bis 15.10. 2017 die internationale Gartenausstellung (IGA) in Berlin statt. Auch wenn Farben nicht für jeden und jede von uns ideal sind, so bietet diese Ausstellung für blinde und sehbehinderte Menschen dennoch einen besonderen Service: Mit Hilfe der App "IGA-Guide Berlin" ist es möglich, sich über das 104 Hektar große Gelände führen zu lassen. Durch Hinterlegung unterschiedlicher Profile zur Navigation kann die kostenfreie App von seh- und mobilitätsbeeinträchtigten Menschen genutzt werden.

Neben drei Besucherrouten wird es für blinde und sehbehinderte Menschen eine "Tour der Sinne" geben. In die Routenführung einbezogen ist auch die neu gebaute Seilbahn der IGA. Wo Wege zu schmal und verschlungen sind, fällt die Navigation allerdings aus. Hier wird jedoch ein entsprechender Hinweis gegeben.

Sobald der Nutzer der App in die Nähe eines thematischen Bereichs der Gärten der Welt, des Wuhletals oder des Kienbergparks kommt, erhält er dank 150 installierter Beacons automatisch eine ausführliche Beschreibung mit spezifischen Hinweisen. Die kleinen Sender übertragen ihre Daten an entsprechend konfigurierte Smartphones. Für die Anfahrt zur IGA kann die App aufgrund noch nicht vorliegender Daten nicht genutzt werden. Der Besucher wird aber von den umliegenden Stationen des öffentlichen Personennahverkehrs zum nächstgelegenen Eingang navigiert.

Die App ist bereits jetzt im Google Play Store, auf der IGA-Webseite und unter www.iga2017.dbsv.org für Smartphones ab Android-Version 4.3 verfügbar. Anfang Juni folgt eine iOS-Version im Apple-Store und auf den genannten Webseiten. Der "IGA-Guide Berlin" wird auch über die Gartenausstellung hinaus durch die Gärten der Welt in Berlin-Marzahn führen.

(Quelle: Sichtweisen 4/17)

Bildunterschrift: Die IGA verspricht auch in diesem Jahr wieder ein farbenfrohes Spektakel. Foto: Lilac/picxelio.de

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind zahlreiche, bunte Blumen in einem Garten zu sehen.

Barrierefreiheit und Mobilität

Isabella Brawata

Schmusepopo, Männer in Frauenkleidern und jede Menge schräge Komik

Am 11. Januar gab es am Hessischen Landestheater eine Premiere der ganz besonderen Art. Zum ersten Mal wurde im Theater „Am Schwanhof“ ein Stück mit Live-Audiodeskription aufgeführt, „Der eingebildete Kranke“ von Moliére.

Die Idee, in Marburg Theaterstücke mit Live-Audiodeskription aufzuführen, bei der dem blinden und sehbehinderten Publikum all die Dinge beschrieben werden, die im Stück zwar zu sehen, aber nicht zu hören sind, bestand schon lange. Mit dem Chefintendanten Matthias Pfaltz sowie dem Chefdramaturgen Franz Burkhard wurde der Plan mit Feuereifer in die Tat umgesetzt. Burkhard war so begeistert von der Idee, dass er sich sogar dazu bereit erklärte, die Live-Audiodeskription persönlich einzusprechen. Das Faszinierende ist, dass sich Burkhard keinerlei Notizen macht, sondern völlig frei erzählt, was auf der Bühne geschieht. Da er Theaterdramaturg ist, hat er ein ausgezeichnetes Gespür dafür, im richtigen Moment das Wesentliche zu vermitteln.

Nun bietet das „Hessische Landestheater Marburg“ in Kooperation mit der blista regelmäßig ausgewählte Theaterstücke mit Live-Audiodeskription an. Zahlreiche blinde und sehbehinderte Theaterbesucher haben dieses Angebot zur kulturellen Teilhabe bereits genutzt. Die Aufführungstermine mit Live-Audiodeskription werden auf der Webseite der blista (www.blista.de) und auf den Internetseiten des „Hessischen Landestheaters Marburg“ (www.theater-marburg.com) veröffentlicht.

Ich konnte mir die Premiere nicht entgehen lassen und besuchte das Stück „Der eingebildet Kranke“ im Theater am Schwanhof.

Die Handlung ist schnell erzählt. Ein Mann, Monsieur Argan, der von sich glaubt, sterbenskrank zu sein, möchte erreichen, dass seine Tochter Angelique einen Arzt oder Apotheker heiratet, damit er nicht mehr Unsummen für Arztbehandlungen und Medikamente ausgeben muss. Seine Tochter möchte dies aber nicht. Da ersinnt das Dienstmädchen Toinette eine List, um ihren Dienstherrn wieder zur Vernunft zu bringen.

Eine halbe Stunde vor Aufführungsbeginn führte uns Burkhard in das Stück ein. Er beschrieb uns die Bühne, die wir auch betreten durften und zeigte uns einige Requisiten. Ganz besonders ist mir das Kleid der jüngeren Tochter in Erinnerung geblieben, die übrigens von einem fast zwei Meter großen Mann gespielt wurde. Es war weit ausladend, rosa-orange mit Puffärmeln und Rüschen und so kurz, dass man ständig den Schlüpfer von ihr sehen konnte, sowie das Elektromobil des eingebildeten Kranken, mit dem er auf der Bühne umherflitzte, wenn er gerade wieder vergessen hatte, dass er eigentlich krank und schwach ist.

Die Einführung war großartig, denn man merkte Herrn Burkhard an, dass er das Stück und dessen Protagonisten mag und selbst Freude an den kleinen Gags und Albernheiten hatte, die in die Komödie eingebaut waren.

Die Inszenierung war für mich eine Überraschung. Ich hatte mir, da das Stück bereits 1673 uraufgeführt wurde, ein gediegenes Lustspiel vorgestellt, aber weit gefehlt! Es erinnerte eher an einen schwarzhumorigen Zeichentrickfilm oder eine derbwitzige Clown-Nummer im Zirkus. Es sprühte vor Energie, Slapstick, Situationskomik und satirischen Anspielungen.

Es gab den bösen Notar, der mit der neuen Frau des eingebildeten Kranken ein Verhältnis hatte und gleichzeitig versuchte, sie übers Ohr zu hauen, um sich das Erbe der Familie unter den Nagel zu reißen.

Es gab die skrupellosen Ärzte, die ihre rabiaten Behandlungsmethoden an Argan ausübten und natürlich alles, was ihre Berufskollegen taten, als Unsinn abtaten.

Eindrücklich ist mir der riesige Hintern von Argans neuer Frau Béline in Erinnerung geblieben, den sie gekonnt einsetzte, um ihren Mann zu besänftigen, indem sie einschmeichelnd „Schmusepopo“ rief und sofort bettete Argan seinen Kopf auf dem riesigen Hinterteil seiner Frau und schlummerte friedlich ein.

Ohne die hervorragende Live-Audiodeskription von Burkhard wären mir viele Scherze und Andeutungen, über die sich das sehende Publikum amüsiert, entgangen. Ich werde nun öfter ins Theater gehen!

Das Projekt „Audiodeskription im Hessischen Landestheater“ entstand auf Initiative von Monika Saßmannshausen, die sich seit vielen Jahren für die Theaterarbeit an der Carl-Strehl-Schule engagiert, und Thorsten Büchner, langjähriges Mitglied in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und Mitarbeiter in der blista-Öffentlichkeitsarbeit.

Die blista stellt die Anlage Marburger Vereinen und Initiativen, die ihre kulturellen, gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen auch Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung zugänglich machen möchten, kostenlos zur Verfügung und unterstützt bei der Durchführung. Die Anschaffung der mobilen Audiodeskriptionsanlage mit insgesamt 20 Empfangsgeräten wurde durch den Jürgen-Markus-Preis 2012 der Universitätsstadt Marburg ermöglicht und durch den Förderverein der Carl-Strehl-Schule unterstützt.

Bildunterschrift: Blinde und sehbehinderte Theater-Besucher ertasten das im Text beschriebe Kleid mit Puffärmeln und Rüschen. Foto: blista

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind mehrere Personen zu erkennen, die auf einer um eine Schaufensterpuppe versammelt sind. Eine Frau trägt dabei einen Kopfhörer und hält ein Mikrofon in die Runde.

Dr. Heinz Willi Bach

Teilhabebericht der Bundesregierung 2016 über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen

Drei Jahre Arbeit stecken in dem Monumentalwerk von rund 580 Seiten, das den neuen, den zweiten Teilhabebericht, darstellt.

