horus spezial 9/2019
"Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente"
Dokumentation der DVBS-Fachtagung
vom 4. bis 5. März 2019 in Kassel

Titelseite des horus spezial 9: Teilhabe im Job

Inhalt


Vorangestellt

von Marianne Preis-Dewey

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn mir sehbehinderte und blinde Menschen von Arbeitsplätzen weit unter ihrer beruflichen Qualifikation berichten, von viel zu früher, nicht ganz freiwilliger Aussteuerung aus dem Arbeitsleben oder von Frust bei der Beantragung von Qualifizierungsmaßnahmen und dringend benötigten Hilfsmitteln, dann bin ich alarmiert. Denn für mich als DVBS-Geschäftsführerin gehört es zu den Kernzielen unserer Selbsthilfeorganisation, die Teilhabe in den Bereichen Bildung und Beruf zu verbessern.

Wie soll und kann nun die Teilhabe im Beruf und in der beruflicher Weiterbildung insbesondere für sehbehinderte und blinde Menschen tatsächlich um- bzw. durchgesetzt werden? An Vorschlägen und Ideen unsererseits mangelt es nicht. Aber wir müssen noch konkreter werden - z. B. durch Forderungen, die wir an Entscheiderinnen und Entscheider in der Politik, in den Institutionen und in den Betrieben richten.

Genau hier setzen wir mit unserer Arbeit an. Betroffenen aufmerksam zuzuhören ist ein erster Schritt. Denn wie sich Entwicklungen in Gesellschaft, Beruf und Informationstechnik, in Gesetzen und Verordnungen auswirken, erfahren wir ganz persönlich am eigenen Leib und prägend für die eigene (Berufs-)Biografie. Zu den weiteren wichtigen Schritten gehören für mich der Austausch mit Fachleuten sowie Gespräche mit den Verantwortlichen in der Politik und mit denjenigen, die die Regelungen vor Ort umsetzen. Auch Aufklärungsarbeit und die Pflege eines tragfähigen Netzwerkes sind immens wichtig, um unseren Argumenten Nachdruck zu verleihen.

Daher haben wir uns gefreut, dass unsere zweitägige Fachtagung "Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente" Anfang März 2019 in Kassel auf große Resonanz gestoßen ist. Im vorliegenden Band des "horus spezial" werden die Referate und Ergebnisse der Fachtagung dokumentiert. Der DVBS möchte damit die Diskussion verstetigen und Betroffenen und Beteiligten Argumente an die Hand geben, die unser Ziel "Teilhabe im Beruf" voranbringen. Der Zeitpunkt dafür ist günstig, denn mit der Umsetzung des seit Januar 2019 geltenden Qualifizierungschancengesetzes wird gerade erst begonnen. Wo sich Regelungen noch nicht verstetigt haben und Fehlentwicklungen deutlich werden, haben wir eine gute Chance, Gehör zu finden und eine Nachbesserung zu erreichen. Auch wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keine Gelegenheit hatten, an der Fachtagung teilzunehmen, können Sie durch die Eingangsrede unserer Ersten Vorsitzenden Ursula Weber, die Zusammenfassung der Beiträge von Referentinnen und Referenten, durch die Thesen und Forderungen der Workshops und durch die von allen Teilnehmenden verabschiedete Abschlusserklärung einen Eindruck vom Geist und der Dynamik der Tagung gewinnen. Weitere Dokumente im Anhang ermöglichen es Ihnen, tiefer in die Thematik barrierefreie Weiterbildung und Qualifizierung einzusteigen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem "horus spezial" anregende Impulse entdecken und hoffe darauf, dass diese uns den Weg zu besserer Teilhabe am Beruf und mehr Chancengleichheit ebnen. Lassen Sie uns die anstehenden Aufgaben gemeinsam angehen!

Ihre

Marianne Preis-Dewey

Portraitfoto: Marianne Preis-Dewey. Foto: Privat

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Was? Wann? Wo? - Überblick der DVBS-Fachtagung

Einladung

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie präventiv müssen und können die Interventionen der Sozialleistungsträger sein, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in der modernen Arbeitswelt zu sichern?

Diese Frage möchten wir am 04.-05. März 2019 in Kassel mit Ihnen gemeinsam erörtern und Antworten finden. Daher laden wir Sie herzlich zu unserer Fachtagung ein:

Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente. Bedarfe blinder und sehbehinderter Erwerbstätiger an und ihre Ansprüche auf berufliche Weiterbildung.

Neben Vorträgen zu den Perspektiven der Leistungsträger, wissenschaftlichen Forschung und zur juristischen Ausgangslage bieten wir Ihnen fünf Workshops, in denen Sie Ihre Erfahrungen einbringen können. Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie im Anschluss an die Einladung. (...)

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Mit den besten Grüßen

Marianne Preis-Dewey
DVBS-Geschäftsführerin

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Programm

Veranstaltungsort: Anthroposophisches Zentrum in Kassel (Nähe Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe)

Montag, 04.03.2019

15:00 Uhr Ankommen und Check-In

15:30 Uhr Begrüßung und Tagungsinformation. Ursula Weber, Erste Vorsitzende des DVBS

16:00 Uhr Statement "Arbeit vor Rente, Reha vor Rente!" Jan Miede, Geschäftsführer Deutsche Rentenversicherung (DRV) Brauschweig-Hannover

17:00 Uhr Pause (Snacks)

17:30-19:30 Uhr Podiumsdiskussion "Sind die Leistungsträger noch "up to date"? Moderation: U. Boysen, Vors. Richter am Landgericht i.R.

Teilnehmer*innen:

  • J. Miede, DRV Braunschweig-Hannover
  • R. Schlembach, BIH Integrationsamt Hessen
  • M. Tanzer, RD Niedersachsen-Hessen der BA
  • R. Wagner, Unternehmensforum, fraport AG
  • K. Roth, Gesamt-SBV, Evonik-Industries
  • Dr. A. v. Boehmer, AG der-SBV des Bundes, BMWi
  • A. Nebe, Accessibility and Usability Expert, T-Systems Multimedia Solutions GmbH
  • H. Lienert, Fa. Dräger und Lienert Informationsmanagement GbR
  • R. Schroll, von Blindheit betroffene Beschäftigte
  • R. Vollmer, Direktor Studiengemeinschaft Werner Kamprath, sgd

20:00 Uhr Abendessen, Informelles Beisammensein

Dienstag, 05.03.2019

09:00 Uhr Begrüßung und Tagungsinformation

09:30 Uhr Einführungsreferat "Wirtschaft digital: Herausforderungen für die Weiterbildung." Ergebnisse der gleichnamigen Studie. Dr. C. Larsen, Direktorin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), Zentrum der Goethe-Universität Frankfurt/M.

10:15 Uhr Pause

10:45 Uhr Referat "Sozialrechtliches Kurzgutachten zur Frage der Finanzierungssituation von speziellen Fort- und Weiterbildungsangeboten für insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen." RA Dr. Michael Richter, Rechte behinderter Menschen (rbm e.V.)

12:00 Uhr Mittagessen

13:00 Uhr Inklusive berufliche Weiterbildung sichert Teilhabe. Weiterbildungsangebote für blinde und sehbehinderte Berufstätige. Statements des DVBS-Projektes "Inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren" (iBoB)

13:30 Uhr Fünf parallele Workshops zum Thema: "Was muss verbessert werden, um blinden und sehbehinderten Erwerbstätigen durch präventive und zielführende berufliche Weiterbildung die erfolgreiche Teilhabe am Wandel zur Arbeit 4.0 zu sichern?" Inputs liefern von Behinderung Betroffene und andere Fachleute.

Workshop 1
Welche Rechte und Ansprüche auf berufliche Weiterbildung und Teilhabe brauchen Beschäftigte mit Behinderungen?
Moderation: Christiane Möller (Rechtsreferentin des DBSV) und Michael Tanzer (Bundesagentur für Arbeit, RD Niedersachsen-Bremen)

Workshop 2
Was sollen und können die Integrationsämter präventiv tun, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen angesichts Arbeit 4.0 zu sichern?
Moderation: Michael Große-Drenkpohl (Integrationsamt LWL) und Reinhard Wagner (Fraport AG UnternehmensForum)

Workshop 3
Die Beschäftigung behinderter Menschen sichern angesichts Arbeit 4.0, wie kann und muss das gehen?
Moderation: Kilian Roth (Gesamt-SBV Evonik Industries)

Workshop 4
Die Beschäftigung behinderter Menschen sichern angesichts e-Government, wie kann und muss das gehen?
Moderation: Dr. Alexander von Boehmer (AG der SBV des Bundes) und Anne-Marie Nebe (T-Systems Multimedia Solution)

Workshop 5
Barrierefreie berufliche Weiterbildung machen, wie geht das?
Moderation: Petra Klostermann (sgd Darmstadt) und Frauke Onken (iBoB)

15.00 Uhr Pause

15:30 Uhr Abschlussplenum: Aus Ideen werden Forderungen

16:30 Uhr Veranstaltungsende

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Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente! - Kurzbericht einer erfolgreichen Fachtagung

von Juliane Taubner

Zahlreiche Vertreter von Integrationsämtern und Sozialleistungsträgern, Berater, Schwerbehindertenvertreter, Bildungsinstitute sowie IT- und Hilfsmittelspezialisten und natürlich viele Betroffene hatten sich am 4. und 5. März 2019 zu der zweitägigen Fachtagung "Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente" zusammengefunden, die der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) veranstaltet hatte. Gemeinsames Ziel war die Verbesserung und Sicherstellung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt angesichts von Digitalisierung und Arbeit 4.0.

"Wir haben die Chance, einen substantiellen Unterschied zu machen!" Mit diesen Worten wandte sich Hans-Jörg Lienert, selbst von Erblindung betroffener Spezialist für Blinden- und Sehbehindertenhilfsmittel, bei der Podiumsdiskussion am Montagabend an die Teilnehmenden. Der Satz zeigt bereits die Spannbreite der Diskussion. Dass die Teilhabe schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt insbesondere dann gelingt, wenn ihre aktive Teilhabe an den Wandlungsprozessen gesichert ist, ist keine neue Einsicht. Im lebhaften Austausch wurden die Erfolgsfaktoren für berufliche Teilhabe in unserer Zeit noch einmal betont: Berufliche Weiterbildung und Kompetenzentwicklung, rechtzeitig vor dem Eintritt digitalisierungsbedingter Veränderungen.

Digitalisierung als Schlagwort war vielfach zu hören, und damit war auch die bisher zumeist noch nicht realisierte Barrierefreiheit zentrales Thema. Bislang ist nämlich die uneingeschränkte Nutzbarkeit der Hard- und Softwarearbeitsmittel durch behinderte Beschäftigte noch nicht gegeben. Hier wurde allenthalben erheblicher Nachholbedarf gesehen. Die intensiven Diskussionen zwischen den Beteiligten der Tagung verdeutlichten den enormen Gesprächs- und Handlungsbedarf. Sie zeigten aber auch, dass die Vertreter der verschiedenen Interessengruppen an einer Verbesserung der Situation interessiert und zu einem Austausch bereit sind.

Dieses positive Grundfazit zog sich durch die gesamten zwei Tage, wobei die Herausforderungen nicht kleingeredet wurden. "Die rechtlichen Grundlagen sind da", sagte Anne-Marie Nebe, Expertin für barrierefreie IT-Anwendungen bei T-Systems Multimedia Solution GmbH. Diese Aussage wurde auch von Dr. Michael Richter, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Rechte behinderter Menschen gGmbH, gestützt. "Die gesetzliche Basis ist vorhanden! Doch die Umsetzung bedarf viel guten Willens", mahnte er.

Insbesondere in der Diskussion zwischen den Vertretern der Bundesagentur für Arbeit, der Integrationsämter und der Rentenversicherung wurde deutlich, dass die Zersplitterung der Zuständigkeiten ein Problem ist. Paradoxerweise wird dieses Problem bei Weiterbildungs- und Karriereambitionen der schwerbehinderten Erwerbstätigen noch verstärkt. Dies beginnt bei der fehlenden Barrierefreiheit von Arbeitsplätzen und Weiterbildungen und endet beim Vorwurf an die Mitarbeiter, sie seien nicht verlässlich; tatsächlich ist aber die am Arbeitsplatz verwendete Software manchmal nach einem Update nicht mehr barrierefrei und die Mitarbeiter somit nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeitsfähig.

Zu Ende ist die Diskussion dieser umfangreichen Themen noch lange nicht. Das Ziel der Tagung, das Bewusstsein darüber zu stärken, dass der humane Faktor nicht hinter dem Profitgedanken stehen darf, wurde hingegen im intensiven Austausch klar erreicht. Die Bereitschaft aller Akteure zu weiterer Kooperation, um eine Verbesserung der Fördermöglichkeiten zu erreichen, wurde jedenfalls deutlich: Menschen mit Behinderungen sollen in die Ausgestaltung der Förderpraxis der zuständigen Stellen wie Arbeitsagentur, Rente und Integrationsamt stärker einbezogen werden. Die Chance, einen substantiellen Unterschied zu machen, ist also in der Tat da. Jetzt muss sie nur noch ergriffen werden.

Linktipp

Link zur webbasierten Dokumentation der Fachtagung.

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Die Fachtagung "Teilhabe im Job"

1. Begrüßung

von Ursula Weber

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und liebe Mitwirkende an unserer Fachtagung "Teilhabe im Job - vor Reha vor Rente"!

Wir sind hier in großer Zahl zu unserer Fachtagung versammelt, Teilnehmende und Mitwirkende. Wir, das sind Schwerbehindertenvertreter und -beauftragte, Beratende, Mitarbeitende der Sozialleistungsträger und Integrationsämter, Bildungsanbieter und IT- und Hilfsmittelspezialisten, selbst von Behinderung Betroffenen und Aktive der Behindertenselbsthilfe. Das zeigt zweierlei: Zum einen: Wir haben ein offensichtlich brennendes Thema aufgegriffen und zum anderen: Die Vertreter der wichtigsten Interessengruppen im Themenfeld sind an der Auseinandersetzung um eine Verbesserung der Situation interessiert und zur Mitarbeit bereit.

Das ist sehr gut und sehr nötig zugleich. Denn trotz aller bisherigen Bemühungen der Leistungsträger und auch der Selbsthilfe liegt die Erwerbstätigenquote der Menschen mit Schwerbehinderungen mit knapp 50 Prozent, die der blinden und sehbehinderten Erwerbstätigen mit nur 30 Prozent weit unter dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Angesichts der fast erreichten Vollbeschäftigung beschreiben diese Zahlen eine nach wie vor arbeits- und sozialpolitisch alarmierende Sachlage. Digitalisierung als Megatrend treibt zunehmend die sich beschleunigenden und weiter ausbreitenden Prozesse des Wandels in der Arbeitswelt. Diese sind über die Grenzen des industriellen Sektors hinausgedrungen. Der tertiäre Sektor steht vor rasanten Veränderungen. Auch die Gesamtheit der Öffentlichen Verwaltung (e-Government), die Institutionen der sozialen Sicherung und des Gesundheitswesens (e-Health) sind im Umbruch. Die Digitalisierung ist ein stetiger Entwicklungsprozess und geht weit über bloße technische Veränderungen hinaus.

Das betrifft

  • organisatorische Aspekte, nicht nur die Planung von Meetings oder das Projektmanagement über immer neue Tools, sondern auch und vor allem die Flexibilisierung der Arbeitsweise in Unternehmen. Teams werden inzwischen mit wechselnden Experten zusammengestellt, je nach Aufgabenart und Projektstand,
  • kommunikative Aspekte, die Nutzung von Tools wie WebEx und Skype, sie ermöglichen den Austausch ohne physikalische Präsenz,
  • und kooperative Aspekte, parallele ortsunabhängige Bearbeitung von Dokumenten in der Cloud; alle diese Aspekte des Arbeitslebens sind wesentlich betroffen.

Von daher leitet sich die generelle Frage ab, wie die Beschäftigten befähigt werden können, in diesem Wandel zu bestehen. Wie können sie Veränderungen mit vollziehen und mitgestalten?

Insbesondere jedoch ist zu fragen: Wie können schwerbehinderte Beschäftigte, die besondere Aufwände treiben müssen, um ihre behinderungsbedingten Beeinträchtigungen zu kompensieren, den Anforderungen des Wandels erfolgreich standhalten? Wie können sie ihn möglichst sogar nutzen? Eine frühzeitige Qualifizierung ist hier unabdingbar und eine zeitnahe Bewilligung der Kostenübernahme der behinderungsbedingten Mehraufwendungen ist unerlässlich. Es kann nicht sein, dass Betroffene z.B. bei zertifizierten Qualifizierungen neben der eigentlichen Qualifizierung und Prüfungsvorbereitung zunächst ihren Arbeitgeber für ihre Belange sensibilisieren müssen, dann den Bildungsanbieter überzeugen müssen, seine Prüfungsaufgaben in eine barrierefreie Form wandeln zu lassen, dann einen Umsetzungsdienst finden müssen, der die Prüfungsaufgaben auch in eine barrierefreie Form umsetzt und einen Kostenvoranschlag erstellt, der dann beim zuständigen Amt einzureichen ist. Von den Bewilligungszeiten brauchen wir nicht mehr zu reden.

Jedenfalls bestehen wachsende Bedenken über die Zukunftsfähigkeit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen angesichts der Digitalisierungsentwicklungen. Können Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt und mit gleichen Chancen am Wandel erfolgreich teilhaben? Welche besonderen, jeweils behinderungsspezifischen Unterstützungen benötigen sie für die gleichberechtigte berufliche Teilhabe in Zeiten der Digitalisierung? Sind die Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenversicherung und die Integrationsämter richtig und aktuell genug aufgestellt für diese nötige Unterstützung? Verhindert, zumindest sehr eingegrenzt werden müssen die schon derzeit viel zu häufigen Aussteuerungen schwerbehinderter Menschen aus dem Arbeitsmarkt. Solche Aussteuerungen geschehen in Betrieben und Verwaltungen durch ideenarme, defensive innerbetriebliche Versetzungen auf zukunftslose "Schonarbeitsplätze". Wir erleben unzureichende Vermittlungsanstrengungen der Arbeitsagenturen und Jobcenter wegen mangelnder Kenntnisse über mögliche Tätigkeitsbereiche für Menschen mit spezifischen Behinderungen. Und es gibt immer noch viel zu viele unnötige vorschnelle Verrentungen, oft einfach nur aus Unkenntnis.

