Digitale Justiz barrierefrei gestalten

Von einer modernen und digitalen Justiz wird erwartet, dass sie barrierefrei zugänglich und nutzbar ist. Das gilt sowohl für den Zugang der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens zu Gerichten und Staatsanwaltschaften als auch für die IT-Fachanwendungen und die elektronischen Dokumente in der Justiz. Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz vom 5. Juli 2017 (BGBl I S. 2208) sieht deshalb vor, dass die Akten in der Justiz barrierefrei sein müssen. Gleichzeitig schreibt § 191a Abs. 3 GVG vor, dass elektronische Dokumente und elektronische Formulare der Justiz barrierefrei zu gestalten sind. Außerdem verpflichtet § 7 VDG (BGBl I 2017, S. 2745) die Anbieter von Vertrauensdiensten (z.B. zur qualifizierten elektronischen Signatur) zur Barrierefreiheit ihrer Angebote. Insbesondere für blinde und sehbehinderte Menschen, die als Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Urkundsbeamte oder Mitarbeiter der Geschäftsstellen in der Justiz arbeiten oder als Prozessbeteiligte und Verfahrensbevollmächtigte mit der Justiz kommunizieren, ist die Barrierefreiheit der Informationstechnik von zentraler Bedeutung.

Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) e.V. bietet deshalb während des EDV-Gerichtstages einen

Informationsstand in Hörsaal 0.04

Hier werden blinde und sehbehinderte Juristinnen und Juristen zeigen,

  • wie sie mit Hilfe assistiver Technologien am PC arbeiten,
  • welche Hindernisse und Barrieren dabei auftreten und
  • wie sich diese Barrieren vermeiden lassen.

Sehen Sie sich einen mit Braillezeile, Sprachausgabe und Vergrößerungsmöglichkeiten ausgestatteten PC-Arbeitsplatz an, erfahren Sie, wie blinde und sehbehinderte Juristinnen und Juristen ihren Arbeitsalltag bewältigen, lassen Sie sich über die Anforderungen an barrierefreie Informationstechnik informieren oder beraten Sie mit Fachleuten, wie sich grafische Benutzeroberflächen, Programme und Programminhalte sowie elektronische Dokumente barrierefrei gestalten lassen.  

Um Menschen mit Behinderungen, wie von der UN-Behindertenkonvention vorgesehen, eine gleichberechtigte Teilhabe und einen ungehinderten Zugang zur Justiz zu ermöglichen, müssen die technischen Standards zur Barrierefreiheit (WCAG 2.1, DIN EN 301 549, DIN EN ISO 9241-171, DIN ISO 14289-1, …) bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung von IT-Anwendungen berücksichtigt werden. Gleiches gilt bei wesentlichen Änderungen und Aktualisierungen vorhandener IT-Anwendungen. Erforderlich ist es, die Beachtung dieser Standards von Anfang an verbindlich festzuschreiben, ihre Einhaltung durch entwicklungsbegleitende Tests regelmäßig zu überprüfen und durch einen unabhängigen Abschlusstest bestätigen zu lassen. Daneben sind Gebrauchstauglichkeitstests durch betroffene Nutzerinnen und Nutzer unentbehrlich.

Nach § 121 Abs. 2 GWB müssen öffentliche Auftraggeber bereits heute bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, in der Leistungsbeschreibung die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen. Zudem ermöglicht § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB iVm § 58 Abs. 2 Nr. 1 VgV bei der Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Angeboten die vorgesehene Verwirklichung von Barrierefreiheit zu bewerten, so dass auch hinsichtlich der Barrierefreiheit ein Wettbewerb um die beste Lösung erfolgt. Diese Anforderungen sind über §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 2 Nr. 1 UVgO (BAnz AT 7.2.2017 B1, ber. Nr. 170208 S. 1) auch bei Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte zu beachten.

Diskutieren Sie an unserem Informationsstand mit Fachleuten, tauschen Sie Erfahrungen aus oder versorgen Sie sich mit weiterführenden Informationen. Software-Ergonomie und Barrierefreiheit kommen letztlich allen Nutzerinnen und Nutzern zu Gute.