Und der Teilhabebericht ist gut gegliedert. Die Kapitel sind mit Kurzdarstellungen eingeleitet. Sie enthalten am Schluss jeweils einen Kommentar von Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates. Ich habe den Kommentar zum Kapitel „Erwerbsarbeit und Einkommen“ verfasst, den umfangreichsten Kommentar zum umfangreichsten Kapitel.

Das Werk soll barrierefrei zugänglich gemacht werden. Eine barrierefreie PDF-Version kann man bereits von der Homepage des Bundesarbeitsministeriums herunterladen. In Kürze wird ebenfalls eine Printversion zur Verfügung stehen. Für uns sehbeeinträchtigte Nutzer kommt eine Version auf CD hinzu, die eine DAISY-Audioversion, eine Wordversion und eine Version in leichter Sprache umfasst. Man kann sie ebenfalls unentgeltlich erhalten entweder über den Link auf der BMAS-Homepage (www.bmas.bund.de), telefonisch 030 18270 oder per Brief (BMAS, Wilhelmstr. 49, 10117 Berlin).

Was steht denn drin im neuen Teilhabebericht? Die Entwicklung der Teilhabe behinderter Menschen verläuft nicht in allen Lebensbereichen (1. Familie und soziales Netz, 2. Bildung und Ausbildung, 3. Erwerbsarbeit und materielle Lebenssituation, 4. Alltägliche Lebensführung, 5. Gesundheit, 6. Freizeit, Kultur und Sport, 7. Sicherheit und Schutz der Person, 8. Politische und gesellschaftliche Partizipation) gleichartig. Neben deutlichen Fortschritten gibt es auch weiterhin Nachholbedarf in wichtigen Aspekten eines selbstbestimmten Lebens.

Es ist bemerkenswert, dass immer mehr beeinträchtigte und behinderte Kinder im Vorschulalter inklusiv gemeinsam betreut werden. Der Anteil ist von 81 Prozent (2008) auf 91 Prozent (2015) gestiegen. Hier setzt sich die Inklusion durch.

Das Beschäftigungsniveau von schwerbehinderten Menschen ist gestiegen. Fast 1,2 Mio. Arbeitnehmer oder ihnen gleichgestellte wurden im Jahr 2014 beschäftigt. Sie sind allerdings weitaus stärker von Arbeitslosigkeit und lang anhaltender Arbeitslosigkeit betroffen als andere. Darüber kann auch nicht hinwegtrösten, dass ihre Arbeitslosigkeit in letzter Zeit gesunken ist, bescheiden im Vergleich zu anderen. Die Angaben der amtlichen Statistik sind zu grob und ungenau, sodass man über das Schicksal blinder und sehbehinderter Menschen in der Arbeitslosigkeit dort überhaupt nichts findet. (Unsere DVBS-Recherchen jedenfalls sehen keine Verbesserungen am Arbeitsmarkt für qualifizierte blinde und hochgradig sehbehinderte Arbeitsuchende.)

Deutlich mehr Menschen wohnen ambulant betreut in eigener Wohnung - seit 2008 hat sich ihre Anzahl verdoppelt, nämlich auf rund 160.000. Aber noch immer werden mehr Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Förderschulen als an Regelschulen unterrichtet - 66 Prozent in 2014. Das ist einer der hinteren Plätze im europäischen Vergleich. Nach wie vor bleiben viele Förderschülerinnen und Förderschüler ganz ohne Schulabschlüsse - 71 Prozent in 2014.

Handlungsbedarf gibt es aber nach wie vor beispielsweise beim Angebot barrierefreier Verkehrsmittel, barrierefreiem Wohnraum und bei barrierefreier Freizeitgestaltung. Immerhin sind im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs 60 Prozent der von der DB AG eingesetzten Fahrzeuge barrierefrei.

Speziell über blinde und sehbehinderte Menschen findet man auch in diesem Bericht nur wenig wie über Betroffene einzelner (Schwer-)Behinderungsarten schlechthin. Woran liegt das? Ein Bericht, der sich jeder Art von Behinderung intensiv widmet und auch den verschiedenen möglichen Kombinationen von Mehrfachbehinderungen, würde etliche tausend Seiten umfassen müssen. (Ich komme darauf weiter unten zurück.) Bedeutsam ist aber auch der systematische Ansatz, nach dem der Bericht aufgebaut ist. Er setzt an auf dem Verständnis von Behinderung, das der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen (BRK) zugrunde liegt und auch nach den Vorstellungen des bio-, physio- und psychosozialen Modells der ICF gestaltet ist (ICF: International Classification auf Funktioning, Disability and Health, Internationale Klassifikation von … Beeinträchtigungen/Behinderungen der Weltgesundheitsorganisation).

Danach werden Beeinträchtigungen von Körperfunktionen oder Körperstrukturen – (Blindheit, körperliche, seelische, kognitive Beeinträchtigungen) - als „Beeinträchtigungen“ bezeichnet. Diese sind dem Individuum eigen und dauerhaft vorhanden. (Sie wurden traditionell als „Behinderung“ gemäß einer medizinisch-diagnostischen Sichtweise bezeichnet. Dies wird heute allerdings als eine defizitorientierte Betrachtungsweise von Behinderung und Diversität abgelehnt.) Ein weiteres neues Element ist die Betrachtungsweise, dass diese Beeinträchtigungen gewünschte oder auch notwendige Aktivitäten behindern oder verhindern können, aber nicht müssen und dass dies zu Problemen und Ausschlüssen in verschiedenen Lebensbereichen führen kann, aber nicht muss. Was behindert nun die Teilhabe an Lebensbereichen dadurch, dass man gewünschte Aktivitäten nicht wie gewünscht wahrnehmen kann? Man spricht hier von Kontextfaktoren und unterscheidet zwei Arten, nämlich „umweltbedingte“ Kontextfaktoren von solchen, die in der beeinträchtigten Person selbst liegen. Wichtig ist dabei, dass sie alle Beeinflussbar sind, um eine bessere Teilhabe an den gesellschaftlichen Lebensbereichen zu ermöglichen – im Gegensatz zu den dauerhaften individuellen Beeinträchtigungen. Zu den beeinflussbaren Kontextfaktoren, die in der Person liegen, zählen z.B. die individuelle Motivation und die Lebensweise. Das Lebensalter liegt fest, das Geschlecht zumeist ebenfalls. Aber auch bei diesen beiden Kontextfaktoren geht es darum, das Beste für die Lebensgestaltung aus der gegebenen Situation zu machen. Bei den „umweltbedingten“ Kontextfaktoren werden materielle (etwa fehlende Audiodeskription in Museen), soziale (Armut, fehlender Zugang zu Beratung, …) und verhaltensbezogene (etwa Entmutigen einer beeinträchtigten Person durch fortgesetztes Verspotten und/oder Lächerlich machen) unterschieden.

Beeinträchtigungen, die traditionell als Behinderungen bezeichnet worden sind, bilden den Ausgangspunkt der Überlegungen, aber als solche nicht das Ziel. Man kann aus einem Leben mit „Behinderung“, sprich Beeinträchtigung viel oder wenig machen. Kontextfaktoren sollen möglichst günstig, also so gestaltet werden, dass ein Maximum an gleichberechtigter Teilhabe in möglichst vielen Lebensbereichen realisiert werden kann in einer Welt, die Diversität schätzt, Begabungen, Talente, Stärken betont statt Defizite hervorzuheben. (Zur Defizitorientierung: „Der Blinde“ lässt traditionell höheres Alter, Orientierungslosigkeit, Hilflosigkeit, Unsicherheit assoziieren, keine guten Voraussetzungen, um Firmen von deren Leistungsfähigkeit zu überzeugen.)

Diese Umstände werden im Kapitel 3 des Teilhabeberichtes (S. 530 ff.) deutlich, in dem durch eine sog. Clusteranalyse typische Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen dargestellt werden. Die Lektüre dieser Seiten ist deshalb so interessant, weil dieselbe Beeinträchtigung („Behinderungsart“) zu ganz unterschiedlichen Lebensgestaltungen und verschiedener Lebenszufriedenheit führt, abhängig von der Ausprägung von Kontextfaktoren.