Wir wollen mit unserer Fachtagung einen großen Stein ins Wasser werfen zum Thema: Erfolgreiche berufliche Teilhabe von Erwerbstätigen mit Behinderungen in der digitalisierten Arbeitswelt. Wir wollen dazu ins Gespräch kommen mit allen wichtigen Akteuren in diesem Feld und das Gespräch nach der Tagung fortsetzen. Wir wollen als Experten in eigener Sache unseren Anliegen als Beschäftigte mit Behinderungen angesichts des aktuellen und sich verschärfenden Wandels der Arbeitswelt Gehör verschaffen vor der Vollendung der Tatsachen. Wir wollen nicht die Looser sein, sondern alle Chancen und Möglichkeiten nutzen. Wir wissen, dass viele Arbeitgeber, Sozialversicherungsbeschäftige, Betriebs- und Personalräte und schon gar die IT- und Orga-Fachleute in den Betrieben, die Weiterbildner und Personaler sich gar nicht oder nur wenig auskennen mit unseren spezifischen Belangen. Sie sind nicht selbst betroffen und sie haben keine oder nur wenig Erfahrungen mit behinderten Beschäftigten. Das betrifft besonders auch die vergleichsweise kleine Gruppe der blinden und sehbehinderten Mitarbeiter. Das kann keiner übel nehmen. Aber deshalb erheben wir ja unsere Stimme, auch mit und auf dieser Tagung.

Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) veranstaltet diese Fachtagung. Der DVBS ist eine Selbsthilfeorganisation von blinden und sehbehinderten Menschen, die trotz ihrer Behinderung selbstbestimmt leben und beruflichen Erfolg haben wollen. Wir stärken und erweitern unsere Selbsthilfearbeit durch umfangreiche Projekte. Die Idee zu dieser Tagung ist aus unserem aktuellen Projekt iBoB - inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren - aus der praktischen Beratungsarbeit und Kooperation mit von Behinderung betroffenen Beschäftigten gewachsen. Wenn sich von daher eine Reihe Beispiele und Argumente auf blinde und sehbehinderte Berufstätige beziehen, dann wissen sie nun, warum. Unser sozialpolitisches Anliegen bezieht sich aber auf alle Menschen mit Behinderung in Ausbildung, Studium und Beruf.

Ich bedanke mich sehr bei allen von Ihnen, die diese Tagung aktiv mitgestalten. In der Podiumsdiskussion am heutigen Spätnachmittag und in den fünf Workshops des morgigen Nachmittags wird eine sehr breite Palette fachkundiger, unterschiedlicher und engagierte Meinungen zur Sprache kommen. Wir nehmen sie gerne auf und dokumentieren sie sorgfältig. Denn wir wollen mit möglichst vielen von Ihnen im Gespräch bleiben. Und ich bitte auch Sie alle sehr herzlich, unsere Anliegen in Ihre Organisationen, Institutionen und Verbände zu transportieren. Dabei sind uns neben den Arbeitgebern die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenversicherungen und die Integrationsämter besonders wichtig. Wir jedenfalls werden nicht locker lassen im Kampf um die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen im modernen Arbeitsleben.

Ich danke besonders den drei Hauptreferenten unserer Tagung. Sie werden markante Anstöße geben für die Diskussion und fachliche Grundlagen legen. Herr Miede, Geschäftsführer der DRV Braunschweig-Hannover, wirft den ersten Stein ins Wasser. Er erläutert die Leistungsmöglichkeiten der Rentenversicherung und berichtet auch von innovativen Konzepten und Vorgehensweisen seiner Organisation, mit der sie Antworten auf die aktuellen Entwicklungen im Spannungsfeld von Gesundheit, Behinderung und Arbeitsmarkt gibt. Herr Miede, vielen Dank für Ihre Bereitschaft und herzlich willkommen!

Frau Dr. Larsen, Direktorin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt, wird morgen früh ein wichtiges Fundament für unsere weitere Tagungsarbeit legen. Sie berichtet von den recht aktuellen Ergebnissen einer Studie über den Weiterbildungsbedarf in hessischen Unternehmen angesichts des Wandels durch Digitalisierung. Frau Dr. Larsen wird erst morgen früh zu uns stoßen.

Unter uns ist aber bereits der dritte Steinewerfer zum Nutzen unserer Tagung. Dr. Michael Richter ist ein guter alter Freund und Mitstreiter in unserer Selbsthilfearbeit. Ihm und der von ihm geleiteten Gesellschaft "Rechte behinderter Menschen" verdanken wir neben vielem anderem auch wesentliche Grundsatzurteile, die die Lage behinderter Menschen in der Arbeitswelt deutlich verbessern. Dr. Richter hat im Auftrag unseres Projektes iBoB ein aktuelles Gutachten erstellt über den Stand und die nötige Weiterentwicklung der Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Sozialleistungsträger und Integrationsämter. Seine Vorschläge zur Weiterentwicklung sind auch aus Diskussionen mit unserem Projekt iBoB angeregt worden. Wir wollen Sie in unseren weiteren Kontakten mit den Sozialleistungsträgern aufgreifen. Sei gegrüßt, Michael, schön, dass Du da bist!

Nun ist der Vorrede genug getan. Bevor ich Sie, Herr Miede, nun bitte, meinen Platz am Rednerpult einzunehmen, sei Ihnen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nur noch mitgeteilt, dass Herr Winger, Leiter unseres Projektes iBoB, die Moderation unserer Fachtagung übernimmt. An ihn können Sie sich gerne auch mit Ihren Fragen und Wünschen wenden. Und nun wünsche ich unserer Tagung einen guten und spannenden Verlauf. Herr Miede, bitte!

Zur Autorin

Ursula Weber ist seit September 2016 Erste Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS). Ehrenamtlich engagiert sie sich außerdem als Expertin für Accessibility und Usability im Arbeitskreis Barrierefreiheit des Berufsverbandes der Deutschen Usability und User Experience Professionals (German UPA). Hauptberuflich arbeitet die 57-Jährige als Seniortrainerin bei der Bundesagentur für Arbeit.

Linktipp

Link zum Videomitschnitt der Begrüßungsrede.

Foto. Bildunterschrift: Ursula Weber hielt die Begrüßungsrede. Foto: AVIGRO [Portraitfoto Ursula Weber am Mikrofon]

Illustration, Bildunterschrift: Die Fachtagung lud dazu ein, Ideen und Forderungen für mehr Teilhabe im Beruf zu formulieren. Illustration: DVBS/A. Fibich [Auf einer Zeichnung an einer Tafel ist mittig eine erleuchtete Glühbirne, strahlenförmig auf den Birnenkopf weisen die Wort Weiterbildung, Barrierefreiheit, Arbeit 4.0, Veränderung, Leistungsträger und Digitalisierung hin.]

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2. Jan Miede: "Arbeit vor Reha, vor Rente!" - Statement aus Sicht der Rentenversicherung

Eine Zusammenfassung von Klaus Winger.

Das Referat von Jan Miede, Geschäftsführer Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover (DRV BS-H), wird im Folgenden zusammengefasst und ermöglicht so einen kurzen Überblick der von ihm angesprochenen Themen.

Gliederung des Vortrags:

  1. Rehabilitation der DRV: Zahlen, Daten, Fakten
  2. Ziele des SGB IX
  3. Leistungen zu Teilhabe der RV
  4. Firmenservice
  5. Fazit

Jan Miede unterstützt zu Beginn seines Vortrags explizit die von seiner Vorrednerin Ursula Weber geäußerte Forderung, angesichts des digitalen Wandels in der Arbeitswelt ein Mithalten von Menschen mit Behinderungen im Erwerbsleben zu ermöglichen. Er bietet dazu seine uneingeschränkte Kooperation an.

1. Rehabilitation der DRV: Zahlen, Daten, Fakten

Die Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen stellt für die Rentenversicherungen nur einen quantitativ sehr kleinen Teil ihrer Rehabilitationsarbeit dar. In allen Rentenversicherungen werden bei gut einer Million Rehamaßnahmen pro Jahr unter eintausend mit blinden und sehbehinderten Menschen durchgeführt, in der DRV BS-H unter einhundert.

Miede erläutert, dass man sich aber auch für diese vergleichsweise kleine Kundengruppe Strukturen geschaffen habe. So arbeite man mit im augenmedizinischen Bereich spezialisierten Reha-Kliniken zusammen und nutze die Fachkompetenzen der auf die berufliche Reha von blinden und sehbehinderten Menschen spezialisierten Berufsförderungswerke, die auch regionale Anlaufstellen im Einzugsgebiet der DRV BS-H haben. Er zeigt sich auch offen für die Inanspruchnahme passender Rehaleistungen kompetenter regionaler Leistungserbringer.

2. Ziele des SGB IX

Jan Miede verweist ausführlich auf den durch das SGB IX und das Bundesteilhabegesetz (BTHG) initiierten Paradigmenwechsel in der Rehabilitation von der Fürsorge und Versorgung zu aktiver Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Man gehe bei der Rehaplanung mittlerweile vom bio-psycho-sozialen Modell (ICF) der Behinderung aus und strebe von daher die umfassende Beseitigung der Hindernisse an, die der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen entgegenstehen.

Weiter sei es das Ziel, die Unsicherheiten bzgl. der rechtlichen Zuständigkeiten der verschiedenen Rehaleistungsträger im gegliederten System zu überwinden und Abgrenzungsprobleme, die zu Lasten behinderter Menschen gehen, zu vermeiden. Hier gebe ist auch entsprechenden Druck aus der Politik. In der Folge stellt der Referent vor dem Hintergrund des Spektrums der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA ) dar, welche Schritte sein Haus geht, um dem Paradigmenwechsel zu folgen (siehe Abb. 1).

3. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der RV

Der gesetzlich vorgegebene Fokus der RV im Kanon der Rehabilitation liegt auf der Beseitigung der gesundheitlichen Auswirkungen einer Krankheit bzw. Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit. Das Leistungsspektrum reicht von der Prävention bis zur Nachsorge, von der Finanzierung von Arbeitsassistenz, Arbeitsmitteln und -geräten bis zur Weiterbildung und Eingliederung (siehe Abb. 2).

Demgegenüber ist das Integrationsamt zuständig für arbeitsplatzbezogene Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder Leistungen aus Gründen, die nicht unmittelbar durch die gesundheitliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ausgelöst werden, also z.B. auch durch Digitalisierungsauswirkungen. An dieser Nahtstelle werde im Zuständigkeitsbereich der DRV BS-H eine enge Kooperation gepflegt. Grundlage für eine möglichst reibungslose und für die leistungsberechtigten Kunden effiziente Leistungserbringung der Leistungsträger DRV, BA, Integrationsämter (BIH), Unfall- und Krankenversicherung für einen Bedarfsträger ist eine gemeinsame Verwaltungsabsprache. Sie würde im Zuständigkeitsbereich des Referenten auch in der Praxis mit Leben gefüllt. Mehrfach jährlich fänden trägerübergreifende Treffen für Koordination und Absprachen statt, ein System, das nach Auffassung des Vortragenden auch belastbar funktioniert. Die Rehafachberater der DRV kooperieren vor Ort und betriebsbezogen eng und fallbezogen mit den zuständigen Fachleuten der anderen Leistungsträger im Sinne eines trägerübergreifenden Fallmanagements. Die DRV BS-H führt für aufwändig zu unterstützende Reha-Kunden ein individuelles Fallmanagement durch das auch für blinde und sehbehinderte Bedarfsträger eingesetzt werden kann. Eine zentrale Rolle im Rehaprozeß spielen die Rehafachberater (siehe Abb. 3).

Die DRV-BS-H hat ihre Rehafachberater umfassend im Fallmanagement ausbilden lassen und in der Durchführung einer systematischen Situationsanalyse gemäß ICF geschult. Damit soll auch ein Perspektivwechsel im Sinne des umfassenden Teilhabegedankens im Selbstverständnis der Rehafachberater selbst gefördert werden.

4. Firmenservice

Als kostenloses Angebot an Firmen, Personalabteilungen, Personalvertretungen und Betriebsärzte halten die DRVen einen Firmenservice vor, der bundesweit unter der Telefonnummer 0800 1000 453 erreichbar ist. Auch Schwerbehindertenvertretungen und Inklusionsbeauftrage können diesen Service nutzen.

In seinem Modul 1 "Gesunde Mitarbeiter" bietet der Service z. B.:

  • Informationen zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation/ Teilhabe am Arbeitsleben und Prävention
  • Informationen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement und im Speziellen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement
  • Lotse/ Wegweiser durch das Sozialversicherungssystem

5. Fazit

Jan Miede meint, dass das vorhandene Rechtssystem auch unter den Bedingungen des Digitalen Wandels in der Arbeitswelt für eine bedarfsgerechte berufliche Rehabilitation ausreicht. Die Logistik der Leistungsträgerschaft und -erbringung müsse jedoch orientiert an den aktuellen Erfordernissen jeweils weiterentwickelt werden, z.B. im trägerübergreifenden Fallmanagement. Probleme sieht er beim mangelnden Wissen um die möglichen Teilhabechancen und -leistungen und im begrenzten Engagement der Beteiligten. Er ruft Erwerbstätige mit Behinderungen auf, sich in den Betrieben, bei Betriebs- und Personalräten und den Schwerbehindertenvertretern und nicht zuletzt durch Ansprache der zuständigen Rehafachberater laut genug Gehör zu verschaffen, denn ihre Ansprüche seien Rechtsansprüche und keine Gefälligkeiten der Leistungsträger.

Diskussion

In der anschließenden Diskussion werden die tendenziell positiven und optimistischen Darstellungen des Referenten mit eher negativen Erfahrungen einzelner, selbst von Behinderung Betroffener und von Schwerbehindertenvertretungen (SBV) konfrontiert. Berichtet wird aus SBV-Sicht von schwerwiegenden Koordinations- und Kooperationsproblemen unter den Leistungsträgern, von extrem langen Antragslaufzeiten und Zuständigkeitsunklarheiten. Keiner der genannten Fälle stammt jedoch aus dem Zuständigkeitsbereich von Jan Miede. Der sagt zu, sich persönlich und schnell um Lösungen zu kümmern, wenn entsprechende Beschwerden an ihn etwa über den DVBS herangetragen werden. Aber auch einzelne positive Erfahrungen mit der Erbringung von Rehaleistungen werden berichtet. Auch die Forderung nach der Überwindung des gegliederten Rehträgersystem durch die Schaffung einer umfassenden Bundesanstalt für Rehabilitation wird gefordert.

Der Tagungsmoderator dankt dem Referenten für seine ausführliche Darstellung und die Schilderung beispielgebender Initiativen der DRV BS-H für eine moderne und bedarfsgerechte Rehabilitation im Rahmen der gegebenen gesetzlichen Regelungen.

Zum Referenten

Jan Miede ist Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover. Der 57-jährige Jurist startete seine berufliche Karriere bei der Berufsgenossenschaft in Hannover und Hamburg und wechselte 2008 zum größten regionalen Rentenversicherer in Norddeutschland. Als stellvertretender Geschäftsführer verantwortete er dort zunächst die Arbeitsbereiche Leistungsrecht der Rehabilitation, Auskunfts- und Beratung, Kliniken und Ärztlicher Dienst. Anfang des Jahres stieg Jan Miede zum Geschäftsführer auf. Unter seiner Verantwortung brachte das Haus bundesweit wegweisende Rehaprojekte auf den Weg.

Die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover betreut in weiten Teilen Niedersachsens rund zwei Millionen Versicherte und mehr als eine Million Rentner.

Linktipps

  • Das Referat, die Präsentation und die anschließende Diskussion wurden per Videoaufzeichnung dokumentiert und sind auf der DVBS-Webseite zugänglich unter https://dvbs-online.de. Die oben dargestellte, nicht autorisierte kurze Zusammenfassung des Referats gibt lediglich einen thematischen Überblick. Es gilt ausschließlich das gesprochene Wort.
  • Jan Miedes Präsentation als barrierefreies PDF
  • Weitere Informationen zur DRV BS-H gibt es z. B. unter https://de.wikipedia.org/
  • Internetpräsenz der Deutschen Rentenversicherung: https://www.deutsche-rentenversicherung.de

Foto, Bildunterschrift: Jan Miede. Foto: DRV-BS H [Portraitfoto Jan Miede]

Abb. 1: Die Ziele des SGB IX im Prozessmodell. Quelle: Präsentation J. Miede (DRV) am 4.3.2019, Folie 5. [10 Schritte der Intervention im Verlauf der Erkrankung, die zur Genesung hinführen: Eigenverantwortung, GBM/Arbietsschutz, BEM, Früherkennung MFS, Prävention GKV / GUV / GRF, Koop. GKV, Reha MBOR / LTA, Wiedereingliederung / Fallmanagement Koop. BA, Bewerdevalidierung / EM-Rente, Rückkehr aus Rente.

Abb. 2: Leistungsspektrum der DRV. Quelle: Präsentation J. Miede (DRV) am 4.3.2019, Folie 16 [9 Kästen, verbunden durch einen stilisierten Kreis: Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes / Eingliederungshilfen an Arbeitgeber / Arbeits- und Berufsförderung in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen / Arbeitsgeräte und Kleidung, Lernmittel, Lehrgangskosten und Prüfungsgebühren / Arbeitsassistenten / Arbeitserprobung und Berufsvorbereitung / Berufliche Anpassung, Aus- und Weiterbildung / Eingliederungszuschuss bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit / Kostenzuschüsse zum KfZ; Zusatzausstattung, Fahrerlaubnis.

Abb. 3: Case Management DRV. Quelle: Präsentation J. Miede (DRF) am 4.3.2019, Folie 31 [Text: Alle FB wurden/werden zu CM weitergebildet: Sie erfassen die gesamte Lebenssituatin (systematische Situationsanalyse), sie gehen stärker auf Ressourcen der Kunden ein, sie koordinieren bei Bedarf die erforderlichen Dienste, sie kooperieren bei Bedarf im Netzwerk, sie behalten im gesamten Prozess die Fäden in der Hand, mit dem Ziel, die LMR nachhaltig zum Erfolg zu führen!

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3. Podiumsdiskussion "Sind die Leistungsträger noch up to date?"

von Ursula Müller

Der Moderator Uwe Boysen beginnt die Podiumsdiskussion mit einem Zitat, dessen Autor er erst am Ende der Veranstaltung verrät:

"Die moderne Industrie betrachtet und behandelt die vorhandene Form eines Produktionsprozesses nie als definitiv. Die Natur der großen Industrie bedingt daher Wechsel der Arbeit, Fluss der Funktion, allseitige Beweglichkeit des Arbeiters. Man hat gesehen, wie dieser absolute Widerspruch alle Ruhe, Festigkeit, Sicherheit der Lebenslage des Arbeiters aufhebt, ihm mit dem Arbeitsmittel beständig das Lebensmittel aus der Hand zu schlagen und mit seiner Teilfunktion ihn selbst überflüssig zu machen droht."

