DVBS-Bezirk Hessen: Diskussion mit Landtagsfraktionen über digitale Barrierefreiheit

Die EU hat bereits 2016 ihre Mitgliedsstaaten verpflichtet, sämtliche Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen bis September 2021 barrierefrei zu gestalten. Darüber hinaus soll es einen wirksamen Beschwerdemechanismus und eine Schlichtungsstelle geben. Diese Vorgabe schließt Bund, Länder und Kommunen ein.

In Hessen haben CDU und Bündnis 90/Die Grünen Mitte August einen weitreichenden Gesetzentwurf zur Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes eingebracht. Das Gesetz soll noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden – eine angemessene Beteiligung betroffener Menschen und ihrer Verbände ist kaum möglich. Die Selbsthilfeverbände konnten bis zum 15. Oktober schriftliche Stellungnahmen abgeben. Eine öffentliche, mündliche Anhörung soll nicht stattfinden.

Alle inhaltlich konkreten Regelungen zur digitalen Barrierefreiheit im Sinne der EU-Richtlinie sollen erst in einer nachfolgenden Rechtsverordnung festgelegt werden, die einer öffentlichen Diskussion ohnehin entzogen wäre.

Die Bezirksgruppe Hessen des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf hat in Kooperation mit der Deutschen Blindenstudienanstalt und dem Blinden- und Sehbehindertenbund Hessen die Sprecher*innen der Landtagsfraktionen zu einer Diskussion über dieses Thema eingeladen. Am 15. Oktober konnten die Parteien ihre Vorstellungen zur Umsetzung digitaler Barrierefreiheit vorstellen, und sie haben sich kritischen Nachfragen gestellt.

Kritik kam aber auch von den Parteien selbst: So verurteilten alle Oppositionsfraktionen den Verzicht der Regierungskoalition auf eine mündliche Anhörung als unangemessen und unverständlich. Zum ersten Mal organisiert die Opposition nun selber eine Anhörung, die am 24. Oktober stattfinden wird.

Die Kritikpunkte und Forderungen des DVBS-Bezirks Hessen finden Sie im folgenden Forderungspapier.

DVBS-Bezirksgruppe Hessen zur Umsetzung der
RL (EU) 2016/2102 in Hessen

Die Politik betont immer wieder die Bedeutung des digitalen Wandels. Von seinen unbestreitbaren Vorteilen müssen auch Menschen mit Beeinträchtigungen profitieren.

Die Richtlinie der EU zu barrierefreien Websites und mobilen Anwendungen bietet dazu ein geeignetes Instrumentarium. Ihre Umsetzung eröffnet Chancen, die nicht vertan werden dürfen. Mit ihr werden Fakten geschaffen, die sich unmittelbar und für lange Zeit auf den Alltag blinder und sehbehinderter Menschen auswirken werden. Daher sind bei der Novellierung des Hessischen Behindertengleichstellungsgesetzes verschiedene Anforderungen zu berücksichtigen.

Wir fordern den Hessischen Gesetzgeber und die Landesregierung auf,

  • die wesentlichen Umsetzungsentscheidungen im Gesetz in einem transparenten Verfahren unter Beteiligung der Betroffenen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen,
  • die Gemeinden und kommunalen Gebietskörperschaften umfassend in das Behindertengleichstellungsgesetz einzubeziehen,
  • für die Umsetzung in den Intranetzen der Verwaltung zeitliche Befristungen entsprechend dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes zu setzen,
  • bei Ausschreibungen und Auftragserteilungen für Hard- und Software digitale Barrierefreiheit als zwingendes Kriterium zu berücksichtigen,
  • angemessene Strukturen und Mittel zur Einrichtung der in der EU-Richtlinie vorgesehenen Mechanismen (Feedback-, Prüfungs- und Durchsetzungsverfahren) zur Verfügung zu stellen,
  • Initiativen zur Bewusstseinsbildung aller Mitarbeiter*innen öffentlicher Stellen im Hinblick auf digitale Barrierefreiheit zu ergreifen und dazu eine Schulungsoffensive durchzuführen sowie
  • sich dafür einzusetzen, dass auch Private zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet werden.