Im Wesentlichen wurden für den zweiten Teilhabebericht Daten aus den Jahren 2005 bis 2014 ausgewertet. Die Erstellung des Berichts wurde erneut durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet, dem wiederum drei selbst von schwerwiegenden Beeinträchtigungen betroffene Wissenschaftler angehörten. Das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) hat unter der Leitung von Dr. Dietrich Engels die Datenanalyse vorgenommen. Kommentare des wissenschaftlichen Beirats geben Einblick in aktuelle, wissenschaftliche Diskurse, stellen weitere Forschungsbedarfe dar und formulieren Erwartungen an die Inklusionspolitik in Bund und Ländern. Darüber hinaus hat sich der wissenschaftliche Beirat den Schwerpunktthemen des Berichts besonders gewidmet: Er richtet zum einen den Blick auf das Leben von Migranten, zum anderen auf das von Wohnungslosen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Die Bearbeitung beider Themen stellte sich als besondere Herausforderung dar, weil über Personengruppen mit mehreren Benachteiligungen bisher kaum verlässliche Daten vorliegen. Hier hat sich die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen der Teilhabeforschung sehr bewährt.

Federführend war für die Erstellung des Berichts das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Er durchlief nach der ersten Finalfassung mehrere Sichtungen, zum einen durch die Ressorts des federführenden Ministeriums, zum anderen durch alle relevanten Bundesministerien. Er erfuhr dadurch eine ganze Reihe von Änderungen und Präzisierungen – die Texte des wissenschaftlichen Beirats waren nicht Gegenstand der Sichtungen. Schließlich wurde im Dezember 2016 der Bericht dem Bundeskabinett zugeleitet, von ihm verabschiedet und sodann dem Deutschen Bundestag zur Kenntnisnahme zugeleitet. Damit ist er veröffentlicht.

Eine deutliche Schwäche der bisherigen beiden Teilhabeberichte besteht darin, dass bisher keine eigenen empirischen Untersuchungen durchgeführt werden konnten, mit deren Hilfe die Lebenslagen beeinträchtigter und behinderter Menschen gezielt und unmittelbar erhoben werden könnten. Lediglich Sekundärauswertungen vorhandener empirischer Berichtssysteme, die nicht i.e.L. zum Ziel haben, die Lebenslagen behinderter Menschen darzustellen, konnten Anwendung finden. Dazu zählen der Mikrozensus, das sozio-ökonomische Panel und die Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Auch die Arbeits- und Arbeitsmarktberichterstattung der amtlichen Statistik erscheinen in Bezug auf beeinträchtigte und behinderte Menschen äußerst dürftig, wenig differenziert und lückenhaft.

Um die Lebenssituationen von Menschen mit den verschiedensten Beeinträchtigungen zu ermitteln, wird in den nächsten sechs Jahren die weltgrößte repräsentative Behindertenbefragung in Deutschland von einer Forschergruppe unter Leitung des infas-Instituts für angewandte Sozialforschung durchgeführt. Ich bin sehr froh über die Wahl des Instituts, denn Dr. Helmut Schröder, der Leiter der kommenden Untersuchungen, hat die bisher beste und umfangreichste Studie über blinde Menschen im Arbeitsleben in den 1990-er Jahren durchgeführt, über die ich mehrfach berichtet habe.

Im kommenden großen Survey werden

  • 16.000 Menschen mit Beeinträchtigungen,
  • 5.000 Menschen, die (stationär) in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben,
  • 5.000 Menschen ohne Beeinträchtigungen als Kontrollgruppe und
  • 1.000 Menschen mit besonderen Kommunikationserfordernissen (z.B. taubblinde Menschen, Menschen mit schweren Sprachstörungen) befragt.

Fragebögen und Gesprächsleitfäden wurden bereits in einer Vorstudie und in einem Testlauf in Einrichtungen der Behindertenhilfe getestet. Die Stichprobe wird bei den Meldeämtern von 210 Gemeinden gezogen.

Ein wissenschaftlicher Beirat und ein Inklusionsbeirat werden die Entwicklung des Survey begleiten. Die Ergebnisse der Befragung werden von Gesprächsgruppen behinderter Menschen kommentiert.

Es ist wichtig, Menschen mit Behinderungen in den Forschungsprozess einzubeziehen. Deshalb werden die gewonnenen Daten bei strenger Beachtung des Datenschutzes jährlich veröffentlicht. So können sich interessierte Einzelpersonen und Institute an der Auswertung beteiligen. Jährliche Sachstandsberichte sind ebenfalls vorgesehen.

Diese Befragung behinderter Menschen ist einmalig in der Welt. Ähnlich, aber von viel bescheidenerem Umfang ist der Life Opportunity Survey (LOS), der um 2009 in Großbritannien durchgeführt worden ist.

Bildunterschrift: Im neuen Teilhabebericht wurden die Lebenslagen von Menschen mit Behinderung untersucht. Foto: BA

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt einen Mann mit Blindenstock und Blindenhund, der von einer jungen Frau im Vorraum eines hell ausgeleuchteten Gebäudes per Handschlag begrüßt wird.

Uwe Boysen

Expertenkreis der Bundesfachstelle Barrierefreiheit nimmt Arbeit auf

Mit der Neufassung des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes wurde 2016 die „Bundesfachstelle Barrierefreiheit“ (im Folgenden: BFB) geschaffen. Ihr beigegeben wurde ein Expertenkreis, in dem für den DVBS Werner Gläser und für den DBSV Andreas Bethke Sitz und Stimme haben. Auch weitere DVBS-Mitglieder sind hier – in anderer Funktion – vertreten. Insgesamt 36 Personen (einschließlich der Mitarbeiter der Fachstelle) trafen sich am 14. Februar 2017 zur konstituierenden Sitzung. Im Folgenden einige wichtige Punkte aus dem Sitzungsprotokoll und dem Arbeitsprogramm:

  1. Zur Digitalisierung wurde ausgeführt: „Die Umsetzung der BITV 2.0 innerhalb von Behörden liegt im Zuständigkeitsbereich des ITZBund. Aus dem Expertenkreis wird angeregt, auch in der Bundesfachstelle Barrierefreiheit das Thema der IT als Schwerpunkt zu behandeln, da die Aufgaben im Bereich IT seitens der Bundesfachstelle Barrierefreiheit und des ITZBund auch hinsichtlich der IT-Strategie des Bundes gut koordiniert werden müssen. Hierzu wird die Gründung eines gesonderten Arbeitskreises vorgeschlagen, da IT immer auch ein Prozess sei und Wissen vermittelt werden müsse. Insbesondere das Thema „Barrierefreie PDFs“ sei speziell in den Kommunen noch nicht weit verbreitet. Hierbei bietet der Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz seine Hilfe an. Zum Thema von Durchführungsakten zur EU-Richtlinie wird es laut BMAS eine gesonderte Besprechung geben. Man werde auch hier die Bundesfachstelle einbeziehen.
  2. Im von der Fachstelle für 2017 aufgestellten Arbeitsprogramm ist eine Auftaktveranstaltung mit den Ministerien vorgesehen, in deren Rahmen die Leistungen der BFB vorgestellt werden sollen. Das Kompetenzzentrum Barrierefreiheit des Informationstechnikzentrums Bund (ITZBund) soll in diese Veranstaltung eingebunden werden.
  3. Eine weitere Maßnahme ist die Erstellung von „Barrierefreiheitsparcours“. Zuerst wird dazu eine neue Broschüre entworfen, die das Angebot der Fachstelle für die Zielgruppe Bundesbehörden darstellt. Ihnen wird eine Grundberatung oder ein Vorgespräch angeboten mit dem Ziel, für das Thema Barrierefreiheit zu sensibilisieren. Hierzu soll es sodann eine Tagesschulung geben. Sie soll die Teilnehmenden in die Lage versetzen, Barrierefreiheit als ganzheitlichen Ansatz wahrzunehmen und sie befähigen, das Thema Barrierefreiheit an Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben und so das Verantwortungsbewusstsein für die verschiedenen Bereiche von Barrierefreiheit zu stärken.
  4. Nach § 8 Abs. 3 BGG erstellen alle obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane für die von ihnen genutzten Gebäude, die im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehen, bis zum 30. Juni 2021 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsgebäude. Dabei sollen sie auch verbindliche und überprüfbare Maßnahmen und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren erarbeiten. Damit sie dieser Verpflichtung nachkommen können, bietet sich unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der Berichterstattung die Erarbeitung einer entsprechenden Mustervorlage an. Die Federführung dabei wird die BFB übernehmen. Eine solche Verpflichtung gibt es auch nach § 12 Abs. 2 BGG für IT-Anwendungen. Hier soll die Federführung jedoch nicht bei der BFB liegen.
  5. Die BFB hat sich weiter vorgenommen, einen sog. Online-Wissenspool zu schaffen. Dafür sammelt und sortiert sie Themen der Barrierefreiheit, bereitet diese auf und veröffentlicht sie in einem frei zugänglichen Online-Wissenspool, damit Nutzerinnen und Nutzer Barrierefreiheit leichter umsetzen können. Die Themen reichen von barrierefreier Kommunikation und Informationstechnik über Mobilität hin zum Bauen und zum öffentlichen Raum. Dabei soll keine Bibliothek geschaffen werden. Vielmehr sollen Themen zielgruppenspezifisch aufbereitet sein, so dass die Nutzerinnen und Nutzer möglichst schnell Antworten auf ihre Fragen erhalten.
  6. Die Entwicklung technischer Regelwerke im Rahmen von Normungs- und Standardisierungsvorhaben ist ein wesentliches Betätigungsfeld für Akteure auf dem Feld der Barrierefreiheit. Dabei sind aus Sicht der Bundesfachstelle zwei Aspekte besonders bedeutsam: die Standardisierung im Zuge einer europäischen Harmonisierung mit ihren Auswirkungen auf die barrierefreie Umweltgestaltung in Deutschland sowie die Standardisierung als Mittel der bundesweiten Vereinheitlichung unterschiedlicher Regelungen zur Barrierefreiheit in den 16 Bundesländern.
  7. Die BFB will einmal jährlich eine Fachveranstaltung zu einem für die Barrierefreiheit besonders relevanten Thema durchführen. Für 2017 ist eine Veranstaltung zu barrierefreiem Wohnungsbau geplant.