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde richtet Uwe Boysen die ersten Fragen an Rosita Schlembach.

1) Wie reagieren die Integrationsämter auf die Digitalisierung? Was können Integrationsämter gegen Arbeitsplatzgefährdung tun?

Rosita Schlembach, Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter (BIH), berichtet, dass sich die BIH bereits seit zwei Jahren intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, vorrangig zunächst auf Ebene der technischen Beratung, aber auch mit der Intention, selbst am Ball zu bleiben. Auf die Frage nach möglichen Chancen und Risiken bezieht sie sich auf die Risikobewertung von Berufen der Bundesagentur für Arbeit. Eine qualifizierte Ausbildung stelle den Ausgangspunkt für mögliche Chancen auf dem Arbeitsmarkt dar. Lebenslanges Lernen erlange immer mehr an Bedeutung. Allerdings weist sie darauf hin, dass die Integrationsämter Weiterbildung "nur" finanzieren, wenn nicht die Behinderung die Ursache für den Bedarf ist, sondern Veränderungsprozesse am Arbeitsplatz. Sie plädiert für eine frühzeitige persönliche Weiterentwicklung und die Bereitschaft, stetig den eigenen Horizont zu erweitern.

Auf die Frage, ob sie Weiterbildungsangebote prüfe und dabei das Thema Barrierefreiheit berücksichtigt werde, entgegnet sie, dass genau diese Anforderung ein Auslöser für Förderung sei. Sie stellt fest, dass seh- oder hörbeeinträchtigte Menschen aufgrund des Einsatzes von Assistenz zunehmend an "regulären" Angeboten teilnehmen können.

2) Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Qualifizierungschancengesetz zur Beratung und Förderung von Menschen mit Beeinträchtigung?

Michael Tanzer, Regionaldirektion Niedersachsen-Hessen der Bundesagentur für Arbeit, erläutert die Entstehungsgeschichte des neuen Gesetzes. Man unterstellt, dass sich aufgrund der Digitalisierung Arbeitsstrukturen in den betroffenen Betrieben grundlegend ändern und zahlreiche Arbeitsplätze wegfallen werden. Um hier präventiv und dieser Entwicklung entgegen wirken zu können, wurde das Qualifizierungschancengesetz erlassen.

Bislang steht bei der Arbeitsagentur die Förderung und Qualifizierung von Arbeitslosen im Mittelpunkt. Diese wird nun erweitert um Beschäftigte, sowohl bei der Finanzierung von Maßnahmen als auch in punkto Arbeitsentgelt. Beides stellt eine Unterstützungsfunktion der Arbeitgeber dar. Im Bereich der Rehabilitation sind schon immer besondere Förderungen möglich. Auf die Frage von Uwe Boysen, ob die Mitarbeitenden der Bundesagentur nicht Schwierigkeiten im Umgang mit behinderungsspezifischen Fragestellungen hätten, wie es der Bundesrechnungshof festgestellt habe, differenziert Herr Tanzer zwischen "normalen" Arbeitsberatenden und speziell fachausgebildeten Rehateams. Die BA habe einen Qualitätssicherungsprozess angestoßen, der die Hinweise des Bundesrechnungshofes aufgreife. Für eine individuell sinnvolle Förderung sei es für schwerbehinderte Betroffene wichtig, sich an die richtigen Ansprechpartner bei der BA (Rehateams) zu wenden.

3) Wie stehen denn die Arbeitgeber zum Thema Weiterqualifizierung von behinderten Mitarbeitenden?

Reinhard Wagner, Behindertenbeauftragter der Fraport AG, unterstreicht, dass das Thema Weiterbildung bei der Fraport schon immer eine große Rolle gespielt hat, da sich Arbeitsstrukturen stetig verändern und Mitarbeitende sich weiterentwickeln möchten. Er sieht in diesem Kontext ausdrücklich keinen Unterschied zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen. Der Arbeitgeber finanziert die Weiterbildung, die Sozialleistungsträger erstatten ausschließlich den Mehraufwand. Hier könne er sich auch nur für die gute Zusammenarbeit bei den Sozialleistungsträgern bedanken, die im direkten Kontakt seinen Anfragen stets offen und befürwortend gegenüber stünden.

4) Wie stellt sich das bei Evonik-Industries dar?

Kilian Roth, Gesamt-SBV Evonik-Industries, berichtet vom Einzug von Industrie 4.0 bei Evonik und der damit verbundenen Unsicherheit bei der Gestaltung der zukünftigen Arbeit. Er beschreibt die radikalen Veränderungsprozesse im Financial Service, von dem 250 Mitarbeitende betroffen sind. Er geht davon aus, dass die intelligente Anlagenüberwachung perspektivisch viele Arbeitsplätze im Produktionsbereich ersetzen wird und dass der zunehmende Einsatz von Robotern zu einer massiven Kulturveränderung im Betrieb führen wird, den bislang noch niemand überschaut. Die Strategie und das Ziel dieser Entwicklung bleibe für die Mitarbeiter*innen undurchsichtig und führe zu Unsicherheit. Um hier aktiv mit zu gestalten, sind im Betrieb verschiedene Projekte angestoßen worden, z.B. mit der Hans Böckler Stiftung, mit der gemeinsam eine digitale Landkarte erstellt wird. Mit externen Partnern wird ein "New Work Lab" als betriebsinternes Experimentierfeld entwickelt. Klar sei aber schon jetzt, dass enorme Veränderungsprozesse auf jeden Mitarbeitenden zukommen werden.

5) Wie sieht die Perspektive der Schwerbehindertenvertretung auf Bundesebene aus?

Dr. Alexander von Boehmer, AG der SBV des Bundes, erläutert: Hier hat sich mit der Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes viel getan. Seit 2016 ist das Intranet umgesetzt, seit November ist die Umsetzung der EU-Richtlinie für barrierefreie Webseiten erfolgt. Unbemerkt geblieben ist die ganz konkrete Frist bis Ende 2022, zu der barrierefreie IT am Arbeitsplatz umgesetzt sein muss. Dies ist gepaart mit dem IKT-Konsolidierungsgesetz. Angestrebt werden 1 bis 2 IT-Lösungen für die gesamte Bundesverwaltung. Damit erfolgt eine riesengroße Organisationsveränderung, die neue Formen der Zusammenarbeit ermögliche, aber natürlich auch einen großen Weiterbildungsbedarf mitbringe, neue Hilfsmittel erfordere.

Er wünscht sich schnellere Entscheidungsprozesse, beispielsweise im Kontext von Vergabeverfahren. Die SBV sieht er als Motor der Inklusion. Allerdings weist er darauf hin, dass die SBV Barrierefreiheit nicht überprüfe, aber klare Strukturen hierfür für unbedingt erforderlich halte.

6) Wie steht es mit den Anforderungen an Weiterbildung und Veränderungen am Arbeitsplatz im Kontext von Digitalisierung?

Anne-Marie Nebe, Accessibility and Usability Expert bei T-Systems Multimedia Solutions GmbH, erläutert, dass die Anforderungen relativ klar formuliert seien, sie müssten nun durchgesetzt werden. Sie fordert die Schärfung der Digitalisierungskompetenz der Bürger, beispielsweise durch Beschulung von der Grundschule an. Einen anderen Schwerpunkt sieht sie auf Seiten der Softwareentwickler, die ihrer Meinung nach eine Digitalisierungskompetenz entwickeln müssten. Dies bedeute, dass es bei der Softwareentwicklung immer auch um die Kriterien eines bedienbaren und wahrnehmbaren Instruments gehe. Hier biete T-Systems Beratung und Entwicklung an. Berücksichtigt werden müssten die Bedarfe aller Menschen, auch behinderter oder situativ beeinträchtigter Menschen. Diese Anforderungen werden bislang nicht in Wissenschaft und Lehre bedacht und geschult. Arbeitgeber suchen nach dieser Kompetenz auf dem Markt. Sie appellierte an Einrichtungen, verstärkt im IT-Bereich auszubilden. T-Systems biete Trainings von Barrierefreiheits-Experten an. Sie beklagt die fehlende Einheitlichkeit an Ausbildungsstandards in Deutschland und weist auf die IAP hin, die gerade zu diesem Ziel ins Leben gerufen werde.

7) Wie sehen die Veränderungen aus Sicht eines Hilfsmittelfachmanns aus?

Hansjörg Lienert, Fa. Dräger und Lienert Informationsmanagement GbR, schätzt die Entwicklung durch die Digitalisierung sowohl in persönlicher, als auch beruflicher Hinsicht positiv ein für die blind/sehbeeinträchtigten Betroffenen. Er beschreibt zwei Handlungsebenen, die technische sowie den rechtlichen Bereich: zuerst entstehe eine Innovation, die sich verbreite. Daraus entwickelt sich der Bedarf einer Standardisierung und dies erfordere im Weiteren eine gesellschaftliche Kontrolle, also den gesetzlichen Rahmen. Dies bezeichnet er als zivilisatorischen Entwicklungsprozess. Er beklagt, dass sich die Technik sehr schnell entwickele, die Gesetzgebung jedoch kaum hinterher käme. Das führe dazu, dass Systemfehler häufig auf dem Rücken einer Person ausgetragen bzw. dieser zugeordnet werden, z.B. eine blinde Mitarbeiterin in einem Betrieb wird als sehr fit beschrieben, aber man könne sich nicht auf sie verlassen, weil die Technik häufig nicht funktioniere.

Hieraus entstehende Forderungen sollten analog Dr. Böhmer folgendermaßen umgesetzt werden: Wenn Software im Betrieb angeschafft wird, müsse Barrierefreiheit bereits in der Ausschreibung gefordert werden. Nach der Anschaffung müsse durch Betroffene in Kooperation mit Sehenden geprüft werden, ob die Software wirklich barrierefrei sei. Die Aufgaben von Hilfsmittelherstellern sieht er nicht in der Anpassung von Software, sondern bei der Unterstützung, Arbeitsprozesse zu beschleunigen. Er beklagt, dass es im technischen Bereich viel zu wenig Menschen gebe, die aus dem Ingenieurswesen kommen und einen weltweiten Überblick über Entwicklungen habe (z.B. Prof. Dr. Weber). Die Umsetzung von barrierefreien Systemen müsse gesamtgesellschaftlich gefordert werden. Blindenarbeitsplätze erinnern ihn häufig an Sklavenarbeit, da die Beschäftigten mit überwiegend stupiden Aufgaben betraut (Listen abarbeiten etc) werden und keine nachhaltige Beschäftigungsstrategie darstellen, insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmenden Automatisierung. Außerdem hält er eine größere Vielfalt bei der Hilfsmitteltechnik für notwendig und bedauert die Reduktion auf ein bis zwei Anbieter von Screenreadern.

8) Welche Erfahrungen haben Blinde mit Weiterbildungen?

Rita Schroll unterstreicht aus ihrer eigenen Erfahrung als blinde Teilnehmerin zahlreicher Weiterbildungen die Notwendigkeit, aber auch die Chancen, lebenslang lernen zu dürfen und zu können. Auch sehbeeinträchtigte Menschen müssen hieran partizipieren können, stoßen jedoch immer wieder auf Hürden.

Sie befürwortet ein größtmögliches Maß an inklusiver Weiterbildung, sieht aber auch die Notwendigkeit, bei behinderungsspezifischen Themen exklusive Angebote zu haben. Inklusive Weiterbildung scheitere bei nicht erwerbstätigen Menschen häufig schon am Weg und an nicht lesbaren Materialien. Bei erwerbstätigen Menschen ist diese Hürde meist über die Assistenz zu regeln.

Sie plädiert dafür, den Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes um die Förderung der Herstellung von barrierefreien Materialien zu erweitern und fordert eine zentrale Umsetzungsstelle. Sie regt auch an, dass Weiterbildungsangebote kleinerer WB-Anbieter häufiger als Bildungsurlaub angeboten werden sollten.

Ihr Tipp für eine erfolgreiche Teilnahme: im Vorfeld bei der Anmeldung bereits aktiv auf die Behinderung hinweisen und sich die Materialien vor der Veranstaltung zusenden lassen.

Hürden treten bei der Teilnahme neben dem Weg auch in der Pause bei Gesprächen und Gruppenbildungsprozessen auf. Durch den Erfahrungsaustausch untereinander müsse man sich stärken, außerdem weist sie auf die Plattform von iBoB hin als gute Möglichkeit, sich zu orientieren.

9) Brauchen wir eine Weiterbildung der Weiterbildner?

Andreas Vollmer, Direktor der Studiengemeinschaft Werner Kamprath Darmstadt (sgd), stellt das Konzept der Fernschule dar. Das Angebot umfasst rund 300 Onlinekurse. Die sgd wisse nicht, ob behinderte Teilnehmende unter den Studierenden sind oder nicht. Zur Unterstützung erhalten Teilnehmende eine*n persönliche*n Tutor*in sowie eine*n Ansprechpartner*in für organisatorische Fragen zur Seite gestellt. Die Materialien wurden früher als Brief versandt, heute sind sie als PDF- oder html-Dateien im Download verfügbar. Die sgd versucht eine möglichst barrierefreie Umgebung zu schaffen und hat damit bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. Außerdem bietet die sgd Bildungsurlaubsangebote an. Wo möglich und nötig werden die Weiterbildungsangebote AZAV zertifiziert.

Andreas Vollmer befürwortet den Begriff "lebensbegleitendes Lernen". Das vorhandene Angebot wird bestimmt von der Arbeitsmarktrelevanz. Als Weiterbildner setzten sich die sgd tagtäglich mit der zunehmenden Digitalisierung auseinander und entwickelt sich weiter. Er spricht in diesem Kontext von Digitalität, da diese Prozesse alle Lebensbereiche durchdringen und betreffen. Er befürchtet, dass sie manchmal in ihren Bemühungen über das Ziel hinausschießen und ist sich nicht sicher, ob neue Angebote, wie z. B. die Entwicklung der Lernplattform, immer behindertenkompatibel sind.

10) Wie motiviert die Deutsche Rentenversicherung Mitarbeiter*innen, sich mit den unterschiedlichen Arten von Behinderungen und den daraus resultierenden Anforderungen auseinander zu setzen?

Jan Miede berichtet von einer 400-stündigen Fortbildung im Casemanagement, die derzeit innerhalb der DRV durchgeführt wird. Diese unterstützt die Mitarbeitenden dabei, betroffenenzentriert zu arbeiten.

Uwe Boysen regt an, Weiterbildungen mit Betroffenen anzubieten, um praktische Anforderungen zu veranschaulichen und Betroffene in den Prozess einzubeziehen. Jan Miede führt an, dass aus diesem Grund bei der nächsten Fachberatertagung der DRV Niedersachsen und DRV Bund Klaus Winger eingeladen ist, Anforderungen zu erläutern.

Uwe Boysen schließt die Diskussion und bedankt sich bei allen Teilnehmenden. Das Eingangszitat stammt übrigens von Karl Marx, passt aber durchaus in unsere Zeit.

Zu den Teilnehmenden der Podiumsdiskussion

  • Dr. Alexander von Boehmer ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen des Bundes (http://agsvb.de). Er beschäftigt sich mit den absehbaren Auswirkungen, Gefährdungen und Neuerungen des e-Governments auf die Arbeitsplätze vor allem behinderter Menschen.
  • Hansjörg Lienert ist Geschäftsführer der Firma Dräger & Lienert Informationsmanagement GbR mit Sitz in Marburg (https://www.dlinfo.de) und selbst von Sehbehinderung betroffen.
  • Jan Miede, Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, vertritt den ICF-Ansatz des bio-psycho-sozialen Modells und initiierte bundesweit wegweisende Rehaprojekte.
  • Anne-Marie Nebe ist als Accessibility and Usability Expert bei T-Systems Multimedia Solutions GmbH tätig. Sie unterstützt u. a. durch Beratungen und Schulungen die Digitalisierungsteilhabe behinderter Menschen.
  • Kilian Roth, Mitglied der Gesamt-Schwerbehindertenvertretung (SBV) der Evonik-Industries, engagiert sich bundesweit in SBV-Angelegenheiten. Er gehört außerdem zu den Kooperationspartnern des Projekts iBoB.
  • Rosita Schlembach vertritt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH). Sie ist stellvertretende Leiterin des Integrationsamts Hessen (https://www.integrationsamt-hessen.de). Rosita Schlembach unterstützt das iBoB-Projekt innerhalb der BIH.
  • Rita Schroll vertritt auf der Podiumsdiskussion von Blindheit betroffene Beschäftigte. Sie arbeitet beim Hessischen Koordinationsbüro für Frauen mit Behinderung und ist Peer Counselor. Zu ihren Beratungsschwerpunkten gehören Erwachsenenbildung, Teilhabe und Empowerment (http://peer-counseling.org).
  • Michael Tanzer vertritt die Bundesagentur für Arbeit (BA). Er ist in der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der BA als Inklusionsspezialist tätig und hat langjährige Erfahrungen in der beruflichen Reha.
  • Andreas Vollmer ist Pädagogischer Direktor der Studiengemeinschaft Werner Kamprath Darmstadt (sgd) (https://www.sgd.de).
  • Reinhard Wagner, Fraport AG UnternehmensForum, ist Inklusionsbeauftragter der Fraport AG und vertritt das Unternehmensforum als Partner im Projekt iBoB.
  • Moderation: Uwe Boysen, DVBS e. V. , Richter im Ruhestand, engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den DVBS e. V., u. a. von 2004 bis 2016 als Erster Vorsitzender.

Linktipp

Link zum Videomitschnitt der Podiumsdiskussion und der Teilnehmerliste

Fotos: 1. Blick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion am 4. März 2019 in Kassel. Foto: AVIGRO; 2. Foto: Uwe Boysen. Foto: DVBS. [Portraitfoto Uwe Boysen]

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4. Dr. Christa Larsen: Wirtschaft digital - Herausforderungen für die Weiterbildung und die Kompetenzentwicklung (von Betrieben und Beschäftigten)

Zusammengefasst von Klaus Winger.

Frau Dr. Larsen stellt sich als Arbeitsmarktforscherin vor, die sich intensiv mit den Themen Digitalisierung und Weiterbildung beschäftigt. Vor der Einladung zur Mitarbeit an dieser Tagung hatte sie jedoch noch nie mit dem Thema Barrierefreiheit im Zusammenhang von IT-Nutzung und Zugänglichkeit von Weiterbildung insbesondere für sinnesbehinderte Menschen zu tun, wie sie eingangs berichtet.