Die hier vorgestellte Aufzählung ist nicht erschöpfend, aber durchaus ambitioniert. Man darf gespannt sein, wie es gelingen wird, die unterschiedlichen Interessen, Bedürfnisse und Ansprüche der vielen von Barrierefreiheit betroffenen Institutionen, Verbände und Personen angemessen unter einen Hut zu bekommen.

Aus der Arbeit des DVBS

Sabine Hahn

Experten in eigener Sache: DVBS baut Ehrenamtsakademie auf

Über Grünes Licht zum Aufbau einer Ehrenamtsakademie konnte sich der DVBS im Herbst 2016 freuen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird von der Aktion Mensch gefördert. Nun berichtet Akademie-Mitarbeiterin Dr. Katarzyna Kalka im Interview über das Konzept und den aktuellen Stand.

Frau Dr. Kalka, Sie sind seit Oktober 2016 beim DVBS, um eine Ehrenamtsakademie aufzubauen. Was kann ich mir unter einer Ehrenamtsakademie vorstellen?

Die Ehrenamtsakademie will durch verschiedene Qualifizierungsangebote zur Stärkung und Weiterentwicklung des Engagements in der Selbsthilfe beitragen. Sie ist ein Angebot, sich mit unterschiedlichen Themen zu befassen, die im Rahmen verschiedener Seminare behandelt werden. Hier wird es beispielsweise Trainings, Themenwerkstätten und Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch geben.

Ehrenamtliches Engagement ist ja etwas, das viele Menschen nur zeitweise aufbringen können. Sobald sich die Lebensumstände ändern oder das Interesse nachlässt, wird die Aufgabe wieder abgegeben. Wird das Angebot nur für diejenigen offen sein, die sich ehrenamtlich engagieren?

Ja - aber auch diejenigen, die momentan noch kein Ehrenamt haben und planen, ein Ehrenamt zu übernehmen, können die Angebote nutzen. Die Ehrenamtsakademie will Mut zum Ehrenamt machen und Rüstzeug vermitteln. Wir wollen im ersten Schritt blinde und sehbehinderte Menschen erreichen. Hierzu gehört natürlich für uns die Weiterqualifizierung ehrenamtlicher DVBS-Leitungsteams. Meiner Meinung nach sind die beruflichen Kenntnisse, die man als DVBS-Mitglied bereits hat, für die Ehrenamtsakademie von Vorteil. Auf diesem Wissen kann man aufbauen, es innerhalb der Ehrenamtsakademie weitergeben und erweitern. Wichtig sind mir noch zwei andere Aspekte: Die angesprochenen Personen sind Experten in eigener Sache, sie haben Erfahrung mit eigener Behinderung. Im zweiten Schritt wird das Angebot der Ehrenamtsakademie offen sein für Menschen mit anderen Behinderungen und auch für sehende Menschen, die inklusiv kooperieren wollen.

Ich beobachte auch, dass Menschen mit einem einzigen Ehrenamt beginnen und mit der Zeit immer mehr Ehrenämter und Aufgaben übernehmen. Inwieweit kann die Ehrenamtsakademie helfen, eigene Ressourcen und Grenzen wahrzunehmen?

Ich denke, dass dieser Prozess zu den Kernthemen der Seminare gehören wird. Techniken wie Zeitmanagement, Aufgabenplanung oder Arbeitsteilung können unter Umständen helfen, ein "Nein-Sagen" zu üben. Ideen werden aber auch aus den Seminaren selbst kommen.

Unsere Welt ist voller Themen, für die sich persönlicher Einsatz lohnt. Wie wählen Sie aus, welche Seminare angeboten werden?

Meine Wahl verläuft in drei Schritten: Zunächst habe ich probehalber, basierend auf meinen eigenen Erfahrungen, Konzepte zu ersten Seminaren verfasst. Die tatsächlichen Seminarthemen würde ich an der Stelle noch nicht so gerne verraten. Denn momentan finden, und das ist der zweite Schritt, Gespräche zum Thema Qualifizierungsbedarf und Wünsche für die Ehrenamtsakademie mit Vertreterinnen und Vertretern der DVBS-Leitungsteams statt. So können die Vorstellungen der DVBS-Mitglieder in die Konzeption einfließen. Danach besteht der dritte Schritt darin, Seminare und geeignete Orte festzulegen und sie bekannt zu machen.

Sicherlich fließen in Ihre Seminarkonzeption auch eigene Erfahrungen ein, die Sie als blinde Dozentin für Deutsch als Fremdsprache gewonnen haben. Was ist Ihnen wichtig, damit in der Ehrenamtsakademie blinde oder sehbehinderte Referentinnen und Referenten Wissen gut weitergeben können?

Meine bisherigen Berufserfahrungen habe ich durch die Arbeit mit sehenden Menschen gesammelt. Die Ehrenamtsakademie richtet sich schwerpunktmäßig an ein anderes Publikum. Wichtig ist aus meiner Sicht auf alle Fälle, erstens, die Menschen zu ermutigen, vor einem Publikum sicher aufzutreten und zweitens, geeignete Methoden und Materialien für die jeweilige Zielgruppe zu erarbeiten, natürlich barrierefrei.

Sie stehen von Ihrer Biographie her auch für interkulturelle Kompetenz: Sie sind in Polen geboren, leben seit 20 Jahren in Deutschland, haben in Katowice und Marburg studiert. Mit Ihnen kann man Englisch, Deutsch, Polnisch und Italienisch sprechen. Inwieweit wird die Neugierde auf das, was jenseits einer Grenze liegt, Ihre Arbeit prägen?

Zur Idee der DVBS-Ehrenamtsakademie gehört es, sich mit anderen Organisationen zu vernetzen, die sich für blinde und sehbehinderte Menschen engagieren möchten. Wir haben bereits angedacht, ein Seminar in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung zu veranstalten. Auf Grund meiner Sprachkenntnisse und Auslandserfahrung wäre es für mich darüber hinaus natürlich sehr verlockend und interessant, etwas zum Thema Ehrenamt in ausländischen Selbsthilfeorganisationen zu organisieren.

Ich bin gespannt. Viel Erfolg für Ihre Arbeit und vielen Dank für das Interview.

Bildunterschrift: Dr. Katarzyna Kalka berichtete über die DVBS-Ehrenamtsakademie. Foto: DVBS

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist eine junge Frau mit braunen Haaren und Brille zu sehen, die in die Kamera lächelt.

Günter Stiebeling

Gelegenheit für interessante Gespräche: Als DVBS-Vertreter am Stand der Selbsthilfe bei der Augenärztlichen Akademie Deutschland (AAD) 2017

"The same procedure as every year" - so hatte ich in den letzten Jahren meinen Bericht über die Erfahrungen als Vertreter des DVBS am Gemeinschaftsstand der Selbsthilfe bei der AAD überschrieben. Das kann ich bei der diesjährigen AAD, die vom 14. bis 18. März in den Messehallen und der Stadthalle Düsseldorf unter dem Motto: "Demographischer Wandel - Herausforderungen und Perspektiven für die Augenheilkunde" stattfand, nicht tun, denn es gab einige inhaltliche und organisatorische Änderungen.

So war der DBSV in diesem Jahr durch sein Projekt "Blickpunkt Auge" (BPA) vertreten. Hierdurch war der Schwerpunkt der Betrachtung auf die "Augenpatienten" gerichtet - ein durchaus interessanter Strategiewechsel, da die AAD ja überwiegend von Augenärzten und ihren Helfern besucht wird, die den Patienten und nicht die Selbsthilfe im Blick haben.

Die Besucherzahlen mit durchschnittlich etwa 15 Personen pro Tag am Stand entsprachen leider bereits meiner Erfahrung aus den letzten Jahren - wenngleich diejenigen, die kamen, sehr interessiert waren, egal, ob es sich um "alte Hasen" oder um "Frischlinge" handelte. Es kam zu kleinen, interessanten Gesprächsrunden, bei denen es etwa um Bildungsfragen und mögliche Vernetzungen ging, um das Projekt Non-24, das sich mit dem verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus vollblinder Personen beschäftigt, oder um die Hilfsmittelversorgung Blinder und Sehbehinderter, insbesondere mit der OrCam. Gäste interessierten sich weniger für das ausliegende Material als für unsere Webpräsenz, um sich weiter informieren zu können.

Optisch gelang der harmonische und systematische Eindruck vereinsübergreifender Unterstützung durch geschickte Platzierung der Roll-Ups, zu denen auch ein neuer "gemeinsamer" Roll-Up zählte, auf dem sich alle beteiligten Verbände präsentieren.

Zwei kleine Anregungen: Wir sollten darüber nachdenken, womit der DVBS speziell Augenärzte und ihre Teams ansprechen kann. Zum anderen wäre ein Eyecatcher, wie z. B. ein abgespielter Film mit oder ohne Ton, sehr hilfreich, damit unser Gemeinschaftsstand auch schon im Vorübergehen sofort ins Auge fällt.

Natürlich darf der Ausblick auf die kommende AAD nicht fehlen: Sie findet statt vom 13. - 17. März 2018, und zwar wegen Renovierungs- und Umgestaltungsarbeiten nicht am gewohnten Ort, sondern in der Messehalle 3, was auch 2019 noch der Fall sein soll.

Bildunterschrift: Der Messestand des DVBS auf der AAD. Foto: Privat

Bildbeschreibung: Auf dem Bild ist der gemeinsame Messestand von DVBS, Pro Retina, Blickpunkt Auge und der Woche des Sehens zu erkennen. Dieser steht in einem hell erleuchteten Raum mit dunklem Teppichboden neben einer Glastür.

Dr. Eberhard Hahn

Unterhaltsames und Wissenswertes für Ruheständler: Das DVBS-Informationsmagazin der Gruppe Ruhestand

Einige Untergliederungen des DVBS geben regelmäßig Informationsmagazine als Daisy-Hörbücher heraus. Auch die Gruppe Ruhestand produziert ein solches Magazin, das ich seit 2009 redigieren darf. Diskussionsbeiträge der Hörerinnen und Hörer sind sehr willkommen. Dies sind unsere Themen:

Jedes Jahr im Oktober veranstaltet die Gruppe Ruhestand unter Leitung von Dr. Johannes-Jürgen Meister ein einwöchiges Seminar, bei dem jeweils bis zu zehn Fachvorträge gehalten werden. Eine wesentliche Aufgabe unseres Infomagazins sehen wir darin, Aufnahmen von diesen Vorträgen auch solchen Vereinsmitgliedern zugänglich zu machen, die - aus welchen Gründen auch immer - an den Ruhestandsseminaren nicht teilnehmen können.

Einen weiteren Schwerpunkt unseres Infomagazins bilden Zeitschriftenartikel zum Thema Alter und/oder Blindheit/Sehbehinderung.

Häufig füge ich unterhaltsame Beiträge hinzu, von denen ich mir vorstelle, dass sie in unserem Personenkreis auf Interesse stoßen könnten. Die Hörangebote sind abwechslungsreich, damit sich der Geist nach ernsten Themen wieder etwas erholen kann. Zuhörer mögen besonders die kurzen Anmoderationen, wie ich aus Rückmeldungen immer wieder erfahre.

Ein Wunsch ist mir leider bisher fast völlig versagt geblieben: Sehr schön fände ich es, wenn ich aus dem Kreis der Zuhörer Beiträge oder auch nur Hinweise auf Beiträge zugesandt bekäme. Ich stelle mir auch vor, dass wir unser Infomagazin sehr viel lebendiger gestalten könnten, wenn es gelänge, eine Art Diskussionsecke einzurichten. Denn ich habe keinesfalls den Anspruch, "Alleinunterhalter" zu spielen.

Seit Herbst 2016 erhält man das Infomagazin standardmäßig per Download, d.h. in einer Mail kommt ein Link, über den man die neueste Ausgabe herunterladen kann. Auf ausdrücklichen Wunsch werden die Ausgaben aber auch wie bisher als Daisy-CDs versandt.

Sind Sie neugierig geworden? Die DVBS-Geschäftsstelle sendet Ihnen gern eine Probenummer zu. Wenden Sie sich an Frau Hahn, DVBS-Geschäftsstelle, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Telefon: 06421 94888-24, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Dort können Sie auch das Jahresabonnement bestellen. Es kostet, wie bei den anderen Fachgruppeninformationen, 36 Euro. Üblicherweise erscheinen vier Ausgaben pro Jahr. Die Gesamtspielzeit beträgt jeweils rund fünf Stunden.

Uwe Boysen

Neues aus dem Arbeitskreis Arbeit und Beruf (AKAB)

In seiner Sitzung vom 6. April 2017 hat der AKAB die folgende Erklärung verabschiedet:

Berufliche Reha – Ersteingliederung – zurück zur Agentur für Arbeit

Mit Datum vom 31.10.2016 haben die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein gemeinsames Papier veröffentlicht mit dem Titel: Jugendliche und Rehabilitanden umfassend durch die Arbeitslosenversicherung betreuen. Darin haben sie „gemeinsame Vorschläge zur Übernahme der umfassenden Verantwortung für die Ausbildungsförderung, -vermittlung und -beratung Jugendlicher durch die Arbeitslosenversicherung sowie für die Rehabilitanden auch der Grundsicherung“ gemacht.

Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) sowie der Verwaltungsrat des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) unterstützen diese Vorschläge mit Nachdruck und fordern die Bundesregierung auf, die Vorschläge, die sich auf die berufliche Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen beziehen, aufzugreifen und umzusetzen.

Die Gründe für diese Forderung sind:

Langjährige Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten belegen, dass die Jobcenter zum Thema Berufliche Rehabilitation in aller Regel fachlich und budgetär nicht optimal aufgestellt sind. In den Jobcentern arbeiten nur selten Spezialisten der Beruflichen Rehabilitation. Die fehlende systematische Grund- und Weiterqualifizierung der eher generalistisch arbeitenden „Persönlichen Ansprechpartner“ (PAP) in Fragen der Diagnostik von Rehabilitationsbedarfen und der Kenntnis geeigneter Rehabilitations- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Anspruchsberechtigte mit unterschiedlichen Behinderungen und chronischen Erkrankungen behindern hier die Entwicklung der nötigen Professionalisierung. Demgegenüber ist die fachliche Situation bei den Reha-Beratern der Arbeitsagenturen in aller Regel besser.

Die knappen Budgets der Jobcenter führen häufig zu finanziell bedingten Ablehnungen bedarfsgerechter und notwendiger Maßnahmen der Beruflichen Rehabilitation. Dies gilt gerade für die wachsende Gruppe langzeitarbeitsloser Menschen mit Sehbeeinträchtigung.

Für blinde und sehbehinderte Anspruchsberechtigte ist die Qualität der Beruflichen Rehabilitation in den Jobcentern bis auf wenige Ausnahmen besonders eingeschränkt, weil die Mitarbeiter mit der vergleichsweise kleinen Zahl dieser Klientengruppe in aller Regel keine Erfahrung haben. Sie sind von daher nur selten in der Lage, die Bedarfe zu diagnostizieren, zu bewerten und die Leistungsberechtigten bedarfs- und zielgerecht ins Reha-Verfahren einzusteuern.

Für blinde und sehbehinderte Menschen wäre die Zusammenfassung der Beruflichen Reha im SGB III ein wesentlicher Fortschritt und würde mit hoher Sicherheit zur häufigeren und sichereren Identifizierung unter Anderem von sehbeeinträchtigten Menschen mit beruflichem Reha-Bedarf für die Erst- oder Wiedereingliederung führen. Dies wäre zum einen ein wichtiger Beitrag zur Erreichung einer höheren Erst- und Wiedereingliederungsquote ins Arbeitsleben. Die Reduzierung der vergleichsweise häufigeren Langzeitarbeitslosigkeit würde zudem auch kostenreduzierend wirken.