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), ein Forschungsinstitut der Goethe-Universität Frankfurt am Main, berät die hessischen und rheinland-pfälzischen Sozial- und Wirtschaftsministerien zu relevanten politischen Sachfragen, auch zu Arbeitsmarkt- und Weiterbildungsthemen. Dr. Larsens Vortrag basiert auf den Ergebnissen einer Studie, die das IWAK mit hessischen Betrieben unterschiedlicher Branchen und Größen von 2016 bis 2018 durchgeführt hat, um die Frage "Welche Kompetenzen brauchen Beschäftigte in einer sich digitalisierenden Wirtschaft?" zu beantworten.

Der Studie liegt ein umfassender Kompetenzbegriff zugrunde. Er beinhaltet die im Kontext der Digitalisierung relevanten Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen, die einerseits Beschäftigte innerhalb und auch außerhalb ihres Arbeitsumfeldes erwerben, als auch die Digitalkompetenzen der Unternehmen bzw. deren Managements.

Die Verfasser der Studie beschreiben Digitalisierung als einen kontinuierlich fortschreitenden Prozess. Auch der Bedarf an und die Entwicklung der Digitalkompetenzen der Beschäftigten werden prozessual und als Kontinuum gesehen.

Die Vortragende legt Wert auf die Feststellung, dass bei der Beantwortung der Frage nach dem Kompetenzbedarf nicht nur die beiden Komponenten Technologieentwicklung und Beschäftigte als Technologienutzer betrachtet werden dürfen. Hinzukommen muss die Komponente Organisation bzw. Betrieb, denn diese beeinflusst Intensität und Ausgestaltung des Technologieeinsatzes und damit den Bedarf an Digitalkompetenzen.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist die Typisierung der untersuchten Unternehmen nach vier Stadien der Digitalisierung, in denen sie sich jeweils aktuell befinden. Diesen Stadien lassen sich spezifische Kompetenzbedarfe einerseits des Unternehmens und andererseits der Beschäftigten zuordnen. Diese Unternehmenstypen sind:

  1. Die Digitalisierungsskeptiker. Sie sind eher kleinere und mittlere Betriebe. Ihr Digitalisierungsgrad ist gering, sie nutzen z.B. eine Website oder Accounts in sozialen Medien. Digitalisierungsskeptiker benötigen auf Management- und Beschäftigtenebene Kompetenzen, die helfen, die bestehenden Barrieren bei der Implementierung digitaler Prozesse zu überwinden.
  2. Die Wegbereiter einer humanen Mensch-Technik-Interaktion. Sie sind eher mittlere und wenige Großbetriebe. Ihr Digitalisierungsgrad ist meist noch gering, der Digitalisierungsbedarf wird zum Teil aber als recht hoch eingeschätzt. Dieser Unternehmenstyp benötigt Kompetenzen für das Management des Wandels und die Entwicklung der Beschäftigten, um die Potentiale der IT-Technologie bestmöglich nutzen zu können. Die Typen 1 und 2 dürften quantitativ mehr als die Hälfte der hessischen Unternehmen ausmachen.
  3. Die Wegbereiter einer partizipativen Digitalisierung. Hier rangieren weitgehend durchdigitalisierte Mittel- und Großunternehmen. Sie benötigen auf Beschäftigten- und Managementseite die Kompetenzen, die hilfreich sind, um den weiteren Weg in die Digitalisierung erfolgreich zu beschreiten, z.B. das "Digital Mindset".
  4. Die Wegbereiter eines neuen digitalen Selbstverständnisses. Recht wenige kleinere und mittlere IT-Unternehmen und vereinzelte Großunternehmen besetzen z.Zt. in Hessen diesen Typus. Sie sind voll durchdigitalisiert und benötigen die Kompetenzen, die sie als lernende Organisationen und digitale Berater stärkt (siehe Abb. 2).

Der Bedarf an Digitalkompetenzen von Beschäftigten orientiert sich nach dem jeweiligen Betriebstyp. Je nach Status im Rahmen der kontinuierlichen Entwicklung der Digitalisierung im konkreten Betrieb entwickelt sich der Kompetenzbedarf. Benötigen die Beschäftigten im Unternehmenstyp 1 noch Technikaffinität, Offenheit für Veränderungen und sozial-kommunikative Fähigkeiten, so wird von Beschäftigten im Typ 2 neben Technikaffinität auch schon Steuerungs- und Monitoringkompetenz sowie Selbststeuerungskompetenz erwartet. Mit zunehmendem Digitalisierungsgrad wachsen die Anforderungen an Digitalkompetenz zu technischem und IT-Verständnis, Kommunikationsfähigkeit und einem sogenannten Digital Mindset. Dieses Mindset umfasst die Kompetenzen Offenheit für Veränderung, Flexibilität und Lebenslange Lernbereitschaft.

Die Vortragende orientiert sich bei der systematischen Darstellung der Digitalkompetenzen am Kompetenzatlas von Heyse und Erpenbeck (2009), der in die Felder Personale Kompetenzen, Aktivitäts- und Handlungskompetenzen, Sozial-Kommunikative Kompetenzen sowie Fach- und Methodenkompetenzen gegliedert ist.

Im Feld Personale Kompetenzen sind als nötige Digitalkompetenzen insbesondere Selbstmanagement, Eigenverantwortung, Offenheit für Veränderungen, Lernbereitschaft und Ganzheitliches Denken adressiert.

Aus dem Feld Sozial-Kommunikative Kompetenzen werden als Digitalkompetenzen vorrangig Problemlösefähigkeit, Teamfähigkeit, Kundenorientierung, Beratungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Beziehungsmanagement und Anpassungsfähigkeit erwartet.

Im Feld Aktivitäts- und Handlungskompetenzen sind insbesondere die Entscheidungsfähigkeit und die Innovationsfreudigkeit angesprochen.

Im Kompetenzfeld Fach- und Methodenkompetenzen liegt der Bedarf besonders bei Beurteilungsvermögen, Folgebewusstsein, Marktkenntnis und Fachübergreifende Kenntnisse, wobei bei letzterem im Kontext der Digitalisierung insbesondere Technische Anwenderkompetenz, Rechtsexpertise sowie Medien- und Onlinekompetenz gemeint sind.

Die Formate für die Vermittlung der Digitalkompetenzen an die Beschäftigten sind nach wie vor vielfältig, formell und informell, vom Präsenzlernen bis zum selbstgesteuerten Lernen mit Hilfe entsprechender webbasierter Plattformen. Wesentlich sei, die Weiterbildung ebenso wie die Digitalisierung als kontinuierliche Prozesse zu verstehen und auf die jeweiligen individuellen Settings der Beschäftigten in der spezifischen Digitalisierungsstufe ihres Unternehmens zu fokussieren. Dr. Larsen beendet ihren Vortrag mit einem Resümee, das einer human orientierten, partizipativen Weiterentwicklung der Digitalisierung mit einem hohen Anteil an Weiterbildung und Mitarbeiterentwicklung als sachgerechter Strategie Ausdruck verleiht. Die frühzeitige Beteiligung der Beschäftigten an der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Digitalisierung sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor, die rechtzeitige und kontinuierliche Weiterbildung und Kompetenzentwicklung der Beschäftigten eine Bedingung dafür (siehe Abb. 2, Resümee).

Zur Referentin

Dr. Christa Larsen ist Geschäftsführerin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), Zentrum der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sie hat nach einem Studium der Soziologie, der Volkswirtschaftslehre und der Politikwissenschaften in der Empirischen Sozialforschung promoviert. Seit fast 20 Jahren befasst sie sich in Studien und in der Politikberatung mit Themen des Arbeitsmarkts, der Qualifizierung und der Regionalentwicklung. Ihre aktuellen Arbeiten richten sich auf Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess in Zeiten der Digitalisierung und des demografischen Wandels. Durch ihre Funktion als Geschäftsführerin des European Network on Regional Labour Market Monitoring ist sie europaweit in der empirischen Arbeitsmarktforschung vernetzt.

Linktipps

Foto: Dr. Christa Larsen. Foto: Privat [Portraitfoto]

Abb. 1: Betriebe in verschiedenen Stadien der Digitalisierung. Quelle: Präsentation Dr. Larsen am 5.3.2019, Folie 2.1 bis 2.4.; Abb. 2: Resümee. Quelle: Präsentation Dr. Larsen am 5.3.2019, Folie 6.

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5. Dr. Michael Richter: Sozialrechtliches Kurzgutachten zur Frage der Finanzierungssituation von speziellen Fort- und Weiterbildungsangeboten für insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen

Dr. Michael Richter, Geschäftsführer der Rechte behinderter Menschen rbm gGmbH, berichtete über die Ergebnisse seines Gutachtens, das die Finanzierungssituation von Fort- und Weiterbildungsangeboten insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen untersucht. Wie Dr. Richter betonte, ist der Zeitpunkt für Diskussionen und Änderungen jetzt günstig, da seit Januar das neue "Qualifizierungschancengesetzt" gilt und ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über Leistungen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nach § 185 SGB IX Rückenwind gibt. "Die gesetzliche Basis ist vorhanden! Doch die Umsetzung bedarf viel guten Willens", so Dr. Richter.

Er plädierte dafür, die Bundesagentur für Arbeit, aber auch Renten- und Unfallversicherungen aufzufordern, Förderempfehlungen für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu erlassen, um Entscheider für die besonderen Bedarfe schwerbehinderter, vor allem blinder und sehbehinderter Menschen, zu sensibilisieren. Außerdem sollten bei der Fort- und Weiterbildungsförderung der Einsatz von Einkommen und Vermögen von Menschen mit einer Behinderung gestrichen und allenfalls durch eine Eigenbeteiligung ersetzt werden. Einen großen Schritt vorwärts wäre eine Gesetzesänderung, die die Aufgabe des Integrationsamtes gem. § 185 SGB IX erweitert, damit Anbieter von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für die barrierefreie Gestaltung Förderungen durch das Integrationsamt erhalten könnten.

Im Folgenden lesen Sie einen Auszug aus dem Kurzgutachten, das Dr. Richter zusammen mit der Rechtsassessorin Renata Kohn verfasst hat (S. 7-8, S. 32, 34-35, 39-40):

Einführung

In der Begründung zum Entwurf eines sogenannten "Qualifizierungschancengesetz" vom 12.10.2018 der Bundesregierung, federführend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verantwortet, heißt es:

"Der Arbeitsmarkt von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem qualifizierten Berufsabschluss entwickelt sich weiter in Richtung Vollbeschäftigung. (...)"

(BT-Drucks 19/49/48. QV Nr. 1) Das Qualifizierungschancengesetz wurde am 30.11.2018 verabschiedet und trat ab 01.01.2019 in Kraft.

Andererseits darf die gute Entwicklung aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Arbeitsmarkt in Zukunft in immer kürzeren Zeiträumen wandeln wird. Auf diese Entwicklung müssen sich Beschäftigte und Arbeitgeber aktiv vorbereiten: Die demografische Entwicklung führt in einigen Berufen und Regionen bereits heute zu Fachkräfteengpässen. Dies gilt nicht nur für akademische Berufe, sondern auch für anerkannte Ausbildungsberufe. Der demografische und der technologische Wandel werden die wirtschaftliche und strukturelle Veränderung des Arbeitsmarktes beschleunigen und massive qualifikatorische Anpassungen fordern. Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt stellen zudem veränderte Anforderungen an den sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit. Die Digitalisierung verändert auch die Anforderungen, die Arbeitgeber an ihr Personal stellen. (Kurzbericht 12/2017 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). QV Nr. 2) Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in einem Beruf mit einem hohen Substituierbarkeitspotenzial durch Digitalisierungs- und Automatisierungsprozesse arbeiten, ist von 15 Prozent im Jahr 2013 auf 25 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. (Kurzbericht 12/2018 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung(IAB).QV Nr. 3)

Die Bundesregierung hat sich vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, die Weiterbildungsförderung für arbeitslose und beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verstärken und zu flexibilisieren mit dem Ziel, zukünftig allen Beschäftigten, deren berufliche Tätigkeiten durch Technologien ersetzt werden können, in sonstiger Weise vom Strukturwandel betroffen sind oder in Engpassberufen eine Weiterbildung anstreben, unabhängig von Qualifikation, Lebensalter und Betriebsgröße den Zugang zur beruflichen Weiterbildungsförderung zu ermöglichen und die Fördervoraussetzungen und -leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auf aktuelle und künftige Herausforderungen auszurichten. Ergänzend soll die Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung der Bundesagentur für Arbeit (BA) gestärkt werden (aaO).

Dies ist auch ein Beitrag für die Entwicklung einer Nationalen Weiterbildungsstrategie von Bund, Ländern und Verbänden, die sich entlang der Bedarfe von Beschäftigten und Unternehmen ausrichten soll. Dies entspricht dem Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen, nach dem u. a. die Zugangsmöglichkeiten zur beruflichen Weiterbildung erweitert, die Weiterbildung von Geringqualifizierten und Älteren verbessert und die gemeinsame Verantwortung von Arbeitgebern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Weiterbildung gestärkt werden soll (aaO).

Diese Ausführungen zur Begründung verbesserter Fördermöglichkeiten für Arbeitslose und Erwerbstätige in Sachen Weiterbildung zeigen ganz deutlich, dass auch in der Politik das Bewusstsein um die immer größer werdende Wichtigkeit des zeitnahen und flexiblen Erwerbs neuer Qualifikationen in einer sich immer schneller wandelnden Arbeitswelt erkannt wurden. Neben dieser ganz allgemeinen Erkenntnis besteht jedoch gerade für Menschen mit einer Behinderung und hier insbesondere für sehbehinderte und blinde Menschen ganz besonders die Notwendigkeit des erleichterten Weiterbildungszugangs. Dies wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass jede allgemeine Veränderung, z.B. die Einführung neuer digitalisierter Arbeitsvorgänge für den sehbehinderten oder blinden Erwerbstätigen eine MehrfachAnforderung bedeutet. Er muss sich mit der digitalen Innovation auseinandersetzen. Darüber hinaus steht er aber auch in aller Regel noch vor der zusätzlichen Herausforderung, die die digitale Innovation auch mit seiner angepassten oder anzupassenden behinderungsspezifischen Arbeitsplatzausstattung bewältigen zu können. Mit anderen Worten, bedingt in aller Regel jede innovative Veränderung des Arbeitsplatzes eines sehbehinderten oder blinden Menschen zwei Weiterbildungsbedarfe, denn zum einen muss ein Einsatz der technischen Innovation erlernt werden und zum anderen der zumeist hierdurch notwendig veränderte Umgang mit Hilfsmitteltechnologie. Im Ergebnis gilt demnach, dass schwerbehinderte Menschen und insbesondere sehbehinderte und blinde Menschen durch den Wandel der Arbeitswelt einen besonders hohen Bedarf an allgemeiner und spezieller Weiterbildung zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit im eingangs beschriebenen Sinn haben und mithin sollen spezielle und allgemeine Förderungsmöglichkeiten für diesen Personenkreis im folgenden Kurzgutachten besonders untersucht werden.

(...)

3. Ansätze zur Verbesserung der aktuellen Förderungspraxis

3.3 Politische Forderungen

Größerer Gesetzesänderungen bedarf es zur Verbesserung der Fördermöglichkeiten für insbesondere Menschen mit einer Behinderung derzeit nicht, da, wie bereits in Punkt 2.7 ausgeführt, der geltende rechtliche Rahmen bereits eine angemessene und ausreichende Förderbarkeit von Weiterbildungen für diesen Personenkreis vorsieht. Hingegen bedarf es dringend der Klarstellung in untergesetzlichen Ausführungsverordnungen (z.B. der SchwbAV), Empfehlungen (Empfehlung der BIH) oder der entsprechenden Arbeitsanweisung zur Umsetzung von Ansprüchen (Handlungsempfehlung und Geschäftsanweisung der BA) um den, in der Gewährungspraxis verfestigten Ziel der Maßnahmen, der Vermeidung von individueller Arbeitslosigkeit, hin zur Verbesserung von Qualifikationsprofilen von Menschen mit einer Behinderung zur Stärkung deren Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, eine größere Bedeutung in der Förderpraxis zu verhelfen. Zur Bestärkung dieses Anliegens sollte dringend auf die Begründung des "Qualifizierungschancengesetzes" und auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes zum gesetzlich vorgesehenen Ziel der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben verwiesen werden. Der in diesem Rahmen augenscheinlich verbreiteten "Angst" vor einer vermeintlichen Besserstellung von Menschen mit einer Behinderung könnte mit dem Hinweis auf die aktuell deutlich schlechtere Beschäftigungssituation dieses Personenkreises entgegen getreten werden. Weiterhin scheint die entsprechende Fort- und Weiterbildung von leistungsgewährenden Sachbearbeitern bei den Leistungsträgern oder/und Sensibilisierungsmaßnahmen für diese Mitarbeiter für die vorbenannte Problematik sinnvoll (z.B. Erarbeitung eines leistungsträgerspezifischen Aktionsplans).

Ganz besonders wichtig wäre die Umsetzung der beiden letztgenannten Maßnahmen bei den Rentenversicherungsträgern, bei den Berufsgenossenschaften und bei den Trägern der Eingliederungshilfe, da diese Leistungsträger weder direkt durch das "Qualifizierungschancengesetz", noch durch die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes betroffen sind und dementsprechend keinen positiven Impuls zur Erweiterung ihrer Weiterbildungsförderung erfahren haben.

Weiterhin wäre gegenüber der BA zu fordern, dass sicherzustellen ist, dass eine Anerkennung als zugelassener "Weiterbildungsträger" nach § 82 Abs. 1, Nr. 5 SGB III nur dann erfolgen kann, wenn sich dieser zur Barrierefreiheit seiner Angebotsgestaltung verpflichtet oder zumindest ausreichend "angemessene Vorkehrungen" anbietet, um jedem Menschen mit einer Behinderung die Teilnahme sinnvoll zu ermöglichen.

Letztlich erscheint es auch sinnvoll zu fordern, dass Weiterbildungsangebote, die insbesondere dem adäquatem Umgang mit einer Behinderung im Arbeitsleben fördern sollen, die vielfach nur durch Selbsthilfeorganisationen oder durch spezielle Einrichtungen angeboten werden können, nur einer grundsätzlichen Anerkennung bedürfen (z.B. durch das örtlich zuständige Integrationsamt) und nicht noch einmal eine Prüfung der Geeignetheit im Einzelfall erfolgt. Durch eine solche Verfahrensweise könnte das derzeit sehr überschaubare Angebot an diesen, sehr wichtigen Weiterbildungen deutlich, aufgrund einer dann deutlich verbesserten Plan- und Kalkulierbarkeit für die wenigen in Betracht kommenden Anbieter, erweitert werden.