Seminarvorschau

7. bis 9. Juli 2017: "Tai Chi Qi Gong und Selbstbehauptung" in Marburg

Körperhaltung und Bewegung, Mobilität, Gleichgewicht, Achtsamkeit und Selbstbehauptung stehen im Mittelpunkt dieses Seminarangebots mit dem Referenten Ingo Gebler.

Neben den Grundübungen Qi Gong Yangsheng werden folgende Schwerpunkte trainiert: Übungen mit dem Pedalo-Federbrett, Akupressur mit dem weichen Qi Gong Stab sowie verbale und nonverbale Kommunikation und Sicherheit im Auftreten.

15. bis 17. September 2017: Seminar der Fachgruppe Jura in Marktbreit

Fortbildungsseminar der Fachgruppe Jura. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind noch offen.

15. bis 17. September 2017: "LaTeX in Theorie und Praxis" Einsteigerkurs für blinde und sehbehinderte Studierende in Marburg. Ein Seminar der Fachgruppe Studium und Ausbildung.

Die Auszeichnungssprache LaTeX ist ein sehr gutes Werkzeug, um auch als blinder Studierender die Kontrolle über Formatierungen, Querverweise usw. eines Dokuments zu behalten. Auch mathematische Formeln können gut umgesetzt werden. In dem Workshop mit Oliver Nadig lernen Sie die Grundlagen der Zeichen-, Absatz- und Seitenformatierung des kostenlosen Softwarepakets kennen und erstellen erste Texte.

30. September bis 7. Oktober 2017: "Altern und Blindheit - Teilhabe am gesellschaftlichen Leben." Ein Seminar der Gruppe Ruhestand in Saulgrub.

Zum 30. Mal findet das Seminar der Gruppe Ruhestand im DVBS statt. Unter dem Motto „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ werden in Referaten und Workshops gesellschaftspolitische Themen, gesundheitsbezogene sowie selbsthilferelevante Inhalte bearbeitet. Auch neue technische Entwicklungen und deren Bedeutung für ältere blinde und sehbehinderte Menschen werden betrachtet.

13. bis 15. Oktober 2017: Seminar der Fachgruppe Verwaltung in Marburg

Im Mittelpunkt des Seminars steht ein Workshop zur Kommunikation am Arbeitsplatz; Themen sind daneben betriebliches Eingliederungsmanagement sowie Arbeitsplatzassistenz und Hilfsmittelbeschaffung. Außerdem werden aktuelle Hilfsmittel für den beruflichen Einsatz vorgestellt, z.B. die OrCam.

Weitere Veranstaltungen sind in Planung und werden so bald wie möglich veröffentlicht. Die Seminare sind für alle blinden und sehbehinderten Menschen offen, allerdings werden DVBS-Mitglieder bei der Platzvergabe zuerst bedacht. Ausführliche Ausschreibungen und Anmeldeformulare finden Sie in der Rubrik "Seminare" auf der Homepage des DVBS: www.dvbs-online.de/php/aktuell.php

Aus der blista

Martina Dirmeier

„Verspannungen lösen kann ich jetzt“ - Fachoberschule für Gesundheit (FOG) in Praktikumsphase gestartet

Nach den Sommerferien ging im September 2016 die Fachoberschule Gesundheit (FOG) als neuer Schulzweig innerhalb der Carl-Strehl-Schule an den Start.

Wie an allen hessischen Fachoberschulen gibt es auch hier die Mischung zwischen Theorie und Praxis: Neben Unterricht in den „normalen“ Schulfächern wie z.B. Mathematik, Englisch, Deutsch oder Politik und Wirtschaft besteht der Unterricht im Schwerpunktfach „Gesundheit“ in der Klasse 11 aus den Themenfeldern „Hygiene und Gesundheit“, „Gesundheitslehre“ (z.B. Anatomie und Pharmakologie), „Gesundheitswesen“, „Altern und Sterben“ und „Mensch, Umwelt und Gesundheit“.

Neben so viel Theorie sind während des ersten Jahres (Jahrgangsstufe 11) auch 800 Stunden Praktikum zu absolvieren. Daher begab sich die Klasse FOG 11 nach Abschluss des ersten Halbjahres erst einmal zum „Institut für Gesundheit und Soziales“, dem blista-Kooperationspartner in Mainz, um dort u.a. in die Geheimnisse der Physiotherapie, Bewegungstherapie und des Klinikwesens eingeführt zu werden.

Das Besondere: die Praktikanten erhielten nicht nur theoretische Anleitungen, sondern konnten auch Massagen (Hot-Stone-Massage, Lymphdrainage) sowohl an freiwilligen Mitschülern als auch an Praxis-Patienten (soweit der Autorin bekannt, mit deren Einverständnis) erproben. Das galt auch für diverse Arten der Bewegungstherapie, die erst durch die präzisen, verbalen Beschreibungen und Anleitungen - am eigenen Körper sowie denen der Mitschüler - auf Praxistauglichkeit ausprobiert werden konnten. Um möglichst viele Facetten des Gesundheitswesens kennen zu lernen, gab es auch einen Praxisteil in einer Klinik. Dort wurden die blista-Praktikanten beispielsweise in der gerätegestützten Krankengymnastik eingesetzt.

Hier das Fazit des Praktikanten Noah Tuttle: „Verspannungen lösen kann ich jetzt, das fällt mir bei Matheaufgaben oft schwerer.“

Nach drei Monaten haben die Praktikanten Mainz verlassen, um den zweiten Teil ihres Praktikums - je nach Interesse an weiteren Praktikumsstellen - in Deutschland zu absolvieren. Einige Schüler haben Stellen in Marburg (u.a. Ergotherapie, Kinderarzt), andere zieht es nach Norddeutschland (Therapiezentrum) oder in eine Klinik im bayrischen Wald, die sich auf traditionelle chinesische Medizin spezialisiert hat.

Man darf gespannt sein, mit welchen Kenntnissen und Erfahrungen die Schülerinnen und Schüler der FOG 11 aus ihrem Praktikum zurückkommen werden. Sie haben die Chance, einen intensiven Blick ins Gesundheitswesen zu werfen und für sich herauszufinden, in welchen Bereichen ihre Stärken liegen. Mit diesen – hoffentlich – positiven Erfahrungen im Rücken, kehren die Praktikantinnen und Praktikanten nach den Sommerferien wieder in den Unterrichtsalltag zurück, um sich auf die im Sommer 2018 anstehenden ersten Abschlussprüfungen der Fachoberschule Gesundheit an der blista vorzubereiten.

Zur Autorin

Martina Dirmeier leitet die Abteilung berufliche Schulzweige der Carl-Strehl-Schule der blista in Marburg. Kontakt: Telefon: 06421 606-113, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Bildunterschrift: Eine Bewegungstherapie-Übung im Unterricht der neuen Fachoberschule Gesundheit der blista. Foto: blista

Bildbeschreibung: Das Bild zeigt mehrere Jugendliche und eine ältere Frau, die gemeinsam ein blau, rot, gelb und orange gefärbtes Tuch schwenken.

Markus Zaumbrecher

blista-Judoka landen großen Wurf

Sensation: Blinde wird allgemeine Deutsche Judo-Vizemeisterin 2017

Für die diesjährigen allgemeinen Deutschen Einzelmeisterschaften der Alterskategorie U21, die vom Deutschen Judobund in Frankfurt an der Oder ausgerichtet wurden, konnten sich die drei Sehbehinderten Tabea Müller, Schugga Nashwan und Daniel Goral aus dem Inklusionsteam der blista und Blau-Gelb Marburg e.V. qualifizieren. Schon Freitagabend bei der Ankunft im Hotel, in dem auch andere Teams untergebracht waren, wurde sofort klar: Hier will jeder gewinnen! Die Stimmung unter den Judoka aus ganz Deutschland war von gegenseitigem Interesse, Vorfreude und auch Konzentration auf die bevorstehende Meisterschaft geprägt.