(...)

3.5 Handlungsempfehlungen

Der derzeit günstige Zeitpunkt für eine sensibilisierte Leistungsträgerlandschaft durch das in Kraft getretene "Qualifizierungschancengesetz" und durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zum Zweck von Leistungen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nach § 185 SGB IX sollte für eine Diskussion bezüglich erforderlicher Anpassungen für Menschen mit einer Behinderung genutzt werden.

Dies bedeutet im Einzelnen:

  1. Insbesondere die Bundesagentur für Arbeit, aber auch Renten- und Unfallversicherungen sollten aufgefordert werden, Förderempfehlungen für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Sinne des "Qualifizierungschancengesetzes" zu erlassen um Entscheider für die besonderen Bedarfe dieses Personenkreises zu sensibilisieren. Ergänzend könnte diese Aufklärung auch durch die Erarbeitung trägerspezifischer Aktionspläne erfolgen. Für die Notwendigkeit solcher Maßnahmen könnte auf die anhaltend dramatisch schlechtere Beschäftigungssituation von Menschen mit einer Behinderung hingewiesen werden. Letztlich sollte ein Musterfall zur Anwendbarkeit von § 17 SGB I für die Zulassung von Fort- und Weiterbildungsträgern und die hierbei verbindliche Vorgabe von Aspekten der Barrierefreiheit identifiziert werden. Hierdurch könnte ebenfalls eine Sensibilisierung der BA und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für dieses Thema gefördert werden.
  2. Es ist dringend Kontakt mit der BIH aufzunehmen um eine "zeitgemäße" Überarbeitung der Empfehlungen zur Förderung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu fordern. Folgende Punkte sollten bei einer Überarbeitung dringend Berücksichtigung finden:
    1. Der Wortlaut einer neuen BIH-Empfehlung sollte deutlich die Wichtigkeit der Förderung des Erwerbs eines arbeitsmarktgerechten Qualifikationsprofils herausheben.
    2. Eine verbindliche Anerkennung über die Geeignetheit von insbesondere Weiterbildungsmaßnahmen für einen bestimmten Adressatenkreis von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gegenüber dem Anbieter durch das örtlich zuständige Integrationsamt müsste hergestellt werden. Die Verbindlichkeit muss sich zumindest auf die Geeignetheit des Angebotes für einen benannten Adressatenkreis - z.B. blinde und sehbehinderte Erwerbstätige in Büroberufen - beziehen und muss eine erneute Prüfung durch die, jeweils für die Betroffenen zuständigen Integrationsämter, ausschließen.
    3. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen von Menschen mit einer Behinderung im Rahmen einer Fort- und Weiterbildungsförderung ist zu streichen und allenfalls durch eine Eigenbeteiligung im Umfang einer sogenannten "häuslichen Ersparnis" zu ersetzen.
    4. Zur Förderung eines breiteren barrierefreien Angebotes von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen könnten die Aufgaben des Integrationsamtes gem. § 185 SGB IX dahingehend erweitert werden, dass auch Anbieter von solchen Maßnahmen für deren barrierefreie Gestaltung Förderungen durch das Integrationsamt erhalten können (Notwendigkeit einer Gesetzesänderung). Das Angebot von Veranstaltungen, die als Bildungsurlaub anerkennbar, barrierefrei zugänglich sind und insbesondere Inhalte vermitteln, die für Menschen mit einer Behinderung einen besonderen Mehrwert bieten, sollten dringend gefördert und erweitert werden.

Zum Referenten

Dr. Michael Richter ist Geschäftsführer der Rechte behinderter Menschen gemeinnützige GmbH (rbm), einer Rechtsberatungsgesellschaft speziell für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Als blinder Anwalt berät und vertritt der 51-Jährige Menschen mit Behinderung bundesweit vor Sozial- und Verwaltungsgerichten. Außerdem engagiert er sich ehrenamtlich in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe.

Linktipps

  • Link zum Videomitschnitt des Vortrags von Dr. Richter am 5.3.2019
  • Michael Richter anlässlich der Fachtagung im Interview des Deutschlandfunks vom 6.3.2019 in der Sendung "Campus und Karriere": https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2019/03/06/
  • Internetpräsenz der rbm gemeinnützige GmbH: https://www.rbm-rechtsberatung.de
  • Dr. Michael Richter, Renate Kohn: Geht doch! Sozialrechtliches Kurzgutachten zur Frage der Finanzierungssituation von speziellen Fort- und Weiterbildungsangeboten für insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen. Hrsg: inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB), ein Projekt des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS). Marburg, 1. Aufl. März 2019. Online zugänglich unter https://weiterbildung.dvbs-online.de/infothek.

Die Printversion ist kostenlos erhältlich beim DVBS, Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Foto: Dr. Michael Richter. Foto: DVBS [Portraitfoto]

Illustration: Hürden überwinden - durch die Finanzierung von Fort- und Weiterbildung kann Teilhabe gestärkt werden. Illustration: DVBS/A. Fibich. [Auf einer schwarze Tafel sind zwei runde Aquariengläser gemalt. Aus dem linken Glas springt gerade ein Fisch in das rechte Glas, in dem drei Fische schwimmen. Das linke Glas ist leer.]

Grafik: Titelbild des Kurzgutachtens.

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6. Best Practice iBoB: Barrierefreie berufliche Weiterbildungen sind möglich!

von Ursula Müller

Unterstützungsstrukturen für die durch Digitalisierung entstehenden beruflichen Veränderungsbedarfe von blinden und sehbehinderten Erwerbsfähigen zu entwickeln und aufzubauen, um so eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu fördern: So kann man die Zielsetzung des Projekts "inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren", kurz iBoB, umschreiben.

Zu den Zielen des Projekts gehören:

  1. Sicherung und Eröffnung neuer Arbeitsmarktchancen durch barrierefreie, zukunftsfähige Weiterbildungsangebote.
  2. Den Prototyp einer barrierefreien Weiterbildungsplattform im Internet zu entwickeln, zu erproben und dort nachhaltig zu verankern.
  3. Eine, auf Bedarfs- und Angebotsanalyse basierende, adressatengerechte Angebotspalette zur berufsfachlichen Weiterbildung zur Verfügung zu stellen.
  4. Unterstützung bei der Teilnahme an Weiterbildungslehrgängen und Prüfungen durch ganzheitliche Beratung und Mentoring.

Grundlage für den Aufbau einer Angebotspalette an Weiterbildungsangeboten stellt die in 2017 durch das Projekt iBoB durchgeführte Befragung zu den Weiterbildungsbedarfen und -wünschen von Betroffenen dar. Sie führte zu folgenden Ergebnissen: Mit dem Hauptanteil von 80% wurden Weiterbildungen im Bereich EDV gewünscht, danach mit 62% aus den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung, gefolgt vom Umgang und Einsatz assistiver Technologien sowie Führungskompetenz. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde der Akquiseprozess begonnen, rund 100 Weiterbildungsanbieter wurden für die Bedarfe von sehbeeinträchtigten Menschen sensibilisiert. Nach gut zwei Jahren sind mittlerweile 15 Weiterbildungsanbieter mit auf Barrierefreiheit geprüften Angeboten auf der Weiterbildungsplattform veröffentlicht. Fazit dieses Prozesses: Das Interesse bei Weiterbildungsanbietern an dem Themengebiet "Barrierefreiheit" ist vorhanden, es besteht aber Sorge vor dem Umsetzungsaufwand!

Auf der Weiterbildungsplattform http://weiterbildung.dvbs-online.de ist es gelungen, Barrierefreiheit transparent darzustellen. Die Plattform ist seit April 2018 online und wurde in dieser Zeit von rund 4.500 Interessierten besucht. Insgesamt sind derzeit 139 Angebote aus 10 Kursbereichen von "Assistiven Technologien" bis zu "Wirtschaft und Finanzen" veröffentlicht. Neben dem reinen Bildungsangebot stehen Informationen, unter anderem zu Finanzierungsmöglichkeiten, und Materialien, wie z. B. das Anforderungsprofil für Weiterbildungsanbieter, zum Download zur Verfügung.

"Menschen mit Sehbehinderungen müssen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe an Weiterbildungen erfolgreich teilnehmen können." Eine Unterstützung zur Umsetzung der UN-BRK bietet das im Projekt entwickelte Anforderungsprofil "Barrierefreie Weiterbildungen" für Weiterbildungsanbieter. Anhand von 25 Anforderungen werden die Voraussetzungen für die erfolgreiche Teilnahme an einer Weiterbildung von sehbehinderten Interessierten– von der Anmeldung, über den Veranstaltungsverlauf bis zu den Prüfungen benannt und beschrieben. Zudem werden die technischen Bedingungen für die Gestaltung der Medien zur Informationsvermittlung benannt.

Weiterbildungsanbieter werden bei der Umsetzung barrierefreier Angebote individuell unterstützt und begleitet. Die im Projekt entwickelten Broschüren "Keine Panik. Praxisleitfaden für Weiterbildungsveranstaltungen mit blinden und sehbehinderten Menschen" und "Gut fürs Image. Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken" sowie verschiedene Checklisten und Prüfanleitungen stellen gute Ergänzungen in dem Prozess dar. Für Dozent*innen, Arbeitgeber und Interessierte steht der webbasierte Sensibilisierungskurs "Digitale Barrierefreiheit" zur Verfügung.

Zum Portfolio von iBoB gehört zudem eine Weiterbildungsberatung für sehbeeinträchtigte Erwerbsfähige. Das Beratungsangebot berücksichtigt behinderungsspezifische Aspekte, die Grundlagen des Empowerments, und ist eingebettet in ein bundesweit arbeitendes Expertennetzwerk. Ergänzt wird das Beratungsangebot durch den Einsatz des webbasierten Kompetenzcoachings KODE® sowie einem unterstützenden Mentoringangebot. Rund 50 Beratungen wurden bisher durchgeführt. Fragestellungen zur beruflichen Orientierung aufgrund zunehmender Sehverschlechterung, die Suche nach geeigneten Weiterbildungen und deren fördermöglichkeiten standen dabei im Vordergrund. Aber auch die Entwicklung von Argumentationshilfen zur Vermittlung individueller Bedarfe und Unterstützung im beruflichen Alltag wird nachgefragt und bis Ende der Projektlaufzeit umgesetzt.

Das webbasierte Kompetenzcoaching KODE® unterstützt unter anderem bei der persönlichen Standortbestimmung und ressourcenorientierten Kompetenzentwicklung. Mentor*innen sind Experten in eigener Sache. Sie unterstützen bei Fragestellungen zum Umgang mit der eigenen Behinderung, Berufsorientierung und dem Einsatz von assistiven Technologien. Die in iBoB eingesetzten Mentor*innen sind im Durchschnitt 42 Jahre alt und bundesweit in unterschiedlichen Berufsfeldern beschäftigt. Der Mentorenpool umfasst 80 Mentoren, wovon derzeit 48 aktiv arbeiten. Alle Mentor*innen haben an einer Schulung teilgenommen und werden von den Berater*innen des iBoB-Teams begleitet.

Wähle 06421-9488833 - Weiterbildung barrierefrei

Die geringe Zahl an blinden und sehbeeinträchtigten Erwerbstätigen stellt Sozialversicherungsträger, Arbeitgeber, Schwerbehindertenvertreter und Bundesagentur für Arbeit/Jobcenter vor große Herausforderungen bzgl. der spezifischen Anforderungen und Bedarfe. Deshalb bietet iBoB die Bündelung der aktuellen, umfassenden Informationen und Unterstützungsangebote.

Alle Angebote von iBoB sind bis zum Ende der Projektlaufzeit 31.10.2019 kostenfrei und werden nach Projektende vom DVBS e.V. weitergeführt.

Rahmendaten des Projekts

  • Titel: inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB)
  • Träger: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V.
  • Laufzeit: 01.11.2016 bis 31.10.2019
  • Förderung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds
  • Team: 9 Mitarbeiter*innen, multiprofessionell, inklusiv

Zur Autorin

Die Diplompädagogin Ursula Müller arbeitet im iBoB-Projektmanagement und betreut das Arbeitspaket Weiterbildungs- und P2P-Beratung. Sie bringt langjährige Erfahrungen aus dem Bildungsmanagement und als selbständige Projektmanagerin mit ein und ist zertifizierte KODE®-Beraterin.

Linktipps

Foto: Das iBoB-Team v. l. n. r.: Frauke Onken und Ursula Müller (Projektmanagement), Anja Fibich, Petra Hünert, Thérèse Dudeck, Christian Axnick, Klaus Winger (Projektleiter), Savo Ivanic, Reiner Filla. Foto: DVBS [Gruppenfoto]

Illustration: Mut zur barrierefreien beruflichen Weiterbildung - das iBoB-Projekt zeigt, wie es gehen kann. Illustration: DVBS/A. Fibich [Sprechblase ´"Geht doch!" auf einer schwarzen Tafel]

Grafik: Logo des Projekts iBoB

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7. Die Workshops

"Was muss verbessert werden, um blinden und sehbehinderten Erwerbstätigen durch präventive und zielführende berufliche Weiterbildung die erfolgreiche Teilhabe am Wandel zur Arbeit 4.0 zu sichern?" Mit dieser Frage beschäftigten sich die Tagungsteilnehmenden in fünf parallelen Workshops aus unterschiedlichen Perspektiven. Wichtige Impulse setzten hierzu jeweils die Moderatorenteams der Workshops. Außerdem wurde über einen Resolutionsentwurf diskutiert, der durch Forderungen aus den Workshops bekräftigt bzw. ergänzt wurde.

Die im Folgenden dargestellten Impulse und Forderungen stellen lediglich einen Auszug der Workshoparbeit dar. Sie werden durch eine kurze Zusammenfassung der Diskussion im Plenum ergänzt. Die Ergebnisse mündeten in eine Resolution, die im anschließenden Kapitel 8 zu lesen ist.

7.1 Workshop 1
Welche Rechte und Ansprüche auf berufliche Weiterbildung und Teilhabe brauchen Beschäftigte mit Behinderungen?

Moderation: Christiane Möller (Rechtsreferentin beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband) und Michael Tanzer (RD Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit)

Impuls 1: Christiane Möller: Thesen zu Workshop 1

Lineare Berufsbiografien sind zur Ausnahme geworden. Lebenslanges Lernen und Flexibilität sind Voraussetzungen, um am Arbeitsleben teilhaben zu können. Die Ansprüche an individuelle IT-, Medien- und Hilfsmittelkompetenz sowie an selbstorganisiertes Lernen steigen. Grundvoraussetzungen für gleichberechtigte und chancengleiche Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben sind, bezogen auf Fort- und Weiterbildungen:

  1. Fort- und Weiterbildungsangebote aller Art müssen barrierefrei zugänglich und nutzbar sein. Bei mit öffentlichen Mitteln geförderten Bildungsmaßnahmen muss die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen Fördervoraussetzung sein. Die Gewährleistung der Zugänglichkeit muss rechtlich durchsetzbar sein.
  2. Um Chancengleichheit zu gewährleisten, muss der behinderungsbedingte Mehraufwand für sämtliche berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildungen einkommens- und vermögensunabhängig durch die verschiedenen Zweige der Sozialleistungsträger als Rechtsanspruch ausgestaltet und finanziert werden. Schnittstellen sind im Sinne voller und wirksamer Teilhabe am Arbeitsleben zu überwinden. Rein ermessensgebundene Ansprüche sind unzureichend; die Förderpraxis der Integrationsämter ist limitiert durch fiskalische Zwänge, wodurch der mögliche Leistungsrahmen selten ausgeschöpft wird.
  3. Die Weiterbildungsförderung aufgrund des Qualifizierungschancengesetzes ist zu begrüßen. Zwar sind für schwerbehinderte Menschen erweiterte Fördermöglichkeiten geschaffen, doch werden Menschen mit Behinderungen, die bei der Durchführung von Weiterbildungen auf Assistenz oder eine barrierefreie Aufbereitung von Lehr- und Lernmitteln angewiesen sind, kaum von den Möglichkeiten profitieren, wenn nicht (gesetzlich oder untergesetzlich) nachgesteuert wird, um diese Mehraufwendungen regelhaft zu finanzieren.
  4. Menschen mit Behinderungen brauchen eine bürgerfreundliche und den Anforderungen des Arbeitsmarktes angemessene Bearbeitung ihrer Anträge auf Teilhabeleistungen. Teilhabe an Arbeit darf nicht an zu langen Bearbeitungszeiten und einer unzureichenden Kommunikation zwischen behinderten Menschen sowie deren Arbeitgebern und den Leistungsträgern scheitern.
Impuls 2: Michael Tanzer: Qualifizierungschancengesetz: Eckpunke zur Umsetzung für Menschen mit Behinderungen
  • Der technologische Wandel erfordert ein ständiges Lernen auch von beschäftigten Menschen.
  • Dabei haben behinderte Menschen, auch sehbehinderte Menschen, sehr unterschiedliche Bedarfe an Weiterbildung. Sie benötigen daneben ggf. auch weitere individuelle Unterstützung.
  • Eine solche individuelle Bedarfsdeckung lässt sich weder von den Arbeitgebern noch von den Leistungsträgern und Leistungserbringern generell vorhalten.
  • Durch das Qualifizierungschancengesetz wurden die bisherigen allgemeinen Fördermöglichkeiten erweitert:
    • Bei vorhandenem Berufsabschluss ist eine Notwendigkeit der Kompetenzanpassung nicht nur aufgrund (veränderter) betrieblicher Anforderungen, sondern auch zur Verbesserung individueller Beschäftigungsfähigkeit mit Blick auf die Bedarfe am Arbeitsmarkt gegeben. Die Notwendigkeit bei fehlendem Berufsabschluss bleibt unverändert.
    • Die Förderung von beschäftigten Personen ist nicht mehr beschränkt auf die Kriterien eines fehlenden Berufsabschlusses, drohender Arbeitslosigkeit und Angehörigkeit zu KMU, aber abhängig vom technologischen Strukturwandel.
    • Es erfolgt nun eine angemessene Beteiligung des Arbeitgebers an den Weiterbildungskosten bei Betrieben ab 10 Beschäftigten. Bei Betrieben bis zu 250 Beschäftigten können nun Weiterbildungskosten von schwerbehinderten Beschäftigten vollständig gefördert werden. Die vollständige Kostenübernahme bei Betrieben unter 10 Beschäftigten bleibt unverändert.
    • Dabei werden Zuschüsse zum Arbeitsentgelt nicht nur bei fehlendem Berufsabschluss gewährt, sondern nach Betriebsgrößen gestaffelt.
  • Der rechtliche Rahmen für die besondere Förderung und Unterstützung beschäftigter behinderten Menschen bleibt bestehen.
  • Frühe Transparenz über individuelle behinderungsbedingte Unterstützungsbedarfe der Weiterbildung und eine abgestimmte Kommunikation zwischen allen zu beteiligenden Stellen, tragen zu einem guten Gelingen, d. h. einer passenden und rechtzeitigen Bedarfsdeckung, bei.
  • Die Bundesagentur für Arbeit berät Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ihren Möglichkeiten.
Gemeinsame Forderungen des Workshops 1
  • Notwendig ist die Qualifizierung von Mitarbeitenden der Bundesagentur für Arbeit und der Weiterbildungsanbieter hinsichtlich der Bedarfe von schwerbehinderten Betroffenen und hinsichtlich des Aspekts der Barrierefreiheit.
  • Schwerbehinderte Mitarbeitende müssen unterstützt und besonders gefördert werden, da sie die schwächsten Glieder in den Betrieben sind.
  • Die Talentförderung Schwerbehinderter muss verbessert werden. Dazu sollte es Kampagnen für Sachbearbeiter*innen bei Leistungsträgern und der Bundesagentur geben.
  • Barrierefreie Weiterbildung sollen durch die Bundesagentur ausgeschrieben werden. Zur Überprüfung müsste ein Beschwerdemanagement bei der Bundesagentur eingerichtet werden.

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7.2 Workshop 2
Was sollen und können die Integrationsämter präventiv tun, um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen angesichts Arbeit 4.0 zu sichern?

Moderation: Michael Große-Drenkpohl (Integrationsamt LWL) und Reinhard Wagner (Fraport AG UnternehmensForum) Die Inputs des Moderatorenteams und die Forderungen des Workshops 2 flossen in das Abschlussplenum und die Resolution ein.

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7.3 Workshop 3
Die Beschäftigung behinderter Menschen sichern angesichts Arbeit 4.0 - wie kann und muss das gehen?

Moderation: Kilian Roth (Gesamt-Schwerbehindertenvertretung Evonik Industries AG)

Gemeinsame Forderungen des Workshops 3
  • Wegen der Rasanz der Digitalisierungsentwicklung muss es die Möglichkeit geben, sich vorausschauend, „auf Vorrat“, weiterzubilden.
  • Leistungsträger sollen an Stelle leistungsorientierter eher bedarfsorientierte Beratung und Förderung anbieten.
  • Eine enge und fallbezogene Kooperation der Leistungsträger ist erforderlich.
  • Ein trägerübergreifendes Case Management sollte initialisiert werden.
  • Förderentscheidungen müssen zeitnah getroffen werden.
  • Barrierefreie Standards (BITV) müssen umgesetzt werden.

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Workshop 4
Die Beschäftigung behinderter Menschen sichern angesichts e-Government - wie kann und muss das gehen?

Moderation: Dr. Alexander von Boehmer (AG der SBV des Bundes) und Anne-Marie Nebe (T-Systems Multimedia Solutions)

Impulse 1: Dr. Alexander von Boehmer: Thesen zu Workshop 4
  1. Die Digitalisierung prägt immer stärker den Arbeitsalltag im öffentlichen Dienst. Elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe ermöglichen neue Formen der Zusammenarbeit.
  2. Die Digitalisierung kann neue Teilhabechancen für Menschen mit Behinderungen eröffnen, insbesondere für Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen und Mobilitätseinschränkungen. Wichtig für das Gelingen der digitalen Inklusion ist aber, Barrierefreiheit sicherzustellen.
  3. Barrierefreiheit ist von Anfang an mitzudenken und umzusetzen. Es ist für alle Beschäftigten von Vorteil, wenn IT-Lösungen problemlos zugänglich und leicht nutzbar und Informationen mühelos auffindbar sind. Barrierefreiheit ist ein Qualitätsmerkmal, sie ist Ausdruck von professionellem Vorgehen.
  4. Bundesbehörden sind verpflichtet, ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe bis spätestens 23. Juni 2021 barrierefrei zu gestalten (§ 12 a Abs. 1 Satz 2 BGG). Bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung einer IT-Maßnahme sind die Anforderungen an die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit frühzeitig im Lastenheft und in der Leistungsbeschreibung klar niederzulegen.
  5. Es besteht Weiterbildungsbedarf in mehrfacher Hinsicht:
    • zu den sich ständig verändernden IT-Fachanwendungen
    • zum effektiven und effizienten Einsatz von Hilfsmitteln
    • für den Erwerb und Ausbau von Kompetenzen im Umgang mit Veränderungsprozessen
    Weiterbildungsmaßnahmen müssen barrierefrei gestaltet sein.
  6. Die Versorgung mit erforderlichen Hilfsmitteln ist sicherzustellen und zu verbessern: hierzu gehören eine umfassende Beratung und rasche Entscheidung durch Rehaträger, schnelle Anpassungen an die sich ständig verändernden IT-Lösungen sowie der Auf- und Ausbau von innerbetrieblichen Strukturen und Prozessen der optimalen IT-Betreuung.
  7. In einer Inklusionsvereinbarung (§ 166 SGB IX) lassen sich konkrete Absprachen über Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen treffen, wie z.B. das Verfahren zur Berücksichtigung von Barrierefreiheit, Hilfsmittelversorgung und Weiterbildungsmaßnahmen. Auch eine Verankerung in z.B. Fortbildungskonzepten, Personalentwicklungskonzepten und Digitalisierungsvereinbarungen kann sinnvoll sein.
  8. Schwerbehindertenvertretungen und Personal-/Betriebsräte sind aufgefordert, gemeinsam mit den Arbeitgebern und ihren Inklusionsbeauftragten sowie den Rehaträgern die digitale Inklusion zu verwirklichen.
Impuls 2 Anne-Marie Nebe: Thesen zu Workshop 4

Beeinträchtigte Menschen nutzen überdurchschnittlich oft digitale Angebote, weil sie damit ein erhöhtes Maß an Selbständigkeit bei der Teilhabe an sozialen und kulturellen Angeboten erreichen. Dabei setzen sie häufig digitale assistive Technologien ein.

These 1:

Beeinträchtigte Menschen profitieren von einem digitalen beruflichen Alltag.

Von beeinträchtigten Menschen wird sehr häufig erwartet, dass sie in speziellen Schulungen den Umgang mit Fachanwendungen erlernen oder dass sie ihre assistiven Technologien an Softwarelösungen anpassen müssen. Eine barrierefreie digitale Anwendung sollte jedoch so gestaltet sein, dass alle Nutzer zufriedenstellend und effizient arbeiten können. Die Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102 soll dies sicherstellen - birgt aber noch viele Herausforderungen.

These 2:

Eine effizientere digitale Arbeitswelt für beeinträchtigte Menschen lässt sich weniger durch Fortbildungen oder Schulungsangebote für spezielle Nutzergruppen bewältigen, sondern besser durch Awareness-Schulungen für Software-Entwickler.

In der öffentlichen Verwaltung werden 80 % der Arbeit in hohem oder sehr hohem Maß digital geprägt. Der digitale Umschwung ist für die Arbeitnehmer mit beruflichen Fortbildungen und Qualifizierungen verbunden.

These 3:

Nur barrierefreie Schulungsangebote ermöglichen eine gleichwertige berufliche Qualifizierung von beeinträchtigten Beschäftigten.

Die Digitalisierung von Kommunikationsprozessen innerhalb großer Unternehmungen wie bspw. öffentliche Verwaltungen ist sehr stark fortgeschritten. Kaum eine Behörde, die nicht auf ein starkes Intranet zurückgreift, um den Informations- und Wissensaustausch von Mitarbeitern zu fördern.

These 4:

Nur ein barrierefreies Intranet ermöglicht die Teilhabe an der beruflichen Kommunikation.

Die Kommunikation von Bürger und Regierung funktioniert dann am besten, wenn sich beide Seiten auch verstehen und sich der Bürger vertreten fühlt. Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen birgt hierbei große Risiken. Wenn der Bürger Prozesse nicht versteht oder nicht bedienen kann, wird er sie ablehnen oder einen hohen Supportaufwand verursachen. Die Nutzererfahrung von beeinträchtigten Mitarbeitern stellt eine große Ressource für die Verbesserung von digitalen bürgernahen Anwendungen dar.

These 5:

Die Akzeptanz für Digitalisierungsprozesse kann beim Bürger gesteigert werden, indem in öffentlichen Verwaltungen mehr beeinträchtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden und digitale Anwendungen barrierefrei gestaltet sind.

Beeinträchtigte Menschen schätzen eine hohe Flexibilität bei der Arbeitsplatzgestaltung. So könnte bspw. ein Arztbesuch freier geplant, mal eine längere Pause im Arbeitstag eingelegt oder auch mal von zu Hause aus gearbeitet werden. Der DGB-Index „Gute Arbeit“ zeigt, dass über ein Drittel der Beschäftigten in öffentlichen Verwaltungen ihren Arbeitsalltag nicht unterbrechen können oder den Beginn bzw. Das Arbeitsende nicht flexibel festlegen können. Nur 14 % der Beschäftigten können die Arbeit auch mal kurzfristig von zu Hause aus erledigen. Das E-Government birgt viele Chancen zur Flexibilisierung der Arbeitsplatzgestaltung.

These 6:

Durch flexiblere Arbeitsgestaltung besteht erhebliches Potential zur Beschäftigung beeinträchtigter Arbeitnehmer in öffentlichen Verwaltungen.

Ältere Arbeitnehmer geben ihre wertvollen Erfahrungen an jüngere Kollegen weiter. Dieses Mentorenprinzip ist ein bewährtes Mittel, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Bei der Digitalisierung von Prozessen werden die Bedürfnisse älterer Menschen jedoch oft nicht berücksichtigt. Es entstehen Fachanwendungen, die von älteren Nutzern nicht gut gebraucht werden können. Ältere Fachkräfte werden so in ihrer Mentorentätigkeit ausgebremst.

These 7:

Durch ergonomische und barrierefreie digitale Intranet- und Fachanwendungen können ältere Beschäftigte ihre Erfahrungen gut an jüngere Kollegen weitergeben. Eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen.

Ältere Arbeitnehmer geben ihre wertvollen Erfahrungen an jüngere Kollegen weiter. Dieses Mentorenprinzip ist ein bewährtes Mittel, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Bei der Digitalisierung von Prozessen werden die Bedürfnisse älterer Menschen jedoch oft nicht berücksichtigt. Es entstehen Fachanwendungen, die von älteren Nutzern nicht gut gebraucht werden können. Die Nutzungsschwierigkeiten älterer Nutzer werden oftmals als mangelnde Fachkompetenz fehlinterpretiert. Dadurch werden ältere Fachkräfte in ihrer Mentorentätigkeit ausgebremst.

Gemeinsame Forderungen des Workshops 4
  • Arbeitgeber, zuständige Sozialleistungsträger und Integrationsämter müssen neben dem Erwerb von erforderlichen fachlichen Fertigkeiten auch die Weiterbildung in den das Teilhabeverhalten behinderter Beschäftigter mit Handicap stärkenden allgemeinen und behinderungsspezifischen Kompetenzen (Soft Skills) insbesondere im Umgang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt fördern.
  • Die Bundesagentur für Arbeit muss ihre aus dem Qualifizierungschancengesetz erwachsenen neuen Beratungs- und Förderaufgaben im Blick auf deren Umsetzung für behinderte Beschäftigte annehmen und ausbauen. Durch einen Aktionsplan müssen die BA-Mitarbeiter*innen entsprechend qualifiziert werden. Betriebliche Multiplikatoren wie Schwerbehindertenvertretungen und Inklusionsbeauftragte und Personalverantwortliche müssen informiert werden. Die arbeitsweltbezogene Fachkompetenz von Behindertenselbsthilfeorganisationen müssen in den Beratungsprozess einbezogen werden.
  • Die Sozialleistungsträger und Integrationsämter müssen in ihren Anerkennungsverfahren für förderfähige Weiterbildungsleistungen sicherstellen, dass diese für Menschen mit Behinderungen insbesondere digital barrierefrei nutzbar sind und inklusiv angeboten werden.
  • Angesichts der spezifischen Bildungsbedarfslage von Erwerbstätigen mit Behinderung, z.B. mit Blindheit und Sehbehinderung, und der in dieser Hinsicht defizitären Angebotslage müssen von der Bundesagentur für Arbeit im Bedarfsfalle auch zweckdienliche und insbesondere digital barrierefreie Bildungsangebote außerhalb der bisherigen Zertifizierungswege (AZAV) anerkannt werden können.
  • Sowohl Länder als auch Kommunen müssen dazu verpflichtet werden, digitale Barrierefreiheit für ihre internen und externen Systeme und Prozesse (auch bereits bestehende) sicherzustellen (analog zum Bund).
  • Barrierefreiheit muss als Kriterium zwingend in Beschaffungs- und Anforderungsrichtlinien für Weiterbildungen, IT-Systeme und -Prozesse verankert werden.
  • Die an der Beschaffung, Erstellung und Prüfung beteiligten Personen und Institutionen müssen die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit kennen und ihre Kenntnisse stetig ausbauen.

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7.5 Workshop 5 Barrierefreie berufliche Weiterbildung machen - wie geht das?

Moderation: Petra Klostermann (AZAV-Beauftragte und Contentmanagerin bei der Studiengemeinschaft Darmstadt) und Frauke Onken (iBoB)

Impuls 1: Petra Klostermann: Lernen und Lernmaterialien im Fernunterricht barrierefrei gestalten
1) Wer wir sind

Die Studiengemeinschaft ist eine Fernschule, die von der ZFU zugelassen ist und zum Klett Verlag gehört. Über 200 Angebote stehen zur Verfügung, die von rund 60 000 Teilnehmenden pro Jahr gebucht werden. Insgesamt wurden bereits 900 000 Teilnehmende beschult. Die sgd beschäftigt 150 feste Mitarbeitende und 500 Honorarkräfte. Die meisten Lernangebote sind AZAV-zertifiziert. Die sgd selbst ist durch den TÜV Süd zertifiziert.

Die Angebote der sgd beziehen sich auf folgende Lernbereiche:

  • Schulabschlüsse
  • Wirtschaft
  • Gesundheit und Wellness
  • Tier und Natur
  • Coaching und Psychologie
  • Technik
  • Informatik und digitale Medien
  • Kreative Berufe
  • Allgemeinbildung und Sprachen

Der Verlauf einer Weiterbildung: Jede/r Interessent*in kann sich rund um die Uhr an 365 Tagen online zu einem Weiterbildungsangebot anmelden und hat die Möglichkeit, die Inhalte 4 Wochen lang kostenlos zu testen. Nach Anmeldung erhält man ein Startpaket sowie einen Zugang zum online-Campus und kann mit dem Lernen beginnen. Das Selbststudium ermöglicht ein vollständig flexibles und auf individuelle Bedarfe zugeschnittenes Lernen. Durch den modernen Methodenmix ist eine Wissensvertiefung gegeben. Die Module werden mit Einsendeaufgaben abgeschlossen, die online oder per Post eingereicht werden. Prüfungsvorbereitungen werden in Präsenzseminaren und/oder mit Lernmedien durchgeführt. Die Angebote werden mit einem Zeugnis oder einem Zertifikat abgeschlossen.

2) Die Lernplattform waveLearn

Die Lernplattform waveLearn ist auch als App verfügbar. Sie bietet die Möglichkeit alle Studienhefte online zu bearbeiten. Über sie können die Studierenden direkten Kontakt zu ihren Tutor*innen und dem Kundenservice aufnehmen und halten. Über die Lernplattform können webinare und Seminare gebucht und besucht werden.

Die Plattform bietet auch die Möglichkeit des Austauschs unter den Studierenden in Lerngruppen und Chats. Die Studienhefte werden in folgenden Ausgabeformaten angeboten: pdf, html, E-pub oder als gedrucktes Heft.

3) Ausblick

Die sgd plant zukünftig Alternativtexte für Bilder anzubieten. Sie unterstützt blinde und sehbeeinträchtigte Studierende bei Bedarf bei der Frage des Nachteilsausgleichs bei Prüfungen bei der IHK Darmstadt.

Impuls 2: Frauke Onken: Thesen zu Workshop 5

Barrierefreiheit kann durch einen glücklichen Umstand gelingen - so wie es Frau Klostermann für die sgd geschildert hat. Nebenbei angemerkt: Frau Klostermann hat - sozusagen unter umgekehrtem Vorzeichen - einen Beleg für die These geliefert, dass Barrierefreiheit allen Teilnehmenden nützt!

Aber Barrierefreiheit darf nicht dem Zufall überlassen bleiben! Weiterbildungsinteressierte mit Behinderungen müssen vor Vertragsabschluss die Sicherheit haben, dass sie trotz ihrer spezifischen Bedarfe das Weiterbildungsangebot erfolgreich abschließen können. Es ist eine unhaltbare Zumutung, dass 10 Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention betroffene Weiterbildungsinteressierte ihre Teilnahmevoraussetzungen vielfach noch immer individuell aushandeln müssen. Vielmehr muss Barrierefreiheit ein transparentes, prüfbares und verlässliches Qualitätsmerkmal in der Weiterbildung sein! Um Barrierefreiheit in der Weiterbildung überprüfen zu können, haben wir im Projekt iBoB ein Anforderungsprofil entwickelt, das die Voraussetzungen für die Teilnahme von der Anmeldung, über den Veranstaltungsverlauf bis hin zu den Prüfungen systematisch unter die Lupe nimmt.

Inzwischen haben sich sehr unterschiedliche Bildungsanbieter anhand dieses Anforderungsprofils prüfen lassen. Auch wenn die Prüfergebnisse zur Gestaltung ihrer Dokumente und Webangebote nicht immer schmeichelhaft gewesen sind, hat die Überprüfung den Bildungsanbietern als überraschenden Nebeneffekt eine Reflexion ihrer Prozesse geboten. Aus dieser Zusammenarbeit mit den Bildungsanbietern lassen sich 5 Erfordernisse für die erfolgreiche Umsetzung der Barrierefreiheit festhalten.