Am Samstag fingen mit dem Abspielen der Deutschen Nationalhymne die Meisterschaften dann auch offiziell an. Da die Kämpfe in Judo nach Gewichtsklassen geordnet sind, konnte von den drei Marburger Teilnehmern an diesem Tag nur Daniel mit seiner Gewichtsklasse starten. Durch die hohe Motivation aller Kämpfer, den Sieg zu erringen, waren das Niveau und die Ästhetik der Kämpfe sehr hoch. Bei Daniel Goral reichte es trotz seiner guten Trainingsverfassung an diesem Tag nicht für die ersten Ränge. Hervorzuheben ist, dass dieser Wettkampf nicht nur seine erste Teilnahme an einer Deutschen Meisterschaft der U21 darstellte, sondern er nur eine Woche zuvor bereits an der Deutschen Meisterschaft der Altersklasse U18 in Herne teilgenommen hatte, wo ihm in einem starken Konkurrenzfeld ein hervorragender 9. Platz gelungen war. Außerdem befand sich in seiner Gewichtsgruppe der Rüsselsheimer Eduard Trippel, der seiner Rolle als Favorit nachkam und den Deutschen Meistertitel gewann. Dennoch war Goral am Ende des Tages begeistert und sieht seine Teilnahme eher als Trainingsansporn für die Meisterschaften im kommenden Jahr an. Bei den internationalen deutschen Meisterschaften für Judoka mit Blindheit und Sehbehinderung in Heidelberg hatte Goral mit der Goldmedaille in der Jugendwertung bereits den großen Wurf gelandet. Zudem belegte er dort einen ebenfalls hervorragenden dritten Platz bei den Senioren.

Sonntags wurden bei der U21-Meisterschaft in Frankfurt/Oder die Kämpfe in den restlichen Gewichtsklassen ausgetragen, denen auch die Blau-Gelben - der fast blinde Schugga Nashwan (-60 kg) und die vollblinde Tabea Müller (-44 kg) - angehören.

Nashwan hatte eine schwere Auslosung und dadurch gleich zu Beginn zwei sehr starke Gegner, die später dann auch beide auf dem Siegertreppchen wieder anzutreffen waren. Hinzu kam noch eine Schwächung durch eine akute Verletzung, so dass er durch zwei Niederlagen aus dem Rennen war.

Tabea Müller, die am Vortag Geburtstag hatte, gewann im Ultraleichtgewicht für Hessen und das Marburger Team nach beeindruckenden Leistungen die Silbermedaille und holte somit den Titel als „Deutsche Vizemeisterin 2017“ nach Hause.

Das Team feierte den tollen Erfolg auch durch den Verzehr des Geburtstagskuchens, der aus Gewichtsgründen noch nicht am eigentlichen Geburtstag angerührt werden durfte.

„Beeindruckend war das positive Feedback vieler Zuschauer und durch die Trainer anderer Judoteams“, berichtet Tabea Müller. Alleine die Qualifikation für die Deutsche Meisterschaft der Nicht-Sehbehinderten war schon eine enorme Leistung. Das gezeigte Judo sorgte dann noch für einen unüberhörbaren Applaus in der Halle, als Tabea Müller durch eine erfolgreich angesetzte Würgetechnik im Bodenkampf ihre Gegnerin zur Aufgabe zwang und damit der Einzug ins Finale geschafft war. Im Finalkampf gegen die amtierende Deutsche Meisterin der Alterskategorie U18 unterlag Müller dann einer schnell und gut ausgeführten Wurftechnik.

Tabea Müller und Markus Zaumbrecher zeigten sich als gut funktionierendes Athleten-Trainer-Gespann überglücklich mit diesem Ergebnis. Während der Kämpfe unterstützte Zaumbrecher die sehbehinderten Athleten durch seine Zurufe, nach den Kämpfen gab es Lob und manchmal auch trostspendende Worte. Zeitnah wurden die Kämpfe gemeinsam reflektiert und über Lösungsansätze und Verbesserungen nachgedacht. „Es ist besonders anspruchsvoll, eine sehbehinderte Person von außen durch rein verbale Zurufe in einer Halle mit begeistertem Publikum zu coachen. Nicht nur die notwendigen technisch-taktischen Anweisungen müssen ankommen, sondern in Tabeas Fall als Vollblinde insbesondere die Informationen zu ihrer räumlichen Orientierung auf der Matte und zur Position der Gegnerin“, erklärte Zaumbrecher. „Das hat es meines Wissens noch nie in der Deutschen Judogeschichte gegeben, dass ein blinder Mensch einen solchen Titel auf einer höchsten deutschen Meisterschaft gewinnt. Natürlich gehört Glück dazu und das hatten wir - aber auch bei einem nicht so konkurrenzstarken Feld ist eine derartige Leistung in besonderer Weise hervorzuheben.“

Bildunterschrift: Tabea Müller und Markus Zaumbrecher präsentieren stolz die Silbermedaille. Foto: blista

Bildbeschreibung: Eine junge Frau im Judo-Outfit und ein älterer Mann mit schwarzem T-Shirt und dem Aufdruck „blista“ schauen lächelnd in die Kamera, während sie in einer Turnhalle stehen.

Dr. Imke Troltenier

blista-Webseite in neuem Design - Relaunch im Februar 2017

Nach intensiven Vorbereitungen, Gesprächen, Tests und Rückmeldungen ging die neue Webseite der blista online. Sie vereint modernes Kommunikations-Design mit Barrierefreiheit für blinde, sehbehinderte und sehende Menschen.

Folgende Punkte standen bei der Umsetzung der neuen Internetpräsenz im Fokus:

Dialogorientierung

Die Webseite bietet den Besuchern informative Texte zur blista, dabei kommen auch die blista-Schülerinnen und -Schüler zu Wort. Für nähere Infos und Beratung kann man mit den jeweiligen blista-Ansprechpartnern in persönlichen Kontakt treten.

Barrierefreiheit

Die Webseite ist optimiert für den Gebrauch mit Screenreadern und bietet Anpassungsmöglichkeiten für Menschen mit Sehbehinderung: Die Schriftgröße kann beispielsweise per Plus- oder Minusbutton geregelt werden, außerdem gibt es die allgemeine Darstellung in „standard“ und in „invertiert“. Die Anforderungen der aktuellen BITV (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) und der W3C-Validierung* sind neben den Tests und Rückmeldungen aus den blista-Gremien Grundlage der barrierefreien Gestaltung des Webangebots.

Zielgruppenorientierung

Die Informationen rund um die blista wurden neu strukturiert und orientieren sich nicht mehr am blista-Organigramm, sondern an den Fragen, Interessen und Anliegen der Besucherinnen und Besucher unserer Webseite. So sind beispielsweise die Infos für die wichtigen Zielgruppen interessierter Schüler und Eltern als Extraseiten (Landingpages) gleich von der Startseite aus erreichbar und für die jeweiligen Fragen und Anliegen zusammengestellt.

Drei Tipps für alle, die nicht gleich das Gesuchte wiederfinden:

  • Am Ende jeder Seite gibt es die Direktlinks zu den beliebten Seiten. Diese führen beispielsweise zu unseren Reha-Angeboten oder zum Speiseplan.
  • Direkt darunter sind unter dem Stichwort „Navigation“ die Menüpunkte alle aufgelistet. Hier ist der Aufbau der Webseite als Liste dargestellt und bietet einen direkten Zugriff auf einzelne Rubriken und Kategorien.
  • Zurück zur Startseite geht es immer mit einem Klick auf unser Logo oben links: Rechts davon ist immer das Suchfeld platziert.

Besten Dank an alle Beteiligten, steckt doch jede Menge Herzblut, Teamgeist und gemeinschaftliches Arbeiten hinter einem solch umfangreichen Projekt.

Über Rückmeldungen, Anregungen und Kritik freuen wir uns, Ansprechpartnerin ist Imke Troltenier, #m Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

* Das World Wide Web Consortium (W3C) ist eine international anerkannte Institution, die sich mit der technischen Weiterentwicklung des Internets befasst. Eines ihrer grundlegenden Ziele ist „universelle Zugänglichkeit“. Es geht dem Konsortium darum, die Vorteile des Internets für alle Menschen nutzbar zu machen.

Dr. Imke Troltenier

Die Devise lautet: Die Welt des Internets verstehen und dann selbst aktiv mitgestalten!

Wer hat am PC schon mal einen „Screenshot“ gemacht? Wer weiß, mit welchem Browser wir im Internet unterwegs sind? Was gilt es zu beachten, wenn man Apps installiert und darf man sich die Fotos aus dem Internet einfach herauskopieren …?

Die Welt des Internets, der virtuellen Kommunikation und ihrer vielfältigen Facetten gilt es zunächst zu verstehen, um sie sodann gut mitzugestalten. Die zweitägigen Workshops mit den Medienpädagogen von „Webklicker“ kamen bei den Schülerinnen und Schülern der Carl-Strehl-Schule sehr gut an: „Gestern der Tag war klasse, zuerst haben wir uns kennen gelernt mit Fragen, wie und wann wir das Internet nutzen. Und dann gab es eine Schnitzeljagd und unterschiedliche Lernstationen“, erzählte Jana. Zur Festigung der erworbenen Cyber-Kenntnisse folgte am Ende jeweils noch ein kleines Quiz.