  1. Es braucht Willen und Durchsetzungskraft.
    Das Ziel, Weiterbildungsangebote barrierefrei zu gestalten, braucht Rückendeckung durch die Leitungsebene. Andernfalls stehen die erforderlichen Ressourcen nicht zur Verfügung.
  2. Es braucht Zeit und Ausdauer.
    Nach einem ernüchternden Prüfergebnis, müssen die eingesetzten Dokumente und webbasierten Angebote angepasst werden. Das gelingt meistens nicht auf Anhieb, sondern es braucht mehrere Prüf- und Korrekturschleifen.
  3. Es braucht Personal und Know-How.
    Mitarbeitende müssen sich zusätzlich zu ihrer Fachexpertise Wissen und Fertigkeiten aneignen, um spezifischen Bedarfe gerecht werden zu können. Für die angebotene eLearning-Plattform braucht es weitere, vielleicht andere Webtechniken, Lehrende müssen sich mit Bildbeschreibungen beschäftigen. Neben dem Wissen der Einzelnen, ist oft ein interner Ansprechpartner hilfreich, der sowohl Betroffenen als auch ratsuchenden Kollegen zur Verfügung steht.
  4. Es braucht Kreativität und Geschick.
    Trotz bestem Willen braucht es manchmal alternative Lösungen: Eine Unterschrift auf einem Papierdokument, eine nicht barrierefreie Webinar-Software, eine nicht bedarfsangemessene Prüfungsgestaltung. Viele der erkannten Barrieren lassen sich provisorisch abbauen: Der Vertragsinhalt wird digital zur Verfügung gestellt, die telefonische Einbindung des Teilnehmers ins Webinar oder die Aushandlung eines Nachteilsausgleichs mit der Prüfungsorganisation.
  5. Es braucht Kontinuität.
    Barrierefreiheit muss in den Abläufen fest verankert werden. "Barrierefrei" muss ein Merkmal bei der Überprüfung der Prozesse werden, die zusätzliche Korrekturschleife für Lehrmaterialien, im Curriculum bzw. der Prüfungsordnung berücksichtigt werden.

Diese 5 Erfordernisse sind mit Sicherheit nicht einfach oder schnell zu etablieren, aber sie sind - so haben wir es im Projekt erlebt - umsetzbar. Mit den entsprechenden Maßnahmen kommen wir unserem Ziel ein wesentliches Stück näher: Teilnehmer*innen sollen nicht dank glücklicher Umstände die Abschlussprüfung bestehen, sondern dank Barrierefreiheit - wie alle anderen - durchfallen können.

Gemeinsame Forderungen des Workshops 5
  • Bei den Bildungsanbietern muss ein positives Leitbild zur Inklusion verankert werden, das auch den Aspekt der Barrierefreiheit angemessen berücksichtigt.
  • Die Devise sollte daher lauten "Mehr Zugänglichkeit" statt nur "Weniger Barriere"; das "Plus" sollte gefordert und gefördert werden.
  • Bisher werden oftmals die finanziellen Vorteile durch Barrierefreiheit hervorgehoben; diese Vorteile sind aufgrund langfristiger Planungen und Umsetzungen aber vielfach abstrakt. Statt der finanziellen Vorteile sind alternative Argumente zu entwickeln und heranzuziehen.
  • Momentan muss der Weiterbildungs-Sektor selbst die Brücke schlagen zwischen monetären und ideellen Aspekten.
  • Barrierefreie Angebote sollten honoriert werden, z. B. durch
    • die Aufnahme von Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal in den AZAV-Kriterien (AZAV: Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung),
    • Barrierefreiheit als Ausschreibungs- / Vergabemerkmal auch für Bildungsangebote,
    • spezielle Förderungen,
    • Unterstützung von Anbietern barrierefreier Weiterbildungen.
  • Die Prüfung der Barrierefreiheit ist von zentraler Bedeutung.
  • Die Kommunikation zwischen Anbietern und von Nutzern mit Behinderung muss verbessert werden.

Zusammenfassung

Sowohl in den Workshops als auch im anschließenden Plenum, das von Klaus Winger moderiert wurde, war häufig das Schlagwort "Digitalisierung" zu hören, und damit stand auch die bisher zumeist noch nicht realisierte Barrierefreiheit im Fokus. Barrierefreiheit ist die wichtigste Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsplatz. Doch sind Hard- und Software, die Arbeitgeber einsetzen, von behinderten Beschäftigten oft nicht uneingeschränkt nutzbar. In diesem Punkt sahen die Teilnehmenden erheblichen Nachholbedarf. Durch Barrierefreiheit könnte auch eine verbreitete Befürchtung von Arbeitgebern, behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien nicht verlässlich, entkräftet werden. Wenn sich beispielsweise die Software nach einem Update nicht mehr über blindenspezifische Hilfsmittel bedienen lässt, dann liegt die Verzögerung im Arbeitsablauf nicht am schwerbehinderten Arbeitnehmer, sondern an der nicht (mehr) barrierefreien Arbeitsplatzumgebung. Dies lässt sich vermeiden, werden z. B. Kriterien der Barrierefreiheit stetig und von Beginn an berücksichtigt.

Als großes Problem bei Weiterbildungs- und Karriereambitionen schwerbehinderter Erwerbstätiger wurde außerdem die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und der Rentenversicherung benannt.

Für Rehabilitationsträger wiederum ist es eine große Herausforderung, aufgrund der geringen Zahl blinder und sehbeeinträchtigter Erwerbstätiger diese Zielgruppe sachgerecht zu beraten. So ist es durchaus möglich, dass ein Berater im Laufe seines Berufslebens keinen einzigen oder nur einen blinden bzw. sehbehinderten Menschen zu beraten hat und daher wenig Erfahrung mit den spezifischen Anforderungen gewinnen kann. Hier wäre es hilfreicher, auf ein Netz kompetenter Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zurückgreifen zu können, die z. B. innerhalb der Selbsthilfe - naheliegendes Beispiel: DVBS - tätig sind.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sammelten im Abschlussplenum Forderungen für eine gemeinsame Resolution, die sich an Politik, Sozialleistungsträger und Integrationsämter wendet. Einigkeit bestand darin, dass die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen - und natürlich auch selbst Betroffene als Experten in eigener Sache und damit Ratgebende - bei der Ausgestaltung der Förderpraxis der zuständigen Stellen wie Arbeitsagenturen, Rentenversicherungen und Integrationsämter stärker als bisher einbezogen werden sollen. Verfahren und Entscheidungskriterien müssen sich an den Interessen schwerbehinderter Erwerbstätiger orientieren, damit die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Kontext von Arbeit 4.0 gelingt.

Linktipp

Link zum Videomitschnitt der Präsentationen der Workshopergebnisse sowie der Abschlussdiskussion

Illustration: Beruf und berufliche Teilhabe sind das Ziel. Foto: Pixabay [Zeichnung: Ein Mann in Anzug und Krawatte präsentiert das Wort „Job“ auf seiner Hand.Drei unterschiedliche Hände und Unterarme versuchen, das Wort zu greifen]

Foto 1: Michael Tanzer und Christiane Möller. Foto: DVBS / Foto 2: Reinhard Wagner und Michael Große-Drenkpohl. Foto: DVBS / Foto 3: Kilian Roth. Foto: Privat / Foto 4: Anne-Marie Nebe. Foto: DVBS / Foto 5: Petra Klostermann. Foto: Privat / Foto 6: Klaus Winger. Foto: AVIGRO / Foto 7: Die Ergebnisse der Workshops wurden im Plenum präsentiert und diskutiert. Foto: AVIGRO [Die Referenten sitzen im Stuhlhalbkreis auf der Bühne.]

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8. Teilhabechancen erwerbstätiger Menschen mit Behinderungen verbessern - Resolution zum Abschluss der DVBS-Fachtagung "Teilhabe im Job - vor Reha vor Rente"

(4.-5. März 2019, Kassel)

Der aktuelle Wandel in der Arbeitswelt wird getrieben durch rasante Digitalisierungsentwicklungen. Um nicht abgehängt zu werden, müssen alle Erwerbstätigen erhebliche Veränderungs- und Qualifizierungsanforderungen erfüllen. Auch blinde und sehbehinderte Erwerbstätige wollen und müssen an diesen Entwicklungen erfolgreich teilhaben. Sie stehen vor besonders großen Herausforderungen, nicht zuletzt bei beruflicher Weiterbildung und -entwicklung.

Erwerbstätige mit Behinderungen erleben Veränderungen im Arbeitsumfeld als Mehrfachherausforderung. Sie müssen sich mit der digitalen Innovation auseinandersetzen und ihre Hilfsmittel und Arbeitsroutinen den neuen organisatorischen und technischen Herausforderungen anpassen. Und sie müssen ihre räumliche Mobilität, aber auch ihr Kooperations- und Kommunikationsverhalten neu justieren. Deshalb müssen sie zum einen - wie alle anderen auch - die Nutzung der digitalen Innovationen erlernen. Aber sie müssen sich zum anderen auch für die effektive Nutzung der neuen oder angepassten Hilfsmitteltechnologie sowie die effiziente Leistungserbringung in einer veränderten räumlichen und sozialen Umgebung qualifizieren. Diese Mehrfachherausforderung gilt nicht nur für blinde und sehbehinderte Menschen, sondern in jeweiligen behinderungs- und krankheitsspezifischen Varianten für alle Erwerbstätigen mit Behinderungen.

Vorbehalte bei Arbeitgebern, aber auch Hürden auf Seiten der Sozialleistungsträger und der Integrationsämter, beeinträchtigen - insbesondere auch durch die zersplitterten Zuständigkeiten - nach wie vor die beruflichen Teilhabechancen der Beschäftigten mit Behinderungen in der modernen, immer stärker digitalisierten Arbeitswelt.

Deshalb erwarten wir zur Verbesserung der beruflichen Teilhabechancen aller erwerbstätigen Menschen mit Behinderung von Arbeitgebern, den zuständigen Rehabilitationsträgern und Integrationsämtern:

  1. Erwerbstätige mit Behinderung werden präventiv, rechtzeitig vor Einführung neuer Technologien und Arbeitsabläufe über erwartbare Veränderungen informiert und durch spezifische, barrierefreie und inklusive Weiterbildungsangebote auf solche Veränderungen vorbereitet.
  2. Rehabilitationsträger und Integrationsämter tragen durch ihre Fördermöglichkeiten dazu bei, dass die Wettbewerbsfähigkeit behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt gestärkt wird und nicht nur die Arbeitsplatzsicherung im Zentrum steht.
  3. Arbeitgeber, zuständige Rehabilitationsträger und Integrationsämter fördern neben dem Erwerb von erforderlichen fachlichen Fertigkeiten auch die Weiterbildung in den allgemeinen und behinderungsspezifischen Kompetenzen, die das das Teilhabeverhalten von Beschäftigten mit Behinderung stärken (Soft Skills / Digitalkompetenzen).
  4. Die Rehabilitationsträger befähigen ihre zuständigen Mitarbeiter*innen durch entsprechende Weiterbildung und systematisches Wissensmanagement dazu, die speziellen Teilhabechancen von Menschen mit Behinderung im digital getriebenen Umbruch zu kennen und bestmöglich zu fördern.
  5. Die Rehabilitationsträger wandeln sich zu Akteuren, die nicht mehr leistungs-, sondern bedarfsorientiert beraten und fördern. Sie praktizieren insbesondere in der Förderung von schwerbehinderten Menschen ein trägerübergreifendes Case-Management.
  6. Die Bundesagentur für Arbeit nimmt ihre aus dem Qualifizierungschancengesetz erwachsenen neuen Beratungs- und Förderaufgaben im Blick auf deren Umsetzung für Beschäftigte mit Behinderung an und baut sie aus. Im Rahmen eines Aktionsplans werden die BA-Mitarbeiter*innen entsprechend qualifiziert. Dies gilt analog für die anderen Träger der Rehabilitation. Betriebliche Multiplikatoren wie Schwerbehindertenvertretungen, Inklusionsbeauftragte und Personalverantwortliche werden von der BA über die neuen Fördermöglichkeiten informiert. Die arbeitsweltbezogene Fachkompetenz von Behindertenselbsthilfeorganisationen wird in die Beratungsprozesse einbezogen.
  7. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) entwickelt ihre aus 2013 stammenden Empfehlungen für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des Qualifizierungschancengesetzes des Bundes weiter. Dabei nutzt sie auch den Sachverstand der Behindertenselbsthilfeorganisationen. Dazu wird eine entsprechende Struktur geschaffen.
  8. Die Rehabilitationsträger stellen in ihren Anerkennungsverfahren für förderfähige Weiterbildungsleistungen sicher, dass diese für Menschen mit Behinderungen barrierefrei nutzbar sind und inklusiv angeboten werden.
  9. >Damit Beschäftigte mit Behinderungen erfolgreich am digitalen Wandel in der Arbeitswelt teilhaben können, setzen Arbeitgeber und Rehabilitationsträger sowie Integrationsämter auch berufs- und tätigkeitsbezogenes Peer-to-Peer-Counseling als förderbare Weiterbildungsleistung ein.
  10. In das Kündigungsschutzverfahren von schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen wird aufgenommen: Vor der Zustimmung durch das Integrationsamt muss auch die Frage beantwortet werden, ob hinreichend versucht wurde, den schwerbehinderten Menschen zu qualifizieren.

Der DVBS macht sich diese Erwartungen der Teilnehmenden an seiner Fachtagung "Teilhabe im Job - vor Reha, vor Rente" am 4. und 5. März 2019 zu eigen. Er wird entsprechende Gespräche mit den Rehaleistungsträgern und Integrationsämtern aufnehmen.

Marburg, den 12. April 2019

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Anhang

  1. Die Bundesagentur für Arbeit antwortet ...
  2. Das iBoB-Anforderungsprofil "Barrierefreie Weiterbildungen"
  3. iBoB-Angebote
  4. DVBS-Hinweise
  5. Linksammlung

1. Die Bundesagentur für Arbeit antwortet ...

Jens Nitschke, Leiter des Fachbereichs Rehabilitation der Bundesagentur für Arbeit, hat auf eine fachliche Anfrage per E-Mail vom 24. April 2019 diese folgendermaßen beantwortet:

Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb der AZAV-Zertifizierung

Wie ist das Verfahren der Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb der AZAV-Zertifizierung geregelt, wenn für einen Kunden kein geeignetes AZAV-zertifiziertes Angebot verfügbar ist? In der Praxis sind in aller Regel im AZAV-Fundus keine für blinde und stark sehbehinderte Bedarfsträger barrierefrei zugänglichen Angebote auffindbar. Bitte informieren Sie mich für unsere Beratungsarbeit über die entsprechenden BA-Regelungen und Verfahren.

Jens Nitschke:

Die Förderung beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen ist für die Bundesagentur für Arbeit (BA) in den §§ 81 ff. SGB III beschrieben. Alle Maßnahmen, die durch die BA gefördert werden, unterliegen der Notwendigkeit einer AZAV-Zertifizierung. Dies wurde in den §§ 176 ff. SGB III gesetzlich normiert. So lautet § 176 Abs. 1 Satz 1 SGB III "Träger bedürfen der Zulassung durch eine fachkundige Stelle, um Maßnahmen der Arbeitsförderung selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen." Abs. 2 regelt weiter: "Maßnahmen nach § 45 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 bedürfen der Zulassung nach § 179 durch eine fachkundige Stelle. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 81 und 82 bedürfen der Zulassung nach den §§ 179 und 180." Daraus ergibt sich, dass die Maßnahme- und Trägerzertifizierung - besonders für die berufliche Weiterbildung - eine Grundvoraussetzung für die Maßnahmezulassung und -förderung darstellt. Andere Maßnahmen ohne eine Träger- und Maßnahmezertifizierung können daher nicht durch die BA gefördert werden.

Wie Sie darstellen, ergibt sich eine Lücke zwischen dem AZAV-zertifizierten Angebot und dem erforderlichen Angebot für blinde und sehbehinderte Menschen. Zum einen können Bildungsträger dazu beitragen, diese Lücke durch die Zertifizierung spezieller Maßnahmen zu schließen. Zum anderen kann in besonders gelagerten Fällen gemäß § 177 Abs. 5 SGB III eine Einzelfallzulassung einer individuellen Maßnahme auch durch die Agentur für Arbeit erfolgen, z. B. wenn besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht und keine vergleichbaren Angebote existieren (vgl. Fachliche Weisungen FbW). Hier wird bei behinderten Menschen im Rahmen der Wiedereingliederung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse unterstellt. Dabei wäre allerdings auch zu prüfen, ob die Leistungen zur Teilhabe anderweitig (z. B. über den zuständigen Reha-Träger) erreicht werden können. Auf eine Zertifizierung kann gemäß der fachlichen Weisungen zu § 176 SGB III auch im Rahmen der Förderung mit dem Persönlichen Budget nach § 29 SGB IX in sachlich begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden. Im KURSNET der BA sind die vorhandenen Angebote in der Regel eingestellt und ist auch eine Differenzierung speziell nach Behinderungsart unter der erweiterten Suche möglich. KURSNET finden Sie hier: https://www.kursnet.arbeitsagentur.de/kurs/portal.

Andererseits bestehen auch spezielle Angebote für behinderte Menschen im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen, die in Einrichtungen nach § 51 SGB IX durchgeführt werden. Auch diese Einrichtungen benötigen, um Rehabilitandinnen und Rehabilitanden von der BA aufnehmen zu können, eine entsprechende Trägerzertifizierung gemäß § 176 SGB III. Um eine Leistung bzw. Förderung in einer Einrichtung nach § 51 SGB IX zu erhalten, ist der individuelle Bedarf des behinderten Menschen im Rahmen eines Reha-Verfahrens durch den zuständigen Reha-Träger zu ermitteln und die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern.

Alle Angaben zur AZAV finden Sie im Internet hier: https://www.arbeitsagentur.de/bildungstraeger/akkreditierung-zulassung

Beratung und Förderung nach dem Qualifizierungschancengesetz

Die BA hat durch das Qualifizierungschancengesetz neue Aufgaben übernommen. Dazu gehört auch die Beratung und Förderung von Bedarfsträgern mit einer Schwerbehinderung in Fragen von beruflichen Weiterbildungsbedarfen vor dem Hintergrund von Anforderungsveränderungen in der Arbeitswelt, die zumeist durch Digitalisierungsprozesse initiiert wurden. Bitte informieren Sie mich für unsere Beratungs- und Informationsarbeit über Konzepte, Verfahren, Richtlinien und dergleichen, zu dieser Beratung und Förderung speziell für Kunden mit Behinderungen.

Jens Nitschke:

Das Qualifizierungschancengesetz stellt eine Erweiterung der bisherigen Fördermöglichkeiten nach §§ 81 ff. SGB III dar und ergänzt daher das Angebot, das früher als WeGeBAU-Programm bekannt war. Die §§ 81 ff. SGB III wurden lediglich um neue Förderhöhen und -dauern, besonders für schwerbehinderte Menschen, erweitert. Darüber hinaus erhalten auch die Betriebe unter Umständen höhere Zuschüsse zu den Lohnkosten (Arbeitsentgeltzuschuss).

Die Zugangswege und -möglichkeiten sind - wie bei der Beschäftigtenförderung bisher auch - im Regelfall über die arbeitnehmer- und arbeitgeberorientierten Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte der Agenturen für Arbeit abgesichert. Folglich sind keine weitergehenden, auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen, abgestimmten Konzepte oder Richtlinien, notwendig. Die fachlichen Weisungen werden durch die BA im Internet veröffentlicht, sodass Sie Ihre Mitglieder anhand der Weisungen informieren können, die gleichermaßen für die Vermittlung von Menschen mit Behinderungen gelten.

Der (gemeinsame) Arbeitgeber-Service (AG-S) sensibilisiert und berät Arbeitgeber im Rahmen der Qualifizierungsberatung zu Vorteilen und Möglichkeiten einer systematischen Personalentwicklung zur Deckung ihres Fachkräftebedarfs. Der Beratungsansatz schließt die Potenziale aller Personengruppen, z. B. Menschen mit Behinderungen, ein. Ergeben sich während bzw. nach einer Qualifizierung aufgrund der veränderten Anforderungen der neuen Tätigkeit Fragen zur Barrierefreiheit, behindertengerechten Gestaltung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen oder dem Einsatz technischer Arbeitshilfen kann der AG-S den Technischen Beratungsdienst in die Beratung einbeziehen.

Die Weisungen zur Durchführung der beruflichen Weiterbildung nach §§ 81 ff. SGB III finden Sie hier: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/dok_ba014613.pdf. Hierin sind bereits zum Stand 01.01.2019 die Änderungen aus dem Qualifizierungschancengesetz enthalten.

Den Pfad zu den Weisungen erreichen Sie über folgenden Weg: Startseite > Über uns > Unsere Veröffentlichungen > Weisungssammlungen nach Rechtsnormen – hier wählen Sie dann bitte das entsprechende Gesetzbuch aus.

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Anja Fibich und Frauke Onken

2. Das iBoB-Anforderungsprofil "Barrierefreie Weiterbildungen"

(Kurzübersicht, Stand März 2018)

Vorbemerkung

Soll eine Weiterbildung auf Barrierefreiheit beurteilt werden, dann müssen die drei Phasen der Teilnahme (Anmeldung, Veranstaltung, Prüfung) gleichermaßen berücksichtigt werden. Innerhalb dieser Phasen wurden diejenigen Aspekte identifiziert, die für eine erfolgreiche Teilnahme blinder und sehbehinderter Menschen kritisch sein können. Auf dieser Grundlage wurden 25 Anforderungen an eingesetzte Verfahren, Techniken und Dokumente abgeleitet. Diese Anforderungen werden um 4 spezifische technische Richtlinien ergänzt, die konkrete Vorgaben zur Barrierefreiheit für Verfahren, Techniken und Dokumente enthalten.

25 Anforderungen:

Im Anforderungsprofil werden keine bestimmten Verfahren, Techniken oder Dokumentenformate als allgemeingültige Lösung zur Erreichung der Barrierefreiheit präferiert. Stattdessen wird jede auf ihre barrierefreie Gestaltung zu prüfende Weiterbildung als eigenständiger Lösungsweg betrachtet. Dieser Ansatz erlaubt es zudem, individuelle Ansätze zur Optimierung der eingesetzten Medien und Mittel zu entwickeln. Das Anforderungsprofil bietet sich daher auch als Leitlinie für die kontinuierliche Anpassung an.

4 spezifische technische Richtlinien:

Den vier grundlegenden Medien zur Informationsvermittlung (Dokumente, Webbasiert, Software oder grafische Techniken) sind jeweils mögliche Anwendungsbereiche innerhalb des Weiterbildungsprozesses zugeordnet. Die entsprechenden Prüfverfahren benennen die anerkannten technischen Standards, mit denen sich die Qualität der barrierefreien Gestaltung der Medien bewerten lässt. Zudem besteht in Einzelfällen die Möglichkeit, Alternativen zu den üblicherweise genutzten Verfahren einzusetzen, um mit dem Aufbau barrierefreier Angebote zu beginnen.

Die technischen Richtlinien erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

Andere als die genannten Prüfverfahren oder Alternativen sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie müssen aber den grundlegenden Prinzipien der Barrierefreiheit (wahrnehmbar, bedienbar, verständlich, robust) genügen und die Teilnahme blinder und sehbehinderter Menschen an einer Weiterbildung gewährleisten.

Aktualisierung: Im Rahmen des Projekts iBoB wird das Anforderungsprofil erprobt und regelmäßig dem Stand der Technik angepasst. Die jeweils aktuelle und kommentierte Fassung finden Sie auf: https://weiterbildung.dvbs-online.de/f%C3%BCr-anbieter/barrierefreiheit.html

Die 25 Anforderungen an "Barrierefreie Weiterbildungen"

Anforderungen an Phase 1: Information und Anmeldung
Nr. Anforderung
1.1 Die erforderlichen Informationen zum Weiterbildungsangebot sind barrierefrei verfügbar.
1.2 Informationen zur Prüfungsordnung sind barrierefrei verfügbar.
1.3 Informationen zu den verwendeten Lehrmaterialien und deren barrierefreier Gestaltung sind barrierefrei verfügbar.
1.4 Informationen zu gegebenenfalls eingesetzten webbasierten Schulungsformen und deren barrierefreier Gestaltung sind barrierefrei verfügbar.
1.5 Informationen zu gegebenenfalls eingesetzten softwarebasierten Schulungsformen und deren barrierefreier Gestaltung sind barrierefrei verfügbar.
1.6 Die erforderlichen Informationen zum Vertragsabschluss (AGB, Vertragsinhalt, etc.) sind barrierefrei verfügbar.
1.7 Das Anmeldeverfahren ist barrierefrei gestaltet.
1.8 Das Verfahren für den Vertragsabschluss ist barrierefrei gestaltet
Anforderungen an Phase 2: Veranstaltung
Nr. Anforderung
2.1 Vor Beginn der Veranstaltung wird ein Gespräch zur Klärung der individuellen Bedarfe angeboten.
2.2 Die erforderlichen Lehrmaterialien werden rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn zur Verfügung gestellt.
2.3 Es wird ein Rücktrittsrecht angeboten, wenn elektronisch gestützte Systeme für die erfolgreiche Teilnahme erforderlich sind, diese jedoch nicht ausreichend barrierefrei gestaltet sind und deren Funktionen nicht durch barrierefreie Alternativen ersetzt werden können.
2.4 Alle textbasierten Lehrmaterialien sind in einem barrierefreien Format verfügbar.
2.5 Für nicht-textbasierte, visuelle Lehrmaterialien wird eine barrierefreie Alternative angeboten.
2.6 Sofern Sondernotationen einen wesentlichen Bestandteil des Lehrinhalts ausmachen und barrierefreie Sondernotationen verfügbar sind, werden diese barrierefrei angeboten.
2.7 Die erforderlichen Funktionen der eingesetzten eLearning-Plattform sind barrierefrei gestaltet.
2.8 Lern- und Fachsoftware sowie Apps sind barrierefrei gestaltet.
2.9 Dozenten*innen, die Präsenzveranstaltungen leiten, wurden zielgruppengerecht sensibilisiert und geschult.
2.10 Die Ersteller*innen /Bearbeiter*innen von Teilnehmerunterlagen wurden zielgruppengerecht in der Erstellung barrierefreier Dokumente geschult.
Anforderungen an Phase 3: Prüfungen
Nr. Anforderung
3.1 Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme an Prüfungen werden rechtzeitig und verbindlich geklärt.
3.2 Die eingesetzten elektronischen Systeme können vom Teilnehmer im Vorfeld in Verbindung mit seinen benötigten assistiven Technologien erprobt werden.
3.3 Die Prüfungsorganisation steht nicht im Widerspruch zum individuellen Bedarf der Prüfungsteilnehmer*innen.
3.4 Die Prüfungsgestaltung steht nicht im Widerspruch zum individuellen Bedarf der Prüfungsteilnehmer*innen.
3.5 Behinderungsbedingt notwendige Hilfsmittel sind zur Prüfung zugelassen.
3.6 Die Prüfungsunterlagen stehen in einem barrierefreien Format zur Verfügung.
3.7 Bei (internen) Prüfungen wurden die Prüfer*innen zielgruppengerecht sensibilisiert und geschult.

Kontakt

Wenn Sie Fragen zum Anforderungsprofil „Barrierefreie Weiterbildung“ haben, Ihre Angebote für die iBoB-Weiterbildungsplattform auf Barrierefreiheit prüfen möchten, oder Sie sich für das Projekt iBoB interessieren, dann nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf.

Ansprechpartner

  • Projektleitung: Klaus Winger
  • Projektmanagement: Ursula Müller, Frauke Onken
  • "Barrierefreie Weiterbildung": Anja Fibich, Frauke Onken

Kontakt:

Projekt iBoB, inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren, c/o Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-33; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
iBoB-Weiterbildungsplattform: http://weiterbildung.dvbs-online.de
Facebook:

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3.iBoB-Angebote

Im Rahmen der Projektlaufzeit sind verschiedene iBoB-Angebote entwickelt wurden, die bis zum 31.10.2019 kostenfrei verfügbar sind. Ab dem 01. November 2019 werden diese durch den DVBS fortgeführt.

Es handelt sich um folgende Produkte und Dienstleistungen:

1) Anbieterneutrale und kostenfreie Weiterbildungsberatung

Die Beratung richtet sich an blinde/sehbeeinträchtigte Weiterbildungsinteressierte sowie Arbeitgeber und Multiplikatoren und bietet Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Weiterbildungsangeboten und Fördermöglichkeiten unter Berücksichtigung individueller, behinderungsspezifischer Anforderungen sowie eine Begleitung des Weiterbildungsprozesses.

2) Webbasiertes KODE®-Kompetenzcoaching (s-b)

KODE® steht für Kompetenzdiagnostik und -entwicklung. Es ist ein auf die Messung beobachtbarer Kompetenzen fokussiertes, wissenschaftlich validiertes Verfahren. KODE® unterstützt bei der Standortbestimmung und der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung.

3) Peer-to-Peer-Mentoring

Im Peer-Mentoring werden blinde/sehbeeinträchtigte Menschen durch geschulte, ebenfalls sehbeeinträchtigte Mentoren bei Fragestellungen rund um behinderungsspezifische Themen unterstützt. Menschen mit ähnlichen oder vergleichbaren Beeinträchtigungen erhalten so Anregungen, die sie auf ihrem weiteren Weg zu einem Job, im Job und am Arbeitsplatz oder für die Organisation einer Weiterbildung nutzen können.

4) Online-Kurs: Digitale Barrierefreiheit

Dieser kostenfrei durchzuführende Kurs vermittelt in rund 2,5 Stunden Anforderungen an digitale Barrierefreiheit und sensibilisiert für deren Umsetzung und Anwendung. Folgende Inhalte werden vermittelt: Einführung, Arbeit am Computer, Mobilgeräte, Barrierefreie Dokumente, Textalternativen und Barrierefreiheitsprüfung. http://leitfaden-barrierefrei.dvbs-online.de

5) Die iBoB-Weiterbildungsplattform

Hier finden Sie Weiterbildungsangebote, die die besonderen Bedarfe blinder und sehbehinderter Erwerbstätiger berücksichtigen. Um die Barrierefreiheit zu gewährleisten, unterstützen und beraten wir Anbieter bei der Umsetzung ihrer Angebote. Dazu dient das als Download auf der Weiterbildungsplattform hinterlegte Anforderungsprofil. http://weiterbildung.dvbs-online.de

6) Broschüren

Zur Unterstützung von Dozenten und Weiterbildungsanbietern bei der Einführung und Umsetzung von barrierefreien Lehrgängen wurden verschiedene Broschüren erstellt, die als barrierefreier Download auf der Weiterbildungsplattform verfügbar sind oder in der gedruckter Form über den DVBS angefordert werden können. Es handelt sich um:

  • Geht doch - Sozialrechtliches Kurzgutachten zur Frage der Finanzierungssituation von speziellen Fort- und Weiterbildungsangeboten für insbesondere blinde und sehbehinderte Menschen
  • Gut fürs Image - Praxisleitfaden zur Erstellung von textbasierter Alternativen für Grafiken
  • Keine Panik! - Praxisleitfaden für Weiterbildungsveranstaltungen mit blinden und sehbehinderten Menschen
  • Fragen kostet nix - eine Anleitung für blinde/sehbeeinträchtigte Weiterbildungsinteressierte zur Vermittlung und Durchsetzung ihrer Anforderungen vor und zur Teilnahme an Weiterbildungslehrgängen. (in Erstellung, ab Herbst 2019 verfügbar)

Bei Interesse oder weiteren Fragen nutzen Sie das Kontaktformular der Weiterbildungsplattform http://weiterbildung.dvbs-online.de. Oder schreiben Sie uns per Email an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder rufen Sie uns an unter Telefon: 06421-9488833.

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4. DVBS-Hinweise

Fit für Weiterbildung: Neues Angebot für berufstätige blinde und sehbehinderte Menschen

Wenn Weiterbildungen oder Jobveränderungen ins Haus stehen, mag die Frage auftauchen: Kann ich den individuellen Gebrauch meiner Hilfsmittel optimieren? Wie kann ich sicherer und effektiver damit arbeiten? Aber auch der Arbeitsalltag verlangt eine gute und sichere Hilfsmittelnutzung.

Mit dem neuen Bildungsangebot "Fit für berufliche Weiterbildung und -entwicklung" spricht der DVBS e.V. sehbeeinträchtigte Erwerbstätige an, die für ihre berufliche Tätigkeit technische Hilfsmittel benötigen oder bereits benutzen. Für sie können die Kosten vom zuständigen Integrationsamt übernommen werden.

Fit für Weiterbildung - in aller Kürze:

  • viertägiges Seminar
  • individuelle Hilfsmittelbegutachtung und -beratung
  • bedarfsgerechte Auffrischung oder Vermittlung von behinderungsspezifischen Arbeitsweisen und Hilfsmittelnutzungen
  • Schwerpunkt: das ausführliche Üben des effizienten Hilfsmitteleinsatzes in einem konkreten Arbeits- oder Bildungskontext.

Das Seminar kann in Halle, Stuttgart, Chemnitz, Marburg, Düren oder Frankfurt/Main stattfinden.

Sie haben selbst Interesse an der Fortbildung? Sie sind in der Beratung sehbeeinträchtigter Menschen oder Personalentwicklung tätig, in der Schwerbehindertenvertretung aktiv oder ein Bildungsanbieter und möchten mehr über das Angebot wissen?

Rufen Sie uns an unter 06421 94888-0 oder schreiben Sie eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!und nennen Sie als Stichwort "Fit für Weiterbildung". Sie finden die ausführliche Beschreibung auch auf unserer Webseite https://www.dvbs-online.de unter Angebote / Seminare.

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Fachtagung im Herbst 2019

Wir möchten Sie herzlich zu der DVBS-Fachtagung "Qualifizierung sehbeeinträchtigter Ehrenamtlicher zu IT-Barrierefreiheit in BGG und Vergaberecht anhand aktueller gesetzlicher Regelungen" einladen, die am 31. August und 1. September 2019 in Frankfurt stattfinden wird.

Die Digitalisierung wirft Fragen nach barrierefreiem Zugang für blinde und sehbehinderte Menschen auf. Ziel der Fachtagung ist es, Umsetzungsstandards für digitale Barrierefreiheit vorzustellen, Beteiligungsformen in Prozessen der Digitalisierung zu diskutieren und Strategien für die Interessenwahrnehmung aufzuzeigen. Dazu gehört die Analyse von Gesetzesvorlagen, die Entwicklung von fundierten Stellungnahmen, die interdisziplinäre Kooperation von selbst betroffenen Fachleuten.

Noch ist vieles in der Planung, doch alle, die sich für das Thema IT-Barrierefreiheit interessieren, sollten sich dringend den Termin freihalten. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!

Kontakt: Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Frauenbergstraße 8, 35039 Marburg, Tel.: 06421 94888-0; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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5. Linksammlung

Zur weiteren, vertiefenden Lektüre empfehlen wir folgende Links:

Gesetze, Kommentare und Empfehlungen

Thema Barrierefreiheit

Informationen und Ansprechpartner*innen des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V.

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Impressum

  • Herausgeber:
    Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS)
    Frauenbergstraße 8
    35039 Marburg
    Tel.: 06421 94888-0
    Fax: 06421 94888-10
    E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
    Internet: www.dvbs-online.de
  • Redaktion:
    Ursula Müller, Frauke Onken, Klaus Winger
  • Koordination:
    Sabine Hahn, Juliane Taubner
  • Verantwortlich im Sinne des Presserechts (V. i. S. d. P.):
    Marianne Preis-Dewey (DVBS)
  • Verlag:
    Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V., Marburg.
    ISSN 0724-7389
    horus spezial IX "Teilhabe im Job" ist eine Sonderpublikation der Zeitschrift "horus", Jg. 81 der Schwarzschriftausgabe, Juni 2019.
    Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung der Redaktion.
  • Digitalisierung und Aufsprache:
    Geschäftsstelle des DVBS, Marburg
  • Schwarzschrift-Druck:
    Druckerei Schröder
    35083 Wetter/Hessen
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
  • Titelbild:
    Layout: Anja Fibich unter Verwendung eines Bildes von Andrey Kuzmin - stock.adobe.com.

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Danke!

Der DVBS bedankt sich herzlich bei Aktion Mensch für die finanzielle Unterstützung der Fachtagung "Teilhabe im Job", bei der Dr. Georg - Blindenstiftung, Bad Rothenfelde, für die Förderung der vorliegenden Publikation "horus spezial IX" und bei allen Beteiligten und Teilnehmenden für die freundliche Zusammenarbeit und das gute Gelingen der Veranstaltung.

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Hauptsitz: Königstraße 73, 90402 Nürnberg, Fon +49 911 66484870, Fax +49 911 66484871, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Niederlassungen: Rotebühlplatz 15, 70178 Stuttgart, Fon +49 711 52855080, Fax +49 711 52855079, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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