Wie also sind zum Beispiel die Adressen im Internet aufgebaut? Welche Informationen enthalten sie und wie kommt man in die Adresszeile, wenn man sie nicht sieht? blista-Lehrerin Brigitte Luzius hatte die Workshops organisiert und stand dem Webklicker-Team zur Seite, wenn die spezifischen Herausforderungen für blinde und hochgradig sehbehinderte Schülerinnen und Schüler angesprochen wurden.

Unter der Überschrift „Was ist das Internet und wie nutze ich es sicher?“ ging es nach dem Einstieg um aktuelle Themen wie den Download von Apps oder Datenschutz und auch um das brisante Thema Cybermobbing: Was ist der Unterschied zwischen „Ärgern“ und „Mobbing“? Was passiert dabei mit den Menschen? Und welche Konsequenzen können für den bzw. die Täterinnen und Täter folgen? Die jungen Leute erzählten, diskutierten, tauschten sich aus, erarbeiteten sich ein eigenes Regelwerk und unterschrieben ihre Statuten.

Das eigene Regelsystem soll Halt und Orientierung geben, schließlich ist Cybermobbing Teil der Realität von Jugendlichen. „Die Nutzung von WhatsApp und Facebook, das ständige Erreichbarsein und der sehr hohe zeitliche Umfang digitaler Interaktion führt gerade bei jungen Menschen zu sozialem Druck und zur Reizüberflutung. Dies verlangt einen sehr bewussten Umgang mit der eigenen Mediennutzung“, erklärten die erfahrenen Medienpädagogen. Die zweitägigen Projekte mit integrierter Lehrerfortbildung wurden von der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien organisiert.

Bildunterschrift: Die Workshop-Teilnehmer hatten sichtlich Spaß während der Veranstaltung. Foto: blista

Bildbeschreibung: Auf dem Bild sind zahlreiche Jugendliche zu sehen. Sie stehen lachend um einen jungen Mann herum, der – ebenfalls lächelnd – vor einem Laptop sitzt.

blista-Bildungsangebote

R - die barrierefreie Statistik-Software

Workshop für blinde und sehbehinderte Anwenderinnen und Anwender und für interessierte Lehrpersonen.

Der produktive Einsatz von Statistik-Software stellt Menschen mit Blindheit oder hochgradiger Sehbehinderung vor besondere Herausforderungen, denn die auf visuelle Interaktion ausgerichteten Bedienoberflächen sind meist nur begrenzt barrierefrei. Auch müssen die entscheidenden statistischen Kennwerte oft mühsam in umfangreichen, grafikgespickten Ausgabeprotokollen gesucht werden.

Das freie Statistik-Programm R stellt alternative und äußerst barrierefreie Wege der Nutzung bereit, von denen blinde und hochgradig sehbehinderte Computeranwender profitieren:

  • Textbasierte Ein- und Ausgabe über das Fenster des R-Terminals
  • Unabhängigkeit von komplexen, schematischen Ausgabeprotokollen, weil ein Analyse-Ergebnis als Objekt gespeichert werden kann, dessen Kennwerte, Tabellen und Grafiken über die R-Programmiersprache gezielt abfragbar sind
  • Freie Formatierbarkeit der Ausgabetabellen mit Hilfe barrierefreier Dokumentformate wie HTML und LaTeX

Im Rahmen des Workshops werden wir:

  • die textbasierte Bedienung des R-Terminalfensters kennen lernen,
  • R als wissenschaftlichen Taschenrechner nutzen,
  • die Grundzüge der R-Programmiersprache erarbeiten,
  • anhand kleiner praktischer Übungen beschreibende Statistiken für Beispieldaten auswerten,
  • ausgewählte Verfahren der schließenden Statistik auf Beispieldaten anwenden,
  • den Datenaustausch zwischen R und anderen Statistik- und Datenbankprogrammen erörtern sowie
  • Tipps zum produktiven Arbeiten mit R geben.

Termine: 03.11.2017 13:00 - 18:00 Uhr und 04.11.2017 09:00 - 15:30 Uhr

Referent: Oliver Nadig, Rehabilitationslehrer für EDV und elektr. Hilfsmittel der blista

Teilnehmerzahl: 8 Personen

Anmeldeschluss: 27.09.2017

Teilnahmebeitrag: 180 €

Assistenz?!

Antworten auf rechtliche Fragen rund um Schulbegleiter, Vorlesekräfte, Arbeits- und Alltagsassistenzen

Für blinde und sehbehinderte Interessierte, haupt- und ehrenamtliche Beratungskräfte, Pädagoginnen und Pädagogen, Angehörige und alle Interessierten.

Blinde und sehbehinderte Personen sind häufig auf Assistenz angewiesen. Finanzierung und Organisation von Assistenzleistungen sind oft mit zahlreichen Hürden verbunden. Wir wollen Ihnen die wichtigsten Fragen rund um das Thema Assistenzkräfte beantworten!

Wir vermitteln Ihnen zunächst die wichtigsten Grundlagen rechtlichen Handelns im Sozial- und Verwaltungsrecht. Im Schwerpunkt werden wir dann auf vielfältige Fragen rund um das Thema Assistenz eingehen:

  • Welche Formen von Assistenz gibt es?
  • Welchen Anspruch habe ich und wie viel Assistenz bekomme ich?
  • Welcher Kostenträger finanziert Assistenzleistungen?
  • Welche Voraussetzungen zur Inanspruchnahme gibt es?
  • Welche Rolle spielt das Blindengeld?
  • Was ist das persönliche Budget und wie kann ich es nutzen?

Darüber hinaus werden wir uns in dieser praxisorientierten Fortbildung damit befassen, wie man die Hürden auf dem Weg der Antragstellung überwindet:

Von der richtigen Formulierung bis zu den wichtigsten Anlagen nehmen wir genau unter die Lupe, wie ein guter Antrag aussehen sollte.

Termine: 22.09.2017, 14:00 - 18:00 Uhr und 23.09.2017, 09:00 - 13:00 Uhr

Referent: Dr. jur. Michael Richter, Geschäftsführer der rbm gGmbH – Rechte behinderter Menschen, und Rechtsanwalt

Teilnehmerzahl: 15 Personen

Anmeldeschluss: 23.08.2017

Teilnahmebeitrag: 160 € (80 € für Studierende, Auszubildende und Privatpersonen)

Weitere Informationen und die barrierefreie Anmeldung finden Sie im Internet auf www.blista.de/bildungskatalog

 

Impressum

Herausgeber

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista)

Redaktion

  • für den DVBS: André Badouin, Uwe Boysen, Andrea Katemann und Mirien Carvalho Rodrigues
  • für die blista: Isabella Brawata, Thorsten Büchner und Dr. Imke Troltenier

Koordination

DVBS-Geschäftsstelle, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, Fax: 06421 94888-10, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet: www.dvbs-online.de

Beiträge und Bildmaterial schicken Sie bitte ausschließlich an die Geschäftsstelle des DVBS, Redaktion. Wenn Ihre Einsendungen bereits in anderen Zeitschriften veröffentlicht wurden oder für eine Veröffentlichung vorgesehen sind, so geben Sie dies bitte an. Nachdruck ‑ auch auszugsweise ‑ nur mit Genehmigung der Redaktion.

Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.)

Uwe Boysen (DVBS) und Dr. Imke Troltenier (blista)

Erscheinungsweise

Der „horus“ erscheint alle drei Monate in Blindenschrift, in Schwarzschrift und auf einer CD-ROM, die die DAISY-Aufsprache, eine HTML-Version und die Braille-, RTF- und PDF-Dateien enthält.

Jahresbezugspreis

  • 22 Euro (zuzüglich Versandkosten) für die Schwarzschriftausgabe,
  • 35 Euro für alle übrigen Ausgaben.

Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen zum Ende eines Kalenderjahres. Für Mitglieder des DVBS ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.

Bankkonten des DVBS

Sparkasse Marburg-Biedenkopf
IBAN: DE42 5335 0000 0000 0002 80
BIC: HELADEF1MAR

Verlag

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg, ISSN 0724-7389

  • Punktschriftdruck: Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., Marburg
  • Digitalisierung und Aufsprache: Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
  • Schwarzschrift-Druck: Druckerei Schröder, 35081 Wetter/Hessen

Die Herausgabe der Zeitschrift „horus“ wird vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband aus Mitteln der „Glücksspirale“ unterstützt.

horus 2/2017, Jg. 79 der Schwarzschriftausgabe

Titelbild: DVBS

Nächste Ausgabe (horus 3/2017)

Schwerpunktthema: „Glaube“
Erscheinungstermin: 28. August 2017
Anzeigenannahmeschluss: 28. Juli 2017
Redaktionsschluss: 04. Juli 2017